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Verstehen als Voraussetzung schulischer Bildung - LBZH ...

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Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Dr. Hajo H. Frerichs<br />

Inklusion<br />

<strong>Verstehen</strong> <strong>als</strong> <strong>Voraussetzung</strong> <strong>schulischer</strong> <strong>Bildung</strong>


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusion<br />

Mit der Anerkennung der Behindertenrechtskonvention (BRK) der<br />

Vereinten Nationen im März 2007 verpflichtet sich die<br />

Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 24 BRK zur Schaffung<br />

eines inklusiven <strong>Bildung</strong>ssystems. Mit Inkrafttreten des<br />

Bundesgesetzes am 26.03.2009 ist diese Verpflichtung erfüllt<br />

worden. Am 20.10.2011 wurde von der KMK der Beschluss<br />

„Inklusive <strong>Bildung</strong> von Kindern und Jugendlichen mit<br />

Behinderungen in Schulen“ gefasst. Das Land Niedersachsen hat<br />

am 23.06.2012 das Gesetz zur Einführung der Inklusiven Schule<br />

verabschiedet.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusion hörgeschädigter Menschen<br />

Hörgeschädigte Menschen müssen in der Kommunikation ihren<br />

Hörverlust ausgleichen. In Abhängigkeit von der Art und dem<br />

Grad der Schädigung werden unterschiedliche Kommunikationssysteme<br />

und individuelle elektroakustische Hilfsmittel genutzt.<br />

Kommunikationssysteme: Absehen, Schrift, Fingeralphabet,<br />

Gebärden (lautsprachbegleitende Gebärden,<br />

Deutsche Gebärdensprache)<br />

Elektroakustische Hilfsmittel: Hörgeräte, Cochlear Implantate,<br />

Induktionsschleifen, Infrarot- oder FM-<br />

Übertragungen, Raumbeschallungsanlagen


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusion hörgeschädigter Menschen<br />

• Nutzung schalloptimierter Schul- und Klassenräume<br />

• Sicherstellung und Nutzung medizinischer und elektroakustischer<br />

Hilfsmittel (Hörgeräte, Cochlea-Implantate,<br />

Kommunikationsanlagen, etc.),<br />

• gute Beleuchtung der Unterrichtsräume<br />

• visualisierter Unterricht (Smartboard, Overheadprojektor,<br />

Beamer, Arbeitsblätter, Mitschriften etc.)<br />

• Störschallarmer Unterricht: kleine Klassen, Gesprächsdisziplin,<br />

strukturierte Gesprächsführung<br />

• Kommunikationsoptimierte Klassenraumorganisation:<br />

Sitzordnung für optimiertes Absehen, Minimierung des<br />

Sprecher-Hörer-Abstandes, Vermeidung unstrukturierter<br />

Kommunikation


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Störschall-Nutzschall-Verhältnis<br />

Die <strong>Bildung</strong>schancen und <strong>Bildung</strong>sergebnisse jedes Menschen<br />

hängen von der Qualität der Wahrnehmungs- und Lernangebote<br />

in seinem sozialen, kulturellen und akustischen Umfeld ab.<br />

In Schul- und Unterrichtsräumen werden vor allem die Möglichkeiten<br />

des Sprachverstehens, die Konzentrationsfähigkeit, die<br />

Merkfähigkeit, die psychische Belastung und das Sozialverhalten<br />

durch die akustischen <strong>Voraussetzung</strong>en bestimmt. Zu den<br />

kritisch-akustischen Wahrnehmungsvoraussetzungen gehören:<br />

• individuelle Hör- und Verstehfähigkeit<br />

• Sprecher-Hörer-Abstand<br />

• Nachhallzeit<br />

• Störschall-Nutzschall-Verhältnis<br />

• Unterrichtsorganisation


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Individuelle Hörfähigkeit<br />

Registrieren<br />

(hear)<br />

<strong>Verstehen</strong><br />

(listen)


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Individuelle Hörfähigkeit<br />

