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Neu: BLuS Heft 13 - September 2013 - BAK

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<strong>Heft</strong> <strong>13</strong>, <strong>September</strong> 20<strong>13</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 3<br />

Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für Lehrerausbildung und Schule<br />

Die Hattie-Studie zur Diskussion gestellt<br />

Roswitha Haase-Romeo, Roswitha Kneer-Werner 5<br />

Von der Lehrerpersönlichkeit zu Expertise und Professionalität –<br />

Anforderungen an die erste Ausbildungsphase<br />

Dr. Diemuth Ophardt 19<br />

Lehramtsanwärter und -anwärterinnen der Sonderpädagogik auf dem Weg<br />

zum professionellen Handeln in Unterricht und Schule<br />

Angelika Granzow-Seidel 22<br />

Lehrerpersönlichkeit und Ausbildung<br />

Dr. Bernd Oehmig 25<br />

Die Lehrerpersönlichkeit im Berliner Vorbereitungsdienst – eine Umfrage<br />

unter Seminarleitern und Lehramtsanwärtern<br />

Jörg Textor 31<br />

Lehrerpersönlichkeit? – eine Annäherung<br />

Marlis Ziegler 37<br />

Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit im Rahmen der schulischen<br />

Ausbildung – ein empirischer Erfahrungsbericht<br />

Torsten Franckowiak 39<br />

Lehrtätigkeit und Lehrerpersönlichkeit – eine ständige Veränderung?<br />

Andre Grammelsdorff 44<br />

Wie könnte man die Lehrerpersönlichkeit in der zweiten Ausbildungsphase<br />

stärken?<br />

Lutz Kreklau 47<br />

Professionalität und Persönlichkeit im Lehrberuf - eine Herausforderung an<br />

alle Kompetenzen<br />

Cynthia Segner 49<br />

Ist die Berliner Ausbildung adressatengerecht?<br />

David Bordiehn 53<br />

Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes 2010 – 2012<br />

Jens-Uve Wahner<br />

Schulporträt<br />

Die Anna-Lindh-Schule<br />

56<br />

Mathias Hörold 63<br />

Fortsetzung auf Seite 2<br />

Hrsg.: Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V., Landesgruppe Berlin


Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />

Lernaufgaben im Fach Geschichte – zum Dritten<br />

Aufgeschnappt<br />

Schonraum und Ernstfall<br />

Götz Massow 68<br />

Wolfgang Harnischfeger 70<br />

Mitteilungen<br />

Roswitha Kneer-Werner 74<br />

1. Bewerbungs- und Vereidigungstermine/Einführungsseminare<br />

2. Aufnahme von Lehramtsanwärter/innen in den Ausbildungsregionen<br />

3. Einführungen für neue Fachseminarleiter/innen<br />

4. Personalia<br />

Der Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V.<br />

Aktivitäten des <strong>BAK</strong>, Landesverband Berlin<br />

Herbert Böpple/Helmut Hochschild 78<br />

<strong>BAK</strong>-Beitrittserklärung 83<br />

Impressum 2<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V.,<br />

Landesgruppe Berlin; Herbert Böpple, Schröderstr. 2, 10115 Berlin<br />

herbert.boepple@web.de<br />

Verantwortlich für diese Ausgabe:<br />

Roswitha Kneer-Werner, 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S), Wildhüter Weg 5, 12353 Berlin<br />

Redaktionsmitglieder:<br />

Ingeborg Dix, 3. SPS Tempelhof-Schöneberg (S)<br />

Lars Kraft, 2. SPS Mitte (S)<br />

Klaus Meister, 3. SPS Mitte (L)<br />

Dr. Bernd Oehmig, 1. SPS Treptow-Köpenick (L)<br />

Jens-Uve Wahner, 1. SPS Spandau (S)<br />

Layout:<br />

Druck:<br />

Dr. Jobst Werner c/o 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

SIGNAL IDUNA Allgemeine Versicherung AG<br />

Die in „Betrifft: Lehrerausbildung und Schule“ veröffentlichten Artikel geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktionsmitglieder oder des Herausgebers wieder.<br />

Seite 2


Vorwort<br />

Öffnete man in den vergangenen zwei Jahren die Tageszeitungen, so stieß man immer wieder auf<br />

Kommentare, längere Beiträge und kritische Anmerkungen zur Hattie-Studie. So haben sich auch<br />

viele namhafte Persönlichkeiten wie zum Beispiel E. Terhart mit der Studie auseinandergesetzt.<br />

Was macht diese Studie so interessant, dass sich viele Medien auf sie stürzen? Welche Schlussfolgerungen<br />

hat John Hattie selbst aus seiner ersten Studie, die er in einem zweiten Buch verarbeitet<br />

hat, gezogen? Wer ist John Hattie?<br />

Vielen Lesern und Leserinnen ist er bekannt, aber der Vollständigkeit halber möchte ich ihn kurz<br />

vorstellen, basiert doch diese Ausgabe der Broschüre auf vielen seiner Aussagen bzw. haben sich<br />

die Autoren und Autorinnen intensiv mit dem Begriff der Lehrerpersönlichkeit auseinandergesetzt<br />

und sich ihr zu nähern versucht. Wie die verschiedenen Beiträge zeigen, ist der Begriff „Lehrerpersönlichkeit“<br />

schwerlich in einer Definition zu fassen.<br />

John Hattie ist ein neuseeländischer Pädagoge und seit 2011 Professor für Erziehungswissenschaften<br />

und Direktor am Melbourne Education Research Institute an der Universität Melbourne.<br />

Sein Buch „Visible Learning“ ist bereits übersetzt worden und schon warnen einige Kritiker, dass<br />

jeder der Studie entnimmt, was zu seiner eigenen Position passt.<br />

In der vorliegenden Broschüre haben sich Roswitha Haase-Romeo und Roswitha Kneer-Werner<br />

mit beiden Werken Hatties beschäftigt, schwerpunktmäßig Aussagen ausgewählt, die für Ausbildung<br />

und Schule eine Bedeutung haben, und einige Schlussfolgerungen für die Ausbildung in Berlin<br />

sowie für die Schule gezogen. Wollte man die Studie “Visible Learning” und die Schlussfolgerungen,<br />

die Hattie in “Visible Learning for Teachers – Maximizing Impact on Learning“ zieht, allerdings<br />

vollständig darstellen, so würde das den Rahmen der Broschüre sprengen.<br />

Dr. Diemuth Ophardt stellt in Ihrem Beitrag die Anforderungen der ersten Phase der Ausbildung<br />

bezüglich der Lehrerpersönlichkeit dar und kontrastiert Zugänge der aktuellen Lehrerforschung, die<br />

Expertisenforschung und die Professionsforschung und zeigt, wie diese in der Frage nach der<br />

Lehrerpersönlichkeit wieder aufgegriffen werden.<br />

Seminarleiterinnen und Seminarleiter der zweiten Phase der Ausbildung haben sich ebenfalls mit<br />

der „Lehrerpersönlichkeit“ in den zahlreichen Beiträgen auseinandergesetzt, wobei die verschiedenen<br />

Blickwinkel deutlich werden. So richtet Angelika Granzow-Seidel den Blick auf die Ausbildung<br />

im sonderpädagogischen Bereich und legt dar, dass handlungskompetente Lehrkräfte ausgebildet<br />

werden müssen, die die Herausforderungen des Aufgabenfeldes erkennen und sich damit auseinandersetzen.<br />

Bernd Oehmig versucht zwischen Lehrerpersönlichkeit und Lehrerverhalten zu unterscheiden und<br />

fragt, ob die Lehrerpersönlichkeit in der Seminarausbildung vermittelt bzw. auch entwickelt werden<br />

kann. Dabei bezieht er sowohl die Bausteine der modularisierten Ausbildung als auch die Aussagen<br />

zum Stand der Kompetenzwicklung sowie die derzeitigen Standards für die Gutachten mit ein.<br />

Jörg Textor hat einen ganz anderen Weg beschritten und eine Umfrage bei den Seminarleitern und<br />

Seminarleiterinnen sowie den Lehramtsanwärtern und Lehramtsanwärterinnen durchgeführt, die<br />

u.a. die Bedeutung der Persönlichkeit für den Lehrerberuf, den Stellenwert des Themas im Vorbereitungsdienst<br />

und den Einfluss der Ausbilder auf die Lehrerpersönlichkeit darstellt.<br />

Marlis Ziegler fragt sich, was eine gute Lehrerpersönlichkeit überhaupt ausmacht, und beleuchtet<br />

diese Frage anhand eigener Beobachtungen und weiterer verschiedener Perspektiven.<br />

Seite 3


Diejenigen, die während und nach der Ausbildung der Lehramtsanwärter und Lehramtsanwärterinnen<br />

eng mit den Lehrkräften verbunden sind, sind natürlich die Schulleiter und Schulleiterinnen,<br />

die sich aus ihrer Sicht ebenfalls dem Thema Lehrerpersönlichkeit genähert haben.<br />

So setzt sich Torsten Franckowiak kritisch mit dem Einsatz der Lehramtsanwärter/innen in der<br />

Schule auseinander und legt dar, welchen Beitrag eine Schule an der Entwicklung der Auszubildenden<br />

leisten kann. Deutlich wird, dass die Schule ein Ausbildungskonzept entwickelt hat, das er<br />

hier beschreibt.<br />

André Grammelsdorff wünscht sich Schulpartnerschaften zwischen Hochschule und Schule, um<br />

bereits zu einem frühen Zeitpunkt Berührungspunkte herzustellen. Sein Anliegen ist, gute Lehrerpersönlichkeiten<br />

für den Schuldienst zu gewinnen.<br />

Lutz Kreklau stellt dar, dass der Lehrerberuf erlernbar ist und die Persönlichkeit sich auf diesen<br />

komplexen Beruf einstellen kann, wobei er diejenige Lehrerpersönlichkeit meint, die im Unterricht<br />

zu beobachten ist und die nicht notwendigerweise der Gesamtpersönlichkeit entspricht.<br />

Cynthia Segner erläutert an praktischen Beispielen, welche Herausforderungen der Lehrerberuf<br />

beinhaltet und über welche Kompetenzen eine Lehrkraft verfügen muss. Ihr Appell ist, dass wir<br />

professionell handelnde Lehrkräfte benötigen, die Jugendliche über lange Zeit begleiten.<br />

Der Studienreferendar David Bordiehn fragt in seinem Beitrag, inwiefern die Ausbildung in Berlin<br />

überhaupt adressatengerecht ist, stellt Kriterien für eine adressatengerechte Ausbildung dar und<br />

übt daraufhin Kritik an der Ausbildung in Berlin. Intensiv beleuchtet er die Rolle des anleitenden<br />

Lehrers/der anleitenden Lehrerin.<br />

Jens-Uve Wahner legt die Ergebnisse der Studie vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie<br />

(FiBS) dar, in der die Eingangsvoraussetzungen und die Ausbildungsergebnisse der<br />

Lehramtsanwärter/innen im Berliner Vorbereitungsdienst im Hinblick auf ihre Unterrichtskompetenz,<br />

ihre pädagogischen Wissensbestände und ihre berufsbezogene Orientierung im Zeitraum<br />

von 2010 bis 2012 untersucht und Aspekte der Ausbildungsqualität evaluiert wurden.<br />

Wie in den letzten Ausgaben, so stellen wir auch in dieser Ausgabe wieder eine Schule vor. Wie<br />

die Schule seit 1998 die (Hoch-)Begabtenförderung integriert hat, erläutert Mathias Hörold am Beispiel<br />

der Anna-Lindh-Schule. Im Laufe der Jahre hat die Schule zunehmend festgestellt, dass es<br />

eine Differenz zwischen dem Stand der kognitiven und der emotional-sozialen Entwicklung gibt,<br />

worauf sie mit verschiedenen Projekten reagiert.<br />

Götz Massow hat sich mit einem Beitrag der Broschüre vom Februar/März 20<strong>13</strong> zum Thema Lernaufgaben<br />

am Beispiel des Faches Geschichte kritisch auseinandergesetzt. Reaktionen auf bisherige<br />

Beiträge sind stets willkommen. Unter der Rubrik Aufgeschnappt nehmen wir einen Beitrag mit<br />

dem Thema „Schonraum und Ernstfall“ von Wolfgang Harnischfeger in den Fokus.<br />

Wie gewohnt, enthält diese Ausgabe Mitteilungen der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung,<br />

die Roswitha Kneer-Werner zusammengestellt hat.<br />

Und last but not least berichten Herbert Böpple und Helmut Hochschild über Aktivitäten des <strong>BAK</strong>.<br />

Für heute grüßt Sie auch im Namen des Redaktionsteams<br />

Roswitha Kneer-Werner<br />

im August 20<strong>13</strong><br />

Seite 4


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für<br />

Lehrerausbildung und Schule<br />

Die Hattie-Studie in der Diskussion<br />

Folgerungen für die Lehrerausbildung und die Schule<br />

In zahlreichen Publikationen, die sich mit Fragen der Lehrerbildung im Allgemeinen, mit Schulstrukturreformen,<br />

grundsätzlichen Fragen der Schulentwicklung und singulären pädagogischen<br />

Problemstellungen beschäftigen, wird die Hattie-Studie, die Studie des neuseeländischen Bildungsforschers<br />

John Hattie, als Referenz bzw. Grundlage der Meinungsbildung herangezogen.<br />

Die 2008 erstmals erschienene, auf 800 Metaanalysen beruhende Studie wird als Fundament genutzt,<br />

um die Ursachen von Lernerfolgen zu ergründen. In einem Artikel der „Zeit-online“ Februar<br />

20<strong>13</strong> werden die Ergebnisse der Hattie-Studie zusammenfassend formuliert:<br />

„Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die<br />

Lehrerin.“ (Zeit-online, Febr. 20<strong>13</strong>, S. 1/8)<br />

Hinter diesem sehr plakativen und missverständlich formulierten Satz verbirgt sich doch ein sehr<br />

komplexes Gebilde für erfolgreiches Lehren und Lernen, das in diesem Beitrag näher beleuchtet<br />

werden soll.<br />

Dieser Beitrag beinhaltet eine ausgewählte Darstellung der Ergebnisse der Hattie-Studie (2009)<br />

und der Konsequenzen, wie sie in seinem Werk von 2012 („Visible Learning for Teachers-Maximizing<br />

Impact on Learning“) erläutert werden. Als zweiter Schritt werden sie Ausgangspunkt für<br />

Überlegungen hinsichtlich der Lehrerausbildung in Berlin und der Gestaltung von Schule sein.<br />

John Hattie selbst hat 2012 bereits eine weitere Publikation mit dem Titel „Visible Learning für<br />

Teachers – Maximizing Impact on Learning“ veröffentlicht und damit u. a. auf die überraschende<br />

Resonanz, vielleicht sogar„ Hattie-Manie“ reagiert, indem er bereits im Vorwort schreibt, dass es<br />

nicht ein einziges Programm oder einen eindeutigen Plan gibt, um Lernerfolge zu erzielen.<br />

„There is no program, no single script, no workbook on how to implement<br />

visible learning; instead, I have provided a set of benchmarks that can be<br />

used to create debates…” (Hattie, Vorwort, S. vii)<br />

Bereits in diesem Zitat wird angedeutet, dass Hattie sich der Komplexität von Lernprozessen bewusst<br />

ist und wissenschaftlich verlässliche Aussagen über Lernprozesse nicht in der Form getroffen<br />

werden können, wie es einige Autoren in ihren Publikationen (Fachpublikationen und Zeitschriften)<br />

formulieren. Als zentrale Ergebnisse der Hattie-Studie werden dort das Primat der „Direkten<br />

Instruktion“, die Absage an die „Selbstlernidyllik“, genannt und vor allem wird betont, dass<br />

die Klassengröße beim Ranking Hatties auf Platz 107 zu finden ist, also kaum Auswirkungen auf<br />

Lernprozesse habe.<br />

Wenn die vier Jahrzehnte andauernde Debatte über Schulformen, die Ergebnisse fachdidaktischer<br />

Forschung und Unterrichtsentwicklung mit dem Satz: „(A)uf den Lehrer kommt es an“ beantwortet<br />

werden können, muss man sich fragen, ob bzw. inwieweit die modularisierte Ausbildung (inkl. Vorbereitungsdienst)<br />

in Berlin nicht einem psychologischen Trainingsprogramm mit dem Motto „Wie<br />

werde ich ein begeisterter Lehrer 1 ?“ weichen sollte.<br />

Diese Polemik lässt jedoch die interessanten Ergebnisse der beiden Arbeiten Hatties außer Acht.<br />

Will man sich genauer mit der Studie beschäftigen, ist als erstes zu klären, was das Effektstärkemaß<br />

„d“ bedeutet, mit dem Hattie die Faktoren bzw. die Einflussgröße von Faktoren, die das schu-<br />

1 Es wird das generische Maskulinum in diesem Aufsatz verwendet; so schließt z.B. der Begriff „Schüler“ die Schülerin mit ein.<br />

Seite 5


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

lische Lernen beeinflussen, bezeichnet. Das Effektstärkemaß kennzeichnet somit die Relevanz<br />

und Stärke von Einflussgrößen auf das Lernen.<br />

Um dieses Maß für den Lernzuwachs in einer Klasse zu berechnen, würde man die Leistungen<br />

zweimal messen (Abstand der Messungen 1 Schuljahr), den Mittelwertsunterschied berechnen,<br />

diesen durch die gemittelte Streuung der Werte teilen, um dann in der Folge Werte zwischen 0,2<br />

und 0,4 zu erhalten. Ist d > 0,4 spricht man von einem starken Effekt (erfolgreiches Schuljahr), ab<br />

d > 0,6 von einem sehr erfolgreichen Schuljahr (einem sehr starken Effekt). Negative Werte (der<br />

Faktor - 0,34 in der Hattie Studie bewertete den Einfluss von Umzügen der Eltern) drücken aus,<br />

dass diese Maßnahme schädlich war. (Köller und Möller, Teil 1, Was wirklich wirkt, S.34)<br />

