Beschwerde des | naturschutzbund nö | beim UVS
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NIEDERÖSTERREICH<br />
I <strong>naturschutzbund</strong> <strong>nö</strong> I Mariannengasse 32/2/16 | 1090 Wien<br />
An den<br />
Unabhängigen Verwaltungssenat NÖ<br />
Wiener Straße 54<br />
3109 St. Pölten<br />
I <strong>naturschutzbund</strong> <strong>nö</strong> I<br />
Mariannengasse 32/2/16<br />
1090 Wien<br />
18. November 2013<br />
Mitteilung der BH Gmünd zu GDW3-1318/001 vom 6.11.2013<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
der | <strong>naturschutzbund</strong> <strong>nö</strong> | nimmt hiermit innerhalb offener Frist die im NÖ<br />
Umwelthaftungsgesetz (UHG) vorgesehene Möglichkeit wahr, <strong>Beschwerde</strong> wegen<br />
Rechtswidrigkeit der Mitteilung der BH Gmünd in der Sache „Umweltbeschwerde<br />
Karlstifter Moore“ <strong>beim</strong> Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen.<br />
Die BH Gmünd/Fachgebiet Umweltrecht stellt in ihrem Schreiben an den<br />
Naturschutzbund NÖ vom 6.11.2013 fest, dass im vorliegenden Fall kein Schaden nach<br />
dem UHG vorliege, da die Eingriffe im Rahmen einer zeitgemäßen nachhaltigen<br />
forstwirtschaftlichen Tätigkeit durchgeführt worden seien. Sie stützt sich dabei auf ein<br />
Gutachten eines Amtssachverständigen für Forstwesen.<br />
Wir erachten die vorliegende Mitteilung aus zweierlei Gründen als äußerst mangelhaft:<br />
- juristische Vorgehensweise der Behörde<br />
- Interpretation <strong>des</strong> Begriffes „zeitgemäße nachhaltige Forstwirtschaft“<br />
Juristische Vorgangsweise der Behörde<br />
- Der Ersteller <strong>des</strong> Gutachtens wird im Schreiben als „Amtssachverständiger für<br />
Forstwesen“ bezeichnet. Er ist weder namentlich genannt, noch steht, wann das<br />
Gutachten erstellt wurde. Das „Gutachten“ ist nicht nachvollziehbar und entspricht<br />
nicht den Erfordernissen eines Gutachtens.<br />
- Die Stellungnahme <strong>des</strong> Schadensverursachers wird im Gutachten widergegeben,<br />
ohne eine klare Abgrenzung zu den Darstellungen <strong>des</strong> Gutachters selbst, so dass<br />
aus dem Gutachten nicht ersichtlich ist, ob es sich jetzt um Aussagen <strong>des</strong><br />
Schadensverursachers oder <strong>des</strong> Gutachters handelt. Es ist nicht üblich, die<br />
Argumente einer Partei in einem Gutachten anzuführen. Es werden weder die<br />
Ergebnisse <strong>des</strong> angeblichen Lokalaugenscheins, noch die entsprechenden Regeln<br />
einer zeitgemäßen Forstwirtschaft zitiert (erlassende Behörde, Datum etc.)<br />
- Beim Hinweis auf das Standardwerk fehlt sowohl die Jahreszahl als auch das<br />
gesamte Zitat mit Hinweis auf die Seitenangabe. Die Aussage ist damit nicht<br />
nachvollziehbar.<br />
- Auf Seite 3 Absatz 6 wird auf ein „Gespräch“ hingewiesen. Es wird weder angemerkt,<br />
wann das Gespräch stattgefunden hat noch wer bei diesem „Gespräch“ dabei war.<br />
Wurden zu diesem „Gespräch“ alle an dem Verfahren involvierten, darunter auch die<br />
Anzeigeerstattenden geladen? Nachdem wir von diesem „Gespräch“ nichts wussten,<br />
nehmen wir an, dass es sich um keine offizielle Amtshandlung gehandelt hat.<br />
- Selbiges gilt für den Absatz 7, in dem von einer „Revierbereisung“ geschrieben steht.<br />
Wer war dabei? Auch hier handelt es sich wohl kaum um eine offizielle<br />
Amtshandlung, nachdem der Gutachter alleine mit dem Verursacher unterwegs war.<br />
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- Auf Seite 4 Abs. 6 wird von „in der forstlichen Wissenschaft vermittelten<br />
Behandlungsempfehlungen“ gesprochen. Auch hier gibt es kein Zitat, die Aussage ist<br />
damit nicht nachvollziehbar.<br />
- Auf Seite 4 Ab. 7 steht „Die ebenfalls angezeigten Forstarbeiten mit schwerem Gerät<br />
sind wohl die wichtigste Tätigkeit eines Forstbetriebes, <strong>des</strong>sen primäres Ziel es sein<br />
muss, die ihm zur Verfügung stehenden Waldflächen so wirtschaftlich wie möglich zu<br />
nutzen.“ Eine solche Aussage steht aus unsere Sicht einem Gutachter nicht zu und<br />
geht weit über die gestellt Frage hinaus. Diese und ähnliche Formulierung im<br />
wiedergegebenen Gutachten sind tendenziös.<br />
- Es werden keine Untersuchungen über die Stellungnahme <strong>des</strong> Angezeigten hinaus<br />
gemacht und keine Begutachtung der zeitgemäßen Forstwirtschaft nachvollziehbar<br />
erbracht. Im Gutachten wird nur darauf verwiesen, dass lt. Vorbringen <strong>des</strong><br />
Forstbetriebes solche Maßnahmen seit Jahrzehnten durchgeführt werden. Es fehlt<br />
jede Stellungnahme, ob diese Maßnahmen noch heute zeitgemäß sind und aus<br />
welchen wissenschaftlichen Werken dies abzuleiten ist (Zitat + entsprechende Seite<br />
<strong>des</strong> Werkes).<br />
Interpretation <strong>des</strong> Begriffes „zeitgemäße nachhaltige Forstwirtschaft“<br />
NÖ Naturschutzgesetz 2000<br />
Im § 21 (3) NÖ Naturschutzgesetz 2000 findet sich folgende Definition <strong>des</strong> Begriffes<br />
„zeitgemäße nachhaltige Forstwirtschaft“: Als zeitgemäß und nachhaltig gilt eine landund<br />
forstwirtschaftliche Nutzung, wenn die Tätigkeiten in einem land- und<br />
forstwirtschaftlichen Betrieb der Hervorbringung oder Gewinnung pflanzlicher oder<br />
tierischer Produkte dienen und nach Verfahren organisiert sind, wie sie in einer<br />
bestimmten Gegend und zu einer bestimmten Zeit oder auf Grund überlieferter<br />
Erfahrungen üblich sind und die auf naturräumliche Voraussetzungen abgestimmte<br />
Nutzung in einem funktionierenden System dauerhaft Leistungen gewährleistet, ohne<br />
dass die Produktionsgrundlagen erschöpft und Natur und Landschaft ungebührlich<br />
belastet werden.<br />
Mit den gesetzten Maßnahmen wurde die Natur und Landschaft im betroffenen<br />
Abschnitt nicht nur ungebührlich belastet, sondern faktisch zerstört. Die<br />
Moorlebensräume im Freiwald sind ausgeprägt regionaltypische Erscheinungsformen<br />
der Natur. Folglich ist alles, was die natürlich ablaufenden Prozesse (samt den davon<br />
abhängigen Tieren und Pflanzen) in den Moorlebensräumen unterbindet oder gefährdet,<br />
als nicht nachhaltig anzusehen. Im konkreten Fall sind dies beispielsweise …<br />
• die Bildung von Torf durch die typische Besiedelung mit Sphagnum-Arten, die<br />
durch die Entwässerung der Moorböden und dem damit einhergehenden Absterben<br />
der Sphagnum-Arten unterbunden wird.<br />
• die an die Moorlebensräume gebundenen Arten, wie die Raufußhühner im<br />
Freiwald (UHL et al. 2000), zahlreiche Sphagnum-Arten, der Rundblättrige Sonnentau,<br />
die Zwerg-Birke etc., deren Reproduktions-„Prozess“ unterbunden wird.<br />
• der Prozess der Bindung von Kohlenstoff in Moorböden (NIEDERMAIR et al. 2011),<br />
der durch die Entwässerungsmaßnahmen ins Gegenteil umkehrt wird: durch den<br />
Mineralisierungsprozess <strong>des</strong> austrocknenden Moorbodens wird der gebundene<br />
Kohlenstoff als CO 2 an die Atmosphäre abgegeben. Allein dieser bedeutsame<br />
klimaschädliche Aspekt reicht bereits aus, um eine „ungebührliche Belastung“<br />
von Natur und Landschaft zu postulieren.<br />
