Zur Bedeutung von Operatoren - files.dorner-verlag.at
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Karl Lahmer<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong><br />
In der Handreichung des bmukk zur mündlichen Reifeprüfung an den AHS ist beschrieben, dass jede<br />
Aufgabenstellung bei der mündlichen Reifeprüfung folgende Anforderungsbereiche enthalten muss:<br />
a. eine Reproduktionsleistung (fachspezifische Sachverhalte wiedergeben und darstellen, Art<br />
des M<strong>at</strong>erials bestimmen, Inform<strong>at</strong>ionen aus M<strong>at</strong>erial entnehmen, Fachtermini verwenden,<br />
Arbeitstechniken anwenden etc.) und<br />
b. eine Transferleistung (Zusammenhänge erklären, Sachverhalte verknüpfen und einordnen,<br />
M<strong>at</strong>erialien analysieren, Sach- und Werturteile unterscheiden)<br />
c. sowie eine Leistung im Bereich <strong>von</strong> Reflexion und Problemlösung (Sachverhalte und<br />
Probleme erörtern, Hypothesen entwickeln, eigene Urteilsbildung reflektieren) 1<br />
Die Aufgabenstellung muss weiters gewährleisten, dass die Mindestzeit <strong>von</strong> zehn Minuten und<br />
Maximalzeit <strong>von</strong> 20 Minuten sinnvoll genutzt und die unterschiedlichen Kompetenzen unter Beweis<br />
gestellt werden.<br />
Mithilfe <strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> werden also Aufgabenstellungen in den Kompetenzniveaus differenziert,<br />
eine Zielsetzung, die im Wesentlichen auf die Bloom´sche Lernzieltaxonomie zurückgeht. Bejamin S.<br />
BLOOM (1913–1999) unterscheidet eine sechsstufige Taxonomie im kognitiven Bereich:<br />
Kenntnisse/Wissen: Reproduzieren <strong>von</strong> Sachverhalten, der Prozess des Erinnerns steht im<br />
Mittelpunkt des Lernens (= Reproduktion)<br />
Verstehen: Erklären <strong>von</strong> Sachverhalten und Sinnzusammenhängen (= Transfer)<br />
Anwendung: Fähigkeit, Methoden, die zur Lösung <strong>von</strong> Aufgaben bzw. zur Klärung eines<br />
Problems notwendig sind, in konkreten Situ<strong>at</strong>ionen einsetzen und/oder auf neue Situ<strong>at</strong>ionen<br />
übertragen (= Transfer)<br />
Analyse: Fähigkeit, wesentliche Elemente einer Inform<strong>at</strong>ion herauszufiltern und<br />
Schlussfolgerungen ziehen (= Transfer und Reflexion)<br />
Synthese: Fähigkeit, eigenständige Schlussfolgerungen zu ziehen und Inform<strong>at</strong>ionen<br />
weiterzudenken (= Reflexion)<br />
Bewertung/Evalu<strong>at</strong>ion: Kritikfähigkeit in Bezug auf sich selbst und andere (= Reflexion) 2<br />
Kehren wir zu den vom Ministerium beschriebenen drei Anforderungsbereichen Reproduktion,<br />
Transfer, Reflexion/Problemlösung zurück. Die Anforderungsbereiche werden durch sogenannte<br />
<strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> konkretisiert. Dazu gibt es in den fachbezogenen Handreichungen Beispiele, wie<br />
Aufgabenstellungen für die mündliche Reifeprüfung zu stellen sind. 3 Eine sehr inform<strong>at</strong>ive<br />
Beschreibung der <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> findet sich bei E. DORNER zu „Go! Geschichte Oberstufe 6“ 4 , die hier in<br />
Auszügen wiedergegeben und ergänzt ist:<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
Robert HINTEREGGER u. a., Mündliche Reifeprüfung. Eine Handreichung Standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung an AHS,<br />
Wien: BMUKK 2012, S. 12 f. Online verfügbar: http://www.bmukk.gv.<strong>at</strong>/medienpool/22837/reifepruefung_ahs_mrp.pdf (Mai 2013).<br />
Vgl. Benjamin BLOOM u.a., Taxonomie <strong>von</strong> Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim: Beltz 1972 (Englisch 1956).<br />
Vgl. http://www.bmukk.gv.<strong>at</strong>/schulen/unterricht/ba/reifepruefung_flf.xml (Mai 2013).<br />
Vgl. http://<strong>files</strong>.<strong>dorner</strong>-<strong>verlag</strong>.<strong>at</strong>/onlineanhaenge/<strong>files</strong>/go6_dl_oper<strong>at</strong>oren.pdf (Mai 2013). Zusammengestellt nach: Christoph<br />
KÜHBERGER, <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> als strukturierende Elemente <strong>von</strong> Aufgabenstellungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung. In:<br />
BM:UKK (Hg.): Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele<br />
für Themenpool und Prüfungsaufgaben (2010/2011), S. 14–18.