Der Verdienst solcher Analysen liegt darin, dass über viele Untersuchungen hinweg zentrale Einflussgrößen<br />

identifiziert werden können, wie sie im Alltag vorherrschen, auch wenn man nicht<br />

übersehen darf, dass bei der Untersuchungsmethode der Metaanalyse ein Vergleich von Daten<br />

über viele Studien hinweg nicht unproblematisch ist.<br />

Hattie weist in einem Interview allerdings selbst daraufhin (Weiterbildung – Zeitschrift für Grundlage,<br />

Praxis, Trends3/20<strong>13</strong>), dass sich seit seinen ersten Studien im Jahr 1991, das sind immerhin<br />

mehr als 20 Jahre und mittlerweile 960 Metaanalysen, kaum etwas in dem Ranking der einzelnen<br />

Faktoren verändert hat.<br />

Nicht alle Faktoren sollen hier jetzt genannt werden. In einer Gegenüberstellung von Möller und<br />

Köller werden einige ausgewählte, oft diskutierte Effektmaße kontrastiert. So zum Beispiel wird<br />

dem Effektmaß des „Kooperativen Lernens“ das Effektmaß „Leseverstehen“ gegenübergestellt, um<br />

zu verdeutlichen, dass eine in der pädagogischen Öffentlichkeit vorherrschende Meinung nicht den<br />

Untersuchungsergebnissen entspricht, nämlich dass kooperatives Lernen der wirksamste Faktor<br />

beim Lernen sei. Gleiches gilt für die Kontrastierung der Reduzierung der Klassengröße gegenüber<br />

der Störungsprävention, wobei hier die bildungspolitische Brisanz dieser Effektmaße deutlich<br />

wird.<br />

In einer tabellarischen Übersicht werden Faktoren gegenübergestellt, die Hattie in seinem „barometer<br />

of influences“ vorgestellt hat und die in ihrer Kontrastivität den Leser/die Leserin ein wenig<br />

überraschen dürften.<br />

Was hilft ein wenig? d Was hilft ein wenig mehr? d<br />

Reduzierung der Klassengröße 0,21 Störungsprävention 0,34<br />

Finanzielle Ausstattung 0,23 Computergestütztes Unterrichten 0,37<br />

Hausaufgaben 0,29 Lehrerfortbildung 0,37<br />

Was hilft schon mehr? d Was hilft richtig? d<br />

Kooperatives Lernen 0,41 Leseförderung 0,67<br />

Vorschulische Fördermaßnahmen 0,45 Lehrkraft-Schüler-Verhältnis 0,72<br />

Herausfordernde Ziele setzen 0,56 Feedback 0,73<br />

Concept Mapping 0,57 Reziprokes Unterrichten 0,74<br />

Direkte Instruktion 0,59 Akzelerationsprogramme 0,88<br />

(Veränderter Auszug aus Tabellen 1 und 2: In geringem Maße förderliche Faktoren und förderliche<br />

Maßnahmen nach Hattie (2009), zitiert nach Köller und Möller, S. 35)<br />

Seite 6


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Dass die Auswahl einzelner Faktoren im Dienste einer pädagogischen Überzeugung bzw. einer<br />

bildungspolitischen Haltung genutzt, wenn nicht sogar überspitzt formuliert, missbraucht werden,<br />

wird besonders deutlich am Beispiel des Effektmaßes von Hausaufgaben.<br />

In einem Artikel der Zeitschrift „Pädagogik“ (3/20<strong>13</strong>) zum Thema Hausaufgaben wird deutlich, wie<br />

interpretierbar der Effektmaßwert von Hattie ist. Der Autor verweist darauf, dass die Effektstärke<br />

von Nachhilfe (d = 0,15) deutlich unter der Effektstärke von Hausaufgaben liege und so Hausaufgaben<br />

durchaus positiv zu bewerten seien. Stellt man das Effektstärkemaß jedoch dem der<br />

Lehrerfortbildung gegenüber, wie Möller und Köller das tun, erscheint die Bedeutung von Hausaufgaben<br />

ungleich geringer.<br />

Da das Effektmaß für Hausaufgaben so gering ausfällt, sollte darauf verwiesen werden, dass<br />

Hausaufgaben nicht per se wirksam sind, sondern dass es vielmehr auf ihre didaktische Einbettung<br />

ankommt (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – Schulqualität Allgemeinbildung,<br />

Wien 2012).<br />

Das überaus hohe Effektmaß, das der „Direkten Instruktion“ zukommt, erklärt sich aus der Definition<br />

dessen, was Hattie als „Direkte Instruktion“ versteht, nämlich u. a.<br />

• klare Zielsetzungen und Erfolgskriterien, die für die Lernenden transparent sind,<br />

• die aktive Einbeziehung der Schüler in Lernprozesse,<br />

• die genaue Fach- und Sachkenntnis der Lehrperson,<br />

• die Kenntnis der notwendigen methodischen Prozesse zur Vermittlung der Lerninhalte,<br />

• die Evaluation der Lernprozesse und des Erfolgs dieser,<br />

• die praktische Anwendung des Gelernten in verschiedenen Kontexten.<br />

„Direkte Instruktion“ heißt bei Hattie nicht Lehrervortrag oder fragengeleiteter Frontalunterricht bzw.<br />

von der Lehrkraft geleitetes und eng geführtes Unterrichtsgespräch. Wenn es laut Hattie auf den<br />

Lehrer ankommt, bedeutet diese Aussage u. a., dass es auf eine nachweislich wirksame Lehrkraft<br />

ankommt. Vor allem wenn bemerkt wird, dass ein Schüler/eine Schülerin etwas nicht versteht,<br />

bedarf es der Lehrkraft, die interveniert, um das gewünschte Lernen zu ermöglichen.<br />

Aus diesen Anmerkungen wird ersichtlich, dass die Lehrkraft zwar im Zentrum des Geschehens<br />

steht und die Lernsequenzen initiiert und situiert, für einen erfolgreichen Unterricht aber das didaktische<br />

Können der Lehrperson gefordert ist, zum Beispiel in Fragen der effektiven und störungsarmen<br />

Klassenführung und eines anregungsreichen Lernklimas (u.a. Aufbau von persönlichen Beziehungen<br />

zu den Lernenden, Toleranz, Empathie, Respekt) und es – wie oben dargestellt – auf<br />

kognitiv aktivierende Lernaufträge, Aufgabenstellungen und Erklärungen ankommt. Eine wichtige<br />

Rolle spielen vor allem angeleitete Lernprozesse, und zwar in Form von gut strukturierten Erklärungen,<br />

anschließenden Verdeutlichungen und Lösungsbeispielen sowie Übungen – angepasst an<br />

das Vorwissen der Lernenden. Die Lehrperson ist also eher der „acitivator“ als der Moderator.<br />

In diesem Zusammenhang soll kurz auf die geringe Wirksamkeit offener Lernformen (Bundesministerium<br />

für Unterricht, Kultur und Kunst – Schulqualität Allgemeinbildung, Wien, 2012) eingegangen<br />

werden, wie sie von reformpädagogischen Ansätzen dargestellt werden. Nach Steffens und<br />

Höfer bergen diese Konzepte anscheinend die Gefahr, dass Lernenden zu wenig Ordnungsstrukturen<br />

und Orientierungen in Lernprozessen zur Verfügung gestellt werden und sie deshalb neues<br />

Wissen nicht effektiv verarbeiten können, vor allem, wenn erforderliches Vorwissen fehlt (Steffens<br />

und Höfer, Institut für Qualitätsentwicklung, 2011). Gerade schwächere Lernende haben Schwierigkeiten<br />

mit offenen Lernkontexten, weil ihnen dazu die kognitiven Landkarten zur Selbstorganisation<br />

der Lernprozesse fehlen und orientierende Hilfestellungen erforderlich sind. Was die offenen<br />

Lernformen angeht, so vermutet Eckhard Klieme im Anschluss an Hattie, dass sie für den Aufbau<br />

„intelligenten Wissens“ nur relevant sind, […] wenn sie mit klarer Strukturierung und herausfordernden,<br />

kognitiv aktivierenden Inhalten einhergehen (Klieme 2010).<br />

Seite 7


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Obwohl offene Lernarrangements nach Hattie nur in geringem Zusammenhang mit dem Lernerfolg<br />

der Schülerinnen und Schüler stehen, darf nicht daraus gefolgert werden, dass auf solche Ansätze<br />

in der Zukunft verzichtet werden soll. Erstens spielen sie für andere pädagogische Ziele wie Interessen-<br />

und Selbständigkeitsförderung, Kooperation und soziales Lernen sowie Verantwortungsübernahme<br />

eine wichtige Rolle. Zweitens sind sie in einem indirekten Zusammenhang mit Lernprozessen<br />

und Lernerträgen zu sehen (als „intervenierende Variablen“), beispielsweise im Interesse<br />

einer Anknüpfung an individuelle Vorerfahrungen. Solche indirekten Wirkungen lassen sich<br />

in Metaanalysen nicht nachweisen (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – Schulqualität<br />

Allgemeinbildung, Wien, 2012), weil dort die Faktoren einzeln betrachtet und nicht in Interaktion<br />

mit anderen Faktoren gesehen werden. Drittens zeigen aktuelle Studien, beispielsweise aus<br />

der Schulinspektion in Hessen (Nieder et al., 2011), dass lehrerzentrierter Frontalunterricht nach<br />

wie vor die vorherrschende Unterrichtsform darstellt (BMUKK 2012).<br />

Liest man die obigen Aussagen, so entsteht der Eindruck, dass es nur um ein Entweder – oder<br />

verschiedener Unterrichtsformen geht. Das trifft aber nicht zu, da sie nie in Reinform auftreten.<br />

Denn je nach Zielsetzung haben sie ihre jeweilige Berechtigung. Worauf es im Unterricht vielmehr<br />

ankommt, ist ein ausgewogenes Verhältnis der Lernformen zueinander, eine Balance der verschiedenen<br />

unterrichtlichen Herangehensweisen zu finden, ein Sowohl-als-auch.<br />

Zwei weitere Faktoren, die ein erfolgreiches Unterrichten nach Hattie bedingen, sollen im Folgenden<br />

ebenfalls genauer betrachtet werden:<br />

Seite 8<br />

Das Feedback und das formative Assessment.<br />

Hattie selbst äußert sich in einem Interview (Weiterbildung – Zeitschrift für Gundlage, Paxis,<br />

Trends 3/20<strong>13</strong>), dass Gelegenheiten und Aufgaben geschaffen werden müssen, damit „Lehrende<br />

Lernende laut denken lassen und sie folglich denken hören“, damit sie wissen, inwiefern das Verständnis<br />

der Lernenden für Lernprozesse und Lernprodukte verankert sind. Lernen wird also sichtbar<br />

gemacht. Hattie führt aus, dass er die Lehrenden einen Tag nach dem Unterricht die Lernenden<br />

fragen lässt, was sie verstanden haben. Das Ergebnis war ernüchternd, denn die Lernenden<br />

verstehen die Ausführungen oder Erklärungen der Lehrenden zum Stoff nicht selten falsch. Wenn<br />

sich dann Diskrepanzen ergeben, können Lehrende nach den Ursachen dafür suchen und so<br />

allmählich in ihrem Feedback besser und spezifischer werden.<br />

Beim Feedback kommt es nach Hattie auf folgende drei Leitfragen an<br />

• Where am I going? (Was sind meine Ziele?),<br />

• How am I going? (Wie erreiche ich mein Ziel? Welchen Fortschritt habe ich gemacht? – Also<br />

der Lernprozess) und<br />

• Where to next? (Was sind die nächsten Schritte, um einen besseren Fortschritt zu erreichen? –<br />

Steuerung des eigenen Lernprozesses).<br />

Dabei ist das Feedback nicht einseitig zu sehen. Sowohl die Lehrkraft gibt den Lernenden ein<br />

Feedback, z.B. über den Leistungsstand, als auch die Lernenden der Lehrkraft.<br />

Das formative Assessment stellt eine Art des Feedbacks dar, das Lernen sichtbar zu machen.<br />

Lipowsky erläutert in einem Interview (Bildung bewegt, Nr. <strong>13</strong>, Juni 2011), dass das Potenzial für<br />

formatives Assessment, der lernprozessbezogenen Beurteilung, noch zu wenig genutzt werde.<br />

„Formatives Assessment bezeichnet [...] Maßnahmen und Strategien der Lehrperson, die dazu<br />

dienen, dem Lernenden etwas über den erreichten Lernfortschritt und über die Differenz zwischen<br />

aktuellem Leistungsstand und dem Lernziel zurückzumelden. Hierzu bedarf es Hilfen und bestimmter<br />

Maßnahmen, die man als diagnostische Tools umschreiben kann. Die Lehrkraft muss<br />

diagnostische Fragen stellen können, aus denen sie etwas über Konzepte, Ideen und kognitiven<br />

Vorgängen beim Schüler erkennen und ableiten kann.“ Dazu ist es notwendig, das Lernen/die<br />

Lernprozesse genau zu beobachten und zu analysieren. Dieser hohe Anspruch kann nicht per se<br />

erfolgen, sondern muss erlernt werden, z.B. in Lehrerfortbildungen.


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Bezieht man das neueste Werk Hatties mit in die Überlegungen und Aussagen ein, so fällt auf,<br />

dass es deutlich differenzierter ist. Er formuliert eindeutig, was er von den Lehrern und Lehrerinnen<br />

erwartet, ausgehend von der These:<br />

„The messages in Visible Learning are not another recipe for success, another quest for certainty,<br />

another unmasking of truth. There is no recipe.“ (Hattie 2012, S. 22).<br />

Gleichzeitig fordert er, dass die Lehrkraft evaluieren solle, welchen Effekt sie auf den Lernprozess<br />

der Schülerinnen habe.<br />

Hattie formuliert sechs zentrale Aspekte, die seine Studie ergeben hat:<br />

1. Lehrer sind ein zentraler Faktor, die das Lernen beeinflussen,<br />

2. Lehrer sollten sowohl fürsorglich (caring) als auch engagiert, klar leitend und engagiert den<br />

Lernprozess begleiten,<br />

3. Lehrer sollten sich darüber bewusst sein, dass jeder Schüler unterschiedliche Grundlagen hat,<br />

auf denen die Lernprozesse aufbauen und somit auch ein Feedback benötigen, um progressiv<br />

voranschreitend zu lernen,<br />

4. Lehrer sollten für Transparenz der Intentionen, der Bewertungskriterien, der Lernschritte im<br />

Lernprozess sorgen,<br />

5. Lehrer sollten exemplarisch vorgehen („Teachers need to move from the single idea to multiple<br />

ideas“),<br />

6. Schulleitung und Lehrerschaft sollten eine Lern- und Arbeitsatmosphäre schaffen, in denen<br />

Fehler willkommen sind und als Möglichkeiten zum Lernen genutzt werden, sowohl auf<br />

Schüler- als auch auf Lehrerseite. ( Hattie, S. 22)<br />

In seinen Ausführungen erläutert Hattie, dass zu einer erfolgreichen Lehrerpersönlichkeit sowohl<br />

gründliche Fachkenntnisse als auch Empathiefähigkeit gehören. Er spricht immer wieder von einer<br />

„atmosphere of trust“, einer Lernatmosphäre, in der Fehler willkommen sind, in der es sich lohnt,.<br />

sich zu engagieren. Feedback wird zu einem wichtigen Instrument, um Lernprozesse effektiv zu<br />

gestalten, was auch in seinem ersten Buch bereits deutlich geworden ist. Grundlage für erfolgreiches<br />

Lehren ist für Hattie der Glaube an die Möglichkeit, den Lernerfolg beeinflussen zu können:<br />

„Such expectation require teachers to believe that intelligence is changeable rather than fixed (...)“<br />

(Hattie 2012, S. 30).<br />

Auf der Grundlage dieser sechs zentralen Aspekte leitet Hattie im Anschluss sein Unterrichtsmodell<br />

ab.<br />

Hatties Unterrichtsmodell<br />

In dem zweiten Teil des Werkes „Visible Learning for Teachers – Maximizing Impact on Learning“<br />

erläutert Hattie, welche Grundlagen der Unterrichtsplanung und -durchführung seiner Meinung<br />

nach neben den Persönlichkeitsmerkmalen der Lehrkraft zentral sind.<br />

Er beginnt bei der Unterrichtsplanung und benennt die Klarheit auf Seiten der Lehrkraft über Intention,<br />

Standard und Kompetenzentwicklung in der Unterrichtsstunde ausgehend von einer präzisen<br />

Analyse der Kompetenzentwicklung der Lernenden. Er nennt vier zentrale Faktoren:<br />

1.) „level of performance of the students at the start (prior achievement)“, was wir als inhaltliche<br />

Unterrichtsvoraussetzungen bezeichnen würden,<br />

2.) „the desired levels at the end of a series of lessons (or term, or year) (targeted learning)”,<br />

was wir als den zu erreichenden Standard ansehen,<br />

3.) “progression” und<br />

4.) “teacher collaboration and critique in planning” (Zusammenarbeit von Lehrenden und<br />

kritische Reflexion der Planungen)<br />

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Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Darauf aufbauend legt Hattie in fünf Kapiteln die Gestaltung von Unterricht dar:<br />

1. Unterrichtsvorbereitung (Preparing the lesson)<br />

2. Unterrichtseröffnung (Starting the lesson)<br />

3. Unterrichtsverlauf (Flow of the lesson: learning) im Hinblick auf Lernprozesse<br />

4. Unterrichtsverlauf (Flow of the lesson: the place of feedback) im Hinblick auf<br />

Feedback<br />

5. Unterrichtsende<br />

(Im Englischen bedeutet der Begriff „lesson“ zum einen eine „Einzelstunde“ und zum anderen<br />

„Unterricht“. Wir haben uns für den Begriff Unterricht entschieden, da Hattie von mehr als einer<br />

Stunde ausgeht. (vgl. z.B. Hattie 2012, S.41))<br />

Jedes Kapitel eröffnet er mit einer Checkliste, die die Lehrkraft beachten sollte, um Lernen im<br />