• die Auflagerung von mineralischem Material auf Moorböden, die die Moorlebensräume<br />
in hohem Maße beeinträchtigen.<br />
• die Entnahme der letzten Alt- und Totholzbestände sowie der Nährgehölze der in<br />
den Moorlebensräumen beheimateten Arten (z.B. die gebietstypischen Schutzgüter<br />
Auerhuhn, Birkhuhn und Haselhuhn, Xylobionte Organismen), was die<br />
Reproduktions- und Lebens-„Prozesse“ der auf diese Habitatbestandteile angewiesenen<br />
Arten schwerstens beeinträchtigt.<br />
Forstgesetz 1975<br />
§ 1 Abs. 3 Forstgesetz 1975 idgF normiert: „Nachhaltige Waldbewirtschaftung im Sinne<br />
dieses Bun<strong>des</strong>gesetzes bedeutet die Pflege und Nutzung der Wälder auf eine Art und in<br />
einem Umfang, dass deren biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsvermögen,<br />
Vitalität sowie Potenzial dauerhaft erhalten wird, um derzeit und in Zukunft ökologische,<br />
ökonomische und gesellschaftliche Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler<br />
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Ebene, ohne andere Ökosysteme zu schädigen, zu erfüllen. [...]“.<br />
Folglich kann eine Forstwirtschaft, die darauf ausgerichtet ist, die Moorlebensräume<br />
erheblich zu schädigen und die biologische Vielfalt dauerhaft zu schädigen, nicht als<br />
nachhaltig eingestuft werden. Ziel <strong>des</strong> Forstgesetzes ist die Sicherstellung einer<br />
nachhaltigen Waldbewirtschaftung (§ 1 Abs. 2 Z. 3), weshalb die gegenständliche<br />
Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd an sich schon eine Missachtung der<br />
gesetzlichen Grundlagen darstellt.<br />
Die gegenständliche Mitteilung der BH Gmünd lässt außer Acht, dass bereits § 1 <strong>des</strong><br />
Forstgesetzes 1975 festschreibt, dass eine nachhaltige Forstwirtschaft nur gegeben sein<br />
kann, wenn diese „ohne andere Ökosysteme zu schädigen“ durchgeführt wird. Die<br />
Entwässerung von Moorlebensräumen – die, wie sie hier als lebende Hochmoore und<br />
Moorwälder gegeben sind, überdies auch noch prioritär zu schützen sind (FFH-Richtlinie,<br />
Lebensraumtypen 7110 und 91D0) –, die Auflagerung von mineralischem Material auf<br />
Moorböden, die Entnahmen von Altholz, Totholz und Nährgehölzen schädigt in hohem<br />
Maße die betroffenen Ökosysteme, weshalb sich die Behörde schon in ihrer<br />
Grundannahme auf eine tatsachen- und rechtswidrige Behauptung stützt.<br />
Definition „Forstwirtschaftliche Nutzung“<br />
Analog zur Erkenntnis <strong>des</strong> VwGH vom 29.11.1993 Nr. 92/10/0083, indem festgestellt<br />
wurde, dass … unter der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Nutzung iSd § 6<br />
Abs 8 Stmk NatschG 1976 idF 1985/79 können nur die mit dem Betrieb einer<br />
Landwirtschaft und Forstwirtschaft üblicherweise verbundenen<br />
Bewirtschaftungsmaßnahmen verstanden werden, nicht aber die Rodung von Hecken.<br />
Selbst wenn sich die Hecke in einem schlechten Zustand befinden sollte, berechtigt dies<br />
lediglich zu entsprechenden Pflegemaßnahmen, wie zB. Entfernung morscher Äste und<br />
dgl., nicht aber zur Rodung der ganzen Hecke, kann die forstwirtschaftliche Nutzung im<br />
Sinne <strong>des</strong> §21 <strong>des</strong> NÖ Naturschutzgesetzes 2000 wohl kaum die Errichtung und<br />
Sanierung von Forststraßen beinhalten.<br />
Eine ähnliche geartete Erkenntnis hat der VwGH am 21.3.2013 erlassen (2012/10/0076).<br />
Überdies sei festgehalten, dass es sich bei der Umwandlung einer zu einem geschützten<br />
Lebensraumtyp gehörenden landwirtschaftlich genutzten Wiese in einen Weingarten -<br />
entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angedeuteten<br />
Ansicht - keinesfalls um eine Maßnahme der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung<br />
handelt, sind darunter doch nur solche Maßnahmen zu verstehen, die für sich der<br />
landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen sind. Sowohl die Errichtung und Sanierung<br />
einer Forststraße als auch das Ziehen von Entwässerungsgräben kann im Sinne der<br />
oben zitierten Erkenntnis nicht Teil einer forstwirtschaftlichen Nutzung sein.<br />
Weitere fachliche Einwände zum Schreiben finden sich im Anhang.<br />
Es wird daher beantragt, die Mitteilung zu beheben und nach Durchführung eines<br />
ordentlichen Lokalaugenscheines (unter Ladung der beteiligten Parteien) ein<br />
forstrechtliches Gutachten über die durchgeführten Maßnahmen im Sinne einer<br />
zeitgemäßen Bewirtschaftung sowie ein naturschutzfachliches Gutachten über die von<br />
uns befürchteten negativen ökologischen Auswirkungen der bereits in den Moorwäldern<br />
vorgenommenen Eingriffe zu erstellen und sodann in der Sache – im Sinne <strong>des</strong> Antrages<br />
– auf gesetzmäßige Wiederherstellung zu entscheiden.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Univ. Prof. Dr. Walter Hödl<br />
Vorsitzender<br />
Christine Hajek<br />
Schriftführerin<br />
Mag. Dr. jur. Dieter Gradwohl<br />
Mitgl. <strong>des</strong> erw. Vorstan<strong>des</strong><br />
Anhang: Weitere fachliche Einwände<br />
Mitteilung der BH Gmünd zu GDW3-1318/001 vom 6.11.2013<br />
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Anhang zur<br />
Umweltbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat NÖ zur Mitteilung<br />
der BH Gmünd zu GDW3-1318/001 vom 6.11.2013<br />
1. Definition einer zeitgemäßen und nachhaltigen Forstwirtschaft<br />
1.1 NÖ NSchG 2000<br />
§ 1 Abs. 1 NÖ NSchG 2000 definiert „Nachhaltigkeit“: „Der Naturschutz hat zum Ziel, die Natur in allen<br />
ihren Erscheinungsformen so zu erhalten, zu pflegen oder wiederherzustellen, dass […] die Nachhaltigkeit<br />
der natürlich ablaufenden Prozesse regionstypisch gesichert und entwickelt werden“.<br />
Die Moorlebensräume im Freiwald sind ausgeprägt regionaltypische Erscheinungsformen der Natur.<br />
Folglich ist alles, was die natürlich ablaufenden Prozesse in den Moorlebensräumen unterbindet, als<br />
nicht nachhaltig anzusehen. Im konkreten Fall sind dies beispielsweise …<br />
• die Bildung von Torf durch die typische Besiedelung mit Sphagnum-Arten, die durch die Entwässerung<br />
der Moorböden und dem damit einhergehenden Absterben der Sphagnum-Arten unterbunden<br />
wird.<br />
• die an die Moorlebensräume gebundenen Arten, wie die Raufußhühner im Freiwald (UHL et al.<br />
2000), zahlreiche Sphagnum-Arten, der Rundblättrige Sonnentau, die Zwerg-Birke etc., deren Reproduktions-„Prozess“<br />
unterbunden wird.<br />
• der Prozess der Bindung von Kohlenstoff in Moorböden (NIEDERMAIR et al. 2011), der durch die<br />
Entwässerungsmaßnahmen ins Gegenteil umkehrt wird: durch den Mineralisierungsprozess <strong>des</strong><br />
austrocknenden Moorbodens wird der gebundene Kohlenstoff als CO 2 an die Atmosphäre abgegeben.<br />
• die Auflagerung von mineralischem Material auf Moorböden, die die Moorlebensräume in hohem<br />
Maße beeinträchtigen.<br />
• die Entnahme der letzten Alt- und Totholzbestände sowie der Nährgehölze der in den Moorlebensräumen<br />
beheimateten Arten (z.B. die gebietstypischen Schutzgüter Auerhuhn, Birkhuhn und Haselhuhn),<br />
