Neu: BLuS Heft 13 - September 2013 - BAK
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<strong>Heft</strong> <strong>13</strong>, <strong>September</strong> 20<strong>13</strong><br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 3<br />
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für Lehrerausbildung und Schule<br />
Die Hattie-Studie zur Diskussion gestellt<br />
Roswitha Haase-Romeo, Roswitha Kneer-Werner 5<br />
Von der Lehrerpersönlichkeit zu Expertise und Professionalität –<br />
Anforderungen an die erste Ausbildungsphase<br />
Dr. Diemuth Ophardt 19<br />
Lehramtsanwärter und -anwärterinnen der Sonderpädagogik auf dem Weg<br />
zum professionellen Handeln in Unterricht und Schule<br />
Angelika Granzow-Seidel 22<br />
Lehrerpersönlichkeit und Ausbildung<br />
Dr. Bernd Oehmig 25<br />
Die Lehrerpersönlichkeit im Berliner Vorbereitungsdienst – eine Umfrage<br />
unter Seminarleitern und Lehramtsanwärtern<br />
Jörg Textor 31<br />
Lehrerpersönlichkeit? – eine Annäherung<br />
Marlis Ziegler 37<br />
Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit im Rahmen der schulischen<br />
Ausbildung – ein empirischer Erfahrungsbericht<br />
Torsten Franckowiak 39<br />
Lehrtätigkeit und Lehrerpersönlichkeit – eine ständige Veränderung?<br />
Andre Grammelsdorff 44<br />
Wie könnte man die Lehrerpersönlichkeit in der zweiten Ausbildungsphase<br />
stärken?<br />
Lutz Kreklau 47<br />
Professionalität und Persönlichkeit im Lehrberuf - eine Herausforderung an<br />
alle Kompetenzen<br />
Cynthia Segner 49<br />
Ist die Berliner Ausbildung adressatengerecht?<br />
David Bordiehn 53<br />
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes 2010 – 2012<br />
Jens-Uve Wahner<br />
Schulporträt<br />
Die Anna-Lindh-Schule<br />
56<br />
Mathias Hörold 63<br />
Fortsetzung auf Seite 2<br />
Hrsg.: Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V., Landesgruppe Berlin
Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />
Lernaufgaben im Fach Geschichte – zum Dritten<br />
Aufgeschnappt<br />
Schonraum und Ernstfall<br />
Götz Massow 68<br />
Wolfgang Harnischfeger 70<br />
Mitteilungen<br />
Roswitha Kneer-Werner 74<br />
1. Bewerbungs- und Vereidigungstermine/Einführungsseminare<br />
2. Aufnahme von Lehramtsanwärter/innen in den Ausbildungsregionen<br />
3. Einführungen für neue Fachseminarleiter/innen<br />
4. Personalia<br />
Der Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V.<br />
Aktivitäten des <strong>BAK</strong>, Landesverband Berlin<br />
Herbert Böpple/Helmut Hochschild 78<br />
<strong>BAK</strong>-Beitrittserklärung 83<br />
Impressum 2<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V.,<br />
Landesgruppe Berlin; Herbert Böpple, Schröderstr. 2, 10115 Berlin<br />
herbert.boepple@web.de<br />
Verantwortlich für diese Ausgabe:<br />
Roswitha Kneer-Werner, 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S), Wildhüter Weg 5, 12353 Berlin<br />
Redaktionsmitglieder:<br />
Ingeborg Dix, 3. SPS Tempelhof-Schöneberg (S)<br />
Lars Kraft, 2. SPS Mitte (S)<br />
Klaus Meister, 3. SPS Mitte (L)<br />
Dr. Bernd Oehmig, 1. SPS Treptow-Köpenick (L)<br />
Jens-Uve Wahner, 1. SPS Spandau (S)<br />
Layout:<br />
Druck:<br />
Dr. Jobst Werner c/o 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />
SIGNAL IDUNA Allgemeine Versicherung AG<br />
Die in „Betrifft: Lehrerausbildung und Schule“ veröffentlichten Artikel geben nicht<br />
unbedingt die Meinung der Redaktionsmitglieder oder des Herausgebers wieder.<br />
Seite 2
Vorwort<br />
Öffnete man in den vergangenen zwei Jahren die Tageszeitungen, so stieß man immer wieder auf<br />
Kommentare, längere Beiträge und kritische Anmerkungen zur Hattie-Studie. So haben sich auch<br />
viele namhafte Persönlichkeiten wie zum Beispiel E. Terhart mit der Studie auseinandergesetzt.<br />
Was macht diese Studie so interessant, dass sich viele Medien auf sie stürzen? Welche Schlussfolgerungen<br />
hat John Hattie selbst aus seiner ersten Studie, die er in einem zweiten Buch verarbeitet<br />
hat, gezogen? Wer ist John Hattie?<br />
Vielen Lesern und Leserinnen ist er bekannt, aber der Vollständigkeit halber möchte ich ihn kurz<br />
vorstellen, basiert doch diese Ausgabe der Broschüre auf vielen seiner Aussagen bzw. haben sich<br />
die Autoren und Autorinnen intensiv mit dem Begriff der Lehrerpersönlichkeit auseinandergesetzt<br />
und sich ihr zu nähern versucht. Wie die verschiedenen Beiträge zeigen, ist der Begriff „Lehrerpersönlichkeit“<br />
schwerlich in einer Definition zu fassen.<br />
John Hattie ist ein neuseeländischer Pädagoge und seit 2011 Professor für Erziehungswissenschaften<br />
und Direktor am Melbourne Education Research Institute an der Universität Melbourne.<br />
Sein Buch „Visible Learning“ ist bereits übersetzt worden und schon warnen einige Kritiker, dass<br />
jeder der Studie entnimmt, was zu seiner eigenen Position passt.<br />
In der vorliegenden Broschüre haben sich Roswitha Haase-Romeo und Roswitha Kneer-Werner<br />
mit beiden Werken Hatties beschäftigt, schwerpunktmäßig Aussagen ausgewählt, die für Ausbildung<br />
und Schule eine Bedeutung haben, und einige Schlussfolgerungen für die Ausbildung in Berlin<br />
sowie für die Schule gezogen. Wollte man die Studie “Visible Learning” und die Schlussfolgerungen,<br />
die Hattie in “Visible Learning for Teachers – Maximizing Impact on Learning“ zieht, allerdings<br />
vollständig darstellen, so würde das den Rahmen der Broschüre sprengen.<br />
Dr. Diemuth Ophardt stellt in Ihrem Beitrag die Anforderungen der ersten Phase der Ausbildung<br />
bezüglich der Lehrerpersönlichkeit dar und kontrastiert Zugänge der aktuellen Lehrerforschung, die<br />
Expertisenforschung und die Professionsforschung und zeigt, wie diese in der Frage nach der<br />
Lehrerpersönlichkeit wieder aufgegriffen werden.<br />
Seminarleiterinnen und Seminarleiter der zweiten Phase der Ausbildung haben sich ebenfalls mit<br />
der „Lehrerpersönlichkeit“ in den zahlreichen Beiträgen auseinandergesetzt, wobei die verschiedenen<br />
Blickwinkel deutlich werden. So richtet Angelika Granzow-Seidel den Blick auf die Ausbildung<br />
im sonderpädagogischen Bereich und legt dar, dass handlungskompetente Lehrkräfte ausgebildet<br />
werden müssen, die die Herausforderungen des Aufgabenfeldes erkennen und sich damit auseinandersetzen.<br />
Bernd Oehmig versucht zwischen Lehrerpersönlichkeit und Lehrerverhalten zu unterscheiden und<br />
fragt, ob die Lehrerpersönlichkeit in der Seminarausbildung vermittelt bzw. auch entwickelt werden<br />
kann. Dabei bezieht er sowohl die Bausteine der modularisierten Ausbildung als auch die Aussagen<br />
zum Stand der Kompetenzwicklung sowie die derzeitigen Standards für die Gutachten mit ein.<br />
Jörg Textor hat einen ganz anderen Weg beschritten und eine Umfrage bei den Seminarleitern und<br />
Seminarleiterinnen sowie den Lehramtsanwärtern und Lehramtsanwärterinnen durchgeführt, die<br />
u.a. die Bedeutung der Persönlichkeit für den Lehrerberuf, den Stellenwert des Themas im Vorbereitungsdienst<br />
und den Einfluss der Ausbilder auf die Lehrerpersönlichkeit darstellt.<br />
Marlis Ziegler fragt sich, was eine gute Lehrerpersönlichkeit überhaupt ausmacht, und beleuchtet<br />
diese Frage anhand eigener Beobachtungen und weiterer verschiedener Perspektiven.<br />
Seite 3
Diejenigen, die während und nach der Ausbildung der Lehramtsanwärter und Lehramtsanwärterinnen<br />
eng mit den Lehrkräften verbunden sind, sind natürlich die Schulleiter und Schulleiterinnen,<br />
die sich aus ihrer Sicht ebenfalls dem Thema Lehrerpersönlichkeit genähert haben.<br />
So setzt sich Torsten Franckowiak kritisch mit dem Einsatz der Lehramtsanwärter/innen in der<br />
Schule auseinander und legt dar, welchen Beitrag eine Schule an der Entwicklung der Auszubildenden<br />
leisten kann. Deutlich wird, dass die Schule ein Ausbildungskonzept entwickelt hat, das er<br />
hier beschreibt.<br />
André Grammelsdorff wünscht sich Schulpartnerschaften zwischen Hochschule und Schule, um<br />
bereits zu einem frühen Zeitpunkt Berührungspunkte herzustellen. Sein Anliegen ist, gute Lehrerpersönlichkeiten<br />
für den Schuldienst zu gewinnen.<br />
Lutz Kreklau stellt dar, dass der Lehrerberuf erlernbar ist und die Persönlichkeit sich auf diesen<br />
komplexen Beruf einstellen kann, wobei er diejenige Lehrerpersönlichkeit meint, die im Unterricht<br />
zu beobachten ist und die nicht notwendigerweise der Gesamtpersönlichkeit entspricht.<br />
Cynthia Segner erläutert an praktischen Beispielen, welche Herausforderungen der Lehrerberuf<br />
beinhaltet und über welche Kompetenzen eine Lehrkraft verfügen muss. Ihr Appell ist, dass wir<br />
professionell handelnde Lehrkräfte benötigen, die Jugendliche über lange Zeit begleiten.<br />
Der Studienreferendar David Bordiehn fragt in seinem Beitrag, inwiefern die Ausbildung in Berlin<br />
überhaupt adressatengerecht ist, stellt Kriterien für eine adressatengerechte Ausbildung dar und<br />
übt daraufhin Kritik an der Ausbildung in Berlin. Intensiv beleuchtet er die Rolle des anleitenden<br />
Lehrers/der anleitenden Lehrerin.<br />
Jens-Uve Wahner legt die Ergebnisse der Studie vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie<br />
(FiBS) dar, in der die Eingangsvoraussetzungen und die Ausbildungsergebnisse der<br />
Lehramtsanwärter/innen im Berliner Vorbereitungsdienst im Hinblick auf ihre Unterrichtskompetenz,<br />
ihre pädagogischen Wissensbestände und ihre berufsbezogene Orientierung im Zeitraum<br />
von 2010 bis 2012 untersucht und Aspekte der Ausbildungsqualität evaluiert wurden.<br />
Wie in den letzten Ausgaben, so stellen wir auch in dieser Ausgabe wieder eine Schule vor. Wie<br />
die Schule seit 1998 die (Hoch-)Begabtenförderung integriert hat, erläutert Mathias Hörold am Beispiel<br />
der Anna-Lindh-Schule. Im Laufe der Jahre hat die Schule zunehmend festgestellt, dass es<br />
eine Differenz zwischen dem Stand der kognitiven und der emotional-sozialen Entwicklung gibt,<br />
worauf sie mit verschiedenen Projekten reagiert.<br />
Götz Massow hat sich mit einem Beitrag der Broschüre vom Februar/März 20<strong>13</strong> zum Thema Lernaufgaben<br />
am Beispiel des Faches Geschichte kritisch auseinandergesetzt. Reaktionen auf bisherige<br />
Beiträge sind stets willkommen. Unter der Rubrik Aufgeschnappt nehmen wir einen Beitrag mit<br />
dem Thema „Schonraum und Ernstfall“ von Wolfgang Harnischfeger in den Fokus.<br />
Wie gewohnt, enthält diese Ausgabe Mitteilungen der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung,<br />
die Roswitha Kneer-Werner zusammengestellt hat.<br />
Und last but not least berichten Herbert Böpple und Helmut Hochschild über Aktivitäten des <strong>BAK</strong>.<br />
Für heute grüßt Sie auch im Namen des Redaktionsteams<br />
Roswitha Kneer-Werner<br />
im August 20<strong>13</strong><br />
Seite 4
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für<br />
Lehrerausbildung und Schule<br />
Die Hattie-Studie in der Diskussion<br />
Folgerungen für die Lehrerausbildung und die Schule<br />
In zahlreichen Publikationen, die sich mit Fragen der Lehrerbildung im Allgemeinen, mit Schulstrukturreformen,<br />
grundsätzlichen Fragen der Schulentwicklung und singulären pädagogischen<br />
Problemstellungen beschäftigen, wird die Hattie-Studie, die Studie des neuseeländischen Bildungsforschers<br />
John Hattie, als Referenz bzw. Grundlage der Meinungsbildung herangezogen.<br />
Die 2008 erstmals erschienene, auf 800 Metaanalysen beruhende Studie wird als Fundament genutzt,<br />
um die Ursachen von Lernerfolgen zu ergründen. In einem Artikel der „Zeit-online“ Februar<br />
20<strong>13</strong> werden die Ergebnisse der Hattie-Studie zusammenfassend formuliert:<br />
„Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die<br />
Lehrerin.“ (Zeit-online, Febr. 20<strong>13</strong>, S. 1/8)<br />
Hinter diesem sehr plakativen und missverständlich formulierten Satz verbirgt sich doch ein sehr<br />
komplexes Gebilde für erfolgreiches Lehren und Lernen, das in diesem Beitrag näher beleuchtet<br />
werden soll.<br />
Dieser Beitrag beinhaltet eine ausgewählte Darstellung der Ergebnisse der Hattie-Studie (2009)<br />
und der Konsequenzen, wie sie in seinem Werk von 2012 („Visible Learning for Teachers-Maximizing<br />
Impact on Learning“) erläutert werden. Als zweiter Schritt werden sie Ausgangspunkt für<br />
Überlegungen hinsichtlich der Lehrerausbildung in Berlin und der Gestaltung von Schule sein.<br />
John Hattie selbst hat 2012 bereits eine weitere Publikation mit dem Titel „Visible Learning für<br />
Teachers – Maximizing Impact on Learning“ veröffentlicht und damit u. a. auf die überraschende<br />
Resonanz, vielleicht sogar„ Hattie-Manie“ reagiert, indem er bereits im Vorwort schreibt, dass es<br />
nicht ein einziges Programm oder einen eindeutigen Plan gibt, um Lernerfolge zu erzielen.<br />
„There is no program, no single script, no workbook on how to implement<br />
visible learning; instead, I have provided a set of benchmarks that can be<br />
used to create debates…” (Hattie, Vorwort, S. vii)<br />
Bereits in diesem Zitat wird angedeutet, dass Hattie sich der Komplexität von Lernprozessen bewusst<br />
ist und wissenschaftlich verlässliche Aussagen über Lernprozesse nicht in der Form getroffen<br />
werden können, wie es einige Autoren in ihren Publikationen (Fachpublikationen und Zeitschriften)<br />
formulieren. Als zentrale Ergebnisse der Hattie-Studie werden dort das Primat der „Direkten<br />
Instruktion“, die Absage an die „Selbstlernidyllik“, genannt und vor allem wird betont, dass<br />
die Klassengröße beim Ranking Hatties auf Platz 107 zu finden ist, also kaum Auswirkungen auf<br />
Lernprozesse habe.<br />
Wenn die vier Jahrzehnte andauernde Debatte über Schulformen, die Ergebnisse fachdidaktischer<br />
Forschung und Unterrichtsentwicklung mit dem Satz: „(A)uf den Lehrer kommt es an“ beantwortet<br />
werden können, muss man sich fragen, ob bzw. inwieweit die modularisierte Ausbildung (inkl. Vorbereitungsdienst)<br />
in Berlin nicht einem psychologischen Trainingsprogramm mit dem Motto „Wie<br />
werde ich ein begeisterter Lehrer 1 ?“ weichen sollte.<br />
Diese Polemik lässt jedoch die interessanten Ergebnisse der beiden Arbeiten Hatties außer Acht.<br />
Will man sich genauer mit der Studie beschäftigen, ist als erstes zu klären, was das Effektstärkemaß<br />
„d“ bedeutet, mit dem Hattie die Faktoren bzw. die Einflussgröße von Faktoren, die das schu-<br />
1 Es wird das generische Maskulinum in diesem Aufsatz verwendet; so schließt z.B. der Begriff „Schüler“ die Schülerin mit ein.<br />
Seite 5
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
lische Lernen beeinflussen, bezeichnet. Das Effektstärkemaß kennzeichnet somit die Relevanz<br />
und Stärke von Einflussgrößen auf das Lernen.<br />
Um dieses Maß für den Lernzuwachs in einer Klasse zu berechnen, würde man die Leistungen<br />
zweimal messen (Abstand der Messungen 1 Schuljahr), den Mittelwertsunterschied berechnen,<br />
diesen durch die gemittelte Streuung der Werte teilen, um dann in der Folge Werte zwischen 0,2<br />
und 0,4 zu erhalten. Ist d > 0,4 spricht man von einem starken Effekt (erfolgreiches Schuljahr), ab<br />
d > 0,6 von einem sehr erfolgreichen Schuljahr (einem sehr starken Effekt). Negative Werte (der<br />
Faktor - 0,34 in der Hattie Studie bewertete den Einfluss von Umzügen der Eltern) drücken aus,<br />
dass diese Maßnahme schädlich war. (Köller und Möller, Teil 1, Was wirklich wirkt, S.34)<br />
Der Verdienst solcher Analysen liegt darin, dass über viele Untersuchungen hinweg zentrale Einflussgrößen<br />
identifiziert werden können, wie sie im Alltag vorherrschen, auch wenn man nicht<br />
übersehen darf, dass bei der Untersuchungsmethode der Metaanalyse ein Vergleich von Daten<br />
über viele Studien hinweg nicht unproblematisch ist.<br />
Hattie weist in einem Interview allerdings selbst daraufhin (Weiterbildung – Zeitschrift für Grundlage,<br />
Praxis, Trends3/20<strong>13</strong>), dass sich seit seinen ersten Studien im Jahr 1991, das sind immerhin<br />
mehr als 20 Jahre und mittlerweile 960 Metaanalysen, kaum etwas in dem Ranking der einzelnen<br />
Faktoren verändert hat.<br />
Nicht alle Faktoren sollen hier jetzt genannt werden. In einer Gegenüberstellung von Möller und<br />
Köller werden einige ausgewählte, oft diskutierte Effektmaße kontrastiert. So zum Beispiel wird<br />
dem Effektmaß des „Kooperativen Lernens“ das Effektmaß „Leseverstehen“ gegenübergestellt, um<br />
zu verdeutlichen, dass eine in der pädagogischen Öffentlichkeit vorherrschende Meinung nicht den<br />
Untersuchungsergebnissen entspricht, nämlich dass kooperatives Lernen der wirksamste Faktor<br />
beim Lernen sei. Gleiches gilt für die Kontrastierung der Reduzierung der Klassengröße gegenüber<br />
der Störungsprävention, wobei hier die bildungspolitische Brisanz dieser Effektmaße deutlich<br />
wird.<br />
In einer tabellarischen Übersicht werden Faktoren gegenübergestellt, die Hattie in seinem „barometer<br />
of influences“ vorgestellt hat und die in ihrer Kontrastivität den Leser/die Leserin ein wenig<br />
überraschen dürften.<br />
Was hilft ein wenig? d Was hilft ein wenig mehr? d<br />
Reduzierung der Klassengröße 0,21 Störungsprävention 0,34<br />
Finanzielle Ausstattung 0,23 Computergestütztes Unterrichten 0,37<br />
Hausaufgaben 0,29 Lehrerfortbildung 0,37<br />
Was hilft schon mehr? d Was hilft richtig? d<br />
Kooperatives Lernen 0,41 Leseförderung 0,67<br />
Vorschulische Fördermaßnahmen 0,45 Lehrkraft-Schüler-Verhältnis 0,72<br />
Herausfordernde Ziele setzen 0,56 Feedback 0,73<br />
Concept Mapping 0,57 Reziprokes Unterrichten 0,74<br />
Direkte Instruktion 0,59 Akzelerationsprogramme 0,88<br />
(Veränderter Auszug aus Tabellen 1 und 2: In geringem Maße förderliche Faktoren und förderliche<br />
Maßnahmen nach Hattie (2009), zitiert nach Köller und Möller, S. 35)<br />
Seite 6
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Dass die Auswahl einzelner Faktoren im Dienste einer pädagogischen Überzeugung bzw. einer<br />
bildungspolitischen Haltung genutzt, wenn nicht sogar überspitzt formuliert, missbraucht werden,<br />
wird besonders deutlich am Beispiel des Effektmaßes von Hausaufgaben.<br />
In einem Artikel der Zeitschrift „Pädagogik“ (3/20<strong>13</strong>) zum Thema Hausaufgaben wird deutlich, wie<br />
interpretierbar der Effektmaßwert von Hattie ist. Der Autor verweist darauf, dass die Effektstärke<br />
von Nachhilfe (d = 0,15) deutlich unter der Effektstärke von Hausaufgaben liege und so Hausaufgaben<br />
durchaus positiv zu bewerten seien. Stellt man das Effektstärkemaß jedoch dem der<br />
Lehrerfortbildung gegenüber, wie Möller und Köller das tun, erscheint die Bedeutung von Hausaufgaben<br />
ungleich geringer.<br />
Da das Effektmaß für Hausaufgaben so gering ausfällt, sollte darauf verwiesen werden, dass<br />
Hausaufgaben nicht per se wirksam sind, sondern dass es vielmehr auf ihre didaktische Einbettung<br />
ankommt (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – Schulqualität Allgemeinbildung,<br />
Wien 2012).<br />
Das überaus hohe Effektmaß, das der „Direkten Instruktion“ zukommt, erklärt sich aus der Definition<br />
dessen, was Hattie als „Direkte Instruktion“ versteht, nämlich u. a.<br />
• klare Zielsetzungen und Erfolgskriterien, die für die Lernenden transparent sind,<br />
• die aktive Einbeziehung der Schüler in Lernprozesse,<br />
• die genaue Fach- und Sachkenntnis der Lehrperson,<br />
• die Kenntnis der notwendigen methodischen Prozesse zur Vermittlung der Lerninhalte,<br />
• die Evaluation der Lernprozesse und des Erfolgs dieser,<br />
• die praktische Anwendung des Gelernten in verschiedenen Kontexten.<br />
„Direkte Instruktion“ heißt bei Hattie nicht Lehrervortrag oder fragengeleiteter Frontalunterricht bzw.<br />
von der Lehrkraft geleitetes und eng geführtes Unterrichtsgespräch. Wenn es laut Hattie auf den<br />
Lehrer ankommt, bedeutet diese Aussage u. a., dass es auf eine nachweislich wirksame Lehrkraft<br />
ankommt. Vor allem wenn bemerkt wird, dass ein Schüler/eine Schülerin etwas nicht versteht,<br />
bedarf es der Lehrkraft, die interveniert, um das gewünschte Lernen zu ermöglichen.<br />
Aus diesen Anmerkungen wird ersichtlich, dass die Lehrkraft zwar im Zentrum des Geschehens<br />
steht und die Lernsequenzen initiiert und situiert, für einen erfolgreichen Unterricht aber das didaktische<br />
Können der Lehrperson gefordert ist, zum Beispiel in Fragen der effektiven und störungsarmen<br />
Klassenführung und eines anregungsreichen Lernklimas (u.a. Aufbau von persönlichen Beziehungen<br />
zu den Lernenden, Toleranz, Empathie, Respekt) und es – wie oben dargestellt – auf<br />
kognitiv aktivierende Lernaufträge, Aufgabenstellungen und Erklärungen ankommt. Eine wichtige<br />
Rolle spielen vor allem angeleitete Lernprozesse, und zwar in Form von gut strukturierten Erklärungen,<br />
anschließenden Verdeutlichungen und Lösungsbeispielen sowie Übungen – angepasst an<br />
das Vorwissen der Lernenden. Die Lehrperson ist also eher der „acitivator“ als der Moderator.<br />
In diesem Zusammenhang soll kurz auf die geringe Wirksamkeit offener Lernformen (Bundesministerium<br />
für Unterricht, Kultur und Kunst – Schulqualität Allgemeinbildung, Wien, 2012) eingegangen<br />
werden, wie sie von reformpädagogischen Ansätzen dargestellt werden. Nach Steffens und<br />
Höfer bergen diese Konzepte anscheinend die Gefahr, dass Lernenden zu wenig Ordnungsstrukturen<br />
und Orientierungen in Lernprozessen zur Verfügung gestellt werden und sie deshalb neues<br />
Wissen nicht effektiv verarbeiten können, vor allem, wenn erforderliches Vorwissen fehlt (Steffens<br />
und Höfer, Institut für Qualitätsentwicklung, 2011). Gerade schwächere Lernende haben Schwierigkeiten<br />
mit offenen Lernkontexten, weil ihnen dazu die kognitiven Landkarten zur Selbstorganisation<br />
der Lernprozesse fehlen und orientierende Hilfestellungen erforderlich sind. Was die offenen<br />
Lernformen angeht, so vermutet Eckhard Klieme im Anschluss an Hattie, dass sie für den Aufbau<br />
„intelligenten Wissens“ nur relevant sind, […] wenn sie mit klarer Strukturierung und herausfordernden,<br />
kognitiv aktivierenden Inhalten einhergehen (Klieme 2010).<br />
Seite 7
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Obwohl offene Lernarrangements nach Hattie nur in geringem Zusammenhang mit dem Lernerfolg<br />
der Schülerinnen und Schüler stehen, darf nicht daraus gefolgert werden, dass auf solche Ansätze<br />
in der Zukunft verzichtet werden soll. Erstens spielen sie für andere pädagogische Ziele wie Interessen-<br />
und Selbständigkeitsförderung, Kooperation und soziales Lernen sowie Verantwortungsübernahme<br />
eine wichtige Rolle. Zweitens sind sie in einem indirekten Zusammenhang mit Lernprozessen<br />
und Lernerträgen zu sehen (als „intervenierende Variablen“), beispielsweise im Interesse<br />
einer Anknüpfung an individuelle Vorerfahrungen. Solche indirekten Wirkungen lassen sich<br />
in Metaanalysen nicht nachweisen (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – Schulqualität<br />
Allgemeinbildung, Wien, 2012), weil dort die Faktoren einzeln betrachtet und nicht in Interaktion<br />
mit anderen Faktoren gesehen werden. Drittens zeigen aktuelle Studien, beispielsweise aus<br />
der Schulinspektion in Hessen (Nieder et al., 2011), dass lehrerzentrierter Frontalunterricht nach<br />
wie vor die vorherrschende Unterrichtsform darstellt (BMUKK 2012).<br />
Liest man die obigen Aussagen, so entsteht der Eindruck, dass es nur um ein Entweder – oder<br />
verschiedener Unterrichtsformen geht. Das trifft aber nicht zu, da sie nie in Reinform auftreten.<br />
Denn je nach Zielsetzung haben sie ihre jeweilige Berechtigung. Worauf es im Unterricht vielmehr<br />
ankommt, ist ein ausgewogenes Verhältnis der Lernformen zueinander, eine Balance der verschiedenen<br />
unterrichtlichen Herangehensweisen zu finden, ein Sowohl-als-auch.<br />
Zwei weitere Faktoren, die ein erfolgreiches Unterrichten nach Hattie bedingen, sollen im Folgenden<br />
ebenfalls genauer betrachtet werden:<br />
Seite 8<br />
Das Feedback und das formative Assessment.<br />
Hattie selbst äußert sich in einem Interview (Weiterbildung – Zeitschrift für Gundlage, Paxis,<br />
Trends 3/20<strong>13</strong>), dass Gelegenheiten und Aufgaben geschaffen werden müssen, damit „Lehrende<br />
Lernende laut denken lassen und sie folglich denken hören“, damit sie wissen, inwiefern das Verständnis<br />
der Lernenden für Lernprozesse und Lernprodukte verankert sind. Lernen wird also sichtbar<br />
gemacht. Hattie führt aus, dass er die Lehrenden einen Tag nach dem Unterricht die Lernenden<br />
fragen lässt, was sie verstanden haben. Das Ergebnis war ernüchternd, denn die Lernenden<br />
verstehen die Ausführungen oder Erklärungen der Lehrenden zum Stoff nicht selten falsch. Wenn<br />
sich dann Diskrepanzen ergeben, können Lehrende nach den Ursachen dafür suchen und so<br />
allmählich in ihrem Feedback besser und spezifischer werden.<br />
Beim Feedback kommt es nach Hattie auf folgende drei Leitfragen an<br />
• Where am I going? (Was sind meine Ziele?),<br />
• How am I going? (Wie erreiche ich mein Ziel? Welchen Fortschritt habe ich gemacht? – Also<br />
der Lernprozess) und<br />
• Where to next? (Was sind die nächsten Schritte, um einen besseren Fortschritt zu erreichen? –<br />
Steuerung des eigenen Lernprozesses).<br />
Dabei ist das Feedback nicht einseitig zu sehen. Sowohl die Lehrkraft gibt den Lernenden ein<br />
Feedback, z.B. über den Leistungsstand, als auch die Lernenden der Lehrkraft.<br />
Das formative Assessment stellt eine Art des Feedbacks dar, das Lernen sichtbar zu machen.<br />
Lipowsky erläutert in einem Interview (Bildung bewegt, Nr. <strong>13</strong>, Juni 2011), dass das Potenzial für<br />
formatives Assessment, der lernprozessbezogenen Beurteilung, noch zu wenig genutzt werde.<br />
„Formatives Assessment bezeichnet [...] Maßnahmen und Strategien der Lehrperson, die dazu<br />
dienen, dem Lernenden etwas über den erreichten Lernfortschritt und über die Differenz zwischen<br />
aktuellem Leistungsstand und dem Lernziel zurückzumelden. Hierzu bedarf es Hilfen und bestimmter<br />
Maßnahmen, die man als diagnostische Tools umschreiben kann. Die Lehrkraft muss<br />
diagnostische Fragen stellen können, aus denen sie etwas über Konzepte, Ideen und kognitiven<br />
Vorgängen beim Schüler erkennen und ableiten kann.“ Dazu ist es notwendig, das Lernen/die<br />
Lernprozesse genau zu beobachten und zu analysieren. Dieser hohe Anspruch kann nicht per se<br />
erfolgen, sondern muss erlernt werden, z.B. in Lehrerfortbildungen.