Sinne von Maximierung positiv zu beeinflussen. Auf diese Checkliste soll in dem vorliegenden Beitrag<br />

aber nicht näher eingegangen werden.<br />

1. Stundenvorbereitung<br />

In diesem Zusammenhang fordert Hattie, auf vier zentrale Aspekte zu achten: die Voraussetzungen<br />

(level of performance) der Lernenden vor dem Stundenstart (prior achievement), die angestrebten<br />

Standards am Ende einer Unterrichtssequenz (targeted learning), die Progression innerhalb<br />

einer Unterrichtseinheit und als vierten Faktor die Selbstreflexion der Lehrenden in Zusammenarbeit<br />

mit anderen Lehrkräften.<br />

Die Bedeutung der Voraussetzungen der Lernenden wird mit dem Effektstärkemaß von d = 0,67<br />

als außerordentlich hoch bewertet. Also schließt Hattie daraus:<br />

„ Any lesson planning must therefore begin with a deep understanding of what each student already<br />

knows and can do, …” (Hattie, 2012, S. 42).<br />

Wichtig ist für ihn, dass diese Voraussetzungen zu einer Fossilisierung der Leistungsniveaus innerhalb<br />

einer Lerngruppe führen, wenn es der Lehrkraft nicht gelingt, diese Leistungsniveaus als<br />

Ausgangspunkt zu nutzen, um sie durch geschickte Methoden durcheinander zu bringen („mess it<br />

up“); d.h. Differenzierung muss dazu dienen, eine Durchlässigkeit der verschiedenen Niveaustufen<br />

zu ermöglichen. Die Planung von Unterricht soll auch zum Ziel haben, die Schwächeren so zu<br />

unterrichten, dass Lücken ausgeglichen werden, sodass auch sie die Standards der Unterrichtseinheit<br />

erreichen können. Wichtig sind dabei nicht so sehr die Lernertypen, sondern die Denkstrategien<br />

der Schüler („student’s strategies for thinking“, Hattie 2012, S. 42).<br />

Grundlage für Hatties Ausführungen zur Planung sind die Studien Piagets und Shayers (2003). Für<br />

kognitive Fortschritte sind vor allem die kognitive Dissonanz („cognitive conflict“) und der kognitive<br />

Dialog mit Mitschülern („high quality dialog among peers supported by teachers“) verantwortlich.<br />

Diesem Aspekt der Unterrichtsvorbereitung wird in der Hattie-Studie das Effektstärkemaß von d =<br />

0,60 zugewiesen, also ein außerordentlich wichtiger Faktor (vgl. S. 43).<br />

Hattie geht aber weiter und fordert, vor allem auf das Selbstkonzept der Schüler stärker einzugehen,<br />

denn nur wenn dieses wahrgenommen werde, könne die Lehrkraft die Lernvoraussetzungen<br />

einzelner in ihrem Unterricht berücksichtigen. Wichtig ist das zu reduzieren, was Hattie „self-handicapping“<br />

(S. 46) nennt, das Gefühl des Schülers, dass er gar keinen Erfolg haben wird oder haben<br />

kann und sofort eine Entschuldigung für den Misserfolg parat hat, in der Folge aber auch keine<br />

Energie entwickelt, sich zu verbessern, sich einzuarbeiten und Zeit für eine Aufgabe zu investieren.<br />

Der zweite Aspekt der Unterrichtsvorbereitung, den Hattie für zentral hält, ist die Klarheit über die<br />

angestrebten Standards, über die notwendigen methodischen Schritte zum Erreichen der Stan-<br />

Seite 10


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

dards auf Seiten der Lehrkraft sowie die Transparenz beider für die Schüler/-innen (vgl. Hattie,<br />

2012, S. 52). Transparenz beinhaltet nicht nur Klarheit über Lernschritte, Lerninhalte und curriculare<br />

Vorgaben, sondern auch darüber, wie weit der einzelne / die einzelne von den zu erreichenden<br />

Erfolgsstandards noch entfernt ist.<br />

Fünf Komponenten sind bei den Intentionen (learning intentions) und Erfolgskriterien (success criteria)<br />

zu berücksichtigen. Lernen bedarf<br />

1. der Herausforderung, die die Lerninhalte und Methoden darstellen,<br />

2. des Engagements der Lehrkraft und auch der Lernenden,<br />

3. des Selbstvertrauens der Lernenden, dass sie sich in der Lage fühlen, die gesetzten Ziele zu<br />

erreichen,<br />

4. der verlässlichen Selbsteinschätzung auf Seiten der Lernenden („student expectations“) und<br />

5. eines für die Lernenden transparenten Konzeptes der Lernstrategien und Lernschritte<br />

(conceptual understanding).<br />

Progression und Reflexion als dritte und vierte Komponente der Unterrichtsvorbereitung<br />

bedeuten, dass den Lehrkräften klar sein muss, welche Bedeutung ihr Unterricht für die<br />

Kompetenzentwicklung der Lernenden und welche Bedeutung die Unterrichtssequenz für das<br />

Erreichen der Standards der Klassenstufen insgesamt hat. In kollegialen Gesprächen, die Hattie<br />

für unbedingt erforderlich hält - er fordert „professional learning communities“ (Hattie 2012, S. 69) -<br />

müsse evaluiert werden, welche Bedeutung die Lehrkraft für die Lernprozesse der Lernenden hat<br />

und wie diese optimiert werden können.<br />

2. Stundeneröffnung<br />

Zu einem erfolgversprechenden Unterrichtsverlauf aus der Schülerperspektive gehören neben<br />

dem oben beschriebenen Fundament eine optimale Lernumgebung, angemessene<br />

Proportionierung von Lehrer- und Schüler-Sprechanteilen, Wissen um die Besonderheiten der<br />

Schüler sowie die Passung von Methode und Gegenstand, d.h. es kommt auf das Klassenklima<br />

an, die Gesprächsführung, Kommunikation im Klassenzimmer, Schüler-Schüler-Interaktion, die<br />

Rolle der Lehrkraft als „activator und evaluator“ (Hattie 2012, S. 69).<br />

Wenn es laut Hattie auf Respekt im Klassenzimmer ankommt, dann meint er vor allem die<br />

Akzeptanz der jeweiligen Rolle der am Lernprozess beteiligten (vgl. Hattie 2012, S. 79).<br />

Gleichzeitig erweitert er diese Aussagen auch auf das Klima im Lehrerkollegium. Vertrauen,<br />

Respekt und Integrität der Lehrerschaft im Lehrerzimmer sind Grundlage für erfolgreiches Lernen.<br />

„The stronger the feeling of trust in a school community, the more successful that school will be”<br />

(Hattie 2012, S.79).<br />

Dialog anstatt Monolog sollte die Kommunikation kennzeichnen. Das Klassenzimmer sollte von<br />

Schülerfragen geprägt sein anstatt von Lehrerfragen. Das Verhältnis von Reden, Zuhören und Tun<br />

sollte in einer Balance stehen – sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern. Die Qualität des<br />

Unterrichts resultiert aus einem Lernprozess, bei dem sowohl Lehrer als auch Schüler die<br />

Interdependenz von verschiedenen Anforderungsbereichen im Lernprozess kennen und so zu<br />

einem konzeptionellen Verständnis des Unterrichtsstoffes gelangen. Vor allem die Etikettierung der<br />

Schüler ist zu vermeiden. In der Hattie-Studie von 2008 wird deutlich, dass die Berücksichtigung<br />

von Genderfragen bei der Gestaltung von Lernprozessen ein sehr geringes Effektmaß hat (d =<br />

0,15).<br />

Bei der Wahl der Methoden hat das reciprocal teaching (reziprokes Lehren) das höchste Effektstärkemaß.<br />

Problemlösendes Lehren (problem-solving teaching) folgt an 4. Stelle. Kooperatives<br />

Lernen (cooperative vs. individualistic learning) und Direkte Instruktion stehen an gleicher Stelle (d<br />

= 0,59).<br />

Hier scheint ein Widerspruch zu den eingangs formulierten Werten, die in den Ausführungen von<br />

Köller und Möller gemacht wurden, zu bestehen.<br />

Seite 11


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

In seiner sehr differenzierten Darlegung zu den Faktoren mit hohen Effekten für den Lernprozess<br />

unterscheidet Hattie 2012 zwischen 1. „cooperative vs. individualistic learning“ und 2. „cooperative<br />

vs. competitive learning“ und 3. “competetive vs. individualistic learning“. Das höchste Effektstärkemaß<br />

wird dem Faktor 1 „cooperative vs. individualistic learning“ zugemessen. Wenn bei Köller<br />

und Möller „Kooperatives Lernen“ mit dem Effektstärkemaß d= 0,41 (siehe Tabelle, S. 6.) versehen<br />

wird, ist nicht zwischen den oben genannten Bereichen unterschieden worden. Hattie hat in seinem<br />

2012 erschienen Werk die sehr differenzierten Angaben in einer Tabelle mit dem Titel „Effect<br />

sizes from various programs“ geliefert (vgl. Hattie 2012, S. 95).<br />

3./4. Stundenverlauf<br />

Hier ist vor allem eine Aussage überaus zentral und als programmatisch anzusehen:<br />

„ ..., most strategies have to be taught within the content domain – once again, transfer across<br />

content is not easy. Programs that were provided outside the context of subject matter (…) are<br />

effective only when surface knowledge is the outcome (...),” (Hattie 2012, 115).<br />

Lernstrategien, Methodenwahl sind immer im Rahmen der inhaltlichen Domänen zu sehen,<br />

Methodenkompetenz kann nicht unabhängig vom Lerngegenstand zu vertieftem Verstehen und<br />

Urteilfähigkeit führen. Nur oberflächliches Wissen kann durch einen gegenstandsunabhängigen<br />

Methodenpool vermittelt werden, d.h. Lerngegenstand und Methode, Domäne und Kompetenzen<br />

sind nur in ihrer inhaltlichen Verknüpfung wirksam.<br />

Hattie schlussfolgert, dass Lernen kein einfacher Prozess ist, sonst wäre Unterrichten ein<br />

Spaziergang. Wichtig ist für ihn zum wiederholten Male, sich die Denkprozesse der Lernenden zu<br />

vergegenwärtigen.<br />

Vor allem kommt dem Feedback im Lernprozess eine nicht unerhebliche Rolle zu, denn durch<br />

Feedback reduziert sich die Lücke zwischen dem, was der Schüler kann, und dem, was er können<br />

sollte. Es wird dabei unterschieden zwischen Feedback auf Aufgabenebene, auf Prozessebene<br />

und auf Selbstregulationsebene (Schüler) (vgl. Hattie S.149).<br />

5. Stundenende<br />

Am Ende des Unterrichts sollte sich die Lehrkraft Fragen stellen bezüglich der gegenseitigen<br />

Wertschätzung im Klassenzimmer, bezüglich des Engagements und der Kooperation in den Lernprozessen<br />

und des positiven Feedbacks zu den Lernprozessen der Einzelnen (vgl. Hattie 2012, S.<br />

157). Wie ein Schüler den Unterricht wahrnimmt bzw. erlebt, ist außerordentlich wichtig für die Bedeutung<br />

des Lernprozesses. Das Effektstärkemaß in Hinblick auf die Bewusstmachung der Lernprozesse<br />

und des Lernfortschritts auf Seiten der Lernenden bewegt sich auf der Hattie-Skala im<br />

oberen Bereich (d = 0,64). Die Urteilsebene über die Lernprozesse ist überaus bedeutsam und<br />

stärkt das Bewusstsein über eigene Lernprozesse. Gleiches gilt für die Lehrkräfte, wenn diese ihren<br />

Unterricht mit anderen Kollegen erörtern und im Sinne einer Optimierung der Lernprozesse<br />

Lösungen diskutieren.<br />

Immer wieder fordert Hattie nachdrücklich, das Lernen durch die Augen der Schüler zu betrachten.<br />

Er verweist auf Piaget, wenn er die gedanklichen Schritte der Lernenden beschreibt, die ein Lehrer<br />

bedenken muss, wenn er erfolgreich unterrichten will. Er fordert „strategy teaching“ ein, das die<br />

Denkfähigkeit der Schüler, die Vernetzungsmöglichkeiten zwischen Lernstoff und Lebenswelt beachtet<br />

und die Lücke zwischen dem zu erreichenden Standard und der Ausgangslage der Lernenden<br />

berücksichtigt. Nur dann kann man effektive Strategien anwenden, wenn den Lernenden klar<br />

ist, was der Standard ist, der erreicht werden soll, und welche Schritte dahin führen. Diese Transparenz<br />

kann ein Lehrer nur schaffen, wenn er Lernen mit den Augen der Lernenden betrachtet.<br />

„ To accomplish these difficult notions of ‚how students learn’ requires teaches to see learning<br />

through the eyes of students.” (Hattie, S. 127)<br />

Seite 12


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Folgerungen für die Lehrerausbildung in Berlin<br />

Ausgehend von den verschiedenen dargestellten Ausführungen und Deutungen der Hattie-Studie<br />

soll im Folgenden über die Konsequenzen für den Berliner Vorbereitungsdienst nachgedacht werden.<br />

Es stellen sich damit folgende Fragen:<br />

• Sind die Kompetenzen und Standards des Berliner Vorbereitungsdienstes mit den neuen<br />

Ergebnissen der Hattie Studie über Einflussfaktoren und deren Effekte für erfolgreiche<br />

Lernprozesse vereinbar?<br />

• Werden diese Ergebnisse in den Ausbildungsmodulen bereits berücksichtigt?<br />

• Können wir bei der inhaltlichen Gewichtung in den Pflichtbausteinen die Erkenntnisse der<br />

Hattie-Studie zur Schwerpunktbildung nutzen?<br />

Bei einer genauen Analyse der Module „Unterrichten“ und „Erziehen und Innovieren“ und den formulierten<br />

Kompetenzen und Standards wird deutlich, dass natürlich die Ergebnisse einer internationalen<br />

empirischen Unterrichtsforschung mit 800 Metaanalysen die nationalen und regionalen Bedingungen<br />

(Grundgesetz, Beamtenstatusgesetz, Landesbeamtengesetz und Schulgesetz), die z.<br />

B. in dem Pflichtbaustein 1 des Moduls Unterrichten (Grundlagen des Lehrerberufs)als mögliche<br />

Inhalte benannt werden, keine Berücksichtigung finden können. Dennoch wird hier bereits<br />

deutlich, dass der Standard „Die LAA verstehen ihre Rolle ganzheitlich als Lehrer, die unterrichten,<br />

erziehen, beurteilen und bewerten, beraten und betreuen in eigener pädagogischer Verantwortung<br />

im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele der Berliner Schule“ (Handbuch, S. 30) dem entspricht,<br />

was in der Hattie-Studie verdeutlicht wird: Die Lehrkraft ist mehr als ein Moderator im Unterrichtsverlauf.<br />

Die Vielfältigkeit der Aufgaben einer Lehrkraft wird von Hattie stets betont:<br />

„Teachers need to be directive, influential, caring, and actively and passionately engaged in the<br />

process of teaching and learning.“ (Hattie 2012, S.22).<br />

Besonders in den Pflichtbausteinen 2 und 4 (Planung von Unterricht, Unterrichtsarrangement)<br />

kann man entdecken, dass Faktoren mit hohen Effekten, die in der Studie genannt werden, Beachtung<br />

finden.<br />

Dass die Lehramtsanwärter ihren Unterricht so planen, dass er auf gehaltenem Unterricht aufbaut<br />

und zukünftigen Unterricht vorbereitet (vgl. Handbuch, S. 31), wird von Hattie in Kapitel 4 von „Visible<br />

Learning for Teachers unter der Überschrift „Preparing the lesson“ differenziert erläutert und<br />

in seiner Studie von 2008 mit dem Effektstärkemaß d = 0,67 (unter der Kategorie „prior achievement“)<br />

als äußerst wichtig betrachtet. Dass Lehr- und Lernprozesse unter Berücksichtigung von<br />

Erkenntnissen von Wissen und Fähigkeiten geplant werden sollen (vgl. Handbuch S. 31), findet bei<br />

Hattie Ausdruck in der Formulierung:<br />

„Teachers need to move from the single idea to multiple ideas, and to relate and then extend these<br />

ideas such that learners construct, and reconstruct, knowledge and ideas. It is not the knowledge<br />

or ideas, but the learner’s construction of this knowledge and ideas that is critical“.(Hattie 2012, S.<br />

22).<br />

In Pflichtbaustein 4 (Unterrichtsarrangement) werden mehrere Faktoren, die nach Hattie ein hohes<br />

Effektstärkemaß haben, erarbeitet, u. a. Steuerungstechniken, Gesprächsführung, verbale und<br />

nonverbale Kommunikation, funktionaler Einsatz von Methoden, Arbeits- und Sozialformen in sinnvoller<br />

Balance zwischen direkter Instruktion und Schüleraktivierung, Gestaltung von Lernumgebungen<br />

(Schaffung lernförderlicher Atmosphäre). Das, was bei Hattie „Formatives Assessment“<br />

genannt und mit einem hohen Effektstärkemaß (d = 0,90) versehen wird, umfasst die oben genannten<br />

Aspekte. Unter „Formatives Assessment“ wird Folgendes verstanden (siehe auch S.8):<br />

1. Beobachtung des Lerners, des Unterrichtsgespräches und Analyse der Lernprodukte, der<br />

Hausaufgaben und Tests,<br />

Seite <strong>13</strong>


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

2. Aktivitäten der Lehrkräfte und Schüler, aus denen Informationen, die zur Verbesserung der<br />

Lehr- und Lernprozesse genutzt werden, gewonnen werden.<br />

Konkreter wird Hattie, wenn er konstatiert, dass erfolgreiche Lehrkräfte vor allem eine angstfreie<br />

Lernatmosphäre schaffen (vgl. Hattie 2012, S. 29). Er spricht von „atmosphere of trust“. Das Effektstärkemaß<br />

von d = 0,72 für das Lehrer-Schüler-Verhältnis stützt diese Forderung noch zusätzlich.<br />

