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Definition Geistige Behinderung

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Psychiatrische und psychotherapeutische<br />

Fragestellungen in der Arbeit mit geistig<br />

behinderten Patientinnen und Patienten<br />

Psychiatrisches Kolloquium 22.03.2013<br />

Dr. med. J. Wagner<br />

Psychiatriezentrum Männedorf


„Die Unterscheidung in behinderte und nichtbehinderte Menschen<br />

muss aufhören. Jeder hat gewisse <strong>Behinderung</strong>en und wir alle haben<br />

emotionale Defekte.“<br />

Bill Clinton<br />

Schirmherr „My handicap“


<strong>Definition</strong> <strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

ICD-10 Intelligenzminderung<br />

„… eine sich in der Entwicklung manifestierende, stehen gebliebene oder<br />

unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten, mit besonderer<br />

Beeinträchtigung von Fertigkeiten, die zum Intelligenzniveau beitragen, wie<br />

z.B. Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten“<br />

Einteilung in 4 Schweregrade (leicht / mittelgradig / schwer / schwerst),<br />

abhängig vom IQ


<strong>Definition</strong> <strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

DSM-IV Mental Retardation<br />

• Deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit: ein IQ<br />

von ca. 70 oder weniger bei einem individuell durchgeführten<br />

Intelligenztest<br />

• Gleichzeitige Defizite oder Beeinträchtigungen der gegenwärtigen<br />

sozialen Anpassungsfähigkeit in mindestens zwei der Bereiche<br />

Kommunikation, Eigenständigkeit, häusliches Leben,<br />

soziale/zwischenmenschliche Fertigkeiten, Nutzung öffentlicher<br />

Einrichtungen, Selbstbestimmtheit, schulische Fertigkeiten, Arbeit,<br />

Freizeit, Gesundheit sowie Sicherheit<br />

• Beginn der Störung liegt vor Vollendung des 18. Lebensjahrs


<strong>Definition</strong> <strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, <strong>Behinderung</strong><br />

und Gesundheit (ICF) / WHO 2001<br />

• negative Wechselwirkung zwischen einer Person (mit einem<br />

Gesundheitsproblem) und ihren Kontextfaktoren (Umwelt- und<br />

personenbezogene Faktoren)<br />

• Oberbegriff für Schädigungen (von Körperfunktionen oder –<br />

strukturen), Beeinträchtigungen der Aktivität oder der Teilhabe<br />

→<br />

→<br />

<strong>Behinderung</strong> als komplexes Zusammenspiel der Schädigungen<br />

auf organismischer, individueller und gesellschaftlicher Ebene<br />

bio-psycho-soziales Modell, Versuch der Zusammenführung des<br />

medizinischen (lösungsorientierten) Versorgungsmodell oder dem<br />

sozialen Modell der problematischen Integration.


<strong>Definition</strong> <strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, <strong>Behinderung</strong><br />

und Gesundheit (ICF)


Goethe, Faust und Julia


Begrifflichkeiten<br />

Diskussion: - Menschen mit kognitiver <strong>Behinderung</strong> / Beeinträchtigung<br />

- Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />

- Menschen mit besonderen Fähigkeiten / Anders Begabte<br />

- intellectual (learning) disability<br />

- intellectually challenged<br />

Obsolet:<br />

- Schwachsinn<br />

- Oligophrenie<br />

- Debilität<br />

- Imbezilität<br />

- Idiotie


<strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong> und Psychiatrie<br />

• Wertung häufig zu beobachtender Persönlichkeitszüge und Verhaltensweisen als<br />

