Handout Prof. Dr. med. Harald Stumpe - Diakonie Bautzen
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Selbstbestimmte Sexualität im<br />
höheren Lebensalter als<br />
Menschenrecht<br />
trotz funktioneller und organischer<br />
Veränderungen<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>, Hochschule Merseburg, Lehrund<br />
Forschungsbereich „Angewandte<br />
Sexualwissenschaft“<br />
1 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Gliederung meiner Präsentation<br />
1. Altern und sexuelle Selbstbestimmung<br />
2. Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht<br />
3. Gesundheit und Sexualität<br />
4. Besonderheiten der Alterssexualität<br />
5. Sexuelle Probleme und Beeinträchtigungen<br />
6. Was muss sich in Pflege und Betreuung ändern?<br />
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?<br />
7. Versuch eines Ausblickes<br />
2<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Alterungsprozess<br />
• Alterungsvorgänge sind universal, irreversibel, schädlich im<br />
Sinne verminderter Anpassungsfähigkeit und biologischgenetisch<br />
vorbestimmt.<br />
• Natürliche bzw. physiologische Alterungsvorgänge beginnen<br />
bereits in der mittleren Erwachsenenperiode.<br />
- körperliche Leistungsfähigkeit sinkt vom 25. Lebensjahr<br />
messbar,<br />
- Abfall intellektueller Leistungen bei geistig Untrainierten<br />
(bei Trainierten ab 65. Lebensjahr),<br />
- Abnahme des Wassergehaltes und Elastizitätsverlust der<br />
Haut, Verminderung der Muskelmasse,<br />
- Veränderungen der Sinnesorgane.<br />
3<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Alterungsprozess<br />
• Biologische (genetisch vorherbestimmt, max. Lebenserwartung<br />
ca. 125 Jahre), soziale (life events) und Umweltfaktoren<br />
beeinflussen den Alterungsprozess. Die Gerontologie<br />
unterscheidet zwischen biographischem (kalendarischem<br />
Alter) und biologischem Alter (informiert über aktuellen<br />
Gesundheitszustand und Belastbarkeit).<br />
• Der Begriff des biologischen Alterns berücksichtigt nicht das<br />
individuelle Erleben und die Lebensqualität. Für das positive<br />
Erleben ist die Stützung der sozialen Kompetenz notwendig<br />
(Rolle der Familie, Freunde, Bekannte, Betreuer,<br />
Pflegepersonal).<br />
4<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexualität als Lust und<br />
Lebenskraft<br />
• Sexualität begleitet uns von der Wiege bis<br />
zur Bahre.<br />
• Sexualität Bedürfnisse sind individuell<br />
ausgeprägt und variieren auch im höheren<br />
Lebensalter enorm.<br />
• Es gibt sie nicht, „die“ Alterssexualität.<br />
5 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Selbstbestimmung<br />
Sexuelle Selbstbestimmung als Rechtsgut bedeutet,<br />
dass jeder das Recht hat, über seine Sexualität frei zu<br />
bestimmen. Daneben bezeichnet der Begriff eine<br />
Wertvorstellung, an deren Entwicklung zunächst die<br />
Frauenbewegung und anschließend die Lesben- und<br />
Schwulenbewegung einen maßgeblichen Anteil hatten<br />
– und in neuerer Zeit beispielsweise auch die Bi-<br />
Bewegung. Sexuelle Selbstbestimmung ist auch Inhalt<br />
von Konzeptionierungen innerhalb der sozialen Arbeit.<br />
(nach Wikipedia)<br />
6<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Selbstbestimmung<br />
Sexuelle Selbstbestimmung schließt sowohl die<br />
sexuelle Orientierung, wie Heterosexualität,<br />
Homosexualität, Bisexualität und Asexualität, als auch<br />
die freie Wahl der Sexualpartner, der sexuellen<br />
Praktiken wie BDSM, des Ausdrucks der<br />
Geschlechtsidentität (Transgender, Intersexualität,<br />
Cisgender) und der Form der sexuellen Beziehungen<br />
(wie zum Beispiel Monogamie, Zölibat, Promiskuität<br />
oder Polyamory) ein. (nach Wikipedia)<br />
7<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Selbstbestimmung als<br />
Menschenrecht<br />
• Die Erklärung der Vereinten Nationen von 2008<br />
verurteilt die staatliche Diskriminierung und<br />