Der Pflichtbaustein 5: Reflexion und Evaluation aus dem Modul Unterrichten berücksichtigt Aspekte,<br />

die dem entsprechen, was in dem Barometer von Einflüssen in der Hattie-Studie mit einem<br />

hohen Effektstärkemaß eingetragen wurde. Das Effektstärkemaß von d = 0,73 ist eines davon und<br />

macht deutlich, wie wichtig Feedback für den Lernprozess ist.<br />

Die Evaluation des eigenen Unterrichts unter Einbeziehung der Lernenden (vgl. Handbuch S. 34)<br />

ist als Standard für die Lehramtsanwärter in diesem Pflichtbaustein formuliert und korrespondiert<br />

eindeutig mit den Ergebnissen Hatties.<br />

In dem Modul Erziehen werden in allen Pflichtbausteinen Aspekte benannt, die im Barometer<br />

Hatties Erwähnung finden, wenngleich nicht immer mit dem Effektstärkemaß, das man erwarten<br />

könnte.<br />

Im Pflichtbaustein 1 sollen die Lehramtsanwärter Entwicklungsprozesse von Schülern erkennen,<br />

darauf eingehen und soziokulturelle Lebensbedingungen berücksichtigen. Hattie verweist auf<br />

Piaget (vgl. Hattie 2012, S. 43), wenn er davon spricht, dass Lehrer/innen die Denkprozesse der<br />

Lernenden verstehen müssen, um sinnvoll Unterricht zu planen.<br />

„One of the important understandings that teachers need to have about each student is his or her<br />

way of thinking.“ (Hattie 2012, S. 42).<br />

Gender-Mainstreaming, Unterschiede zwischen Lernprozessen von Jungen und Mädchen, die<br />

ebenfalls in dem Pflichtbaustein verankert sind, werden mit einem geringen Effektstärkemaß versehen<br />

(d= 0,12).<br />

Die im Pflichtbaustein 2 (Wertevermittlung) des Moduls Erziehen formulierten Standards lassen<br />

ebenso Verbindungen zu den Ausführungen Hatties zu. Vor allem der Standard „Die Lehramtsanwärter/innen<br />

gestalten soziale Beziehungen und soziale Lernprozesse in Unterricht und Schule“<br />

(Handbuch, S. 37) entspricht dem, dass Hattie der Lernatmosphäre ein hohes Effektstärkemaß<br />

beimisst.<br />

Der Pflichtbaustein 3 (Konflikte und Gewaltprävention) des Moduls Erziehen und die Pflichtbausteine<br />

„Inklusion 1 – Heterogenität wahrnehmen“ und „Sprachförderung/Sprachbildung“ des Moduls<br />

Unterrichten sind nicht direkt mit den Ergebnissen der Hattie-Studie in Verbindung zu bringen.<br />

Sicher sind Aspekte der Gesprächsführung im Rahmen von Konflikt- und Gewaltprävention indirekt<br />

mit dem vergleichbar, was Hattie über den Umgang mit Schülerinnen und Schülern schreibt, aber<br />

ein direkter Bezug zu den Forschungsergebnissen ist nicht möglich.<br />

Als Antwort auf die oben gestellten Fragen ist Folgendes erkennbar:<br />

In Teilen entsprechen Standards und Inhalte der Pflichtbausteine der Module, die im Berliner Vorbereitungsdienst<br />

absolviert werden müssen, dem, was die Unterrichtsforschung Hatties als relevant<br />

für die Weiterentwicklung von Unterricht ansieht.<br />

Der Berliner Vorbereitungsdienst beinhaltet eine sehr umfangreiche und vielseitige Ausbildung, die<br />

vor den Anforderungen der Forschung sicherlich standhalten kann.<br />

Erkennbar ist, dass der Schwerpunkt vor allem in der Gestaltung von Unterricht zu sehen ist und<br />

zu sehen sein wird, wobei der Rolle der Lehrkraft als Gestalter/in von Lernprozessen nach wie vor<br />

eine wichtige Rolle zukommt.<br />

Seite 14


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Unterrichtsbesuche, die nach der neuen Verordnung eher nicht mehr zum Kerngeschäft der Seminarleiter<br />

gehören, (vgl. LAPO i.d.F.v. 30.08.20<strong>13</strong>: die Seminarleiter besuchen den LAA im Unterricht,<br />

d.h., eine verbindliche Anzahl von Unterrichtsbesuchen durch die Seminarleiter ist nicht mehr<br />

vorgeschrieben), sind nach den oben dargestellten Ausführungen aber weiterhin notwendig, um<br />

die Entwicklung der LAA zu begleiten, vor allem wenn man Hatties Unterrichtsmodell berücksichtigt.<br />

Will man die Rolle der Lehrkraft als Gestalter von Lernprozessen kompetenzorientiert begleiten,<br />

erscheint es notwendig, die LAA mehr als nur einmal im Unterricht zu besuchen.<br />

Der Vorbereitungsdienst kann keineswegs durch ein psychologischen Seminar zur Stärkung der<br />

Lehrerpersönlichkeit ersetzt werden; es muss gerade wegen der Ergebnisse der Hattie-Studie und<br />

seinen vieldiskutierten Forschungsergebnissen davon ausgegangen werden, dass ein Paradigmenwechsel<br />

nicht nötig ist. Die hastige Lösungssuche, z. T. mit populistischen Forderungen nach<br />

Frontalunterricht und Lehrerzentrierung gepaart, verkürzt und verfälscht die differenzierten Ausführungen.<br />

Dogmen in der einen oder auch in der anderen Richtung tragen nicht dazu bei, Unterricht<br />

– ein so überaus komplexes Geflecht – weiterzuentwickeln und zu verbessern.<br />

Was bei der Hattie-Studie bedacht werden muss, ist, dass sie über die Wirksamkeit einzelner Variablen<br />

des Unterrichts Auskunft gibt. Empirische Untersuchungen wie diese geben nicht Auskunft<br />

über die Interaktion oder Interdependenz einzelner Faktoren. Jedoch steht gerade bei der Unterrichtsentwicklung<br />

und der Bewertung der Lernprozesse nicht die Einzelaktion im Vordergrund,<br />

sondern das Zusammenspiel vieler Faktoren, was auch die Komplexität des Lernprozesses ausmacht.<br />

Einige Folgerungen aus der Hattie Studie für die Schule<br />

Gerade im Prozess der Qualitätsentwicklung von Schule kommt nach Hattie den Schulleitern<br />

(„model for school leaders“) eine entscheidende Bedeutung zu, denn er ist derjenige, der sowohl<br />

die Lehrenden als auch die Lernenden unterstützen soll, d.h. Hattie hebt hervor, dass sich ein<br />

Schulleiter engagiert für ein auf Qualität zielendes Unterrichten einsetzen soll. Er führt aus, dass<br />

nach Helen Timperley folgende Fragen für ein erfolgreiches Handeln im Unterricht notwendig sind<br />

und zu einer Qualitätssteigerung jeder einzelnen Schule beitragen können:<br />

• Welche Erkenntnisse und welche Fertigkeiten benötigen die Lernenden?<br />

• Welche Erkenntnisse und Fertigkeiten benötigen die Lehrenden?<br />

• Wie kann das professionelle Wissen vertieft werden?<br />

• Wie können den Lernenden neue Lernerfahrungen ermöglicht werden?<br />

• Worin besteht die Wirkung unserer veränderten Handlungen?<br />

(Timperley 2012, Hattie 2012, S. 155)<br />

Nach Hattie ist für die Qualitätsentwicklung der Schulen entscheidend, die Lehrenden so zu qualifizieren,<br />

dass sie ihre Wirkung auf die Lernenden und somit deren Lernerfolge besser verstehen<br />

können (Höfer, Steffens, Institut für Qualitätsentwicklung, Sept. 2012).<br />

Hattie geht davon aus, dass Lehrkräfte zwar bestimmte Vorstellungen haben, wie Lernprozesse<br />

verlaufen, was ihnen dienlich ist oder was sie behindert. Er sieht aber das Problem darin, dass<br />

diese „Praxis-Theorien“ oft auf Interpretationen von Erfahrungen beruhen, die einer empirischen<br />

Überprüfung nur teilweise oder nicht standhalten können (Hattie 2012, S.159). Die dazu notwendigen<br />

Maßnahmen zur Qualifizierung sind nicht gerade billig, aber seiner Meinung nach sinnvoll, da<br />

in diesen Bereichen Erfolge zu erwarten sind (Hattie 2012, S.152).<br />

Hattie ist der Meinung, dass Planung und Reflexion von Unterricht in kollegialer Kooperation der<br />

Vor- und Nachbereitung desselben die Qualitätsentwicklung einer Schule beeinflussen kann. Dabei<br />

soll auf zuvor entwickeltes Material (Instrumente der Evaluation und curriculare Vorgaben) zurückgegriffen<br />

werden. Hattie geht hierbei von seinen Erfahrungen in <strong>Neu</strong>seeland aus, wo er ein<br />

Institut leitet, das solche Materialien erstellt hat, die bereits erfolgreich eingesetzt worden sind.<br />

Seite 15


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Dieses Konzept – so betont Hattie selbst – benötigt gerade hinsichtlich der kollegialen Kooperation<br />

und gemeinsamen Planung sowie Reflexion von Unterricht zusätzliche Ressourcen, da es zeitintensiv<br />

ist und die tägliche Arbeitszeit einer Lehrkraft erhöht wird.<br />

Darauf nimmt Hattie in „Visible Learning for Teachers“ (Hattie 2012, S.168) Bezug: Den größten<br />

Lernfortschritt bei Lernenden erreichen solche Lehrkräfte, die auch 15-20 Stunden pro Woche<br />

nach solch einem Konzept arbeiten. Genau das ist aber mit der Unterrichtszeit in den Bundesländern<br />

nicht realisierbar, würde es doch über die Hälfte der Gesamtarbeitszeit einer Lehrkraft pro<br />

Woche beanspruchen, da im jetzigen System viel Zeit für Korrekturen und andere dienstliche Verpflichtungen<br />

(z.B. Aufsichten, Konferenzen, Verwaltungstätigkeiten) erforderlich ist.<br />

Hattie sieht diese Probleme global und weist darauf hin, dass die Unterschiede in den Ländern<br />

bezüglich der Unterrichtsverpflichtung („in front of students“) für die einzelne Lehrkraft sehr unterschiedlich<br />

seien: In Japan beträgt die zu erteilende Unterrichtszeit 500 Stunden im Jahr (Hattie<br />

2012, S.168), in anderen Staaten der westlichen Welt handelt es sich um 1100 Stunden, in<br />

Deutschland, je nach Schulform und dem Alter der Lehrkraft um ca. 1000 Unterrichtstunden. Das<br />

verdeutlicht, dass ca. 20 zusätzliche Arbeitsstunden pro Woche in Deutschland nicht zu realisieren<br />

sind, bedenkt man, wie viele zusätzliche Stellen das erfordern würde!<br />

Daher schlägt Hattie vor, das zeitliche Gefüge in einer Schule entsprechend umzustrukturieren,<br />

was bestimmt einen langwierigen Reformprozess erfordert und nicht einfach sein wird, sich aber<br />

aufgrund der positiven Wirkungen eine konzeptionelle Umsteuerung auszahlen werde. Hatte Hattie<br />

doch bereits in seiner ersten Arbeit (Visible Learning) darauf hingewiesen, dass strukturell-organisatorische<br />

Maßnahmen nahezu unwirksam sind (S. 257), wogegen die wirksamen Einflussfaktoren,<br />

die sich auf Unterricht beziehen (Lehrstrategien und Lehrkonzepte), zu kurz kommen. Folgt<br />

man Hatties Schlussfolgerungen, so steht im Mittelpunkt der Schule der Unterricht selbst, das Lehren<br />

und Lernen. Dementsprechend müssen die Kompetenzen des Lehrpersonals in den Mittelpunkt<br />

aller weiteren Maßnahmen gestellt werden, was durch Lehrerfortbildung (die Effektmaße von<br />

„professional development“ liegen bei d=0.62 und für „microteaching“ d=0.88 - können also hochwirksam<br />

sein) sowie fachliche Unterstützung und Praxisberatung erfolgen kann. Lehrpersonen<br />

sollen durch curriculare Programme und Materialien im Sinne von Handlungsmustern dergestalt<br />

unterstützt werden, dass keine Lehrperson bestimmte pädagogische und fachliche Mindeststandards<br />

unterschreitet. Als ein Beispiel für curriculare Materialien und Programme führt Steffens (in:<br />

Bildung bewegt, Nr.<strong>13</strong>, Amt für Lehrerbildung in Hessen, Juni 2011) Programme zur Leseförderung<br />

schwächerer Schüler an, zudem existieren fachspezifische Programme, z. B. für Mathematik<br />

und für Wortschatzarbeit. Mit solchen Materialien könnte konkret aufgezeigt werden, wie bestimmte<br />

– gerade anspruchsvollere – Konzepte realisiert werden können. Solche „curricularen<br />

Steuerungsinstrumente“ haben bisher im deutschen Bildungssystem eher eine untergeordnete Bedeutung.<br />

Die Lehrkräfte sind zu wenig mit unterrichtslenkenden Programmen dieser Art vertraut,<br />

sodass eine mögliche Einführung derselben nicht sofort erfolgreich sein dürfte. Wie vorliegende<br />

Metaanalysen zeigen, sind aber solche Programme und Materialien bereits erprobt und haben sich<br />

schon in Schweden, Australien und <strong>Neu</strong>seeland als erfolgreich und wirksam erwiesen.<br />

Dass solche Veränderungen in pädagogischen Haltungen und Verhaltensweisen nicht ohne Kosten<br />

möglich sind, ist auch Hattie bewusst:<br />

Seite 16<br />

“The costs to make the implementations recommended in this book Visible Learning, S.<br />

257) are among the more expensive, but the claim is that they are the right ones on which<br />

to spend our resources”.<br />

Die grundlegenden Denkweisen (“mind frames”), fasst Hattie in folgenden acht grundlegenden<br />

Thesen zusammen:<br />

1. Lehrpersonen und Führungskräfte glauben daran, dass ihre grundlegende Aufgabe darin<br />

besteht, die Wirkung ihres Unterrichtens auf das Lernen ihrer Schüler und deren Leistungen<br />

zu evaluieren.


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

2. Lehrpersonen und Führungskräfte glauben daran, dass Erfolg und Misserfolg im Lernen der<br />

Lernenden davon abhängen, was sie als Lehrkräfte und Schulleiter getan oder nicht getan<br />

haben.<br />

3. Lehrpersonen und Führungskräfte wollen mehr über das Lernen sprechen als über das<br />

Lehren.<br />

4. Lehrpersonen und Führungskräfte sehen in der Beurteilung und Bewertung von Lernenden<br />

eine Rückmeldung über die Wirkung ihres Unterrichts.<br />

5. Lehrpersonen und Führungskräfte bringen sich mehr in Dialogen als in Monologen ein.<br />

6. Lehrpersonen und Führungskräfte sind froh über Herausforderungen und versuchen,<br />

Lernprozesse in gutem Unterricht zu ermöglichen.<br />

7. Lehrpersonen und Führungskräfte glauben, dass es ihre Aufgabe ist, positive<br />

zwischenmenschliche Beziehungen in ihren Klassen und im Lehrerkollegium zu entwickeln.<br />

8. Lehrpersonen und Führungskräfte informieren alle Beteiligten – besonders die Eltern – über<br />

die „Fachsprache des Lernens“, d.h. vor allem darüber, was beim Lernen wichtig ist (vgl.<br />

Höfer und Steffens 2012, S 19; Hattie S. 159ff).<br />

Hattie weist ausdrücklich in seinen Studien auf den Einfluss der Elternarbeit hin, ein Aspekt, der<br />

teilweise in Schulen nicht allzu viel Beachtung findet. Mit einem Effektmaß von d = 0,51 wird deutlich,<br />

dass die systematische Elternarbeit einen einflussreichen Faktor darstellt und daher mehr in<br />

das Blickfeld einer Schule gerückt werden soll. Im Hinblick auf „bildungsferne“ Elternhäuser könnte<br />

eine verstärkte Zusammenarbeit bezüglich des elterliches Unterstützungsverhaltens, was Lerneinstellungen<br />

und Lernverhalten ihrer Kinder betrifft, hilfreich sein.<br />

Steffens (Bildung bewegt, Nr.<strong>13</strong>, Juni 2011) führt aus, dass ein stufenweiser Ausbau von<br />

Lehrerfortbildungsmaßnahmen empfehlenswert sei und dass „Innovationen im Schulwesen häufig<br />

überfrachtet, fragmentiert, inkohärent und unkoordiniert sind. Die einzelnen Instrumente bedürfen<br />

vielmehr einer „Orchestrierung“; einer „Synchronisierung“ der verschiedenen Handlungsebenen<br />

(System-, Schul- und Unterrichtsebene) und der dort jeweils tätigen Akteure.“ Dieses sei im Interesse<br />

einer wirksamen Bildungspolitik unverzichtbar.<br />

Hattie geht es nicht darum, ein völlig neues Programm zu implementieren, sondern vielmehr darum,<br />

einen neuen Bezugsrahmen („frame of reference“) für das Nachdenken über die Wirkungen<br />

des Lehrerhandelns in den Schulen zu entwickeln. (S. 167, Hattie 2012)<br />

„Hattie-Manie?“ – Ein Fazit<br />

Nein, eine Manie nicht, dazu ist die Studie zu komplex, einiges war bekannt, aber nicht in der<br />

Breite empirisch unterlegt. Hier liegt sein Verdienst: Hattie legt eine Studie vor, in der zum ersten<br />

Mal zentrale Einflussfaktoren für den Lernerfolg von Schüler/innen bilanziert werden. Sie gibt zudem<br />

einen Überblick über die internationale Lehr- und Lernforschung wieder, die auf den bisher<br />

umfangreichsten Daten zur Unterrichtsforschung basiert – sie ist also mehr als eine Bilanz.<br />

Vieles, was Hattie über guten Unterricht ausführt, lässt sich mit dem kompetenzorientierten Unterricht<br />

und der Forderung nach individueller Förderung verbinden: Die Lehrkraft hat die Verantwortung<br />

für eine anspruchsvolle und herausfordernde Planung aus der Perspektive der Schüler/innen<br />

heraus, deren Feedback zum Unterrichts- und Lernprozess sie aktiv nachfragt. Zugleich unterstützt<br />

sie die Lernprozesse der Lernenden ihrerseits durch formatives Feedback Dieser Grundgedanke<br />