was die Reproduktions- und Lebens-„Prozesse“ der auf diese Habitatbestandteile angewiesenen<br />
Arten erheblich beeinträchtigt.<br />
1.2 Forstgesetz 1975<br />
§ 1 Abs. 3 Forstgesetz 1975 idgF normiert: „Nachhaltige Waldbewirtschaftung im Sinne dieses Bun<strong>des</strong>gesetzes<br />
bedeutet die Pflege und Nutzung der Wälder auf eine Art und in einem Umfang, dass deren<br />
biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsvermögen, Vitalität sowie Potenzial dauerhaft erhalten<br />
wird, um derzeit und in Zukunft ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Funktionen auf lokaler,<br />
nationaler und globaler Ebene, ohne andere Ökosysteme zu schädigen, zu erfüllen. [...]“.<br />
Folglich kann eine Forstwirtschaft, die – wie hier im konkreten Fall – darauf ausgerichtet ist, die Moorlebensräume<br />
erheblich zu schädigen und die biologische Vielfalt – also die Artenvielfalt, die genetische<br />
Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme entsprechend der CBD – dauerhaft zu schädigen, nicht als<br />
nachhaltig eingestuft werden.<br />
Ziel <strong>des</strong> Forstgesetzes ist die Sicherstellung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung (§ 1 Abs. 2 Z. 3),<br />
weshalb die gegenständliche Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd an sich schon eine Missachtung<br />
der gesetzlichen Grundlagen darstellt.<br />
Weiter ist, da die konkreten Fälle sämtlich in Natura 2000-Gebieten situiert sind, § 32a Abs. 1 Forstgesetz<br />
1975 zu betrachten: „Als Wälder mit besonderem Lebensraum (Biotopschutzwälder) gelten [...]<br />
Waldflächen, die in Naturschutzgebieten oder durch Gesetz, Verordnung oder Bescheid festgelegten<br />
Schutzgebieten nach der Richtlinie 92/43/EWG <strong>des</strong> Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />
sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. Nr. L 206 vom 22. Juli 1992, S 7) oder der Richtlinie<br />
79/409/EWG <strong>des</strong> Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. Nr. L 103 vom 25. April<br />
1979, S 1) liegen.“.<br />
Ist die Waldbewirtschaftung generell so zu gestalten, dass die biologische Vielfalt dauerhaft erhalten<br />
und Ökosysteme nicht geschädigt werden, so gilt dies in besonderem Maße für Biotopschutzwälder, wie<br />
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sie in den konkreten Fällen durch Verordnung als FFH- und/oder Vogelschutzgebiete entsprechend der<br />
Richtlinien 92/43/EWG und 79/409/EWG gegeben sind.<br />
Die gegenständliche Mitteilung der BH Gmünd lässt außer Acht, dass bereits § 1 <strong>des</strong> Forstgesetzes<br />
1975 festschreibt, dass eine nachhaltige Forstwirtschaft nur gegeben sein kann, wenn diese „ohne andere<br />
Ökosysteme zu schädigen“ durchgeführt wird. Die Entwässerung von Moorlebensräumen – die,<br />
wie sie hier als lebende Hochmoore und Moorwälder gegeben sind, überdies auch noch prioritär zu<br />
schützen sind (FFH-Richtlinie, Lebensraumtypen 7110 und 91D0) –, die Auflagerung von mineralischem<br />
Material auf Moorböden, die Entnahmen von Altholz, Totholz und Nährgehölzen schädigt in hohem Maße<br />
andere Ökosysteme, weshalb sich die Behörde schon in ihrer Grundannahme auf eine tatsachenund<br />
rechtswidrige Behauptung stützt.<br />
1.3. Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa<br />
Die Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa definiert als nachhaltige Waldbewirtschaftung:<br />
„Die Betreuung und Nutzung von Wäldern und Waldflächen auf eine Weise und in einem Ausmaß, das<br />
deren biologische Vielfalt, Produktivität, Verjüngungsfähigkeit und Vitalität erhält sowie deren Potenzial,<br />
jetzt und in Zukunft die entsprechenden ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionen auf lokaler,<br />
nationaler und globaler Ebene zu erfüllen, ohne anderen Ökosystemen Schaden zuzufügen.“<br />
(Beschluss bei der 2. Konferenz 1993 in Helsinki, siehe auch MAYER P. (2012): Rio +20 und der Wald,<br />
BFW Praxistag 2012, 17 S.).<br />
Annähernd wörtlich ist der Beschluss der Ministerkonferenz in § 1 Abs. 3 Forstgesetz 1975 zu finden.<br />
Die Erläuterungen dazu siehe Kapitel 1.2.<br />
1.4. Weltkommission für Umwelt und Entwicklung sowie Konferenz der Vereinten Nationen<br />
über Umwelt und Entwicklung<br />
Der Begriff „Nachhaltigkeit“, wie er heute verwendet wird, wurde von der 1983 von den Vereinten Nationen<br />
eingesetzten „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ maßgeblich geprägt und erstmals bei<br />
der „Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung“ (Rio de Janeiro, 1992) normativ<br />
als Leitprinzip für die Staatengemeinschaft und die Politik anerkannt.<br />
In der „Rio-Deklaration“ ist als ein Grundsatz festgeschrieben, dass es bei einer nachhaltigen Entwicklung<br />
darum geht, „die Gesundheit und die Unversehrtheit <strong>des</strong> Ökosystems der Erde zu erhalten, zu<br />
schützen und wiederzustellen“.<br />
1.5. Die Biodiversitätsstrategie der EU bis 2020<br />
Die aktuell gültige Biodiversitätsstrategie der EU definiert 6 Ziele, um den weiteren Verlust der biologischen<br />
Vielfalt und die Verbesserung <strong>des</strong> Zustands der europäischen Arten, Lebensräume, Ökosysteme<br />
und Ökosystemleistungen zu erreichen (Annahme durch die EU-Kommission am 03. Mai 2011).<br />
Eines der Ziele ist eine nachhaltigere Land- und Forstwirtschaft (Ziel 3). Somit wird auch hier der Begriff<br />
„nachhaltig“ für eine Forstwirtschaft genutzt, die geeignet ist, den anhaltenden Verlust an biologischer<br />
Vielfalt zu stoppen und den Zustand der europäischen Arten, Lebensräume, Ökosysteme und Ökosystemleistungen<br />
zu verbessern.<br />
Das Entwässern von Moorlebensräumen, das Auflagern von mineralischem Material auf Moorböden<br />
sowie die Entnahme von Altholz, Totholz und Nährgehölzen der Schutzgüter im gegenständlichen SPA<br />
kann nicht als eine nachhaltige Forstwirtschaft angesehen werden, da die Maßnahmen geeignet sind,<br />
einen weiteren Verlust an biologischer Vielfalt hervorzurufen und den Zustand der europäischen Arten,<br />
Lebensräume, Ökosysteme und Ökosystemleistungen weiter zu verschlechtern.<br />
1.6. Zeitgemäße Bewirtschaftung<br />
Mit dem Begriff „zeitgemäß“ wird definiert, dass eine Bewirtschaftung entsprechend der heutigen Zeit<br />
erfolgt. Eine Bewertung, ob eine Bewirtschaftung als zeitgemäß einzustufen ist, kann ausschließlich auf<br />
Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgen.<br />
Wie bereits in Kapitel 1.2 und 1.3 dargelegt, hat eine zeitgemäße Waldbewirtschaftung die biologische<br />
Vielfalt und die Ökosysteme in vollem Umfang zu erhalten. Somit kann eine auf Zerstörung der Ökosysteme<br />
und der biologischen Vielfalt ausgerichtete Forstwirtschaft auch nicht zeitgemäß sein.<br />
Weiter definiert in maßgeblicher Weise die aktuelle europäische Politik eine zeitgemäße Bewirtschaftung.<br />
Die Biodiversitätsstrategie der EU bis 2020 (am 03. Mai 2011 durch die EU-Kommission angenommen)<br />
konzentriert sich unter anderem auf die vollständige Umsetzung <strong>des</strong> EU-Naturschutzrechts,<br />