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Bezieht man das neueste Werk Hatties mit in die Überlegungen und Aussagen ein, so fällt auf,<br />
dass es deutlich differenzierter ist. Er formuliert eindeutig, was er von den Lehrern und Lehrerinnen<br />
erwartet, ausgehend von der These:<br />
„The messages in Visible Learning are not another recipe for success, another quest for certainty,<br />
another unmasking of truth. There is no recipe.“ (Hattie 2012, S. 22).<br />
Gleichzeitig fordert er, dass die Lehrkraft evaluieren solle, welchen Effekt sie auf den Lernprozess<br />
der Schülerinnen habe.<br />
Hattie formuliert sechs zentrale Aspekte, die seine Studie ergeben hat:<br />
1. Lehrer sind ein zentraler Faktor, die das Lernen beeinflussen,<br />
2. Lehrer sollten sowohl fürsorglich (caring) als auch engagiert, klar leitend und engagiert den<br />
Lernprozess begleiten,<br />
3. Lehrer sollten sich darüber bewusst sein, dass jeder Schüler unterschiedliche Grundlagen hat,<br />
auf denen die Lernprozesse aufbauen und somit auch ein Feedback benötigen, um progressiv<br />
voranschreitend zu lernen,<br />
4. Lehrer sollten für Transparenz der Intentionen, der Bewertungskriterien, der Lernschritte im<br />
Lernprozess sorgen,<br />
5. Lehrer sollten exemplarisch vorgehen („Teachers need to move from the single idea to multiple<br />
ideas“),<br />
6. Schulleitung und Lehrerschaft sollten eine Lern- und Arbeitsatmosphäre schaffen, in denen<br />
Fehler willkommen sind und als Möglichkeiten zum Lernen genutzt werden, sowohl auf<br />
Schüler- als auch auf Lehrerseite. ( Hattie, S. 22)<br />
In seinen Ausführungen erläutert Hattie, dass zu einer erfolgreichen Lehrerpersönlichkeit sowohl<br />
gründliche Fachkenntnisse als auch Empathiefähigkeit gehören. Er spricht immer wieder von einer<br />
„atmosphere of trust“, einer Lernatmosphäre, in der Fehler willkommen sind, in der es sich lohnt,.<br />
sich zu engagieren. Feedback wird zu einem wichtigen Instrument, um Lernprozesse effektiv zu<br />
gestalten, was auch in seinem ersten Buch bereits deutlich geworden ist. Grundlage für erfolgreiches<br />
Lehren ist für Hattie der Glaube an die Möglichkeit, den Lernerfolg beeinflussen zu können:<br />
„Such expectation require teachers to believe that intelligence is changeable rather than fixed (...)“<br />
(Hattie 2012, S. 30).<br />
Auf der Grundlage dieser sechs zentralen Aspekte leitet Hattie im Anschluss sein Unterrichtsmodell<br />
ab.<br />
Hatties Unterrichtsmodell<br />
In dem zweiten Teil des Werkes „Visible Learning for Teachers – Maximizing Impact on Learning“<br />
erläutert Hattie, welche Grundlagen der Unterrichtsplanung und -durchführung seiner Meinung<br />
nach neben den Persönlichkeitsmerkmalen der Lehrkraft zentral sind.<br />
Er beginnt bei der Unterrichtsplanung und benennt die Klarheit auf Seiten der Lehrkraft über Intention,<br />
Standard und Kompetenzentwicklung in der Unterrichtsstunde ausgehend von einer präzisen<br />
Analyse der Kompetenzentwicklung der Lernenden. Er nennt vier zentrale Faktoren:<br />
1.) „level of performance of the students at the start (prior achievement)“, was wir als inhaltliche<br />
Unterrichtsvoraussetzungen bezeichnen würden,<br />
2.) „the desired levels at the end of a series of lessons (or term, or year) (targeted learning)”,<br />
was wir als den zu erreichenden Standard ansehen,<br />
3.) “progression” und<br />
4.) “teacher collaboration and critique in planning” (Zusammenarbeit von Lehrenden und<br />
kritische Reflexion der Planungen)<br />
Seite 9
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Darauf aufbauend legt Hattie in fünf Kapiteln die Gestaltung von Unterricht dar:<br />
1. Unterrichtsvorbereitung (Preparing the lesson)<br />
2. Unterrichtseröffnung (Starting the lesson)<br />
3. Unterrichtsverlauf (Flow of the lesson: learning) im Hinblick auf Lernprozesse<br />
4. Unterrichtsverlauf (Flow of the lesson: the place of feedback) im Hinblick auf<br />
Feedback<br />
5. Unterrichtsende<br />
(Im Englischen bedeutet der Begriff „lesson“ zum einen eine „Einzelstunde“ und zum anderen<br />
„Unterricht“. Wir haben uns für den Begriff Unterricht entschieden, da Hattie von mehr als einer<br />
Stunde ausgeht. (vgl. z.B. Hattie 2012, S.41))<br />
Jedes Kapitel eröffnet er mit einer Checkliste, die die Lehrkraft beachten sollte, um Lernen im<br />
Sinne von Maximierung positiv zu beeinflussen. Auf diese Checkliste soll in dem vorliegenden Beitrag<br />
aber nicht näher eingegangen werden.<br />
1. Stundenvorbereitung<br />
In diesem Zusammenhang fordert Hattie, auf vier zentrale Aspekte zu achten: die Voraussetzungen<br />
(level of performance) der Lernenden vor dem Stundenstart (prior achievement), die angestrebten<br />
Standards am Ende einer Unterrichtssequenz (targeted learning), die Progression innerhalb<br />
einer Unterrichtseinheit und als vierten Faktor die Selbstreflexion der Lehrenden in Zusammenarbeit<br />
mit anderen Lehrkräften.<br />
Die Bedeutung der Voraussetzungen der Lernenden wird mit dem Effektstärkemaß von d = 0,67<br />
als außerordentlich hoch bewertet. Also schließt Hattie daraus:<br />
„ Any lesson planning must therefore begin with a deep understanding of what each student already<br />
knows and can do, …” (Hattie, 2012, S. 42).<br />
Wichtig ist für ihn, dass diese Voraussetzungen zu einer Fossilisierung der Leistungsniveaus innerhalb<br />
einer Lerngruppe führen, wenn es der Lehrkraft nicht gelingt, diese Leistungsniveaus als<br />
Ausgangspunkt zu nutzen, um sie durch geschickte Methoden durcheinander zu bringen („mess it<br />
up“); d.h. Differenzierung muss dazu dienen, eine Durchlässigkeit der verschiedenen Niveaustufen<br />
zu ermöglichen. Die Planung von Unterricht soll auch zum Ziel haben, die Schwächeren so zu<br />
unterrichten, dass Lücken ausgeglichen werden, sodass auch sie die Standards der Unterrichtseinheit<br />
erreichen können. Wichtig sind dabei nicht so sehr die Lernertypen, sondern die Denkstrategien<br />
der Schüler („student’s strategies for thinking“, Hattie 2012, S. 42).<br />
Grundlage für Hatties Ausführungen zur Planung sind die Studien Piagets und Shayers (2003). Für<br />
kognitive Fortschritte sind vor allem die kognitive Dissonanz („cognitive conflict“) und der kognitive<br />
Dialog mit Mitschülern („high quality dialog among peers supported by teachers“) verantwortlich.<br />
Diesem Aspekt der Unterrichtsvorbereitung wird in der Hattie-Studie das Effektstärkemaß von d =<br />
0,60 zugewiesen, also ein außerordentlich wichtiger Faktor (vgl. S. 43).<br />
Hattie geht aber weiter und fordert, vor allem auf das Selbstkonzept der Schüler stärker einzugehen,<br />
denn nur wenn dieses wahrgenommen werde, könne die Lehrkraft die Lernvoraussetzungen<br />
einzelner in ihrem Unterricht berücksichtigen. Wichtig ist das zu reduzieren, was Hattie „self-handicapping“<br />
(S. 46) nennt, das Gefühl des Schülers, dass er gar keinen Erfolg haben wird oder haben<br />
kann und sofort eine Entschuldigung für den Misserfolg parat hat, in der Folge aber auch keine<br />
Energie entwickelt, sich zu verbessern, sich einzuarbeiten und Zeit für eine Aufgabe zu investieren.<br />
Der zweite Aspekt der Unterrichtsvorbereitung, den Hattie für zentral hält, ist die Klarheit über die<br />
angestrebten Standards, über die notwendigen methodischen Schritte zum Erreichen der Stan-<br />
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Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
dards auf Seiten der Lehrkraft sowie die Transparenz beider für die Schüler/-innen (vgl. Hattie,<br />
2012, S. 52). Transparenz beinhaltet nicht nur Klarheit über Lernschritte, Lerninhalte und curriculare<br />
Vorgaben, sondern auch darüber, wie weit der einzelne / die einzelne von den zu erreichenden<br />
Erfolgsstandards noch entfernt ist.<br />
Fünf Komponenten sind bei den Intentionen (learning intentions) und Erfolgskriterien (success criteria)<br />
zu berücksichtigen. Lernen bedarf<br />
1. der Herausforderung, die die Lerninhalte und Methoden darstellen,<br />
2. des Engagements der Lehrkraft und auch der Lernenden,<br />
3. des Selbstvertrauens der Lernenden, dass sie sich in der Lage fühlen, die gesetzten Ziele zu<br />
erreichen,<br />
4. der verlässlichen Selbsteinschätzung auf Seiten der Lernenden („student expectations“) und<br />
5. eines für die Lernenden transparenten Konzeptes der Lernstrategien und Lernschritte<br />
(conceptual understanding).<br />
Progression und Reflexion als dritte und vierte Komponente der Unterrichtsvorbereitung<br />
bedeuten, dass den Lehrkräften klar sein muss, welche Bedeutung ihr Unterricht für die<br />
Kompetenzentwicklung der Lernenden und welche Bedeutung die Unterrichtssequenz für das<br />
Erreichen der Standards der Klassenstufen insgesamt hat. In kollegialen Gesprächen, die Hattie<br />
für unbedingt erforderlich hält - er fordert „professional learning communities“ (Hattie 2012, S. 69) -<br />
müsse evaluiert werden, welche Bedeutung die Lehrkraft für die Lernprozesse der Lernenden hat<br />
und wie diese optimiert werden können.<br />
2. Stundeneröffnung<br />
Zu einem erfolgversprechenden Unterrichtsverlauf aus der Schülerperspektive gehören neben<br />
dem oben beschriebenen Fundament eine optimale Lernumgebung, angemessene<br />
Proportionierung von Lehrer- und Schüler-Sprechanteilen, Wissen um die Besonderheiten der<br />
Schüler sowie die Passung von Methode und Gegenstand, d.h. es kommt auf das Klassenklima<br />
an, die Gesprächsführung, Kommunikation im Klassenzimmer, Schüler-Schüler-Interaktion, die<br />
Rolle der Lehrkraft als „activator und evaluator“ (Hattie 2012, S. 69).<br />
Wenn es laut Hattie auf Respekt im Klassenzimmer ankommt, dann meint er vor allem die<br />
Akzeptanz der jeweiligen Rolle der am Lernprozess beteiligten (vgl. Hattie 2012, S. 79).<br />
Gleichzeitig erweitert er diese Aussagen auch auf das Klima im Lehrerkollegium. Vertrauen,<br />
Respekt und Integrität der Lehrerschaft im Lehrerzimmer sind Grundlage für erfolgreiches Lernen.<br />
„The stronger the feeling of trust in a school community, the more successful that school will be”<br />
(Hattie 2012, S.79).<br />
Dialog anstatt Monolog sollte die Kommunikation kennzeichnen. Das Klassenzimmer sollte von<br />
Schülerfragen geprägt sein anstatt von Lehrerfragen. Das Verhältnis von Reden, Zuhören und Tun<br />
sollte in einer Balance stehen – sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern. Die Qualität des<br />
Unterrichts resultiert aus einem Lernprozess, bei dem sowohl Lehrer als auch Schüler die<br />
Interdependenz von verschiedenen Anforderungsbereichen im Lernprozess kennen und so zu<br />
einem konzeptionellen Verständnis des Unterrichtsstoffes gelangen. Vor allem die Etikettierung der<br />
Schüler ist zu vermeiden. In der Hattie-Studie von 2008 wird deutlich, dass die Berücksichtigung<br />
von Genderfragen bei der Gestaltung von Lernprozessen ein sehr geringes Effektmaß hat (d =<br />
0,15).<br />
Bei der Wahl der Methoden hat das reciprocal teaching (reziprokes Lehren) das höchste Effektstärkemaß.<br />
Problemlösendes Lehren (problem-solving teaching) folgt an 4. Stelle. Kooperatives<br />
Lernen (cooperative vs. individualistic learning) und Direkte Instruktion stehen an gleicher Stelle (d<br />
= 0,59).<br />
Hier scheint ein Widerspruch zu den eingangs formulierten Werten, die in den Ausführungen von<br />
Köller und Möller gemacht wurden, zu bestehen.<br />
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Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
In seiner sehr differenzierten Darlegung zu den Faktoren mit hohen Effekten für den Lernprozess<br />
unterscheidet Hattie 2012 zwischen 1. „cooperative vs. individualistic learning“ und 2. „cooperative<br />
vs. competitive learning“ und 3. “competetive vs. individualistic learning“. Das höchste Effektstärkemaß<br />
wird dem Faktor 1 „cooperative vs. individualistic learning“ zugemessen. Wenn bei Köller<br />
und Möller „Kooperatives Lernen“ mit dem Effektstärkemaß d= 0,41 (siehe Tabelle, S. 6.) versehen<br />
wird, ist nicht zwischen den oben genannten Bereichen unterschieden worden. Hattie hat in seinem<br />
2012 erschienen Werk die sehr differenzierten Angaben in einer Tabelle mit dem Titel „Effect<br />
sizes from various programs“ geliefert (vgl. Hattie 2012, S. 95).<br />
3./4. Stundenverlauf<br />
Hier ist vor allem eine Aussage überaus zentral und als programmatisch anzusehen:<br />
„ ..., most strategies have to be taught within the content domain – once again, transfer across<br />
content is not easy. Programs that were provided outside the context of subject matter (…) are<br />
effective only when surface knowledge is the outcome (...),” (Hattie 2012, 115).<br />
Lernstrategien, Methodenwahl sind immer im Rahmen der inhaltlichen Domänen zu sehen,<br />
Methodenkompetenz kann nicht unabhängig vom Lerngegenstand zu vertieftem Verstehen und<br />
Urteilfähigkeit führen. Nur oberflächliches Wissen kann durch einen gegenstandsunabhängigen<br />
Methodenpool vermittelt werden, d.h. Lerngegenstand und Methode, Domäne und Kompetenzen<br />
sind nur in ihrer inhaltlichen Verknüpfung wirksam.<br />
Hattie schlussfolgert, dass Lernen kein einfacher Prozess ist, sonst wäre Unterrichten ein<br />
Spaziergang. Wichtig ist für ihn zum wiederholten Male, sich die Denkprozesse der Lernenden zu<br />
vergegenwärtigen.<br />
Vor allem kommt dem Feedback im Lernprozess eine nicht unerhebliche Rolle zu, denn durch<br />
Feedback reduziert sich die Lücke zwischen dem, was der Schüler kann, und dem, was er können<br />
sollte. Es wird dabei unterschieden zwischen Feedback auf Aufgabenebene, auf Prozessebene<br />
und auf Selbstregulationsebene (Schüler) (vgl. Hattie S.149).<br />
5. Stundenende<br />
Am Ende des Unterrichts sollte sich die Lehrkraft Fragen stellen bezüglich der gegenseitigen<br />
Wertschätzung im Klassenzimmer, bezüglich des Engagements und der Kooperation in den Lernprozessen<br />
und des positiven Feedbacks zu den Lernprozessen der Einzelnen (vgl. Hattie 2012, S.<br />
157). Wie ein Schüler den Unterricht wahrnimmt bzw. erlebt, ist außerordentlich wichtig für die Bedeutung<br />
des Lernprozesses. Das Effektstärkemaß in Hinblick auf die Bewusstmachung der Lernprozesse<br />
und des Lernfortschritts auf Seiten der Lernenden bewegt sich auf der Hattie-Skala im<br />
oberen Bereich (d = 0,64). Die Urteilsebene über die Lernprozesse ist überaus bedeutsam und<br />
stärkt das Bewusstsein über eigene Lernprozesse. Gleiches gilt für die Lehrkräfte, wenn diese ihren<br />
Unterricht mit anderen Kollegen erörtern und im Sinne einer Optimierung der Lernprozesse<br />
Lösungen diskutieren.<br />
Immer wieder fordert Hattie nachdrücklich, das Lernen durch die Augen der Schüler zu betrachten.<br />
Er verweist auf Piaget, wenn er die gedanklichen Schritte der Lernenden beschreibt, die ein Lehrer<br />
bedenken muss, wenn er erfolgreich unterrichten will. Er fordert „strategy teaching“ ein, das die<br />
Denkfähigkeit der Schüler, die Vernetzungsmöglichkeiten zwischen Lernstoff und Lebenswelt beachtet<br />
und die Lücke zwischen dem zu erreichenden Standard und der Ausgangslage der Lernenden<br />
berücksichtigt. Nur dann kann man effektive Strategien anwenden, wenn den Lernenden klar<br />
ist, was der Standard ist, der erreicht werden soll, und welche Schritte dahin führen. Diese Transparenz<br />
kann ein Lehrer nur schaffen, wenn er Lernen mit den Augen der Lernenden betrachtet.<br />
„ To accomplish these difficult notions of ‚how students learn’ requires teaches to see learning<br />
through the eyes of students.” (Hattie, S. 127)<br />
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Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Folgerungen für die Lehrerausbildung in Berlin<br />
Ausgehend von den verschiedenen dargestellten Ausführungen und Deutungen der Hattie-Studie<br />
soll im Folgenden über die Konsequenzen für den Berliner Vorbereitungsdienst nachgedacht werden.<br />
Es stellen sich damit folgende Fragen:<br />
• Sind die Kompetenzen und Standards des Berliner Vorbereitungsdienstes mit den neuen<br />
Ergebnissen der Hattie Studie über Einflussfaktoren und deren Effekte für erfolgreiche<br />
Lernprozesse vereinbar?<br />
• Werden diese Ergebnisse in den Ausbildungsmodulen bereits berücksichtigt?<br />
• Können wir bei der inhaltlichen Gewichtung in den Pflichtbausteinen die Erkenntnisse der<br />
Hattie-Studie zur Schwerpunktbildung nutzen?<br />
Bei einer genauen Analyse der Module „Unterrichten“ und „Erziehen und Innovieren“ und den formulierten<br />
Kompetenzen und Standards wird deutlich, dass natürlich die Ergebnisse einer internationalen<br />
empirischen Unterrichtsforschung mit 800 Metaanalysen die nationalen und regionalen Bedingungen<br />
(Grundgesetz, Beamtenstatusgesetz, Landesbeamtengesetz und Schulgesetz), die z.<br />
B. in dem Pflichtbaustein 1 des Moduls Unterrichten (Grundlagen des Lehrerberufs)als mögliche<br />
Inhalte benannt werden, keine Berücksichtigung finden können. Dennoch wird hier bereits<br />
deutlich, dass der Standard „Die LAA verstehen ihre Rolle ganzheitlich als Lehrer, die unterrichten,<br />
erziehen, beurteilen und bewerten, beraten und betreuen in eigener pädagogischer Verantwortung<br />
im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele der Berliner Schule“ (Handbuch, S. 30) dem entspricht,<br />
was in der Hattie-Studie verdeutlicht wird: Die Lehrkraft ist mehr als ein Moderator im Unterrichtsverlauf.<br />
Die Vielfältigkeit der Aufgaben einer Lehrkraft wird von Hattie stets betont:<br />
„Teachers need to be directive, influential, caring, and actively and passionately engaged in the<br />
process of teaching and learning.“ (Hattie 2012, S.22).<br />
Besonders in den Pflichtbausteinen 2 und 4 (Planung von Unterricht, Unterrichtsarrangement)<br />
kann man entdecken, dass Faktoren mit hohen Effekten, die in der Studie genannt werden, Beachtung<br />
finden.<br />
Dass die Lehramtsanwärter ihren Unterricht so planen, dass er auf gehaltenem Unterricht aufbaut<br />
und zukünftigen Unterricht vorbereitet (vgl. Handbuch, S. 31), wird von Hattie in Kapitel 4 von „Visible<br />
Learning for Teachers unter der Überschrift „Preparing the lesson“ differenziert erläutert und<br />
in seiner Studie von 2008 mit dem Effektstärkemaß d = 0,67 (unter der Kategorie „prior achievement“)<br />
als äußerst wichtig betrachtet. Dass Lehr- und Lernprozesse unter Berücksichtigung von<br />
Erkenntnissen von Wissen und Fähigkeiten geplant werden sollen (vgl. Handbuch S. 31), findet bei<br />
Hattie Ausdruck in der Formulierung:<br />
„Teachers need to move from the single idea to multiple ideas, and to relate and then extend these<br />
ideas such that learners construct, and reconstruct, knowledge and ideas. It is not the knowledge<br />
or ideas, but the learner’s construction of this knowledge and ideas that is critical“.(Hattie 2012, S.<br />
22).<br />
In Pflichtbaustein 4 (Unterrichtsarrangement) werden mehrere Faktoren, die nach Hattie ein hohes<br />
Effektstärkemaß haben, erarbeitet, u. a. Steuerungstechniken, Gesprächsführung, verbale und<br />
nonverbale Kommunikation, funktionaler Einsatz von Methoden, Arbeits- und Sozialformen in sinnvoller<br />
Balance zwischen direkter Instruktion und Schüleraktivierung, Gestaltung von Lernumgebungen<br />
(Schaffung lernförderlicher Atmosphäre). Das, was bei Hattie „Formatives Assessment“<br />
genannt und mit einem hohen Effektstärkemaß (d = 0,90) versehen wird, umfasst die oben genannten<br />
Aspekte. Unter „Formatives Assessment“ wird Folgendes verstanden (siehe auch S.8):<br />
1. Beobachtung des Lerners, des Unterrichtsgespräches und Analyse der Lernprodukte, der<br />
Hausaufgaben und Tests,<br />
Seite <strong>13</strong>
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
2. Aktivitäten der Lehrkräfte und Schüler, aus denen Informationen, die zur Verbesserung der<br />
Lehr- und Lernprozesse genutzt werden, gewonnen werden.<br />
Konkreter wird Hattie, wenn er konstatiert, dass erfolgreiche Lehrkräfte vor allem eine angstfreie<br />
Lernatmosphäre schaffen (vgl. Hattie 2012, S. 29). Er spricht von „atmosphere of trust“. Das Effektstärkemaß<br />
von d = 0,72 für das Lehrer-Schüler-Verhältnis stützt diese Forderung noch zusätzlich.<br />
Der Pflichtbaustein 5: Reflexion und Evaluation aus dem Modul Unterrichten berücksichtigt Aspekte,<br />
die dem entsprechen, was in dem Barometer von Einflüssen in der Hattie-Studie mit einem<br />
hohen Effektstärkemaß eingetragen wurde. Das Effektstärkemaß von d = 0,73 ist eines davon und<br />
macht deutlich, wie wichtig Feedback für den Lernprozess ist.<br />
Die Evaluation des eigenen Unterrichts unter Einbeziehung der Lernenden (vgl. Handbuch S. 34)<br />
ist als Standard für die Lehramtsanwärter in diesem Pflichtbaustein formuliert und korrespondiert<br />
eindeutig mit den Ergebnissen Hatties.<br />
In dem Modul Erziehen werden in allen Pflichtbausteinen Aspekte benannt, die im Barometer<br />
Hatties Erwähnung finden, wenngleich nicht immer mit dem Effektstärkemaß, das man erwarten<br />
könnte.<br />
Im Pflichtbaustein 1 sollen die Lehramtsanwärter Entwicklungsprozesse von Schülern erkennen,<br />
darauf eingehen und soziokulturelle Lebensbedingungen berücksichtigen. Hattie verweist auf<br />
Piaget (vgl. Hattie 2012, S. 43), wenn er davon spricht, dass Lehrer/innen die Denkprozesse der<br />
Lernenden verstehen müssen, um sinnvoll Unterricht zu planen.<br />
„One of the important understandings that teachers need to have about each student is his or her<br />
way of thinking.“ (Hattie 2012, S. 42).<br />
Gender-Mainstreaming, Unterschiede zwischen Lernprozessen von Jungen und Mädchen, die<br />
ebenfalls in dem Pflichtbaustein verankert sind, werden mit einem geringen Effektstärkemaß versehen<br />
(d= 0,12).<br />
Die im Pflichtbaustein 2 (Wertevermittlung) des Moduls Erziehen formulierten Standards lassen<br />
ebenso Verbindungen zu den Ausführungen Hatties zu. Vor allem der Standard „Die Lehramtsanwärter/innen<br />
gestalten soziale Beziehungen und soziale Lernprozesse in Unterricht und Schule“<br />
(Handbuch, S. 37) entspricht dem, dass Hattie der Lernatmosphäre ein hohes Effektstärkemaß<br />
beimisst.<br />
Der Pflichtbaustein 3 (Konflikte und Gewaltprävention) des Moduls Erziehen und die Pflichtbausteine<br />
„Inklusion 1 – Heterogenität wahrnehmen“ und „Sprachförderung/Sprachbildung“ des Moduls<br />
Unterrichten sind nicht direkt mit den Ergebnissen der Hattie-Studie in Verbindung zu bringen.<br />
Sicher sind Aspekte der Gesprächsführung im Rahmen von Konflikt- und Gewaltprävention indirekt<br />
mit dem vergleichbar, was Hattie über den Umgang mit Schülerinnen und Schülern schreibt, aber<br />
ein direkter Bezug zu den Forschungsergebnissen ist nicht möglich.<br />
Als Antwort auf die oben gestellten Fragen ist Folgendes erkennbar:<br />
In Teilen entsprechen Standards und Inhalte der Pflichtbausteine der Module, die im Berliner Vorbereitungsdienst<br />
absolviert werden müssen, dem, was die Unterrichtsforschung Hatties als relevant<br />
für die Weiterentwicklung von Unterricht ansieht.<br />
Der Berliner Vorbereitungsdienst beinhaltet eine sehr umfangreiche und vielseitige Ausbildung, die<br />
vor den Anforderungen der Forschung sicherlich standhalten kann.<br />
Erkennbar ist, dass der Schwerpunkt vor allem in der Gestaltung von Unterricht zu sehen ist und<br />
zu sehen sein wird, wobei der Rolle der Lehrkraft als Gestalter/in von Lernprozessen nach wie vor<br />
eine wichtige Rolle zukommt.<br />
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Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Unterrichtsbesuche, die nach der neuen Verordnung eher nicht mehr zum Kerngeschäft der Seminarleiter<br />
gehören, (vgl. LAPO i.d.F.v. 30.08.20<strong>13</strong>: die Seminarleiter besuchen den LAA im Unterricht,<br />
d.h., eine verbindliche Anzahl von Unterrichtsbesuchen durch die Seminarleiter ist nicht mehr<br />
vorgeschrieben), sind nach den oben dargestellten Ausführungen aber weiterhin notwendig, um<br />
die Entwicklung der LAA zu begleiten, vor allem wenn man Hatties Unterrichtsmodell berücksichtigt.<br />
Will man die Rolle der Lehrkraft als Gestalter von Lernprozessen kompetenzorientiert begleiten,<br />
erscheint es notwendig, die LAA mehr als nur einmal im Unterricht zu besuchen.<br />
Der Vorbereitungsdienst kann keineswegs durch ein psychologischen Seminar zur Stärkung der<br />
Lehrerpersönlichkeit ersetzt werden; es muss gerade wegen der Ergebnisse der Hattie-Studie und<br />
seinen vieldiskutierten Forschungsergebnissen davon ausgegangen werden, dass ein Paradigmenwechsel<br />
nicht nötig ist. Die hastige Lösungssuche, z. T. mit populistischen Forderungen nach<br />
Frontalunterricht und Lehrerzentrierung gepaart, verkürzt und verfälscht die differenzierten Ausführungen.<br />
Dogmen in der einen oder auch in der anderen Richtung tragen nicht dazu bei, Unterricht<br />
– ein so überaus komplexes Geflecht – weiterzuentwickeln und zu verbessern.<br />
Was bei der Hattie-Studie bedacht werden muss, ist, dass sie über die Wirksamkeit einzelner Variablen<br />
des Unterrichts Auskunft gibt. Empirische Untersuchungen wie diese geben nicht Auskunft<br />
über die Interaktion oder Interdependenz einzelner Faktoren. Jedoch steht gerade bei der Unterrichtsentwicklung<br />
und der Bewertung der Lernprozesse nicht die Einzelaktion im Vordergrund,<br />
sondern das Zusammenspiel vieler Faktoren, was auch die Komplexität des Lernprozesses ausmacht.<br />
Einige Folgerungen aus der Hattie Studie für die Schule<br />
Gerade im Prozess der Qualitätsentwicklung von Schule kommt nach Hattie den Schulleitern<br />
(„model for school leaders“) eine entscheidende Bedeutung zu, denn er ist derjenige, der sowohl<br />
die Lehrenden als auch die Lernenden unterstützen soll, d.h. Hattie hebt hervor, dass sich ein<br />
Schulleiter engagiert für ein auf Qualität zielendes Unterrichten einsetzen soll. Er führt aus, dass<br />
nach Helen Timperley folgende Fragen für ein erfolgreiches Handeln im Unterricht notwendig sind<br />
und zu einer Qualitätssteigerung jeder einzelnen Schule beitragen können:<br />
• Welche Erkenntnisse und welche Fertigkeiten benötigen die Lernenden?<br />
• Welche Erkenntnisse und Fertigkeiten benötigen die Lehrenden?<br />
• Wie kann das professionelle Wissen vertieft werden?<br />
• Wie können den Lernenden neue Lernerfahrungen ermöglicht werden?<br />
• Worin besteht die Wirkung unserer veränderten Handlungen?<br />
(Timperley 2012, Hattie 2012, S. 155)<br />
Nach Hattie ist für die Qualitätsentwicklung der Schulen entscheidend, die Lehrenden so zu qualifizieren,<br />
dass sie ihre Wirkung auf die Lernenden und somit deren Lernerfolge besser verstehen<br />
können (Höfer, Steffens, Institut für Qualitätsentwicklung, Sept. 2012).<br />
Hattie geht davon aus, dass Lehrkräfte zwar bestimmte Vorstellungen haben, wie Lernprozesse<br />
verlaufen, was ihnen dienlich ist oder was sie behindert. Er sieht aber das Problem darin, dass<br />
diese „Praxis-Theorien“ oft auf Interpretationen von Erfahrungen beruhen, die einer empirischen<br />
Überprüfung nur teilweise oder nicht standhalten können (Hattie 2012, S.159). Die dazu notwendigen<br />
Maßnahmen zur Qualifizierung sind nicht gerade billig, aber seiner Meinung nach sinnvoll, da<br />
in diesen Bereichen Erfolge zu erwarten sind (Hattie 2012, S.152).<br />
Hattie ist der Meinung, dass Planung und Reflexion von Unterricht in kollegialer Kooperation der<br />
Vor- und Nachbereitung desselben die Qualitätsentwicklung einer Schule beeinflussen kann. Dabei<br />
soll auf zuvor entwickeltes Material (Instrumente der Evaluation und curriculare Vorgaben) zurückgegriffen<br />
werden. Hattie geht hierbei von seinen Erfahrungen in <strong>Neu</strong>seeland aus, wo er ein<br />
Institut leitet, das solche Materialien erstellt hat, die bereits erfolgreich eingesetzt worden sind.<br />
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Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Dieses Konzept – so betont Hattie selbst – benötigt gerade hinsichtlich der kollegialen Kooperation<br />
und gemeinsamen Planung sowie Reflexion von Unterricht zusätzliche Ressourcen, da es zeitintensiv<br />
ist und die tägliche Arbeitszeit einer Lehrkraft erhöht wird.<br />
Darauf nimmt Hattie in „Visible Learning for Teachers“ (Hattie 2012, S.168) Bezug: Den größten<br />
Lernfortschritt bei Lernenden erreichen solche Lehrkräfte, die auch 15-20 Stunden pro Woche<br />
nach solch einem Konzept arbeiten. Genau das ist aber mit der Unterrichtszeit in den Bundesländern<br />
nicht realisierbar, würde es doch über die Hälfte der Gesamtarbeitszeit einer Lehrkraft pro<br />
Woche beanspruchen, da im jetzigen System viel Zeit für Korrekturen und andere dienstliche Verpflichtungen<br />
(z.B. Aufsichten, Konferenzen, Verwaltungstätigkeiten) erforderlich ist.<br />
Hattie sieht diese Probleme global und weist darauf hin, dass die Unterschiede in den Ländern<br />
bezüglich der Unterrichtsverpflichtung („in front of students“) für die einzelne Lehrkraft sehr unterschiedlich<br />
seien: In Japan beträgt die zu erteilende Unterrichtszeit 500 Stunden im Jahr (Hattie<br />
2012, S.168), in anderen Staaten der westlichen Welt handelt es sich um 1100 Stunden, in<br />
Deutschland, je nach Schulform und dem Alter der Lehrkraft um ca. 1000 Unterrichtstunden. Das<br />
verdeutlicht, dass ca. 20 zusätzliche Arbeitsstunden pro Woche in Deutschland nicht zu realisieren<br />
sind, bedenkt man, wie viele zusätzliche Stellen das erfordern würde!<br />
Daher schlägt Hattie vor, das zeitliche Gefüge in einer Schule entsprechend umzustrukturieren,<br />
was bestimmt einen langwierigen Reformprozess erfordert und nicht einfach sein wird, sich aber<br />
aufgrund der positiven Wirkungen eine konzeptionelle Umsteuerung auszahlen werde. Hatte Hattie<br />
doch bereits in seiner ersten Arbeit (Visible Learning) darauf hingewiesen, dass strukturell-organisatorische<br />
Maßnahmen nahezu unwirksam sind (S. 257), wogegen die wirksamen Einflussfaktoren,<br />
die sich auf Unterricht beziehen (Lehrstrategien und Lehrkonzepte), zu kurz kommen. Folgt<br />
man Hatties Schlussfolgerungen, so steht im Mittelpunkt der Schule der Unterricht selbst, das Lehren<br />
und Lernen. Dementsprechend müssen die Kompetenzen des Lehrpersonals in den Mittelpunkt<br />
aller weiteren Maßnahmen gestellt werden, was durch Lehrerfortbildung (die Effektmaße von<br />
„professional development“ liegen bei d=0.62 und für „microteaching“ d=0.88 - können also hochwirksam<br />
sein) sowie fachliche Unterstützung und Praxisberatung erfolgen kann. Lehrpersonen<br />
sollen durch curriculare Programme und Materialien im Sinne von Handlungsmustern dergestalt<br />
unterstützt werden, dass keine Lehrperson bestimmte pädagogische und fachliche Mindeststandards<br />
unterschreitet. Als ein Beispiel für curriculare Materialien und Programme führt Steffens (in:<br />
Bildung bewegt, Nr.<strong>13</strong>, Amt für Lehrerbildung in Hessen, Juni 2011) Programme zur Leseförderung<br />
schwächerer Schüler an, zudem existieren fachspezifische Programme, z. B. für Mathematik<br />
und für Wortschatzarbeit. Mit solchen Materialien könnte konkret aufgezeigt werden, wie bestimmte<br />
– gerade anspruchsvollere – Konzepte realisiert werden können. Solche „curricularen<br />
Steuerungsinstrumente“ haben bisher im deutschen Bildungssystem eher eine untergeordnete Bedeutung.<br />
Die Lehrkräfte sind zu wenig mit unterrichtslenkenden Programmen dieser Art vertraut,<br />
sodass eine mögliche Einführung derselben nicht sofort erfolgreich sein dürfte. Wie vorliegende<br />
Metaanalysen zeigen, sind aber solche Programme und Materialien bereits erprobt und haben sich<br />
schon in Schweden, Australien und <strong>Neu</strong>seeland als erfolgreich und wirksam erwiesen.<br />
Dass solche Veränderungen in pädagogischen Haltungen und Verhaltensweisen nicht ohne Kosten<br />
möglich sind, ist auch Hattie bewusst:<br />
Seite 16<br />
“The costs to make the implementations recommended in this book Visible Learning, S.<br />
257) are among the more expensive, but the claim is that they are the right ones on which<br />
to spend our resources”.<br />
Die grundlegenden Denkweisen (“mind frames”), fasst Hattie in folgenden acht grundlegenden<br />
Thesen zusammen:<br />
1. Lehrpersonen und Führungskräfte glauben daran, dass ihre grundlegende Aufgabe darin<br />
besteht, die Wirkung ihres Unterrichtens auf das Lernen ihrer Schüler und deren Leistungen<br />
zu evaluieren.
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
2. Lehrpersonen und Führungskräfte glauben daran, dass Erfolg und Misserfolg im Lernen der<br />
Lernenden davon abhängen, was sie als Lehrkräfte und Schulleiter getan oder nicht getan<br />
haben.<br />
3. Lehrpersonen und Führungskräfte wollen mehr über das Lernen sprechen als über das<br />
Lehren.<br />
4. Lehrpersonen und Führungskräfte sehen in der Beurteilung und Bewertung von Lernenden<br />
eine Rückmeldung über die Wirkung ihres Unterrichts.<br />
5. Lehrpersonen und Führungskräfte bringen sich mehr in Dialogen als in Monologen ein.<br />
6. Lehrpersonen und Führungskräfte sind froh über Herausforderungen und versuchen,<br />
Lernprozesse in gutem Unterricht zu ermöglichen.<br />
7. Lehrpersonen und Führungskräfte glauben, dass es ihre Aufgabe ist, positive<br />
zwischenmenschliche Beziehungen in ihren Klassen und im Lehrerkollegium zu entwickeln.<br />
8. Lehrpersonen und Führungskräfte informieren alle Beteiligten – besonders die Eltern – über<br />
die „Fachsprache des Lernens“, d.h. vor allem darüber, was beim Lernen wichtig ist (vgl.<br />
Höfer und Steffens 2012, S 19; Hattie S. 159ff).<br />
Hattie weist ausdrücklich in seinen Studien auf den Einfluss der Elternarbeit hin, ein Aspekt, der<br />
teilweise in Schulen nicht allzu viel Beachtung findet. Mit einem Effektmaß von d = 0,51 wird deutlich,<br />
dass die systematische Elternarbeit einen einflussreichen Faktor darstellt und daher mehr in<br />
das Blickfeld einer Schule gerückt werden soll. Im Hinblick auf „bildungsferne“ Elternhäuser könnte<br />
eine verstärkte Zusammenarbeit bezüglich des elterliches Unterstützungsverhaltens, was Lerneinstellungen<br />
und Lernverhalten ihrer Kinder betrifft, hilfreich sein.<br />
Steffens (Bildung bewegt, Nr.<strong>13</strong>, Juni 2011) führt aus, dass ein stufenweiser Ausbau von<br />
Lehrerfortbildungsmaßnahmen empfehlenswert sei und dass „Innovationen im Schulwesen häufig<br />
überfrachtet, fragmentiert, inkohärent und unkoordiniert sind. Die einzelnen Instrumente bedürfen<br />
vielmehr einer „Orchestrierung“; einer „Synchronisierung“ der verschiedenen Handlungsebenen<br />
(System-, Schul- und Unterrichtsebene) und der dort jeweils tätigen Akteure.“ Dieses sei im Interesse<br />
einer wirksamen Bildungspolitik unverzichtbar.<br />
Hattie geht es nicht darum, ein völlig neues Programm zu implementieren, sondern vielmehr darum,<br />
einen neuen Bezugsrahmen („frame of reference“) für das Nachdenken über die Wirkungen<br />
des Lehrerhandelns in den Schulen zu entwickeln. (S. 167, Hattie 2012)<br />
„Hattie-Manie?“ – Ein Fazit<br />
Nein, eine Manie nicht, dazu ist die Studie zu komplex, einiges war bekannt, aber nicht in der<br />
Breite empirisch unterlegt. Hier liegt sein Verdienst: Hattie legt eine Studie vor, in der zum ersten<br />
Mal zentrale Einflussfaktoren für den Lernerfolg von Schüler/innen bilanziert werden. Sie gibt zudem<br />
einen Überblick über die internationale Lehr- und Lernforschung wieder, die auf den bisher<br />
umfangreichsten Daten zur Unterrichtsforschung basiert – sie ist also mehr als eine Bilanz.<br />
Vieles, was Hattie über guten Unterricht ausführt, lässt sich mit dem kompetenzorientierten Unterricht<br />
und der Forderung nach individueller Förderung verbinden: Die Lehrkraft hat die Verantwortung<br />
für eine anspruchsvolle und herausfordernde Planung aus der Perspektive der Schüler/innen<br />
heraus, deren Feedback zum Unterrichts- und Lernprozess sie aktiv nachfragt. Zugleich unterstützt<br />
sie die Lernprozesse der Lernenden ihrerseits durch formatives Feedback Dieser Grundgedanke<br />
Hatties ist in den Bausteinen der Module für die Ausbildung von Lehramtsanwärtern ebenfalls verankert,<br />
sie greifen sogar weitere Aspekte auf, die in der Hattie-Studie nicht enthalten sind.<br />
Was die Qualitätsentwicklung von Schule betrifft, so sind nach Hattie Umstrukturierungen in der<br />
Schule notwendig, um den Reformprozess zu beginnen, was aber eine gründliche Vorbereitung<br />
bedarf und nicht zu schnell angegangen werden darf. Entscheidend ist die Unterstützung durch<br />
einen erweiterten Kreis angesehener Leitungspersonen („senior management“), die sich nicht in<br />
Rechtfertigungszwänge gedrängt fühlen dürfen bei der Entwicklung zu einer lernenden Schule.<br />
Seite 17
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Die Verfasser schließen sich den zusammenfassenden Aussagen von Lipowsky (teilweise verändert<br />
nach Lipowsky 23.11.2012) an:<br />
• Das Kerngeschäft des Unterrichts ist wichtiger als die Strukturmerkmale von Schule.<br />
• „What teachers do matters!“ bedeutet: Auf das Lehren einer Lehrkraft kommt es an.<br />
• Gute Lehrkräfte sehen durch die Augen ihrer Schüler (kognitive Empathie).<br />
• Lehrerlenkung und Selbststeuerung der Lernenden schließen sich nicht aus.<br />
• Wichtig sind kognitive Aktivierung und Feedback.<br />
• Wahlfreiheiten im Unterricht garantieren noch kein vertieftes Verständnis von Lernen; sie sollen<br />
mit Merkmalen lernwirksamen Unterrichts gekoppelt werden.<br />
Zudem bietet die Hattie-Studie Modellvorstellungen für einen Reformprozess zur Qualitätsentwicklung<br />
von Schule und Ausbildung.<br />
Die im Berliner Vorbereitungsdienst getrennten Module „Unterrichten“ und „Erziehen und Innovieren“<br />
scheinen angesichts der Aussagen Hatties ein wenig künstlich, da Unterrichten immer auch<br />
einhergeht mit Erziehen. Geht man von einer Kompetenzorientierung in der Ausbildung aus, so<br />
erscheinen die Module im Bereich „Erziehen und Innovieren“ nicht kumulativ, sondern vielleicht<br />
sogar additiv. Im Sinne Hatties erscheint eine Reflexion der inhaltlichen Ausrichtung und Gewichtung<br />
der Module und Bausteine wünschenswert, vor allem wenn Unterrichten und Erziehen nur<br />
schwer voneinander zu trennende Ebenen sind, bedingt die Ausbildung einer professionellen<br />
Lehrerpersönlichkeit auch den Aspekt des Erziehens. Angesichts der vielfältigen möglichen Inhalte<br />
der Bausteine der Module muss angesichts der anstehenden Verkürzung der Ausbildung für die<br />
Studienratslaufbahn darüber nachgedacht werden, ob nicht eine Fokussierung notwendig wird. Für<br />
diese kann die Hattie-Studie einige wegweisende Kriterien liefern.<br />
Literatur:<br />
1. Hattie, John:Visible Learning. New York/London 2009<br />
2. Hattie, John: Visible Learning for Teachers. Maximizing Impact on Learning. New York / Oxon<br />
2012<br />
3. Rolff, Hans-Günther: “Die Hattie-Studie: Ein Rorschach-Test”. In: Pädagogik, <strong>Heft</strong> 4 20<strong>13</strong>, S.<br />
46-49<br />
4. Dürr, Rolf: „Hausaufgaben ? Eine Kontroverse“. In: Pädagogik, <strong>Heft</strong> 3 20<strong>13</strong>, S. 22-23<br />