strafrechtliche Verfolgung von Menschen aufgrund<br />
ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität.<br />
Sie ist die erste Erklärung über LGBT(I)-<br />
Rechte, die je vor der UN-Vollversammlung verlesen<br />
wurde.<br />
• In der Bundesrepublik Deutschland existiert das<br />
Recht auf sexuelle Selbstbestimmung explizit seit<br />
1973<br />
8<br />
H. <strong>Stumpe</strong>, HS Merseburg
“Sexuelle Vielfalt“ und<br />
Menschenrechte<br />
• Die Resolution von 2011 ist die erste der Vereinten<br />
Nationen zu den Menschenrechten von Lesben,<br />
Schwulen, Bisexuellen sowie Trans- und<br />
Intersexuellen. Sie wurde von Südafrika<br />
eingebracht und von Europa, Nord- und Südamerika<br />
unterstützt. 23 der 47 Mitglieder des UN-<br />
Menschenrechtsrates sprachen sich dafür aus, 19<br />
dagegen, drei enthielten sich.<br />
9<br />
H. <strong>Stumpe</strong>, HS Merseburg
Die Durchsetzung des Rechtes auf<br />
sexuelle Selbstbestimmung<br />
• Trotz der Anerkennung des Rechtes auf sexuelle<br />
Selbstbestimmung gibt es gravierende Mängel bei<br />
der Durchsetzung für LGBTI bzw. LSBTI in<br />
Deutschland (Diskriminierung, Mobbing, Gewalt,<br />
fehlende Gleichstellung anderer Partnerschafts- und<br />
Familienformen).<br />
10<br />
H. <strong>Stumpe</strong>, HS Merseburg
Schwule und Lesben in<br />
Pflegeeinrichtungen<br />
• Sehr häufig mehrfache Diskriminierung von<br />
schwulen älteren Männern (Stigmata:<br />
schwul, alt, geil)<br />
• Schwule Männern wehren sich meist lange in<br />
eine Pflegeeinrichtung zu gehen.<br />
• Lesben fallen im Allgemeinen nicht auf und<br />
werden eher toleriert.<br />
11<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Gesundheit (2006)<br />
• „Sexuelle Gesundheit ist der Zustand körperlichen,<br />
emotionalen, geistigen und sozialen Wohlbefindens<br />
bezogen auf die Sexualität und bedeutet nicht nur die<br />
Abwesenheit von Krankheit, Funktionsstörungen oder<br />
Schwäche. Sexuelle Gesundheit erfordert sowohl eine<br />
positive, respektvolle Herangehensweise an Sexualität<br />
und sexuelle Beziehungen als auch die Möglichkeit für<br />
lustvolle und sichere sexuelle Erfahrungen, frei von<br />
Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt. Wenn<br />
sexuelle Gesundheit erreicht und bewahrt werden soll,<br />
müssen die sexuellen Rechte aller Menschen anerkannt,<br />
geschützt und eingehalten werden.“ WHO (2006), S.10<br />
12<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Rechte (2004)<br />
• „Sexuelle Rechte sind verknüpft mit den Menschenrechten, die bereits durch<br />
einzelstaatliche Gesetze, internationale Menschenrechtsdokumente und sonstige<br />
Konsenserklärungen anerkannt wurden. Sie beinhalten das Recht jedes Menschen,<br />
frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt,<br />
• auf einen bestmöglichen Standard sexueller Gesundheit, einschließlich des Zugangs<br />
zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung;<br />
• Informationen zu Sexualität zu suchen, zu erhalten und zu verbreiten;<br />
• auf sexuelle Aufklärung;<br />
• auf Respekt gegenüber der körperlichen Unversehrtheit;<br />
• auf freie Partnerwahl;<br />
• zu entscheiden, ob er sexuell aktiv sein will oder nicht;<br />
• auf einvernehmliche sexuelle Beziehungen;<br />
• auf einvernehmliche Eheschließung;<br />
• zu entscheiden, ob und wann er Kinder haben will; und<br />
• ein befriedigendes, sicheres und lustvolles Sexualleben anzustreben.<br />
Eine verantwortungsbewusste Ausübung der Menschenrechte macht es erforderlich,<br />
dass jeder die Rechte des anderen respektiert.“ WHO (2006), S.10.<br />
13<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Gibt es dennoch Besonderheiten, die<br />
typisch für das höhere Lebensalter sind?<br />
• Das Bedürfnis nach genitaler Sexualität nimmt in<br />
seiner Häufigkeit ab, ebenso das Interesse nach<br />
Sexualität insgesamt.<br />