Ausdruck der <strong>Behinderung</strong> selbst<br />

• Typologie nach Kurt Schneider<br />

•„der indolent Passive“<br />

• „der faule Geniesser“<br />

• „der sture Eigensinnige“<br />

• „der kopflos Widerstrebende“<br />

• „der aggressiv Losschimpfende“<br />

• „der ständig Erstaunte“<br />

• „der verstockte Duckmäuser“<br />

• „der heimtückisch Schlaue“<br />

• „der treuherzig Aufdringliche“<br />

• „der selbstsichere Besserwisser“<br />

• „der prahlerische Grosssprecher“<br />

• „der chronisch Beleidigte”<br />

• Typeneinteilung zumeist reduziert auf zwei Grundtypen:<br />

• den „torbiden” (den stumpf-apathischen)<br />

• den „erethischen” (den erregbar-aggressiven)


<strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong> und Psychiatrie<br />

Quelle: Lehrbuch der Psychiatrie, E. Bleuler; 12. Auflage, 1972


Ursachen<br />

• Genetische Faktoren: z.B. Trisomie 21, Klinefelter Syndrom, Fragiles X-<br />

Syndrom, Phenylketonurie, Prader-Willi-Syndrom, Neurofibromatose<br />

• Pränatale Schädigungen: z.B. Alkohol, Röteln-Infektion,<br />

Strahlenexposition, intrauterine Mangelernährung<br />

• Perinatale Schädigungen: z.B. Hypoxie, Hirnblutungen, Enzephalitis<br />

• Postnatale Schädigungen: z.B. Mangelernährung (Iodmangel),<br />

Infektionskrankheiten (Masern, Meningitiden, …), Toxine (Blei,<br />

Quecksilber, …), Epilepsie, SHT, hormonelle Störungen, Hirntumore<br />

• Psychosoziale Schädigungen: schwere, chronisch-deprivierende<br />

Lebensverhältnisse<br />

• In vielen Fällen ungeklärt, vor allem je leichter die <strong>Behinderung</strong>


Epidemiologie<br />

• in industrialisierten Ländern: 1-2,5% Menschen mit<br />

geistiger <strong>Behinderung</strong><br />

• 0,1-0,3% mit schwerer geistiger <strong>Behinderung</strong><br />

• in Entwicklungsländern: vermutlich 5fach höhere<br />

Prävalenzraten<br />

• Down Syndrom häufigste Ursache (1:650-1000<br />

Lebendgeborene)


Goethe, Faust und Julia


Untergliederung psychischer Auffälligkeiten<br />

• Psychische Störungen nach ICD-10/DSM-IV<br />

• Problemverhalten<br />

• Verhaltensphänotypen bei genetisch definierten<br />

Syndromen; charakteristische Merkmale im<br />

Verhalten, im neuropsychologischen Profil, im<br />

Entwicklungsverlauf oder hinsichtlich besonderer<br />

Prädispositionen für umschriebene psychische<br />

Störungen


Grundsätzliches<br />

Komorbide psychische Störungen sind sehr häufig<br />

(Prävalenz: 30-50%; 3-4 mal häufiger als bei<br />

Nichtbehinderten)<br />

Alle Formen psychischer Störungen kommen vor.<br />

Je schwerer die Intelligenzminderung ausgeprägt ist,<br />

desto grösser werden die diagnostischen Probleme und<br />

desto komplexer gestaltet sich die Behandlung.