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auf den Schutz bzw. die Wiederherstellung von Ökosystemen und Ökosystemleistungen sowie eine<br />
nachhaltigere Land- und Forstwirtschaft.<br />
In Zeiten länger werdender Roter Listen und einem beängstigenden Verlust an Biodiversität, wobei die<br />
Erkenntnisse, die bereits seit 1979 zu normativen Festlegungen führten (Berner Konvention, EU-<br />
Vogelschutzrichtlinie), keine Verbesserungen der Situation erbringen, weil die nationalen Behörden, wie<br />
im aktuellen Fall, mit allen Mitteln eine Anwendung geltenden Rechts unterbinden, kann einzig die umgehende<br />
Wiederherstellung der Lebensräume als zeitgemäß angesehen werden.<br />
Dass in Bezug auf die Moorlebensräume Wiederherstellungen und nicht Entwässerungen zeitgemäß<br />
sind, zeigt das schon seit Jahren andauernde Engagement der Österreichischen Bun<strong>des</strong>forste (siehe<br />
beispielsweise WWF Österreich (Hrsg. 2003): Aktiv für Moore – Schutz und Renaturierung österreichischer<br />
Moore, Projekt-Broschüre zu den Renaturierungsprojekten in Kooperation mit den ÖBf, 28 S.,<br />
Download: http://www.bun<strong>des</strong>tforste.at/uploads/tx_pdforder/Moorbroschuere-fin.pdf).<br />
Wenn der größte Forstbetrieb Österreichs Renaturierungen von Moorlebensräumen vornimmt, zeigt<br />
dies deutlich, wie eine zeitgemäße Forstbewirtschaftung zu betreiben ist. Mehr als 13 Jahre nach Beginn<br />
der Renaturierungsmaßnahmen können Behörden und Amtssachverständige zerstörerische Eingriffe<br />
in die europaweit zu den gefährdetsten Lebensräumen zählenden Moore keinesfalls als zeitgemäß<br />
deklarieren.<br />
2. Gemeinschaftsrechtswidrige Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie im NÖ<br />
Umwelthaftungsgesetz<br />
§ 4 Z. 1 NÖ UHG definiert den Begriff Umweltschaden, nämlich die Schädigung von geschützten Arten<br />
und natürlichen Lebensräumen (lit. a) sowie <strong>des</strong> Bodens (lit. b) und legt fest, dass negative Auswirkungen<br />
durch die im Gesetz näher definierte Tätigkeiten, die zuvor bewilligt wurden, nicht zu berücksichtigen<br />
sind. Im letzten Absatz <strong>des</strong> § 4 Z. 1 NÖ UHG ist normiert: „Als genehmigt gilt auch die zeitgemäße<br />
und nachhaltige land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Liegenschaften“.<br />
Folglich nimmt der Gesetzgeber sämtliche negativen Auswirkungen, die durch eine „zeitgemäße“ und<br />
„nachhaltige“ Land- und Forstwirtschaft entstehen, generell aus der Umwelthaftung. In Anhang 2 NÖ<br />
UHG bekräftigt der Gesetzgeber weiter, dass nachteilige Auswirkungen, die im Rahmen zeitgemäßer<br />
und nachhaltiger land- und forstwirtschaftlicher Nutzung von Liegenschaften als normal anzusehen sind,<br />
nicht als erheblich einzustufen sind.<br />
Eine Definition, was unter einer zeitgemäßen und nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses<br />
Gesetzes zu verstehen ist, unterließ der Gesetzgeber und ermöglicht den Behörden und Sachverständigen<br />
eine willkürliche Einschätzung.<br />
Wie aus dem in der gegenständlichen Mitteilung wiedergegebenen Gutachten <strong>des</strong> Sachverständigen<br />
sowie aus der Behördenentscheidung zu entnehmen ist, wird selbst die Entwässerung von prioritär zu<br />
schützenden Moorlebensräumen, die Auflagerung von mineralischem Material auf Moorböden sowie die<br />
exzessive Entnahme von für die Schutzgüter essentiellen Altholz, Totholz und Nährgehölze, Balz- und<br />
Schlafbäume, Bäume mit Deckung im Bodenbereich etc. (als Brut- und Aufzuchtstätten sowie Nahrungsgrundlage)<br />
in Natura 2000-Gebieten als „nachhaltig“ und „zeitgemäß“ eingeordnet.<br />
Folglich beabsichtigt der Gesetzgeber, nachteilige Auswirkungen auf die geschützten Arten und Lebensräume<br />
durch eine wie auch immer geartete land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit als normal anzusehen<br />
sowie als nicht erheblich einzustufen und somit generell land- und forstwirtschaftlich tätige Betriebe von<br />
der Umwelthaftung zu befreien.<br />
Ausnahmeregelungen für bestimmte Berufsgruppen sieht die Umwelthaftungsrichtlinie jedoch nicht vor.<br />
Vielmehr definiert Artikel 3 Abs. 1, dass die Richtlinie für alle beruflichen Tätigkeiten Gültigkeit hat. Somit<br />
sind Regelungen, die bestimmte berufliche Tätigkeiten von der Umwelthaftung ausschließen, gemeinschaftsrechtswidrig.<br />
Die rechtswidrige Umsetzung <strong>des</strong> Gemeinschaftsrechts in der niederösterreichischen Gesetzgebung<br />
wiegt umso schwerer, als der Gesetzgeber die beiden beruflichen Tätigkeiten – nämlich die Land- und<br />
Forstwirtschaft – privilegiert, die für den größten Teil <strong>des</strong> Biodiversitätsverlusts verantwortlich sind und<br />
die den überwiegenden Teil <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> nutzen (EU-weit rund 72 % der Landfläche).<br />
In einer ähnlich gelagerten gemeinschaftrechtswidrigen Umsetzung in Deutschland – dort war in Bezug<br />
auf die FFH-Richtlinie im Bun<strong>des</strong>naturschutzgesetz eine ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche<br />
Bodennutzung generell nicht als Eingriff in Natur und Landschaft anzusehen –, kam es<br />
zu einer Verurteilung durch den EuGH (Urteil in der Rechtssache C-98/03).<br />
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Der Gerichtshof weist in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, „dass, wie aus der vierten<br />
und der elften Begründungserwägung der Richtlinie hervorgeht, die bedrohten Lebensräume und Arten<br />
Teil <strong>des</strong> Naturerbes der Gemeinschaft sind und dass die Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, oft grenzüberschreitend<br />
ist, so dass der Erlass von erhaltenden Maßnahmen eine gemeinsame Verantwortung<br />
aller Mitgliedstaaten bildet. Folglich kommt der Genauigkeit der Umsetzung […] insofern besondere Bedeutung<br />
zu, als die Verwaltung <strong>des</strong> gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet<br />
anvertraut ist […].“ Die Einhaltung der Vorgaben ist daher nicht lästige Auflage, sondern zählt zu<br />
den wichtigen Pflichtaufgaben staatlichen Handelns (GÜNTHER, W. (2006): Die Auswirkungen <strong>des</strong><br />
EuGH-Urteils C-98/03 zur mangelhaften Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, in: EurUP<br />
2/2006, S. 94-100).<br />
Wegen eines ähnlichen Vorgehens – nämlich die Ausnahme von bestimmten Tätigkeiten und Gewerben<br />
von der Prüfpflicht – wurde auch Frankreich vom EuGH verurteilt (C-241/08). Auch hier betont der Gerichtshof,<br />
„dass die Möglichkeit, bestimmte Tätigkeiten gemäß der geltenden Regelung allgemein von<br />
der Notwendigkeit einer Prüfung der Einwirkungen auf das betreffende Gebiet zu befreien, nicht mit dieser<br />
Bestimmung im Einklang steht. Eine solche Befreiung kann nämlich nicht gewährleisten, dass diese<br />
Tätigkeiten das Schutzgebiet als solches nicht beeinträchtigen“ (Randnr. 31).<br />
Da intensive Landwirtschaft und „nachhaltige“ Forstwirtschaft regelmäßig mit der (un)absichtlichen Zerstörung<br />
etwa von Brut- und Wohnstätten streng geschützter Arten verbunden sind, müssen bezüglich<br />