• Der sexuelle Erregungszyklus nimmt mehr Zeit in<br />
Anspruch.<br />
• Männer haben durchschnittlich ein größeres<br />
Bedürfnis nach genitaler Sexualität als Frauen.<br />
• Der Charakter der sexuellen Interaktion verändert<br />
sich (Zärtlichkeitsaustausch wächst gegenüber<br />
genitaler Sexualität).<br />
14 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Gibt es dennoch sexuelle Besonderheiten,<br />
die typisch für das höhere Lebensalter sind?<br />
• Je größer die Bedeutung der Sexualität in<br />
jungen Jahren war, desto wichtiger bleibt sie<br />
im Alter.<br />
• Die nachfolgende Generation der „sexuellen<br />
Revolution“ wird ihre sexuelle<br />
Selbstbestimmung stärker als die heutige<br />
Generation der 70 bis 90jährigen Frauen und<br />
Männer einfordern.<br />
15 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Probleme bzw. Beeinträchtigungen<br />
im höheren Lebensalter bei Frauen<br />
• Schmerzen beim Geschlechtsverkehr/Dyspareunie<br />
In der Menopause sinken die Hormonspiegel, zunächst die<br />
Gestagene, dann die Östrogene. Die im weiblichen Organismus<br />
ebenfalls vorhandenen "männlichen" Sexualhormone werden zwar<br />
auch weniger, schwinden aber langsamer und gewinnen so<br />
vergleichsweise an Bedeutung. (Hormonsubstitution?) Welche<br />
Veränderungen hat das zur Folge?<br />
• Fettgewebe unter dem Schamhügel und in den großen und kleinen<br />
Schamlippen kann abnehmen.<br />
• Dehnungsfähigkeit (Elastizität) der Scheide nimmt ab. Sie kann in<br />
Länge und Breite etwas schrumpfen. Ihre Wände sind nicht mehr so<br />
stark durchblutet, die Vagina und die äußeren Geschlechtsorgane<br />
(Vulva) werden zarter und empfindlicher.<br />
16 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Probleme bzw. Beeinträchtigungen<br />
im höheren Lebensalter bei Frauen<br />
• Die Feuchtigkeit (Lubrikation) in der Scheide nimmt<br />
ab. Es dauert länger bis die Scheide gleitfähig ist.<br />
• Es können Schmerzen bei der Penetration eintreten<br />
• Schmerzen beim GV können aber auch andere<br />
Ursachen haben (Angst, nach Operationen, auch<br />
nach Entfernen des Enddarmes bei Krebs,<br />
Vaginismus, Pilzinfektionen).<br />
17 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Probleme bzw. Beeinträchtigungen<br />
im höheren Lebensalter bei Frauen<br />
• Orgasmusprobleme<br />
Verlangsamung des Erreichens des Orgasmus, Orgasmusfähigkeit<br />
bleibt aber meist bestehen.<br />
• Libidomangel<br />
können in Verbindung mit verschieden Krankheiten auftreten (z. B.<br />
Depression, Nebenwirkung von Antidepressiva)<br />
• Inkontinenz<br />
hyperaktive Blase (Reizblase) kann zu geringer Urinentleerung (meist<br />
nur Tropfen) beim GV führen. Peinlichkeit und evtl. Rückzug,<br />
Aufklärung über die Ungefährlichkeit, Kommunikation mit dem Partner.<br />
18 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Probleme bzw. Beeinträchtigungen<br />
im höheren Lebensalter bei Männern<br />
• erektile Dysfunktion (Erektionsprobleme)<br />
Erektionsschwäche von mindestens 6 Monaten Dauer, welche<br />
einen befriedigenden Geschlechtsverkehr in über 70 %<br />
verhindert, mangelnde und zeitlich zu kurze Erektion,<br />
Ursachen können organisch und/oder psychisch sein,<br />
schätzungsweise 25% organisch bedingt durch Diabetes,<br />
Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen,<br />
Folgen von Operationen (z. B. Prostata)<br />
Therapie heute mit PDE-5-Hemmer<br />
(Phosphordiesterasehemmer) Viagra, Cialis, Levitra<br />
19 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Zusammenhang zwischen<br />
Diabetes und Erektionsstörung<br />
• mehr als 50 % aller leiden Diabetiker früher oder später unter<br />
Erektionsstörungen. Damit sind Diabetiker zwei- bis dreimal so<br />
häufig von ED betroffen wie Männer ohne Diabetes (Merfort<br />
2006).<br />
weitere Risikofaktoren sind: koronare Herzkrankheit,<br />
Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Rauchen,<br />