Epidemiologie<br />

Prävalenz psychotischer und affektiver Störungen nimmt mit der<br />

Schwere der <strong>Behinderung</strong> ab.<br />

Prävalenz ADHD, Autismus-Spektrum-Störungen,<br />

Problemverhalten nimmt zu.<br />

Beispiel: Emotionale Störungen (Depression, Angst, Zwang)<br />

• 13,3% leicht behindert<br />

• 9,7% schwer behindert<br />

• 11,1% Total<br />

Schwache bis deutliche Tendenz: Störungen häufiger bei Frauen<br />

(ausser: Autismus-Spektrum-Störungen, Alkoholmissbrauch, Pica)<br />

Cooper et al, 2007


Demenz<br />

• Prävalenz zweimal höher als in der Normalbevölkerung.<br />

• Erkrankungsbeginn deutlich früher.<br />

• Gen für Amyloid-Precursor-Protein auf Chromosom 21<br />

→ Prävalenz DS < 65 Jahre: > 30%<br />

→ Prävalenz DS > 65 Jahre: > 26-100%<br />

• Grosse diagnostische Schwierigkeiten. Bei DS ws Beginn mit<br />

Beeinträchtigungen im Frontalhirn, bunte Symptomatik<br />

(Aggressives Verhalten, Affektive Komponenten,<br />

Schlafstörungen, sozial unpassendes Verhalten, Regression)<br />

• Es spricht grundsätzlich nichts gegen den Einsatz von<br />

Antidementiva.<br />

Coppus, Telbis-Kankainen, 2011


Spezielle Risiken für die Entwicklung einer<br />

psychischen Störung<br />

• Genetisch bedingte Vulnerabilität<br />

• Funktionsstörungen des Gehirns<br />

• Epilepsie<br />

Biologische Faktoren<br />

• Erschwerte Interaktionen mit der Umwelt infolge von Störungen der<br />

Motorik, Sensorik und Sprache<br />

Sarimski 2007


Spezielle Risiken für die Entwicklung einer<br />

psychischen Störung<br />

Psychologische Faktoren<br />

• Beeinträchtigte Intelligenz und aller damit zusammenhängender<br />

neuropsychologischer Funktionen (Adaptabilität)<br />

• Beeinträchtigte oder erlernte dysfunktionale Problemlösungsstrategien<br />

• Unreife Abwehrmechanismen in Konflikten und unter Belastungen<br />

• Erlernte dysfunktionale oder ungewöhnliche Copingstrategien<br />

• Entwicklungshemmende Bindungsstile, Kollusionen und Symbiosen mit<br />

Bezugspersonen<br />

• Schwierigkeit, eine Identität zu entwickeln<br />

• Schwierigkeiten, erfüllende Beziehungen einzugehen<br />

Sarimski 2007


Spezielle Risiken für die Entwicklung einer<br />

psychischen Störung<br />

Soziale Faktoren<br />

• Über- oder unterforderndes Milieu; Mangel an geeigneter sozialer<br />

Herausforderung oder Unterstützung durch andere;<br />

Überbetonung von<br />

Förderprogrammen („Förderterror“) zu<br />

Lasten von individueller Stabilität und<br />

Identität; hohe Misserfolgsund<br />

Katastrophenerwartung der Eltern und<br />

Erzieher<br />

(„Self-fulfilling prophecy“)<br />

• Mangel angemessener kommunikativer Strategien und spezifischer Kenntnis<br />

über individuelle kommunikative Besonderheiten im Umfeld<br />

• Modelllernen in Gruppen mit nur behinderten KameradInnen<br />

• Primäre und sekundär-reaktive psychosoziale Probleme der Bezugspersonen;<br />

dysfunktionale Familienstrukturen<br />

• Fehlende Integration in die Gesellschaft, Stigmatisierung und<br />

Diskriminierung oder „Pseudointegration“ unter Leugnung<br />

spezifischer<br />

Assistenznotwendigkeit<br />

• Seelische, körperliche und/oder sexuelle Misshandlung<br />

• Soziale und psychische Isolation<br />

• Verlust allgemeingültiger Werte und Normen infolge von Diskriminierung oder<br />