Schallleitungsstörung<br />

(„Schwerhörigkeit“)<br />

Schallwandlungsstörung<br />

(„Andershörigkeit“)<br />

Schallverarbeitungsstörung<br />

(„Andershörigkeit“)<br />

Schallwahrnehmungsstörung<br />

(„Andershörigkeit“)<br />

Fusion<br />

Pragmatik<br />

Rhythmik<br />

Syntax<br />

Zeit<br />

Semantik<br />

Dynamik<br />

Ergänzung<br />

Frequenz<br />

Schallsynthese<br />

Lautstärke<br />

Schallanalyse


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Individuelle Hörfähigkeit<br />

leichtgradig<br />

bis 30 dB<br />

mittelgradig<br />

30-60 dB<br />

hochgradig<br />

60-90 dB<br />

an Taubeit grenzend<br />

über 90 dB


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Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Schallquellenabstand<br />

Entfernungsgesetz für Schallfeldgrößen<br />

Ausgangspegel<br />

80<br />

Abstand (m) Berechnung (r1/rn) Pegelabnahme (dB)<br />

1 1,00 80,00<br />

2 0,50 40,00<br />

3 0,33 26,67<br />

4 0,25 20,00<br />

5 0,20 16,00<br />

6 0,17 13,33<br />

7 0,14 11,43<br />

8 0,13 10,00<br />

9 0,11 8,89<br />

10 0,10 8,00<br />

11 0,09 7,27<br />

12 0,08 6,67<br />

13 0,08 6,15<br />

14 0,07 5,71<br />

15 0,07 5,33<br />

16 0,06 5,00<br />

17 0,06 4,71<br />

18 0,06 4,44<br />

19 0,05 4,21<br />

20 0,05 4,00<br />

90,00<br />

80,00<br />

70,00<br />

60,00<br />

50,00<br />

40,00<br />

30,00<br />

20,00<br />

10,00<br />

0,00<br />

Pegelabnahme (dB)<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20


Schallquellenabstand<br />

Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Schallquellenabstand<br />

1 Meter<br />

2 Meter<br />

4 Meter<br />

8 Meter<br />

Ausgangslautstärke<br />

Störschall 40dB<br />

Schalldiskrimination<br />

normal Hörender<br />

(Störschall 40 dB)<br />

Schalldiskrimination<br />

leichtgradiger Hörschädigung<br />

(Störschall 40 dB)


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Nachhallzeit<br />

Alte Schulgebäude haben oft hohe Räume, neuere Schulgebäude<br />

haben oft Betonwände. In beiden Räumen hallt verstärkt Schall<br />

von den Wänden wider. Die Nachhallzeit (= Zeit, in der sich<br />

Schall noch ausbreitet, nachdem die Quelle verstummt ist) ist in<br />

diesen Räumen sehr lang. Bei einer langen Nachhallzeit werden<br />

Sprechlaute durch den zu langen Abklingvorgang der vorherigen<br />

Sprechlaute verdeckt. Es kommt zu Wahrnehmungsverzerrungen,<br />

die die Sprachverständlichkeit verschlechtern. Dies gilt besonders<br />

für die weiter vom Sprecher entfernten Hörer, weil das bei ihnen<br />

ankommende Signal viele Raumreflexionen enthält.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Unterrichtsorganisation<br />

Der empfohlene<br />

Grenzwert für geistige<br />

Arbeiten liegt bei 55 dB.<br />

In Klassenräumen werden<br />

jedoch (in Abhängigkeit<br />

von den jeweiligen<br />

Schuljahrgängen)<br />

Lärmpegel von 60 bis 75<br />

Dezibel erreicht.<br />

Ab 85 Dezibel beginnt der<br />

hörschädigende Bereich.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Unterrichtsorganisation<br />

Der Mensch braucht zum <strong>Verstehen</strong> einen etwa 15 dB höheren<br />

Schallpegel <strong>als</strong> der des ihn umgebende Störlärms. Wegen des<br />