5. „Ich bin superwichtig“ in: Zeit-online vom 14.01.20<strong>13</strong>, http:// www.zeit.de /<br />
20<strong>13</strong>/02/Paedagogik-John-Hattie-Visible-Learning. Letzter Zugriff: 22.07.20<strong>13</strong>-07-23<br />
6. Prof. Dr. Köller, Prof. Dr. Olaf, Möller Jens: Was wirklich wirkt: John Hattie resümiert die<br />
Forschungsergebnisse zu schulischem Lernen. In: www.schulmanagement-online.de 2012.<br />
Letzter Zugriff: 22.07.20<strong>13</strong><br />
7. Klieme, Eckhard (2010): Individuelle Förderung. Politische Ziele – Pädagogische Konzepte-<br />
Empirische Befunde. Folienpräsentation zum Vortrag im Hessischen Kultusministerium am<br />
26.10.2010<br />
8. Lipowsky, Frank, Die Hattie-Studie und ihre Bedeutung für die Gestaltung wirksamer<br />
Lernumgebungen, Vortrag am Hartmann Gymnasium Eppingen, 23.11.2012<br />
9. Lipowsky, Frank: Mit den Augen der Lernenden, Amt für Lehrerbildung; Hessen Bildung<br />
bewegt Nr. <strong>13</strong>, Juni 2011<br />
10. Steffens, Ulrich; Höfer, Dieter, Was ist das Wichtigste beim Lernen? Die pädagogischkonzeptionellen<br />
Grundlinien der Hattieschen Forschungsbilanz aus über 50.00Studien, Beitrag<br />
für die Zeitschrift SchulVerwaltung, Ausgabe Hessen/Rheinland-Pfalz, 2011<br />
11. Höfer, Dieter und Steffens, Ulrich: Visible Learning for Teachers-Maximizing impact on<br />
learning. Zusammenfassung der praxisorientierten Konsequenzen aus der Forschungsbilanz<br />
von John Hattie “Visible Learning“, 26.09.2012<br />
12. Steffens, Ulrich: Visible learning, Betrachtungen zur Publikation von John Hattie, Amt für<br />
Lehrerbildung; Hessen in Bildung bewegt Nr.<strong>13</strong>, Juni 2011<br />
Seite 18
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
<strong>13</strong>. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Wien, Schulqualität, Allgemeinbildung, Die<br />
Hattie-Studie, Stand 27.08.2012<br />
14. Timperley,H. (2012), Realizing the power of professional learning, Maidenhead. Open<br />
University Press<br />
Roswitha Haase-Romeo, Leiterin des 4. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />
Roswitha Kneer-Werner, Leiterin des 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />
Von der Lehrerpersönlichkeit zu Expertise und Professionalität<br />
Anforderungen an die erste Ausbildungsphase<br />
„Frau Schmidt ist eine gute Lehrerin, denn sie besitzt eine natürliche Autorität“ – eine immer wieder<br />
geäußerte Feststellung, die letztlich auf die folgende Kernaussage hinausläuft: „Auf die Persönlichkeit<br />
des Lehrers oder der Lehrerin kommt es an“! Beide Aussagen suggerieren, dass es angeborene<br />
oder zumindest früh erworbene und unveränderbare Persönlichkeitsmerkmale gibt, von<br />
denen Bildungs- und Unterrichtsqualität in hohem Maße abhängig sind. Im Folgenden soll es nicht<br />
in erster Linie um die sehr interessante Frage gehen, wie es gerade in Bezug auf den Lehrerberuf<br />
zu dieser breiten Übereinstimmung kommen konnte (würde man bei Medizinern, Architekten und<br />
Piloten auch zu diesem simplen Fazit kommen?), sondern es soll um Alternativen zu der o.g. Auffassung<br />
gehen, die durch zwei Zugänge der aktuellen Lehrerforschung vertreten werden: Expertiseforschung<br />
(Berliner 2001) und Professionsforschung (Combe & Helsper 1996). Beide Ansätze<br />
werden zunächst in zugespitzter Weise als Kontrast zum Ansatz der Lehrerpersönlichkeit und im<br />
Hinblick auf Schlussfolgerungen für die erste Phase der Lehrerbildung skizziert, um abschließend<br />
darauf einzugehen, dass die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit von den beiden Ansätze keineswegs<br />
ignoriert sondern als wichtiger Aspekt aufgegriffen wurde.<br />
Expertise statt Lehrerpersönlichkeit<br />
Ziel der Experten- und Unterrichtsforschung ist es, konkrete Elemente des Wissens, Könnens und<br />
Handelns von Lehrkräften zu identifizieren, die sich empirisch nachweisbar auf die Qualität des<br />
Unterrichts und den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern auswirken. Was z.B. der Ansatz der<br />
Lehrerpersönlichkeit als „natürlichen Autorität“ bezeichnen würde, erfasst die Forschung zum<br />
Klassenmanagement (vgl. als Überblick Ophardt & Thiel 20<strong>13</strong>) als ein umfassendes Spektrum<br />
unterschiedlicher Strategien, die von erfolgreichen Lehrkräften im Unterricht eingesetzt werden,<br />
um Unterrichtsstörungen zu minimieren. Zu diesen Strategien gehören das kontinuierlich mitlaufende<br />
Monitoring des Aufmerksamkeitsverhaltens, Techniken der Gruppenaktivierung, die Steuerung<br />
des Verhaltens durch klare Handlungsprogramme, ein vielfältiges Repertoire an Signalen und<br />
effiziente Zurechtweisungen sowie ein auf die jeweilige Lerngruppe abgestimmtes und gezielt<br />
etabliertes System von Prozeduren, Regeln und konsequent eingesetzten Sanktionen.<br />
Aber – so könnte man fragen – handelt es sich bei den genannten Strategien nicht einfach nur um<br />
die differenzierte Beschreibung der „natürlichen Autorität“, muss man nicht doch dazu geboren<br />
sein, mit einer Gruppe von Lernenden in der beschriebenen Art und Weise umzugehen? Nein!<br />
Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass Strategien des Klassenmanagement durch entsprechende<br />
Lernarrangements vermittelt und verbessert werden können. Schlussfolgerung für die<br />
erste Ausbildungsphase: Anstatt Lehramtsstudierende mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit<br />
„natürlicher Autorität“ zu verunsichern und möglicherweise darauf bezogene Grübeleien zu initiieren<br />
(„habe ich nun genug Autorität oder nicht“?) ist es sinnvoller dafür zu sorgen, dass Studierende<br />
Strategien des Klassenmanagements kennen und verstehen und dass sie Gelegenheiten erhalten,<br />
Seite 19
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
diese zu erproben (so z.B. durch kurze Rollenspielübungen, die anschließend analysiert werden),<br />
um sie im Referendariat zu erweitern und zu festigen. Dies ist nur ein Beispiel, das sich selbstverständlich<br />
problemlos auf andere Bereiche der Expertise, insbesondere auf die fachdidaktischen<br />
Kompetenzen übertragen lässt.<br />
Professionalität statt Lehrerpersönlichkeit<br />
Die Professionsforschung geht davon aus, dass es nicht der Unterricht ist, der die Kernanforderung<br />
an Lehrkräfte darstellt, sondern die Tatsache, dass der Lehrerberuf durch einen besonderen<br />
gesellschaftlichen Auftrag (Vermittlung des existenziellen Zentralwerts Bildung) bestimmt ist, der<br />
von den Professionellen eine besondere Verantwortung für die ihm anvertrauten „Klienten“ (im<br />
Falle des Arztberufs die Patientinnen und Patienten, im Falle der Lehrkraft die Schülerinnen und<br />
Schüler) mit sich bringt. Im Unterschied zu anderen Berufen, bei denen es etwa um den Verkauf<br />
von Waren geht, kann der Professionelle den Auftrag nur erfüllen, indem er ein „Arbeitsbündnis“<br />
etabliert, in dessen Rahmen bei dem Schüler bzw. Patienten Lern- bzw. Gesundungsprozesse initiiert<br />
werden. Dieses Arbeitsbündnis setzt zum einen ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen,<br />
gegenseitiger Wertschätzung sowie ein persönliches Sich-Einlassen der Akteure voraus, zum anderen<br />
müssen Beide in der Lage sein, im Einklang mit den Anforderungen der institutionell vorgegebenen<br />
Rollen zu handeln (dazu gehört z.B., dass Schülerinnen und Schüler durch Lehrkräfte<br />
bewertet und sanktioniert werden).<br />
Studien der Professionsforschung haben immer wieder gezeigt, dass diese Herstellung einer Balance<br />
zwischen Person und Rolle sehr voraussetzungsreich ist und dass sich gerade angehende<br />
Lehrkräfte häufig über einen längeren Zeitraum intensiv mit den als gegensätzlich erlebten Anforderungen<br />
auseinandersetzen, bevor sie einen Weg für sich finden, Person und Rolle zu vereinbaren.<br />
Für bestimmte Bereiche des Klassenmanagements gilt dies in besonders hohem Maße: gerade<br />
der Umgang mit Konflikten, die Einführung und Durchsetzung von Regeln und das Intervenieren<br />
durch Zurechtweisungen und Tadel stehen in einem Spannungsverhältnis zu der Anforderung,<br />
ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zu etablieren. Der Professionsansatz geht davon aus, dass<br />
dafür ein „professionelles Ethos“ erforderlich ist und dass dies nicht nur eine Frage individueller<br />
Entwicklungsprozesse ist, sondern auch maßgeblich durch die Profession gerahmt wird, d.h. durch<br />
Austausch, Unterstützung, aber auch gegenseitige Kontrolle auf der kollegialen Ebene der Organisation<br />
wie auf der Ebene des Berufsstands. Schlussfolgerung für die erste Ausbildungsphase: die<br />
Spannung zwischen Person und Rolle („I want to be nice, but I have to be mean“, Weinstein 1998)<br />
sollte in geeigneter Form zum Thema gemacht werden – vielfach geschieht dies in Zusammenhang<br />
mit dem ersten berufsfelderschließenden Praktikum. So kann z.B. bereits im Vorbereitungsseminar<br />
durch die Diskussion von Fallbeispielen die Reflektion des Themas angeregt werden, um<br />
dies im Rahmen der Auswertung der Praktikumserfahrungen ausführlich aufzugreifen.<br />
Lehrerpersönlichkeit als Teil von Expertise und Professionalität<br />
Auch wenn der Fokus der Expertise- und Professionsforschung gerade nicht auf der Erfassung<br />
von Persönlichkeitsmerkmalen als Voraussetzung erfolgreichen beruflichen Handelns liegt, so<br />
kommt auch hier der Lehrerpersönlichkeit eine wichtige Funktion zu. Personale Faktoren wie<br />
emotionale Stabilität, internale Kontrollüberzeugungen, Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit<br />
werden bei vielen Lehrerforschungsstudien mit erfasst und erweisen sich durchaus als bedeutsam<br />
für den Umgang mit beruflichen Anforderungen. So konnte in der Studie von Klusman et al (2006)<br />
gezeigt werden, dass der „Gesundheitstyp“ (hohe Ausprägung von Perfektionsstreben, Ausgeglichenheit,<br />
Problembewältigung sowie niedrige Ausprägung von Resignationstendenz) im Unterschied<br />
zu den anderen drei Typen des Stresserlebens durch hohe Werte in bestimmten Bereichen<br />
der Unterrichtsqualität gekennzeichnet ist, so insbesondere bei der Sozialorientierung (a.a.O., S.<br />
169). Daraus ließe sich jedoch nicht der Schluss ziehen, personale Faktoren als hinreichende Voraussetzung<br />
oder gar zur Prognose von Eignungsfeststellungen heranzuziehen: Der Gesund-<br />
Seite 20
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
heitstyp hat günstige Voraussetzungen für die Bewältigung von Anforderungen in sehr vielen unterschiedlichen<br />
Berufen, wird jedoch nicht automatisch ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin.<br />
Aus der Perspektive des Expertenansatzes hat die Persönlichkeit insofern eine wichtige Funktion,<br />
als durch sie die Konkretisierung von Prinzipien erfolgreicher Praxis bestimmt wird. Ein Beispiel:<br />
Guter Unterricht setzt gutes Klassenmanagement voraus, aber wie Regeln mit der Schulklasse<br />
vereinbart werden und wie es gelingt, Zurechtweisungen so zu formulieren, dass der Unterrichtsfluss<br />
und das Arbeitsbündnis nicht beeinträchtigt werden (mit Humor, Enthusiasmus, Lob usw.),<br />
kann individuell sehr verschieden sein – und das sollte bereits Studierenden vermittelt werden,<br />
indem man z.B. Videoaufnahmen unterschiedlicher Fallbespiele analysiert. Aus der Perspektive<br />
der Professionsforschung ist die Person der Lehrkraft essentiell, denn nur das Ausbalancieren von<br />
Person und Rolle, also das Einbringen der eigenen Person bei gleichzeitigem Handeln im Rahmen<br />
der institutionell definierten Rolle ermöglicht ein professionelles Arbeitsbündnis.<br />
Abschließend sei noch eine kurze Hypothese erlaubt zu der eingangs angerissenen Frage, warum<br />
es in Bezug auf die Einschätzung „Auf die Lehrerpersönlichkeit kommt es an“ eine so breit geteilte<br />
Übereinstimmung gibt. Das Wesentliche der Expertenperformanz ist für den Laien vielfach „unsichtbar“.<br />
Laien (wie auch Lehramtsstudierende am Beginn ihres Studiums) sehen nicht, dass eine<br />
erfolgreiche Lehrkraft, während sie eine Aufgabe erklärt, genau wahrnimmt, welche Schülerinnen<br />
und Schüler nicht „on task“ sind und welche unterschiedlichen Strategien (Positionierung im Raum,<br />
Blickkontakt, Einsatz von Signalen, Gesten, Sprechpausen) hier in beiläufiger Form zum Einsatz<br />
kommen, um die Aufmerksamkeit zu sichern. Da die Wahrnehmung relevanter Merkmale der Situation<br />
vielfach für den Laien schwierig ist, bleibt nur das Ausweichen auf Oberflächenmerkmale<br />
oder sehr allgemeine Merkmale wie „Persönlichkeit“.<br />
Für die erste Ausbildungsphase erscheint es vor dem Hintergrund der oben referierten Befunde<br />
zum einen wichtig, der allgemein verbreiteten Überbewertung der Lehrerpersönlichkeit eher entgegenzutreten<br />
und die Studierenden davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, sich intensiv mit den<br />
Anforderungen des Lehrerberufs auseinanderzusetzen und eine lernende Haltung zum Beruf einzunehmen.<br />
Zum anderen sollte auch die erste Ausbildungsphase damit beginnen, die Studierenden<br />
darin zu unterstützen, ein professionelles Ethos zu entwickeln und sich als Teil einer Profession<br />
zu verstehen.<br />
Literaturhinweise:<br />
Berliner, D.C. (2001). Learning about and learning from expert teachers. Journal of Educational<br />
Research 35, S. 463-482.<br />
Combe, A. & Helser, W. (1996) (Hg.): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus<br />
pädagogischen Handelns. Frankfurt a.M..<br />
Klusmann, U., Kunter, M, Trautwein, U., Baumert, J. (2006): Lehrerbelastung und Unterrichtsqualität<br />
aus der Perspektive von Lehrenden und Lernenden. In: Zeitschrift für Pädagogische<br />
Psychologie, 20 (3), S. 161-173.<br />
Ophardt, D. & Thiel, F. (20<strong>13</strong>): Klassenmanagement. Ein Handbuch für Studium und Praxis.<br />
Stuttgart.<br />
Weinstein, C. S. (1998): “I want to be nice, but I have to be mean": Exploring prospective teachers'<br />
conceptions of caring and order. Teaching and Teacher Education, 14(2), 153-163.<br />
Dr. Diemut Ophardt<br />
Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung, Freie Universität Berlin<br />
Seite 21
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Lehramtsanwärter und -anwärterinnen der Sonderpädagogik<br />
auf dem Weg zum professionellen Handeln in Unterricht und<br />
Schule<br />
1. Rechtliche Grundlagen und Ableitung des Ausbildungsauftrages für die 2. Phase<br />
der Lehrerbildung<br />
Laut Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011 „Inklusive Bildung von Kindern und<br />
Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ werden die Anforderungen einer erfolgreichen Bildung<br />
und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen wie folgt beschrieben:<br />
„Nach dem Verständnis der Behindertenrechtskonvention gehören zu den Menschen mit Behinderungen<br />
Kinder und Jugendliche, die langfristige körperliche, seelische, geistige Beeinträchtigungen<br />
oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren<br />
an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. ...<br />
(S. 6)<br />
"Für den schulischen Bereich (betrifft dies) Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder chronischen<br />
Erkrankungen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ebenso wie Kinder und Jugendliche<br />
mit sonderpädagogischem Förderbedarf ...“ (S. 6)<br />
Unabhängig von der Art und dem Grad der Behinderung ist es das Ziel der pädagogischen Unterstützung,<br />
dem Kind oder Jugendlichen mit Behinderung eine optimale Form der selbstbestimmten<br />
Lebensführung zu ermöglichen und die persönliche Entscheidungskompetenz zu stärken.“(S.8)<br />
Weiter heißt es:<br />
„Die Lehrkräfte haben die Aufgabe, gemeinsam mit den jungen Menschen und ihren Eltern sowie<br />
unter Einbindung sonstiger Unterstützungskräfte, die in den Lehrplänen beschriebenen Ziele und<br />
Kompetenzen mit den individuellen Bildungs- und Entwicklungszielen auch unter Einsatz von Unterstützungsmaßnahmen<br />
zu verknüpfen. Dabei werden die Inhalte und Formen des gemeinsamen<br />
sowie des individuellen schulischen Lernens festgelegt.“ (S. 8)<br />
Der Auftrag der Kultusministerkonferenz spiegelt sich in Berlin in entsprechenden gesetzlichen<br />
Regelungen des Berliner Schulgesetzes und in Verbindung mit auf dieser Grundlage erlassenen<br />
Verordnungen einerseits und andererseits den ebenfalls von der KMK entwickelten Standards für<br />
die Lehrerbildung wider.<br />
Im Bereich der Sonderpädagogik haben die Schulpraktischen Seminare in Berlin die aus diesen<br />
Quellen folgenden Leitgedanken für die schulpraktische Ausbildung weiter spezifiziert.<br />
Unsere Anliegen sind<br />
• die begleitende Ausbildung von handlungskompetenten Lehrerinnen und Lehrern für<br />
Sonderpädagogik, die die Herausforderungen ihres Tätigkeits- und Aufgabenfeldes erkennen,<br />
sich mit ihnen im Interesse der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen aktiv auseinandersetzen,<br />
sie fachlich und menschlich kompetent bewältigen und darüber hinaus das Tätigkeitsund<br />
Aufgabenfeld engagiert weiterentwickeln<br />
• eine kritisch, unterstützende Funktion der Ausbilderinnen und Ausbilder, die die professionelle<br />
Entwicklung der Lehramtsanwärter und -anwärterinnen begleiten und helfen, Entwicklungspotenziale<br />
zu erkennen und zu nutzen.<br />
2. Entwicklung von Handlungskompetenz<br />
2.1. Voraussetzungen<br />
Folgende Fähigkeiten tragen aus meiner Sicht grundlegend zum Aufbau von professioneller sonderpädagogischer<br />
Handlungskompetenz bei:<br />
Seite 22
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
• eine grundsätzlich positive Erwartungshaltung der Lehrkräfte an die Lern,- Leistungs- und<br />
Handlungsfähigkeit der anvertrauten Schüler und Schülerinnen,<br />
• hohe und kontinuierliche Achtsamkeit verbunden mit einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen<br />
gegenüber den Kind und Jugendlichen.<br />
• sensibles Wahrnehmen von Veränderungsprozessen bei den Kindern und Jugendlichen (z. B.<br />
beginnende Unruhe/ plötzlich erhöhter Muskeltonus / Konzentrationsabfall),<br />
• das Wahrnehmen und der Ausdruck von Wertschätzung hinsichtlich individueller Lernfortschritte<br />
der Schüler und Schülerinnen,<br />
• Mut, Kreativität und Geduld sowie<br />
• jederzeitige Bereitschaft zur regelmäßigen fachlichen Reflexion des eigenen pädagogischen<br />
Handelns<br />
Darüber hinaus sind folgende Aspekte neben der theoriegeleiteten langfristigen Planung, Durchführung<br />
und Reflexion von Unterrichtsinhalten von wesentlicher Bedeutung:<br />
• eine systematische kriterienorientierte Beobachtung von Schülerverhalten in Wechselwirkung<br />
mit dem schulischen Umfeld,<br />
• die Fähigkeit zur systematischen Beschreibung, Analyse und fachkompetenten Bewertung des<br />
Bedingungsfeldes des Kindes (Kind- Umfeld-Analyse),<br />
• die Fähigkeit, Phänomene, die das Kind oder der Jugendliche in der Schule zeigt,<br />
mehrperspektivisch zu betrachten (aus der Sicht des Kindes/ der Mitschüler/ der Familienmitglieder/<br />
etc.),<br />
• daraus abgeleitet, die Fähigkeit des hypothesengeleiteten, diagnostischen Vorgehens auf der<br />
Grundlage von gesichertem Theoriewissen (z.B. standardisierte und informelle Diagnostik,<br />
umfassende Lernstandserhebung),<br />
• die Ableitung von individuellen behinderungsspezifischen didaktischen, methodischen, medialen<br />
und personalen Entscheidungen im Unterricht,<br />
• die Entwicklung einer lang-, mittel-, und kurzfristigen Förderplanung für das Kind oder den Jugendlichen<br />
auf der Grundlage diagnostischer Erkenntnisse und unterrichtlicher Erfahrungen.<br />
2.2. Ausbildungsbedingungen und organisatorische Voraussetzungen in der schulpraktischen<br />
Ausbildung der Sonderpädagogik in Berlin<br />
Eine Voraussetzung der Entwicklung von Handlungskompetenz besteht in der regelmäßigen reflexiven<br />
Auseinandersetzung mit herausfordernden Situationen im Schulalltag unter Einbeziehung<br />
fachlich fundierter Wissensbestände. Hierbei ist die Orientierung an pädagogischen Vorbildern bedeutsam,<br />
die mit ihrem reichen Erfahrungsschatz im Unterricht professionell handeln und Sicherheit<br />
ausstrahlen. Die zweite Voraussetzung besteht in der Anforderung, erlebte Schulsituationen<br />
mit Ausbildern und Ausbilderinnen theoriegeleitet und praxisorientiert zu reflektieren.<br />
Die schulpraktische Ausbildung der Sonderpädagogik in Berlin erfolgt in vielfältigen Organisationsformen:<br />
• in Schulen mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkten<br />
• in sonderpädagogischen Einrichtungen<br />
• im gemeinsamen Unterricht<br />
• in integrativen Klassen<br />
• in der Grundschule in temporären Kleinklassen mit sonderpädagogischer Orientierung<br />
• in von der Schulaufsicht zu genehmigenden sonderpädagogischen Kleinklassen für Kinder mit<br />
festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf „Lernen“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“<br />
in Verbindung mit dem Besuch einer Tagesgruppe<br />
Hierbei ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Ausbilder und Ausbilderinnen die unterschiedlichen<br />
Ausbildungsbedingungen in den Schulen bezogen auf den Umgang mit Kindern und Jugendlichen<br />
mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigen und gemeinsam mit den<br />
Seite 23
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Lehramtsanwärtern und -anwärterinnen gezielt individuelle Ausbildungsschwerpunkte festlegen,<br />
um ein sicheres Wissensfundament und die Anwendung im Unterricht zu ermöglichen.<br />
Neben der Ausbildung in Schulen mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkten kann z. B. der<br />
Klassenunterricht im Teamteaching im gemeinsamen Unterricht Ausbildungsschwerpunkt sein. Auf<br />
der Grundlage vorhandener struktureller und personeller Voraussetzungen wird für eine gesamte<br />
Klasse mit Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf in unterschiedlichen Bereichen<br />
Unterricht geplant, durchgeführt und reflektiert. Die Berücksichtigung behinderungsspezifischer<br />
Bedürfnisse und der Abbau von Barrieren finden auf der Grundlage einer aussagekräftigen<br />
Schülerbeschreibung mit Ableitung von passgenauen didaktischen, methodischen, medialen und<br />
personellen Entscheidungen statt.<br />
Es kann jedoch auch der konzeptionelle Aufbau einer temporären jahrgangsübergreifenden Kleinklasse<br />
mit sonderpädagogischer Prägung im Mittelpunkt der Ausbildung stehen.<br />
Auf diesem anspruchsvollen Weg benötigen die Lehramtsanwärter und -anwärterinnen als Lernende<br />
eine auf Vertrauen und Akzeptanz basierende kompetente Begleitung in der Ausbildung,<br />
um ihre neu erworbenen Kompetenzen anwenden zu können. In diesem Prozess ist es auch wichtig,<br />
geglückte wie auch weniger geglückte Unterrichtssituationen als Chance für die Entwicklung<br />
von Kompetenzen zu erkennen und zu nutzen.<br />
3. Konsequenzen für die schulpraktische Ausbildung<br />
• Die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen bieten die Grundlage für die<br />
unterrichtlichen Entscheidungen.<br />
• Die jeweiligen Ausbildungsbedingungen in den unterschiedlichen Organisationsformen<br />
sonderpädagogischer Förderung finden Berücksichtigung bei der individuellen Beratung.<br />
• Die Lehramtsanwärterinnen und -anwärter sind wesentliche Akteure ihrer Ausbildung und<br />
gestalten die Ausbildungsschwerpunkte aktiv mit.<br />
• Dabei übernehmen die Ausbilderinnen und Ausbilder eine kritisch begleitende und unterstützende<br />
Funktion. Sie begleiten die professionelle Entwicklung der Lehramtsanwärter und -anwärterinnen<br />
und helfen, individuelle Kompetenzen, Ressourcen und Entwicklungspotenziale zu<br />
erkennen und zu nutzen.<br />
• Lehramtsanwärter und -anwärterinnen erproben sich auf der Grundlage der oben genannten<br />
Aspekte und erweitern ihr fachliches, pädagogisches und therapeutisches Wissen.<br />
4. Fazit und Ausblick<br />
Professionalität bedeutet, für Ausbilder und Ausbilderinnen wie auch für Lehramtsanwärter und –<br />
anwärterinnen gleichermaßen sich mit laufenden Veränderungsprozessen des Schulalltages auseinanderzusetzen<br />
und sich an diesen Bedingungen ausgerichtet ständig neu zu orientieren.<br />
Die Lehramtsanwärter und -anwärterinnen sollten in diesem Prozess ermutigt werden, Entscheidungen<br />
im Unterricht zu erproben sowie Erkenntnisse, die auf langjähriger Erfahrung und fachlicher<br />
Kompetenz basieren, mit neueren Lehrmeinungen abwägend zu vergleichen. Entscheidend<br />
sollte hierbei sein, im Ergebnis insbesondere Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen dauerhaft<br />
gerecht zu werden.<br />
Das spricht auch für die Mischung aus erfahrenen und jungen Ausbildern und Ausbilderinnen, die<br />
sich im wertschätzenden kollegialen fachlichen Austausch fort- und weiterbilden. Die Planung und<br />
Durchführung gemeinsamer Seminarsitzungen, gemeinsame Unterrichtshospitation und Beratung<br />
können Ausgangspunkt wichtiger Impulse für das pädagogische Handeln der Lehramtsanwärter<br />
und -anwärterinnen auf dem Weg zu einer Professionalisierung sein, die von folgendem Leitgedanken<br />
geprägt sein sollte:<br />
Seite 24
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Nur die Lehrkräfte, die bereit sind, sich im Laufe ihres Berufslebens immer wieder neu dem Prozess<br />
der Professionalisierung zu stellen, werden langfristig in der Lage sein, eine Lehrerpersönlichkeit<br />
zu entwickeln, die dem unter Ziffer 1 beschriebenen Bildungsauftrag der Kultusministerkonferenz<br />
aus dem Jahr 2011 gerecht wird.<br />
Literatur:<br />
„Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ KMK Empfehlungen<br />
2011<br />
Schulgesetz von Berlin 28.06.2010<br />
SopädVO, GsVO, Sek- I- VO, VO-GO vom 01.08.2012<br />
Handbuch Vorbereitungsdienst - Bildung für Berlin 2012<br />
Höfer D./Steffens: Visible learning for teachers - Maximizing impact on learning - Zusammenfassung<br />
der praxisorientierten Konsequenzen aus der Forschungsbilanz von John Hattie – 2012<br />
http://www.zeit.de/ 20<strong>13</strong>/02/Paedagogik-John-Hattie-Visible-Learning/komplettansicht Spiewak,M.:<br />
Ich bin superwichtig<br />
Feiks/ Krauß: Professionell handeln, erziehen, unterrichten, Klett 2001<br />
Tietze, K., Kollegiale Beratung - Problemlösungen gemeinsam entwickeln, Ro Ro Ro 2003<br />
Mutzeck, W.: kooperative Beratung Beltz Verlag, 2008<br />
Orth G./ Fritz.H., Gewaltfreie Kommunikation in der Schule, Junfermann 20<strong>13</strong><br />
Angelika Granzow-Seidel,<br />
Leiterin des 6. Schulpraktischen Seminars Friedrichshain-Kreuzberg (L)<br />
Lehrerpersönlichkeit und Ausbildung<br />
Im Rahmen der Veranstaltungen des Allgemeinen Seminars wird eine Video-Aufzeichnung eingesetzt,<br />
die Folgendes zeigt: Einzeln und der Reihe nach betreten Lehramtsanwärter einen Raum<br />
und sprechen die ersten einleitenden Sätze für einen fiktiven Unterrichtsbeginn. Da alle denselben<br />
Weg zurücklegen (sie öffnen die Tür von außen, schließen sie und gehen – nun variabel – an die<br />
Tafel, hinter den Lehrertisch oder vor den Lehrertisch), ist es frappierend zu sehen, welche Unterschiede<br />
sich beim Betrachter im Wahrnehmungsbild dennoch abzeichnen. Da gibt es die sachlich<br />
Orientierten und die Abschweifenden, die Leisen und die Polternden, die Verkrampften und die<br />
gespielt Lockeren, die Offenen und die sich Versteckenden, die Witzigen und die Humorlosen usw.<br />
Erstaunlich, was die Betrachter alles herausfinden. Sie sehen, wer die Arme verschränkt, wer sich<br />
von der Klasse (die nicht vorhanden ist) abwendet, wer in seiner Tasche kramt, wer sich am Tisch<br />
festhält usw. Dann wird es heikel: Wer ist sympathisch? Wer hat vermutlich Disziplinschwierigkeiten<br />
in seinen Klassen? Mit ziemlich klarer Sicht auf die Dinge treten die Lehramtsanwärter in die<br />
Diskussion ein.<br />
Dabei drängt sich die Frage auf, ob die Urteilenden die getroffenen Feststellungen und Erkenntnisse<br />
darüber, was günstig und was ungünstig wirkt, auch auf sich selbst beziehen oder nicht. Dies<br />
ist übrigens eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Seminararbeit. Vieles kann<br />
intellektuell erfasst, aber noch lange nicht überzeugend auf das eigene Handeln bezogen werden.<br />
Das genannte Video-Beispiel zeigt aber noch mehr. Es kann sachanalytisch wirken, indem mit ihm<br />
das Feld der Aspekte der Lehrerpersönlichkeit entfaltet wird. Eine erste Frage wäre, wie die Begriffe<br />
Lehrerpersönlichkeit und Lehrerrolle zusammenhängen. Damit liegt das Problem der Behandlung<br />
der Thematik im Seminar offen. Einige Anmerkungen mögen die verwickelte Lage verdeutlichen:<br />
1. Die Lehrerpersönlichkeit ist zunächst einmal eine Personeneigenschaft aufgrund einer<br />
bestimmten, mehr oder weniger festliegenden Merkmalskombination, die Lehrerrolle hingegen<br />
Seite 25
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
kann als ein Wunsch oder als eine Erwartung beschrieben werden – in der stillschweigenden<br />
Annahme, durch Lernen könnten diese erfüllt werden.<br />
2. Die Persönlichkeit besteht aus einer Merkmalskombination verschiedenster Ausrichtung, mit<br />
Bildung einer Lehrerpersönlichkeit sind aber nur positiv besetzte Eigenschaften gemeint.<br />
3. Die eingenommene oder einzunehmende Lehrerrolle ist durch die jeweilige Persönlichkeit<br />
determiniert, weshalb Ist-Zustand und Soll-Zustand nur schwer anzunähern sind.<br />
4. Der Begriff des Typus erschwert die Übersicht und ist kaum einzuordnen, wohl aber<br />
allgegenwärtig (Typ des „Naturwissenschaftlers“, Typ des „Geisteswissenschaftlers“; vgl. Kubli<br />
1987, S. 146 ff.).<br />
5. Es bleibt unklar, zu welcher Persönlichkeit sich jemand entwickeln soll.<br />
6. Ähnliches gilt für den Begriff des Lehrerverhaltens.<br />
7. Die Lehrerrolle selbst ist nicht normiert, sondern nur allgemein umrissen bzw. von den<br />
Berufserfordernissen geprägt.<br />
8. Es besteht die Gefahr der Verwechselung mit einem Aufgabenkatalog für Lehrkräfte.<br />
9. Die Lehrerpersönlichkeit ist nicht wie eine glatte Kugel zu denken, sondern eher wie eine verwachsene<br />
stachelige Frucht. Wer eine Elternversammlung nicht ordentlich koordinieren kann,<br />
kann dennoch ein begnadeter Erzieher sein.<br />
10. Wenn man tatsächlich auf die Lehrerpersönlichkeit Einfluss nehmen kann, so ließe sich der<br />
Erfolg kaum Wochen später ablesen. Persönlichkeitsentwicklung kann nicht programmatisch<br />
behandelt werden.<br />
11. Der Lehrerpersönlichkeit kann kaum mit Mitteln der Seminarausbildung begegnet werden, da<br />
hier psychologisches Gebiet zu betreten wäre, wofür es weder eine Berechtigung, noch eine<br />
Ausbildung und schon gar keine Wertenormierung geben kann. Einen guten Überblick über die<br />
Facetten des Persönlichkeitsbegriffes liefern Zimbardo/Gerrig 2008.<br />
Im Zusammenhang mit Punkt 4 sei daran erinnert, dass Zwettler-Otte geradezu karikaturhaft Lehrertypen<br />
vorgestellt hat, etwa den Weltreisenden, den Altruisten, den Schülerfreund, den Gesetzestreuen<br />
oder den Prüden (viele weitere). Ihre Züge treten skizzenhaft in Gesamtkonferenzen<br />
zutage. In Seminarveranstaltungen längst vergangener Jahre wurden diesbezüglich auch einige<br />
Lehrertypen der Feuerzangenbowle begutachtet: die Vergeistigten, die (scheinbar) Vertrottelten,<br />
die Schein-Modernen usw. Das unter 6 genannte Lehrerverhalten kann grob begriffen werden als<br />
die konkretisierte Ausdrucksform des Filters von Persönlichkeit und Rollenauffassung. Von diesem<br />
sichtbaren Verhalten her wird nicht selten auf die Persönlichkeit und die Rolleninternalisierung geschlossen,<br />
was zu schweren Fehleinschätzungen führen kann. Persönlichkeit und Typus sind dem<br />
Rollentragen vermutlich vorrangig. Das Schemabild soll verdeutlichen, wie die Begrifflichkeiten in<br />
ihrem Zusammenhang gedacht werden könnten, wobei die Scheiben mehr oder weniger ineinandergeschoben<br />
vorstellbar sind.<br />
LEHRER<br />
Verhalten<br />
Verhalten<br />
Rolle<br />
Typ<br />
Persönlichkeit<br />
Was kann zum näheren Begriffskern der „Lehrerpersönlichkeit“ zählen? Erst wenn dies in etwa<br />
umrissen ist, kann versucht werden, die daraus folgenden Notwendigkeiten auf die Ausbildung zu<br />
beziehen bzw. festzustellen, was davon umsetzbar sein könnte und was nicht. Sacher (1980, S.<br />
38) hat einmal festgestellt: „Persönlichkeit ist der Mensch, soweit er sich bemüht, das zu werden,<br />
was er als Person zunächst nur als Möglichkeit und Aufgabe vor sich hat.“ Was mit Lehrerpersön-<br />
Seite 26
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
lichkeit zu tun hat, liegt –so sagt er– jenseits des reinen Unterrichtshandwerks. Die Persönlichkeit<br />
entfaltet ihre Bedeutsamkeit in erster Linie auf dem Felde der Erziehung, bei der es nicht wertneutral<br />
zugehen kann. Damit verbunden ist gleichzeitig die permanente Rückfrage des Lehrers an sich<br />
selbst nach dem begründbaren Richtig oder Falsch. Es muss aber für den Lehrer etwas Spezifisches<br />
hinzutreten, sonst hätte er zwar Persönlichkeit, wäre aber, auch wenn er das Handwerkliche<br />
beherrschte, noch keine Lehrerpersönlichkeit. Das Spezifische ist die dem Berufsfeld zuzumessende<br />
Erwartung an ein bestimmtes So-sein-Sollen. Dieses wiederum hat Gröschel (1980, S. 106)<br />
in zwölf Kategorien dargelegt: gewissenhaft, sorgfältig und gründlich; fleißig; verständnis- und taktvoll;<br />
kindgemäß; organisationsgewandt; humorvoll und gelöst; aktiv und engagiert; sicher, bestimmt<br />
und konsequent; planmäßig und zielbewusst; motivierend und innovierend; kollegial und<br />
kooperationsbereit sowie sprachgewandt. Damit liegt eine Art Entwicklungskette vor, die man in<br />
etwa wie folgt skizzieren könnte: Mensch – Person – Persönlichkeit – Rollenträger – Leistungserbringer<br />
– Ausdruck im Verhalten. Ausbildung versucht, damit vermutlich im Bereich zwischen Persönlichkeit<br />
und Rollenträger anzusetzen, kann letztlich aber nur über das Lehrerverhalten agieren.<br />
Die entscheidende Frage liegt sogleich auf der Hand: Soll Ausbildung eine Persönlichkeit formen?<br />
Wenn ja, ist sie dazu tatsächlich in der Lage und in welche Richtung sollte das gehen – und worin<br />
bestünde die Legitimation?<br />
Vergleicht man die Punkte von Gröschel mit den Kategorien der AV Lehrerbeurteilung (AV LB vom<br />
12.7.2010, zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.6.2012; siehe dazu Informationsschreiben<br />
der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 8.1.20<strong>13</strong>), so lassen sich davon<br />
nur Teile wiedererkennen, was vermutlich nicht nur im Zeitverlauf von mehr als dreißig Jahren<br />
liegt. Insbesondere in den Punkten 3.4 bis 3.6 der AV gibt es aber Annäherungen zwischen beiden<br />
Katalogen. Der entscheidende Satz der AV lautet dabei: „Die Lehrkraft lässt durch ihr Verhalten<br />
erkennen, dass sie die Aufgabe der Erziehung der Schüler/-innen als wichtigen Bestandteil der<br />
eigenen Berufstätigkeit wahrnimmt.“ Leider hat man den Eindruck, dass heute völlig unklar ist, was<br />
„Erziehung“ meint. Es besteht wohl auch ein Missverständnis dahingehend, dass nur dann erzogen<br />
werden könnte, wenn sich alle Beteiligten darüber geeinigt hätten, wozu erzogen werden soll<br />
und wie man das zu tun hätte, also wenn man eine Art verbindlichen Katalog vorlegen könnte. Zudem<br />
kann man zu erkennen geben, dass man sich einer Sache bewusst ist – ohne die entsprechenden<br />
Merkmale auszuprägen.<br />
Weiterhin kann zum Persönlichkeitsfeld die Beurteilungskategorie gerechnet werden: „ [Die Lehrkraft]<br />
hält die Balance zwischen Nähe und Distanz gegenüber den Schülern …“ sowie: „ … vermittelt<br />
und kontrolliert die Regeln des Zusammenlebens, die sie als Vorbild praktiziert.“ Man<br />
möchte sich gar nicht weiter vorstellen, was die volle Bedeutung des letzten Satzes ist, sowohl von<br />
der Forderung her als auch von der Umsetzung in der Wirklichkeit. Die Vorstellung eines Vorbildes<br />
kann allein dem gehorchen, was verbreitet, aber nicht verbindlich, unausgesprochener Konsens<br />
ist, das, was die meisten für angemessen, vernünftig, vertretbar usw. halten. Verkürzt ausgedrückt<br />
bedeutet dies aber leider nur: Vorbild ist, wer das erfüllt, was sich ein anderer unter einem Vorbild<br />
vorstellt.<br />
Zuletzt sei der Satz aus der AV zitiert, der sich auf die Sozialkompetenz bezieht: „[Die Lehrkraft] ist<br />
verständnisvoll und handelt problemlösend.“ Dies wären in ihrer Gesamtheit zumindest Marken für<br />
die Richtung, in der die Arbeit im Seminar liegen könnte, wenngleich ganze Bereiche noch gar<br />
nicht erwähnt wurden, wie etwa Geduld und Gerechtigkeit oder pädagogisches Handeln im engeren<br />
Sinne. Hier wird die Auffassung vertreten, dass man solcherlei Dinge nicht als Seminarinhalt<br />
vermitteln kann, sondern nur beim Auftreten von Fällen, etwa im Unterricht, kann darauf verwiesen<br />
werden, was angemessen erscheint und was nicht. So könnte z. B. die Bestrafung eines Schülers<br />
thematisiert werden, indem die Gründe, die Begründungen, die möglichen Folgen und das pädagogisch<br />
Bedeutsame ans Licht gebracht werden. Unter Abwägung dieser Facetten könnte dann<br />
festgestellt werden, ob die Bestrafung „richtig“ oder „falsch“ war. Denkbar wäre es, im Seminar<br />
Fälle darzustellen, wie etwa den von Kohlberg zur Diebstahlproblematik unter Schülern (Schüler<br />
debattieren, ob sie den Schaden gemeinschaftlich ersetzen sollen oder nicht; abgedruckt in Speck<br />
Seite 27
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
1991, S. 201). Dies allerdings nicht, um die Werteerziehung der Schüler zu fokussieren, sondern<br />
um die Rolle der Lehrkraft und ihr Verhalten zu thematisieren. Andere Fälle könnten sein: Verhalten<br />
von Lehrkräften bei Klassenfahrten oder bei auftretenden Konflikten mit Schülern, mit dem<br />
Kollegium oder mit Eltern. Unglücklicherweise nehmen die Unterrichtsbesuche der Seminarleiter<br />
ab, weil die neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung dies nicht mehr zwingend verlangt und eine<br />
Reihe von Anwärtern dies zum Anlass nimmt, Termine für Unterrichtsbesuche zu vernachlässigen.<br />
Somit vermindern sich Beobachtungsmöglichkeiten, die zum Gespräch Anlass böten.<br />
Das Handbuch Vorbereitungsdienst (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft<br />
2011) führt bei den Modulinhalten an folgenden Stellen Hinweise zur Thematik in Form von Standards<br />
auf:<br />
Modul Unterrichten, Pflichtbaustein 1: Grundlagen des Lehrerberufes:<br />
• Die LAA sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst und verstehen<br />
ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung.<br />
• Die LAA verstehen ihre Rolle ganzheitlich als Lehrer, die unterrichten, erziehen …<br />
• Die LAA setzen sich mit unterschiedlichen Rollenerwartungen auseinander.<br />
• Die LAA verfügen über eine reflexive Distanz zu ihrem Handeln.<br />
Modul Unterrichten, Pflichtbaustein 5: Reflexion und Evaluation:<br />