Hatties ist in den Bausteinen der Module für die Ausbildung von Lehramtsanwärtern ebenfalls verankert,<br />

sie greifen sogar weitere Aspekte auf, die in der Hattie-Studie nicht enthalten sind.<br />

Was die Qualitätsentwicklung von Schule betrifft, so sind nach Hattie Umstrukturierungen in der<br />

Schule notwendig, um den Reformprozess zu beginnen, was aber eine gründliche Vorbereitung<br />

bedarf und nicht zu schnell angegangen werden darf. Entscheidend ist die Unterstützung durch<br />

einen erweiterten Kreis angesehener Leitungspersonen („senior management“), die sich nicht in<br />

Rechtfertigungszwänge gedrängt fühlen dürfen bei der Entwicklung zu einer lernenden Schule.<br />

Seite 17


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Die Verfasser schließen sich den zusammenfassenden Aussagen von Lipowsky (teilweise verändert<br />

nach Lipowsky 23.11.2012) an:<br />

• Das Kerngeschäft des Unterrichts ist wichtiger als die Strukturmerkmale von Schule.<br />

• „What teachers do matters!“ bedeutet: Auf das Lehren einer Lehrkraft kommt es an.<br />

• Gute Lehrkräfte sehen durch die Augen ihrer Schüler (kognitive Empathie).<br />

• Lehrerlenkung und Selbststeuerung der Lernenden schließen sich nicht aus.<br />

• Wichtig sind kognitive Aktivierung und Feedback.<br />

• Wahlfreiheiten im Unterricht garantieren noch kein vertieftes Verständnis von Lernen; sie sollen<br />

mit Merkmalen lernwirksamen Unterrichts gekoppelt werden.<br />

Zudem bietet die Hattie-Studie Modellvorstellungen für einen Reformprozess zur Qualitätsentwicklung<br />

von Schule und Ausbildung.<br />

Die im Berliner Vorbereitungsdienst getrennten Module „Unterrichten“ und „Erziehen und Innovieren“<br />

scheinen angesichts der Aussagen Hatties ein wenig künstlich, da Unterrichten immer auch<br />

einhergeht mit Erziehen. Geht man von einer Kompetenzorientierung in der Ausbildung aus, so<br />

erscheinen die Module im Bereich „Erziehen und Innovieren“ nicht kumulativ, sondern vielleicht<br />

sogar additiv. Im Sinne Hatties erscheint eine Reflexion der inhaltlichen Ausrichtung und Gewichtung<br />

der Module und Bausteine wünschenswert, vor allem wenn Unterrichten und Erziehen nur<br />

schwer voneinander zu trennende Ebenen sind, bedingt die Ausbildung einer professionellen<br />

Lehrerpersönlichkeit auch den Aspekt des Erziehens. Angesichts der vielfältigen möglichen Inhalte<br />

der Bausteine der Module muss angesichts der anstehenden Verkürzung der Ausbildung für die<br />

Studienratslaufbahn darüber nachgedacht werden, ob nicht eine Fokussierung notwendig wird. Für<br />

diese kann die Hattie-Studie einige wegweisende Kriterien liefern.<br />

Literatur:<br />

1. Hattie, John:Visible Learning. New York/London 2009<br />

2. Hattie, John: Visible Learning for Teachers. Maximizing Impact on Learning. New York / Oxon<br />

2012<br />

3. Rolff, Hans-Günther: “Die Hattie-Studie: Ein Rorschach-Test”. In: Pädagogik, <strong>Heft</strong> 4 20<strong>13</strong>, S.<br />

46-49<br />

4. Dürr, Rolf: „Hausaufgaben ? Eine Kontroverse“. In: Pädagogik, <strong>Heft</strong> 3 20<strong>13</strong>, S. 22-23<br />

5. „Ich bin superwichtig“ in: Zeit-online vom 14.01.20<strong>13</strong>, http:// www.zeit.de /<br />

20<strong>13</strong>/02/Paedagogik-John-Hattie-Visible-Learning. Letzter Zugriff: 22.07.20<strong>13</strong>-07-23<br />

6. Prof. Dr. Köller, Prof. Dr. Olaf, Möller Jens: Was wirklich wirkt: John Hattie resümiert die<br />

Forschungsergebnisse zu schulischem Lernen. In: www.schulmanagement-online.de 2012.<br />

Letzter Zugriff: 22.07.20<strong>13</strong><br />

7. Klieme, Eckhard (2010): Individuelle Förderung. Politische Ziele – Pädagogische Konzepte-<br />

Empirische Befunde. Folienpräsentation zum Vortrag im Hessischen Kultusministerium am<br />

26.10.2010<br />

8. Lipowsky, Frank, Die Hattie-Studie und ihre Bedeutung für die Gestaltung wirksamer<br />

Lernumgebungen, Vortrag am Hartmann Gymnasium Eppingen, 23.11.2012<br />

9. Lipowsky, Frank: Mit den Augen der Lernenden, Amt für Lehrerbildung; Hessen Bildung<br />

bewegt Nr. <strong>13</strong>, Juni 2011<br />

10. Steffens, Ulrich; Höfer, Dieter, Was ist das Wichtigste beim Lernen? Die pädagogischkonzeptionellen<br />

Grundlinien der Hattieschen Forschungsbilanz aus über 50.00Studien, Beitrag<br />

für die Zeitschrift SchulVerwaltung, Ausgabe Hessen/Rheinland-Pfalz, 2011<br />

11. Höfer, Dieter und Steffens, Ulrich: Visible Learning for Teachers-Maximizing impact on<br />

learning. Zusammenfassung der praxisorientierten Konsequenzen aus der Forschungsbilanz<br />

von John Hattie “Visible Learning“, 26.09.2012<br />

12. Steffens, Ulrich: Visible learning, Betrachtungen zur Publikation von John Hattie, Amt für<br />

Lehrerbildung; Hessen in Bildung bewegt Nr.<strong>13</strong>, Juni 2011<br />

Seite 18


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

<strong>13</strong>. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Wien, Schulqualität, Allgemeinbildung, Die<br />

Hattie-Studie, Stand 27.08.2012<br />

14. Timperley,H. (2012), Realizing the power of professional learning, Maidenhead. Open<br />

University Press<br />

Roswitha Haase-Romeo, Leiterin des 4. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />

Roswitha Kneer-Werner, Leiterin des 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />

Von der Lehrerpersönlichkeit zu Expertise und Professionalität<br />

Anforderungen an die erste Ausbildungsphase<br />

„Frau Schmidt ist eine gute Lehrerin, denn sie besitzt eine natürliche Autorität“ – eine immer wieder<br />

geäußerte Feststellung, die letztlich auf die folgende Kernaussage hinausläuft: „Auf die Persönlichkeit<br />

des Lehrers oder der Lehrerin kommt es an“! Beide Aussagen suggerieren, dass es angeborene<br />

oder zumindest früh erworbene und unveränderbare Persönlichkeitsmerkmale gibt, von<br />

denen Bildungs- und Unterrichtsqualität in hohem Maße abhängig sind. Im Folgenden soll es nicht<br />

in erster Linie um die sehr interessante Frage gehen, wie es gerade in Bezug auf den Lehrerberuf<br />

zu dieser breiten Übereinstimmung kommen konnte (würde man bei Medizinern, Architekten und<br />

Piloten auch zu diesem simplen Fazit kommen?), sondern es soll um Alternativen zu der o.g. Auffassung<br />

gehen, die durch zwei Zugänge der aktuellen Lehrerforschung vertreten werden: Expertiseforschung<br />

(Berliner 2001) und Professionsforschung (Combe & Helsper 1996). Beide Ansätze<br />

werden zunächst in zugespitzter Weise als Kontrast zum Ansatz der Lehrerpersönlichkeit und im<br />

Hinblick auf Schlussfolgerungen für die erste Phase der Lehrerbildung skizziert, um abschließend<br />

darauf einzugehen, dass die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit von den beiden Ansätze keineswegs<br />

ignoriert sondern als wichtiger Aspekt aufgegriffen wurde.<br />

Expertise statt Lehrerpersönlichkeit<br />

Ziel der Experten- und Unterrichtsforschung ist es, konkrete Elemente des Wissens, Könnens und<br />

Handelns von Lehrkräften zu identifizieren, die sich empirisch nachweisbar auf die Qualität des<br />

Unterrichts und den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern auswirken. Was z.B. der Ansatz der<br />

Lehrerpersönlichkeit als „natürlichen Autorität“ bezeichnen würde, erfasst die Forschung zum<br />

Klassenmanagement (vgl. als Überblick Ophardt & Thiel 20<strong>13</strong>) als ein umfassendes Spektrum<br />

unterschiedlicher Strategien, die von erfolgreichen Lehrkräften im Unterricht eingesetzt werden,<br />

um Unterrichtsstörungen zu minimieren. Zu diesen Strategien gehören das kontinuierlich mitlaufende<br />

Monitoring des Aufmerksamkeitsverhaltens, Techniken der Gruppenaktivierung, die Steuerung<br />

des Verhaltens durch klare Handlungsprogramme, ein vielfältiges Repertoire an Signalen und<br />

effiziente Zurechtweisungen sowie ein auf die jeweilige Lerngruppe abgestimmtes und gezielt<br />

etabliertes System von Prozeduren, Regeln und konsequent eingesetzten Sanktionen.<br />

Aber – so könnte man fragen – handelt es sich bei den genannten Strategien nicht einfach nur um<br />

die differenzierte Beschreibung der „natürlichen Autorität“, muss man nicht doch dazu geboren<br />

sein, mit einer Gruppe von Lernenden in der beschriebenen Art und Weise umzugehen? Nein!<br />

Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass Strategien des Klassenmanagement durch entsprechende<br />

Lernarrangements vermittelt und verbessert werden können. Schlussfolgerung für die<br />

erste Ausbildungsphase: Anstatt Lehramtsstudierende mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit<br />

„natürlicher Autorität“ zu verunsichern und möglicherweise darauf bezogene Grübeleien zu initiieren<br />

(„habe ich nun genug Autorität oder nicht“?) ist es sinnvoller dafür zu sorgen, dass Studierende<br />

Strategien des Klassenmanagements kennen und verstehen und dass sie Gelegenheiten erhalten,<br />

Seite 19


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

diese zu erproben (so z.B. durch kurze Rollenspielübungen, die anschließend analysiert werden),<br />

um sie im Referendariat zu erweitern und zu festigen. Dies ist nur ein Beispiel, das sich selbstverständlich<br />

problemlos auf andere Bereiche der Expertise, insbesondere auf die fachdidaktischen<br />

Kompetenzen übertragen lässt.<br />

Professionalität statt Lehrerpersönlichkeit<br />

Die Professionsforschung geht davon aus, dass es nicht der Unterricht ist, der die Kernanforderung<br />

an Lehrkräfte darstellt, sondern die Tatsache, dass der Lehrerberuf durch einen besonderen<br />

gesellschaftlichen Auftrag (Vermittlung des existenziellen Zentralwerts Bildung) bestimmt ist, der<br />

von den Professionellen eine besondere Verantwortung für die ihm anvertrauten „Klienten“ (im<br />

Falle des Arztberufs die Patientinnen und Patienten, im Falle der Lehrkraft die Schülerinnen und<br />

Schüler) mit sich bringt. Im Unterschied zu anderen Berufen, bei denen es etwa um den Verkauf<br />

von Waren geht, kann der Professionelle den Auftrag nur erfüllen, indem er ein „Arbeitsbündnis“<br />

etabliert, in dessen Rahmen bei dem Schüler bzw. Patienten Lern- bzw. Gesundungsprozesse initiiert<br />

werden. Dieses Arbeitsbündnis setzt zum einen ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen,<br />

gegenseitiger Wertschätzung sowie ein persönliches Sich-Einlassen der Akteure voraus, zum anderen<br />

müssen Beide in der Lage sein, im Einklang mit den Anforderungen der institutionell vorgegebenen<br />

Rollen zu handeln (dazu gehört z.B., dass Schülerinnen und Schüler durch Lehrkräfte<br />

bewertet und sanktioniert werden).<br />

Studien der Professionsforschung haben immer wieder gezeigt, dass diese Herstellung einer Balance<br />

zwischen Person und Rolle sehr voraussetzungsreich ist und dass sich gerade angehende<br />

Lehrkräfte häufig über einen längeren Zeitraum intensiv mit den als gegensätzlich erlebten Anforderungen<br />

auseinandersetzen, bevor sie einen Weg für sich finden, Person und Rolle zu vereinbaren.<br />

Für bestimmte Bereiche des Klassenmanagements gilt dies in besonders hohem Maße: gerade<br />

der Umgang mit Konflikten, die Einführung und Durchsetzung von Regeln und das Intervenieren<br />

durch Zurechtweisungen und Tadel stehen in einem Spannungsverhältnis zu der Anforderung,<br />

ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zu etablieren. Der Professionsansatz geht davon aus, dass<br />

dafür ein „professionelles Ethos“ erforderlich ist und dass dies nicht nur eine Frage individueller<br />

Entwicklungsprozesse ist, sondern auch maßgeblich durch die Profession gerahmt wird, d.h. durch<br />

Austausch, Unterstützung, aber auch gegenseitige Kontrolle auf der kollegialen Ebene der Organisation<br />

wie auf der Ebene des Berufsstands. Schlussfolgerung für die erste Ausbildungsphase: die<br />

Spannung zwischen Person und Rolle („I want to be nice, but I have to be mean“, Weinstein 1998)<br />

sollte in geeigneter Form zum Thema gemacht werden – vielfach geschieht dies in Zusammenhang<br />

mit dem ersten berufsfelderschließenden Praktikum. So kann z.B. bereits im Vorbereitungsseminar<br />

durch die Diskussion von Fallbeispielen die Reflektion des Themas angeregt werden, um<br />

dies im Rahmen der Auswertung der Praktikumserfahrungen ausführlich aufzugreifen.<br />

Lehrerpersönlichkeit als Teil von Expertise und Professionalität<br />

Auch wenn der Fokus der Expertise- und Professionsforschung gerade nicht auf der Erfassung<br />

von Persönlichkeitsmerkmalen als Voraussetzung erfolgreichen beruflichen Handelns liegt, so<br />

kommt auch hier der Lehrerpersönlichkeit eine wichtige Funktion zu. Personale Faktoren wie<br />

emotionale Stabilität, internale Kontrollüberzeugungen, Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit<br />

werden bei vielen Lehrerforschungsstudien mit erfasst und erweisen sich durchaus als bedeutsam<br />

für den Umgang mit beruflichen Anforderungen. So konnte in der Studie von Klusman et al (2006)<br />

gezeigt werden, dass der „Gesundheitstyp“ (hohe Ausprägung von Perfektionsstreben, Ausgeglichenheit,<br />

Problembewältigung sowie niedrige Ausprägung von Resignationstendenz) im Unterschied<br />

zu den anderen drei Typen des Stresserlebens durch hohe Werte in bestimmten Bereichen<br />

der Unterrichtsqualität gekennzeichnet ist, so insbesondere bei der Sozialorientierung (a.a.O., S.<br />

169). Daraus ließe sich jedoch nicht der Schluss ziehen, personale Faktoren als hinreichende Voraussetzung<br />

oder gar zur Prognose von Eignungsfeststellungen heranzuziehen: Der Gesund-<br />

Seite 20


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

heitstyp hat günstige Voraussetzungen für die Bewältigung von Anforderungen in sehr vielen unterschiedlichen<br />

Berufen, wird jedoch nicht automatisch ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin.<br />

Aus der Perspektive des Expertenansatzes hat die Persönlichkeit insofern eine wichtige Funktion,<br />

als durch sie die Konkretisierung von Prinzipien erfolgreicher Praxis bestimmt wird. Ein Beispiel:<br />

Guter Unterricht setzt gutes Klassenmanagement voraus, aber wie Regeln mit der Schulklasse<br />

vereinbart werden und wie es gelingt, Zurechtweisungen so zu formulieren, dass der Unterrichtsfluss<br />

und das Arbeitsbündnis nicht beeinträchtigt werden (mit Humor, Enthusiasmus, Lob usw.),<br />

kann individuell sehr verschieden sein – und das sollte bereits Studierenden vermittelt werden,<br />

indem man z.B. Videoaufnahmen unterschiedlicher Fallbespiele analysiert. Aus der Perspektive<br />

der Professionsforschung ist die Person der Lehrkraft essentiell, denn nur das Ausbalancieren von<br />

Person und Rolle, also das Einbringen der eigenen Person bei gleichzeitigem Handeln im Rahmen<br />

der institutionell definierten Rolle ermöglicht ein professionelles Arbeitsbündnis.<br />

Abschließend sei noch eine kurze Hypothese erlaubt zu der eingangs angerissenen Frage, warum<br />

es in Bezug auf die Einschätzung „Auf die Lehrerpersönlichkeit kommt es an“ eine so breit geteilte<br />

Übereinstimmung gibt. Das Wesentliche der Expertenperformanz ist für den Laien vielfach „unsichtbar“.<br />

Laien (wie auch Lehramtsstudierende am Beginn ihres Studiums) sehen nicht, dass eine<br />

erfolgreiche Lehrkraft, während sie eine Aufgabe erklärt, genau wahrnimmt, welche Schülerinnen<br />

und Schüler nicht „on task“ sind und welche unterschiedlichen Strategien (Positionierung im Raum,<br />

Blickkontakt, Einsatz von Signalen, Gesten, Sprechpausen) hier in beiläufiger Form zum Einsatz<br />

kommen, um die Aufmerksamkeit zu sichern. Da die Wahrnehmung relevanter Merkmale der Situation<br />

vielfach für den Laien schwierig ist, bleibt nur das Ausweichen auf Oberflächenmerkmale<br />

oder sehr allgemeine Merkmale wie „Persönlichkeit“.<br />

Für die erste Ausbildungsphase erscheint es vor dem Hintergrund der oben referierten Befunde<br />

zum einen wichtig, der allgemein verbreiteten Überbewertung der Lehrerpersönlichkeit eher entgegenzutreten<br />

und die Studierenden davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, sich intensiv mit den<br />