Gratifikation von „<strong>Behinderung</strong>“<br />

• Probleme, eine Arbeit oder Beschäftigung zu finden<br />

Sarimski 2007


Bindungsforschung<br />

„Es liegt nahe anzunehmen, dass die frühe Bindungsentwicklung bei<br />

Kindern mit Bewegungsstörungen gefährdet ist, weil sie in<br />

bindungsrelevanten Situationen mehr Zeit benötigen, um die<br />

Bezugspersonen zu erreichen, und im Spiel und täglichen Leben mehr und<br />

länger auf Hilfe angewiesen sind als andere Kinder.“<br />

• Wenig Studien, Überbehütung der Eltern wird betont.<br />

Sarimski 2005<br />

• Kinder mit Bewegungsstörungen bewerten ihre Fähigkeiten im<br />

Durchschnitt negativer. Negative Selbstbewertungen gehen dabei häufig<br />

mit depressiven Verhaltensweisen einher.<br />

• Je schwerer die motorische Beeinträchtigung desto positiver die<br />

Selbsteinschätzung (!)<br />

Anderes Beispiel: Festhaltetherapie bei Kindern mit frühkindlichem<br />

Autismus (Martha Welch, Jirina Prekop)


Problemverhalten<br />

Diagnosekriterien nach DC-LD = Diagnostic Criteria for psychiatric<br />

disorders for use with adults with learning disabilities/mental retardation<br />

Verbal-aggressives, tätlich-aggressives, zerstörerisches, selbstverletzendes,<br />

sexuell unangemessenes, oppositionelles, forderndes, sich herumtreibendes,<br />

gemischtes und anderes Verhalten.<br />

A. Frequenz, Schwere oder Chronizität eines Problemverhaltens sind so<br />

ausgeprägt, dass klinisches Assessment und spezielle Interventionen<br />

erforderlich werden.<br />

B. Das Problemverhalten darf nicht als unmittelbare Folge einer bestimmten<br />

psychischen Störung, von Medikamenten oder körperlichen<br />

Erkrankungen erklärbar sein.<br />

C. Eines der folgenden Merkmale muss vorhanden sein:<br />

• Das Problemverhalten beeinträchtigt wesentlich die Lebensqualität<br />

der betroffenen Person oder anderer Personen.<br />

• Das Problemverhalten stellt ein wesentliches Risiko für Gesundheit<br />

oder Sicherheit der betroffenen Person und/oder anderer Personen dar.<br />

D. Das Problemverhalten ist andauernd und schwerwiegend.


Problemverhalten<br />

• Bei 10-60% der Menschen mit geistiger <strong>Behinderung</strong><br />

• Nicht auf psychiatrische oder sonstige medizinische Kategorien<br />

zurückzuführen<br />

• Durch Psychopharmaka in aller Regel kaum beeinflussbar<br />

• Ergebnis einer ungünstigen Wechselwirkung zwischen der Person (mit<br />

ihrem biologischen und psychologischen Substrat) und ihrer physischen<br />

und sozialen Umwelt<br />

• Das Niveau der kognitiven, der sozialen, der emotionalen und der<br />

Persönlichkeitsentwicklung ist wesentlich dafür, wie eine Person mit<br />

geistiger <strong>Behinderung</strong> Belastungen und Anforderungen bewältigt.<br />

Das Entwicklungsniveau einer Person zu kennen, kann bestimmte<br />

Verhaltensweisen unter bestimmten Bedingungen erklären helfen.<br />

• Assessment des Problemverhaltens, der Person, der Umwelt<br />

• Hypothesengeleitete Intervention


Problemverhalten<br />

Doŝen A et al, 2010


<strong>Geistige</strong> <strong>Behinderung</strong> und Psychotherapie<br />

Geistig Behinderte sind seelenlose Menschen, die aufgrund ihrer<br />

Oligophrenie nicht in der Lage sind:<br />

• zu lernen<br />

• Entwicklung zu machen<br />

• Beziehungen aufzunehmen<br />

• Gefühle zu erleben<br />

Bis weit in die 90‘er Jahre verbreitet<br />

→ daher nicht psychotherapiefähig sind !