• Die LAA reflektieren die eigenen beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen und setzen sich<br />
selbst Arbeitsschwerpunkte.<br />
• Modul Erziehen und Innovieren: Pflichtbaustein 2: Wertevermittlung<br />
• Die LAA verkörpern in ihrem Auftreten und in ihrer Arbeit die Werte einer demokratischen<br />
Schulkultur. (Wortgleich in Pflichtbaustein 3: Konflikte und Gewaltprävention)<br />
Neben den analogen Einträgen finden sich bei den Modulen für das Lehramt an Sonderschulen/Sonderpädagogik<br />
noch:<br />
Modul Erziehung, Unterricht und sonderpädagogische Förderung; Pflichtbaustein 3: Unterrichtsarrangement:<br />
• Die LAA zeigen angemessenes Erziehungsverhalten.<br />
Viele weitere Standards gebieten bestimmte Verhaltensweisen bzw. Beachtung von Erfordernissen,<br />
ohne dass dies notwendigerweise die Persönlichkeit selbst betreffen muss. Im Hintergrund<br />
sind dabei immer die Standards für die Lehrerbildung sowie die Standards des Qualifikationsrahmens<br />
für die drei Ausbildungsphasen (Bachelor, Master, Vorbereitungsdienst) zu denken.<br />
Die Ausbildung im Seminar kann wohl nur auf die Erfordernisse im Umgang der jungen Lehrer mit<br />
Schülern, Kollegen und Eltern aufmerksam machen. Dafür lassen sich dann allerdings einige Leitlinien<br />
bestimmen. Anhaltspunkte dafür, was zu diesen Leitlinien gehören könnte, könnten die Beurteilungsbogen<br />
und die Inhalte der Modulbausteine aus dem Handbuch Vorbereitungsdienst geben.<br />
Durchforstet man die Kategorien der Beurteilungsbogen („Gutachten über den Stand der<br />
Ausbildung“), so kann man feststellen: Die 24 Beobachtungsmerkmale bzw. anzukreuzenden<br />
Standards lassen sich grob in folgende Gruppen einteilen, die wie folgt vertreten sind:<br />
A = persönlichkeitsbezogen<br />
B = an der Schnittstelle zwischen Persönlichkeit und Fachkompetenz i.w.S.<br />
C = rein auf Kompetenzen für das Unterrichten und den Einsatz in der Schule bezogen 12 x<br />
Dabei mag es personenabhängig und durchaus strittig sein, ob die hier getroffene Zuordnung passend<br />
ist oder nicht. So kann es zur Diskussion stehen, ob die Aussage, „versteht sich ganzheitlich<br />
als Lehrer“ ein Persönlichkeitsmerkmal ist, wohingegen Gewissenhaftigkeit eher sicher zu den<br />
Persönlichkeitsmerkmalen zu rechnen sein dürfte. Prüft man die Ausbildungsinhalte bzw. Inhalts-<br />
5 x<br />
7 x<br />
Seite 28
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
vorschläge im Handbuch Vorbereitungsdienst auf das Vorkommen einer entsprechenden Thematik<br />
bei den Pflicht- und Wahlbausteinen, so stellt man fest, dass insbesondere der Pflichtbaustein 1<br />
(Grundlagen des Lehrerberufes) dieses Feld fokussiert, was allerdings nicht notwendigerweise mit<br />
der ausgewiesenen Kompetenz korrespondiert, die heißt: „Die LAA verfügen über einen Orientierungsrahmen<br />
in ihrem Berufsfeld.“<br />
Wie lassen sich nun die mehr oder weniger eindeutigen Persönlichkeitsmerkmale im Seminar thematisieren.<br />
Kann man sie überhaupt „entwickeln“? Die Antwort ist schwierig, denn:<br />
• Trotz der angedeuteten Persönlichkeitsmerkmale verbleiben Unklarheiten (Ist es etwa ein<br />
Persönlichkeitsmerkmal, wenn eine Lehrkraft z. B. „burschikos“ ist bzw. soll daran gearbeitet<br />
werden? Ist das ein ähnlicher Fall, wie wenn jemand ständig zu leise spricht?).<br />
• Es bleibt ebenso unklar, in welchem Maße und in welche Richtung eine Änderung gewünscht<br />
wird.<br />
• Es gibt keine Maßstäbe, außer einem „gewöhnlichen Maß“, und keine rechte Legitimation für<br />
eine anzustrebende Merkmalsentwicklung.<br />
• Die Einflussnahme kann nur an der Oberfläche (Lehrerverhalten) ansetzen, ohne dass damit<br />
tatsächlich die Persönlichkeit getroffen werden mag.<br />
Diesen Einschränkungen steht entgegen, dass bei Unterrichtsbeobachtungen sehr wohl ein hohes<br />
Maß an übereinstimmenden Beobachtungsbewertungen vorliegt, z. B., dass jemand zu nachsichtig<br />
sei oder zu beliebig oder dass er zu einschränkend und dominant sei. All dies kann sich wiederum<br />
nur am Verhalten ablesen lassen. Das Lehrerverhalten ist –zunächst scheinbar unabhängig von<br />
der Persönlichkeit– der einzige mögliche Zugang zur hier vorliegenden Thematik. Dies würde als<br />
Folge haben, dass für bestimmte Situationen, Momente, Herangehensweisen, Reaktionen, Handlungen<br />
usw. ein Verhaltenstraining das Mittel der Wahl wäre. Über die Richtung, in der die anzustrebende<br />
Veränderung liegen muss, muss aber bei allen Beteiligten Einigkeit bestehen. Im Seminar<br />
wird in diesem Sinne z. B. mit Gesprächssimulationen (Lehrer-Elterngespräche) gearbeitet.<br />
Hier kann man sehr deutlich herausstellen, was geht und was weniger gut geeignet ist. Man kann<br />
dabei etwa zeigen, wohin eine bestimmte Gesprächsstrategie führt. Am Ende bleibt aber die<br />
Frage, ob damit ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung geleistet wurde – vermutlich nicht. Der<br />
Ausweg aus diesem Dilemma könnte darin bestehen, den Positiv-Katalog von Lehrerpersönlichkeiten<br />
(siehe oben) mit Merkmalsausprägungen zu versehen. Also etwa die Frage zu stellen, woran<br />
abzulesen ist, dass jemand reflexive Distanz zu seinem Verhalten hat oder ob er kindzugewandt<br />
agiert. Die Gefahr dieser Vorgehensweise liegt aber in der Normierung. Zudem: Nehmen wir<br />
an, jemand spricht zumeist sehr leise und dies wird auf eine zurückhaltende Persönlichkeit zurückgeführt.<br />
Ändert sich diese, wenn man den Betreffenden bewegen könnte, lauter zu sprechen?<br />
Wenn man es aber schaffen könnte, dass er (dennoch) zumindest lauter spräche, so wäre dies der<br />
kleine Spielraum, in dem die Seminararbeit wirken könnte.<br />
Wie man sieht, scheint nichts passgenau geeignet zu sein, die Problematik im Seminar sinnvoll<br />
umzusetzen. Ein Ansatz könnte darin bestehen, offensichtliche Defizite, und nur diese, stärker zu<br />
fokussieren. Dann müsste z. B. bei Unterrichtsbesuchen die Lehrerrolle deutlicher thematisiert<br />
werden, wie oben schon angesprochen: Welcher Stil wurde gepflegt, war das beabsichtigt, wohin<br />
führte das usw.? Möchte man tatsächlich Entwicklungen anstoßen, so reichte ein Aufmerksammachen<br />
oder ein Hinweis, eine Literaturbearbeitung der dergl. nicht aus. Hier müssten echte Erprobungen<br />
mit entsprechenden Wiederholungen eingesetzt werden. Es wäre an eine Art Inszenierung<br />
zu denken, die jeweils erneut zu erproben wäre. <strong>Neu</strong>bert (2004) hat in seinem „Lehrkompetenzenstern“<br />
sechs Hauptfelder zur Bestimmung des guten Lehrers ausgewiesen, von denen vier<br />
(neben der Fach- und der didaktisch-methodischen Kompetenz) deutlich auf die Lehrerpersönlichkeit<br />
zielen. Es sind:<br />
• menschliche Souveränität mit Wissen über sich selbst, Distanz von sich selbst und Sorge<br />
um sich selbst<br />
Seite 29
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
• Lebendigkeit mit Begeisterungsfähigkeit, Unterhaltsamkeit und Fröhlichkeit<br />
• kommunikative Kompetenz mit Präsenz, Ermutigung und freundlichem Umgang<br />
• Führungskompetenz mit Führung des Unterrichts, Führung des Schülers und institutioneller<br />
Führung<br />
Er will damit der „nach PISA grassierenden Planungs- und Kontrollmentalität, in der vorrangig die<br />
erfolgskontrollierte Zurichtung von Unterricht im Vordergrund steht …“ die Perspektive entgegensetzen,<br />
die sich der „ästhetisch-sinnlichen Mikrostruktur des Unterrichts“ widmet (S. 44). Dies vollzieht<br />
sich in den Handlungsräumen von Szene, Auftritt und Darstellung. Auch dies könnte ein Ansatzpunkt<br />
für die Arbeit im Seminar sein. Die Frage ist, wie man die im Text bisher genannten<br />
Punkte seminarbezogen aufgreifen und bearbeiten könnte, wobei vermutlich weniger das Problem<br />
des Was als vielmehr das des Wie zu lösen wäre. Es wird nicht ausreichen, explizit auf die Bedeutung<br />
der Lehrerrolle aufmerksam zu machen. Als wichtigste Möglichkeit wird hier die Thematisierung<br />
im Zusammenhang mit durchgeführten Unterricht gesehen, eventuell mit einer Filmaufnahme<br />
gekoppelt. Zur Entwicklung bzw. Beförderung der Entwicklung einer Lehrerpersönlichkeit<br />
wird dieser dünne Zugang aber nicht ausreichen, denn Kennzeichen der Lehrerpersönlichkeit ist<br />
es ja, sich in vielfältigen Schulsituationen bewähren zu müssen. Hier wäre daran zu denken, die<br />
Beurteilungen der Schulleitungen – soweit sie sich auf dieses Gebiet erstrecken – mit den Referendaren<br />
stärker zu thematisieren und sie vielleicht sogar in entsprechenden Gesprächsrunden zu<br />
diskutieren. Woher dazu die Ressourcen kommen sollen, ist aber unklar. Möglicherweise geht das<br />
Seminar zu wenig auf die Anwärter mit diesem Anliegen zu, indem es zumeist den gegenwärtigen<br />
Stand der Dinge feststellt, aber weniger mit den Anwärtern ins persönliche Gespräch über die Eigenwahrnehmung<br />
kommt. Die ganze Dramatik der Sachlage kann bei schwersten Disziplinproblemen<br />
zum Ausdruck kommen. Wie gehen die Einzelnen damit um? Wie passen die Strategien zur<br />
Bewältigung zur Person? Für diesen Bereich gibt es sehr wohl Programme zum Verhaltenstraining<br />
– aber eben zum Verhalten, nicht zur Persönlichkeitsentwicklung.<br />
Solange man nicht genau weiß, was eine Persönlichkeit ausmacht und ob sie überhaupt zugänglich<br />
und flexibel ist, kann man auch nicht wissen, wohin sie sich entwickeln soll. Man spricht gelegentlich<br />
von „gefestigten“ Persönlichkeiten oder von „integeren“. Denkt man darüber nach, was<br />
das ist, gerät man schon wieder in den Treibsand. Diese Facette der Persönlichkeit hängt wiederum<br />
enger mit den Vorstellungen von Werten zusammen, ebenfalls ein möglicher Zugang zur<br />
Thematik. Hier ließen sich Selbsteinschätzungstabellen nutzen, über die man mit den Referendaren<br />
ins Gespräch kommen kann. Zu dieser Thematik verwenden wir im Seminar das modellartige<br />
Vollbild eines geradlinigen, gerechten, ehrlichen, seriösen, unbestechlichen Menschen (die Liste<br />
ließe sich fortsetzen). Alle sind sich einig darüber, dass dies wünschenswert und der Idealfall ist.<br />
Die Teilnehmer werden dann mit einer Wortliste deutscher Verben konfrontiert, von denen es in<br />
unserer Sprache nur so wimmelt, und die sich alle an der Schnittstelle von „noch geduldet (?) zu<br />
kriminell“ befinden. Dann kann sich jeder einordnen und sich fragen, ob er so (schlecht) noch nie<br />
gehandelt hat. Auch hier gilt allerdings: Ob das einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leistet,<br />
bleibt im Verborgenen.<br />
Literatur<br />
Gröschel, H.: Forderungen und Wünsche an die Lehrerpersönlichkeit. In: Die Bedeutung der<br />
Lehrerpersönlichkeit für Erziehung und Unterricht (Hrsg. Gröschel, H.) München: Ehrenwirth 1980.<br />
Kubli, F.: Interesse und Verstehen in Physik und Chemie. Köln: Aulis Deubner 1987.<br />
<strong>Neu</strong>bert, H.: Lehrkompetenzen, Dramaturgie und Unterrichtsentwicklung. In: Unterrichtsentwicklung<br />
– zum Stand der Diskussion (Hrsg. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren)<br />
Bern 2004.<br />
Sacher: Muß der Lehrer eine Persönlichkeit sein? In: Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für<br />
Erziehung und Unterricht (Hrsg. Gröschel, H.) München: Ehrenwirth 1980.<br />
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Hrsg.): Handbuch Vorbereitungsdienst.<br />
Berlin 2011.<br />
Seite 30
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Speck, O.: Chaos und Autonomie in der Erziehung. München/Basel: Reinhardt 1991.<br />
Zimbardo, P.G./Gerrig, R.J.: Psychologie. München usw.: Pearson 2008 18 .<br />
Dr. Bernd Oehmig,<br />
Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Treptow-Köpenick (L)<br />
Die Lehrerpersönlichkeit im Berliner Vorbereitungsdienst<br />
Eine Umfrage unter Seminarleitern und Lehramtsanwärtern*<br />
*Aus Gründen der Lesbarkeit wird durchgängig die männliche Form verwendet.<br />
Gleichermaßen gelten die Ausführungen selbstverständlich auch für Frauen!<br />
„Die Physiotherapieforschung hat längst gezeigt, was sich in der Pädagogik erst noch herum-sprechen<br />
muss: Es kommt nicht auf die Technik an, sondern darauf, ob Therapeut und Klient miteinander<br />
klar kommen. Tun sie das, geschieht etwas in der Therapie; ist dies nicht der Fall, geschieht<br />
nichts, d.h. findet kein Umlernen, keine <strong>Neu</strong>orientierung, keine Heilung statt.“ (Spitzer, M.: Lernen.<br />
Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg 2009, S. 412).<br />
Im Rahmen der Einführungswoche erstelltes Plakat<br />
von Lehramtsanwärtern zur Frage:<br />
„Wie sieht für Sie der „perfekte` Lehrer aus?“<br />
Wie auch immer man diesem Zitat gegenübersteht,<br />
eines ist in der Bildungsforschung unumstritten:<br />
Die Lehrerpersönlichkeit nimmt eine<br />
Schlüsselposition im Schulleben ein. Allerdings<br />
ist der Begriff schwer abgrenzbar und jeder von<br />
uns hat eine ganz eigene Vorstellung, was sich<br />
hinter dem Wort verbirgt.<br />
Fragt man Seminarleiter und Lehramtsanwärter,<br />
welche Merkmale eine „perfekte“ Lehrkraft haben<br />
muss, dann wird in der Regel eine Vielzahl von<br />
Eigenschaften aufgezählt. Die Bandbreite reicht<br />
von A wie „attraktiv“ bis Z wie „zielstrebig“.<br />
Aber kein Lehramtsanwärter und auch kein Ausbilder<br />
erfüllen alle Eigenschaften in gleichem<br />
Maße. Der eine glänzt besonders durch sein<br />
strukturiertes Vorgehen und verschafft sich durch<br />
sein konsequentes Handeln Respekt und Anerkennung<br />
bei den Schülern. Der andere hat immer<br />
„ein offenes Ohr“ und kann vor allem mit seiner<br />
authentischen und humorvollen Art und Weise<br />
die Schüler in seinen Bann ziehen.<br />
Das Ziel der Umfrage war es herauszufinden,<br />
• welche Eigenschaften für den Beruf eines Lehrers unabdingbar sind,<br />
• welche Bedeutung die Persönlichkeit für den Lehrerberuf hat,<br />
• welchen Stellenwert das Thema im Vorbereitungsdienst hat und<br />
• welchen Einfluss die Ausbilder auf die Lehrerpersönlichkeit haben.<br />
Dazu wurden im Juni 20<strong>13</strong> Seminarleiter und Lehramtsanwärter des L- und S-Bereichs mit Hilfe<br />
eines Fragebogens (siehe Anhang) befragt. Insgesamt haben sich 10 Seminarleiter und 69 Lehramtsanwärter<br />
beteiligt, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. In diesem Zu-<br />
Seite 31
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
sammenhang muss ausdrücklich betont werden, dass es sich bei der Befragung lediglich um einen<br />
ersten Ansatz handelt, im Vorbereitungsdienst tätige Personen zum Thema Lehrerpersönlichkeit<br />
zu befragen. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass die Umfrage – insbesondere die Anzahl der<br />
Befragten – nicht allen Gütekriterien empirischer Forschung entspricht. Allerdings denke ich, dass<br />
ein erster Einblick in Teilbereiche des Themas ermöglicht wird und hoffe, dass die Umfrage aufgegriffen<br />
und noch tiefgehender fortgesetzt wird.<br />
Die Ergebnisse der Befragung werden im Folgenden – vergleichend zwischen Seminarleitern<br />
und Lehramtsanwärtern – präsentiert und kurz analysiert.<br />
Auf die erste Frage, welches die vier wichtigsten Merkmale bzw. Eigenschaften sind, die eine<br />
gute Lehrerpersönlichkeit auszeichnen, ergibt sich folgende Reihenfolge:<br />
Seminarleiter<br />
Lehramtsanwärter<br />
1. fachkompetent<br />
2. empathisch<br />
3. engagiert<br />
4. belastbar<br />
1. fachkompetent<br />
2. empathisch<br />
3. konsequent<br />
4. fair<br />
außerdem genannt:<br />
5. konsequent<br />
6. transparent<br />
7. reflektierend<br />
8. diagnostizierend<br />
9. humorvoll<br />
10. verlässlich<br />
11. fair<br />
12. überzeugend<br />
<strong>13</strong>. demokratischen Werten verpflichtet<br />
außerdem genannt:<br />
5. flexibel<br />
6. verlässlich<br />
7. engagiert<br />
8. gelassen<br />
9. authentisch<br />
10. herzlich<br />
11. reflektierend<br />
12. distanziert<br />
<strong>13</strong>. transparent<br />
14. humorvoll<br />
15. belastbar<br />
Die Merkmale wurden alle in Adjektive umgewandelt (z.B. Empathie → empathisch) und Begriffe<br />
mit ähnlicher Bedeutung wurden unter einem Schlagwort zusammengefasst (z.B. wurden für „konsequent“<br />
auch die Begriffe „durchsetzungsstark“, „präsent“ oder „autoritär“ benutzt).<br />
Einig sind sich beide Seiten, dass Lehrkräfte in erster Linie fachkompetent und empathisch sein<br />
müssen. Beide Begriffe wurden mit deutlichem Abstand am häufigsten genannt. Viele der Befragten<br />
betonen unter dem Punkt „Begründung/Bemerkung“, dass Fachkompetenz allein nicht ausreicht,<br />
sondern immer auch die Beziehungsebene stimmen muss.<br />
Den Lehramtsanwärtern ist darüber hinaus Führungsstärke (meist wurden die Begriffe „Konsequenz“<br />
und „Durchsetzungskraft“ genannt) besonders wichtig. Anhand der Bemerkungen der<br />
Lehramtsanwärter wurde deutlich, dass dies mit der Unsicherheit zusammenhängt, von den<br />
Schülern nicht den gleichen Respekt entgegengebracht zu bekommen wie eine erfahrene Lehrkraft.<br />
Die Sorge vor Unterrichtsstörungen bzw. dem Verlust der Klassenführung sind ausschlaggebend<br />
für die große Bedeutung dieser Eigenschaft.<br />
Auffällig ist, dass die Begriffe „belastbar“ und „fair“ unterschiedlich stark gewichtet wurden. Seminarleiter<br />
zählen Belastbarkeit zu den vier wichtigsten Eigenschaften, was sicherlich mit der langen<br />
Berufserfahrung zusammenhängt und der Kenntnis, um die vielfältigen Aufgabenbereiche einer<br />
Lehrkraft. Lehramtsanwärter betonen dagegen mehr die Gerechtigkeit und Fairness, sind also besonders<br />
um ein harmonisches Klassenklima bemüht.<br />
Schwerpunkt des zweiten Punktes des Fragebogens ist die Bedeutung der Persönlichkeit für<br />
den Beruf des Lehrers. Dabei konnte auf einer Skala von 0 (= sehr niedrig) bis 10 (= sehr hoch)<br />
unterschieden werden.<br />
Seite 32
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Wie zu erwarten war, wird die Lehrerpersönlichkeit als bedeutend für den Lehrerberuf herausgestellt.<br />
Bei den Seminarleitern ergibt sich ein Durchschnittswert von 9,4, bei den Lehramtsanwärtern<br />
von 8,7.<br />
Als drittes sollte die Bedeutung des Themas im Rahmen des Vorbereitungsdienstes beurteilt<br />
werden. Dabei sollte zwischen dem Stellenwert im Allgemeinen Seminar, in den Fachseminaren<br />
und bei Unterrichtsbesuchen unterschieden werden. Wieder konnte auf einer zehnstufigen<br />
Skala unterschieden werden (0 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch).<br />
Es zeigt sich, dass die Lehrerpersönlichkeit am häufigsten bei Unterrichtsbesuchen angesprochen<br />
wird. Sowohl die Seminarleiter (Ø 6,8) als auch die Lehramtsanwärter (Ø 7,8) sind sich diesbezüglich<br />
einig. Dies überrascht wenig, da Aspekte der Lehrerpersönlichkeit gerade beim Unterrichten<br />
deutlich werden und im Anschluss an die gezeigte Stunde am besten besprochen werden können.<br />
Überraschender sind die unterschiedlichen Einschätzungen der Seminarbedeutung. Während die<br />
Seminarleiter der Ansicht sind, dass die Lehrerpersönlichkeit in ihrem Seminar deutlich häufiger<br />
behandelt wird (Ø 6,6) als in den Fachseminaren (Ø 4,3), sehen die Lehramtsanwärter das Verhältnis<br />
ausgeglichener. Dabei wird dem Allgemeinen Seminar weniger (Ø 5,7) und den Fachseminaren<br />
mehr (Ø 5,5) Bedeutung zugeschrieben. Eine Ursache für diese unterschiedliche Wahrnehmung<br />
besteht vermutlich in der ungenauen Abgrenzung des Begriffs „Lehrerpersönlichkeit“. Es ist<br />
nicht genau geklärt, welche Seminarinhalte dem Thema zugeschrieben werden können. Blickt man<br />
in das Handbuch Vorbereitungsdienst wird der Begriff „Lehrerpersönlichkeit“ lediglich einmal expli-<br />
Seite 33
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
zit erwähnt, nämlich unter „Mögliche Inhalte“ im Modul Unterrichten, Pflichtbaustein 1: Grundlagen<br />
des Lehrerberufes (vgl. Handbuch Vorbereitungsdienst, S. 30). Fasst man den Begriff sehr weit<br />
lassen sich fast alle Bausteininhalte dem Thema „Lehrerpersönlichkeit“ zuordnen.<br />
Der vierte Aspekt stellt die Ausbilder in den Mittelpunkt. Hier sollte der Einfluss der Seminarleiter,<br />
Fachseminarleiter und anleitenden Lehrer auf die Lehrerpersönlichkeit beurteilt werden. Erneut<br />
kam die zehnstufige Skala zum Einsatz (0 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch).<br />
Die Lehramtsanwärter schätzen die Einflussnahme ihrer Ausbilder grundsätzlich geringer ein als<br />
die Seminarleiter. Häufig wurde von den Befragten herausgestellt, dass viele Aspekte der Lehrerpersönlichkeit<br />
bereits mitgebracht werden und manches gar nicht beeinflussbar ist. Beide Gruppen<br />
sehen in den anleitenden Lehrkräften der Ausbildungsschulen die Personen mit der meisten Einflussnahme.<br />
Umso problematischer ist die Tatsache, dass immer weniger Lehramtsanwärtern anleitende<br />
Lehrer zur Seite stehen. Hier muss unbedingt wieder ein Umdenken stattfinden und die<br />
Schulen müssen Kapazitäten erhalten, um die Zusammenarbeit zwischen Lehramtsanwärtern und<br />
anleitenden Lehrkräften unterstützen zu können (z.B. durch Doppelsteckung oder Stundenabminderung).<br />
Zudem muss der Kontakt zwischen den (Fach-) Seminarleitern und den anleitenden Lehrern<br />
verbessert werden. Die anleitenden Lehrkräfte müssen noch stärker in den Ausbildungsprozess<br />
integriert werden (z.B. im Rahmen regelmäßiger Treffen aller Beteiligten).<br />
Die relativ geringe Einflussnahme der Seminarleiter hängt sicherlich auch damit zusammen, dass<br />
diese in den Unterrichtsprozess immer weniger eingebunden sind. Zwar wird in der Ausbildungsverordnung<br />
noch die „Durchführung von Unterrichtsbesuchen“ als eine Aufgabe der Seminarleiter<br />
genannt (vgl. § 10, Abs. 2, Pkt. 7 der VO VD), jedoch ist es jedem Seminarleiter freigestellt, in welchem<br />
Umfang dies geschieht. Da das Aufgabenfeld der Seminarleiter im Zuge der Modularisierung<br />
deutlich größer geworden ist, wird es für sie immer schwieriger, Unterrichtsbesuche durchzuführen.<br />
Wie sagten mir erfahrene ältere Kollegen: „Was nicht sein muss, muss nicht sein!“<br />
Hinzu kommt ein generelles Problem: Seminarleiter geben keinen Unterricht. Diese Regelung<br />
sollte meiner Ansicht nach überdacht werden. Warum sollen nicht auch Seminarleiter in einem begrenzten<br />
Umfang (z.B. zwei Stunden pro Woche) Unterricht geben (und auch mal zeigen)? Die<br />
Erfahrungen aus dem eigenen Unterricht sind für die Seminarleitertätigkeit unabdingbar. Immer<br />
wieder wird mir von den Lehramtsanwärtern bestätigt, dass gerade die vielen praktischen Beispiele<br />
geschätzt werden. Gibt man auf Dauer keinen Unterricht mehr, so verblassen die Erinnerungen<br />
und die Vorbildfunktion geht verloren bzw. ist auf wenige Aspekte beschränkt. Gerade wir Seminarleiter<br />
sollten am „Puls der Schüler“ bleiben!!!<br />
Seite 34
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Im letzten Teil des Fragebogens sollten die Seminarleiter und Lehramtsanwärter Vorschläge<br />
unterbreiten, wie das Thema „Lehrerpersönlichkeit“ im Rahmen des Vorbereitungsdienstes mehr<br />
Gewicht erhalten kann. Im Folgenden ein Überblick über die Vorschläge, die zur besseren Übersicht<br />
kategorisiert wurden:<br />
Seminarleiter<br />
Lehramtsanwärter<br />
- Grundvoraussetzungen:<br />
∙ Wertschätzung und Respekt gegenüber<br />
den Lehramtsanwärtern<br />
∙ Ausbilder haben Vorbildfunktion<br />
- Lehramtsanwärter:<br />
∙ Eignungstests für angehende Lehrer<br />
einführen (möglichst vor dem Studium)<br />
∙ Kritikfähigkeit der Lehramtsanwärter fördern<br />
- Ausbilder:<br />
∙ Beachtung der Sozialkompetenz als<br />
wesentliches Kriterium bei der Auswahl<br />
von Seminar- und Fachseminarleitern<br />
∙ engere Zusammenarbeit mit anleitenden<br />
Lehrkräften anstreben<br />
- Seminargestaltung:<br />
∙ Kommunikation als verpflichtendes<br />
Schwerpunktthema festsetzen<br />
∙ Klassenführungskompetenz mehrfach im<br />
Seminar zum Thema machen<br />
∙ Fallstudien und Rollenspiele zu Themen<br />
wie Klassenmanagement, Leitung einer<br />
Klassenkonferenz oder eines Elternabends<br />
durchführen<br />
∙ Videosequenzen von Unterricht analysieren<br />
- Beratung:<br />
∙ regelmäßige kollegiale Fallberatung als<br />
Pflichtveranstaltung festlegen<br />
∙ professionelle Coachingangebote für Lehramtsanwärter<br />
mit spezifischen Beratungsbedarfen<br />
ermöglichen (ggf. Einbindung von<br />
Psychologen)<br />
- Grundvoraussetzungen:<br />
∙ unterschiedliche Lehrertypen akzeptieren<br />
(nicht bestimmten Lehrertyp verlangen)<br />
∙ Ausbilder müssen Vorbilder sein<br />
- Lehramtsanwärter:<br />
∙ Evaluation durch Schüler mehr nutzen<br />
∙ eigene Unterrichtsmitschnitte ins Seminar<br />
mitbringen und auswerten lassen<br />
- Ausbilder:<br />
∙ Fachseminarleiter sollen mehr Stunden<br />
zeigen<br />
∙ bei der Gutachtenerstellung stärker die<br />
Lehrerpersönlichkeit berücksichtigen<br />
(Positives/Negatives mehr herausstellen)<br />
- Seminargestaltung:<br />
∙ Thema nicht nur in der Einführungswoche<br />
behandeln, sondern öfter aufgreifen<br />
∙ Aspekte der Lehrerpersönlichkeit definieren<br />
(Was heißt z.B. Fairness?)<br />
∙ unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten<br />
analysieren und beurteilen<br />
∙ Einbindung von Unterrichtsvideos<br />
∙ praktische Übungen (z.B. Rollenspiele)<br />
verstärken<br />
∙ Rhetorikseminare einführen<br />
- Beratung:<br />
∙ bei Unterrichtsbesuchen Persönlichkeitsaspekte<br />
offen ansprechen<br />
∙ videogestützte Feedbacks einsetzen<br />
∙ Gruppenhospitationen mit dem Schwerpunkt<br />
Lehrerpersönlichkeit ermöglichen<br />
∙ begleitende Supervision anbieten<br />
Seite 35
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
ANHANG<br />
Fragebogen zur Lehrerpersönlichkeit<br />
· Begründungen bzw. Bemerkungen zu den jeweiligen „Fragen“ wären hilfreich!<br />
∙ Bei den „Fragen“ 2, 3 und 4 bedeutet die Zahl 10 „sehr hoch“, die Zahl 0 „sehr niedrig“!<br />
Nennen Sie die Ihrer Meinung nach vier wichtigsten Merkmale/Eigenschaften, die eine gute<br />
Lehrerpersönlichkeit auszeichnen!<br />
1. _________________________________ 2. _________________________________<br />
3. _________________________________ 4. _________________________________<br />
Begründung/Bemerkung zu 1.:<br />
Beurteilen Sie, welche Bedeutung Ihrer Meinung<br />
nach die Lehrerpersönlichkeit im Gesamtrahmen<br />
des Berufsfeldes „Lehrer“ hat!<br />
Bitte ankreuzen<br />
Begründung/Bemerkung zu 2.:<br />
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />
Beurteilen Sie, welchen Stellenwert das Thema<br />
Lehrerpersönlichkeit im Vorbereitungsdienst hat!<br />
Unterscheiden Sie dabei den Stellenwert:<br />
a) im Allgemeinen Seminar Bitte ankreuzen<br />
b) in den Fachseminaren Bitte ankreuzen<br />
c) bei Unterrichtsbesuchen Bitte ankreuzen<br />
Begründung/Bemerkung zu 3.:<br />
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />
Beurteilen Sie, welchen Einfluss die Ausbilder/innen<br />
auf die Lehrerpersönlichkeit der Lehramtsanwärter(-innen)<br />
haben. Unterscheiden Sie<br />
dabei den Einfluss:<br />
a) der Seminarleiter(innen) Bitte ankreuzen<br />
b) der Fachseminarleiter(innen) Bitte ankreuzen<br />
c) der anleitenden Lehrer(innen) Bitte ankreuzen<br />
Begründung/Bemerkung zu 4.:<br />
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />
Machen Sie Vorschläge, wie das Thema „Lehrerpersönlichkeit“ im Rahmen des Vorbereitungsdienstes<br />
mehr Gewicht erhalten könnte!<br />
VIELEN DANK!!!<br />
Jörg Textor,<br />
Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Tempelhof-Schöneberg (S)<br />
Seite 36
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Lehrerpersönlichkeit?<br />
– eine Annäherung –<br />
Dies ist ein Beitrag über die Lehrerpersönlichkeit aus der Praxis. Beim Schreiben musste ich mich<br />
immer wieder ermahnen, nicht in die Diskussion der Didaktik und der uns allen so nahe liegenden<br />
Frage „Was ist guter Unterricht?“ einzusteigen. Auch die vielfältigen Aufgaben und die Rolle des<br />
Lehrers im Schulwesen lenkten meinen Blick von der „kleinen“ Frage „Verfüge ich über eine<br />
Lehrerpersönlichkeit?“ immer wieder ab. Mein Anliegen ist es, sich der Lehrerpersönlichkeit aus<br />
der Sicht der Praxis zu nähern.<br />
Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die hiermit verbundene Subjektivität Anlass zur Kritik und<br />
erweiterter Nachfrage darstellt. Dies ist aber keinesfalls ein Aspekt, der tendenziell zu vermeiden<br />
wäre, ganz im Gegenteil: Gerade die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit der oben<br />
aufgezeigten Frage ist Teil des Prozesses der in unserer Ausbildung vermittelt werden muss. Es<br />
ist, um einen Teil der Ergebnisse vorwegzunehmen, ein Kernpunkt dessen, was eine „gute Lehrer-<br />
Persönlichkeit“ ausmacht.<br />
Nun aber wirklich aus der Praxis:<br />
• Bin ich für den Lehrerberuf geeignet?<br />
• Verfüge ich über eine geeignete Lehrerpersönlichkeit?<br />
• Wie wirke ich in meinem Unterricht?<br />
• Kann ich das Unterrichten lernen?<br />
Diese Fragen eines Lehramtsanwärters, der sich erst seit einer Woche bei mir im Vorbereitungsdienst<br />
befand, schlüssig zu beantworten, forderten mich einmal wieder auf, mich mit der Thematik<br />
„Lehrer-Persönlichkeit“, „Lehrerbild“ und „guter Unterricht“ zu beschäftigen. Den Fragen folgte<br />
dann zeitnah ein Unterrichtsbesuch.<br />
Was konnte ich dort beobachten? Ich sah einen Unterricht, der sicherlich handwerklich zu verbessern<br />
war. Gleichzeitig aber sah ich einen jungen Menschen, der sich seiner Lerngruppe gegenüber<br />
zugewandt und respektvoll verhielt, der Offenheit und Verständnis für die Jugendlichen mitbrachte,<br />
der Einsatzbereitschaft, Engagement, Freude und Interesse am Unterrichten zeigte, der den Unterricht<br />
führte und der gleichzeitig fördernd, individuell unterstützend und lernbegleitend tätig war, der<br />
fachlich kompetent und menschlich authentisch wirkte und dennoch Distanz zur Lerngruppe<br />
wahrte. Ein langer Satz mit vielen Facetten und sicher noch um vieles zu erweitern.<br />
Nach meiner Ansicht war es dem Studienreferendar gelungen, mit den Schülern ein Arbeitsbündnis<br />
auf sozial-kommunikativer Ebene aufgrund seiner Lehrerpersönlichkeit herzustellen. Kann ich<br />
ihm nun seine Fragen, seine Anliegen beantworten? Verfügt er über eine Lehrerpersönlichkeit?<br />
Was bleibt, was ich ihm sagen kann? Was sind Kriterien für eine gute Lehrerin/einen guten Lehrer?<br />
Bildungstheoretiker, Pädagogen, <strong>Neu</strong>rowissenschaftler, Didaktiker, Psychologen u. v. a. m. haben<br />
sich der Thematik „Was ist eine gute Lehrerin?/Was ist ein guter Lehrer?“ ausführlich gewidmet.<br />
Durch viele Publikationen und zuletzt durch die Hattie-Studie ist die Frage nach der Rolle der<br />
Lehrkraft im Unterricht und hiermit einhergehend die der Lehrerpersönlichkeit wieder stärker ins<br />
Zentrum der bildungspolitischen Diskussion gerückt. Ich möchte nicht den Blick der Theoretikerin<br />
auf die Lehrerpersönlichkeit werfen, sondern den der Ausbilderin von Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärtern<br />
in der zweiten Phase ihrer Ausbildung.<br />
Was macht also eine gute Lehrerin/einen guten Lehrer aus? Es sind zum einen und unbestritten<br />
die handwerklichen Faktoren des Unterrichtens, wie z. B. das Wissen über die Inhalte und deren<br />
didaktische Aufbereitung und Realisierung im Unterricht und die Rolle der Lehrkraft hierbei. Zum<br />
anderen sind es die Persönlichkeitsfaktoren der Lehrperson, die aus meiner Sicht deutlich schwieriger<br />
zu bestimmen sind.<br />
Seite 37
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
„Die Persönlichkeit des Lehrers ist vielleicht die wichtigste, zugleich aber auch die komplizierteste<br />
Variable im Unterricht.“( K. Ingenkamp u. a., Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik)<br />
Der Beruf des Lehrers erfordert vielseitige Kompetenzen. Neben dem fachlichen Wissen und Können<br />
sind das u. a.: Beziehungskompetenz (z. B. Verständnis und Umgang mit unterschiedlichen<br />
Schülerpersönlichkeiten, Teamfähigkeit und Kooperation im Kollegium, Diplomatie im Umgang mit<br />
unterschiedlichen Personengruppen), personelle Kompetenz (z. B. Authentizität, persönliche Präsenz<br />
und Ausstrahlung, Belastbarkeit, Stabilität, Engagement, Selbstbewusstsein, Entscheidungsfreudigkeit)<br />
und erzieherische Kompetenz (z. B. Grenzen setzen, Führung im Unterricht, Strukturierung,<br />
Durchsetzungsfähigkeit).<br />
Mit den Standards für die Lehrerbildung sieht die Kultusministerkonferenz (KMK) es als zentrale<br />
Aufgabe an, die angestrebten Kompetenzen für die gesamte Ausbildung und für die Berufspraxis<br />
anzufordern und somit die Qualität schulischer Bildung zu sichern. In einer gemeinsamen Erklärung<br />
der KMK mit den Bildungsgewerkschaften, heißt es: “Lehrerinnen und Lehrer sind Experten<br />
für Unterricht und Erziehung. Angesichts veränderter gesellschaftlicher Bedingungen und des<br />
weiter gefassten schulischen Auftrages verstehen sie sich zunehmend auch als Teil eines personalen<br />
Netzwerkes, das immer häufiger getragen wird durch Kommunikation und Kooperation von<br />
Lehrerinnen und Lehrern zum Beispiel mit Schulsozialarbeitern, Sozialpädagogen, Psychologen<br />
sowie mit Eltern und Wissenschaftlerinnen. Vor diesem Hintergrund ist die Einbeziehung neuer<br />
Elemente in das bestehende Berufsbild unverzichtbar“. (Gemeinsame Erklärung der Bildungs- und<br />
Lehrergewerkschaften und der Kultusministerkonferenz vom 19. Okt. 2006, Fördern und Fordern).<br />
Hieraus ergibt sich für die Ausbildung von Lehramtsanwärtern, dass es nicht die gute Lehrerin/den<br />
guten Lehrer gibt. “Eine gewisse Hingabe und Identifikation mit der Aufgabe spielt (…) eine Rolle.<br />
Nicht das Maß an Strenge oder Liberalität entscheidet darüber, ob ein Unterricht gut ist, sondern<br />
die Frage, ob die Lehrkraft Kontakt mit den Schülern herstellen und ihre Aufmerksamkeit binden<br />
kann.“ (Joachim Bauer, Lob der Schule).<br />
Aus meinen jahrelangen direkten und indirekten Unterrichtserfahrungen mit Schülern und Lehramtsanwärtern<br />
habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass Menschen mit Beziehungs- und Kommunikationsschwächen<br />
häufig große Probleme haben, den Beruf der Lehrerin/des Lehrers für sich<br />
zufriedenstellend auszufüllen. Das heißt keinesfalls, dass hier eine Normung in Bezug auf Typ,<br />
Stimmung oder Verhalten intendiert wird. Gute Lehrerinnen/gute Lehrer sind eben gerade so unterschiedlich<br />
wie Menschen dies nur sein kann. Was guten Lehrern aber gemeinsam ist, ist die<br />
Fähigkeit offen zu kommunizieren, sich dem Blick und dem Urteil anderer zu stellen und die Fähigkeit<br />
sich hieraus weiter zu entwickeln. Der Lehrerberuf balanciert zwischen dem Einbringen der<br />
eigenen Persönlichkeit und dem professionellem Handeln. „Schüler brauchen Lehrer, die auch<br />
Gefühle zeigen können, die sich für eine Sache begeistern und an etwas (…) freuen können. Zugleich<br />
sollen Lehrkräfte klare Grenzen setzen und notfalls nachdrücklich auf deren Einhaltung bestehen<br />
können, damit Schülerinnen und Schüler spüren, wann sie erreicht sind. Die Gabe im Beruf<br />
echt und authentisch zu sein, erhöht nicht nur die pädagogische Ausstrahlung, sie ist zugleich<br />
auch ein die eigene Gesundheit erhaltender Faktor.“ (Joachim Bauer, Lob der Schule).<br />
Wenn ich über diese oben aufgeführten Kompetenzen als Lehrkraft verfüge, dann bin ich ein „guter“<br />
Lehrer und verfüge über Lehrerpersönlichkeit?<br />
Lehrer sein ist mehr als die angelernten und angewendeten Methodiken für den durchgeplanten<br />
Unterricht, also nicht in erster Linie ein handwerklicher Begriff von Professionalität. Der Unterricht<br />
braucht Persönlichkeiten, die über Beziehungs-, Zuwendungs-, Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft<br />
verfügen. Darüber hinaus benötigt die Lehrkraft: Identifizierung mit dem Beruf, Respekt<br />
vor den Schülern, Überzeugung und Authentizität, Aufrichtigkeit – Persönlichkeit.<br />
Was bleibt nun für meinen Lehramtsanwärter? Er hat Spaß und Freude anderen Menschen fachliche<br />
Inhalte zu vermitteln, er findet seine Schüler interessant und begegnet ihnen auf Augenhöhe,<br />
er kommt mit unterschiedlichen Persönlichkeiten in seinem Unterricht klar und reflektiert diesen. Er<br />
Seite 38
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
befindet sich in der Ausbildung und im Zusammenspiel der vielen Faktoren, die Unterricht bedingen<br />
und die erlernbar sind. Er setzt sich nunmehr damit auseinander, dass Lehrer sein und Lehrer<br />
werden viel mehr ist als bloße Wissensvermittlung, Methodik und Didaktik.<br />
Auch für ihn wird es unumgänglich sein sich über seine Lehrerpersönlichkeit und seine Motivation,<br />
die dazu geführt hat, Lehrer zu werden und später zu sein, immer wieder erneut Klarheit zu verschaffen,<br />
um in der Ausführung des Lehrerberufs nicht nur Spaß, sondern auch Erfolg und Zufriedenheit<br />
zu erlangen. Und so ist über die Vermittlung von Wissen hinaus die Vermittlung von Werten<br />
entscheidend, die - wie kaum an anderer Stelle in unserer Gesellschaft - durch die Haltung<br />
dem eigenen Beruf gegenüber - in der Freude am lebenslangen Lernen und der ebenso langen<br />
Entwicklung der eigenen Persönlichkeit seinen Ausdruck findet.<br />
Quellenverzeichnis<br />
• Bauer, Joachim (2007): Lob der Schule. 1. Aufl., Hoffmann und Campe<br />
• Gemeinsame Erklärung der Bildungs- und Lehrergewerkschaften und der Kultusministerkonferenz<br />
vom 19. Okt. 2006, Fördern und Fordern<br />
• Helmke, Andreas (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze<br />
• Ingenkamp, Karlheinz u. a. (2008): Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik. 6. Aufl., Beltz-<br />
Verlag Weinheim und Basel<br />
• Meyer, Hilpert & Köller, Olaf (20<strong>13</strong> Sommer-Uni Berlin): Was ist eine gute Lehrerin? Was ist ein<br />
guter Lehrer?. Cornelsen Stiftung, Lehren und Lernen<br />
• Roth, Gerhard (2011): Bildung braucht Persönlichkeit; Wie Lernen gelingt. 3. Aufl., Klett-Cotta<br />
• Schelten, Andreas (2009): Lehrerpersönlichkeit – ein schwer fassbarer Begriff; In: Die<br />
berufsbildende Schule 61/2, S. 39-40<br />
Marlis Ziegler,<br />
Leiterin des 7. Schulpraktischen Seminars Steglitz-Zehlendorf (S)<br />
Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit im Rahmen der schulischen<br />
Ausbildung<br />
Ein empirischer Erfahrungsbericht<br />
0 Vorbemerkungen<br />
Der folgende Artikel soll ein mögliches Modell erläutern, wie sich Referendare 2 in der Zeit der<br />
schulischen Ausbildung in ihrer Lehrerpersönlichkeit entwickeln können. Polarisierend ließe sich<br />
die momentane Situation der Zweiten Ausbildungsphase in der Berliner Schule so darstellen, dass<br />
Referendare als vollwertige Lehrer eingesetzt werden und dass für ihre Ausbildung in der Schule<br />
keine zeitlichen Reserven sowie fachlich qualifizierte Mentoren zur Verfügung stehen. Der Referendar<br />
hat Unterricht zu erteilen und Lehrproben zu absolvieren, an denen die Schulleitung teilnimmt<br />
(oder auch nicht). Der Referendar kann sich – wie ein erfahrener Lehrer – zwar mit Kollegen<br />