Anforderungen des Lehrerberufs auseinanderzusetzen und eine lernende Haltung zum Beruf einzunehmen.<br />

Zum anderen sollte auch die erste Ausbildungsphase damit beginnen, die Studierenden<br />

darin zu unterstützen, ein professionelles Ethos zu entwickeln und sich als Teil einer Profession<br />

zu verstehen.<br />

Literaturhinweise:<br />

Berliner, D.C. (2001). Learning about and learning from expert teachers. Journal of Educational<br />

Research 35, S. 463-482.<br />

Combe, A. & Helser, W. (1996) (Hg.): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus<br />

pädagogischen Handelns. Frankfurt a.M..<br />

Klusmann, U., Kunter, M, Trautwein, U., Baumert, J. (2006): Lehrerbelastung und Unterrichtsqualität<br />

aus der Perspektive von Lehrenden und Lernenden. In: Zeitschrift für Pädagogische<br />

Psychologie, 20 (3), S. 161-173.<br />

Ophardt, D. & Thiel, F. (20<strong>13</strong>): Klassenmanagement. Ein Handbuch für Studium und Praxis.<br />

Stuttgart.<br />

Weinstein, C. S. (1998): “I want to be nice, but I have to be mean": Exploring prospective teachers'<br />

conceptions of caring and order. Teaching and Teacher Education, 14(2), 153-163.<br />

Dr. Diemut Ophardt<br />

Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung, Freie Universität Berlin<br />

Seite 21


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Lehramtsanwärter und -anwärterinnen der Sonderpädagogik<br />

auf dem Weg zum professionellen Handeln in Unterricht und<br />

Schule<br />

1. Rechtliche Grundlagen und Ableitung des Ausbildungsauftrages für die 2. Phase<br />

der Lehrerbildung<br />

Laut Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011 „Inklusive Bildung von Kindern und<br />

Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ werden die Anforderungen einer erfolgreichen Bildung<br />

und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen wie folgt beschrieben:<br />

„Nach dem Verständnis der Behindertenrechtskonvention gehören zu den Menschen mit Behinderungen<br />

Kinder und Jugendliche, die langfristige körperliche, seelische, geistige Beeinträchtigungen<br />

oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren<br />

an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. ...<br />

(S. 6)<br />

"Für den schulischen Bereich (betrifft dies) Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder chronischen<br />

Erkrankungen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ebenso wie Kinder und Jugendliche<br />

mit sonderpädagogischem Förderbedarf ...“ (S. 6)<br />

Unabhängig von der Art und dem Grad der Behinderung ist es das Ziel der pädagogischen Unterstützung,<br />

dem Kind oder Jugendlichen mit Behinderung eine optimale Form der selbstbestimmten<br />

Lebensführung zu ermöglichen und die persönliche Entscheidungskompetenz zu stärken.“(S.8)<br />

Weiter heißt es:<br />

„Die Lehrkräfte haben die Aufgabe, gemeinsam mit den jungen Menschen und ihren Eltern sowie<br />

unter Einbindung sonstiger Unterstützungskräfte, die in den Lehrplänen beschriebenen Ziele und<br />

Kompetenzen mit den individuellen Bildungs- und Entwicklungszielen auch unter Einsatz von Unterstützungsmaßnahmen<br />

zu verknüpfen. Dabei werden die Inhalte und Formen des gemeinsamen<br />

sowie des individuellen schulischen Lernens festgelegt.“ (S. 8)<br />

Der Auftrag der Kultusministerkonferenz spiegelt sich in Berlin in entsprechenden gesetzlichen<br />

Regelungen des Berliner Schulgesetzes und in Verbindung mit auf dieser Grundlage erlassenen<br />

Verordnungen einerseits und andererseits den ebenfalls von der KMK entwickelten Standards für<br />

die Lehrerbildung wider.<br />

Im Bereich der Sonderpädagogik haben die Schulpraktischen Seminare in Berlin die aus diesen<br />

Quellen folgenden Leitgedanken für die schulpraktische Ausbildung weiter spezifiziert.<br />

Unsere Anliegen sind<br />

• die begleitende Ausbildung von handlungskompetenten Lehrerinnen und Lehrern für<br />

Sonderpädagogik, die die Herausforderungen ihres Tätigkeits- und Aufgabenfeldes erkennen,<br />

sich mit ihnen im Interesse der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen aktiv auseinandersetzen,<br />

sie fachlich und menschlich kompetent bewältigen und darüber hinaus das Tätigkeitsund<br />

Aufgabenfeld engagiert weiterentwickeln<br />

• eine kritisch, unterstützende Funktion der Ausbilderinnen und Ausbilder, die die professionelle<br />

Entwicklung der Lehramtsanwärter und -anwärterinnen begleiten und helfen, Entwicklungspotenziale<br />

zu erkennen und zu nutzen.<br />

2. Entwicklung von Handlungskompetenz<br />

2.1. Voraussetzungen<br />

Folgende Fähigkeiten tragen aus meiner Sicht grundlegend zum Aufbau von professioneller sonderpädagogischer<br />

Handlungskompetenz bei:<br />

Seite 22


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

• eine grundsätzlich positive Erwartungshaltung der Lehrkräfte an die Lern,- Leistungs- und<br />

Handlungsfähigkeit der anvertrauten Schüler und Schülerinnen,<br />

• hohe und kontinuierliche Achtsamkeit verbunden mit einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen<br />

gegenüber den Kind und Jugendlichen.<br />

• sensibles Wahrnehmen von Veränderungsprozessen bei den Kindern und Jugendlichen (z. B.<br />

beginnende Unruhe/ plötzlich erhöhter Muskeltonus / Konzentrationsabfall),<br />

• das Wahrnehmen und der Ausdruck von Wertschätzung hinsichtlich individueller Lernfortschritte<br />

der Schüler und Schülerinnen,<br />

• Mut, Kreativität und Geduld sowie<br />

• jederzeitige Bereitschaft zur regelmäßigen fachlichen Reflexion des eigenen pädagogischen<br />

Handelns<br />

Darüber hinaus sind folgende Aspekte neben der theoriegeleiteten langfristigen Planung, Durchführung<br />

und Reflexion von Unterrichtsinhalten von wesentlicher Bedeutung:<br />

• eine systematische kriterienorientierte Beobachtung von Schülerverhalten in Wechselwirkung<br />

mit dem schulischen Umfeld,<br />

• die Fähigkeit zur systematischen Beschreibung, Analyse und fachkompetenten Bewertung des<br />

Bedingungsfeldes des Kindes (Kind- Umfeld-Analyse),<br />

• die Fähigkeit, Phänomene, die das Kind oder der Jugendliche in der Schule zeigt,<br />

mehrperspektivisch zu betrachten (aus der Sicht des Kindes/ der Mitschüler/ der Familienmitglieder/<br />

etc.),<br />

• daraus abgeleitet, die Fähigkeit des hypothesengeleiteten, diagnostischen Vorgehens auf der<br />

Grundlage von gesichertem Theoriewissen (z.B. standardisierte und informelle Diagnostik,<br />

umfassende Lernstandserhebung),<br />

• die Ableitung von individuellen behinderungsspezifischen didaktischen, methodischen, medialen<br />

und personalen Entscheidungen im Unterricht,<br />

• die Entwicklung einer lang-, mittel-, und kurzfristigen Förderplanung für das Kind oder den Jugendlichen<br />

auf der Grundlage diagnostischer Erkenntnisse und unterrichtlicher Erfahrungen.<br />

2.2. Ausbildungsbedingungen und organisatorische Voraussetzungen in der schulpraktischen<br />

Ausbildung der Sonderpädagogik in Berlin<br />

Eine Voraussetzung der Entwicklung von Handlungskompetenz besteht in der regelmäßigen reflexiven<br />

Auseinandersetzung mit herausfordernden Situationen im Schulalltag unter Einbeziehung<br />

fachlich fundierter Wissensbestände. Hierbei ist die Orientierung an pädagogischen Vorbildern bedeutsam,<br />

die mit ihrem reichen Erfahrungsschatz im Unterricht professionell handeln und Sicherheit<br />

ausstrahlen. Die zweite Voraussetzung besteht in der Anforderung, erlebte Schulsituationen<br />

mit Ausbildern und Ausbilderinnen theoriegeleitet und praxisorientiert zu reflektieren.<br />

Die schulpraktische Ausbildung der Sonderpädagogik in Berlin erfolgt in vielfältigen Organisationsformen:<br />

• in Schulen mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkten<br />

• in sonderpädagogischen Einrichtungen<br />

• im gemeinsamen Unterricht<br />

• in integrativen Klassen<br />

• in der Grundschule in temporären Kleinklassen mit sonderpädagogischer Orientierung<br />

• in von der Schulaufsicht zu genehmigenden sonderpädagogischen Kleinklassen für Kinder mit<br />

festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf „Lernen“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“<br />

in Verbindung mit dem Besuch einer Tagesgruppe<br />

Hierbei ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Ausbilder und Ausbilderinnen die unterschiedlichen<br />

Ausbildungsbedingungen in den Schulen bezogen auf den Umgang mit Kindern und Jugendlichen<br />

mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigen und gemeinsam mit den<br />

Seite 23


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Lehramtsanwärtern und -anwärterinnen gezielt individuelle Ausbildungsschwerpunkte festlegen,<br />

um ein sicheres Wissensfundament und die Anwendung im Unterricht zu ermöglichen.<br />

Neben der Ausbildung in Schulen mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkten kann z. B. der<br />

Klassenunterricht im Teamteaching im gemeinsamen Unterricht Ausbildungsschwerpunkt sein. Auf<br />

der Grundlage vorhandener struktureller und personeller Voraussetzungen wird für eine gesamte<br />

Klasse mit Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf in unterschiedlichen Bereichen<br />

Unterricht geplant, durchgeführt und reflektiert. Die Berücksichtigung behinderungsspezifischer<br />

Bedürfnisse und der Abbau von Barrieren finden auf der Grundlage einer aussagekräftigen<br />

Schülerbeschreibung mit Ableitung von passgenauen didaktischen, methodischen, medialen und<br />

personellen Entscheidungen statt.<br />

Es kann jedoch auch der konzeptionelle Aufbau einer temporären jahrgangsübergreifenden Kleinklasse<br />

mit sonderpädagogischer Prägung im Mittelpunkt der Ausbildung stehen.<br />

Auf diesem anspruchsvollen Weg benötigen die Lehramtsanwärter und -anwärterinnen als Lernende<br />

eine auf Vertrauen und Akzeptanz basierende kompetente Begleitung in der Ausbildung,<br />

um ihre neu erworbenen Kompetenzen anwenden zu können. In diesem Prozess ist es auch wichtig,<br />

geglückte wie auch weniger geglückte Unterrichtssituationen als Chance für die Entwicklung<br />

von Kompetenzen zu erkennen und zu nutzen.<br />

3. Konsequenzen für die schulpraktische Ausbildung<br />

• Die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen bieten die Grundlage für die<br />

unterrichtlichen Entscheidungen.<br />

• Die jeweiligen Ausbildungsbedingungen in den unterschiedlichen Organisationsformen<br />

sonderpädagogischer Förderung finden Berücksichtigung bei der individuellen Beratung.<br />

• Die Lehramtsanwärterinnen und -anwärter sind wesentliche Akteure ihrer Ausbildung und<br />

gestalten die Ausbildungsschwerpunkte aktiv mit.<br />

• Dabei übernehmen die Ausbilderinnen und Ausbilder eine kritisch begleitende und unterstützende<br />

Funktion. Sie begleiten die professionelle Entwicklung der Lehramtsanwärter und -anwärterinnen<br />

und helfen, individuelle Kompetenzen, Ressourcen und Entwicklungspotenziale zu<br />

erkennen und zu nutzen.<br />

• Lehramtsanwärter und -anwärterinnen erproben sich auf der Grundlage der oben genannten<br />

Aspekte und erweitern ihr fachliches, pädagogisches und therapeutisches Wissen.<br />

4. Fazit und Ausblick<br />

Professionalität bedeutet, für Ausbilder und Ausbilderinnen wie auch für Lehramtsanwärter und –<br />

anwärterinnen gleichermaßen sich mit laufenden Veränderungsprozessen des Schulalltages auseinanderzusetzen<br />

und sich an diesen Bedingungen ausgerichtet ständig neu zu orientieren.<br />

Die Lehramtsanwärter und -anwärterinnen sollten in diesem Prozess ermutigt werden, Entscheidungen<br />

im Unterricht zu erproben sowie Erkenntnisse, die auf langjähriger Erfahrung und fachlicher<br />

Kompetenz basieren, mit neueren Lehrmeinungen abwägend zu vergleichen. Entscheidend<br />

sollte hierbei sein, im Ergebnis insbesondere Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen dauerhaft<br />

gerecht zu werden.<br />

Das spricht auch für die Mischung aus erfahrenen und jungen Ausbildern und Ausbilderinnen, die<br />

sich im wertschätzenden kollegialen fachlichen Austausch fort- und weiterbilden. Die Planung und<br />

Durchführung gemeinsamer Seminarsitzungen, gemeinsame Unterrichtshospitation und Beratung<br />

können Ausgangspunkt wichtiger Impulse für das pädagogische Handeln der Lehramtsanwärter<br />

und -anwärterinnen auf dem Weg zu einer Professionalisierung sein, die von folgendem Leitgedanken<br />

geprägt sein sollte:<br />

Seite 24


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Nur die Lehrkräfte, die bereit sind, sich im Laufe ihres Berufslebens immer wieder neu dem Prozess<br />

der Professionalisierung zu stellen, werden langfristig in der Lage sein, eine Lehrerpersönlichkeit<br />

zu entwickeln, die dem unter Ziffer 1 beschriebenen Bildungsauftrag der Kultusministerkonferenz<br />

aus dem Jahr 2011 gerecht wird.<br />

Literatur:<br />

„Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ KMK Empfehlungen<br />

2011<br />

Schulgesetz von Berlin 28.06.2010<br />

SopädVO, GsVO, Sek- I- VO, VO-GO vom 01.08.2012<br />

Handbuch Vorbereitungsdienst - Bildung für Berlin 2012<br />

Höfer D./Steffens: Visible learning for teachers - Maximizing impact on learning - Zusammenfassung<br />

der praxisorientierten Konsequenzen aus der Forschungsbilanz von John Hattie – 2012<br />

http://www.zeit.de/ 20<strong>13</strong>/02/Paedagogik-John-Hattie-Visible-Learning/komplettansicht Spiewak,M.:<br />

Ich bin superwichtig<br />

Feiks/ Krauß: Professionell handeln, erziehen, unterrichten, Klett 2001<br />

Tietze, K., Kollegiale Beratung - Problemlösungen gemeinsam entwickeln, Ro Ro Ro 2003<br />

Mutzeck, W.: kooperative Beratung Beltz Verlag, 2008<br />

Orth G./ Fritz.H., Gewaltfreie Kommunikation in der Schule, Junfermann 20<strong>13</strong><br />

Angelika Granzow-Seidel,<br />

Leiterin des 6. Schulpraktischen Seminars Friedrichshain-Kreuzberg (L)<br />

Lehrerpersönlichkeit und Ausbildung<br />

Im Rahmen der Veranstaltungen des Allgemeinen Seminars wird eine Video-Aufzeichnung eingesetzt,<br />

die Folgendes zeigt: Einzeln und der Reihe nach betreten Lehramtsanwärter einen Raum<br />

und sprechen die ersten einleitenden Sätze für einen fiktiven Unterrichtsbeginn. Da alle denselben<br />

Weg zurücklegen (sie öffnen die Tür von außen, schließen sie und gehen – nun variabel – an die<br />

Tafel, hinter den Lehrertisch oder vor den Lehrertisch), ist es frappierend zu sehen, welche Unterschiede<br />

sich beim Betrachter im Wahrnehmungsbild dennoch abzeichnen. Da gibt es die sachlich<br />

Orientierten und die Abschweifenden, die Leisen und die Polternden, die Verkrampften und die<br />

gespielt Lockeren, die Offenen und die sich Versteckenden, die Witzigen und die Humorlosen usw.<br />

Erstaunlich, was die Betrachter alles herausfinden. Sie sehen, wer die Arme verschränkt, wer sich<br />

von der Klasse (die nicht vorhanden ist) abwendet, wer in seiner Tasche kramt, wer sich am Tisch<br />

festhält usw. Dann wird es heikel: Wer ist sympathisch? Wer hat vermutlich Disziplinschwierigkeiten<br />

in seinen Klassen? Mit ziemlich klarer Sicht auf die Dinge treten die Lehramtsanwärter in die<br />

Diskussion ein.<br />

Dabei drängt sich die Frage auf, ob die Urteilenden die getroffenen Feststellungen und Erkenntnisse<br />

darüber, was günstig und was ungünstig wirkt, auch auf sich selbst beziehen oder nicht. Dies<br />

ist übrigens eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Seminararbeit. Vieles kann<br />

intellektuell erfasst, aber noch lange nicht überzeugend auf das eigene Handeln bezogen werden.<br />

Das genannte Video-Beispiel zeigt aber noch mehr. Es kann sachanalytisch wirken, indem mit ihm<br />

das Feld der Aspekte der Lehrerpersönlichkeit entfaltet wird. Eine erste Frage wäre, wie die Begriffe<br />

Lehrerpersönlichkeit und Lehrerrolle zusammenhängen. Damit liegt das Problem der Behandlung<br />

der Thematik im Seminar offen. Einige Anmerkungen mögen die verwickelte Lage verdeutlichen:<br />

1. Die Lehrerpersönlichkeit ist zunächst einmal eine Personeneigenschaft aufgrund einer<br />

bestimmten, mehr oder weniger festliegenden Merkmalskombination, die Lehrerrolle hingegen<br />

Seite 25


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

kann als ein Wunsch oder als eine Erwartung beschrieben werden – in der stillschweigenden<br />