Vorraussetzungen für Psychotherapie<br />

• Sozio-emotionaler Entwicklungsstand der<br />

Wahrnehmung des eigenen Selbst als getrennt vom<br />

Anderen, sich selbst als Handelnder mit Folgen für<br />

die Umwelt erleben<br />

-> Entwicklungsalter von ca. 2-3 Jahren (IQ 20-35)<br />

• Kognitives Niveau: Anschauungsgebundenes<br />

Denken, Nutzung von Sprache oder anderen<br />

Lautäusserungen als Mitteilen konkreter Botschaften,<br />

Lernen durch konkrete Vorbilder und Erfahrungen,<br />

Möglichkeit des Vorausdenkens<br />

-> Entwicklungsalter von ca. 4-7 Jahren (IQ 35-50)<br />

Wunder, 2011


Vorraussetzungen für Psychotherapie<br />

• Ausreichende Motivation, sich einer Therapie zu<br />

unterziehen<br />

• Gewähr, regelmässig an den Sitzungen teilzunehmen<br />

• Klarheit über die Notwendigkeit eines<br />

Arbeitsbündnisses mit dem Therapeuten<br />

• Vorhandensein oder schnell zu erarbeitende<br />

Zielvorstellung, die realistisch ist<br />

• Bereitschaft, sich in Frage zu stellen und zu verändern<br />

Wunder, 2011


Herausforderungen für Psychotherapie<br />

• Menschen mit geistiger <strong>Behinderung</strong> sind es häufig<br />

nicht gewohnt, über sich zu sprechen, über sich<br />

nachzudenken.<br />

• Sie sind es gewohnt, dass Entscheidungen über sie<br />

getroffen werden.<br />

• Alles um sie herum geht (zu) schnell, wirkt<br />

unberechenbar, bedrohlich<br />

→ Rituale, Stereotypien, Zwänge, Kopieren bringen<br />

Sicherheit


Goethe, Faust und Julia


Psychotherapie – Rollenverständnis<br />

• eher eklektisch, polypragmatisch<br />

• Modifikation und Anpassung an die speziellen<br />

Voraussetzungen von Menschen mit geistiger<br />

<strong>Behinderung</strong><br />

• Aktivere Rolle des Therapeuten<br />

• Multimodales Behandlungssetting<br />

• Viel Zeit<br />

Wunder, 2011


Psychotherapie – Therapiekonzepte<br />

• Operante Verfahren der Verhaltenstherapie<br />

• Kognitiv-behaviorale Verfahren, dabei insbesondere modifizierte<br />

DBT-Elemente<br />

• CBASP, modifizierte Elemente<br />

• Traumatherapie<br />

• Personzentrierte Konzepte<br />

• Elemente aus der systemischen Therapie<br />

• (Modifizierte) Elemente aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />

z.B. Puppenspiel, Rollenspiel, etc.<br />

• Körper- und Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren<br />

• Musiktherapie


Beispiel Wahrnehmung und Umgang mit Gefühlen<br />

Schärfung der Wahrnehmung und Introspektion (Freude, Wut, Angst,<br />

Scham, Stolz, Trauer):<br />

• Wahrnehmen der damit verbundenen Gedanken,<br />

Körpersensationen und Gesichtsausdrücke sowie Auslöser<br />

(Einzel-/Gruppensetting)<br />

Mögliche Medien:<br />

• Bildmaterialien<br />

• lebensnahe Beispiele<br />

• Rollenspiele<br />

• Gefühlsprotokoll


Quelle: Barrett, B. F., Feuerherd, Ch. (2011): Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen bei Menschen mit<br />

geistiger <strong>Behinderung</strong> - Differentialdiagnostik und Therapie. In: Hennicke, K. (Hrsg.) (2011): Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Problemverhalten, Psychische Störungen - Herausforderungen für die Praxis.