Karl Lahmer<br />
<strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> für Reproduktion<br />
nennen, wiedergeben, definieren,<br />
herausarbeiten, aufzählen,<br />
zusammenfassen …<br />
<strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> für Transfer<br />
analysieren, erklären, vergleichen,<br />
auswerten, zuordnen,<br />
gegenüberstellen, widerlegen,<br />
gliedern, übertragen, anwenden …<br />
<strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> für Reflexion/<br />
Problemlösung<br />
beurteilen, bewerten, erörtern,<br />
Stellung nehmen, entwickeln,<br />
begründet diskutieren, verfassen,<br />
kritisieren, interpretieren …<br />
Beispiele aus Geschichte und PUP<br />
Nennen Sie mindestens vier totalitäre Dikt<strong>at</strong>uren des<br />
20. Jahrhunderts.<br />
Definieren Sie Psychologie, Psychotherapie,<br />
Psychi<strong>at</strong>rie.<br />
Beschreiben Sie das Eisbergmodell <strong>von</strong> Sigmund FREUD.<br />
Beispiele aus Geschichte und PUP<br />
Analysieren Sie die Grundzüge der n<strong>at</strong>ionalsozialistischen<br />
Europapolitik aus den vorliegenden<br />
Quellen.<br />
Werten Sie die St<strong>at</strong>istiken zur österreichischen<br />
Emigr<strong>at</strong>ion um 1900 aus.<br />
Ordnen Sie die vorgegebenen Definitionen den<br />
jeweiligen Richtungen der Psychologie zu.<br />
Vergleichen Sie die Hauptaussagen der beiden Texte.<br />
Übertragen Sie die vorgegebenen Begriffe in eine<br />
Tabelle.<br />
Beispiele aus Geschichte und PUP<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Erörtern Sie den Sinn <strong>von</strong> sta<strong>at</strong>lich verordneten<br />
Gedenk-/Erinnerungstagen im 21. Jahrhundert.<br />
Bewerten Sie die <strong>von</strong> KREISKY und seinen Regierungen<br />
bevorzugten Maßnahmen hinsichtlich des<br />
Wirtschaftswachstums.<br />
Bewerten Sie die Grundaussage des Höhlengleichnisses<br />
im Vergleich zum Gedankenexperiment „Das Gehirn im<br />
Tank“.<br />
Beurteilen Sie die ethischen Ansichten <strong>von</strong> Peter SINGER<br />
und nehmen Sie dazu kritisch Stellung.<br />
<strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> und Unterrichtsgestaltung<br />
Die bewusste Verwendung <strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> leistet in Bezug auf einen kompetenzorientierten<br />
Unterricht in vielerlei Hinsicht ganz konkrete Orientierungshilfen.<br />
1. Die Aufgabenstellungen im Rahmen der Reifeprüfung müssen – wie erwähnt –<br />
kompetenzorientiert und nach den drei Kompetenzniveaus gegliedert sein; sie spiegeln die<br />
überprüfbaren Teile des kompetenzorientierten Unterrichts („Rückwirkung dieser<br />
Kompetenzorientierung auf Unterricht und Prüfungskultur“ 5 ). Mit anderen Worten: Bereits im<br />
Unterricht müssen die drei Kompetenzniveaus geübt werden. Für die Vorbereitung einer<br />
Unterrichtseinheit bzw. einer Unterrichtseinheit kann die Maxime aufgestellt werden: In jeder<br />
Unterrichtsstunde müssen mindestens zwei der drei Niveaus geübt werden.<br />
2. Ein wesentlicher Aspekt eines kompetenzorientierten Unterrichts ist das exemplarische Lernen,<br />
d. h., Kompetenzen werden primär an exemplarischen Inhalten erworben. Damit ist nicht nur ein<br />
Unterrichten mit Beispielen gemeint, sondern die bewusste Beschränkung auf Sachverhalte, die<br />
als Fundamente des jeweiligen Fachs gelten können. Die Verwendung <strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> schärft<br />
den Blick, nicht nur auf den Input im Unterricht zu achten, sondern verstärkt den Output in den<br />
Mittelpunkt einer Planung zu richten.<br />
5<br />
http://www.bmukk.gv.<strong>at</strong>/medienpool/20710/reifepruefung_ahs_lfm.pdf, S. 6 (Mai 2013).