austauschen, aber unter diesen Bedingungen kann man nicht von einer „Ausbildungsphase“ sprechen.<br />
Noch kritischer ist das Berufsbegleitende Referendariat zu sehen, bei dem der Referendar<br />
noch weniger Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts als „Anfänger“ hat und fast keine<br />
2 Für eine bessere Lesbarkeit werden in diesem Artikel nur die maskulinen Formen verwendet. Deren Gebrauch bezieht sich<br />
selbstverständlich auch auf die weiblichen Vertreter.<br />
Seite 39
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
zeitliche Möglichkeit zum Hospitieren besteht, um sich Anregungen für die eigene Unterrichts- und<br />
Erziehungsarbeit zu holen.<br />
1 Lehrerpersönlichkeit und Ausbildungsschule<br />
Referendare kommen als Persönlichkeiten in die Schule. In der zweiten Phase der Lehrerausbildung<br />
gilt es jedoch, aus diesen Persönlichkeiten Lehrer-Persönlichkeiten zu entwickeln. Über die<br />
unterschiedlicher Motivation, Lehrer zu werden, soll hier nicht näher nachgedacht werden – wir alle<br />
wissen, dass das Feld vom „kindlichen Lebenstraum“ über das ausgeprägte (wissenschaftliche)<br />
Interesse an mindestens einem der gewählten Fächer bis hin zur „Verlegenheitslösung“ reicht.<br />
Diese unterschiedliche Motivation zeigt sich deutlich in der Persönlichkeit des jeweiligen Referendars,<br />
die bereits während des ersten Zusammentreffens recht deutlich zutage tritt.<br />
Grundsätzlich trägt m.E. die schulische Ausbildung einen großen Anteil daran, wie sich die Referendare<br />
in den (noch?!) zwei Jahren in ihrer Ausbildungsschule entwickeln. Der jeweiligen Ausbildungsschule<br />
kommt in dieser Phase aus zwei Gründen eine große Verantwortung zu: Zum einen<br />
gilt es, die bisher investierte Zeit und Kraft der Referendare in ihre fachliche Ausbildung nicht zunichte<br />
zu machen; zum anderen sollen die von uns ausgebildeten Referendare gute Lehrer werden,<br />
täglich guten Unterricht erteilen und letztendlich mit ihrem gewählten Berufsweg zufrieden<br />
sein. Nur so haben die zukünftigen Lehrer die Chance, sich mit ihrem Beruf und den daraus resultierenden<br />
vielfältigen Aufgaben zu identifizieren, Begeisterung zu zeigen und zu übertragen und<br />
somit bei den Schülern Interesse für ihr Fach/ihre Fächer und darüber hinaus für den allgemeinen<br />
Lernprozess und die Wissensaneignung zu erzielen. Dass die „Sympathie“ für einen Lehrer die<br />
Motivation und das Interesse für ein Fach bestimmt, ist nicht abzustreiten.<br />
Aus den Erfahrungen meiner Arbeit in den letzten fünf Jahren an einer Schule, in der jährlich etwa<br />
20 Referendare lehren und gleichzeitig ausgebildet werden, ist zu erkennen, dass sich investierte<br />
Zeit und Kraft lohnen, dass sich Lehrerpersönlichkeiten formen bzw. verändern (lassen) und dass<br />
wir die meisten unserer Referendare leider „ziehen lassen“ müssen. Dies beruht in den meisten<br />
Fällen auf Gegenseitigkeit, denn in vielen Gesprächen in Fach- und Hauptseminaren vergleichen<br />
unsere Referendare immer wieder ihre Situation mit der anderer und äußern ihre Zufriedenheit mit<br />
ihrer Ausbildungsschule, mit den Entwicklungsmöglichkeiten, die sie haben, über die Betreuung,<br />
die wir organisieren, und die pragmatischen Lösungen bei der Organisation von Lehrproben.<br />
Dies alles funktioniert nur, wenn ein Grundkonzept der schulischen Ausbildung vorhanden ist,<br />
konsequent umgesetzt und natürlich weiter entwickelt wird. Dabei gilt als oberste Prämisse, dass<br />
die Ausbildungszeit an der Schule als „Versuchs- und Probierphase“ angesehen werden muss, die<br />
durch ausgebildete Lehrer und die Schulleitung beobachtet, analysiert und ausgewertet und (gegebenenfalls)<br />
nachgesteuert wird.<br />
2 Schulische Ausbildungszeit<br />
2.1 „Enge“ Führung im 1. Semester<br />
Der Ersteinsatz der Referendare erfolgt – bedingt durch eine zu späte Zuweisung an die Ausbildungsschulen<br />
durch die Senatsverwaltung – nicht optimal. Auch wenn die Schulen Bedarfe für<br />
einzelne Fächer anmelden und seit kurzer Zeit auch Referendare namentlich anfordern können,<br />
sind die Fachkombinationen der zugewiesenen Referendare mitunter überraschend und zwingen<br />
Schulleitungen, die Einsatzpläne des gesamten Kollegiums immer wieder zu verändern, da die<br />
Personaldecke insgesamt viel zu dünn ist.<br />
Dies ist auch ein Grund dafür, dass wir Referendare mindestens im 1. Semester nicht in der Kursphase<br />
eigenverantwortlichen Unterricht erteilen lassen. Diese Entscheidung wird unter anderem<br />
auch dadurch gestützt, dass wir mit einer „Rasterplanung“ in der Kursphase arbeiten und die Vereinbarkeit<br />
von Fachseminartagen und lange im Vorfeld festgelegten Kursschienen oftmals mit den<br />
Ausbildungsverpflichtungen der Fach- und Hauptseminare nicht immer gewährleistet ist. Außer-<br />
Seite 40
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
dem ist in letzter Zeit immer häufiger festzustellen, dass mitunter die fachliche Ausbildung bei einzelnen<br />
Referendaren nicht unbedingt einen fundierten und auf die Anforderungen des (Zentral-<br />
Abiturs) orientierten Unterricht in der gymnasialen Oberstufe sofort ermöglichen. Dies wird jedoch<br />
erst im Laufe des aktuellen Semesters deutlich, und eine dann notwendige grundsätzliche Umverteilung<br />
der Unterrichtsverteilung gestaltet sich als äußerst schwierig. Für alle Beteiligten (Referendar,<br />
Lehrer, Schüler) stellt die <strong>Neu</strong>besetzung von Lerngruppen im laufenden Schulhalbjahr/Semester<br />
eine unnötige Unterbrechung der aktuellen Lernprozesse und des Unterrichtsklimas<br />
dar und nicht zuletzt wird zumindest der Referendar hinsichtlich seiner Kompetenz und/oder seiner<br />
Persönlichkeit unverantwortlich bloß gestellt 3 . Notwendige Umbesetzungen zum Schulhalbjahreswechsel<br />
sind inzwischen normal in der Berliner Schule und somit wirken Veränderungen der innerschulischen<br />
Landschaft nicht diskriminierend. Mitunter helfen diese Umbesetzungen den Referendaren<br />
auch, ihre eigentlichen Qualitäten und Präferenzen zum Tragen kommen zu lassen bzw.<br />
neue zu entdecken.<br />
Für den allgemeinen Unterrichtseinsatz der Referendare im 1. Semester in der Sekundarstufe I<br />
versuchen wir auch sicherzustellen, dass diese mindestens eine vollständige Klasse unterrichten,<br />
so dass sie die Möglichkeit haben, in Bildungs- und Erziehungsprozesse durch den Klassenlehrer<br />
eingebunden und durchaus auch – je nach entwickelter Lehrerpersönlichkeit – mit einzelnen Aufgaben<br />
in diesem Bereich betraut werden können. Außerdem ist festzustellen, dass eine emotionale<br />
Bindung an „ganze“ Klassen leichter funktioniert als in zusammengesetzten Gruppen, in denen<br />
sich die Beziehungen der Schüler untereinander erst herausbilden müssen.<br />
Darüber hinaus erhält jeder Referendar von Beginn an in mindestens einem seiner Fächer (je nach<br />
aktueller Unterrichtsausstattung des Schulhalbjahres) einen direkten Ansprechpartner/Mentor<br />
zugewiesen, der die erste Orientierung an der Schule erleichtert. Im Idealfall wird dieser Mentor in<br />
wenigstens einer der Unterrichtsstunden des Referendars „doppelt gesteckt“; d. h., er wird im Allgemeinen<br />
der direkten Vertretungsreserve der Schule entzogen. Somit stellen wir sicher, dass eine<br />
Beobachtung der ersten Unterrichtsversuche zumindest teilweise möglich ist, auf „Anfängerfehler“<br />
eingegangen und im Bedarfsfall gegengesteuert werden kann. Andere Potenziale, die sich durch<br />
diese Doppelsteckung ergeben, sind das Teamteaching, ein mögliches „Vorbildunterrichten“ des<br />
Mentors bzw. auch eine – zeitlich begrenzte – äußere Differenzierung bei schwierigen Lerngruppen.<br />
Dies hat sich dahin gehend positiv ausgezahlt, dass wir einzelnen Referendaren so die<br />
Chance geben konnten, auch in schwierigen Lerngruppen verschiedenste Unterrichts- und Erziehungs-methoden<br />
auszuprobieren und die Einsicht zu gewinnen, dass auch komplizierte Voraussetzungen<br />
gemeistert werden können. Ein weiterer Vorteil dieser Doppelsteckung für die Ausbildung<br />
des Referendars ist auch, dass vor allem inhaltliche Abstimmungen zwischen Referendar<br />
und Mentor erfolgen müssen, so dass sicher gestellt wird, dass die Methoden-vielfalt nicht die inhaltliche<br />
Erarbeitung des Fachwissens und die Kompetenzentwicklung der Lernenden in den Hintergrund<br />
drängt.<br />
Positiver Nebeneffekt dieser Doppelsteckung ist natürlich auch, dass anleitende Lehrer u.U. auch<br />
kleinere Lerngruppen unterrichten können, dass „Teilungsunterricht“ auch einmal Fächern zu Gute<br />
kommt, die normalerweise nicht zu den typischen Teilungsfächern gehören und dass im Notfall ein<br />
Vertretungslehrer ohne größere Probleme bereitsteht.<br />
Innerhalb des ersten (bzw. zweiten) Semesters wird – je nach Entwicklungsstand des Referendars<br />
– die Hospitationstätigkeit des Mentors reduziert und die doppelt gesteckten Stunden können wieder<br />
der direkten Vertretungsreserve zugeführt werden.<br />
3 Angemerkt sei hier, dass im Zuge der „Schadensbegrenzung“ – vor allem zum Schutz der Schüler – Umbesetzungen bzw.<br />
Veränderungen in der Betreuung notwendig sein können. Von diesen Maßnahmen sollte allerdings nur im äußersten Notfall<br />
Gebrauch gemacht werden.<br />
Seite 41
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Im Verlauf der ersten sechs Unterrichtswochen haben alle Referendare die Möglichkeit, den Mentor<br />
zu wechseln 4 und sich für das zweite Fach – sofern nicht bereits durch die Schulleitung festgelegt<br />
– selbstständig einen anleitenden Lehrer zu suchen. Hierbei kann aller-dings nicht durchgängig<br />
gewährleistet werden, dass der anleitende Lehrer regelmäßig zu einem festgelegten Zeitpunkt<br />
dem Unterricht des Referendars beiwohnen kann; in Absprache mit dem stellvertretenden Schulleiter<br />
wird der Unterricht beider für einzelne Stunden so organisiert, dass Besuche und Auswertungen<br />
möglich sind. In der Regel ergibt sich auch eine indirekte Wahl des anleitenden Lehrers aus<br />
der Zusammenarbeit mit Kollegen in einer parallelen Lerngruppe.<br />
Neben der Hospitation durch anleitende Lehrer und deren regelmäßiges Feedback gehört es zu<br />
den Selbstverständlichkeiten der Schulleitung (Schulleiter und Stellvertreter), dass diese den Lehrproben<br />
weitgehend beiwohnen. Mitunter wird diese Tätigkeit auch an die entsprechenden<br />
Fach(bereichs)leiter delegiert. Auch eine Teilnahme des anleitenden Lehrers in einzelnen Lehrproben<br />
sollte sichergestellt werden.<br />
Nach erfolgter Hospitation ist auch immer ein kurzes Feedback mit den Ausbildern notwendig, um<br />
sich über Fortschritte des Referendars auszutauschen bzw. Sofortmaßnahmen/ Entwicklungsschwerpunkte<br />
bis zum nächsten Unterrichtsbesuch kurz abzustimmen. Hierzu gehört im Rahmen<br />
des obligatorischen Auswertungsgesprächs durch die Schulleitung auch die deutliche Formulierung<br />
von Zielen gegenüber dem Referendar, was man beim nächsten Mal unbedingt sehen<br />
möchte bzw. abgebaut werden sollte. Damit möchten wir die Referendare ermutigen, <strong>Neu</strong>es bzw.<br />
Ungewöhnliches auszuprobieren und sich nicht auf Traditionellem bzw. Bewährtem auszuruhen<br />
und bereits im Referendariat eine Methodenmüdigkeit aufkommen zu lassen. Also bitte nicht immer<br />
Partner- bzw. Gruppenarbeit mit Präsentation (von Folienschnipseln am OHP), nur Musikpraxisstunden<br />
oder immer Stundeneinstiege mit Bildimpulsen, …<br />
Um die Referendare bereits im 1. Semester mit Unterricht in der gymnasialen Oberstufe vertraut<br />
zu machen, wird an unserer Schule jeder Referendar mit einem „Pflichthospitationskurs“ beauftragt.<br />
Dies betrifft meist eine Doppelstunde im Grundkurs des 1. bzw. 2. Semesters und ermöglicht<br />
dem Referendar, ggf. eine Lerngruppe für eine eigene kurze Unterrichtsreihe in der Sekundarstufe<br />
II komplikationslos zur Verfügung zu haben, die er etwas genauer kennt. Somit kann eine Analyse<br />
der Lernvoraussetzungen für eine Lehrprobe präziser erfolgen und ein auf Progression angelegter<br />
Unterricht erwartet werden. Auch ist eine engere Beziehung zu diesem Kurs gegeben, da der Referendar<br />
in Gruppenarbeitsphasen durchaus im Sinne des Teamteachings aktiv in die Lernprozesse<br />
eingebunden werden kann. Auch hier hat die „Doppelsteckung“ den Vorteil, dass Kurse im<br />
Bedarfsfall ohne größeren Aufwand vertreten werden können 5 . Natürlich muss hier genau bedacht<br />
werden, unter welchen Voraussetzungen dies erfolgen kann. Eine „ad hoc“-Vertretung ist nur bei<br />
guten Referendaren möglich; mit entsprechender Vorbereitung und ggf. einer Materialbereitstellung<br />
durch den verantwortlichen Lehrer ist dies von fast jedem machbar. Gerade diese kurzen<br />
Sequenzen verdeutlichen dem Referendar, dass er auch mit anderen Schülerpopulationen umgehen<br />
kann oder dass sich die Arbeit wider Erwarten komplizierter darstellt, dass der Unterricht in der<br />
gymnasialen Oberstufe anders angegangen werden muss und dass ein anderes Auftreten des<br />
Lehrers möglich oder auch notwendig ist.<br />
Der „Pflichthospitationskurs“ sollte mindestens sechs Unterrichtswochen besucht werden; danach<br />
kann gewechselt werden (Fach, Lehrer, etc). Der neue Hospitationskurs sollte je-doch möglichst<br />
wieder eine zusammenhängende Sequenz beinhalten. Den Kurswechsel bespricht der Referendar<br />
mit den betroffenen Fachlehrern und organisiert diesen selbst-ständig. Eine Information der<br />
Schulleitung (vor allem des Stellvertreters) über den Wechsel gilt als Selbstverständlichkeit.<br />
4 Dies geschieht erfahrungsgemäß nur in Einzelfällen bei unüberbrückbaren Unstimmigkeiten.<br />
5 Im Zuge des zentralen Abiturs ist dies eine immer wichtiger werdende Notwendigkeit.<br />
Seite 42
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
2.2 „Gelockerte“ Führung ab dem 2. Semester<br />
In den folgenden Semestern wird die „enge“ Führung immer weiter gelockert. Dies hängt stark von<br />
den bisher gezeigten Leistungen und von der allgemeinen Lehrerpersönlichkeit des Referendars<br />
ab und erfolgt natürlich in enger Absprache mit dem Referendar, den Aus-bildern und der Schulleitung.<br />
Der weitere Einsatz wird natürlich auch maßgeblich von der Unterrichtsversorgung bzw.<br />
den Engpässen der Schule bestimmt. Wir bemühen uns, die Wünsche der Referendare zu realisieren,<br />
beraten aber auch dahingehend, wo wir die Stärken jedes Einzelnen sehen. Hierbei wollen wir<br />
den Referendaren auch die Möglichkeit geben, diesen Abschnitt ihrer Ausbildung als „Probierphase“<br />
zu verstehen und Lerngruppen zu wechseln. Eine nochmalige Unterrichtsverpflichtung in<br />
einem Fach im gleichen Jahrgang bildet die Ausnahme. Sollte es jedoch dazu kommen, wird vor<br />
allem eine qualitative Verbesserung (tiefergehende Inhalte, alternatives methodisches Vorgehen)<br />
angestrebt. In diesem Falle kommt dem anleitenden Lehrer eine besondere Verantwortung zu.<br />
Spätestens ab dem 3. Semester unterrichtet jeder Referendar eigenverantwortlich einen Kurs in<br />
einem Fach in der gymnasialen Oberstufe, in der Regel im 1. bzw. 2. Kurshalbjahr. Der Einsatz<br />
von Referendaren im 3. und 4. Kurshalbjahr wird zwar nicht grundsätzlich aus-geschlossen, hat<br />
jedoch wegen der anstehenden Abiturprüfungen eine besondere Relevanz und bedarf einer<br />
gründlichen Abwägung der Vor- und Nachteile. Ein solcher Einsatz erfolgt nur bei besonders geeigneten<br />
Referendaren.<br />
Das selbstständige Unterrichten in der Sekundarstufe II entbindet die Schule jedoch nicht von Beratungs-<br />
und Hospitationsaufgaben. Hier gilt es vor allem, die Referendare zu verpflichten, inhaltliche<br />
Aspekte des jeweiligen Kurses mit parallel unterrichtenden Lehrern oder mit einem anleitenden<br />
Lehrer abzusprechen und den Fach-(bereichs)leitern eine grobe Arbeitsplanung vorzulegen.<br />
Dazu gehört auch, dass die Klausuren rechtzeitig im Vorfeld mit einem Fachkollegen abgesprochen<br />
werden, um sicherzustellen, dass fachbereichsinterne Festlegungen (formal) eingehalten und<br />
abiturrelevante Aufgabenformate gestellt werden. Durch die anleitenden Lehrer bzw.<br />
Fach(bereichs)leiter wird vereinzelt hospitiert, so dass ein qualitativ anspruchsvoller und zielführender<br />
Unterricht ermöglicht wird.<br />
Auf die oben dargestellte „Doppelsteckung“ wird in dieser Phase weitgehend verzichtet. Diese wird<br />
in eine allgemeine Beratungsfunktion umgewandelt. Dies schließt aber nicht aus, dass einzelne<br />
Referendare auch noch im 4. Semester Maßnahmen der „engen“ Führung erdulden müssen, um<br />
ihnen den erfolgreichen Abschluss der 2. Ausbildungsphase zu ermöglichen.<br />
Die Absicherung der Lehrproben in dem Fach, das nicht eigenverantwortlich in der gymnasialen<br />
Oberstufe unterrichtet wird, erfolgt ähnlich der Organisation von Oberstufenunterricht während der<br />
Anfangsphase der Ausbildung. Analog gilt dies für „ausgeborgte“ Lerngruppen in der Sekundarstufe<br />
I, wenn hier noch einmal Lehrproben aus bestimmten Gründen notwendig sind.<br />
2.3 Wiederholer – ein „Mix-Modell“<br />
Referendare, die es im ersten Anlauf nicht geschafft haben und somit einen Teil der Ausbildung<br />
noch einmal durchlaufen müssen, werden in einem kombinierten Modell zwischen „enger“ und<br />
„gelockerter“ Führung betreut. In der Regel unterrichten diese Referendare eigenverantwortlich in<br />
einem Kurs der gymnasialen Oberstufe 6 . Dies sollte immer das Fach sein, in dem es weniger<br />
fachliche Probleme gab. Hier sind der genaue Informationsfluss zwischen ehemaligen und neuen<br />
Ausbildern, eine gute Portion Menschenkenntnis der neuen Ausbildungsschule, aber auch die<br />
Offenheit der Referendare notwendig, um einen erfolgreichen Abschluss des Referendariats zu<br />
ermöglichen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die entsprechende Lehrerpersönlichkeit zum<br />
größtmöglichen Nutzen für Referendar, Schule und Schüler gefördert und geändert werden kann.<br />
Auch wenn diese Referendare bereits zwei Jahre Ausbildung an einer Schule erfahren haben, ist<br />
6 Aufgrund der besonderen Bedeutung der Abiturphase wird im Falle der Wiederholer eine „Doppelsteckung“ eher im eigenverantwortlich<br />
erteilten Grundkurs angestrebt als in einer Klasse der SEK I.<br />
Seite 43
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
hier ein wesentlich größerer Betreuungs- und Beratungsaufwand notwendig als bei den Referendaren,<br />
die regulär im 3. und 4. Semester sind. Es gilt also vor allem für die Schulleitung der betreffenden<br />
Schule, geschickt Freiräume so zu gestalten, dass ein häufiges Hospitieren im Unterricht<br />
des Referendars möglich ist.<br />
3 Ausblick – Was wäre eigentlich, wenn …?<br />
- … Referendare als Auszubildende anerkannt würden und nicht als vollwertige Lehrer Lücken in<br />
der Unterrichtsversorgung zu schließen hätten?<br />
- … Referendare nur die Hälfte ihrer Unterrichtsverpflichtung selbstständigen Unterricht abhielten<br />
und mit der anderen Hälfte im Sinne eines verpflichtenden Teamteachings beauftragt würden?<br />
- … Referendare etwa sechs Wochen nur den direkten Schulbetrieb der Ausbildungsschule kennenlernten<br />
und hospitierten, damit sie entsprechend ihrer Persönlichkeit und Erwartungen eingesetzt<br />
und Fehlbesetzungen am Anfang vermieden würden?<br />
- … wenn Referendare verbindlich verpflichtet werden würden, eine (fachfremde) Arbeitsgemeinschaft<br />
zu betreuen?<br />
- … wenn Referendare nicht nur quantitativ, sondern nach einem „Quotienten“ auf die Schulen<br />
verteilt würden, so dass eine intensive Betreuung und Ausbildung gewährleistet wäre und der Unterricht<br />
an der Ausbildungsschule vorrangig von ausgebildeten Lehrern mit abgeschlossenem<br />
zweiten Staatsexamen erteilt würde?<br />
- … Wiederholer wegen des deutlich höheren Beratungs- und Hospitationsbedarfs den Schulen<br />
nicht auf das Stundendeputat angerechnet würden?<br />
- … Mentoren fundiert geschult und ihre Arbeit vergütet (Stundenentlastung) würde?<br />
- …<br />
dann wäre es der Berliner Schule gelungen, noch bessere Lehrer mit stark ausgeprägten Lehrerpersönlichkeiten<br />
auszubilden, die dann mit Liebe und Hingabe zum Beruf Schüler leichter begeistern<br />
und uns alte, erfahrene verlustärmer ersetzen könnten.<br />
Torsten Franckowiak<br />
Stellvertretender Schulleiter der Albert-Einstein-Schule (Gymnasium), <strong>Neu</strong>kölln<br />
Seite 44<br />
Lehrtätigkeit und Lehrerpersönlichkeit – eine ständige<br />
Veränderung<br />
Ehemalige Schüler, heute um die dreißig Jahre alt, luden zum Klassentreffen ein, und in vor- gerückter<br />
Stunde und nach einigen Gläsern guten Rotweins stand die Frage im Raum, wie denn ein<br />
Lehrer von heute sein müsse, um mit den Jugendlichen der Gegenwart klarzukommen, die doch<br />
so ganz anders als sie selbst in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit seien.<br />
Mir fiel eine Dienstberatung ein, in der eine junge Kollegin feststellte, dass die Schülerinnen und<br />
Schüler gar nicht so wären, wie es ihr erzählt worden sei. Viele würden ihre Hausaufgaben nicht<br />
machen, den Unterricht stören, ja sogar renitent der Lehrkraft gegenüber auftreten. Es sei doch die<br />
Aufgabe des Schulleiters, dagegen etwas zu unternehmen.<br />
In beiden Beispielen klingt sie an, die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit, mit der sich bereits<br />
Generationen von Pädagogen beschäftigten. Rousseau, Pestalozzi, Fröbel und andere. Alle beto-
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
nen, neben vielen wichtigen pädagogischen Theorien, die Grundvoraussetzung für einen guten<br />
Pädagogen sei die Achtung vor dem anvertrauten Individuum, seiner Selbstständigkeit und seiner<br />
Einbindung als soziales Wesen.<br />
Im „Handbuch der Erziehung und des Unterrichtes zunächst für Seminarzöglinge und Elementarlehrer“<br />
von D. Kehreins aus dem Jahre 1886 steht auf Seite 495 unter der Überschrift „Der Lehrer“<br />
Folgendes: „... Sein Amt [das des Lehrers] ist also a) ein überaus wichtiges und folgenschweres, b)<br />
ein edles und heiliges, c) ein pflichten= und verantwortungsreiches. ... Sein Amt beschäftigt sich<br />
mit dem edelsten Gegenstande, den Kindern,...“ Seit Erscheinen dieses Buches sind über 120<br />
Jahre vergangen, die Auffassung über das Amt halte ich nach wie vor für sehr aktuell. Aber die<br />
Gesellschaft und damit auch ihr „edelster Gegenstand“ hat sich verändert, müssten sich neben der<br />
Lehrtätigkeit nicht auch die Ansichten über die Lehrerpersönlichkeit verändert haben?<br />
Unbestritten, die Klientel an der Sekundarschule ohne gymnasiale Oberstufe ist gegenüber einer<br />
Realschule ein anderes. Es ist vielfältiger geworden und jeder Einzelne erhebt den Anspruch auf<br />
Beachtung und individuelle Förderung, ganz abgesehen von den manchmal realitätsfernen Vorstellungen<br />
der Eltern. Wie aber kommt es, dass es durchaus Berufsanfänger gibt, die mit den unterschiedlichsten<br />
Individuen so arbeiten können, dass diese am Ende ihrer Schulkarriere, trotz<br />
schlechter Prognose, einen Schulabschluss und zum Teil sogar eine Lehrstelle erhalten? Ist es die<br />
Lehrerpersönlichkeit?<br />
Meine These: Ja, diese Lehrkraft achtet die ihm anvertrauten Zöglinge in ihrem eigenen sozialen<br />
Umfeld, stellt gleichzeitig ganz klare, erfüllbare Anforderungen und sanktioniert bei Nichterfüllung,<br />
fördert die selbständige Erkenntnis der Schülerinnen und Schüler und sieht ihr Amt als überaus<br />
wichtiges und folgenschweres an. Diese Lehrkraft ist für die Schüler da und bemüht sich, im Rahmen<br />
der rechtlichen Gegebenheiten, Inhalte und Lernziele so zu vermitteln, dass sich die Schüler<br />
nicht nur ernst genommen fühlen, sondern auch noch Spaß am Unterricht haben, und zwar mit der<br />
Lehrkraft gemeinsam. Diese Lehrperson wird von den Schülern vorbehaltlos akzeptiert, was wiederum<br />
dazu führt, dass sie im Allgemeinen, nach eigener Aussage, sinnvolle Erfüllung in ihrer Tätigkeit<br />
findet. Eine gute Lehrerpersönlichkeit.<br />
Es gibt aber auch Berufsanfänger, die Inhalte von Rahmenlehrplänen, Paragraphen von Schulgesetzen<br />
und Verordnungen genau kennen. Sie bereiten sehr zeitaufwändig und theoretisch fundiert<br />
Unterrichtstunden vor, sind aber dennoch frustriert, weil die Unterrichtsstunde nicht das erhoffte<br />
Ergebnis brachte. Die Ursache dafür und für schlechtes Abschneiden bei Lernerfolgskontrollen,<br />
Prüfungen oder bei Unterrichtsstörungen werden vorrangig beim schwierigen Schülerklientel gesucht.<br />
Liegt es an der Lehrerpersönlichkeit?<br />
Meine These: Ja, denn dieser Lehrkraft wird es aufgrund ihrer Lehrerpersönlichkeit nicht gelingen,<br />
die ihr anvertrauten Zöglinge zu erreichen, obwohl sie zeitaufwändige und theoretisch fundierte<br />
Vorbereitungen erarbeitet. Aber die Lernenden werden nicht einbezogen in die Wissensvermittlung,<br />
sondern als Erfolg würde schon betrachtet, wenn die Klasse ruhig ist und den vermittelten<br />
Unterrichtsstoff im <strong>Heft</strong>er schriftlich fixiert hat. Index dafür ist das Abfragen von aus dem <strong>Heft</strong>er<br />
vorzulesenden Antworten. Sie sieht das Amt eher als Beruf denn als Berufung. In der Vorbereitung<br />
wiegen theoretische Grundsätze und Rahmenlehrplanerfüllung schwerer als die individuellen<br />
Voraussetzungen und bei Konflikten wird häufig auf starren Grundsätzen beharrt, um eine Orientierung<br />
im Schulalltag zu haben. Eine positive Erfüllung im Berufsleben wird sich nur schwer einstellen.<br />
Frustration, Suche nach „Leidenskameraden“ zum gemeinsamen Auswerten der Gesamtsituation,<br />
gesundheitliche Beeinträchtigungen und, sofern möglich, die Flucht in die außerunterrichtliche<br />
Tätigkeit sind die Folge. Die Lehrerpersönlichkeit findet keinen Anklang bei den Lernenden.<br />
Um nicht falsch verstanden zu werden, die Mehrzahl der Pädagogen leistet tagtäglich eine gute<br />
und schülerorientierte Arbeit mit vorzeigbaren Ergebnissen. In den nächsten Jahren jedoch wird<br />
Seite 45
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
fast das gesamte Lehrpersonal altersbedingt ausgetauscht. Wenn die Berliner Schule in Zukunft<br />
bestehen möchte, muss über den Unterschied zwischen Lehrtätigkeit und Lehrerpersönlichkeit<br />
diskutiert werden.<br />
Aus meiner Erfahrung finden gute Lehrerpersönlichkeiten nicht nur Zufriedenheit in ihrem Beruf<br />
und können Erfolge aufweisen bei der Entwicklung ihrer Schüler, sondern finden auch Anerkennung<br />
bei Schülern und Eltern, was wiederum Motivation für die weitere Arbeit ist.<br />
Insofern hat sich m.E. die Lehrtätigkeit gewaltig verändert, die Methoden sind andere, die Medien<br />
immer moderner und die gesellschaftlichen Entwicklungen nehmen an Geschwindigkeit zu. An den<br />
Grundsätzen einer guten Lehrerpersönlichkeit jedoch finde ich keine Veränderungen. Nach wie vor<br />
gilt: Achtung vor dem anvertrauten Individuum, seiner Selbständigkeit und seiner Einbindung als<br />
soziales Wesen.<br />
Gibt es Wege, gute Lehrerpersönlichkeiten für den Schuldienst zu gewinnen?<br />
Dazu gehört m.E. in der Ausbildung eine frühere Berührung mit dem späteren Arbeitsplatz Schule.<br />
Nicht als Hospitant, sondern als aktiv Handelnder.<br />
Hier könnten z.B. so genannte Schulpartnerschaften mit den ausbildenden Hochschulen initiiert<br />
werden. Studenten der ersten Semester sollten frühzeitig<br />
• Teilungs- oder Förderunterricht übernehmen,<br />
• an sozialen Projekten oder Schulprojekten teilnehmen und bei der Organisation unterstützend<br />
wirken,<br />
• in der Schulsozialarbeit mitarbeiten,<br />
• unterstützend bei der Klassenlehrertätigkeit eingesetzt werden u.a..<br />
Dadurch ergeben sich sowohl für die Auszubildenden als auch für bereits tätige Lehrkräfte und<br />
Schulleiter gegenseitige Berührungspunkte. Diese können einerseits zur Bekräftigung des Berufswunsches<br />
führen, andererseits aber auch zur frühzeitigen Erkenntnis von Fehlentscheidungen, die<br />
sich aber noch korrigieren ließen, um einem letztlich unbefriedigendem Berufsleben vorzubeugen.<br />
Eine Korrektur von Lebenswegentscheidungen während des zweiten Ausbildungsstadiums als<br />
LAA erscheinen eher abwegig.<br />
Hätte dieser Weg nicht auch den Vorteil, die verkürzte Ausbildungszeit als LAA ein wenig aufzufangen,<br />
weil die Studenten bereits frühzeitig unter wissenschaftlicher Begleitung in den Schulalltag<br />
hineinschnuppern? Im oben erwähnten Handbuch heißt es auf Seite 497: „Dazu [zu einem klaren<br />
und gesunden Verstand] muß sich gesellen das Erziehungsgeschick. Ohne dieses nützen die<br />
reichsten Kenntnisse nichts. Dieses Geschick ist zum Teil eine natürliche Gabe; es kann aber<br />
auch, wenigstens bis zu einem befriedigenden Grade erworben werden, besonders durch Aufmerksamkeit<br />
auf sich und gute Muster.“<br />
Auf dem Klassentreffen versuchte ich zu erklären, dass es wichtig sei, sich auf die Kinder und Jugendlichen<br />
einzulassen, sie dort abzuholen, wo sie sich sozial und vom Wissenstand her befänden.<br />
Wenn man dann noch gemeinsam mit den Schülern den Unterrichtsstoff bearbeite und auf<br />
die nötige Nähe und Distanz zu den Schülern achte, ohne seine Vorbildwirkung zu vernachlässigen<br />
und den Spaß außer Acht zu lassen, könne man ganz gut klarkommen. Ich weiß nicht, ob das<br />
als allgemeingültig durchginge, beim Klassentreffen schaute ich in nachdenkliche, zustimmende<br />
und ahnungslose Gesichter. Dass aber die Lehrerpersönlichkeit eine enorm wichtige, wenn nicht<br />
die wichtigste Rolle in der Schullaufbahn eines Schülers spielt, davon bin ich überzeugt und wünsche<br />
mir, dass dieser Aspekt bei der Ausbildung stärker als bisher berücksichtigt würde.<br />
Andre Grammelsdorff<br />
Schulleiter der Fritz-Kühn-Oberschule (Integrierte Sekundarschule)<br />
Seite 46
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Wie könnte man die Lehrerpersönlichkeit in der Zweiten<br />
Ausbildungsphase stärken?<br />
Hier soll die Ausbildung in der Schule im Fokus stehen.<br />
Inwiefern kann sie während der Ausbildungszeit in der Schule bedacht/berücksichtigt/gefördert<br />
werden?<br />
Wer Persönlichkeit sagt, meint eigentlich Persönlichkeitseigenschaften. Zu den bekanntesten gehören<br />
die „Big Five“: <strong>Neu</strong>rotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und<br />
Gewissenhaftigkeit. In diesem Fünf-Faktoren-Modell postuliert die Persönlichkeitspsychologie fünf<br />
Skalen für die Persönlichkeit. Natürlich wünscht man sich für die jungen Lehrerinnen und Lehrer<br />
optimale Werte in diesen fünf Faktoren: geringer <strong>Neu</strong>rotizismus, große Offenheit, Verträglichkeit<br />
und Gewissenhaftigkeit. Darauf darf man aber nicht hoffen. Nicht jeder ist der geborene Lehrer.<br />
Die Schaarschmidt-Studie zeigt, dass 25 Prozent von 20000 befragten Lehrern, Studenten und<br />
Referendaren unter das „resignative Muster“ fielen, also nur bedingt für den Lehrerberuf geeignet<br />
waren.<br />
Auf der anderen Seite muss man aber nicht unter allen Umständen auf das Naturtalent warten. Der<br />
Lehrerberuf ist erlernbar. Die Persönlichkeit kann sich auf die Anforderungen dieses sehr schwierigen<br />
und äußerst komplexen Berufs einstellen. Dies geht umso leichter, da man keine Entwicklung<br />
der Gesamtpersönlichkeit anstreben muss. Es reicht vielmehr die Lehrerpersönlichkeit im Auge zu<br />
haben. Diese ist quasi der „professionelle“ Teilaspekt der Persönlichkeit; nur der im Unterricht<br />
sichtbare Teil.<br />
Auf diesen Aspekt kann und sollte man im Rahmen der Ausbildung Einfluss nehmen. Selbstverständlich<br />
muss die Einwirkung Grenzen haben. Die Person der Lehrkraft hat unangetastet zu bleiben.<br />
Nur in der gemeinsamen Suche von Lehrkraft und Ausbilder nach einer Veränderung können<br />
positive Entwicklungen initiiert werden.<br />
Wenn man als Grundvoraussetzung akzeptiert, dass es mehrere, ja viele Arten gibt, ein guter Lehrer<br />
zu sein, ist schon viel gewonnen. Nur dann kann man sich überhaupt auf den Referendar einlassen<br />
und auch Ansichten und Handlungen akzeptieren, die von den eigenen abweichen, ja ihnen<br />
sogar entgegenlaufen. Man muss die Persönlichkeit akzeptieren, um an der Lehrerpersönlichkeit<br />
zu arbeiten. Manchmal muss man aber intervenieren, denn natürlich es gibt auch Verhaltensweisen,<br />
die nicht akzeptabel sind.<br />
Es geht um die Förderung einer Unterrichtsgestaltung, die den eigenen Stärken entgegenkommt:<br />
Wer gut und schnell reagieren und reden kann, muss die Feinstruktur einer Stunde in der Planung<br />
nicht ausführen. Wer zur vorschnellen Reaktion neigt, muss lernen abzuwarten und eine moderierende<br />
Steuerung anstreben, wer eher still ist, muss ermutigt werden, sich aktiver, auch inhaltlich,<br />
einzubringen.<br />
An der Martin-Buber-Oberschule haben wir ein Betreuungssystem entwickelt, das die jungen Kolleginnen<br />
und Kollegen vom ersten Tag an begleitet: Neben der gewählten Betreuungslehrerin bzw.<br />
dem Betreuungslehrer gibt es wöchentlich eine Beratungsstunde beim Schulleiter bzw. bei der<br />
stellvertretenden Schulleiterin. Dies wird durch die üblichen Unterrichtsbesuche durch den Schulleiter<br />
ergänzt.<br />
Das Hauptaugenmerk, neben organisatorischen Belangen, liegt im Verhältnis der jungen Menschen<br />
zur Lerngruppe und zum Kollegium. Fachdidaktische Fragen werden kaum betrachtet.<br />
Diese können sicher durch die jeweiligen Fachseminarleiterinnen und -leiter bzw. die Betreuungslehrkräfte<br />
viel besser als von der Schulleitung beantwortet werden.<br />
In Einklang mit John Hattie stehen die Schaffung einer positive Lernsituation, ein neutrales Feedback,<br />
das Zutrauen zu den Schülerinnen und Schülern (Vertrauen haben, dass die Schülerinnen<br />
Seite 47
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
und Schüler etwas können.) im Vordergrund unserer Arbeit. Der wichtigste Aspekt aber ist eine<br />
positive Einstellung zum Lernen (auch zum eigenen Lernen)<br />
Positive Einstellung zum Lernen<br />
Der Lehrerberuf ist erlernbar! Dies ist die wichtigste Botschaft, die wir den jungen Kolleginnen und<br />
Kollegen gleich zu Anfang mitgeben. Dieses Vertrauen zur Lernfähigkeit soll sie auch befähigen,<br />
positiv an das Lernen der Schülerinnen und Schüler heranzugehen.<br />
Dazu bespreche ich mit den Referendarinnen und Referendaren den Abschnitt „Allgemeine und<br />
individuelle Lernvoraussetzungen“ aus ihren jeweiligen Stundenentwürfen. In diesem Abschnitt<br />
wird oft die Haltung des Auszubildenden zur Lerngruppe deutlich. Wird die Lerngruppe positiv oder<br />
negativ gesehen? Im Gespräch versuche ich dann die Auswirkungen der vorhandenen Grundeinstellung<br />
zu verdeutlichen. Nur wer seinen Schülerinnen und Schülern etwas zutraut, wird auch etwas<br />
erreichen.<br />
Natürlich nimmt eine Schule durch ihr Sein, durch ihren Geist auf die Persönlichkeit Einfluss. Eine<br />
offene Atmosphäre lässt Fehler zu, gibt den jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich<br />
zu entfalten, d.h. sich zu entwickeln. Wer bei sich Fehler als Ausgangspunkt für eine Entwicklung<br />
sieht, wird dies auch bei seinen Schülern können. Referendare müssen also Zeit für Fehler bekommen,<br />
man muss sie ihnen auch innerlich verzeihen oder nachsehen und nicht nachtragen. Sie<br />
müssen ihren Stil finden, nicht den ihrer Ausbilder. Dabei kann man durchaus fragen, was für die<br />
Rolle günstig ist und was nicht.<br />
Die wichtigste Aufgabe des Ausbilders (in dem Fall der Schulleiterin/des Schulleiters) ist es, den<br />
jungen Kolleginnen und Kollegen die Wirkungen ihres Handelns (als aktiven Ausdruck ihrer<br />
Lehrerpersönlichkeit) aufzuzeigen.<br />
Schaffung einer positiven Lernsituation<br />
Schulz von Thun macht in seinem Buch „Miteinander reden“ deutlich, dass eine wesentliche Voraussetzung<br />
für einen Humanistischen Kommunikationsstil ist, dass die Schülerinnen und Schüler<br />
diesen Stil nicht als Anbiederung verstehen. Die Lehrkraft muss die Autorität besitzen, einen Dialog<br />
auf Augenhöhe zu führen.<br />
Zur Autorität gehören die Körpersprache und die Raumregie in Bezug auf den Standort der Lehrkraft.<br />
Wir haben vereinzelt Referendarinnen und Referendaren Schauspielunterricht vermittelt,<br />
damit sie ihre körperliche Präsenz in der Klasse erhöhen. Nur wer wahrgenommen wird, kann führen.<br />
Durch gezielte Hinweise versuchen wir immer wieder die Komplexkapazität zu erhöhen. Damit soll<br />
das erreicht werden, was Jacob S. Kounin (1976, 2006) als Allgegenwärtigkeit und Überlappung<br />
bezeichnet. Also die Fähigkeit den Einzelnen und das Ganze in der Klasse gleichzeitig zu sehen.<br />
Auch hier gilt es den Referendaren zu vermitteln, dass der Beruf keine Überforderung darstellt,<br />
sondern eine Herausforderung.<br />
Viel Raum in unseren Gesprächen nehmen die Unterrichtsstörungen ein. Man muss bei jeder Disziplinierung<br />
überlegen, was man als Gegenreaktion aushält. Wer Druck macht, erzeugt Gegendruck.<br />
Wer zu viel Druck macht, wird vom Gegendruck „zerquetscht“. Dazu soll sich jeder Referendar<br />
fragen, wie viel Gegendruck er aushalten kann; wie sehr er geliebt werden will. Dazu ist es<br />
manchmal nötig, die Persönlichkeit von der Lehrerpersönlichkeit zu trennen. Die Schüler wehren<br />
sich oft gegen den Lehrer nicht gegen den dahinter liegenden Menschen.<br />
Die Referendare sollen ihr persönliches Maß, auf Störungen klar aber nicht zu hart zu reagieren,<br />
kennenlernen. Sie müssen die Form der Disziplinierung erlernen, die zu ihrer Persönlichkeit passt.<br />
Oder ihre Lehrerpersönlichkeit (Professionalität) einem erfolgreichen Disziplinierungsmechanismus<br />
anpassen.<br />
Seite 48
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Schaffung einer Feedbackkultur<br />
Wie ich als Schulleiter in beschreibender Form Feedback gebe, so hoffe ich, dass es die Referendarinnen<br />
und Referendare ihren Schülerinnen und Schülern gegenüber ebenso tun. Man darf nicht<br />
beleidigt sein, wenn Schüler etwas (selbst nach der dritten Erklärung) noch nicht verstanden haben.<br />
Ohne Lob und Tadel den Ist-Stand zu beschreiben, ist eine große Herausforderung. Die eigene<br />
Schulerfahrung, die sich ja so tief in die Persönlichkeit eingegraben hat, muss hier durch eine<br />
neue Lehrerpersönlichkeit ersetzt werden. Dazu müssen die Feedbackerfahrungen, die die Referendare<br />
mit mir, dem Schulleiter, machen, besprochen werden. Dies setzt ein großes Vertrauen<br />
voraus, das vielleicht nicht immer vorhanden ist. Denn schließlich ist der Schulleiter Trainer und<br />
Beurteiler gleichzeitig.<br />
Der Druck, der auf den Referendaren während ihrer Ausbildung lastet, ist sehr groß. Wenn in dieser<br />
Situation nun auch noch massiv in die Persönlichkeit eingegriffen wird, kann dies schnell zu<br />
Überlastungen führen. Die Schule sollte den jungen Kollegen die Gelegenheit geben, sich auszuprobieren.<br />
Durch gezielte Rückmeldungen müssen die neuen Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit<br />
