Anorganische Chemie I
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FB <strong>Chemie</strong> der TU, Kaiserslautern, 28. Juni 2013<br />
<strong>Anorganische</strong> <strong>Chemie</strong> I<br />
3. Übung<br />
Die Übung findet statt am Mittwoch, 10. 7. 2013, 17:00 Uhr im Hörsaal 52-203<br />
3a) Durch Bestrahlung eines Dialkyldiazidosilans kann unter Abspaltung von Stickstoff das<br />
entsprechende Silylen SiR 2 gebildet werden. Formulieren Sie zwei alternative Reaktionsmechanismen,<br />
von denen sich einer auf ein Molekül SiR 2 (N 3 ) 2 beschränkt und der andere von<br />
zwei oder mehr Molekülen ausgeht.<br />
R<br />
R<br />
Si<br />
+<br />
-<br />
N N N<br />
N N N<br />
+ -<br />
h <br />
R<br />
R<br />
Si<br />
N<br />
N<br />
Dimerisierung<br />
1/2<br />
R<br />
R<br />
Si<br />
N<br />
N<br />
N<br />
N<br />
Si<br />
R<br />
R<br />
R<br />
R<br />
Si<br />
N<br />
N<br />
- N 2<br />
- N 2<br />
R<br />
Si<br />
Zerlegen Sie auch die Synthese von Tetramesityldisilen nach R. West in zwei Schritte.<br />
Favorisieren Sie für den ersten Schritt eine monomolekulare oder eine bimolekulare<br />
Reaktion?<br />
R<br />
Mes<br />
Mes<br />
Si<br />
SiMe 3<br />
SiMe 3<br />
h, - Si 2 Me 6<br />
254 nm, -60 °C<br />
Mes<br />
Mes<br />
Si<br />
Si 2 Mes 4<br />
Für den ersten Schritt wird eine monomolekulare Reaktion favorisiert. Die Bildung von<br />
Hexamethyldisilan erfordert die Knüpfung einer neuen Si-Si-Bindung. Wenn sich zwei<br />
Moleküle einander nähern, berühren sich eher die am Trimethylsilylrest gebundenen<br />
Methylgruppen als die Siliciumatome. Es ist deshalb schwer vorstellbar, wie sich so eine neue<br />
Si-Si-Bindung ausbilden soll. Innerhalb eines Moleküls kann man sich dagegen bei erhöhter<br />
Temperatur eine Schwingung vorstellen, welche den Si-Si-Si-Winkel von ca. 109° verengt<br />
und die beiden Trimethylsilylgruppen so in Kontakt bringt, dass sich<br />
dabei eine Si …. Mes SiMe<br />
Si-Wechselwirkung anbahnen kann. Die Abbildung zeigt<br />
3<br />
Si<br />
eine Formeldarstellung des Übergangszustands, der dabei durchlaufen<br />
Mes<br />
SiMe 3<br />
wird. Die bereits vorhandenen Si-Si-Bindungen werden durch die<br />
Ausbildung einer neuen Si-Si-Bindung geschwächt.<br />
3b) Zeichnen und kommentieren Sie die Orbital-Wechselwirkungen, die bei Distannenen zu<br />
einer Pyramidalisierung führen und gehen Sie dabei auf den Unterschied zum Ethylen ein.