Alkoholmissbrauch, mangelnde Bewegung und unerwünschter<br />
Nebenwirkung von Medikamenten.<br />
Veränderungen des Schwellkörpergewebes führt zu einem<br />
sogenannten "venösen Leck„.<br />
Männer mit Diabetes haben oft auch einen Testosteronmangel.<br />
20<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Probleme bzw. Beeinträchtigungen<br />
im höheren Lebensalter bei Männern<br />
• Testosteron-Mangel-Syndrom / PADAM<br />
langsamer Rückgang der Testosteronproduktion<br />
beim älteren Mann (Normalwerte<br />
12-40 nmol/l)<br />
Symptome können sein:<br />
21 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Testosteron-Mangel-Syndrom /<br />
PADAM<br />
• Auftretende Symptome:<br />
Verminderung der Spermienproduktion, Abnahme des<br />
Hodenvolumens, Nachlassen der Libido, Potenzstörungen,<br />
nachlassende Muskelkraft und Griffstärke, Abnahme der<br />
Knochendichte, verminderter Bartwuchs, abnehmende<br />
Leistungsfähigkeit, trockene und spröde Haut, Anstieg des<br />
Körpergewichts mit Zunahme des Körperfettanteils,<br />
verminderte Sauerstoffversorgung des Organismus durch<br />
Abnahme der roten Blutkörperchen, chronische Müdigkeit,<br />
Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Schlafstörungen,<br />
Antriebsstörungen, depressive Verstimmung,<br />
Konzentrationsschwäche, vermindertes Selbstwertgefühl,<br />
erhöhte Reizbarkeit.<br />
22 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Was muss sich in der Pflege und Betreuung<br />
verändern?<br />
• Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Pflegekraft<br />
und Klient ist die Grundlage der Kommunikation zu<br />
intimen Fragen der Sexualität.<br />
• Pflegekräften sollten sich zum Thema Sexualität und<br />
Alter fortbilden, um Wünsche und Probleme der<br />
Klienten zu erkennen und beraten zu können<br />
• Die stationäre Pflege stellt höhere Anforderungen an<br />
das Personal und die Einrichtung als die ambulante<br />
häusliche Pflege.<br />
23<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Was muss sich in der Pflege und<br />
Betreuung verändern?<br />
• Stationäre Senioreneinrichtungen müssen zukünftig<br />
die strukturellen Voraussetzungen und das<br />
Einrichtungsklima für die Verwirklichung des<br />
Rechtes auf selbstbestimmte Sexualität schaffen.<br />
• Den Bewohnern sollten Informationen z. B. über<br />
Hilfsmittel zugänglich gemacht werden (z. B.<br />
Gleitgele, Sextoys, Masturbationshilfen).<br />
• Informationen zu sexuellen Assistenzangeboten<br />
sollten vorgehalten werden.<br />
24<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Was ist Sexualassistent? (Nach<br />
GenderWiki zitiert)<br />
• Sexualassistenz bezeichnet die Umsetzung eines Konzeptes<br />
im Sinne des allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 1<br />
Abs.1 i.V.m. Art.2 Abs.1 GG [1] , dass die Entfaltung einer<br />
selbstbestimmten Sexualität für Menschen mit<br />
Beeinträchtigungen unabhängig von strukturellen,<br />
gesellschaftlichen, persönlichen oder sprachlichen Barrieren<br />
ermöglicht.<br />
Sexualassistenz ist somit Teil eines wichtigen<br />
gesellschaftlichen und politischen Paradigmenwechsels, vom<br />
Objekt der Fürsorge zum Subjekt des Selbstbestimmten<br />
Handelns.<br />
25<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Was ist Sexualassistent ?<br />
• Es lassen sich drei Formen der "Sexualassistenz„<br />
unterscheiden:<br />
- Passive Sexualassistenz<br />
- Aktive Sexualassistenz<br />
- Sexualbegleitung<br />
Die drei Formen unterscheiden sich in wesentlichen Punkten,<br />
werden aber fälschlicherweise häufig synonym verwendet.<br />
26<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Versuch eines Ausblickes<br />
• Die Öffnung der Gesellschaft heute und die Auseinandersetzung mit<br />
der Alterssexualität wird zu einer Unterstützung älterer Menschen in<br />
Einrichtungen der Altenhilfe führen, ihre Wünsche und Probleme<br />
besser zu formulieren und ausleben zu können.<br />