Karl Lahmer<br />
3. Die Verwendung <strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> schafft mehr Transparenz, weil die SchülerInnen genau wissen,<br />
was zu tun ist. Durch die Benutzung der <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> werden SchülerInnen dahingehend trainiert,<br />
erwartete Lösungsdarstellungen konkret umzusetzen. Einige Beispiele sollen das verdeutlichen:<br />
Nennen Sie einige wichtige Anwendungsbereiche der Psychologie. Die SchülerInnen sollen<br />
einige D<strong>at</strong>en/Fakten unkommentiert aufzählen.<br />
Erklären Sie die Grundaussagen des Textes zum Klonen, indem Sie Pro- und Kontra-<br />
Argumente differenzieren. Die SchülerInnen sollen Sachverhalte/Argumente in einen<br />
vorgegebenen Rahmen einordnen und die jeweilige Zuordnung begründen.<br />
Vergleichen Sie die beiden Tabellen „Einstellung zur Bildungspolitik“. Die SchülerInnen<br />
sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede mehrerer Details feststellen/herausarbeiten.<br />
Interpretieren Sie den Text zum Verantwortungsbewusstsein Jugendlicher. Die<br />
SchülerInnen sollen wichtige Aussagen darstellen, bewerten und mögliche<br />
Schlussfolgerungen ziehen.<br />
4. Schließlich kann die bewusste Verwendung <strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> uns Lehrpersonen auch in die<br />
Richtung führen, vermehrt problemorientierte Aufgaben zu stellen. Problemorientierte<br />
Aufgabenstellungen geben den SchülerInnen die Möglichkeit, im Unterricht Transfer- und<br />
Reflexionskompetenzen zu üben und so für die Reifeprüfung vorbereitet zu sein. Dazu einige<br />
Beispiele: 6<br />
Nicht: Lernen Sie die bedeutendsten Hauptstädte Europas.<br />
Sondern: Erstellen Sie mit Hot Pot<strong>at</strong>oes (einem Softwareprogramm) ein Quiz zu den<br />
bedeutendsten Hauptstädten Europas.<br />
Nicht: Nehmen Sie Stellung zu KANTs k<strong>at</strong>egorischem Imper<strong>at</strong>iv.<br />
Sondern: Einigen Sie sich in der Gruppe auf ein Gebot, das Ihrer Meinung nach <strong>von</strong> allen<br />
vernünftigen Menschen uneingeschränkt akzeptiert werden kann. (Hier könnten auch einige<br />
Gebote wie z. B. „Du sollst nicht lügen!“ vorgegeben werden.)<br />
Nicht: Was sind Werte?<br />
Sondern: Schreiben Sie einen Dialog zwischen zwei Personen, die eine Person vertritt soziale<br />
Gerechtigkeit und Fairness, die andere die neoliberale Ideologie der Pferde-Sp<strong>at</strong>zen-<br />
Ökonomie. (Die Pferde-Sp<strong>at</strong>zen-Ökonomie besagt: Wenn man den Pferden [= Reichen] genug<br />
Hafer gibt, fällt auch für die Sp<strong>at</strong>zen [= Armen] etwas ab.)<br />
Der bedeutende Humanist Johann A. COMENIUS (1592–1670) h<strong>at</strong> bereits vor rund 400 Jahren vor<br />
einem Bulimie-Lernen, einer Überfülle <strong>von</strong> reinem Faktenwissen, gewarnt und eine Stoffreduzierung<br />
gefordert: Lehrer, lehrt weniger, damit die Schüler mehr lernen können. 7 Die bewusste Verwendung<br />
<strong>von</strong> <strong>Oper<strong>at</strong>oren</strong> kann uns Lehrpersonen die <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> Bildung im Sinne eines „Verstehens“<br />
wieder ins Gedächtnis rufen, nämlich die SchülerInnen anzuleiten, viele verschiedene Sachverhalte<br />
miteinander zu verbinden und vielfältige Gedanken zu entwickeln.<br />
6<br />
7<br />
Vgl. Ingrid SALNER-GRIDLING, Querfeldein: Individuell lernen – differenziert lernen, Wien: BMUKK 2009, S. 68f. (auch online verfügbar).<br />
Vgl. Richard David PRECHT, Anna, die Schule und der liebe Gott. Der Verr<strong>at</strong> des Bildungssystem an unseren Kindern, München:<br />
Goldmann 2013, S. 119.