Annahme, durch Lernen könnten diese erfüllt werden.<br />

2. Die Persönlichkeit besteht aus einer Merkmalskombination verschiedenster Ausrichtung, mit<br />

Bildung einer Lehrerpersönlichkeit sind aber nur positiv besetzte Eigenschaften gemeint.<br />

3. Die eingenommene oder einzunehmende Lehrerrolle ist durch die jeweilige Persönlichkeit<br />

determiniert, weshalb Ist-Zustand und Soll-Zustand nur schwer anzunähern sind.<br />

4. Der Begriff des Typus erschwert die Übersicht und ist kaum einzuordnen, wohl aber<br />

allgegenwärtig (Typ des „Naturwissenschaftlers“, Typ des „Geisteswissenschaftlers“; vgl. Kubli<br />

1987, S. 146 ff.).<br />

5. Es bleibt unklar, zu welcher Persönlichkeit sich jemand entwickeln soll.<br />

6. Ähnliches gilt für den Begriff des Lehrerverhaltens.<br />

7. Die Lehrerrolle selbst ist nicht normiert, sondern nur allgemein umrissen bzw. von den<br />

Berufserfordernissen geprägt.<br />

8. Es besteht die Gefahr der Verwechselung mit einem Aufgabenkatalog für Lehrkräfte.<br />

9. Die Lehrerpersönlichkeit ist nicht wie eine glatte Kugel zu denken, sondern eher wie eine verwachsene<br />

stachelige Frucht. Wer eine Elternversammlung nicht ordentlich koordinieren kann,<br />

kann dennoch ein begnadeter Erzieher sein.<br />

10. Wenn man tatsächlich auf die Lehrerpersönlichkeit Einfluss nehmen kann, so ließe sich der<br />

Erfolg kaum Wochen später ablesen. Persönlichkeitsentwicklung kann nicht programmatisch<br />

behandelt werden.<br />

11. Der Lehrerpersönlichkeit kann kaum mit Mitteln der Seminarausbildung begegnet werden, da<br />

hier psychologisches Gebiet zu betreten wäre, wofür es weder eine Berechtigung, noch eine<br />

Ausbildung und schon gar keine Wertenormierung geben kann. Einen guten Überblick über die<br />

Facetten des Persönlichkeitsbegriffes liefern Zimbardo/Gerrig 2008.<br />

Im Zusammenhang mit Punkt 4 sei daran erinnert, dass Zwettler-Otte geradezu karikaturhaft Lehrertypen<br />

vorgestellt hat, etwa den Weltreisenden, den Altruisten, den Schülerfreund, den Gesetzestreuen<br />

oder den Prüden (viele weitere). Ihre Züge treten skizzenhaft in Gesamtkonferenzen<br />

zutage. In Seminarveranstaltungen längst vergangener Jahre wurden diesbezüglich auch einige<br />

Lehrertypen der Feuerzangenbowle begutachtet: die Vergeistigten, die (scheinbar) Vertrottelten,<br />

die Schein-Modernen usw. Das unter 6 genannte Lehrerverhalten kann grob begriffen werden als<br />

die konkretisierte Ausdrucksform des Filters von Persönlichkeit und Rollenauffassung. Von diesem<br />

sichtbaren Verhalten her wird nicht selten auf die Persönlichkeit und die Rolleninternalisierung geschlossen,<br />

was zu schweren Fehleinschätzungen führen kann. Persönlichkeit und Typus sind dem<br />

Rollentragen vermutlich vorrangig. Das Schemabild soll verdeutlichen, wie die Begrifflichkeiten in<br />

ihrem Zusammenhang gedacht werden könnten, wobei die Scheiben mehr oder weniger ineinandergeschoben<br />

vorstellbar sind.<br />

LEHRER<br />

Verhalten<br />

Verhalten<br />

Rolle<br />

Typ<br />

Persönlichkeit<br />

Was kann zum näheren Begriffskern der „Lehrerpersönlichkeit“ zählen? Erst wenn dies in etwa<br />

umrissen ist, kann versucht werden, die daraus folgenden Notwendigkeiten auf die Ausbildung zu<br />

beziehen bzw. festzustellen, was davon umsetzbar sein könnte und was nicht. Sacher (1980, S.<br />

38) hat einmal festgestellt: „Persönlichkeit ist der Mensch, soweit er sich bemüht, das zu werden,<br />

was er als Person zunächst nur als Möglichkeit und Aufgabe vor sich hat.“ Was mit Lehrerpersön-<br />

Seite 26


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

lichkeit zu tun hat, liegt –so sagt er– jenseits des reinen Unterrichtshandwerks. Die Persönlichkeit<br />

entfaltet ihre Bedeutsamkeit in erster Linie auf dem Felde der Erziehung, bei der es nicht wertneutral<br />

zugehen kann. Damit verbunden ist gleichzeitig die permanente Rückfrage des Lehrers an sich<br />

selbst nach dem begründbaren Richtig oder Falsch. Es muss aber für den Lehrer etwas Spezifisches<br />

hinzutreten, sonst hätte er zwar Persönlichkeit, wäre aber, auch wenn er das Handwerkliche<br />

beherrschte, noch keine Lehrerpersönlichkeit. Das Spezifische ist die dem Berufsfeld zuzumessende<br />

Erwartung an ein bestimmtes So-sein-Sollen. Dieses wiederum hat Gröschel (1980, S. 106)<br />

in zwölf Kategorien dargelegt: gewissenhaft, sorgfältig und gründlich; fleißig; verständnis- und taktvoll;<br />

kindgemäß; organisationsgewandt; humorvoll und gelöst; aktiv und engagiert; sicher, bestimmt<br />

und konsequent; planmäßig und zielbewusst; motivierend und innovierend; kollegial und<br />

kooperationsbereit sowie sprachgewandt. Damit liegt eine Art Entwicklungskette vor, die man in<br />

etwa wie folgt skizzieren könnte: Mensch – Person – Persönlichkeit – Rollenträger – Leistungserbringer<br />

– Ausdruck im Verhalten. Ausbildung versucht, damit vermutlich im Bereich zwischen Persönlichkeit<br />

und Rollenträger anzusetzen, kann letztlich aber nur über das Lehrerverhalten agieren.<br />

Die entscheidende Frage liegt sogleich auf der Hand: Soll Ausbildung eine Persönlichkeit formen?<br />

Wenn ja, ist sie dazu tatsächlich in der Lage und in welche Richtung sollte das gehen – und worin<br />

bestünde die Legitimation?<br />

Vergleicht man die Punkte von Gröschel mit den Kategorien der AV Lehrerbeurteilung (AV LB vom<br />

12.7.2010, zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.6.2012; siehe dazu Informationsschreiben<br />

der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 8.1.20<strong>13</strong>), so lassen sich davon<br />

nur Teile wiedererkennen, was vermutlich nicht nur im Zeitverlauf von mehr als dreißig Jahren<br />

liegt. Insbesondere in den Punkten 3.4 bis 3.6 der AV gibt es aber Annäherungen zwischen beiden<br />

Katalogen. Der entscheidende Satz der AV lautet dabei: „Die Lehrkraft lässt durch ihr Verhalten<br />

erkennen, dass sie die Aufgabe der Erziehung der Schüler/-innen als wichtigen Bestandteil der<br />

eigenen Berufstätigkeit wahrnimmt.“ Leider hat man den Eindruck, dass heute völlig unklar ist, was<br />

„Erziehung“ meint. Es besteht wohl auch ein Missverständnis dahingehend, dass nur dann erzogen<br />

werden könnte, wenn sich alle Beteiligten darüber geeinigt hätten, wozu erzogen werden soll<br />

und wie man das zu tun hätte, also wenn man eine Art verbindlichen Katalog vorlegen könnte. Zudem<br />

kann man zu erkennen geben, dass man sich einer Sache bewusst ist – ohne die entsprechenden<br />

Merkmale auszuprägen.<br />

Weiterhin kann zum Persönlichkeitsfeld die Beurteilungskategorie gerechnet werden: „ [Die Lehrkraft]<br />

hält die Balance zwischen Nähe und Distanz gegenüber den Schülern …“ sowie: „ … vermittelt<br />

und kontrolliert die Regeln des Zusammenlebens, die sie als Vorbild praktiziert.“ Man<br />

möchte sich gar nicht weiter vorstellen, was die volle Bedeutung des letzten Satzes ist, sowohl von<br />

der Forderung her als auch von der Umsetzung in der Wirklichkeit. Die Vorstellung eines Vorbildes<br />

kann allein dem gehorchen, was verbreitet, aber nicht verbindlich, unausgesprochener Konsens<br />

ist, das, was die meisten für angemessen, vernünftig, vertretbar usw. halten. Verkürzt ausgedrückt<br />

bedeutet dies aber leider nur: Vorbild ist, wer das erfüllt, was sich ein anderer unter einem Vorbild<br />

vorstellt.<br />

Zuletzt sei der Satz aus der AV zitiert, der sich auf die Sozialkompetenz bezieht: „[Die Lehrkraft] ist<br />

verständnisvoll und handelt problemlösend.“ Dies wären in ihrer Gesamtheit zumindest Marken für<br />

die Richtung, in der die Arbeit im Seminar liegen könnte, wenngleich ganze Bereiche noch gar<br />

nicht erwähnt wurden, wie etwa Geduld und Gerechtigkeit oder pädagogisches Handeln im engeren<br />

Sinne. Hier wird die Auffassung vertreten, dass man solcherlei Dinge nicht als Seminarinhalt<br />

vermitteln kann, sondern nur beim Auftreten von Fällen, etwa im Unterricht, kann darauf verwiesen<br />

werden, was angemessen erscheint und was nicht. So könnte z. B. die Bestrafung eines Schülers<br />

thematisiert werden, indem die Gründe, die Begründungen, die möglichen Folgen und das pädagogisch<br />

Bedeutsame ans Licht gebracht werden. Unter Abwägung dieser Facetten könnte dann<br />

festgestellt werden, ob die Bestrafung „richtig“ oder „falsch“ war. Denkbar wäre es, im Seminar<br />

Fälle darzustellen, wie etwa den von Kohlberg zur Diebstahlproblematik unter Schülern (Schüler<br />

debattieren, ob sie den Schaden gemeinschaftlich ersetzen sollen oder nicht; abgedruckt in Speck<br />

Seite 27


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

1991, S. 201). Dies allerdings nicht, um die Werteerziehung der Schüler zu fokussieren, sondern<br />

um die Rolle der Lehrkraft und ihr Verhalten zu thematisieren. Andere Fälle könnten sein: Verhalten<br />

von Lehrkräften bei Klassenfahrten oder bei auftretenden Konflikten mit Schülern, mit dem<br />

Kollegium oder mit Eltern. Unglücklicherweise nehmen die Unterrichtsbesuche der Seminarleiter<br />

ab, weil die neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung dies nicht mehr zwingend verlangt und eine<br />

Reihe von Anwärtern dies zum Anlass nimmt, Termine für Unterrichtsbesuche zu vernachlässigen.<br />

Somit vermindern sich Beobachtungsmöglichkeiten, die zum Gespräch Anlass böten.<br />

Das Handbuch Vorbereitungsdienst (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft<br />

2011) führt bei den Modulinhalten an folgenden Stellen Hinweise zur Thematik in Form von Standards<br />

auf:<br />

Modul Unterrichten, Pflichtbaustein 1: Grundlagen des Lehrerberufes:<br />

• Die LAA sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst und verstehen<br />

ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung.<br />

• Die LAA verstehen ihre Rolle ganzheitlich als Lehrer, die unterrichten, erziehen …<br />

• Die LAA setzen sich mit unterschiedlichen Rollenerwartungen auseinander.<br />

• Die LAA verfügen über eine reflexive Distanz zu ihrem Handeln.<br />

Modul Unterrichten, Pflichtbaustein 5: Reflexion und Evaluation:<br />

• Die LAA reflektieren die eigenen beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen und setzen sich<br />

selbst Arbeitsschwerpunkte.<br />

• Modul Erziehen und Innovieren: Pflichtbaustein 2: Wertevermittlung<br />

• Die LAA verkörpern in ihrem Auftreten und in ihrer Arbeit die Werte einer demokratischen<br />

Schulkultur. (Wortgleich in Pflichtbaustein 3: Konflikte und Gewaltprävention)<br />

Neben den analogen Einträgen finden sich bei den Modulen für das Lehramt an Sonderschulen/Sonderpädagogik<br />

noch:<br />

Modul Erziehung, Unterricht und sonderpädagogische Förderung; Pflichtbaustein 3: Unterrichtsarrangement:<br />

• Die LAA zeigen angemessenes Erziehungsverhalten.<br />

Viele weitere Standards gebieten bestimmte Verhaltensweisen bzw. Beachtung von Erfordernissen,<br />

ohne dass dies notwendigerweise die Persönlichkeit selbst betreffen muss. Im Hintergrund<br />

sind dabei immer die Standards für die Lehrerbildung sowie die Standards des Qualifikationsrahmens<br />

für die drei Ausbildungsphasen (Bachelor, Master, Vorbereitungsdienst) zu denken.<br />

Die Ausbildung im Seminar kann wohl nur auf die Erfordernisse im Umgang der jungen Lehrer mit<br />

Schülern, Kollegen und Eltern aufmerksam machen. Dafür lassen sich dann allerdings einige Leitlinien<br />

bestimmen. Anhaltspunkte dafür, was zu diesen Leitlinien gehören könnte, könnten die Beurteilungsbogen<br />

und die Inhalte der Modulbausteine aus dem Handbuch Vorbereitungsdienst geben.<br />

Durchforstet man die Kategorien der Beurteilungsbogen („Gutachten über den Stand der<br />

Ausbildung“), so kann man feststellen: Die 24 Beobachtungsmerkmale bzw. anzukreuzenden<br />

Standards lassen sich grob in folgende Gruppen einteilen, die wie folgt vertreten sind:<br />

A = persönlichkeitsbezogen<br />

B = an der Schnittstelle zwischen Persönlichkeit und Fachkompetenz i.w.S.<br />

C = rein auf Kompetenzen für das Unterrichten und den Einsatz in der Schule bezogen 12 x<br />

Dabei mag es personenabhängig und durchaus strittig sein, ob die hier getroffene Zuordnung passend<br />

ist oder nicht. So kann es zur Diskussion stehen, ob die Aussage, „versteht sich ganzheitlich<br />

als Lehrer“ ein Persönlichkeitsmerkmal ist, wohingegen Gewissenhaftigkeit eher sicher zu den<br />

Persönlichkeitsmerkmalen zu rechnen sein dürfte. Prüft man die Ausbildungsinhalte bzw. Inhalts-<br />

5 x<br />

7 x<br />

Seite 28


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

vorschläge im Handbuch Vorbereitungsdienst auf das Vorkommen einer entsprechenden Thematik<br />

bei den Pflicht- und Wahlbausteinen, so stellt man fest, dass insbesondere der Pflichtbaustein 1<br />

(Grundlagen des Lehrerberufes) dieses Feld fokussiert, was allerdings nicht notwendigerweise mit<br />

der ausgewiesenen Kompetenz korrespondiert, die heißt: „Die LAA verfügen über einen Orientierungsrahmen<br />

in ihrem Berufsfeld.“<br />

Wie lassen sich nun die mehr oder weniger eindeutigen Persönlichkeitsmerkmale im Seminar thematisieren.<br />

Kann man sie überhaupt „entwickeln“? Die Antwort ist schwierig, denn:<br />

• Trotz der angedeuteten Persönlichkeitsmerkmale verbleiben Unklarheiten (Ist es etwa ein<br />

Persönlichkeitsmerkmal, wenn eine Lehrkraft z. B. „burschikos“ ist bzw. soll daran gearbeitet<br />

werden? Ist das ein ähnlicher Fall, wie wenn jemand ständig zu leise spricht?).<br />

• Es bleibt ebenso unklar, in welchem Maße und in welche Richtung eine Änderung gewünscht<br />

wird.<br />

• Es gibt keine Maßstäbe, außer einem „gewöhnlichen Maß“, und keine rechte Legitimation für<br />

eine anzustrebende Merkmalsentwicklung.<br />

• Die Einflussnahme kann nur an der Oberfläche (Lehrerverhalten) ansetzen, ohne dass damit<br />

tatsächlich die Persönlichkeit getroffen werden mag.<br />

Diesen Einschränkungen steht entgegen, dass bei Unterrichtsbeobachtungen sehr wohl ein hohes<br />

Maß an übereinstimmenden Beobachtungsbewertungen vorliegt, z. B., dass jemand zu nachsichtig<br />

sei oder zu beliebig oder dass er zu einschränkend und dominant sei. All dies kann sich wiederum<br />

nur am Verhalten ablesen lassen. Das Lehrerverhalten ist –zunächst scheinbar unabhängig von<br />

der Persönlichkeit– der einzige mögliche Zugang zur hier vorliegenden Thematik. Dies würde als<br />

Folge haben, dass für bestimmte Situationen, Momente, Herangehensweisen, Reaktionen, Handlungen<br />

usw. ein Verhaltenstraining das Mittel der Wahl wäre. Über die Richtung, in der die anzustrebende<br />

Veränderung liegen muss, muss aber bei allen Beteiligten Einigkeit bestehen. Im Seminar<br />

wird in diesem Sinne z. B. mit Gesprächssimulationen (Lehrer-Elterngespräche) gearbeitet.<br />

Hier kann man sehr deutlich herausstellen, was geht und was weniger gut geeignet ist. Man kann<br />

dabei etwa zeigen, wohin eine bestimmte Gesprächsstrategie führt. Am Ende bleibt aber die<br />

Frage, ob damit ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung geleistet wurde – vermutlich nicht. Der<br />

Ausweg aus diesem Dilemma könnte darin bestehen, den Positiv-Katalog von Lehrerpersönlichkeiten<br />

(siehe oben) mit Merkmalsausprägungen zu versehen. Also etwa die Frage zu stellen, woran<br />

abzulesen ist, dass jemand reflexive Distanz zu seinem Verhalten hat oder ob er kindzugewandt<br />

agiert. Die Gefahr dieser Vorgehensweise liegt aber in der Normierung. Zudem: Nehmen wir<br />

an, jemand spricht zumeist sehr leise und dies wird auf eine zurückhaltende Persönlichkeit zurückgeführt.<br />