Bedürfnisses, sich bei einem hohen Umgebungsgeräuschpegel<br />

dem Gesprächspartner trotzdem mitzuteilen, erhöht ein Sprecher<br />

jedoch seine Lautstärke und die Tonhöhe seiner Stimmlage. Die<br />

Hörbeeinträchtigung wirkt sich bei den meisten Hörgeschädigten<br />

im Hochtonbereich aus.<br />

10 %<br />

90 %


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Unterrichtsorganisation<br />

Die negativen Konsequenzen der Erhöhung der Sprechlautstärke<br />

multiplizieren sich und führen zum absoluten Nichtverstehen.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Unterrichtsorganisation<br />

Die negativen Konsequenzen dieser Störschallspirale haben sich<br />

in den letzten Jahrzehnten massiv verstärkt, da sich die Unterrichtsrealität<br />

von einem autoritären Frontalunterricht mit Dialogen<br />

zwischen der Lehrkraft und einzelnen Schülern („monologes<br />

Senden“) zu einem demokratisch-individuellen Unterricht mit<br />

Paralleldialogen zwischen den Mitgliedern der Gesamtgruppe<br />

(„multiloges Senden“) gewandelt hat.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Inklusionskriterium: Unterrichtsorganisation<br />

Im Mittelpunkt heutigen Unterrichts steht nicht mehr das<br />

"Belehrt" werden, sondern das "Miteinander Reden" und<br />

"Einander Zuhören". Unterrichtsrealität ist das selbstbestimmte<br />

Lernen, Freiarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Tagesplanarbeit,<br />

Lernwerkstatt <strong>als</strong>o methodische und didaktische Lernformen, die<br />

zwangsläufig mit einem Anstieg des Lärmpegels in den Klassen<br />

einhergehen. Unter den gegenwärtigen bau- und raumtechnischen<br />

Bedingungen sind entspanntes Lernen, Lehren und<br />

Kommunizieren an den meisten Schulen nicht möglich.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Aufgaben der Schulträger<br />

Trotz der offensichtlichen Notwendigkeit einer besonders guten<br />

Akustik für erfolgreiches schulisches Lernen und für gesunde<br />

Arbeitsbedingungen spielt dieser Aspekt in fast allen Schulgebäuden<br />

und beim Schulneubau oft nur eine untergeordnete Rolle.<br />

Die Unterrichtsräume sind zu hallig, die Grundgeräusch- und<br />

Störschallpegel sind zu hoch so dass ein angemessenes<br />

Sprachverstehen und eine entspannte Kommunikation verhindert<br />

wird.<br />

Von den akustischen Bedingungen hängt jedoch nicht allein der<br />

Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler ab, sondern die<br />

Konsequenzen schlechter Schulraumakustik liegen für Lehrkräfte<br />

in Stimmbanderkrankungen, in psychischer Erschöpfung sowie in<br />

vorzeitigem Ausscheiden aus dem Schuldienst.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Aufgaben der Schulträger<br />

Die Verantwortung der Schulträger liegt in der Umgestaltung und<br />

Schaffung von Unterrichtsräumen <strong>als</strong> „Inklusive Kommunikationsräume“.<br />

Die Schulträger müssen, unabhängig von der Inklusionsdiskussion,<br />

die Schulgebäude und die Klassenräume den heutigen Lehrund<br />

Lernverfahren entsprechend „akustisch demokratisieren“.<br />

Eingelöst werden darf nicht allein der der Anspruch auf Raumhygiene,<br />

sondern ebenso muss den Anspruch auf körperliche<br />

Unversehrtheit durch Schallhygiene sichergestellt werden.<br />

Lärmschutz- und Lärmemissionsvorgaben, die in der Industrie<br />

gelten müssen in Analogie und konsequent auf das gesamte<br />

Schul- und <strong>Bildung</strong>swesen übertragen werden.


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Exkurs Lärm <strong>als</strong> Umweltmüll<br />

„Eines Tages wird der Mensch<br />

den Lärm ebenso unerbittlich<br />

bekämpfen müssen wie die<br />

Cholera und die Pest.“<br />

Robert Koch (1843-1910)


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik<br />

Exkurs Lärm <strong>als</strong> Umweltmüll


Landesbildungszentrum für<br />

Hörgeschädigte Braunschweig Tag der Raumakustik

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