Integratives Modell<br />

• Primär Beeinflussung der physischen und sozialen<br />

Umwelt der Betroffenen<br />

• Anpassung der Umwelt an die Ressourcen,<br />

emotionalen und psychosozialen Bedürfnisse der<br />

betroffenen Person<br />

• Interdisziplinäre, multiprofessionelle Planung und<br />

Umsetzung<br />

• Ergänzung durch psychotherapeutische und<br />

psychopharmakologische Komponenten<br />

Doŝen A et al, 2010


Krisenmanagement<br />

• Prioritär: somatische Abklärung (somatische Probleme, z.B. Schmerzen<br />

äussern sich häufig als Verhaltensauffälligkeiten!)<br />

• Differentialdiagnose: Zahnschmerzen, Gelenk- und Rückenschmerzen,<br />

Muskelschmerzen bei Spastik, nicht angepasste, unbequeme<br />

Sitzversorgungen mit unphysiologischen Ausgangsstellungen, Anämie,<br />

Schilddrüsenfunktionsstörungen, Schlafapnoe, Refluxbeschwerden,<br />

Obstipation, Subileus oder Ileus, Überlaufblase,<br />

Harnwegsinfekte,eingewachsene Zehennägel, Dekubitus, Analekzem<br />

• Erhöhter Zeitbedarf, je nach dem Haus- oder Heimbesuche<br />

• Stationäre Spital- oder Klinikbehandlungen sind selten indiziert!<br />

• Einsatz vom Flying Teams<br />

SAGB Arbeitsgruppe 'Krisenintervention'


Psychopharmaka<br />

• Orientierung an den gerontopsychiatrischen Leitsätzen<br />

START LOW, GO SLOW<br />

• Keine Evidenz für medikamentöse Beeinflussung des<br />

Problemverhaltens<br />

• Zum Einsatz kommen sämtliche gängigen Psychopharmaka<br />

• Polypharmazie ist nach Möglichkeit zu vermeiden<br />

• Cave Benzodiazepine: in niedrigen Dosierungen gehäuft<br />

„paradoxe“ Reaktionen, gewünschter Effekt dann bei höherer<br />

Dosierung<br />

• Nebenwirkungsmonitoring unter Einbezug des etablierten<br />

Helfersystems<br />

• Medikamentenspiegel


Klinische Beispiele


Zusammenfassung<br />

• Intellektuelle <strong>Behinderung</strong> ist per se keine psychische Krankheit.<br />

• Menschen mit intellektueller <strong>Behinderung</strong> können – wie alle anderen Menschen<br />

auch – psychisch krank werden.<br />

• In der Diagnostik psychischer Störungen bei Menschen mit intellektueller<br />

<strong>Behinderung</strong> treten zusätzliche Probleme auf:<br />

• Häufig ist die (verbale) Kommunikation erschwert, sodass das<br />

psychiatrische Gespräch modifiziert werden muss.<br />

• Die Symptomatik ist häufig „überformt“ oder „verkleidet“ durch<br />

Aggression, Autoaggression, Somatisierung (overshadowing)<br />

• Psychotische Einzelsymptome treten relativ häufig auch bei primär<br />

reaktiven Störungen auf.<br />

• Bei der Einschätzung der Symptome sind die spezifischen Lebensbedingungen<br />

als pathoplastische Faktoren in besonderem Masse Rechnung zu stellen<br />

• Für die Therapie ist das allgemeine Inventar psychiatrischer<br />

Interventionsformen anzuwenden: Psychotherapie, soziale Therapie,<br />

Pharmakotherapie, Pädagogik


Nützliche Links<br />

• Schweizerische Arbeitsgemeinschaft von Ärzten für Menschen mit<br />

geistiger oder mehrfacher <strong>Behinderung</strong><br />

http://www.sagb.ch<br />

• Deutsche Gesellschaft für seelische Gesundheit bei Menschen mit<br />

geistiger <strong>Behinderung</strong><br />

http://www.dgsgb.de<br />

• Elternorganisation insieme<br />

http://www.insieme.ch<br />

• pro infirmis, Die Organisation für behinderte Menschen<br />

http://proinfirmis.ch


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