Schutzgebieten und streng geschützten Arten gemäß FFH-Richtlinie künftig jegliche Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />
wie ein Eingriff jeweils im Einzelfall einer strengen Verträglichkeitsprüfung unterzogen<br />
werden.<br />
Da die Umwelthaftungsrichtlinie eine enge Verflechtung zu den Vogelschutz- und FFH-Richtlinien aufweist<br />
(Erwägungsbegründung Abs. 3), muss auch in Bezug auf die Umwelthaftungsrichtlinie von einer<br />
gleichartigen Rechtsauslegung durch den EuGH ausgegangen werden.<br />
Artikel 2 Z. 3 definiert die geschützten Arten und natürlichen Lebensräume der Umwelthaftungsrichtlinie<br />
als die Schutzgüter der Richtlinien 79/409/EWG (Vogelschutzrichtlinie) und 92/43/EWG (FFH-<br />
Richtlinie). Das Ziel der Umwelthaftungsrichtlinie – nämlich die Sanierung von Schäden an geschützten<br />
Arten und natürlichen Lebensräumen (Art. 1 iVm Art. 2 Z. 1 lit. a) – und die der beiden Natura 2000-<br />
Richtlinien – nämlich die Wiederherstellung der Lebensräume der Arten entsprechend der Richtlinien<br />
79/409/EWG und 92/43/EWG – sind in Bezug auf Eingriffe identisch. Als nennenswerter Unterschied<br />
sind lediglich die Kostenübernahmen für die Sanierung durch den Verursacher in der Umwelthaftungsrichtlinie<br />
zu sehen, was jedoch auf die Bewertung der Zulässigkeit einer Ausnahme von der Rechtsanwendung<br />
für eine bestimmte Berufsgruppe keinen Einfluss haben kann.<br />
3. Kenntnis der erheblichen Schädigungen<br />
Die Behörden haben Kenntnis, dass die erfolgten Eingriffe in die Moorlebensräume eine erhebliche<br />
Schädigung darstellen. So schreibt die Umweltagentur <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Niederösterreichs zu den Mooren<br />
bei Karlstift: „Eine der dringlichsten Maßnahmen ist daher auch die Schließung der Moorgräben, womit<br />
der Moorwasserspiegel wieder steigen kann und so der sekundäre Moorwald verschwindet. Die Erhaltung<br />
<strong>des</strong> Lebensraums für die gefährdeten Pflanzenarten, wie Torfmoos, Siebenstern, Moosbeere und<br />
Rosmarinheide ist das wichtigste Ziel“ (Umweltagentur NÖ (2013): Naturschutzgebiet Karlstifter Moore,<br />
Download: www.naturland-noe.at/naturschutzgebiet-karlstifter-moore). Die in den letzten Jahren neu errichteten<br />
und nach- und tiefergezogenen Entwässerungsgräben und die Verursacherschutzhandlungen<br />
der Behörde sind auf eine genau gegenteilige Entwicklung ausgerichtet.<br />
Noch 1999 gab die Behörde zu den Karlstifter Mooren an, dass diese „von urtümlicher Schönheit und<br />
Unberührtheit“ seien (KLAFFL et al. (1999): Biogenetische Reservate und Biosphärenreservate in Österreich,<br />
Umweltbun<strong>des</strong>amt, Reports R-161, S. 41-43).<br />
4. Entwässerungsgräben<br />
Der Amtssachverständige führt „Auszüge aus der Betriebschronik“ an, „aus welchen hervorgeht, dass<br />
die Entwässerung vernässter Standorte durch Errichtung bzw. Instandhaltung von Entwässerungsgräben<br />
bereits seit Jahrzehnten erfolgt (u. a. Auszüge aus den Jahren 1960 bis 1962)“. Diesen Behauptungen<br />
ist entgegenzuhalten:<br />
• Dass das Waldgut Pfleiderer GmbH & Co. OG (nachfolgend kurz PFLEIDERER) vor rund 50 Jahren<br />
Entwässerungsgräben errichtet hat, ist sicherlich nicht falsch. Die Umweltbeschwerde <strong>des</strong> Naturschutzbun<strong>des</strong><br />
bezieht sich jedoch nicht auf Entwässerungsgräben, die vor 50 Jahren errichtet wur-<br />
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den, sondern auf die, die nach April 2007 – also der Umsetzungsfrist für die Umwelthaftungsrichtlinie<br />
– neu errichtet bzw. erheblich vertieft wurden.<br />
• Die Behauptungen zu den vor Jahrzehnten errichteten Entwässerungsgräben enthalten auch keine<br />
Angaben zum Ausmaß <strong>des</strong> damaligen Netzes an Entwässerungsgräben und ebensowenig zur Grabentiefe.<br />
Die aktuell neu errichteten oder vertieften Gräben sind zumeist zwischen 150 cm und „unglaublichen“<br />
300 cm tief (letztere nicht im Bereich der angezeigten Flächen).<br />
Wären die gegenständlichen Gräben Bestand gewesen, so gäbe es den Moorlebensraum nicht mehr.<br />
Bereits nach kurzer Zeit beginnt in einem austrocknenden Moorboden ein Mineralisierungsprozess, bei<br />
dem der organische Torf zersetzt wird. Allein die Tatsache, dass sämtliche angezeigten Eingriffe in aktuell<br />
bestehenden Moorlebensräumen erfolgten, in denen noch zum Teil lebende und zum Teil gerade<br />
absterbende Sphagnum-Bestände zu finden sind, belegt, dass es in diesen Bereichen keine Entwässerungsgräben<br />
gegeben haben kann. Letztlich formuliert der Amtssachverständige in seinem „Gutachten“<br />
auch: „... teilweise sehr alten Grabensysteme“.<br />
• Die Berufung auf Methoden, die vor Jahrzehnten angewandt wurden und damals vielleicht als zeitgemäß<br />
eingestuft waren, ist eine typische, aber <strong>des</strong>halb nicht minder falsche Methode behördlichen<br />
Argumentierens und Handelns in Niederösterreich. Spätestens seit 1993 hat eine zeitgemäße<br />
Waldbewirtschaftung derart zu erfolgen, dass anderen Ökosystemen keine Schäden zugefügt werden,<br />
die biologische Vielfalt erhalten bleibt und der Wald die ökologischen Funktionen auf lokaler,<br />
nationaler und globaler Ebene erfüllen kann (Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa<br />
1993). In weiterer Folge wurden diese Forderungen als rechtsverbindlich im Forstgesetz normiert (§<br />
1 Abs. 3).<br />
• Erst im Juni 2013 hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil in den Rechtssachen V 2/2013<br />
und V 3/2013, das sich ebenfalls mit Bewilligungen in der Katastralgemeinde Karlstift befasst, festgehalten,<br />
dass eine geänderte Situation in einem Gebiet – hier explizite Nennung <strong>des</strong> EU-<br />
Vogelschutzgebietes und <strong>des</strong> Grünen Ban<strong>des</strong> Europas – bei Entscheidungen zu berücksichtigen<br />
ist. Die Gebietsausweisungen als (Ausweisungsjahr in Klammer) …<br />
• Naturschutzgebiet (1981)<br />
• Biogenetisches Reservat (1989)<br />
• Important Bird Area (1995)<br />
• FFH-Gebiet (Meldung an EU-Kommission 1998)<br />
• Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (1999)<br />
• Wildtier-Migrationsroute (2003)<br />
• EU-Vogelschutzgebiet (2004, seit 1995 faktisches SPA)<br />
• Teil <strong>des</strong> Grünen Ban<strong>des</strong> Europas (2007)<br />
… hat in den letzten Jahren die gegebene Situation maßgeblich geändert. Der Amtssachverständige<br />
und die Behörden lassen diese geänderte Situation in ihren Entscheidungen immerzu unberücksichtigt<br />
– ebenso in der gegenständlichen Mitteilung.<br />
• Dass eine Behörde bzw. ein Amtssachverständiger allein schon eine fortgesetzte und ebenso erweiterte<br />
und verstärkte Entwässerung von Moorlebensräumen befürwortet, und dies sogar in einem<br />
1999 als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung entsprechend der Ramsar-Konvention ausgewiesenen<br />
Bereich – bis auf die beiden <strong>nö</strong>rdlichen Eingriffe (Punkte 11 und 12) liegen alle angezeigten<br />
Maßnahmen in diesem Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung –, zeigt bereits die Fixierung<br />