haben, sich in der Unterrichtssituation zu spiegeln. Wenn daraus der Wunsch nach einer Änderung<br />
der Lehrerpersönlichkeit erwächst, so sollte man dies positiv bewerten.<br />
Was wäre möglich?<br />
Eine Utopie: An allen Schulen arbeiten Schulpsychologen, die auch den Lehrkräften zur Verfügung<br />
stehen. Auf der Grundlage einer fundierten Analyse könnte dann fachkundig auf die Lehrerpersönlichkeit<br />
positiv eingewirkt werden.<br />
Aber wie schon gesagt, das ist eine Utopie.<br />
Lutz Kreklau,<br />
Schulleiter der Martin-Buber-Oberschule<br />
Professionalität und Persönlichkeit im Lehrberuf<br />
Eine Herausforderung an alle Kompetenzen<br />
Im Vertretungsbuch steht mein Name. Das habe ich erst um 10.00 Uhr bemerkt.<br />
In der 4. Stunde wollte ich eigentlich das Unterrichtsmaterial für den Grundkurs<br />
vorbereiten. Die Klasse im Vertretungsbuch kenne ich nicht. Nach dem Unterricht<br />
findet noch eine Konferenz statt. Außerdem muss ich den Unterricht für die<br />
sechs Stunden am morgigen Tag durchdenken. Wann soll ich eigentlich die<br />
Klausuren für den Grundkurs korrigieren? Die Schüler fragen mich schon seit<br />
Tagen, wann sie die Klausur zurückbekommen. Vielleicht schaffe ich das am<br />
Wochenende – da wollte ich aber eigentlich meine Freunde besuchen. Oje, ich<br />
bin auch noch für das Protokoll bei der Gesamtkonferenz vorgesehen. Ich muss<br />
die Eltern eines Schülers zurückrufen und der Musikkollege wollte mit mir über<br />
ein gemeinsames Projekt sprechen…<br />
So oder so ähnlich sieht der Arbeitstag an einer Schule aus. Um diese Situationen zu bewältigen,<br />
muss der Unterricht fachlich und methodisch gut geplant werden und ggf. eine Abweichung erlauben,<br />
da kein Arbeitsmaterial vorhanden ist. Für die Durchführung einer Vertretungsstunde sollte<br />
schon eine Idee im Hinterkopf existieren. Vielleicht findet man eine Möglichkeit, mit der Schullei-<br />
Seite 49
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
tung über das vorgesehene Protokoll der Gesamtkonferenz zu sprechen – und erreicht, dass man<br />
es ein anderes Mal schreibt oder dass die Abgabe terminlich verschoben wird. Für das geplante<br />
Telefonat mit den Eltern muss unbedingt eine ruhige Minute gefunden werden, damit die Probleme<br />
ohne Vorwürfe und doch mit aller Klarheit besprochen werden können. Vorausschauend planen,<br />
organisieren und kommunizieren ist unabdingbar, um die vielen Szenarien abzuarbeiten.<br />
Im Zentrum der Lehrerausbildung stehen jedoch die für die Gestaltung des Unterrichts notwendigen<br />
Fachwissenschaften, die Fachdidaktik, die Pädagogik in ihrer ganzen Vielfalt, außerdem Unterrichtsmethodik,<br />
verstärkt Mediendidaktik und das Unterrichten von Schülerinnen und Schülern,<br />
für die Deutsch nicht die Muttersprache ist.<br />
Die neueste Reform der Lehrerausbildung in Berlin will den Erwerb der vielfältigen Kompetenzen<br />
für den Lehrberuf besser systematisieren und durch einen höheren Praxisanteil bereits in der Studienphase<br />
optimieren. In der Tat: Die Art und Weise des Unterrichtens hat sich in den letzten zehn<br />
bis zwanzig Jahren deutlich verändert. Die neue Lehrergeneration ist vertraut im Umgang mit<br />
schülerzentrierten Methoden und Sozialformen. Die Arbeit mit Mindmaps, Moderationskarten oder<br />
die Durchführung eines Gruppenpuzzles ist für junge Pädagoginnen und Pädagogen eine Selbstverständlichkeit.<br />
Und dennoch: Im Schulalltag kommen sehr schnell sehr viele unerwartete Ereignisse<br />
auf einen zu, die bewältigt werden wollen. Sie führen dazu, dass der eigentliche Vorgang des<br />
Unterrichtens nur etwa die Hälfte der Arbeitszeit ausmacht.<br />
Vor vielen Jahren fragte ich eine ältere Kollegin, ob ihr der Lehrberuf denn noch Spaß mache. Die<br />
Antwort verblüffte mich, sie lautete: „Natürlich, wenn ich erst einmal dabei bin.“ Dieses kurze<br />
Statement sagt viel darüber aus, was sich im beruflichen Alltag abspielt. Der Vorgang des Unterrichtens<br />
nimmt nur einen Teil des zeitlichen Aufwandes ein. Es gibt daneben viele Tätigkeiten, die<br />
bewältigt werden müssen und einen erfolgreichen Unterricht und gute pädagogische Arbeit überhaupt<br />
erst ermöglichen.<br />
Bei Gesprächen mit Referendarinnen und Referendaren tauchen deshalb auch in der heutigen Zeit<br />
immer wieder Fragen auf, die man schon immer gehört hat: „Was mache ich, wenn die Klasse unruhig<br />
wird?“, „Gibt es ein Rezept für den Umgang mit undisziplinierten Schülerinnen und Schülern?“,<br />
„Wie plane ich eine realistische Unterrichtsreihe?“, „Gibt es irgendwelche Routinen beim<br />
Korrigieren, um die Zeit etwas zu reduzieren?“. Diese Fragen zeigen, dass trotz aller Planungen<br />
immer mal etwas passiert, was man nicht einkalkuliert hat und das einer Lösung bedarf.<br />
Die folgende Aussage eines jungen Kollegen über die Freuden des Lehrberufs macht nachdenklich:<br />
„Es ist ein tolles Gefühl, wenn man bei den Kindern sieht, wie es ‚klick‘ gemacht hat.“ Was er<br />
nicht gesagt hat: Wie oft kommt dies bei allen Schülerinnen und Schülern einer Lerngruppe vor<br />
und womöglich sogar gleichzeitig?<br />
Lernen ist ein ständiger und lang andauernder Prozess, bei dem es nur selten einen Jubelschrei<br />
aus vielen Kinderkehlen gibt, weil es in den Gehirnen „klick“ gemacht hat, also alle gleichzeitig etwas<br />
Substantielles gelernt haben. Es kommt mal vor, aber es ist so selten, dass selbst gestandene<br />
Kolleginnen und Kollegen eine Gänsehaut bekommen, wenn es passiert. Das Klischee vom allseits<br />
geliebten und bewunderten Lehrer, das auch in Spielfilmen immer wieder auftaucht, entspricht<br />
der Realität leider äußerst selten und sollte keinesfalls ein Grund sein, den Lehrberuf zu<br />
ergreifen.<br />
Gemeinsame positive Stimmungen bei Lehrenden und Lernenden entstehen nach längeren Prozessen,<br />
angefüllt mit Arbeit, mit Diskussionen und vielen Konflikten, die ausgehalten und durchgestanden<br />
sein wollen.<br />
Die Herausforderungen des Lehrberufs sind sehr komplex und lassen sich durch intensives Studium<br />
von Fachlektüre nicht antizipieren. Es ist zwar kein Thema für die Wissenschaft, da ein Lernerfolg<br />
der Schülerinnen und Schüler nicht klar dem Profil einer bestimmten Lehrerpersönlichkeit<br />
Seite 50
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
zuzuschreiben ist. Dennoch müssen angehende Pädagoginnen und Pädagogen für die Herausforderungen<br />
des beruflichen Alltags besser vorbereitet werden.<br />
Neben fachlicher und didaktischer Kompetenz benötigt eine Lehrkraft auch organisatorische, soziale<br />
und personale Kompetenz. Und für alle Bereiche ist eines unabdingbar: Die kommunikative<br />
Kompetenz. Freude am und Bereitschaft zum kommunikativen Austausch sind der Schlüssel zu<br />
allen Aufgaben, die eine Schule für eine Lehrkraft bereithält. Nicht alle Kompetenzen müssen bei<br />
jeder Lehrkraft gleich stark entwickelt sein, aber ein Totalausfall in einem der Bereiche führt im<br />
schulischen Leben unweigerlich zu erheblichen Problemen.<br />
Im Folgenden möchte ich auf die organisatorische, die soziale und die personale Kompetenz eingehen.<br />
Zur organisatorischen Kompetenz zählen das Strukturieren der Lerneinheiten und die Gestaltung<br />
des eigenen Arbeitsprozesses sowie das angemessene Agieren in der Organisation Schule. Abläufe<br />
von Arbeitstagen, Vertretungspläne, Raumvergabe, Durchführung von Exkursionen, Anschaffungen<br />
von Lehrmaterial, Absprachen mit Kollegen, Durchführung von Konferenzen, Umgang<br />
mit Akten und vieles mehr sind für viele Kolleginnen und Kollegen aufreibend. Die Gestaltung und<br />
Strukturierung des Unterrichts allein kostet schon viel Energie, aber ohne die Synchronisation der<br />
Abläufe im schulischen Zusammenhang funktioniert Unterricht nicht. Hier ist ein realistisches Zeitmanagement<br />
gefragt, das zur eigenen Persönlichkeit passt. Man muss sich damit auseinandersetzen,<br />
wie und wo man sich Freiräume schafft. Freizeit ist ein wertvolles Gut und sollte auch genossen<br />
werden dürfen. Oft denkt man an einem freien Tag, man müsste noch dies oder jenes erledigen,<br />
ein Problem klären oder eine Arbeit korrigieren, tut es aber nicht, weil man zu müde ist. Man<br />
kann nicht abschalten und hat abends das Gefühl, doch den ganzen Tag gearbeitet zu haben.<br />
Oder man arbeitet tatsächlich das Wochenende durch und das nächste vielleicht auch noch und ist<br />
dann zu erschöpft, seine Freizeit sinnvoll zu gestalten und tatsächlich zu erleben. Ein gefährlicher<br />
Weg, der irgendwann in die totale Erschöpfung führen wird.<br />
Die soziale Kompetenz gilt als herausragende und selbstverständliche Kompetenz von Lehrkräften.<br />
Auch hier sind die Herausforderungen an die Persönlichkeit sehr groß. Sensibilität und Kooperationsbereitschaft<br />
werden von Kolleginnen und Kollegen als Grundvoraussetzung angesehen.<br />
Aber bei Konflikten das Verhalten von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von Kolleginnen und<br />
Kollegen nicht persönlich zu nehmen, sondern als Signal zu verstehen, kostet Kraft und Nerven<br />
und gelingt nicht jedem auf Anhieb.<br />
Zu den Aufgaben von Lehrkräften gehören auch das Einschätzen und Bewerten von Lernprozessen<br />
und Lernergebnissen. Die daraus resultierende Beurteilung trifft nicht immer auf Verständnis,<br />
auch wenn sie noch so sorgfältig und korrekt gehandhabt wurde. Auch die Lehrkraft selbst wird<br />
beobachtet und natürlich von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen<br />
eingeschätzt und bewertet.<br />
Lehren ist eine Führungsaufgabe. Partnerschaftliches Führen muss erst gelernt und eingeübt werden.<br />
Ein falscher Ton oder eine Reaktion, die nicht erfolgt, können viel Schaden anrichten. Es ist<br />
Überblick notwendig, um Situationen zu klären, Probleme und Konflikte zur allseitigen Zufriedenheit<br />
zu lösen.<br />
Die personale Kompetenz ist aus meiner Sicht das Fundament für die Ausübung des Lehrberufs,<br />
jedoch am schwierigsten zu spezifizieren, da es hier auch um Persönlichkeitsmerkmale geht. Ausstrahlung,<br />
Flexibilität, Vielseitigkeit, Engagement, Gewissenhaftigkeit, Humor, emotionale Stabilität<br />
und Frustrationstoleranz werden im Zusammenhang mit der Anforderung an Lehrende in der Wissenschaft<br />
angesprochen (Döring/Ritter-Mamczek 1999, S. 118 ff.; Helmke 2009, S. 105;<br />
Krapp/Weidenmann 2006, S. 299 ff.), können aber nur bedingt herangezogen werden, um zu klären,<br />
wie eine besonders erfolgreiche Lehrperson „gestrickt“ sein sollte. Dennoch sollte sich eine<br />
angehende Lehrkraft damit auseinandersetzen, wie sie eigene Misserfolge erlebt, wie sie anderen<br />
Menschen Unterstützung gibt. Wie geht man damit um, wenn man sich mit einer Unterrichtsreihe<br />
Seite 51
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
sehr viel Arbeit gemacht hat, die Schülerinnen und Schüler den Unterricht aber langweilig finden<br />
und die Lernergebnisse äußerst mäßig sind?<br />
Und noch etwas muss man aushalten können: Mit dem Image des Lehrers steht es in Deutschland<br />
nicht zum Besten. Ein Lehrer gilt immer noch bei vielen Nichtpädagogen als jemand, der nur Wissen<br />
reproduziert, Macht über Kinder ausübt und lange Ferien hat. Selbst die engagiertesten Kolleginnen<br />
und Kollegen ärgern sich über entsprechende Witze, die im privaten Freundeskreis gemacht<br />
werden.<br />
Angehende Pädagoginnen und Pädagogen erleben oft, dass ihre durchaus sensiblen und toleranten<br />
Partner, sofern sie nicht selbst Pädagogen sind, Schwierigkeiten damit haben, dass abends<br />
nicht Freizeit angesagt ist, sondern Schreibtischarbeit für die Schule. Solche Belastungen in privaten<br />
Beziehungen können sehr verunsichern.<br />
Ich möchte meine Ausführungen zu den beruflichen Herausforderungen für Lehrkräfte mit einem<br />
Appell an die für die Lehrerbildung verantwortlichen Institutionen und die angehenden Lehrkräfte<br />
beschließen: Wir brauchen professionell handelnde Lehrkräfte. Diese sollen auch Individualisten<br />
sein, Menschen, die die Energie haben, Kinder und Jugendliche bei deren Lernprozessen über<br />
lange Zeiträume zu begleiten.<br />
Gerade weil die Lehrkräfte zu viele Unterrichtsstunden pro Woche unterrichten und ständig unter<br />
Druck stehen, müssen die Anforderungsbereiche, die stark an die Persönlichkeit angelehnt sind, in<br />
Studium und Referendariat systematisch thematisiert und bearbeitet werden. Dies würde den angehenden<br />
Pädagoginnen und Pädagogen bewusst machen, welche Eigenschaften sie besitzen,<br />
wie sie ihre Arbeit organisieren oder was persönliche Auseinandersetzungen und Kritik in ihnen<br />
auslösen.<br />
Lehrerinnen und Lehrer müssen täglich in unzähligen kommunikativen Situationen erfolgreich handeln<br />
und richtig entscheiden. Das klappt aber nur, wenn sie auch vielfältige Kompetenzen erwerben,<br />
die mit dem Stoff, den sie unterrichten möchten, rein gar nichts zu tun haben, ein befriedigendes<br />
Arbeiten in der Schule aber überhaupt erst gewährleisten.<br />
Empfehlenswerte Literatur:<br />
• Döring, W. Kl. / Ritter-Mamczek, B.: Lehren und Trainieren in der Weiterbildung, Weinheim<br />
1999.<br />
• Helmke, A.: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze 2009.<br />
• Krapp, A. / Weidenmann, B. (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Weinheim 2006.<br />
• Simon, Jana: Lehrerpersönlichkeiten: Der <strong>Neu</strong>e. Entnommen aus www.zeit.de/2010/31 am<br />
27.7.20<strong>13</strong> um <strong>13</strong>:48 Uhr<br />
• Sprenger, R. K.: Aufstand des Individuums. Warum wir Führung komplett neu denken müssen.<br />
Frankfurt/Main 2000.<br />
• Struck, P. / Würtl, I.: Vom Pauker zum Coach. Die Lehrer der Zukunft. Wien 1999.<br />
Cynthia Segner<br />
Schulleiterin am Gymnasium Tiergarten<br />
(ehemals Heinrich-von-Kleist-Schule und Menzel-Schule)<br />
Seite 52
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Wie man "der geborene Lehrer" wird?<br />
Beobachtungen eines Referendars zur Persönlichkeit in der Lehrerausbildung<br />
Persönlichkeit hat aus der Sicht von Referendaren zwei Dimensionen:<br />
erstens das Ideal einer Lehrerpersönlichkeit als Ziel der Ausbildung,<br />
zweitens die individuelle Persönlichkeit als Ausgangspunkt der Ausbildung.<br />
Davon ausgehend möchte ich meine Beobachtungen und Eindrücke nach Abschluss des ersten<br />
Jahres im Referendariat schildern.<br />
Die erste Phase<br />
Hätte man mich zu Beginn des Referendariates gefragt, ob die Universität mich auf den Lehrerberuf<br />
vorbereitet habe, so hätte ich wie meine Referendarskollegen 7 geantwortet: Was interessierte<br />
zu Beginn des Referendariats Theorie und Psychologie, wenn es ums "nackte Überleben" ging?<br />
Was ist eine Stundenplanung, lautete die Frage, und wie strukturiert man ein Halbjahr? Gewiss,<br />
einiges war in der ersten Phase angesprochen worden, war damals aber zu abstrakt, zu fern gewesen<br />
und daher auch nicht im Gedächtnis geblieben.<br />
Nach dem ersten Jahr hat sich das Bild nun komplett geändert, Reihenplanung, Sicherungsphase<br />
und Notengebung haben ihren mystischen Schleier verloren, gehören mehr und mehr zum Handwerkszeug<br />
- nun fragt man sich: Hätte man sich in der Uni nicht viel intensiver der Entwicklungspsychologie<br />
von Kindern und Jugendlichen widmen können und sollen? Oder auch der Lehrerpsychologie,<br />
um sein eigenes Handeln entsprechend wissenschaftlich zu reflektieren, um letztendlich<br />
die eigene Entwicklung voranzutreiben? Allein der Boom in der Forschung zur Lehrerpersönlichkeit<br />
böte genügend Stoff. Der Sinn des Studiums läge dann nicht in einer vorgezogenen berufspraktischen<br />
Ausbildung, sondern darin, einen akademisch fundierten Blick für das Feld der Praxis zu<br />
erwerben.<br />
Denn den "Schulschock" hätte wohl auch keine Trockenübung an der Uni je wesentlich lindern<br />
können, höre ich doch auch von Absolventen des zweiten Examens, also nach zwei Jahren intensiven<br />
Praxistrainings, "schauderhafte" Berichte über den danach einsetzenden Praxisschock.<br />
Referendariat<br />
Den Übergang von der Universität zum Referendariat dominierten bei allen Referendaren zwei<br />
Phänome: Der bereits angesprochene Schulschock, und ein kaum zu bewältigendes Arbeitspensum.<br />
Daraus resultierten die allseits bekannten Klagen über Stress, tiefnächtliche Vorbereitungen<br />
etc.<br />
Eine erste Beobachtung ist, dass der Schulschock rapide abnahm und bis zum Ende des ersten<br />
Semesters beinah vergessen war. Einerseits wegen einer enormen Lernkurve, andererseits, da<br />
der Stress zu einem deutlich höheren Grad an (Selbst-)Organisation zwang und so letztendlich<br />
persönlichkeitsbildend wirkte. Meine zweite Beobachtung ist, dass gewisse Stresshöhepunkte<br />
selbst bei höchstem Grad an Organisation auch im späteren Schulalltag unvermeidlich sind. Hier<br />
wiederum übernimmt das Referendariat die Funktion der Erprobungsstrecke für den eigenen<br />
Rhythmus und, wenn man so will, eines Belastungstrainings. Beide Aspekte, Selbstmanagement<br />
und Belastbarkeit, sind in Zeiten des Burnouts gewiss nützliche Persönlichkeitskompetenzen.<br />
Neben der Vermittlung verschiedener Lehrerkompetenzen und Einblicke in die Facetten des Lehrerberufes<br />
setzen die Seminare vor allem Impulse, sich untereinander auszutauschen. Das wiede-<br />
7 Alle gewählten Personen- und Amtsbezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen und schließen Frauen und Männer<br />
gleichermaßen ein.<br />
Seite 53
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
rum führte dazu, sich zu positionieren, seine Positionen auch zu überdenken und manches Mal zur<br />
Revidierung von Ansichten. Es wirkt hiermit also persönlichkeitsformend.<br />
Da jeder Lehrer jedoch nicht nur über seine Methoden und sein Wissen lehrt, sondern eben über<br />
seine gesamte Persönlichkeit, so ergeben sich ergänzende Vorschläge für ein über die "klassischen"<br />
Professionskompetenzen erweitertes Curriculum. Da ist an Rhetorikkurse zu denken, wie<br />
sie bei Nachwuchspolitikern üblich sind, Haltungs- und Bewegungskurse wie bei Schauspielern<br />
oder Zeitmanagementkurse usw. Einer Liste bisher fachfremder Kompetenzen ist kaum eine<br />
Grenze gesetzt.<br />
Über obigen Eingriff hinaus scheint mir der Einfluss des Fachseminares auf die zukünftige Lehrpersönlichkeit<br />
kaum einschätzbar, wenn er gewiss auch vorhanden ist. Doch über welche Faktoren<br />
wird es wirksam? Erschwerend kommt hinzu, dass je nach Referendarspersönlichkeit das gleiche<br />
Seminar unterschiedlich eingeschätzt wird: Sorgt etwa ein fehlender Semesterplan für Beliebigkeit<br />
oder Flexibilität? Ein engagierter, (über-) fordernder Seminarleiter stürzt den Anfänger in Selbstzweifel<br />
und verhilft gleichzeitig dem Fortgeschrittenen zum entscheidenden Schliff. Die derzeitige<br />
Struktur, die weder die Fachseminare noch deren Leiter normiert, hat letztlich den Vorteil, dass<br />
durch die entstehende Vielfalt jeder Referendarstypus bedient wird.<br />
Mit der Frage, was denn ein guter Lehrer sei, welche persönlichen Eigenschaften dieser habe, begann<br />
mein Hauptseminar und damit wohl wie jedes andere. Die Antworten konnten verschiedener<br />
nicht ausfallen. Mit der Frage nach den persönlichen Eigenschaften ist die spätere Rolle des Lehrers<br />
eng verwandt. Wir erfuhren, er sei Begabungsförderer, Motivator der Underachiever, Sozialarbeiter,<br />
Elternberater, Familientherapeut, Organisator - vom Sommerfest bis zur Klassenfahrt - ,<br />
verantwortlich für Schul- und Lernatmosphäre, Erziehung, Leistung, Vertrauen, demnächst noch<br />
Inklusator – und sein Fach, das beherrscht er nebenbei auch. Die Notwendigkeit der einzelnen Facetten<br />
steht außer Frage, es geht eher darum, wie viel dieses Idealbildes die individuelle Lehrkraft<br />
davon in sich integriert: Wird sie alles gleichzeitig oder Spezialist für das eine mit Blick für das andere?<br />
Und, hängt das nicht zu einem guten Teil von der Persönlichkeit ab? Hier interessiert also,<br />
wie der Lehramtsanwärter ausgehend von seiner Persönlichkeit möglichst in zwei Jahren in seine<br />
Rolle hineinfindet.<br />
Derzeit kann ich dafür folgende Faktoren ausfindig machen: Die Seminarleiter stellen am Rande<br />
eines Unterrichtsbesuches einen jeweiligen Stand fest und geben entsprechende Rückmeldung.<br />
Noch etwas anderes ist es, wenn im Zeugnis der recht schwammige Punkt "versteht sich ganzheitlich<br />
als Lehrer, der unterrichtet, erzieht, beurteilt und bewertet, berät und betreut" entsprechend<br />
eingefügt wird. In beiden Fällen aber wird mit erheblichem zeitlichen Abstand korrigierend eingegriffen,<br />
während der Handlungsdruck des Schulalltags letztlich für eine mehr oder minder ungesteuerte<br />
Entwicklung sorgt. Wie komme ich als Referendar also zu einer bewussten, kleinschrittigen<br />
und gelenkten Progression? Zur Theorie der Selbstreflexion habe ich bereits auf die Universität<br />
verwiesen, die Seminare wirken hier weiterhin aktivierend. Kann man sich aber nicht einen<br />
Entwicklungshelfer im Schulalltag vorstellen?<br />
Blickt man auf die Forschung zur Persönlichkeitsbildung von Lehrern, wird bereits die Bildung von<br />
persönlichen Entwicklungspartnerschaften gefordert, bei denen Lehrkräfte gegenseitig die Funktion<br />
eines kritischen Freundes übernehmen. Der Schritt zur Übernahme dieses Verfahrens ins<br />
Referendariat wäre klein, manche Schulen bieten ihren Referendaren bereits einen anleitenden<br />
Lehrer.<br />
Gegen das Konzept des anleitenden Lehrers ist vorgebracht worden, dass man als Referendar in<br />
eine schlichte Nachahmung von Handlungsmustern fallen könnte. Aber auch wenn die Übernahme<br />
von Verhaltensmustern scheitert, weil etwa das nachgeahmte Verhalten nicht zur eigenen Persönlichkeit<br />
passt, entwickelt sich doch auch dadurch ein eigener Stil. Allerdings muss dafür der "Habitus<br />
der Reflexivität" Usus werden. Dies ist in unseren Seminaren bereits angelegt, könnte jedoch<br />
stärker betont werden.<br />
Seite 54
Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />
Ein zweiter Aspekt der Unterrichtsbesuche ist, dass sie durchweg als Prüfungs- und Stresssituation<br />
wahrgenommen wurden und werden, trotzdem unsere Seminarleiter unermüdlich ihre Rolle<br />
als Lernbegleiter beteuern. Erstens aber ist der Seminarleiter die Personalunion von Coach und<br />
Prüfer und zweitens besteht ein organisatorisch bedingter Ausnahmecharakter des Unterrichtsbesuches.<br />
Wie soll ein Seminarleiter coachend eingreifen, wenn er seinen Schützling nur alle acht Wochen<br />
einmal in einem als Stress- und Prüfungssituation empfundenen Unterrichtsbesuch sieht? Wie soll<br />
der Referendar dies gleichzeitig nicht als Ausnahmesituation empfinden? Nicht zuletzt kursiert unter<br />
uns Referendaren seit jeher und weiterhin die Unterscheidung von "Didaktikfeuerwerk" im Unterrichtsbesuch<br />
zu alltäglichem Unterricht. Diese extreme Kluft zwischen empfundenem Leistungsdruck<br />
und Realität lässt den Referendar nicht in seine Rolle finden und diese entwickeln, also<br />
seine Persönlichkeit bilden, sondern provoziert einen situativen Rollenwechsel. Dies hat die bekannte<br />
Konsequenz, dass die Rolle des "Didaktikzauberers" nach zweijähriger Zerreißprobe recht<br />
schnell als anstrengend und unauthentisch aufgegeben werden wird.<br />
Dies spräche für eine möglichst hohe Frequenz unangemeldeter Unterrichtsbesuche, allerdings<br />
vorzugsweise eben nicht den Seminarleiter sondern durch einen anleitenden Lehrer. Denn hierdurch<br />
wäre man gezwungen, einen eigenen Rhythmus für einen ordentlichen alltäglichen Unterricht<br />
zu finden. Während die Seminarleiter wie gehabt und erprobt das Handwerkszeug vermitteln<br />
und mit "prüfendem Blick" die Ausbildung begleiten, könnte der anleitende Lehrer annähernd täglich,<br />
vor allem aber kleinschrittig und ohne empfundenen Prüfungsdruck, steuernd eingreifen.<br />
Schluss<br />
Schulschock, Handlungsdruck, handwerklicher Fortschritt des alltäglichen Unterrichts und persönliche<br />
Rollenfindung in einem anspruchsvollen und facettenreichen Berufsbild benötigen ein<br />
"Coach" um die Entwicklung nachhaltig und bewusst zu beeinflussen. Eine Funktion, die derzeit<br />
der Seminarleiter innehat, der gleichzeitig aber auch der spätere Prüfer ist. Durch den dadurch<br />
empfundene Prüfungsdruck, wird der Sinn und Zweck von Unterrichtsbesuchen aber ungewollt<br />
konterkariert. Zudem sorgen die großen zeitlichen Abstände weniger für eine kleinschrittige, nachhaltige<br />
Steuerung der Persönlichkeitsentwicklung, sondern tendieren dazu, einen situativen Rollenwechsel<br />
zu provozieren. Diese Beobachtungen lassen den anleitenden Lehrer mit dessen<br />
Kompetenz und seinen Handlungsspielräumen in den Fokus rücken. Referendar Stefan Wagner<br />
hatte in diesem Zusammenhang (betrifft: 2007) eingewendet, von qualifizierten und engagierten<br />
Seminarleitern mehr gelernt zu haben, als von unqualifizierten und überlasteten Lehrern. Auch<br />
dies spräche nicht gegen das Konzept, im Gegenteil, es fordert geradezu, dass die anleitenden<br />
Lehrer entsprechend qualifiziert und vor allem entlastet werden.<br />
David Bordiehn<br />
Sprecher der LAA des 3. SPS Tempelhof-Schöneberg<br />
Referendar für Latein und Geschichte an der Kath. ISS St. Franziskus<br />
Seite 55
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes 2010 - 2012<br />
In einer Studie vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) wurden die Eingangsvoraussetzungen<br />
und die Ausbildungsergebnisse der Lehramtsanwärter/innen im Berliner<br />
Vorbereitungsdienst im Hinblick auf ihre Unterrichtskompetenz, ihre pädagogischen Wissensbestände<br />
und ihre berufsbezogene Orientierung untersucht und Aspekte der Ausbildungsqualität<br />
evaluiert. In dieser Studie wurden die Lehramtsanwärter/innen mit einer universitären Bachelorund<br />
Masterausbildung mit denen einer Staatsexamensausbildung sowohl für den höheren Dienst<br />
(Amt des Studienrats) als auch für den gehobenen Dienst (alle anderen Lehrämter) verglichen.<br />
In der Evaluation wurden die individuellen Voraussetzungen, die berufsbezogenen Überzeugungen<br />
und motivationalen Orientierungen erfragt und das pädagogische Unterrichtswissen der Lehramtsanwärter/innen<br />
wurde getestet. Außerdem stand in inhaltlicher Hinsicht von den vier Kompetenzbereichen<br />
der Standards für die Lehrerbildung (KMK, 2004) der Bereich Unterrichtskompetenz mit<br />
den damit verbundenen Lerngelegenheiten im Fokus.<br />
Folgende Fragestellungen sollten im Rahmen der Studie beantwortet werden:<br />
1. Über welche Eingangsvoraussetzungen (Eingangsqualität) verfügen die Lehramtsanwärter/innen<br />
(L) mit Abschluss Staatsexamen (im Folgenden als Staat(L) bezeichnet) im Vergleich<br />
zu denen mit Abschluss Master (im Folgenden als Master(L) bezeichnet) zu Beginn des Vorbereitungsdienstes?<br />
2. Über welche Eingangsvoraussetzungen (Eingangsqualität) verfügen die Studienreferendarinnen<br />
und -referendare mit Abschluss Staatsexamen (im Folgenden als Staat(StR) benannt) im<br />
Vergleich zu denen mit Abschluss Master (im Folgenden als Master(StR) bezeichnet) zu Beginn<br />
des Vorbereitungsdienstes?<br />
3. Über welche Kompetenzen im Bereich Unterrichten verfügen die Lehramtsanwärter/innen mit<br />
einem einjährigen Vorbereitungsdienst im Vergleich zu denen mit einem zweijährigen Vorbereitungsdienst<br />
am Ende des Ausbildungsabschnittes?<br />
4. Über welche Kompetenzen im Bereich Unterrichten verfügen Studienreferendarinnen und -<br />
referendare mit Abschluss Staatsexamen oder Master am Ende des Vorbereitungsdienstes?<br />
5. Welchen Beitrag zur Kompetenzentwicklung im Bereich Unterrichten leistet das Allgemeine<br />
Seminar im Hinblick auf das Ergebnis der Ausbildung?<br />
6. Welchen Beitrag zur Kompetenzentwicklung im Bereich Unterrichten leistet die Ausbildungsschule<br />
im Hinblick auf das Ergebnis der Ausbildung?<br />
Die 289 Lehramtsanwärter/innen, die für diese Studie ausgewählt wurden, traten den Vorbereitungsdienst<br />
im Januar 2010 an und wurden in einer Längsschnitt-Studie über ihren gesamten Ausbildungszeitraum<br />
von einem bzw. zwei Jahren zu insgesamt drei Erhebungszeitpunkten begleitet.<br />
An den Abschlusserhebungen nach einem bzw. zwei Ausbildungsjahren haben 215 Lehramtsanwärter/innen<br />
– entspricht einer Rücklaufquote von 74 % - teilgenommen. Die erste Erhebung fand<br />
zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst statt. Somit konnte eine Baseline der Evaluation, von der<br />
aus ein Nachzeichnen der Kompetenzentwicklung möglich war, ermittelt werden. Ende November<br />
2010 fand die Abschlusserhebung für die Lehramtsanwärter/innen des gehobenen Dienstes mit<br />
einem einjährigen Vorbereitungsdienst und Anfang Februar 2011 die Zwischenevaluation der<br />
Kompetenzen der Gruppe mit zweijährigem Vorbereitungsdienst statt. Hierdurch wird ein Vergleich<br />
der Entwicklung zwischen den Lehramtsanwärter/n/innen des L-Bereiches (ein- und zweijährig)<br />
Seite 56
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
und der Studienratslaufbahn ermöglicht. Im Oktober 2011 fand die Abschlusserhebung für die o. g.<br />
Teilnehmer/innen des zweijährigen Vorbereitungsdienstes statt.<br />
Die Evaluation besteht aus vier Teilen:<br />
1. Selbsteinschätzung der Lehramtsanwärter/innen, von denen die Selbsteinschätzungen zur<br />
Unterrichtskompetenz mit den Fremdeinschätzungen der Seminarleiter/innen und Schulleiter/innen<br />
verglichen werden;<br />
2. einem Test zu pädagogischem Unterrichtswissen, in dem deklaratives Wissen geprüft wird;<br />
3. Einschätzungen zu den Lerngelegenheiten in Seminar und Ausbildungsschule von den<br />
Lehramtsanwärter/n/innen sowie den Seminarleiter/n/innen und Schulleiter/innen, die über die<br />
Qualität der Ausbildung Aufschluss geben;<br />
4. die Zusatzkomponente PlanvoLL, in deren Rahmen das Planungswissen der LAA analysiert<br />
wird.<br />
Die Ergebnisse der Studie<br />
Individuelle Voraussetzungen, Überzeugungen und motivationale Orientierungen<br />
Im Vergleich zu den Staatsexamen(L) haben die Master(L) sowohl das Abitur als auch die<br />
Universitätsausbildung mit einem besseren Notendurchschnitt abgeschlossen. Die<br />
Mitarbeiter/innen des FiBS merken zu Recht an, dass die Noten des Masterabschlusses und des<br />
Staatsexamens nicht vergleichbar seien. Trotzdem gehen sie davon aus, dass die Master(L) mit<br />
etwas günstigeren kognitiven Voraussetzungen den Vorbereitungsdienst antreten als die Staat(L).<br />
Auch die Master(StR) erreichen nach der vorliegenden Studie etwas bessere Abitur- und Hochschulabschlüsse<br />
als die Staat(StR).<br />
Am Ende der Ausbildung konnten bei den einjährigen und zweijährigen Ausbildungsgängen der<br />
Master(L) keine Unterschiede hinsichtlich der kognitiven Voraussetzungen, Überzeugungen und<br />
motivationalen Orientierung erkannt werden.<br />
Bei den Studienreferendar/innen/en wird festgestellt, dass die Master(StR) hinsichtlich der Berufszufriedenheit,<br />
der intrinsischen Motivation und des beruflichen Commitments positiver eingestellt<br />
sind als die Staat(StR), was nach Angaben des FiBS jedoch statistisch nicht signifikant wird.<br />
Die Eingangserhebung hat außerdem gezeigt, dass sich die Lehramtsanwärter/innen in ihren<br />
Überzeugungen zum Lehren und Lernen deutlich stärker konstruktivistisch als transmissiv orientiert<br />
zeigen.<br />
Folgende Bereiche wurden im Rahmen der Unterrichtskompetenz jeweils selbst- und fremdeingeschätzt:<br />
1. Kompetenzbereich Unterrichten: Unterricht planen, durchführen und analysieren<br />
2. Kompetenzbereich Unterrichten: Lernsituationen gestalten<br />
3. Kompetenzbereich Unterrichten: Selbständiges Lernen und Differenzierung<br />
4. Kompetenzbereich Beurteilen und Diagnostische Kompetenz<br />
5. Kompetenzbereich Erziehen<br />
6. Kompetenzbereich Innovieren<br />
Die Lehramtsanwärter/innen schätzen sich bereits durch ihr Studium in allen Bereichen der Unterrichtskompetenz<br />
recht gut qualifiziert – mit mittlerem Ausmaß der vorhandenen Kompetenzen -<br />
ein. Die Seminarleiter/innen schätzen dagegen die Unterrichtskompetenz der Lehramtsanwärter/innen,<br />
die den Vorbereitungsdienst gerade begonnen haben, deutlich schwächer ein. Die<br />
Schulleitungen schätzen die Unterrichtskompetenz ähnlich wie die Lehramtsanwärter/innen ein<br />
und charakterisieren sie - zu Beginn des Vorbereitungsdienstes - durch eine gute Klassenführung<br />
zur Vermeidung von Unterrichtsstörungen und einen stärkeren Einsatz von „klassischen“ Unterrichtsmethoden.<br />
Die offenen Unterrichtsmethoden werden zu diesem Zeitpunkt nur in einem geringen<br />
Umfang berücksichtigt.<br />
Seite 57
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
Ergebnisqualität<br />
Ihren Kompetenzzuwachs schätzen die Lehramtsanwärter/innen aller vier Gruppen am Ende des<br />
ersten Ausbildungsjahres ähnlich ein. Die Master(L) im einjährigen Vorbereitungsdienst haben also<br />
am Ende ihrer Ausbildung ungefähr das gleiche Kompetenzniveau erreicht, mit dem die Lehramtsanwärter/innen<br />
des zweijährigen Vorbereitungsdienstes in ihr zweites Ausbildungsjahr eintreten. In<br />
den Bereichen „Beurteilen“ und „Innovieren“ nehmen sich die Master(L) weniger kompetent wahr<br />
als die Lehramtsanwärter/innen der drei anderen Gruppen.<br />
Die Seminarleitungen schätzen die Kompetenzdefizite in den o. g. sechs Kompetenzbereichen im<br />
Vergleich zu den anderen Ausbildungsgruppen größer ein als die Lehramtsanwärter/innen. Aus<br />
Sicht der Kolleginnen und Kollegen bleiben die Master(L) mit einjähriger Ausbildung in allen Bereichen<br />
in ihrer Kompetenzentwicklung bereits im Laufe des ersten Jahres des Vorbereitungsdienstes<br />
hinter der Kompetenzentwicklung zurück, die die Lehramtsanwärter/innen, die sich im zweijährigen<br />
Vorbereitungsdienst befinden, in diesem Zeitraum (das erste Ausbildungsjahr) erfahren. Die Kompetenzen<br />
in den Bereichen „Unterricht planen, durchführen und analysieren“, „Beurteilen“ und „Erziehen“,<br />
besonders aber für die Bereiche „Lernsituationen gestalten“ und „Selbständiges Lernen<br />
und Differenzierung“ sind nach Einschätzung der Seminarleitungen deutlich geringer ausgeprägt<br />
als bei den Lehramtsanwärter/n/innen des zweijährigen Vorbereitungsdienstes. Die Schulleitungen<br />
schätzen die Kompetenzentwicklung der Master(L) im ersten Ausbildungsjahr – bzw. dem Ausbildungsjahr<br />
– schwächer ein als die der Lehramtsanwärter/innen mit zweijähriger Ausbildung. Die<br />
Kompetenzunterschiede zwischen Master(L) und Master(StR) werden für die ersten drei Bereiche<br />
der Unterrichtskompetenz (Planung, Durchführung und Analyse, Gestaltung von Lernsituationen<br />
sowie Selbständiges Lernen und Differenzierung) als besonders augenfällig eingeschätzt.<br />
Alle Einschätzungen weisen darauf hin, dass die Master(L) ihren einjährigen Vorbereitungsdienst<br />
mit einem deutlich niedrigeren Kompetenzniveau als alle anderen Gruppen von Lehramtsanwärter/n/innen<br />
abschließen.<br />
Für den Studienratsbereich ist auffällig, dass die Seminarleitungen die Master(StR) in den o. g.<br />
unterrichtsbezogenen Kompetenzen kompetenter wahrnehmen als die Staat(StR). In den Einschätzungen<br />
der Schulleitungen bestehen die größten Kompetenzunterschiede zwischen Master(StR)<br />
und Staat(StR). Der systematische Kompetenzaufbau gelingt den Master(StR) deutlich<br />
besser als den Staat(StR).<br />
Die Umfrage hat auch ergeben, dass die Lehramtsanwärter/innen noch Defizite bei der Diagnose<br />
und Einschätzung von individuellen Leistungsentwicklungen und der damit notwendigen Passung<br />
der Unterrichtsniveaus und der erforderlichen Differenzierungsmaßnahmen sehen.<br />
Für den Bereich der Klassenführungskompetenz ergibt die Auswertung, dass die Master(L) das<br />
geringste Entwicklungspotential nachweisen. Nach einem Jahr Ausbildung sehen alle Gruppen der<br />
befragten Lehramtsanwärter/innen eine Regression bei der o. g. Kompetenzentwicklung, die aber<br />
am Ende des Referendariats wieder deutlich positiver eingeschätzt wird. Im zweiten Jahr des Vorbereitungsdienstes<br />
scheinen für diesen Bereich beachtenswerte Lerneffekte vorzuliegen.<br />
Die Testergebnisse zum pädagogischen Wissen<br />
In der Studie wurde auch die Entwicklung des pädagogischen Wissens untersucht. Bei beiden<br />
Master-Ausbildungsgängen weisen die Testergebnisse der Eingangserhebung auf einen deutlich<br />
höheren Umfang pädagogischen Unterrichtswissens im Vergleich zu den Staatsexamens-Ausbildungsgängen<br />
hin. Für alle vier Ausbildungsgänge zeigt sich bei der Wissensentwicklung über das<br />
erste Ausbildungsjahr ein ähnlicher Wissenszuwachs. Für die Master(StR) ist ein verbleibend signifikanter<br />
Wissensvorsprung zu den Staat(StR) festzustellen. Die Entwicklung vom zweiten zum<br />
dritten Erhebungszeitpunkt lässt für die Master(StR) einen markanten und für die Staat(StR) einen<br />
leichten Rückgang beim pädagogischen Wissen erkennen. Das Ergebnis wird dahingehend gedeutet,<br />
dass im Vorbereitungsdienst stärker die Einübung praktischer unterrichtlicher Handlungen<br />
Seite 58
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
berücksichtigt wird. Das konzeptionell-analytische pädagogische Wissen wird verstärkt in der universitären<br />
Ausbildung erworben.<br />
Prozessqualität<br />
Die methodisch-fachliche Qualität der Ausbildung in den Allgemeinen Seminaren wird sowohl von<br />
den Seminarleitungen als auch von den Lehramtsanwärter/n/innen ähnlich eingeschätzt. Der<br />
größte Teil der erfragten Kriterien zu diesem Bereich wird erfüllt. Der Standard einer einheitlichen<br />
und transparenten Leistungsbewertung wird übereinstimmend hoch beurteilt. Die Lehramtsanwärter/innen<br />
nehmen den Umfang der Lerngelegenheiten im Allgemeinen Seminar als größer war als<br />
den in der Ausbildungsschule. Der Anregungsgehalt des Allgemeinen Seminars für die praktische<br />
Unterrichtsgestaltung wird von den Referendar/innen/en dagegen nicht so gut beurteilt.<br />
Von den Lehramtsanwärter/n/innen und auch den anleitenden Lehrkräften wird insbesondere das<br />
ungenügende Wissen der anleitenden Lehrer/innen über die Ausbildung in den Seminaren und an<br />
der Universität kritisiert.<br />
Die Betreuung durch anleitende Lehrkräfte sowie die stark divergierenden Vorstellungen von gutem<br />
Unterricht wurden deutlich kritisiert.<br />
Für ihre Arbeit in den Ausbildungsschulen wünschen sich die Lehramtsanwärter/innen u. a. transparente<br />
und klar geregelte Rechte und Pflichten. Die anleitenden Lehrkräfte sollten eine bessere<br />
Fortbildung erhalten, mit der sie bessere Kenntnisse von den Ausbildungsinhalten an den Universitäten,<br />
in den Fachseminaren und den Allgemeinen Seminaren erhalten.<br />
Planungskompetenz<br />
Von insgesamt 105 Lehramtsanwärter/n/innen wurden je zwei Unterrichtsentwürfe zu Beginn und<br />
am Ende des Vorbereitungsdienstes analysiert.<br />
Das Ergebnis bestätigt eindeutig, dass die Planungskompetenz im Berliner Vorbereitungsdienst<br />
tatsächlich gefördert und erworben wird.<br />
