(Russland) Tatjana Dmitrieva - Bkjpp
(Russland) Tatjana Dmitrieva - Bkjpp
(Russland) Tatjana Dmitrieva - Bkjpp
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Forum der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 4– 2005 99<br />
Nigel Slater (2005): Halbe Portion. Wie ich lernte, die englische<br />
Küche zu lieben. München: Kabel by Piper Verlag. 336 S., 18.90 €<br />
Warum erscheint eine Rezension dieses Buches in einer kinder-<br />
und jugendpsychiatrischen Fachzeitschrift? Zwar ist Nigel Slater in<br />
Großbritannien derzeit neben Jamie Oliver der angesagteste Koch,<br />
Untertitel und Klappentext des Buches führen jedoch in die Irre: Es<br />
dreht sich nicht alles ums Essen und Schmecken, und von einer<br />
„wundervollen Welt des Essens“ lässt sich in diesem Buch kaum<br />
etwas finden. Stattdessen berichtet Slater über zahlreiche intime<br />
Details seiner eigenen Jugend, die offenbar von viel Leid geprägt<br />
war, zumindest was Mutter, Vater und Stiefmutter angeht. Entstanden<br />
ist das Werk aus seiner wöchentlichen Kolumne im Londoner<br />
Observer. Die jeweils 1- bis 6seitigen Episoden sind kaum als zusammenhängende<br />
Lektüre hintereinander genießbar: Die einzelnen<br />
Geschichtchen sind zwar teilweise intensiv, jedoch recht ähnlich, so<br />
dass der Rezensent während der ersten drei Viertel des Buches<br />
immer wieder versucht war, das Buch nicht zu Ende zu lesen. Ein<br />
übergreifender Spannungsaufbau erschließt sich erst, wenn man es<br />
„schon fast geschafft“ hat. Und eine wirklich lustige Story gibt’s auch<br />
erst weit hinten. Dennoch sei das Buch zur Lektüre empfohlen. Aber<br />
warum nur? Jedenfalls nicht wegen der Schilderung verkohlter<br />
Toasts oder schuhsohlenartiger Lammkoteletts, die offenbar den<br />
kulinarischen Alltag des Autors darstellten, solange seine Mutter<br />
noch lebte. Auch nicht wegen der ausführlichen Beschreibung britischer<br />
Bonbons wie „Buttered Brazils“ oder Fertigkuchen wie „Cadbury’s<br />
MiniRolls“. Doch erinnern Sie sich an „Kraft-Scheibletten“ und<br />
„TRiTOP“? Richtig, diese Delikatessen waren auch bei uns in<br />
Deutschland vor 30 Jahren bei Kindern (und nicht nur bei diesen)<br />
schwer angesagt! In der Tat führt die Lektüre in eine Welt, wie sie<br />
nicht nur in Great Britain, sondern auch in manch anderem westeuropäischen<br />
Land in recht ähnlicher Weise als Realität erlebt worden<br />
sein dürfte: Eltern und Großeltern, die heute in den Vierzigern stehen,<br />
haben damals in ganz ähnlicher Weise Bekanntschaft gemacht<br />
mit der Vorgabe, zu essen „was die Kelle gibt“, ggf. bis zum Erbrechen.<br />
Sexualität fand heimlich statt, war eher ein Schmuddelthema<br />
und wurde gern ausgeschwiegen, ganz ähnlich wie so manches<br />
andere emotional besetzte Thema/Problem. Doch Slaters autobiografische<br />
Skizzen gehen über den Selbsterfahrungsaspekt der<br />
Schilderung einer durchschnittlichen westeuropäischen Pubertät