der Denkweise auf eine unzeitgemäße und nicht nachhaltige Forstwirtschaft und führt die<br />
internationalen Schutzbemühungen für die besonders wichtigen Feuchtgebiete, für deren Erhalt das<br />
Gebiet eben ausgewiesen wurde, ad absurdum.<br />
Auch wenn die Ramsar-Konvention keine bindende Rechtsgrundlage darstellt, erhalten die auf Basis<br />
der Konvention ausgewiesenen Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung ihren rechtsverbindlichen<br />
Charakter in dem ausgewiesenen Vogelschutzgebiet – alle angezeigten Punkte liegen im Vogelschutzgebiet<br />
„Waldviertel“ – durch Artikel 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie, die normiert, dass die Mitgliedstaaten<br />
dem Schutz der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen Feuchtgebiete<br />
besondere Bedeutung beizumessen haben.<br />
Die behördlichen Maßnahmen im gegenständlichen Verfahren zielen darauf ab, eine die biologische<br />
Vielfalt und die Ökosysteme schädigende Forstbewirtschaftung entgegen der internationalen, gemeinschaftlichen<br />
und nationalen Normierungen zu etablieren, was bereits ex lege nicht unter die Begriffe<br />
„zeitgemäß“ und „nachhaltig“ subsummiert werden kann.<br />
• Schließlich tätigt der Amtssachverständige in seinem „Gutachten“ die Aussage, dass ohne die Grabensysteme<br />
„auf vielen Flächen eine Waldbewirtschaftung unmöglich“ wäre. Hieraus ist das Ziel,<br />
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mittels der angelegten Entwässerungsgräben eine durchgängige „Wald“bewirtschaftung auf allen<br />
Flächen zu erreichen, festgestellt, was eben nur durch die Entwässerung und somit die Zerstörung<br />
der feuchteabhängigen Ökosysteme der Moorlebensräume möglich ist. Folglich ist es Ziel <strong>des</strong><br />
Forstbetriebs und der Behörden, die Moorlebensräume – insbesondere die prioritär zu schützenden<br />
Moorwälder – gänzlich zu vernichten, und mit diesen Lebensräumen die biologische Vielfalt, was<br />
zweifelsfrei gegen die Normierungen in §§ 1 Abs. 3 und 32a Abs. 1 Forstgesetz 1975 verstößt.<br />
• Schließlich führen PFLEIDERER und der Amtssachverständige zu diesem Themenbereich Literatur<br />
von Dr. Hans Hufnagl ins Feld. Der Autor HUFNAGL wurde 1898 geboren und verstarb am 30. August<br />
1984 im Alter von 87 Jahren. Er veröffentlichte Schriften zwischen 1932 und 1980 – Das zitierte<br />
Buch „Der Waldtyp“ stammt aus dem Jahr 1970 –, die nach heutigen Erkenntnissen und Maßstäben<br />
folglich so zeitgemäß sind, wie die überkommenen Ansichten von PFLEIDERER und den Behörden in<br />
NÖ.<br />
• Zwischen 1996 und 1999 wurde im hiesigen FFH-Gebiet das EU-Life-Projekt „Feuchtgebietsmanagement<br />
Oberes Waldviertel“ (Projektnummer: LIFE96 NAT/A/003226, Kosten: 868.418,00 EUR)<br />
durchgeführt (siehe Datenbank der European Environment Agency und Lebensministerium). Als<br />
Ziel-Lebensraumtypen dieses Life-Projektes sind unter anderem Lebende Hochmoore (7110) und<br />
Moorwälder (91D0) angeführt (European Environment Agency).<br />
• Im Jahr 2000 hielten UHL et al. in einer in Kooperation mit der Gemeinde und dem Amt der NÖ Lan<strong>des</strong>regierung<br />
erstellten Studie zu den Moorgebieten bei Karlstift fest: „Im Gemeindegebiet von Bad<br />
Großpertholz liegen die größten Hochmoore <strong>des</strong> Freiwal<strong>des</strong> [...] Der Schutz darf dabei nicht nur<br />
unmittelbar auf den Moorkörper beschränkt bleiben, sondern zur Erhaltung eines intakten Moores<br />
gehört wesentlich auch das Umland dazu. Durch forstliche und entwässerungstechnische Eingriffe<br />
sind vor allem die größeren Moorzentren aktuell gefährdet.“ Weiter fordern UHL et al.: „Rückbau von<br />
nicht forstwirtschaftlich unbedingt notwendigen Forststraßen und Rundwegen im Bereich der Moore.<br />
Altholzinselschutz im Bereich der Moorgebiete sollten Vorrang haben (Schutzwaldreservate unbedingt<br />
einrichten).“.<br />
• Die Verordnung für das betroffene Natura 2000-Gebiet normiert im Übrigen, dass ein günstiger Erhaltungszustand<br />
der angeführten Schutzgüter – unter anderem eben die prioritär zu schützenden<br />
Lebenden Hochmoore und Moorwälder, der prioritäre Hochmoor-Laufkäfer etc. – gegeben sein oder<br />
wiederhergestellt werden muss (§ 21 Abs. 3 NÖ Verordnung über die Europaschutzgebiete). Gesondert<br />
führt die Verordnung die Erhaltung von …<br />
• „sauren Mooren mit Sphagnum“<br />
• „natürlichen Beständen von Moorwäldern mit standortstypischem Wasserhaushalt“<br />
• „naturnahen, strukturreichen Waldbeständen mit ausreichendem Alt- und Totholzanteil“<br />
… an. Ähnliche Vorgaben sind auch für das betroffene Vogelschutzgebiet verordnet, z.B. die Erhaltung<br />
der Feuchtbiotope im Wald, großflächige und naturnahe Wälder mit naturnaher bzw. natürlicher Alterszusammensetzung<br />
und einem charakteristischen Strukturreichtum und Totholzanteil (§ 12 Abs. 3 NÖ<br />
Verordnung über die Europaschutzgebiete).<br />
• Der Gebietsmanagementplan hält als wichtigstes Ziel fest: „Sowohl der Erhalt noch intakter Moorflächen<br />
in ihrem Bestand, als auch die Renaturierung von gestörten Flächen gelten als oberste Erhaltungsziele.<br />
Wichtig ist es, den Wasserhaushalt der Moorflächen zu stabilisieren.“ (Amt der NÖ<br />
Lan<strong>des</strong>regierung 2010).<br />
5. Forststraßen<br />
Der Amtssachverständige streicht in seinem „Gutachten“ die Wichtigkeit der Errichtung von Forststraßen<br />
heraus, um das „erzeugte Holz“ effizient aus dem Wald zu bringen. Auch hier nimmt der Amtssachverständige<br />
keinen Bezug auf die Normierungen <strong>des</strong> Forstgesetzes und ebensowenig auf aktuellere Literatur.<br />
Spätestens seit den 1980er Jahren werden die Negativ-Einflüsse von Forststraßen auf die biologische<br />
Vielfalt herausgestrichen und es liegen ungezählte Studien hierzu vor. Nur zwei Beispiele zu dieser<br />
Thematik:<br />
• Die Raufußhuhnbestände – die drei Arten Birkhuhn, Auerhuhn und Haselhuhn sind Schutzgüter <strong>des</strong><br />
betroffenen Vogelschutzgebietes und alle drei nutzen diese Moore (UHL et al. 2000 und Amt der NÖ<br />
Lan<strong>des</strong>regierung 2010) – gehen mit zunehmender Forststraßendichte zurück und sterben schließlich<br />
ganz aus. Noch bis vor Kurzem waren <strong>nö</strong>rdlich (Punkt 11) und südlich von Karlstift (Punkte 2 bis 10)<br />
die Raufußhühner in ihren Habitaten präsent (je nach Art genutzt als Ganzjahreslebensraum, Brut-<br />
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habitat oder Wintereinstand). Inzwischen wurden zwei der drei Raufußhuhnarten, aufgrund <strong>des</strong> Vorgehens<br />
in deren Habitaten, ausgerottet, das verbliebene Haselhuhn stark dezimiert.<br />
Beispiel Auerhuhn: In den 1980er Jahren waren allein in den Karlstifter Mooren 20-30 Auerhühner präsent<br />
und im Gebiet der KG Karlstift gab es noch 12-14 balzende Hähne (UHL et al. 2000). Den letzten<br />
Brutnachweis im Bereich der Karlstifter Moore gab es 2002 (Amt der NÖ Lan<strong>des</strong>regierung 2010). Zum<br />
von den Eingriffen betroffenen Gemeindegebiet halten UHL et al. (2000) fest: „Das ehemals größte Vorkommen<br />