Zusammenfassung<br />
Bei der vorliegenden Evaluation handelt es sich, soweit mir bekannt ist, um die erste durchgeführte<br />
Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes. Die Evaluation wurde mit 289 Lehramtsanwärter/n/innen<br />
durchgeführt, wobei bei den Abschlussbefragungen ein Rücklauf von 74 % zu verzeichnen<br />
war. Befragt wurden Staatsexamen- und Masterabsolventen für das Lehramt und das<br />
Amt des Studienrates. Welche Rückschlüsse können nun aus den Ergebnissen gezogen werden?<br />
Auffällig ist, dass es sich bei den Befragungen der Lehramtsanwärter/innen, der Schulleitungen<br />
und Seminarleitungen häufig um sog. Einschätzungen handelt, deren Ergebnisse statistisch nicht<br />
immer signifikant sind. Mein Kollege Herr Dr. Oehmig hat in einem Schreiben an das FiBS zahlreiche<br />
Items der Fragebögen kritisch hinterfragt. Viele Fragen lassen sich nur als Einschätzung beantworten.<br />
Ob den Schülerinnen und Schüler im Unterricht etwas beigebracht wurde, taucht z. B.<br />
als Frage gar nicht auf. Sehr kritisch zu betrachten ist meiner Meinung nach der Vergleich der<br />
Abiturnoten und der Noten des Universitätsabschlusses der Master- und der Staatsexamensabsolventen.<br />
Das FiBS führt zur Recht an, dass die Noten des Masterabschlusses und des Ersten<br />
Staatsexamens nicht vergleichbar seien. Auch ein Vergleich der Abiturnoten ist nicht besonders<br />
sinnvoll. Z. B. wurde noch vor einigen Jahren in Berlin ein überwiegend dezentrales Abitur durchgeführt.<br />
Innerhalb der Bundesrepublik würde ein Vergleich der Abiturnoten ebenfalls nur Sinn machen,<br />
wenn es ein bundesweites einheitliches Zentralabitur gäbe. Trotzdem gehen die Mitarbeiter/innen<br />
des FiBS davon aus, dass zumindest die Master(L) mit etwas günstigeren kognitiven Voraussetzungen<br />
den Vorbereitungsdienst antreten.<br />
Welches sind denn nun die interessantesten Ergebnisse? Erfreulich ist, dass die methodisch-fachliche<br />
Qualität der Ausbildung in den Allgemeinen Seminaren sowohl von den Lehramtsanwär-<br />
Seite 59
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
ter/n/innen als auch den Seminarleiter/n/innen ähnlich eingeschätzt wird. Übereinstimmend hoch<br />
wird der Standard einer einheitlichen und transparenten Leistungsbewertung beurteilt, aber der<br />
Anregungsgehalt des Allgemeinen Seminars für die praktische Unterrichtsgestaltung wird dagegen<br />
von den Lehramtsanwärter/n/innen etwas weniger gut beurteilt. Die Studienreferendarinnen und -<br />
referendare gaben für die Entwicklung der Unterrichtskompetenz an, dass sie in den Bereichen<br />
Selbständiges Lernen und Differenzierung und Beurteilen - im Vergleich zu den anderen Ausbildungsgängen<br />
- im Allgemeinen Seminar und in den Schulen Lerngelegenheiten in geringerem<br />
Umfang erhalten und die Seminarleitungen den Bereichen vergleichsweise weniger Wichtigkeit<br />
beimessen. Ich meine, dass die drei o. g. Themenbereiche in den letzten 10 Jahren auch in den<br />
Allgemeinen Seminaren an Bedeutung zugenommen haben. Für das Allgemeine Seminar bietet<br />
sich zu diesem Thema eine noch engere Kooperation mit den Fachseminaren an. Differenzierungsmaßnahmen,<br />
die auch tatsächlich greifen, müssen sich auf die unterrichtlichen und sozialen<br />
Rahmenbedingungen konkreter Lerngruppen beziehen. Die entwickelten und erprobten Maßnahmen<br />
können dann auch auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und angepasst werden.<br />
Die Themen „Unterrichtsdiagnostik“ sowie „Beurteilung und Bewertung“ haben auch im Allgemeinen<br />
Seminar einen relativ hohen Stellenwert. Aber es gibt noch sicherlich Optimierungsbedarf,<br />
damit die Lehramtsanwärter/innen mehr Lerngelegenheiten erhalten. Zu diesen Themen könnte<br />
z. B. ein noch intensiverer fachdidaktischer Austausch bzw. eine inhaltliche Abstimmung zwischen<br />
den Seminar- und Fachseminarleitungen erfolgen.<br />
Die Lehramtsanwärter/innen schätzen den Beitrag der Ausbildungsschulen zur Entwicklung ihrer<br />
Unterrichtskompetenz kritisch ein. Sie haben den Eindruck, dass sie z. B. im Allgemeinen Seminar<br />
deutlich mehr Lerngelegenheiten geboten bekommen als in der Ausbildungsschule. Gemeint ist<br />
hiermit die Beratung und Anleitung, die die Schulleitungen und die (anleitenden) Lehrkräfte an den<br />
Schulen den Lehramtsanwärter/n/innen anbieten. Die Befragung hat aufgrund zahlreicher Anmerkungen<br />
der Lehramtsanwärter/innen ergeben, dass die Schulen diese Ausbildungstätigkeit nur in<br />
eingeschränktem Umfang gewährleisten können. Eine Optimierung ließe sich in den Ausbildungsschulen<br />
nur dadurch erreichen, dass es wieder Ermäßigungsstunden für anleitende Lehrkräfte gibt.<br />
Die Rahmenbedingungen für die Ausbildung der Lehramtsanwärter/innen haben sich in den<br />
Schulen deutlich verschlechtert: Durch die vor einigen Jahren vorgenommene Anhebung von 22<br />
auf 26 Unterrichtsstunden für Lehrkräfte der Sek I und Sek II ist es organisatorisch kaum noch<br />
möglich, dass (anleitende) Lehrkräfte regelmäßig im Unterricht der Lehramtsanwärter/innen hospitieren<br />
bzw. ihnen beratend zur Seite stehen. Durch die Erhöhung der Referendariatsplätze müssen<br />
viele Ausbildungsschulen deutlich mehr Lehramtsanwärterinnen aufnehmen als noch vor einigen<br />
Jahren. Die Schulsenatorin hat vor kurzem angekündigt, dass in den Jahren 2014 und 2015 jeweils<br />
250 Lehramtsanwärter/innen zusätzlich eingestellt werden sollen. Die Obergrenze von derzeit<br />
knapp 2300 Lehramtsanwärter/n/innen pro Jahr wird sich dann im Jahr 2015 auf ca. 2800 erhöhen.<br />
Viele Schulen kommen bereits jetzt schon an ihre organisatorischen Grenzen. In den Gymnasien<br />
ist die 11. Klasse weggefallen. Die Studienreferendar/innen/e können in der Sek II der<br />
Gymnasien nur noch auf die Kurse der Qualifikationsphase verteilt werden. Das hat z. B. zur<br />
Folge, dass bei abiturrelevanten Kursen - je nach Ausbildungsende der Lehramtsanwärter/innen -<br />
während des laufenden Semesters ein Lehrerwechsel erforderlich ist, ggf. auch kurz vor den<br />
schriftlichen Abiturprüfungen. Unter pädagogischen Aspekten ist ein Lehrerwechsel unmittelbar vor<br />
den Abiturprüfungen sehr kritisch zu sehen. Da die Anzahl der Kurse - aufgrund der Schülerzahl<br />
bzw. des Wahlverhaltens - begrenzt ist, haben einige Schulen bereits Schwierigkeiten, die vielen<br />
Lehramtsanwärter/innen in den entsprechenden (Grund-)Kursen einzusetzen bzw. diese noch mit<br />
ihrem Stammpersonal zu besetzen. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen können viele<br />
Schulen inzwischen nicht mehr eine ausbildungsadäquate Ausbildung - also Anleitung und Beratung<br />
- der Lehramtsanwärter/innen umfassend gewährleisten. Für die Ausbildung der Lehramtsanwärter/innen<br />
an den Ausbildungsschulen dürfte in den nächsten Jahren aufgrund der o. g.<br />
Gründe keine Optimierung zu erwarten sein, eher ist hier mit einer Verschlechterung der Ausbildungsbedingungen<br />
zu rechnen.<br />
Seite 60
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
Ein eindeutiges Ergebnis der Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes im Bereich Ergebnisqualität<br />
ist, dass die Master(L) aufgrund der Verkürzung des Referendariats auf ein Jahr ein beträchtlich<br />
niedrigeres Kompetenzniveau aufweisen als die Lehramtsanwärter/innen, die einen<br />
zweijährigen Vorbereitungsdienst absolvieren. Außerdem wirkt sich die Verkürzung der Ausbildung<br />
der Master(L) in einem weniger stark beruflichen Commitment und einer deutlich geringeren<br />
Selbstwirksamkeitserwartung für die Herausforderungen im Berufsfeld aus. Die Evaluation ist ein<br />
klarer Beleg für die politische Fehlentscheidung, den Vorbereitungsdienst der Master(L) zeitlich zu<br />
halbieren. Ich glaube sagen zu dürfen, dass keiner meiner Seminarleiterkolleginnen und -kollegen<br />
des L und S-Bereichs diese Entscheidung - aus pädagogischen Gründen - nachvollziehen konnte.<br />
Nach Verabschiedung des neuen Lehrerbildungsgesetzes wird für alle Lehrämter ein 18-monatiger<br />
Vorbereitungsdienst durchgeführt werden. Dann dürften auch wieder bessere Ergebnisse für den<br />
Vorbereitungsdienst der Master(L) zu erwarten sein. Andererseits bedeutet es für die Studienreferendar/e/innen<br />
eine Verdichtung der Ausbildungsinhalte, die hinsichtlich der Ausbildungsqualität,<br />
insbesondere unter Berücksichtigung der modularisierten Ausbildung im Allgemeinen Seminar,<br />
relevant sein könnte. Bei einer 18-monatigen Ausbildung werden die einzelnen<br />
Bausteine - aus zeitlichen Gründen - nur noch vier bis maximal fünf Sitzungen à drei Stunden umfassen<br />
(siehe nächster Absatz). Eine Vertiefung ausgewählter Bereiche ist dann nicht mehr möglich.<br />
Erfreulich ist das Fazit der Evaluation: Im Vorbereitungsdienst entwickeln alle Ausbildungsgänge<br />
die Unterrichtskompetenzen der Lehramtsanwärter/innen in hohem Maße weiter, wobei der Kompetenzaufbau<br />
im zweiten Ausbildungshalbjahr etwas weniger umfassend eingeschätzt wird.<br />
In dieser Studie wurden verschiedene Aspekte der Ausbildungsqualität erstmalig evaluiert. Der<br />
Vorbereitungsdienst wurde zu diesem Zeitpunkt noch nach der Verordnung über den Vorbereitungsdienst<br />
im Anschluss an die Erste Staatsprüfung (Lehrerausbildungsordnung, LAusbO) vom<br />
18. März 1999 durchgeführt. Seit dem 28. 10. 2011 wird der Berliner Vorbereitungsdienst durch<br />
eine neue Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung geregelt. Nach<br />
der neuen Verordnung findet die Ausbildung in den Allgemeinen Seminaren modularisiert statt. Die<br />
Lehramtsanwärter/innen müssen während der Ausbildung zwei Modulprüfungen in den Bereichen<br />
Unterrichten sowie Erziehen und Innovieren ablegen. Eine 50-seitige schriftliche Prüfungsarbeit<br />
müssen die Lehramtsanwärter/innen nicht mehr anfertigen. Die Seminarleitungen können Unterrichtsbesuche<br />
im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung im Rahmen der Module durchführen. Die<br />
Unterrichtsleistungen der Lehramtsanwärter/innen werden von den Leiter/innen der Schulpraktischen<br />
Seminare nicht mehr bewertet. Die Seminarleitungen fassen lediglich kurz vor dem Prüfungszeitraum<br />
für die unterrichtspraktischen Prüfungen die Noten der Fachseminarleitungen und<br />
der Schulleitungen zusammen. Diese Note zählt 1/5 der Gesamtnote. Die beiden Modulprüfungen<br />
und die unterrichtspraktischen Prüfungsstunden werden ebenfalls mit jeweils 1/5 gewichtet. Aus<br />
diesen Ergebnissen wird die Gesamtnote der Zweiten Staatsprüfung ermittelt. Die Ausbildungsstruktur<br />
hat sich demnach deutlich verändert. Ich hoffe, dass man in einigen Jahren den Berliner<br />
Vorbereitungsdienst ein zweites Mal evaluieren wird. Dann dürfte sich zeigen, inwieweit die Modularisierung<br />
der Ausbildung im Allgemeinen Seminar und das Ablegen der Modulprüfungen eine<br />
Qualitätsverbesserung darstellen. Die Lehramtsanwärter/innen werden nun nicht mehr, wie zum<br />
Zeitpunkt der vorliegenden Studie, von den Seminarleitungen kontinuierlich im Unterricht besucht.<br />
Die alte Verordnung sah mindestens sechs Unterrichtsbesuche der Seminarleiter/innen vor, in deren<br />
Rahmen die Lehramtsanwärter beraten, angeleitet und zum Ende der Ausbildung auch - zusammenfassend<br />
- bewertet wurden. Die Entwicklung der Unterrichtskompetenz der Referendar/innen/e<br />
konnte seinerzeit von den Seminarleitungen klar verfolgt werden.<br />
Eine andere Form der Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes soll abschließend nicht unerwähnt<br />
bleiben. In den letzten 10 Jahren sind zahlreiche Lehramtsanwärter/innen nach Ablegen<br />
der Zweiten Staatsprüfung in andere Bundesländer abgewandert. Hierfür gab bzw. gibt es mehrere<br />
Gründe: eine durch Verbeamtung deutlich bessere Besoldung (bezogen auf das Nettogehalt) der<br />
jungen Lehrkräfte und bessere Einstellungschancen seinerzeit. Ich kann mich noch gut an ein<br />
Seite 61
Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />
Schreiben eines Hamburger Schulleiters erinnern, in dem er sich für die gut ausgebildeten Lehrkräfte<br />
aus Berlin bedankte und sein Unverständnis über das Verhalten der Senatsbildungsverwaltung<br />
zum Ausdruck brachte, diese Lehrkräfte einfach gehen zu lassen. Dieser Schulleiter hat innerhalb<br />
eines halben Jahres neun ehemalige Berliner Lehramtsanwärter/innen, die aus unterschiedlichen<br />
Seminaren kamen, an seine Schule geholt. Vor Kurzem teilte mir ein Referendar, der<br />
im Februar 20<strong>13</strong> seine Zweite Staatsprüfung erfolgreich abschloss, mit, dass er nun eine Stelle an<br />
einem Münchener Gymnasium erhalten habe, mit den Fächern Sport und Deutsch. Es ist bekannt<br />
und unbestritten, dass die Qualität des Berliner Vorbereitungsdienstes - zumindest nach alter Lehrerausbildungsordnung<br />
- in anderen Bundesländern sehr geschätzt wird.<br />
Jens-Uve Wahner,<br />
Leiter des 1. Schulpraktischen Seminars Spandau (S)<br />
Seite 62
Schulporträt<br />
Schulporträt<br />
Die Anna-Lindh-Schule –<br />
(Hoch)begabung im Brennpunkt<br />
„Die Schule soll stets danach trachten, dass der<br />
junge Mensch sie als harmonische Persönlichkeit<br />
verlasse, nicht als Spezialist.“<br />
(aus Leitbild Anna-Lindh-Schule) Albert Einstein<br />
1. Geschichte und schulspezifische Rahmenbedingungen<br />
Die Anna-Lindh-Schule ist eine verlässliche Halbtagsgrundschule<br />
und Schule mit offenem Ganztagsbetrieb<br />
für alle Kinder unseres Einzugsbereichs sowie eine<br />
Schule mit berlinweitem Einzugsbereich für anerkannt<br />
hochbegabte Kinder, unabhängig von Herkunft, Geschlecht<br />
und Fähigkeiten.<br />
Die Anna-Lindh-Schule entstand im Schuljahr 2005/2006 durch Fusion der Rehberge- und der<br />
Goethepark-Grundschule. In der unmittelbaren Nähe unserer Schule gibt es drei Parks: den<br />
Volkspark Rehberge, den Goethepark und den Schillerpark. Vor allem der Volkspark Rehberge<br />
wird von uns für Sportveranstaltungen, Ausflüge und Feste häufig genutzt. Unser Schulhof wirkt<br />
ebenfalls wie ein Park: Er ist 2,1 ha groß. Viele Bäume und Sträucher wachsen hier. Es gibt eine<br />
Reihe von Spielgeräten und Bänken. Unseren Schulhof erleben wir als eine grüne Oase.<br />
Die Anna-Lindh-Schule wurde 1956 im Wiederaufbauprogramm<br />
errichtet. Das Gebäude ist ein typischer<br />
50er-Jahre-Bau, sowohl vom äußeren Erscheinungsbild<br />
als auch von der Innenarchitektur her. Zum<br />
Schulgebäude gehört ein großer Festsaal, der ca.<br />
400 Personen Platz bietet. Das Schulgebäude ist<br />
hell, lichtdurchflutet und hat mehrere Ausgänge zum<br />
Schulhof.<br />
Die Schule liegt im Bezirk Mitte im nördlichen Bereich<br />
des Ortsteils Wedding. Obgleich nicht im Gebiet eines<br />
Quartiersmanagement liegend, ist der Einzugsbereich geprägt von einem sehr hohen Anteil<br />
von Familien nicht-deutscher Herkunftssprache, von teilweiser hoher Arbeitslosigkeit und von einer<br />
zunehmend größer werdenden „Bildungsferne“ der Elternhäuser. Es ist ebenfalls eine Tendenz zu<br />
„Sprachlosigkeit“ festzustellen, die sich durch mangelnde oder gar nicht vorhandene Kenntnisse<br />
der deutschen Sprache ausweist.<br />
Bezogen auf unsere Schule lassen sich folgende zentrale Rahmenbedingungen ausweisen:<br />
• Bei einer Schülerzahl von augenblicklich rund 700 Schüler/-innen kommen 481 aus Familien<br />
nichtdeutscher Herkunftssprache. Dies sind etwa 68 % unserer Schülerpopulation.<br />
• Von unseren ca. 700 Kindern sind 53 Kinder mit besonderem Förderbedarf (7,5 %). Wir<br />
integrieren Kinder mit den Förderschwerpunkten Lernen, geistige Entwicklung, Sprache und<br />
emotional-sozialem Verhalten.<br />
Seite 63
Schulporträt<br />
• Ein ausgewiesenes Profil besitzen wir in der Förderung besonders begabter und hochbegabter<br />
Kinder. Derzeit unterrichten wir ca. 70 dieser Schülerinnen und Schüler (IQ höher als <strong>13</strong>0) in<br />
11 extra ausgewiesenen Klassen. Dies entspricht einem Prozentsatz von 10% der gesamten<br />
Schülerzahl. Viele dieser Kinder stammen nicht aus unserem Einschulungsbereich.<br />
Trotzdem verstehen wir uns als „Kiez-Schule“ und wollen in diesem Kontext einen Beitrag zur Stabilisierung<br />
und Weiterentwicklung der Gegend leisten. Der Unterricht an der Anna-Lindh-Schule<br />
wird in den Jahrgangsstufen 3-6 sowie in den Bereichen der Hochbegabtenförderung jahrgangshomogen,<br />
in der Schulanfangsphase und Teilen des 3. Jahrgangs jahrgangsübergreifend organisiert.<br />
Seit dem Schuljahr 2008/09 kooperieren wir in diesem Zusammenhang mit der Technischen<br />
Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg). Augenblicklich arbeiten wir mit 27 Erzieherinnen<br />
und Erziehern in diesem Bereich.<br />
2. Kooperationen und Projekte<br />
In einer sich schnell und radikal verändernden Welt ist auch unsere Schule einem ständigen Wandel<br />
unterworfen. Deshalb entwickeln wir schon im Vorfeld für die an uns herangetragenen Anforderungen<br />
Strukturen und Organisationsformen, die eigenes Handeln unterstützen und befördern.<br />
Unsere Schule bietet ein vielfältiges, pädagogisches Organisationsmodell, differenziert zugeschnitten<br />
auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler, strukturiert auf einzelne temporäre Lerngruppen<br />
und gesamte Klassenverbände.<br />
Grundlegend für unsere Schule ist der Gedanke, soviel Individuelles wie nötig zu unterstützen und<br />
so viel Gemeinsames wie möglich zu veranstalten. Dies gilt für alle Beteiligten am Schulleben, also<br />
für die Schülerschaft, für die pädagogischen und sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und<br />
auch für die Eltern.<br />
In diesem Zusammenhang streben wir vielfältige Kooperationen an und integrieren in unserer<br />
schulischen Arbeit Projekte, die dem Leitbild unserer Schule entsprechen. Nachfolgend sollen<br />
einige dieser Kooperationen und Projekte genauer beschrieben werden.<br />
2.1 (Hoch-)Begabtenförderung<br />
Seit 1998 wird die (Hoch-)Begabtenförderung sukzessive ausgebaut: Seit 2002 richten wir Lernanfängerklassen<br />
mit einem Drittel hochbegabter Kinder (IQ > <strong>13</strong>0) und zwei Dritteln mindestens<br />
gut deutsch sprechender Kinder ein.<br />
Die Kinder kommen aus weiten Teilen Berlins, ca. 20 % der Plätze pro Jahrgang werden unabhängig<br />
vom Einschulungsbereich für begabte Kinder freigehalten.<br />
Wir praktizieren individuelle Begabungsförderung: Wir beginnen mit einem ausführlichen Aufnahmegespräch<br />
und bieten zusätzliche über die Rahmenlehrpläne der Grundschule hinausgehende<br />
Lernbereiche an, orientiert an den Interessen dieser Kinder. Im Bedarfsfall ermöglichen wir auch<br />
die Teilnahme am Unterricht einer höheren Klassenstufe in einem oder mehreren Fächern (sowohl<br />
Enrichment- als auch Akzelerationsangebote). Die Schule beteiligt sich regelmäßig mit exzellenten<br />
Erfolgen an entsprechenden Wettbewerben. In diesem Jahr belegte ein Viertklässler unserer<br />
Schule beim Känguru-Wettbewerb im weltweiten Vergleich einen ersten Platz. Außerdem errangen<br />
sechs Kinder aus unseren Klassenstufen 3 bzw. 5 im weltweiten Vergleich zweite sowie dritte<br />
Plätze. Dies sind herausragende Leistungen, es gibt nur wenige Schulen, die einen der drei vorderen<br />
Plätze weltweit belegen. Ebenso errang eine Schülergruppe aus einer 5. Klasse dieses Jahr<br />
den ersten Platz beim tjfbg-Erfinderwettbewerb.<br />
2003 haben wir eine Lernwerkstatt mit besonderen Materialien für die Hochbegabtenförderung<br />
eingerichtet. Diese Lernwerkstatt wurde u.a. durch Sondermittel des Bezirks ermöglicht und wird<br />
laufend erweitert.<br />
Seite 64
Schulporträt<br />
Es finden regelmäßig schulinterne Fortbildungen für alle mit diesen Kindern arbeitenden Lehrerinnen<br />
und Lehrer statt. Wir führen Beratungen und Fortbildungen außerhalb unserer Schule durch<br />
und geben unsere Erfahrungen weiter.<br />
Die Anna-Lindh-Schule gehört seit 2009 zum Verbund der Schulen des Bezirks Mitte zur Hochbegabtenförderung.<br />
Auf dem jährlich stattfindenden Expertentag werden besonders erfolgreiche<br />
Projekte aus der Hochbegabtenförderung präsentiert.<br />
Des Weiteren arbeiten wir mit der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V., dem<br />
Nordverbund, dem Schulumwelt-Zentrum Mitte und der FU Berlin zusammen.<br />
Laut der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind ist unsere Schule "die Einzige im Land<br />
Berlin, die sich für den Schulvormittag ein Konzept überlegt hat, das die Langeweile der Kinder<br />
verhindert".<br />
2.2 Kinder-Parlament<br />
Das Kinderparlament tagt unter Leitung des Schulleiters jeden Monat mindestens einmal. Aus<br />
jeder Klasse wird ein Vertreter/eine Vertreterin als Parlamentär zur<br />
Arbeit im Parlament abgesandt. Die Parlamentäre haben Berichtspflicht<br />
für ihre Klassen. Es gibt nur zwei grundlegende Regeln für<br />
die Arbeit des Parlaments und zwar: Es redet immer nur einer und<br />
bei den Wortmeldungen sind immer unsere Jüngsten zuerst an der<br />
Reihe.<br />
Zu jeder Sitzung wird ein Protokoll erstellt, welches allen Beteiligten<br />
zur Kenntnis gebracht wird. Die Themen werden entweder vom<br />
Schulleiter als Vertreter der Schule oder von den Parlamentären<br />
als Vertreter der einzelnen Klassen eingebracht.<br />
Ein Schwerpunkt der parlamentarischen Schülerarbeit ist zurzeit der Aufbau und die Installation<br />
einer Schülerfirma, welche die Schulmilch-Versorgung sicherstellen soll.<br />
2.3 Entwicklungspädagogische Projekte<br />
Der Grundgedanke entwicklungspädagogischer Arbeit ist der Ansatz beim emotional-sozialen<br />
Entwicklungsstand der Kinder. Wir stellen zunehmend mehr fest, dass es eine Differenz zwischen<br />
dem Stand der kognitiven und der emotional-sozialen Entwicklung gibt. Bei bestimmten Kindern ist<br />
diese Differenz so groß, dass ihre Fähigkeit zur Arbeit in der Klasse oder in der Gruppe nicht genug<br />
entwickelt ist. Wir sprechen von einer gravierenden Entwicklungsverzögerung. Für diese Kinder<br />
bieten wir drei Organisationsformen an:<br />
1. Betreute Pausen<br />
In jeder Pause werden ausgewählte Kinder von zertifizierten Entwicklungspädagogen betreut.<br />
2. Entwicklungspädagogischer Unterricht (EPU)<br />
In zwei EPU-Gruppen werden je sechs Kinder sechs Unterrichtstunden wöchentlich entsprechend<br />
ihres Entwicklungsstandes betreut.<br />
3. Das DESI-Projekt<br />
Im DESI-Projekt arbeiten wir mit dem Jugendamt und zwei freien Trägern zusammen. Die zehn<br />
aufgenommenen Kinder verbleiben drei Unterrichtsstunden im Klassenverband und werden<br />
danach in der Zeit von 10.45 bis 15.30 Uhr von einer Sozialpädagogin, einer Lehrerin und zwei<br />
Erzieherinnen entlang eines speziell zugeschnittenen Programms unterrichtet und betreut.<br />
Es ist berlinweit das einzige Programm, welches vom Jugendamt präventiv unterstützt wird.<br />
Seite 65
Schulporträt<br />
2.4 Der Förderverein<br />
Der Förderverein der Anna-Lindh-Schule besteht in seiner aktuellen Form seit Januar 2006. Der<br />
Förderverein ist für alle Interessierten offen, das heißt, er wendet sich an Eltern, Lehrer, Erzieher<br />
und Freunde der Schule. In Zusammenarbeit mit aktiven Mitgliedern und der Schulleitung teilen<br />
sich die Vorstandsmitglieder die Wirkungsbereiche Öffentlichkeitsarbeit, Aktivitäten/Projekte,<br />
Sponsorenwerbung und die Vereinsverwaltung. Der Förderverein bemüht sich um Spenden und<br />
Sponsoren. Mit diesen Geldern können zusätzliche Unterrichtsmaterialien gekauft, Schulräume<br />
renoviert oder besondere Projekte gefördert werden. Über die Finanzbeschaffung hinaus ist der<br />
Verein in die inhaltliche Arbeit an der Schule eingebunden.<br />
2.5 Das TuWas!-Projekt<br />
Die Anna-Lindh-Schule ist eine von sieben Schulen, die im<br />
Schuljahr 2006/07 für das TuWAS!- Projekt ausgewählt<br />
wurde. Die Europäische Kommission investiert in dieses<br />
Modellprojekt zur Förderung des naturwissenschaftlichen<br />
Unterrichts. Im Mittelpunkt steht das forschende Lernen der<br />
Grundschüler. Die Freie Universität Berlin ist die Vertreterin<br />
Deutschlands im TuWas!-Projekt. Den beteiligten Schulen<br />
wird Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, mit dem<br />
ganze Schulklassen experimentieren können. Besuche von<br />
außerschulischen Lernorten (z.B. NatLab der FU) stellen<br />
gesellschaftliche Bezüge her. Ein internationaler Austausch trägt neue Ideen in den Unterricht.<br />
Darüber hinaus werden im Unterricht sprachbildende Aspekte berücksichtigt, die die Schülerinnen<br />
und Schüler handlungsbegleitend bei der Entwicklung der Bildungssprache unterstützen.<br />
2.6 ROCKKiDS<br />
Seit 2005 werden auf der Klassenstufe 5/6 Theater- und Musikprojekte<br />
in den Unterricht integriert, um bei den Schülern soziale und individuelle<br />
Kompetenzen zu entwickeln und zu stärken. Wichtig ist dabei ist, die<br />
Erlebenswelt der Kinder mit in den Unterricht zu holen, damit sich die<br />
Kinder mit den Unterrichtsinhalten identifizieren können und somit motiviert<br />
am Projekt teilnehmen. Die Zusammenarbeit mit den Eltern spielt<br />
dabei eine entscheidende Rolle, denn über den »Umweg« der Projektarbeit<br />
können auch bildungsferne Eltern in schulische Arbeit eingebunden<br />
werden.<br />
Schüler, die im Regelunterricht auf Grund verschiedener Defizite selten<br />
Erfolge verzeichnen können, entdecken in der Projektarbeit ihre Talente,<br />
bringen diese ins Team ein, lernen strukturiert, diszipliniert und zielorientiert<br />
zu arbeiten. Die Kinder entwickeln Ehrgeiz und lernen, für sich selbst und ihr Team Verantwortung<br />
zu übernehmen. Sie entdecken Freude am Lernen und gehen mit einem gestärkten<br />
Selbstbewusstsein aus dem Projektunterricht heraus.<br />
Im Rahmen des Musik-, Deutsch- und Kunstunterrichts werden fachübergreifend Honorarkräfte<br />
eingesetzt, die gemeinsam mit den Lehrern den Projektunterricht gestalten. Die Schüler werden<br />
rahmenlehrplanbezogen in Gruppen- oder auch in Einzelunterricht in den Bereichen Gesang, Keyboard,<br />
Bass, E-Gitarre, Schlagzeug sowie Schauspiel und Tanz ausgebildet.<br />
Wichtig dabei ist, dass dieses Projekt nicht additiv, sondern integrativ in den Unterrichtsablauf<br />
eingebaut wird, bei den Schülerinnen und Schülern damit eine hohe Akzeptanz hat und somit ein<br />
breites Förderspektrum aufweist: von der Sprachentwicklung über die Stärkung der emotional-<br />
Seite 66
Schulporträt<br />
sozialen und persönlichen Kompetenzen der Kinder bis hin zur Ausbildung und Festigung von<br />
Primärtugenden.<br />
2.7 brotZeit<br />
In Kooperation mit dem Verein brotZeit e. V. wird seit Dezember<br />
2011 für Kinder der Schule ein einfaches, aber ausgewogenes<br />
Frühstück mit Brot, Butter, Käse, Wurst (ohne<br />
Schweinefleisch) und Obst angeboten. Verteilt wird das<br />
kostenlose Frühstück von ehrenamtlich tätigen Senioren<br />
täglich zwischen 07:30 und 07:50 Uhr.<br />
Täglich können auf diese Weise rund 30 Kinder verpflegt<br />
werden, die zu Hause kein Frühstück bekommen. Das Kinderparlament hat darüber beraten, wie<br />
dieses Kontingent möglichst gerecht verteilt werden soll, und folgende Handhabe festgelegt: Jede<br />
Klasse verfügt über einen Frühstücks-Pass für ein Kind; auf Klassenebene wird entschieden, wer<br />
diesen Pass erhält.<br />
2.8 Gesunde Schule<br />
3. Arbeitsvorhaben<br />
Am 08.11.2007 wurde unsere Schule als zweite von ganz Berlin zur Gesunden<br />
Schule zertifiziert. Das Zertifikat würdigt die Erfolge, die wir in diesem Bereich<br />
bezogen auf unseren Schulalltag und das "Miteinander" bereits erzielt haben.<br />
Es bezieht sich auf den Entwicklungsstand der Gesundheitsförderung an der<br />
Schule und wird anhand eines Kriterienkatalogs zuerst selbst - durch die Qualitätsbeauftragten<br />
der Schule - und danach fremd - von Auditoren anderer<br />
Schulen - eingeschätzt.<br />
Aus der konsequenten Weiterentwicklung unserer Schule sind diverse Arbeitsvorhaben entstanden.<br />
Diese wurden in den einzelnen Arbeitsvorhaben der vergangenen Jahre präzisiert und einer<br />
Bearbeitung zugeführt. Bei der Konzeption der Arbeitsvorhaben wurden spezifische, messbare,<br />
akzeptierte, realistische und terminierte (smart) Vorgehensweisen zugrunde gelegt.<br />
Zwei Arbeitsvorhaben stehen dabei besonders im Focus der Schulentwicklung:<br />
1. Ausgehend von der Erkenntnis und festen Überzeugung, dass gut entwickelte sowie stabile<br />
emotional-soziale Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern die Basis für eine erfolgreiche<br />
Schulkarriere sind, werden wir besonderes Augenmerk auf diesen Entwicklungsbereich<br />
legen. Die Schule soll für alle am Lernprozess Beteiligten ein angstfreier und zum Lernen anregender<br />
Ort sein. Die Werteerziehung der Schülerinnen und Schüler spielt in diesem Zusammenhang<br />
eine entscheidende Rolle.<br />
2. Ebenso werden wir die Konzeption unserer Arbeit in der Begabtenförderung überarbeiten und<br />
modernisieren. Ziel dabei ist es, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen und ein<br />
Höchstmaß an Individualisierung in der Begabtenförderung zu erreichen.<br />
Mathias Hörold,<br />
Schulleiter der Anna-Lindh-Schule<br />
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Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />
Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />
Lernaufgaben im Fach Geschichte – zum Dritten<br />
Es ist im Land Berlin seit einigen Jahren bereits Konsens, dass Lernzuwachs im Geschichtsunterricht<br />
deutlich über die Vermittlung eines Gerüsts von Zahlen, Fakten und Ereignissen hinausgeht.<br />
Die in den Rahmenlehrplänen für die Mittel- und Oberstufe formulierten Standards sind ein entsprechend<br />
verbindlicher Maßstab.<br />
Die Frage der optimalen Realisierung von Kompetenzentwicklung im Geschichtsunterricht initiierte<br />
eine notwendige und bis heute anhaltende Diskussion über alte und neue fachdidaktische Konzepte.<br />
Dieser Diskurs ist unter vielen Aspekten begrüßenswert, da er besonders unter dem Fokus<br />
„Ausbildung“ immer wieder neue Impulse setzt. In diesem Kontext sei der Artikel von Peter Stolz 8<br />
zu nennen, in dem fachdidaktische Konzepte von Uffelmann (Problemorientierung) und Schreiber<br />
(Schülerfragen) auf deren Tauglichkeit für die Planung und Realisierung von kompetenzorientiertem<br />
Geschichtsunterricht überprüft und für die Praxis (mithin auch für die der Ausbildung) modifiziert<br />
werden.<br />
Problemorientierung als eine mögliche Basis des kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts ist<br />
so neu also nicht mehr. Diese für den Geschichtsunterricht sehr funktionale didaktische Zugangsweise<br />
findet sich auch in den Vorschlägen zu Lernaufgaben bei Nitschke/Quaiser 9 wieder. Darüber<br />
hinaus scheint der von den Verfassern gesetzte Fokus auf Binnendifferenzierung, Individualisierung<br />
und Gegenwartsbezug sinnvoll für die Förderung von „Narrativität“, laut Berliner Rahmenlehrplan<br />
eine Kernkompetenz.<br />
Die Rolle der Lehrkraft, die in den Vorschlägen beschrieben ist, sollte aber noch einmal kritisch<br />
überprüft werden, da die auf dieser Zuweisung entwickelten Aufgaben durchweg ein Konstrukt<br />
sind, welches sie allein (mit Blick auf die Lernenden) entwirft. Die Einbindung der Schülerinnen und<br />
Schüler bei der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten scheint dabei etwas kurz zu kommen, die<br />
Steuerung des Lernprozesses durch den Lehrenden wirkt recht hoch. Die Schülerinnen und<br />
Schüler führen relativ strikt Handlungsanweisungen aus, die ihnen vorgegeben werden.<br />
Natürlich kann Lernen im Geschichtsunterricht nur so erfolgen, dass die Lehrkraft in Vorbereitung<br />
des Unterrichts eine lerngruppenadäquate Schrittfolge plant, die auf genauer methodisch - didaktischer<br />
Analyse basiert. Sie wählt das Material aus und formuliert mögliche Arbeitsfragen. Ist es<br />
aber im Sinne erhöhter und Lernzuwachs fördernder Schülerinteraktion nicht sinnvoller, die Lernenden<br />
bei der Konzeption von Lernaufgaben intensiver einzubeziehen? Möglich ist das zum Beispiel,<br />
indem die Schülerinnen und Schüler zu einer gemeinsam entwickelten Problemfrage Quellenmaterial<br />
zur Verfügung gestellt bekommen, das sie zunächst auf dessen Funktionalität hin begründet<br />
überprüfen und aus dem sie nachfolgend Arbeitsfragen formulieren, mit deren Hilfe sie die<br />
Quelle(n) bearbeiten möchten, um so einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten. Der Grad an<br />
reflektierter Quellenarbeit ist dadurch höher, als wenn die Schülerinnen und Schüler (vor-)formulierte<br />
Fragen beantworten. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, die Lernenden bei diesem Prozess zu<br />
beraten bzw. zu begleiten. Weiterhin fördert dieser methodisch-didaktische Zugriff die Lesekompetenz<br />
der Lernenden stärker, da sie gezielt Lesestrategien anwenden müssen 10 .<br />
8 Dr. Peter Stolz: Die Leitfrage im Geschichtsunterricht: Schülerfrage oder Lehrerkonstrukt?. in: Geschichte für heute 3/2009<br />
9 Dr. J. Nitschke, F. Quaiser: Lernaufgaben im Fach Geschichte. in: Betrifft Lehrerausbildung und Schule 12/20<strong>13</strong><br />
10 vgl. dazu: Studienseminar Koblenz (Hrsg.): Sachtexte lesen im Fachunterricht der Sekundarstufe. Seelze-Velber 2009<br />
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Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />
Die der Lehrkraft zugewiesene Rolle bei den Lernaufgaben sollte auch unter einem weiteren Gesichtspunkt<br />
noch einmal kritisch überdacht werden: Es erscheint sicher optimal, wenn sich deren<br />
Rolle auf die Moderation von Lernprozessen beschränkt. Es muss aber auch daran erinnert werden,<br />
dass der Lehrende einen Erziehungsauftrag hat. Das bedeutet unter anderem auch, dass er<br />
Werte, die er im Unterricht vermittelt, glaubhaft gegenüber den Lernenden vertreten muss. Es<br />
erscheint nicht ganz schlüssig, wie diese Aufgabe erfolgreich realisiert werden kann, wenn die<br />
Person der Lehrerin bzw. des Lehrers auf eine Art „Lernbüro“ reduziert wird.<br />
Der von den Verfassern unterbreitete Vorschlag zur „Aufarbeitung von NS-Verbrechen“ ist noch<br />
unter einem weiteren Aspekt problematisch: Zunächst sei eine klare Prämisse formuliert. Es gibt<br />
historische Sachverhalte, die bereits politisch vorgedeutet sind. Das heißt, dass es - letztendlich<br />
auch im Sinne des Berliner Schulgesetzes - nicht möglich ist, unter den Schlagwörtern<br />
„Kompetenzentwicklung“ oder auch „Lernaufgaben“ alles und jeden Sachverhalt aus unterschiedlichen<br />
Perspektiven betrachten und beurteilen zu lassen. Zu diesen Inhalten bzw. Themen gehört<br />
vor allem auch der Holocaust. Unter strikter Beachtung des Wertekataloges des Grundgesetzes<br />
darf es im Geschichtsunterricht nur Raum dafür geben, diesen wie auch andere Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit zu verurteilen. Die vorgestellte Lernaufgabe zur Person Adolf Eichmanns muss<br />
daher sehr kritisch betrachtet werden. Zunächst sei gefragt, inwiefern es überhaupt funktional ist,<br />
die Verurteilung von Adolf Eichmann im Geschichtsunterricht zu problematisieren? Welche „Gegenwartsbezüge“<br />
lassen sich dadurch herstellen?<br />
Das von den Verfassern in dieser Lernaufgabe vorgeschlagene „Setting“ ist letztendlich abzulehnen:<br />
Welchen Auftrag erhalten die Schülerinnen und Schüler tatsächlich, die die Rolle des Verteidigers<br />
zu übernehmen haben? Ihre Aufgabe ist es, die Untaten Eichmanns argumentativ zu relativieren,<br />
schlimmstenfalls sogar, ihn zum „Opfer der Umstände“ zu erklären. Die Frage, die damit<br />
unmittelbar zusammenhängt, ist dann die nach der Beurteilung und Bewertung. Was erwartet der<br />
Lehrer, die Lehrerin von den Lernenden für eine sehr gute Leistung? Wie überzeugend haben die<br />
Argumente in diesem Fall zu sein? Mit Blick auf den „Beutelsbacher Konsens“ liegt hier Überwältigung<br />
vor. Die nächste sich stellende Frage ist die nach der Reaktion der Lehrkraft, wenn Schülerinnen<br />
und Schüler sich weigern, in die Rolle eines Verteidigers zu schlüpfen“. Ist das dann Leistungsverweigerung?<br />
Unbestritten ist die Bedeutung von Multiperspektivität für den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht.<br />
Das von den Verfassern vorgeschlagene Arrangement lässt sich in wenig modifizierter<br />
Form fachlich-inhaltlich funktionaler am Beispiel der Person von Kurt Gerstein umsetzen. Nach<br />
genauer Lektüre der Gerstein-Niederschrift kann die Frage danach, ob Gerstein Widerstandskämpfer<br />
oder Kriegsverbrecher war, aus verschiedenen Perspektiven reflektiert und (kontrovers)<br />
diskutiert werden. Im Ergebnis dieser Diskussion kann so ein differenziertes Bild über Handlungsspielräume<br />
historischer Akteure entstehen und den Lernenden verdeutlicht werden, wie schmal der<br />
Grat sein kann zwischen dem engagierten Bemühen, Zeugnis von Unmenschlichkeit abzulegen,<br />
und Schuldig-Werden.<br />
Götz Massow,<br />
Fachseminarleiter Geschichte/Sozialkunde, PW am 3. SPS Tempelhof-Schöneberg (S)<br />
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Aufgeschnappt<br />
Aufgeschnappt<br />
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Essay zum Schulbeginn<br />
Schonraum und Ernstfall<br />
Von Wolfgang Harnischfeger<br />
Populäre Schulkritiker wie Richard David Precht haben Konjunktur. Sie fordern, Wissen<br />
nicht mit Bildung zu verwechseln. Was muss eine zeitgemäße, demokratische Schule in der<br />
Informationsgesellschaft leisten?<br />
Das hier vorgestellte Konzept einer zeitgemäßen Schule versteht sich als Antwort auf eine populäre<br />
Fundamentalkritik, wie sie vor allem Richard David Precht formuliert, der die Schule auf den<br />
Kopf stellen will – welch groteskes Bild, denn wer auf dem Kopf steht, verliert in kürzester Zeit den<br />
Überblick und dann das Bewusstsein. Ich teile mit allen populären Schulkritikern die Idee, dass<br />
Schule die Eigentätigkeit und Kreativität junger Menschen stärker fördern sollte, dass Wissen nicht<br />
mit Bildung verwechselt werden darf und dass der Turbogedanke aus unserem Schulsystem herausgenommen<br />
werden muss. Aber staatliche Schule ist kein Abenteuerspielplatz, sondern ein Ort<br />
geplanten, aktiven und reflexiven Lernens.<br />
Alle Großkritiker wie Precht oder der <strong>Neu</strong>robiologe Gerald Hüther vernachlässigen, dass die öffentlich<br />
finanzierte Schule neben der Förderung der Einzelpersönlichkeit noch einen zweiten zentralen<br />
Auftrag hat: die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft zu sichern und den jungen<br />
Menschen ein Hineinwachsen in unsere Kultur zu ermöglichen, Individualisierung und Enkulturation<br />
sind die Fachbegriffe dazu.<br />
Eine Schule, die beide Ziele im Blick hat, kann nicht auf Systematik und Regelhaftigkeit verzichten<br />
und sie muss aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen. In der Informationsgesellschaft ist Wissen<br />
zwar eine unerlässliche Voraussetzung, aber nicht mehr Endziel schulischer Bemühungen,<br />
weil Zahlen und Fakten in unbegrenzter Menge verfügbar sind. Daraus ergibt sich eine Akzentverschiebung:<br />