• Die Schaffung einer sexualfreundlichen Einrichtungsatmosphäre wird<br />
zu einer Steigerung der Lebensqualität der BewohnerInnen führen.<br />
• Es sind positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der<br />
BewohnerInnen zu erwarten (sinkender Medikamentenkonsum,<br />
größere Lebenszufriedenheit, geringeres Aggressionspotenzial)<br />
• Zukünftige Generationen werden auch im Alter die Verwirklichung<br />
einer selbstbestimmten Sexualität viel stärker einfordern als die<br />
heutige.<br />
27<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Die Sexualität in der zweiten<br />
Lebenshälfte<br />
Sexuelles Interesse,<br />
partnerschaftliche<br />
Aktivität und sexuelle<br />
Zufriedenheit<br />
28 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Studie von Bucher, Hornung und<br />
Buddeberg 2001 (Zürich)<br />
• Methodik: Fragebogenerhebung von 641<br />
Männern und 857 Frauen zwischen 45 und<br />
91 Jahren aus der deutschsprachigen<br />
Schweiz<br />
29 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelles Interesse von Frauen<br />
und Männern<br />
30<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelle Interessen von Männern<br />
31<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Zustimmung zu der Aussage, im Alter<br />
sinke das sexuelle Interesse<br />
Frauen<br />
Männer<br />
Alter in Jahren 45 -54 55 - 64 65 -74 75+ 45 -54 55 -64 65 - 74 75+<br />
n 353 274 179 40 197 170 193 74<br />
stimmt eher/über- haupt nicht<br />
(%)<br />
64,3 47,1 40,2 30,0 74,1 67,1 55,4 44,6<br />
neutral (%) 19,8 24,1 20,7 20,0 11,2 17,6 16,6 14,9<br />
stimmt ziemlich/ genau (%) 15,9 28,8 39,1 50,0 14,7 15,3 28,0 40,5<br />
32<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Sexuelles Interesse<br />
• Verringert sich langsam mit steigendem<br />
Alter, erst bei den über 75jährigen starkes<br />
Absinken, Varianz verbreitert sich aber.<br />
• Frauen haben im Mittel geringeres Interesse<br />
als Männer, aber größere Varianz.<br />
• Wichtigste Determinanten bei Frauen und<br />
Männern gleich: gegenwärtiges Lebensalter<br />
und Wichtigkeit der Sexualität früher<br />
33 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Partnerschaftliche sexuelle<br />
Aktivitäten in letzten 3 Monaten<br />
34<br />
• Hauptsächlich Zärtlichkeitsaustausch, Petting und<br />
GV nahmen mit Alter ab. Auffallend wenig Frauen<br />
mit sexuellen Aktivitäten (zwei <strong>Dr</strong>ittel ab 75 Jahre),<br />
bis zum Alter von 75 Jahren aber nur 6% der<br />
Männer sexuell inaktiv (dann aber auch 20%)<br />
• Determinanten für beide Geschlechter:<br />
sexuelles Interesse und Partnerstatus, aber jeweils<br />
Rangfolge entgegengesetzt.<br />
• Gesundheitszustand hat auf sexuelle Aktivität nur<br />
untergeordnete Bedeutung.<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
Allgemeine Zufriedenheit mit dem<br />
Sexualleben<br />
• Mehrheit der Befragten ist mit dem<br />
Sexualleben zufrieden. Die Männer sind mit<br />
zunehmendem Alter tendenziell weniger<br />
zufrieden, die älteren Frauen aber eher<br />
zufriedener (Hälfte hat nicht geantwortet).<br />
• Je häufiger Selbstbefriedigung praktiziert<br />
wird, desto größer Unzufriedenheit.<br />
35<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>
USA-Stdie 2010 von Debby<br />
Herbenick u.a.<br />
The Journal of Sexual Medicine, Volume 7, Issue Supplement s5, 243–373<br />
Häufigkeit vaginaler Geschlechtsverkehr<br />
im vergangenen Jahr keinen GV gehabt:<br />
Gruppe<br />
40-49 Jahre<br />
Keinen GV im letzten<br />
Jahr<br />
Über 70 Jahre<br />
Hatten GV im letzten Jahr<br />
Singel-Männer 48,9 % 18,5 %<br />
Singel-Frauen 71,1 % 0 %<br />
in Partnerschaft lebende Männer 29,9 % 73,7 %<br />
in Partnerschaft lebende Frauen 20,6 % 69,3 %<br />
Verheiratete Männer 9,1 % 45,8 %<br />
36<br />
Verheiratete Frauen 8,1 % 46,5 %<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Harald</strong> <strong>Stumpe</strong>