<strong>des</strong> Auerhuhns im Freiwald umfasste das gesamte Waldgebiet von den Hochlagen bis in die<br />
Moore und Moorwälder. Das Zentrum der Population stellten die Moore dar.“.<br />
GRAF et al. (2007) haben belegt, dass die Forststraßendichte einen wesentlichen Faktor <strong>beim</strong><br />
Auerhuhnschutz darstellt: In Gebieten, in denen das Auerhuhn heute noch gegeben ist, ist die durchschnittliche<br />
Forststraßendichte nur halb so groß (14,3 m/ha), wie in den Gebieten, in denen das Auerhuhn<br />
verschwunden ist.<br />
Durch den exzessiven Forststraßenbau werden eine leichte Prädation und Störungen durch Forstwirtschaft<br />
und Freizeitnutzung bis in die letzten Rückzugsgebiete ermöglicht. SUCHANT & BRAUNISCH (2004)<br />
haben im Rahmen eines grenzüberschreitenden EU-Life-Projektes ermittelt, dass in einem Umkreis von<br />
1.000 m um die Kernlebensräume von Raufußhühnern Störungen zu unterlassen sind: „In Schlüsselhabitaten<br />
für Raufußhühner, (in Wintereinständen und in einem Min<strong>des</strong>tumkreis von 1 km um Balzplätze<br />
und Brut- und Aufzuchtgebiete) sind touristische Aktivitäten und Störungen zu vermeiden.“.<br />
• Ebenfalls erheblich durch den Forststraßenbau beeinträchtigt, werden die Fließgewässer und deren<br />
Bewohner. Die Flussperlmuschel ist eines der bekanntesten Beispiele für die hiesige Region. In der<br />
Lainsitz wurde das Schutzgut, für <strong>des</strong>sen Erhaltung das Gebiet ausgewiesen wurde, in wenigen Jahren<br />
ausgerottet (GUMPINGER et al. 2009). Einen ähnlichen Weg dürfte auch das ebenfalls auf Sedimenteinträge<br />
empfindlich reagierende Bachneunauge genommen haben. Gebietsmanagementplan:<br />
„Das Bachneunauge kommt in Österreich lediglich im Natura 2000-Gebiet „Waldviertler Teich-, Heide-<br />
und Moorlandschaft vor.“ – und der einzig gesicherte Nachweis dabei in der Lainsitz (Amt der<br />
NÖ Lan<strong>des</strong>regierung 2010).<br />
Die Verschlechterungen der Fließgewässer führen auf direktem Weg auch zu einer<br />
Habitatverschlechterung für Arten, die sich von den Fließgewässerbewohnern ernähren. Als Beispiel<br />
kann für das betroffene Vogelschutzgebiet das Schutzgut Schwarzstorch angeführt werden. Waren in<br />
der KG Karlstift zwei alljährlich besetzte Horste bekannt, so wurde in der IBA-Studie 2009 nur mehr ein<br />
Brutpaar angeführt und auch dieses ist nun seit einigen Jahren nicht mehr zu finden. Als ein wesentlicher<br />
Grund hierfür kann die Sedimentierung der Fließgewässer angeführt werden, die das Nahrungsangebot<br />
wesentlich reduziert hat.<br />
Bereits 1978 stellten IWAMOTO et al. in „Sediment and water quality“ und zwei Jahre danach<br />
MCCLELLAND & BRUSVEN in „Effects of sedimentation on the behaviour and distribution of riffle insects in<br />
a laboratory stream“, sowie im gleichen Jahr ODUM in einer eigenen Arbeit fest, dass im Bachbett in<br />
Fließgewässern unter sonst gleichen Bedingungen Sand die geringste Anzahl sowohl an Arten als auch<br />
Individuen bodenbezogener Fließgewässerbewohner aufweist.<br />
PHILLIPS hält in „Effects of sediment on the gravel environment and fish production“ fest, dass schon<br />
kleine Mengen Feinsediment ausreichen, die Sauerstoffdurchlässigkeit von Kies deutlich zu verringern.<br />
Die Wasser-Infiltrationsrate ist im Sandbett gegenüber einem Kiesbett um 80 % reduziert (MUNN &<br />
MEYER 1988).<br />
1980 hatten CEDERHOLM et al. in „Cumulative effects of logging road sediment on salmonid populations<br />
in the Clearwater river“ die Auswirkungen der Sedimenteinträge erforscht.<br />
1992 beschrieb BUDDENSIEK, wie sich die Übersandung kiesigen Substrats auf die Überlebenschancen<br />
der Jung-Flussperlmuscheln auswirkt. Schon bei geringer Sandabdeckung kommt es zu einem ausgesprochenen<br />
Sauerstoff-Defizit. Bei Tests musste festgestellt werden, dass es nach sechs Wochen zum<br />
Totalverlust bei den Jungmuscheln gekommen war. BUDDENSIEK et al. stellen fest: „Der letale [Anm.:<br />
tödliche] Einfluss von Sandablagerungen auf die besonders empfindlichen Jugendstadien der Flussperlmuschel<br />
konnte sowohl in mehreren Experimenten als auch durch unbeabsichtigte Übersandungen<br />
ausgebrachter Käfige bestätigt werden. In allen Fällen traten innerhalb weniger Wochen Verluste von<br />
stets 100 % der betroffenen Jungmuscheln auf.“.<br />
Wesentlich ist somit primär die Forststraßendichte. In der landschaftlich sehr ähnlichen Šumava (Böhmerwald)<br />
findet man eine Forststraßendichte von 17,7 Laufmetern Forststraße pro Hektar Wald [m/ha].<br />
Der Durchschnittswert in ganz Tschechien liegt bei 18,0 m/ha (ŽÁČEK & KLČ 2008).<br />
Zum Vergleich: Auf einer Probefläche <strong>nö</strong>rdlich Karlstift wurde 2010 eine Forststraßendichte von 44,8<br />
m/ha ermittelt. Da auch in Tschechien Forstwirtschaft betrieben wird und man hier mit einer weit niedrigeren<br />
Forststraßendichte auskommt, kann das hiesige Forststraßennetz wohl schwerlich als erforderlich<br />
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angesehen werden. Bei einem derart hohen Wert dann auch noch von einer Erforderlichkeit weiterer<br />
Forststraßen auszugehen, ist sicherlich verfehlt.<br />
Die Auswirkungen von Forststraßen auf den Naturhaushalt sind insgesamt als problematisch zu werten.<br />
In einem Moorgebiet und im Habitat von extrem störungsempfindlichen Arten wie Auerhuhn, Haselhuhn,<br />
Flussperlmuschel etc. stellen sie eine erhebliche Lebensraumverschlechterung dar, die – wie bereits bei<br />
ersten Schutzgütern erfolgt – bis zum Aussterben der Arten führt.<br />
Dabei sollte man sich nochmals vor Augen führen:<br />
• Sämtliche Maßnahmen und Projekte wurden in einem Gebiet umgesetzt, das zum Erhalt der zuvor<br />
genannten Arten ausgewiesen wurde<br />
• und das Forstgesetz normiert, dass eine nachhaltige Waldbewirtschaftung nur in einer Art und in einem<br />
Umfang erfolgen darf, dass die biologische Vielfalt dauerhaft erhalten wird und Ökosysteme<br />
nicht geschädigt werden.<br />
6. Entstehungszeit der Entwässerungsgräben<br />
Der Amtssachverständige führt aus, dass sämtliche in der Anzeige behandelten Entwässerungsgräben<br />
bereits seit langem bestehend seien und diese nur, bei Beibehaltung der bisherigen Tiefe, ausgeräumt<br />
worden wären.<br />
Nachfolgend sollen anhand von vier Beispielen, über die in der Anzeige bereits abgedruckten Belege<br />
hinaus, weitere Beweise angeführt werden, um die Aussagen <strong>des</strong> Amtssachverständigen zu widerlegen.<br />
6.1. Zu Kapitel 6.1 in der Anzeige<br />
Abb. 1: Orthofoto 2007 [Quelle: NÖGIS]. Rechts oben ist mit einer dünnen gelben Linie die Grundstücksgrenze<br />
eingeblendet, sie ist der Bezugspunkt für die nachfolgenden Abb. 2 und 3.<br />
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Abb. 2: Geländemodell aus Laserscan 2009 [Quelle: NÖGIS]. Im zentralen Bereich der Abbildung gibt<br />
es keinen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Entwässerungsgraben.<br />
Abb. 3: Orthofoto 2011 [Quelle: NÖGIS]. Durch Anschüttung von mineralischem Material auf den<br />
Moorboden wurde eine Forststraße errichtet, parallel zur Forststraße wurde ein tiefer Entwässerungsgraben<br />