Fakten und bekannte Anwendungen werden schon beim Erwerb so kombiniert, dass<br />
sie zur Problemlösung taugen und neue Fragen aufwerfen. Wer zu fragen gelernt hat, findet auch<br />
die richtigen Antworten. Der Kern der Veränderung besteht in der systematischen Einübung von<br />
Methoden, in der Betonung des Exemplarischen und in der konsequenten Einbeziehung psychosozialer<br />
Fähigkeiten.<br />
Schule hat die Aufgabe, den jungen Menschen auf das Leben vorzubereiten, indem sie Inhalte,<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, von denen nach heutigem Kenntnisstand erwartet werden<br />
darf, dass sie im künftigen Leben des Schülers eine wichtige Rolle spielen und den Fortbestand<br />
der Gesellschaft sichern. Allerdings muss Schule sich auch an der Gegenwart des Schülers orientieren,<br />
sie kann nicht auf das Leben vorbereiten, indem sie das Leben aus der Schule ausblendet.<br />
Deshalb muss Schule ein Haus für Kinder und Jugendliche sein, sie muss Raum zum Leben sein.<br />
Bei diesem Anspruch müssen Sacherfahrung, Sozialerfahrung und Gefühlserfahrung prinzipiell<br />
gleichwertige Elemente sein, und im Konfliktfall darf nicht automatisch die Stoffvermittlung an erster<br />
Stelle stehen. Diese Verbindung von Theorie und Praxis, von Denken, Fühlen und Handeln<br />
kann nicht auf das Schulgebäude begrenzt sein. Insbesondere muss der Bezug zur Arbeitswelt<br />
und zu Kultureinrichtungen hergestellt werden.<br />
Auf einer Richtzielebene bestehen die Ziele von Schule darin, Informationen einzuholen, sie anderen<br />
mitzuteilen und mit deren Ergebnissen abzugleichen, um gemeinsam nach Lösungen zu su-
Aufgeschnappt<br />
chen. Information und Kommunikation führen zur Kooperation. Dem entspricht die Erkenntnis,<br />
dass bei komplexeren Gegenständen ein einzelner überfordert ist, dass mithin das zu lösende<br />
Problem des Zusammenwirkens und des Austausches mit anderen Informationsträgern bedarf und<br />
dass erst die gemeinsame Anstrengung und Bündelung aller Faktoren und Kräfte zum Ziel führt.<br />
Die Säulen der Schule<br />
In den verschiedenen Facetten schulischen Lernens muss der Schüler die Chance bekommen,<br />
seine Selbstwirksamkeit zu erfahren. Dazu muss er Verantwortung für sich und andere übernehmen<br />
und die Konsumentenrolle aufgeben mit ihrem mehr oder weniger passiven Abwarten, ob der<br />
Lehrer seine Motivationslage getroffen hat oder nicht. Dies lässt sich nur umsetzen, wenn der Lehrer<br />
nicht wie bisher im Zentrum des Geschehens steht und fragend-entwickelnd jeden Lernschritt<br />
vorstrukturiert, initiiert und kontrolliert. Für ein solches Konzept bedarf es der Übereinstimmung in<br />
folgenden Grundpositionen:<br />
1. Verbindlichkeit<br />
Verbindlichkeit setzt klare Regeln voraus, die im Idealfall durch Übereinkunft und Mitbestimmung<br />
aller Beteiligten zustande kommen. Die Schülerinnen und Schüler wissen, welches Verhalten von<br />
ihnen erwartet wird und sie kennen die Konsequenzen bei Nichterfüllung. Auf der Basis der getroffenen<br />
Verabredungen besteht ihre Aufgabe im Erbringen bestimmter Leistungen innerhalb einer<br />
festgelegten Zeit, was sie zu Subjekten ihres Handelns macht, ihr Verantwortungsbewusstsein<br />
fördert, ihr Selbstwertgefühl stärkt und letztlich ihre Selbständigkeit entwickelt. Verbindlichkeit ist<br />
das Gegenteil von Druck, denn Verbindlichkeit setzt Transparenz der Regeln und die Möglichkeit<br />
der eigenen Entscheidung voraus, während Druck durch Fremdbestimmung und eine nie aufgelöste<br />
Angst vor dem eigenen Versagen oder vor anderen Personen entsteht. Die Lehrer sind weiterhin<br />
Fachkräfte für Unterricht und Erziehung und sich ihrer Vorbildwirkung bewusst. Sie können<br />
nur glaubwürdig von Schülern Verbindlichkeit fordern, wenn sie ihren Anteil am Unterrichts- und<br />
Erziehungsprozess einbringen.<br />
2. Genauigkeit im Denken<br />
Der Genauigkeit im Denken und der Logik muss ein weit größerer Stellenwert zugemessen werden<br />
als bisher. Schritte dazu sind die Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung, die Einübung<br />
von schlussfolgernder Argumentation, von logischer Induktion wie logischer Deduktion, die Annäherung<br />
an ein Ziel mit Hilfe dialektischer Verfahren, die Regelfindung vom Einzelfall aus wie die<br />
Ableitung des Besonderen aus dem Allgemeinen. Die bisherige Praxis weckt bei Schülern wie bei<br />
Lehrkräften die Überzeugung, dass jede Schüleräußerung besser sei als keine und dass für eine<br />
genaue Bestimmung des Gegenstands wegen der Stofffülle und des Prüfungsdrucks oft keine Zeit<br />
bleibe. Lehrer wie Schüler geben sich deshalb häufig mit einer mittleren Ebene an Durchdringung<br />
und Aneignung des Gegenstandes zufrieden, sie bilden eine Koalition des Mittelmaßes (die funktioniert,<br />
solange die Noten stimmen).<br />
3. Optimieren von Erstansätzen<br />
Optimieren von Erstansätzen hängt eng mit Genauigkeit im Denken zusammen, bezieht zusätzlich<br />
die Handlungsebene ein und zielt auf eine möglichst optimale Ausschöpfung des vorhandenen<br />
Potenzials. Jedem, der beruflich Texte verfasst, ist die Methode der Überarbeitung eines ersten<br />
Entwurfs zur Erstellung der Endfassung vertraut. In unseren Schulen stellt ein derartiges Verfahren<br />
die Ausnahme dar. Das hängt zusammen mit fehlender Zeit, mit der mangelnden technischen<br />
Ausstattung und mit der oft bei den Schülern nicht vorhandenen Bereitschaft, sich erneut mit einem<br />
schon bekannten Gegenstand auseinanderzusetzen. Viele unserer Schülerinnen und Schüler<br />
sind auf diesem Gebiet nicht über ihre Kindergartenzeit hinausgekommen, als ihre mit wenigen<br />
Strichen angefertigten Zeichnungen von den Erwachsenen gelobt wurden, was aus Gründen der<br />
Ich-Stärkung auch richtig war. Dieses Steckenbleiben im ersten Ansatz stellt im Erwachsenenalter<br />
jedoch keine angemessene Strategie mehr dar, weil das erste Ergebnis nicht ausreicht und der<br />
Seite 71
Aufgeschnappt<br />
geniale Wurf dem Künstler vorbehalten bleibt. Das mehrfache Bearbeiten erfordert Ausdauer,<br />
Frustrationstoleranz und Methodenkompetenz.<br />
4. Ganzheitlichkeit<br />
Herkömmliche Schule fördert aufgrund der Aufteilung des Stoffs auf einzelne Fächer ein isoliertes<br />
Denken, das so lange sein Gutes hat, wie es dem Aufbau einer fachspezifischen Systematik und<br />
der Bildung eines Grundstocks an Kenntnissen dient, es ist aber dysfunktional, wenn es um aktuelles<br />
Weltverständnis geht. Es gleicht dem Versuch, die Klimaveränderungen mit dem Ansteigen<br />
des Thermometers zu erklären. Bisher wird zu oft erst die Fachsystematik gelehrt, um ein Phänomen<br />
zu erklären. Wenn man andersherum vorginge, wenn man, vom Phänomen ausgehend, verschiedene<br />
Erklärungsversuche anstrebte und die aktive Beteiligung förderte, bliebe die Systematik<br />
erhalten und gleichzeitig würde die Begrenztheit und Eindimensionalität des Faches überwunden.<br />
Hier liegt auch der Ausweg beim Streit um den Fachunterricht im Gegensatz zu den Vorzügen eines<br />
multiperspektivischen, fächerübergreifenden Vorgehens.<br />
Ein anderer Aspekt betrifft die Kontroverse um Spezialisierung und Allgemeinbildung. Eine neue<br />
Schule muss deutlich Stellung beziehen zugunsten des „gebildeten Laien“ (Wolfgang Klafki). Die<br />
Konsequenz daraus besteht für die gymnasiale Oberstufe in der verbindlichen Belegung von<br />
Deutsch, Mathematik, Geschichte oder Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und musischen<br />
Fächern, wobei Akzentuierungen innerhalb dieser Fächergruppen möglich sein müssen.<br />
5. Fremdsprachen<br />
Wer sich verstehen will, muss sich verständigen können, hier ist der Zeitgeist einmal auf Seiten der<br />
Schule. Das Zusammenwachsen Europas, die Globalisierung der Wirtschaft und die modernen<br />
Kommunikationsmittel machen die Beherrschung von Fremdsprachen zur unerlässlichen Voraussetzung<br />
einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Deshalb wird das Erlernen der englischen<br />
Sprache zum konstituierenden Qualifikationsmerkmal eines Mittleren Schulabschlusses und<br />
die Beherrschung einer weiteren Fremdsprache zum nicht abwählbaren Bestandteil des Abiturs.<br />
Organisationsformen<br />
Der Unterricht im 45-Minuten-Takt darf nicht mehr die vorherrschende Organisationsform sein, weil<br />
er einem prozesshaft gestalteten Lernen zu geringe Entfaltungsmöglichkeiten lässt. Auch die<br />
durchgehende Gruppenbildung nach dem Prinzip der Altersgleichheit kann eher hinderlich sein.<br />
Die Aufteilung des Stoffes in einzelne Unterrichtsfächer ist oft nur historisch erklärbar und deshalb<br />
für ganzheitliches Lernen nur bedingt geeignet.<br />
Aus diesen Grundüberlegungen heraus wird der Unterricht nach drei Grundprinzipien neu organisiert:<br />
Im Lehrgang wird ein festgelegter Unterrichtsstoff gelernt. Ziel ist der Erwerb von Grundwissen<br />
und der Aufbau einer systematischen, am Fach orientierten Lernstruktur. Dieser Unterricht<br />
erfolgt in leistungsdifferenzierten Kursen innerhalb des Jahrgangs. Ein weiterer Teil findet als Projektunterricht<br />
in der festen Bezugsgruppe (Klasse) statt. Ziel und Methoden richten sich nach den<br />
Teilnehmern, deren individuelle Fähigkeiten nicht als Belastung angesehen, sondern zur Addition<br />
der Kräfte genutzt werden.<br />
Das dritte Angebot besteht in einem Wahlpflichtunterricht, der jahrgangsübergreifend organisiert<br />
wird. Hier sollen Interessen geweckt und Begabungen gefördert werden. Alle Fächer und Bereiche<br />
werden einbezogen, dem verbundenen Lernen wird durch „Lernbereiche“ ein besonderer Stellenwert<br />
eingeräumt. Die drei Unterrichtsarten sind prinzipiell gleichwertig, Inklusionsangebote sind in<br />
allen Formen möglich. Der Anteil des Projektunterrichts darf nicht unter 25 Prozent der Jahresstundenzahl<br />
liegen. In einer so organisierten Schule wird die Strukturfrage (ISS oder Gymnasium)<br />
nachrangig, weil sie schwache Schüler unterstützen und begabte herausfordern kann.<br />
Ein junger Mensch braucht Raum zum Wachsen, zur Erprobung und Entfaltung seiner Talente,<br />
dies aber unter Anleitung und Führung erfahrener Erwachsener. Er muss Fehler machen dürfen<br />
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Aufgeschnappt<br />
und kann Ermutigung und Anerkennung erwarten. Er muss ebenso Grenzen erfahren und Unlustgefühle<br />
überwinden lernen, was nicht immer nur auf der Basis eigener Einsicht gehen wird. Kinder,<br />
die sich selbst überlassen sind, enden allzu oft vor dem Bildschirm, im schnellen Konsum oder in<br />
der Unfähigkeit, Leere und Langeweile zu überwinden. Die richtige Antwort darauf besteht aber in<br />
Angeboten, nicht in Verboten.<br />
Das Leitbild einer demokratischen Schule entscheidet sich jedoch nicht an der lehrerfreien Chill-<br />
Ecke, sondern an der Mitgestaltung des gesamten schulischen Lebens, insbesondere an der<br />
Frage, was und wie die Schüler lernen wollen und abschlussbezogen auch lernen sollen. Schule<br />
ist deshalb immer Schonraum und Ernstfall zugleich.<br />
Aus: Der Tagesspiegel Berlin, 04.08.20<strong>13</strong>,<br />
"© Alle Rechte vorbehalten.<br />
Verlag Der Tagesspiegel GmbH, Berlin.“<br />
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Mitteilungen<br />
Mitteilungen<br />
1. Bewerbungs- und Vereidigungstermine/Einführungsseminare<br />
Der Bewerbungstermin für die schulpraktische Ausbildung<br />
• ist der 24. <strong>September</strong> 20<strong>13</strong> für Lehramtsanwärter/innen, die ihre Ausbildung am 3. Februar<br />
2014 beginnen werden.<br />
Die Vereidigung/Ernennung der Lehramtsanwärter/innen findet in den aufnehmenden Schulpraktischen<br />
Seminaren am Montag, 3. Februar 2014, statt. Daran schließt sich ein dreißig Zeitstunden<br />
umfassendes Einführungsseminar für die Lehramtsanwärter/innen an, das von den Leitern/ Leiterinnen<br />
bzw. Stellvertretenden Leitern/Leiterinnen der Schulpraktischen Seminare durchgeführt<br />
wird.<br />
Die Zahl der Ausbildungsplätze zum August 20<strong>13</strong> beträgt:<br />
‣ in der Studienratslaufbahn (im allgemeinbildenden Bereich)<br />
davon berufsbegleitend<br />
‣ in der Studienratslaufbahn (im berufsbildenden Bereich)<br />
davon Quereinsteiger<br />
‣ in der Lehrerlaufbahn<br />
o L1-Lehreranwärter/innen<br />
o L2-Lehreranwärter/innen<br />
davon insgesamt berufsbegleitend<br />
‣ Lehreranwärter/innen an Sonderschulen 44<br />
378<br />
49<br />
30<br />
18<br />
91<br />
61<br />
9<br />
Damit hat sich die Anzahl der Lehramtsanwärter/innen, die ihre Ausbildung im August 20<strong>13</strong> beginnen,<br />
gegenüber dem letzten Einstellungstermin im Februar 20<strong>13</strong> in der Studienratslaufbahn insgesamt<br />
erhöht: für die Studienräte allgemeinbildend um ca. 22%, im berufsbildenden Vorbereitungsdienst<br />
ist die Anzahl ungefähr gleich geblieben.<br />
In der Lehrerlaufbahn hat sich die Anzahl der Lehreranwärter/innen vor allem bei den L1-Lehreranwärter/innen<br />
um ca. 16% verringert und bei den L2-Lehreranwärter/innen um ca. 4%.<br />
Die Anzahl der Lehramtsanwärter/innen, die sich für den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst<br />
entschieden haben, hat sich in allen Laufbahnen erhöht, vor allem in der Studienratslaufbahn: im<br />
allgemeinbildenden Bereich von 2 auf 47 Lehramtsanwärter/innen im Vergleich zum Februar 20<strong>13</strong>;<br />
im berufsbegleitenden Bereich von 7 auf 18 Lehramtsanwärter/innenmehr und im L-Bereich von 2<br />
auf 9 Lehramtsanwärter/innen.<br />
Ebenfalls hat sich die Anzahl der Lehreranwärter/innen für die Sonderschulen um ca. 38% gegenüber<br />
der im Februar 20<strong>13</strong> erhöht. Somit ergibt sich folgendes Bild:<br />
in der Studienratslaufbahn (allgemein bildend) + 67<br />
im berufsbildenden Bereich - 2<br />
in der Lehrerlaufbahn<br />
L1-Lehrer<br />
L2-Lehrer<br />
-17<br />
- 4<br />
bei den Sonderpädagogen + 12<br />
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Mitteilungen<br />
Über alle Laufbahnen hinweg ist ein leichter Rückgang der Anzahl der Bewerber zu verzeichnen,<br />
wobei sich ein Ungleichgewicht zwischen der Lehrerlaufbahn (ausgenommen der Sonderpädagogen)<br />
und der Studienratslaufbahn abzeichnet.<br />
Die Anzahl der Bewerber mit einem Masterabschluss wird nicht mehr erhoben.<br />
2. Aufnahme von Lehramtsanwärtern/innen in den Ausbildungsregionen<br />
Wie bereits in den letzten Ausgaben erwähnt, wird den Regionen eine Gesamtzahl an Lehramtsanwärter/innen<br />
zugewiesen, die anschließend die Seminarleiter/innen der jeweiligen Regionen auf<br />
die Schulen und die Fachseminare in ihrer Region verteilen. Sollten nicht ausreichend Ausbildungsplätze<br />
in den Schulen oder in den Fachseminaren vorhanden sein, muss auf benachbarte<br />
Regionen ausgewichen werden. Die berufsbegleitenden Teilnehmer sind dem 3. SPS Marzahn-<br />
Hellersdorf, dem 1. SPS <strong>Neu</strong>kölln und dem 5. und 7. SPS Steglitz-Zehlendorf zugewiesen worden.<br />
Wegen der geringen Anzahl im L-Bereich gibt es keine Schwerpunktseminare für berufsbegleitende<br />
Teilnehmer.<br />
Aufgrund der gestiegenen Bewerberzahlen im S- Bereich sind folgende Seminare neu eröffnet<br />
bzw. neu besetzt worden:<br />
1. SPS Lichtenberg; 1. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf (S); 1. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S) und 4.<br />
SPS Marzahn-Hellersdorf (L).<br />
Das 7. SPS Reinickendorf ist nicht neu besetzt worden.<br />
Am 29. Juli 20<strong>13</strong> nahmen folgende Seminare neue Auszubildende auf:<br />
Region L-Bereich S-Bereich<br />
1 : Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte,<br />
Spandau, Steglitz-Zehlendorf,<br />
2 : Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf,<br />
Reinickendorf<br />
3 : Friedrichshain-Kreuzberg, <strong>Neu</strong>kölln,<br />
Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick<br />
63 156<br />
83 64<br />
23 155<br />
Entsprechend den bisherigen Frequenzen in den Schulpraktischen Seminaren nahmen die folgenden<br />
Seminare Lehramtsanwärter/ innen zum Einstellungstermin 29. Juli 20<strong>13</strong> auf:<br />
Lehreranwärter/innen:<br />
Studienreferendar/innen<br />
(allgemein bildend):<br />
Region 1:<br />
3. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf 1. SPS Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
2. SPS Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
4. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf 1. SPS Mitte<br />
1. SPS Spandau<br />
8. SPS Steglitz-Zehlendorf 1. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />
2. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />
3. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />
5. SPS Steglitz/Zehlendorf<br />
7. Steglitz/Zehlendorf<br />
Region 2:<br />
3. SPS Lichtenberg 1. SPS Lichtenberg<br />
4. SPS Marzahn-Hellersdorf 2. SPS Lichtenberg<br />
2. SPS Reinickendorf 1. SPS Marzahn/Hellersdorf<br />
Seite 75
Mitteilungen<br />
3. SPS Marzahn-Hellersdorf<br />
4. SPS Reinickendorf 1. SPS Reinickendorf<br />
5. SPS Reinickendorf 3. SPS Reinickendorf<br />
6. SPS Reinickendorf<br />
Region 3:<br />
3. SPS <strong>Neu</strong>kölln 2. SPS Friedrichshain-Kreuzberg<br />
8.SPS Friedrichshain/Kreuzberg<br />
1. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />
2. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />
4. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />
2. SPS Tempelhof-Schöneberg<br />
4. SPS Treptow-Köpenick<br />
Sonderpädagogen<br />
Studienreferendare/innen<br />
(berufsbildend)<br />
3. SPS Friedrichshain/Kreuzberg (Master) 6. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />
7. SPS Friedrichshain/Kreuzberg<br />
3. Einführungsveranstaltungen für neue Fachseminarleiter/innen<br />
Für die neuen Fachseminarleiter/innen, die ab August 20<strong>13</strong> ihre Tätigkeit aufnahmen, bot die für<br />
das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung wieder umfangreiche Qualifizierungsangebote an.<br />
Für den Besuch der insgesamt vier Bausteine ergingen wieder gesonderte Einladungen von der<br />
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.<br />
4. Personalia<br />
Auch in diesem Jahr wurden wieder neue Fachseminarleiter/innen für die Ausbildung benötigt. In<br />
der folgenden Übersicht sind die neuen Fachseminare oder neu zu besetzenden Fachseminare<br />
nach Fächern zusammengestellt. Folgende Kolleginnen und Kollegen nahmen ab August 20<strong>13</strong><br />
ihre Tätigkeit als Fachseminarleiter/innen auf:<br />
LAUFB FACH Name des FSL VORNAME Schulname<br />
S a Bio<br />
Seite 76<br />
Dr. Kallwellis-<br />
Opara<br />
Angela<br />
S a Bio Weber Sybille<br />
Lise-Meitner-Schule (OSZ Chemie,<br />
Physik und Biologie)<br />
Johann-Gottfried-Herder-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
S a De Bergfelder Angela Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium<br />
S a De<br />
Eckhart-<br />
Springate<br />
Katja<br />
S a De Hirte Jennifer<br />
S a De Luczak Veit<br />
S a De Müller Sandra<br />
S a De Nikolai-Kaiser Imke<br />
S a De Stasch Sabine<br />
Gabriele-von-Bülow-Gymnasium<br />
Wolfgang-Amadeus-Mozart-Schule<br />
(Gemeinschaftsschule)<br />
Georg-Friedrich-Händel-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
Droste-Hülshoff-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
Albert-Einstein-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
Sophie-Charlotte-Schule<br />
(Gymnasium)
Mitteilungen<br />
S a De Wagner Christiane Rosa-Luxemburg-Gymnasium<br />
S a En Kretschmer Mirjam Goethe-Gymnasium<br />
S a En Reimers Nicola<br />
Anna-Freud-Schule (OSZ<br />
Sozialwesen)<br />
S a En Reinkensmeier Wiebke OSZ Banken und Versicherungen<br />
S a En Schaldach Anne Tagore-Schule (Gymnasium)<br />
S a Frz Gigling Elisabeth Rudolf-Virchow-Schule<br />
S a Frz Kirk Uta Friedrich-Engels-Gymnasium<br />
S a Geo Spieler Silke Melanchthon-Schule (Gymnasium)<br />
S a Ge<br />
Bewersdorff-<br />
Heise<br />
Sven<br />
Ernst Abbe-Schule (Gymnasium)<br />
S a Ge Ennigkeit Jeanette Fichtenberg-Schule (Gymnasium)<br />
S a Ge Hagemeyer Margarethe Beethoven-Schule (Gymnasium)<br />
S a La Wedekind Katja Schadow-Gymnasium<br />
S a La Tümmler Mareike Anne-Frank-Gymnasium<br />
S a Ma Althoff Maren<br />
John-F.-Kennedy-Schule<br />
(Gemeinschaftsschule)<br />
S a Phil Drechsler Karen Melanchton-Schule (Gymnasium)<br />
S a Phil<br />
Ruschmeier-<br />
Krause<br />
S A Phil Vogler<br />
Ilona<br />
Hans-<br />
Joachim<br />
S a Ph Franke Thomas<br />
S a Span Aktas Atilla<br />
Droste-Hülshoff-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
John-Lennon-Gymnasium<br />
Johann-Gottfried-Herder-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
Jane-Addams-Schule (OSZ<br />
Sozialwesen)<br />
S a Span Schilling Dirk Gerhart-Hauptmann-Gymnasium<br />
S a Span Schlede Christoph<br />
S a Sport Lackas Robin<br />
S DH WL Wengerzink Stefan<br />
Werner-von-Siemens-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
Hermann-Hesse-Schule<br />
(Gymnasium)<br />
Friedrich-List-Schule (OSZ<br />
Wirtschaftssprachen)<br />
L a UaS Gelew Stefan Dietrich-Bonhoeffer-Grundschule<br />
Legende: S a: Studienratslaufbahn, allgemein bildend<br />
S DH: Studienratslaufbahn, berufsbildend<br />
L a: Lehrerlaufbahn, allgemein bildend<br />
L UaS: Lehrerlaufbahn, Sonderpädagogik<br />
Stand: August 20<strong>13</strong><br />
Zusammengestellt von Roswitha Kneer-Werner<br />
Leiterin des 2. Schulpraktischen Seminars <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />
Seite 77
<strong>BAK</strong> Berlin<br />
Der Bundesarbeitskreis der Seminar- und<br />
Fachleiter/innen e.V., Landesgruppe Berlin<br />
Aktivitäten des <strong>BAK</strong> in Berlin<br />
Stellungnahme zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes (LBiG) 11<br />
In der ersten Juni-Woche erreichte den <strong>BAK</strong> Landesverband die Aufforderung, bis zum 20.6.20<strong>13</strong><br />
Stellung zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes zu nehmen. Die Zeit war knapp, die Einbeziehung<br />
aber willkommen. Schließlich hatte der <strong>BAK</strong> bereits am 18. Oktober 2012 die Möglichkeit genutzt,<br />
sich im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie zum Thema „Stand und Perspektiven der<br />
Lehrer/innenbildung in Berlin – Wie geht es weiter mit dem Lehrerbildungsgesetz?“ zu äußern. Im<br />
Mittelpunkt dieser Anhörung im Abgeordnetenhaus stand der Bericht der Expertenkommission<br />
(Baumert-Kommission), der mit zur Grundlage des vorliegenden Entwurfs des Lehrerbildungsgesetzes<br />
(LBiG) wurde. 12<br />
Viele Erwartungen des <strong>BAK</strong> Landesverbandes werden durch die Entwurfsfassung des LBiG <strong>13</strong> erfüllt.<br />
Wir könnten zufrieden sein, uns zurücklehnen und davon reden, am großen Wurf eines neuen<br />
Lehrerbildungsgesetzes beteiligt gewesen zu sein. Zum Zurücklehnen besteht aber noch kein<br />
Grund. Die erfolgreiche Umsetzung von Reformen hängt unserer Überzeugung nach von der Bereitstellung<br />
ausreichender Ressourcen ab. Und da bleiben weiter Wünsche offen. Außerdem werden<br />
viele Punkte durch den vorliegenden Entwurf nicht geklärt. Entscheidendes wird in den neu zu<br />
gestaltenden Rechtsverordnungen sowie in den „Rahmenvereinbarungen zur Ausgestaltung des<br />
Praxissemesters und zur Kooperation mit den Schulen sowie den Schulpraktischen Seminaren“<br />
geregelt werden. Aus diesem Grund fordern wir in der Stellungnahme die Mitwirkung der an der<br />
Lehrkräfteaus- und -weiterbildung Beteiligten an diesen nachgeordneten Rechtsverordnungen und<br />
Vereinbarungen.<br />
Der Landesvorstand sah aus diesem Grund die Notwendigkeit, sich auch nach der zügigen und<br />
intensiven Arbeit an der <strong>BAK</strong>-Stellungnahme in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung<br />
über das angekündigte Lehrerbildungsgesetz und seine Folgen auszutauschen. Über diese Veranstaltung<br />
vom 20. August berichtet Helmut Hochschild im folgenden Beitrag.<br />
Anforderungen an einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst (bbVD)<br />
Die Ankündigung der Bildungssenatorin Scheeres im April des Jahres, als Maßnahme zur Steigerung<br />
der Attraktivität des Lehrerinnen- und Lehrerberufs einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst<br />
zu gestalten (Pressemitteilung vom 23.4.20<strong>13</strong>) führte unter <strong>BAK</strong>-Mitgliedern und unter Kolleginnen<br />
und Kollegen zu einer lebhaft geführten Diskussion über Anspruch und Wirklichkeit des<br />
Vorbereitungsdienstes in Berlin.<br />
Mangels Alternativen ist nachvollziehbar, dass mit dem berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst<br />
Unterrichtsbedarf abgedeckt und auf den Lehrermangel in bestimmten Fächern reagiert wird. - Und<br />
das, obwohl die Senatsschulverwaltung darum weiß, dass Schul- und Seminarleiter/-innen, Be-<br />
11 siehe Abdruck der Stellungnahme auf den folgenden Seiten<br />
12 Darüber berichtete der <strong>BAK</strong> Berlin in „Betrifft: Lehrerausbildung und Schule“, <strong>Heft</strong> 12, S. 86.<br />
<strong>13</strong> Der Entwurf ist auf der <strong>BAK</strong>-Homepage als Download verfügbar: http://www.bak-online.de (siehe Landesgruppe BERLIN)<br />
Seite 78
<strong>BAK</strong> Berlin<br />
rufsverbände und Gewerkschaften seit Jahren fordern, mit gezielten Einstellungen auf den absehbaren<br />
Lehrermangel in bestimmten Fächern zu reagieren.<br />
Viele Kolleginnen und Kollegen sehen die Gefahr, dass Versäumnisse der Bildungspolitik in der<br />
Vergangenheit zu einer Entwertung der augenblicklichen Lehrerausbildung führen. Statt schneller<br />
und simpler organisatorischer Lösungen für den Moment wünschen sie sich die Sicherung bzw.<br />
Verbesserung der Ausbildungsqualität für den Berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst (bbVD), um<br />
gerade in den heutigen Mangelfächern zukünftig interessierten Nachwuchs gewinnen zu können.<br />
Die aktuelle Form des bbVD in sogenannten Mangelfächern wird zwar die erste Not an den Schulen<br />
mindern, kann aber das grundlegende Problem nicht beheben. Dass es in einigen Fächern<br />
gravierenden Nachwuchsmangel gibt, hängt auch mit der Gestaltung des Unterrichts in diesen Fächern<br />
zusammen. Wenn hier nun sogenannte Seiteneinsteiger in den Vorbereitungsdienst aufgenommen<br />
werden, denen es nicht an Sachkenntnis, gleichwohl aber an pädagogischer und fachdidaktischer<br />
Grundkenntnis fehlt, und wegen der hohen Unterrichtsverpflichtung im Vorbereitungsdienst<br />
die Zeit für eine nachhaltige pädagogische Sozialisation nicht vorhanden ist, besteht die<br />
Gefahr, dass der Unterricht in den Mangelfächern sich nicht dahingehend bessert, dass eine größere<br />
Zahl von Schülerinnen und Schülern sich für ein Studium in einem solchen Fach entscheidet.<br />
In jedem Fall muss unserer Auffassung nach der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst vom<br />
sonstigen Vorbereitungsdienst stark unterscheidbar und deutlich individualisierend gestaltet werden.<br />
14 Andere Ausbildungsvoraussetzungen machen andere Ausbildungsmaßnamen erforderlich.<br />
Der <strong>BAK</strong>-Landesverband sieht die Notwendigkeit, die vorhandenen Potentiale im Berliner Vorbereitungsdienst<br />
für eine gute Ausbildung unter erschwerten Bedingungen zu nutzen, und wird sich<br />
dafür einsetzen.<br />
Herbert Böpple<br />
Landessprecher des <strong>BAK</strong> Berlin<br />
Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Lichtenberg (S)<br />
<strong>BAK</strong>-Mitglieder informierten sich über das neue<br />
Lehrerbildungsgesetz<br />
Nachdem der Vorstand der Landesgruppe Berlin des <strong>BAK</strong> zum Gesetzentwurf des neuen Lehrerbildungsgesetzes<br />
(LBiG) eine Stellungnahme verfasst hatte, sollten die Mitglieder am 20. August<br />
20<strong>13</strong> auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung die Möglichkeit haben, sich genauer<br />
über den Gesetzentwurf und die geplante Umsetzung zu informieren sowie ihre Einschätzungen zu<br />
äußern.<br />
In dem mit knapp 40 Personen gut gefüllten Seminarraum der Schulpraktischen Seminare Lichtenberg<br />
standen von der Senatsbildungsverwaltung der Leiter des Referats für Lehrerbildung Andreas<br />
Stephan und Anja Herpell, Referentin für Grundsatzangelegenheiten in der zweiten Phase,<br />
Rede und Antwort. Sie fassten die für den Vorbereitungsdienst relevanten Aussagen des LBiG<br />
zusammen und beantworteten den Mitgliedern ausführlich die vielen Fragen.<br />
Mit der Verabschiedung des Gesetzes im Abgeordnetenhaus von Berlin, die noch vor dem Jahreswechsel<br />
erwartet wird, würden auf der Basis des jetzigen Entwurfes u. a. der 18-monatige Vorbereitungsdienst<br />
für alle Laufbahnen, die Einführung eines Praxissemesters im 3. Semester des<br />
Masterstudiums und die Reduzierung der laufbahnbezogenen Studienabschlüsse auf das Lehramt<br />
für die berufsbildende Schule sowie die allgemeinbildenden Lehrämter für die Grundschule und die<br />
14 siehe dazu im Folgenden die <strong>BAK</strong>-Stellungnahme zum LBiG<br />
Seite 79
<strong>BAK</strong> Berlin<br />
weiterführende Schule beschlossen werden. Für das Lehramt für die weiterführende Schule ist im<br />
Gesetzentwurf eine sogenannte Profilierung für das Gymnasium bzw. für die Integrierte Sekundarschule<br />
vorgesehen. Deren Realisierung bleibt im Moment aber noch unklar. Wenn das Abgeordnetenhaus<br />
tatsächlich im Herbst 20<strong>13</strong> das Gesetz beschließen würde, könnte die Einführung des<br />
18-monatigen Vorbereitungsdienstes nach Herrn Stephans Einschätzung frühestens für die im<br />
Sommer 2014 einzustellenden Lehramtsanwärterinnen und das Praxissemester für die im Wintersemester<br />
2014/2015 beginnenden Studierenden realisiert werden.<br />
Aus der Perspektive der als Lehramtsanwärterinnen (LAA) Betroffenen stellten zwei anwesende<br />
Vertreterinnen des Personalrates der LAA Fragen zum Praxissemester, zur Möglichkeit der Teilzeitarbeit<br />
und zu den Einstellungskriterien. Hierauf antworteten die beiden Experten aus der Senatsverwaltung,<br />
dass die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes<br />
vorgesehen sei. Unklare Einstellungskriterien führten in der Vergangenheit oft zu einem<br />
Beschreiten des Klageweges durch Bewerber/innen. Dass sich das zukünftig wiederholen wird,<br />
werde für unwahrscheinlich gehalten, da ein großer Bedarf an Einstellungen für die Berliner Schule<br />
zu erwarten und damit nur noch in Ausnahmefällen mit Ablehnungen zu rechnen sei. Ferner forderten<br />
die Vertreterinnen des Personalrates wie auch die anwesenden Vertreterinnen der GEW die<br />
Schaffung von Ressourcen für die Betreuung der Studierenden im Praxissemester und der LAA im<br />
Vorbereitungsdienst.<br />
Die Koordination der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung soll durch einen Kooperationsrat<br />
ausgestaltet werden, der mit je einem Vertreter der Universitäten, drei Repräsentanten des<br />
Vorbereitungsdienstes und einer Vertreterin der Senatsbildungsverwaltung besetzt sein wird. Im<br />
Moment ist eine Expertenkommission dabei, über die Einrichtung des Praxissemesters zu verhandeln.<br />
Da die Verhandlungen sich schwierig gestalten, konnte Frau Herpell noch keine konkreten<br />
Angaben zur Realisierung des Praxissemesters machen.<br />
Abschließend wurde zugesichert, dass bei der Erarbeitung der auf dem neuen Lehrerbildungsgesetz<br />
basierenden Verordnungen die Verbände, also auch der <strong>BAK</strong> und die GEW, Gehör finden<br />
werden.<br />
Am Ende der Veranstaltung blieb das Fazit, dass vieles besser werden könnte. Ob dies allerdings<br />
ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel gelingen kann, wurde in Zweifel gezogen. Damit gilt weiter die<br />
Forderung, dass die Steigerung der Qualität von Bildung und Lehrerbildung auch dringend weitere<br />
Ressourcen benötigt.<br />
Helmut Hochschild<br />
Mitglied des <strong>BAK</strong>-Landesvorstandes (Sektionssprecher - L)<br />
Leiter des 5. Schulpraktischen Seminars in Berlin-Reinickendorf (L)<br />
Seite 80
<strong>BAK</strong> Berlin<br />
Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e. V. – Landesverband Berlin<br />
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft<br />
II C 4<br />
Bernhard-Weiß-Str. 6<br />
10178 Berlin<br />
Stellungnahme zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes (LBiG)<br />
Sehr geehrte Frau Annecke,<br />
20. Juni 20<strong>13</strong><br />
Der <strong>BAK</strong> Berlin, als regionale Vertretung des Interessensverbands der Ausbilderinnen<br />
und Ausbilder der zweiten Phase, begrüßt die mit der Novellierung<br />
des Lehrerbildungsgesetzes eingeleitete Reform der Lehrkräftebildung.<br />
Positiv erscheinen aus Sicht des <strong>BAK</strong><br />
- der Zuschnitt und die Gleichstellung der drei beschriebenen Lehrämter.<br />
- grundsätzlich die Stärkung der Fachlichkeit im Grundschullehramt.<br />
- die einheitliche Dauer von Studium und Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter<br />
(18 Monate). Die Verkürzung des zweijährigen Vorbereitungsdienstes<br />
im Studienratsbereich ist für den <strong>BAK</strong> grundsätzlich akzeptabel,<br />
sofern eine effektive Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase<br />
ermöglicht und umgesetzt wird.<br />
Der Erfolg der Reform ist für uns abhängig von folgenden<br />
Gelingensbedingungen.<br />
Der § 5 Abs. 3 des Entwurfs zum Lehrerbildungsgesetz in der Fassung vom<br />
6.6.20<strong>13</strong> ist zu ergänzen durch folgende Formulierung:<br />
„Beide Schwerpunktsetzungen ermöglichen den Zugang und Einsatz zu beiden<br />
Schularten“.<br />
- Aus der gleichen Ausbildung in erster und zweiter Phase ergibt sich<br />
folgerichtig der Anspruch auf gleiche Eingruppierung mindestens nach<br />
Entgeltgruppe <strong>13</strong> für alle drei Lehrämter.<br />
- Es ist insgesamt darauf zu achten, dass die Ausrichtung der Ausbildung<br />
in der ersten und zweiten Phase zielführend aufeinander abgestimmt<br />
wird. Insbesondere im Bereich des Lehramtes an Grundschulen ist die<br />
nach § 5 Abs. 2 Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes vorgesehene Ausbildung<br />
in drei Fächern im Vorbereitungsdienst fortzusetzen.<br />
- Die Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase ist durch folgende<br />
Maßnahmen zu stärken:<br />
a) von der ersten und zweiten Phase gemeinsam durchgeführte Qualifizierung<br />
von Mentorinnen und Mentoren für die Berliner Schule oder eine ge-<br />
<strong>BAK</strong><br />
Bundesarbeitskreis<br />
der Seminar- und<br />
Fachleiter/innen e.V.<br />
Landesverband<br />
Berlin<br />
Landessprecher:<br />
Herbert Böpple<br />
Schröderstr.2<br />
10115 Berlin<br />
Tel. 030/46066829<br />
E-Mail:<br />
herbert.boepple@web.de<br />
www.bak-online.de<br />
Seite 81
<strong>BAK</strong> Berlin<br />
meinsame Qualifizierung aller am Praxissemester mitwirkenden Ausbilderinnen<br />
und Ausbilder (Fachdidaktikerinnen und –didaktiker der ersten<br />
Phase, Fachseminarleitungen der zweiten Phase, Mentorinnen und Mentoren<br />
der Schulen) durch Experten von außen (z.B. Universität Zürich mit<br />
Qualifizierung zur Beratungskompetenz)<br />
b) Einsatz dieser Mentoren und Mentoren sowohl in der ersten und zweiten<br />
Phase<br />
c) gleichmäßiger Einsatz von Ermäßigungsstunden für Mentorinnen und<br />
Mentoren in der ersten und zweiten Phase<br />
d) Die Vertreter/innen der zweiten Phase sowie die Vertreter/innen der<br />
Schulleitungen sind an der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung<br />
des Praxissemesters gleichberechtigt zu beteiligen, z. B. durch paritätische<br />
Gleichbesetzung im Kooperationsrat.<br />
- Unserer Ansicht nach muss der aus der Not geborene berufsbegleitende<br />
Vorbereitungsdienst (bbVD) erkennbar unterscheidbar sein vom regulären<br />
Vorbereitungsdienst (VD). In diesem Sinne sollte der bbVD auf allen<br />
Ebenen als Ausnahmefall behandelt werden. So ist in § 12 Abs. 1 Satz 2<br />
Entwurf LBiG die Formulierung „ über einen lehramtsbezogenen Master<br />
of Eduacation, über eine Erste Staatsprüfung oder“ zu streichen. Darüber<br />
hinaus wäre zu prüfen, inwieweit der modularisierte VD Chancen bietet,<br />
auf die besonderen Qualifikationspotentiale der Bewerber im bbVD einzugehen.<br />
- Die neu zu gestaltenden Rechtsverordnungen (§ 5 (5); § 10 (5); § 11 (7);<br />
§ 12 (2); § <strong>13</strong> (3); § 17 (5); § 18 (5)) sowie die „Rahmenvereinbarungen<br />
zur Ausgestaltung des Praxissemesters und zur Kooperation mit den<br />
Schulen sowie den Schulpraktischen Seminaren“ (§ 8 (3)) erfordern eine<br />
Mitwirkung der an der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung Beteiligten.<br />
Unsere Stellungnahme zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes möchten<br />
wir auch dazu nutzen, zum wiederholten Male auf Folgendes hinzuweisen:<br />
Eine qualitativ hochwertige Ausbildung ist nur gewährleistet, wenn sie nicht<br />
bedarfsbedeckend organisiert ist, sondern den individuellen Voraussetzungen<br />
der LAA gerecht wird. Deshalb fordern wir erneut eine deutliche Reduzierung<br />
der Anrechnungsstunden der LAA in den Ausbildungsschulen!<br />
Die Planungssicherheit der Schulen sowie die Anschlussfähigkeit der zweiten<br />
Phase ließen sich zudem durch eine andere Terminierung der Einstellungen<br />
(18 Monate = 2+12+4, davon sind die ersten beiden und die letzten 4 Monate<br />
anrechnungsfrei) verbessern.<br />
Für ausführliche Begründungen sowie für die Entwicklung weiterführender<br />
Regelungen stehen wir gerne in weiteren Gesprächen zur Verfügung!<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Böpple<br />
Seite 82
<strong>BAK</strong> Berlin<br />
Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e. V.<br />
Geschäftsstelle für Mitgliederverwaltung - Finanzen - Vertrieb<br />
Dietmar Seiffert - Bundesschatzmeister<br />
Bernhard-Lichtenberg-Weg 9, 31<strong>13</strong>9 Hildesheim<br />
Tel. / Fax 05121 / 270191 Tel. 05121 / 46184 E-Mail: D.Seiffert@t-online.de<br />
Beitrittserklärung und Ermächtigung zum Bankeinzug<br />
Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zum Bundesarbeitskreis der Seminar- und<br />
Fachleiter/innen e. V. (<strong>BAK</strong>). Gleichzeitig ermächtige ich den <strong>BAK</strong> widerruflich, den<br />
Jahresbeitrag bei Fälligkeit am 01. März eines jeden Jahres von meinem Konto mittels<br />
Lastschrift einzuziehen. Die Forderung der Gutschrift eines von mir nicht anerkannten<br />
Einzugsbetrages bleibt vorbehalten.<br />
Der gegenwärtige Jahresbeitrag beträgt für Mitglieder aus den „alten" Bundesländern<br />
48,00 EUR und für Mitglieder aus den „neuen" Bundesländern 36,00 EUR.<br />
• Bundesland<br />
• Name<br />
• Vorname<br />
• Straße<br />
• PLZ, Ort<br />
• E-Mail / Telefon<br />
• Ort des Studienseminars<br />
• Lehramt /(Gym., bbS, GHRS, SoS, …)<br />
• Seminarfunktion<br />
Konto<br />
Bank<br />
in<br />
BLZ<br />
Ort, Datum<br />
Unterschrift<br />
<strong>BAK</strong> ist vom Finanzamt Bruchsal als gemeinnützige Personenvereinigung anerkannt worden<br />
(Gern. 1150).