p z , leer, deshalb Akzeptor<br />
R<br />
R<br />
Sn<br />
sp 2 , gefüllt, deshalb Donor<br />
R<br />
R<br />
Sn<br />
Sn<br />
R<br />
R<br />
Unterschied zum Ethylen: Keine Unterscheidung von - und -Bindung, sondern zwei<br />
gleiche Donor-Akzeptor-Wechselwirkungen. Hier ist noch anzumerken, dass Zinn keine echte<br />
sp 2 -Hybridisierung zeigt, sondern eher ein s-Elektronenpaar mit wenig p-Charakter ausbildet.<br />
Man findet daher auch Darstellungen, in denen um das Zinnatom ein Kreis gezeichnet wird,<br />
in dem die beiden nicht bindenden Elektronen des Stannylens als s-Elektronenpaar dargestellt<br />
werden. Beim Blei findet man keine Hybridisierung mehr, das s-Orbital ist energetisch<br />
wesentlich niedriger als die p-Orbitale und mischt sich nicht mit diesen.<br />
Betrachten Sie im Skript die Tabellen mit Angaben zu den Einfachbindungen (Summe der<br />
Kovalenzradien) und den gefundenen Abständen in Digermen, Distannen und Diplumben<br />
sowie die Tabelle mit Angaben zu den Digerminen, Distanninen und Diplumbinen und<br />
formulieren Sie eine Vorstellung von der Orbitalwechselwirkung in diesen Molekülen.<br />
(Tipp: Schließen Sie aus den Bindungswinkeln auf die Hybridisierung und fügen Sie<br />
entsprechend zusammen).<br />
Kohlenstoff bildet in Molekülen der Formel C 2R 2 eine lineare Anordnung (z. B. HCCH), die der<br />
sp-Hybridisierung entspricht. Die Tabelle im Skript zeigt für Sn 2R 2 und für Ge 2R 2 Winkel E-E-C in<br />
der Nähe von 120°, deshalb sollte hier eine sp 2 -Hybridisierung naheliegen. Die<br />
Valenzelektronenzahl scheint hierzu nicht zu passen, weshalb ein delokalisiertes nicht<br />
bindendes Elektronenpaar erforderlich wird. Beim Blei findet keine Mischung von s- und p-<br />
Orbitalen statt, der Bindungswinkel beträgt annähernd 90°. Die Bindungen Pb-C und Pb-Pb<br />
werden durch Überlappung reiner p-Orbitale gebildet. Am Bleiatom finden wir ein nicht<br />
bindendes s-Elektronenpaar.<br />
R<br />
Ge<br />
Ge<br />
R<br />
R<br />
Ge<br />
Ge<br />
R<br />
Pb<br />
R<br />
Pb<br />
R<br />
3c) Bauen Sie ein einfaches Modell der Struktur des Hittorf´schen violetten Phosphors, das<br />
nicht die einzelnen Phosphoratome zeigt, sondern lediglich die Anordnung der größeren<br />
Baueinheiten im Raum. Verwenden Sie einfache und preiswerte Materialien wie Trinkhalme,<br />
Holzstäbchen oder Pappröhren. Bringen Sie das Modell zur Übung mit und drucken Sie ein<br />
Foto des Modells, das Sie ihrem Übungsblatt beilegen.
3d) Eignen Sie sich ein Verständnis der Bindungsverhältnisse im hypothetischen, theoretisch<br />
berechneten Stickstoffpentafluorid an. Zeichnen Sie für Schwefelhexafluorid drei 3Z4e-<br />
Bindungen und stellen Sie dar, wie alle sechs Fluoratome mit je einem Orbital mit dem 3s-<br />
Orbital des Schwefels überlappen und so eine „7Z2e-Bindung“ entsteht. Denken Sie dabei an<br />
das eine bindende MO aus den radialen Orbitalen der [B n H n ] 2- - Cluster. Zusätzlicher<br />
Zusammenhalt ergibt sich aus den unterschiedlichen Elektronegativitäten und der daraus<br />
resultierenden Polarität.<br />
(Versuchen Sie, die Aufgabe selbständig zu lösen. Falls dies zu schwierig wird, finden Sie<br />
Hilfe bei: Mortimer, Müller, 10. Auflage, S. 141).<br />
E Die Abbildung links zeigt am Beispiel des p x -<br />
MO 3 antibindend F S F<br />
Orbitals am Schwefelatom die Überlappung mit je<br />
MO 2 nicht bindend F S F<br />
einem sp 3 -Hybridorbital zweier Fluoratome. Weil<br />
MO1 bindend F S F<br />
an dieser Überlappung drei Atomorbitale beteiligt<br />
sind, resultieren daraus auch drei Molekülorbitale<br />
x-Achse<br />
(MO). Diese liegen bei unterschiedlicher Energie<br />