errichtet. Abb. 37 in der Anzeige zeigt diesen Graben.<br />
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6.2. Zu Kapitel 6.2 in der Anzeige<br />
Abb. 4: Geländemodell aus Laserscan 2009 [Quelle: NÖGIS]. Auch hier stellt die mit gelber bzw. in<br />
Abb. 6 mit roter Linie dargestellte Grundstücksgrenze einen Bezugspunkt dar, ebenso die im oberen<br />
Bildbereich verlaufende Forststraße.<br />
Abb. 5: Orthofoto 2011 [Quelle: NÖGIS]. Über die im Geländemodell 2009 (Abb. 4) hinaus zu sehenden<br />
Entwässerungsgräben ist 2011 nur der in Kapitel 1 gezeigte parallel zur neuen Forststraße hinzugekommen.<br />
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Abb. 6: Orthofoto 2012 [Quelle: Google Earth]. Die mit roten Pfeilen gekennzeichneten Gräben sind<br />
gegenüber den im Geländemodell von 2009 zu sehenden Gräben hinzugekommen, außerdem gab es<br />
Anschüttungen von mineralischem Material auf den Moorböden.<br />
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6.3. Zu Kapitel 10 in der Anzeige<br />
Abb. 7: Orthofoto 2007 [Quelle: NÖGIS]. Bezugspunkt ist die Forststraße unten rechts. In der Hauptfläche<br />
sind keine Entwässerungsgräben zu sehen, auch nicht in der Bildvergrößerung. Nur im oberen<br />
Bildbereich ist ein wellig verlaufender Graben sichtbar, in der Bildvergrößerung ist er deutlich zu erkennen.<br />
Abb. 8: Orthofoto 2011 [Quelle: NÖGIS]. Nun besteht ein weit verzweigtes Entwässerungsgraben-<br />
System im Moorboden.<br />
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6.4. Zu Kapitel 11 in der Anzeige<br />
Abb. 9: Geländemodell aus Laserscan 2009 [Quelle: NÖGIS]. Bezugspunkte sind die im oberen Bildbereich<br />
in einem Bogen verlaufende Forststraße sowie die in Nord-Südrichtung auf den tiefsten Punkt<br />
<strong>des</strong> Bogens zulaufende Forststraße. Deutlich erkennbar sind die beiden in Ost-West-Richtung verlaufenden<br />
Entwässerungsgräben. Dazwischen und rechts der Forststraße sind keine Gräben zu sehen.<br />
Abb. 10: Orthofoto 2011 [Quelle: NÖGIS]. Auch 2011 sind über die auch im Geländemodell 2009 zu<br />
sehenden zwei Gräben hinaus keine weiteren Gräben sichtbar.<br />
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Abb. 11: Orthofoto 2012 [Quelle: Google Earth]. 2012 sind ein ganzes Netz von Entwässerungsgräben<br />
sichtbar (siehe rote Pfeile). Zusätzlich wurde mineralisches Material in die Moorlebensräume eingebracht.<br />
7. Sonstiges<br />
Der Amtssachverständige für Forstwesen gibt an, dass er die Befundaufnahme am 18. Oktober 2013<br />
durchgeführt habe (gegenständliche Mitteilung der BH Gmünd, Seite 2 unter „Befund“).<br />
Das Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Gmünd wurde aber erst 6 Tage danach, am 24. Oktober<br />
2013 erstellt (Seite 2 unter „Sachverhalt“).<br />
Schon allein hieraus ergibt sich die Frage, wie der Amtssachverständige bereits Tage vor Kenntniserlangung<br />
wissen wollte, was und vor allem wo er eine Überprüfung innerhalb <strong>des</strong> mehrere tausend Hektar<br />
umfassenden Waldgebietes der Waldgut Pfleiderer GmbH & Co. OG durchführen sollte.<br />
Zwar listet der Amtssachverständige in seinem „Gutachten“ Grundstücksnummern auf, nimmt aber in<br />
keiner Weise Bezug auf die insgesamt 14 angezeigten Eingriffe, die im Bereich der Waldflächen der<br />
Waldgut Pfleiderer GmbH & Co. OG liegen, wovon jeweils mehrere innerhalb eines der großflächigen<br />
Grundstücke (z.B. Gst. Nr. 265/1 rund 150 ha, Gst. Nr. 523/1 rund 280 ha) angesiedelt sind.<br />
Es ist Ziel der Umwelthaftungsrichtlinie auf der Grundlage <strong>des</strong> Verursacherprinzips einen Rahmen für<br />
die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Schäden an den festgelegten Arten und Lebensräumen<br />
der FFH- und Vogelschutzrichtlinie zu schaffen (Artikel 1 und 2 Z. 3) und wo Umweltschäden<br />
durch eine betriebliche Tätigkeit eingetreten sind, diese zu sanieren. Schon allein <strong>des</strong>halb geht das<br />
Gutachten und die darauf aufbauende „Mitteilung“ der BH Gmünd am Thema vorbei und betrachtet<br />
nicht die Anforderungen <strong>des</strong> Gemeinschaftsrechts, sondern stellt die ausschließlich auf umsatzmaximierende<br />
Gesichtspunkte ausgerichtete persönliche Meinung <strong>des</strong> Gutachtenerstellers dar.<br />
In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass die Umwelthaftungsrichtlinie die Min<strong>des</strong>tanforderungen<br />
definiert und die Mitgliedsstaaten strengere Vorschriften erlassen können (Erwägungsbegründung<br />
Abs. 29) und dass die Richtlinie weiters normiert: „Da durch die Vermeidung und Sanierung von<br />
Umweltschäden ein unmittelbarer Beitrag zur Umweltpolitik der Gemeinschaft geleistet wird, sollten die<br />
Behörden sicherstellen, dass das mit dieser Richtlinie geschaffene System ordnungsgemäß um- und<br />
durchgesetzt wird.“ (Erwägungsbegründung Abs. 15).<br />
Zwar sieht die Umwelthaftungsrichtlinie vor, dass Schäden die vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie<br />
(30. April 2007) entstanden sind, nicht von den Richtlinienbestimmungen erfasst werden (Erwägungsbegründung<br />
Abs. 30), jedoch ist keiner der angezeigten Punkte vor dieser Frist erfolgt.<br />
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8. Literaturliste<br />
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Amt der NÖ Lan<strong>des</strong>regierung (2004): Natura 2000 Standard Data Form zum SCI/SAC „Waldviertler<br />
Teich-, Heide- und Moorlandschaft“ (AT1201A00), Ausfülldatum: September 1998, Fortschreibung:<br />
Januar 2004, 13 S.<br />
Amt der NÖ Lan<strong>des</strong>regierung (2006): Natura 2000 Standard Data Form zum SPA „Waldviertel“<br />
(AT1201000), Ausfülldatum: August 1996, Fortschreibung: November 2006, 16 S.<br />
Amt der NÖ Lan<strong>des</strong>regierung (2010): Managementplan Europaschutzgebiete „Waldviertler Teich-,<br />
Heide- und Moorlandschaft“ und „Waldviertel“ – Beschreibung der Schutzobjekte, Version 2, 266<br />
S.<br />
Amt der NÖ Lan<strong>des</strong>regierung (2010): Managementplan Europaschutzgebiete „Waldviertler Teich-,<br />
Heide- und Moorlandschaft“ und „Waldviertel“ – Wichtige Erhaöltungsziele und -maßnahmen,<br />
Version 2, 3 S.<br />
BUDDENSIEK, V. (1992): The pearl mussel Margaritifera margaritifera L. in its early postparasitic life,<br />
in: Arch. Hydrobiol.<br />
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Interstitial kleiner Fließgewässer im Bereich der Lüneburger Heide, „Natur und Landschaft“ Nr.<br />
2/1993, S. 47-51.<br />
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GÜNTHER, W. (2006): Die Auswirkungen <strong>des</strong> EuGH-Urteils C-98/03 zur mangelhaften Umsetzung der<br />
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Projekt-Broschüre zu den Renaturierungsprojekten in Kooperqation mit den ÖBf, 28 S., Download:<br />
http://www.bun<strong>des</strong>tforste.at/uploads/tx_pdforder/Moorbroschuere-fin.pdf<br />
ŽÁČEK, J. & KLČ, P. (2008): Forest transport roads according to natural forest regions in the Czech<br />
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