und sind deshalb übereinander dargestellt. Bei dem energetisch günstigsten der drei<br />
Molekülorbitale ergibt sich für die Überlappung mit beiden Fluor-sp 3 -Hybridorbitalen die<br />
günstige Situation mit gleichem Vorzeichen der Wellenfunktion in den an der Überlappung<br />
beteiligten Orbitallappen. Das unten in der Abbildung dargestellte MO ist deshalb bindend für<br />
beide S-F-Kontakte. Das mittlere MO zeigt bindende Überlappung des Schwefels mit dem<br />
linken Fluor-Nachbarn, ist aber zum rechten Fluor-Nachbarn antibindend. Weil sich der<br />
Energiegewinn durch die bindende und der Verlust durch die antibindende Überlappung<br />
annähernd aufheben (die antibindende Wirkung ist allerdings geringfügig stärker als die<br />
bindende), ist dieses MO 2 insgesamt nicht bindend. Im energetisch ungünstigsten MO 3<br />
ergibt sich für beide Fluoratome eine antibindende Überlappung mit dem p x -Orbital des<br />
Schwefels. Aus drei Atomorbitalen resultieren also ein bindendes, ein nicht bindendes und ein<br />
antibindendes Molekülorbital. Der gleiche Sachverhalt ergibt sich nochmals für das p y -Orbital<br />
auf der y-Achse und für das p z -Orbital auf der z-Achse. Fazit: Aus den drei p-Orbitalen des<br />
Schwefels und je einem sp 3 -Hybridorbital von sechs Fluoratomen entstehen durch die
gezeigte Überlappung drei bindende, drei nicht bindende und drei antibindende<br />
Molekülorbitale.<br />
Auch das s-Orbital des Schwefels kann mit den sp 3 -Hybridorbitalen der<br />
Fluoratome wechselwirken. Diese müssen jedoch in der Symmetrie an die<br />
hohe Symmetrie des s-Orbitals angepasst werden. Ein bindendes MO ergibt<br />
S<br />
sich dann, wenn alle sechs sp 3 -Hybridorbitale der Fluoratome und das 3s-<br />
Orbital des Schwefelatoms das gleiche Vorzeichen der Wellenfunktion<br />
aufweisen. Alle anderen Kombinationen sind mehr oder weniger<br />
antibindend. Die Zeichnung versucht dies grob schematisch darzustellen. Es ergibt sich ein<br />
bindendes MO aus der Überlappung von sieben Atomorbitalen, das für zwei Elektronen Platz<br />
bietet.<br />
Insgesamt beteiligen sich sechs sp 3 -Hybridorbitale der sechs Fluoratome und die vier<br />
Valenzorbitale des Schwefelatoms, also zehn Atomorbitale. Aus der Überlappung ergeben<br />
sich zehn Molekülorbitale, darunter vier bindende, drei nicht bindende und drei antibindende.<br />
3e) Stellen Sie aus dem Kapitel „Schwefelverbindungen“ mehrere unterschiedliche<br />
Reaktionsgleichungen zur Oxidation der elementaren Chalcogene Schwefel, Selen und Tellur<br />
zu Kationen zusammen und nennen Sie die Probleme, die durch die Verwendung „exotischer“<br />
Oxidationsmittel gelöst werden.<br />
Überlegen Sie, was mit „klassischen“ Oxidationsmitteln wie Halogenen, Sauerstoff oder<br />
Wasserstoffperoxid aus den Chalcogenen geworden wäre.<br />
S 8 + 3 AsF 5 → [S 8] 2+ [AsF 6] - 2 + AsF 3<br />
S 8 + 2 S 2O 6F 2 → 2 S 4<br />
2+ + 4 SO 3F -<br />
4 Te + 2 WCl 6 → Te 4<br />
2+ + 2 [WCl 6] -<br />
15 Te + TeCl 4 + 2 ReCl 4 → 2 Te 8<br />
2+ + 2 [ReCl 6] 2-<br />
17 Se + 2 WCl 6 → Se 17<br />
2+ + 2 [WCl 6] -<br />
6 Te + 3 AsF 5 → Te 6<br />
4+ [AsF 6<br />
-] 4 + 2 AsF 3
Den verwendeten Oxidationsmitteln ist die Bildung schwach koordinierender (wenig oder gar<br />
nicht nucleophiler) Anionen gemeinsam. Nur mit Anionen, die eine oder zwei negative Ladungen<br />
auf mehrere Atome in der Peripherie des Anions verteilen, gelingt die Herstellung von<br />
Polykationen der Chalcogene. Würden nucleophile Anionen wie O 2- oder F - oder auch OH -<br />
gebildet, müssten S-O- oder S-F-Bindungen resultieren. Ein Beispiel dafür ist die Bildung von S 8O<br />
aus Cyclooctaschwefel und Wasserstoffperoxid in Gegenwart von Trifluoressigsäure.