Ändert sich diese, wenn man den Betreffenden bewegen könnte, lauter zu sprechen?<br />

Wenn man es aber schaffen könnte, dass er (dennoch) zumindest lauter spräche, so wäre dies der<br />

kleine Spielraum, in dem die Seminararbeit wirken könnte.<br />

Wie man sieht, scheint nichts passgenau geeignet zu sein, die Problematik im Seminar sinnvoll<br />

umzusetzen. Ein Ansatz könnte darin bestehen, offensichtliche Defizite, und nur diese, stärker zu<br />

fokussieren. Dann müsste z. B. bei Unterrichtsbesuchen die Lehrerrolle deutlicher thematisiert<br />

werden, wie oben schon angesprochen: Welcher Stil wurde gepflegt, war das beabsichtigt, wohin<br />

führte das usw.? Möchte man tatsächlich Entwicklungen anstoßen, so reichte ein Aufmerksammachen<br />

oder ein Hinweis, eine Literaturbearbeitung der dergl. nicht aus. Hier müssten echte Erprobungen<br />

mit entsprechenden Wiederholungen eingesetzt werden. Es wäre an eine Art Inszenierung<br />

zu denken, die jeweils erneut zu erproben wäre. <strong>Neu</strong>bert (2004) hat in seinem „Lehrkompetenzenstern“<br />

sechs Hauptfelder zur Bestimmung des guten Lehrers ausgewiesen, von denen vier<br />

(neben der Fach- und der didaktisch-methodischen Kompetenz) deutlich auf die Lehrerpersönlichkeit<br />

zielen. Es sind:<br />

• menschliche Souveränität mit Wissen über sich selbst, Distanz von sich selbst und Sorge<br />

um sich selbst<br />

Seite 29


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

• Lebendigkeit mit Begeisterungsfähigkeit, Unterhaltsamkeit und Fröhlichkeit<br />

• kommunikative Kompetenz mit Präsenz, Ermutigung und freundlichem Umgang<br />

• Führungskompetenz mit Führung des Unterrichts, Führung des Schülers und institutioneller<br />

Führung<br />

Er will damit der „nach PISA grassierenden Planungs- und Kontrollmentalität, in der vorrangig die<br />

erfolgskontrollierte Zurichtung von Unterricht im Vordergrund steht …“ die Perspektive entgegensetzen,<br />

die sich der „ästhetisch-sinnlichen Mikrostruktur des Unterrichts“ widmet (S. 44). Dies vollzieht<br />

sich in den Handlungsräumen von Szene, Auftritt und Darstellung. Auch dies könnte ein Ansatzpunkt<br />

für die Arbeit im Seminar sein. Die Frage ist, wie man die im Text bisher genannten<br />

Punkte seminarbezogen aufgreifen und bearbeiten könnte, wobei vermutlich weniger das Problem<br />

des Was als vielmehr das des Wie zu lösen wäre. Es wird nicht ausreichen, explizit auf die Bedeutung<br />

der Lehrerrolle aufmerksam zu machen. Als wichtigste Möglichkeit wird hier die Thematisierung<br />

im Zusammenhang mit durchgeführten Unterricht gesehen, eventuell mit einer Filmaufnahme<br />

gekoppelt. Zur Entwicklung bzw. Beförderung der Entwicklung einer Lehrerpersönlichkeit<br />

wird dieser dünne Zugang aber nicht ausreichen, denn Kennzeichen der Lehrerpersönlichkeit ist<br />

es ja, sich in vielfältigen Schulsituationen bewähren zu müssen. Hier wäre daran zu denken, die<br />

Beurteilungen der Schulleitungen – soweit sie sich auf dieses Gebiet erstrecken – mit den Referendaren<br />

stärker zu thematisieren und sie vielleicht sogar in entsprechenden Gesprächsrunden zu<br />

diskutieren. Woher dazu die Ressourcen kommen sollen, ist aber unklar. Möglicherweise geht das<br />

Seminar zu wenig auf die Anwärter mit diesem Anliegen zu, indem es zumeist den gegenwärtigen<br />

Stand der Dinge feststellt, aber weniger mit den Anwärtern ins persönliche Gespräch über die Eigenwahrnehmung<br />

kommt. Die ganze Dramatik der Sachlage kann bei schwersten Disziplinproblemen<br />

zum Ausdruck kommen. Wie gehen die Einzelnen damit um? Wie passen die Strategien zur<br />

Bewältigung zur Person? Für diesen Bereich gibt es sehr wohl Programme zum Verhaltenstraining<br />

– aber eben zum Verhalten, nicht zur Persönlichkeitsentwicklung.<br />

Solange man nicht genau weiß, was eine Persönlichkeit ausmacht und ob sie überhaupt zugänglich<br />

und flexibel ist, kann man auch nicht wissen, wohin sie sich entwickeln soll. Man spricht gelegentlich<br />

von „gefestigten“ Persönlichkeiten oder von „integeren“. Denkt man darüber nach, was<br />

das ist, gerät man schon wieder in den Treibsand. Diese Facette der Persönlichkeit hängt wiederum<br />

enger mit den Vorstellungen von Werten zusammen, ebenfalls ein möglicher Zugang zur<br />

Thematik. Hier ließen sich Selbsteinschätzungstabellen nutzen, über die man mit den Referendaren<br />

ins Gespräch kommen kann. Zu dieser Thematik verwenden wir im Seminar das modellartige<br />

Vollbild eines geradlinigen, gerechten, ehrlichen, seriösen, unbestechlichen Menschen (die Liste<br />

ließe sich fortsetzen). Alle sind sich einig darüber, dass dies wünschenswert und der Idealfall ist.<br />

Die Teilnehmer werden dann mit einer Wortliste deutscher Verben konfrontiert, von denen es in<br />

unserer Sprache nur so wimmelt, und die sich alle an der Schnittstelle von „noch geduldet (?) zu<br />

kriminell“ befinden. Dann kann sich jeder einordnen und sich fragen, ob er so (schlecht) noch nie<br />

gehandelt hat. Auch hier gilt allerdings: Ob das einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leistet,<br />

bleibt im Verborgenen.<br />

Literatur<br />

Gröschel, H.: Forderungen und Wünsche an die Lehrerpersönlichkeit. In: Die Bedeutung der<br />

Lehrerpersönlichkeit für Erziehung und Unterricht (Hrsg. Gröschel, H.) München: Ehrenwirth 1980.<br />

Kubli, F.: Interesse und Verstehen in Physik und Chemie. Köln: Aulis Deubner 1987.<br />

<strong>Neu</strong>bert, H.: Lehrkompetenzen, Dramaturgie und Unterrichtsentwicklung. In: Unterrichtsentwicklung<br />

– zum Stand der Diskussion (Hrsg. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren)<br />

Bern 2004.<br />

Sacher: Muß der Lehrer eine Persönlichkeit sein? In: Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für<br />

Erziehung und Unterricht (Hrsg. Gröschel, H.) München: Ehrenwirth 1980.<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Hrsg.): Handbuch Vorbereitungsdienst.<br />

Berlin 2011.<br />

Seite 30


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Speck, O.: Chaos und Autonomie in der Erziehung. München/Basel: Reinhardt 1991.<br />

Zimbardo, P.G./Gerrig, R.J.: Psychologie. München usw.: Pearson 2008 18 .<br />

Dr. Bernd Oehmig,<br />

Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Treptow-Köpenick (L)<br />

Die Lehrerpersönlichkeit im Berliner Vorbereitungsdienst<br />

Eine Umfrage unter Seminarleitern und Lehramtsanwärtern*<br />

*Aus Gründen der Lesbarkeit wird durchgängig die männliche Form verwendet.<br />

Gleichermaßen gelten die Ausführungen selbstverständlich auch für Frauen!<br />

„Die Physiotherapieforschung hat längst gezeigt, was sich in der Pädagogik erst noch herum-sprechen<br />

muss: Es kommt nicht auf die Technik an, sondern darauf, ob Therapeut und Klient miteinander<br />

klar kommen. Tun sie das, geschieht etwas in der Therapie; ist dies nicht der Fall, geschieht<br />

nichts, d.h. findet kein Umlernen, keine <strong>Neu</strong>orientierung, keine Heilung statt.“ (Spitzer, M.: Lernen.<br />

Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg 2009, S. 412).<br />

Im Rahmen der Einführungswoche erstelltes Plakat<br />

von Lehramtsanwärtern zur Frage:<br />

„Wie sieht für Sie der „perfekte` Lehrer aus?“<br />

Wie auch immer man diesem Zitat gegenübersteht,<br />

eines ist in der Bildungsforschung unumstritten:<br />

Die Lehrerpersönlichkeit nimmt eine<br />

Schlüsselposition im Schulleben ein. Allerdings<br />

ist der Begriff schwer abgrenzbar und jeder von<br />

uns hat eine ganz eigene Vorstellung, was sich<br />

hinter dem Wort verbirgt.<br />

Fragt man Seminarleiter und Lehramtsanwärter,<br />

welche Merkmale eine „perfekte“ Lehrkraft haben<br />

muss, dann wird in der Regel eine Vielzahl von<br />

Eigenschaften aufgezählt. Die Bandbreite reicht<br />

von A wie „attraktiv“ bis Z wie „zielstrebig“.<br />

Aber kein Lehramtsanwärter und auch kein Ausbilder<br />

erfüllen alle Eigenschaften in gleichem<br />

Maße. Der eine glänzt besonders durch sein<br />

strukturiertes Vorgehen und verschafft sich durch<br />

sein konsequentes Handeln Respekt und Anerkennung<br />

bei den Schülern. Der andere hat immer<br />

„ein offenes Ohr“ und kann vor allem mit seiner<br />

authentischen und humorvollen Art und Weise<br />

die Schüler in seinen Bann ziehen.<br />

Das Ziel der Umfrage war es herauszufinden,<br />

• welche Eigenschaften für den Beruf eines Lehrers unabdingbar sind,<br />

• welche Bedeutung die Persönlichkeit für den Lehrerberuf hat,<br />

• welchen Stellenwert das Thema im Vorbereitungsdienst hat und<br />

• welchen Einfluss die Ausbilder auf die Lehrerpersönlichkeit haben.<br />

Dazu wurden im Juni 20<strong>13</strong> Seminarleiter und Lehramtsanwärter des L- und S-Bereichs mit Hilfe<br />

eines Fragebogens (siehe Anhang) befragt. Insgesamt haben sich 10 Seminarleiter und 69 Lehramtsanwärter<br />

beteiligt, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. In diesem Zu-<br />

Seite 31


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

sammenhang muss ausdrücklich betont werden, dass es sich bei der Befragung lediglich um einen<br />

ersten Ansatz handelt, im Vorbereitungsdienst tätige Personen zum Thema Lehrerpersönlichkeit<br />

zu befragen. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass die Umfrage – insbesondere die Anzahl der<br />

Befragten – nicht allen Gütekriterien empirischer Forschung entspricht. Allerdings denke ich, dass<br />

ein erster Einblick in Teilbereiche des Themas ermöglicht wird und hoffe, dass die Umfrage aufgegriffen<br />

und noch tiefgehender fortgesetzt wird.<br />

Die Ergebnisse der Befragung werden im Folgenden – vergleichend zwischen Seminarleitern<br />

und Lehramtsanwärtern – präsentiert und kurz analysiert.<br />

Auf die erste Frage, welches die vier wichtigsten Merkmale bzw. Eigenschaften sind, die eine<br />

gute Lehrerpersönlichkeit auszeichnen, ergibt sich folgende Reihenfolge:<br />

Seminarleiter<br />

Lehramtsanwärter<br />

1. fachkompetent<br />

2. empathisch<br />

3. engagiert<br />

4. belastbar<br />

1. fachkompetent<br />

2. empathisch<br />

3. konsequent<br />

4. fair<br />

außerdem genannt:<br />

5. konsequent<br />

6. transparent<br />

7. reflektierend<br />

8. diagnostizierend<br />

9. humorvoll<br />

10. verlässlich<br />

11. fair<br />

12. überzeugend<br />

<strong>13</strong>. demokratischen Werten verpflichtet<br />

außerdem genannt:<br />

5. flexibel<br />

6. verlässlich<br />

7. engagiert<br />

8. gelassen<br />

9. authentisch<br />

10. herzlich<br />

11. reflektierend<br />

12. distanziert<br />

<strong>13</strong>. transparent<br />

14. humorvoll<br />

15. belastbar<br />

Die Merkmale wurden alle in Adjektive umgewandelt (z.B. Empathie → empathisch) und Begriffe<br />

mit ähnlicher Bedeutung wurden unter einem Schlagwort zusammengefasst (z.B. wurden für „konsequent“<br />

auch die Begriffe „durchsetzungsstark“, „präsent“ oder „autoritär“ benutzt).<br />

Einig sind sich beide Seiten, dass Lehrkräfte in erster Linie fachkompetent und empathisch sein<br />

müssen. Beide Begriffe wurden mit deutlichem Abstand am häufigsten genannt. Viele der Befragten<br />

betonen unter dem Punkt „Begründung/Bemerkung“, dass Fachkompetenz allein nicht ausreicht,<br />

sondern immer auch die Beziehungsebene stimmen muss.<br />

Den Lehramtsanwärtern ist darüber hinaus Führungsstärke (meist wurden die Begriffe „Konsequenz“<br />

und „Durchsetzungskraft“ genannt) besonders wichtig. Anhand der Bemerkungen der<br />

Lehramtsanwärter wurde deutlich, dass dies mit der Unsicherheit zusammenhängt, von den<br />

Schülern nicht den gleichen Respekt entgegengebracht zu bekommen wie eine erfahrene Lehrkraft.<br />

Die Sorge vor Unterrichtsstörungen bzw. dem Verlust der Klassenführung sind ausschlaggebend<br />

für die große Bedeutung dieser Eigenschaft.<br />

Auffällig ist, dass die Begriffe „belastbar“ und „fair“ unterschiedlich stark gewichtet wurden. Seminarleiter<br />

zählen Belastbarkeit zu den vier wichtigsten Eigenschaften, was sicherlich mit der langen<br />

Berufserfahrung zusammenhängt und der Kenntnis, um die vielfältigen Aufgabenbereiche einer<br />

Lehrkraft. Lehramtsanwärter betonen dagegen mehr die Gerechtigkeit und Fairness, sind also besonders<br />

um ein harmonisches Klassenklima bemüht.<br />

Schwerpunkt des zweiten Punktes des Fragebogens ist die Bedeutung der Persönlichkeit für<br />

den Beruf des Lehrers. Dabei konnte auf einer Skala von 0 (= sehr niedrig) bis 10 (= sehr hoch)<br />

unterschieden werden.<br />

Seite 32


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Wie zu erwarten war, wird die Lehrerpersönlichkeit als bedeutend für den Lehrerberuf herausgestellt.<br />

Bei den Seminarleitern ergibt sich ein Durchschnittswert von 9,4, bei den Lehramtsanwärtern<br />

von 8,7.<br />

Als drittes sollte die Bedeutung des Themas im Rahmen des Vorbereitungsdienstes beurteilt<br />

werden. Dabei sollte zwischen dem Stellenwert im Allgemeinen Seminar, in den Fachseminaren<br />

und bei Unterrichtsbesuchen unterschieden werden. Wieder konnte auf einer zehnstufigen<br />

Skala unterschieden werden (0 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch).<br />

Es zeigt sich, dass die Lehrerpersönlichkeit am häufigsten bei Unterrichtsbesuchen angesprochen<br />

wird. Sowohl die Seminarleiter (Ø 6,8) als auch die Lehramtsanwärter (Ø 7,8) sind sich diesbezüglich<br />

einig. Dies überrascht wenig, da Aspekte der Lehrerpersönlichkeit gerade beim Unterrichten<br />

deutlich werden und im Anschluss an die gezeigte Stunde am besten besprochen werden können.<br />

Überraschender sind die unterschiedlichen Einschätzungen der Seminarbedeutung. Während die<br />

Seminarleiter der Ansicht sind, dass die Lehrerpersönlichkeit in ihrem Seminar deutlich häufiger<br />

behandelt wird (Ø 6,6) als in den Fachseminaren (Ø 4,3), sehen die Lehramtsanwärter das Verhältnis<br />

ausgeglichener. Dabei wird dem Allgemeinen Seminar weniger (Ø 5,7) und den Fachseminaren<br />

mehr (Ø 5,5) Bedeutung zugeschrieben. Eine Ursache für diese unterschiedliche Wahrnehmung<br />

besteht vermutlich in der ungenauen Abgrenzung des Begriffs „Lehrerpersönlichkeit“. Es ist<br />

nicht genau geklärt, welche Seminarinhalte dem Thema zugeschrieben werden können. Blickt man<br />

in das Handbuch Vorbereitungsdienst wird der Begriff „Lehrerpersönlichkeit“ lediglich einmal expli-<br />

Seite 33


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

zit erwähnt, nämlich unter „Mögliche Inhalte“ im Modul Unterrichten, Pflichtbaustein 1: Grundlagen<br />

des Lehrerberufes (vgl. Handbuch Vorbereitungsdienst, S. 30). Fasst man den Begriff sehr weit<br />

lassen sich fast alle Bausteininhalte dem Thema „Lehrerpersönlichkeit“ zuordnen.<br />

Der vierte Aspekt stellt die Ausbilder in den Mittelpunkt. Hier sollte der Einfluss der Seminarleiter,<br />

Fachseminarleiter und anleitenden Lehrer auf die Lehrerpersönlichkeit beurteilt werden. Erneut<br />

kam die zehnstufige Skala zum Einsatz (0 = sehr niedrig, 10 = sehr hoch).<br />

Die Lehramtsanwärter schätzen die Einflussnahme ihrer Ausbilder grundsätzlich geringer ein als<br />

die Seminarleiter. Häufig wurde von den Befragten herausgestellt, dass viele Aspekte der Lehrerpersönlichkeit<br />

bereits mitgebracht werden und manches gar nicht beeinflussbar ist. Beide Gruppen<br />

sehen in den anleitenden Lehrkräften der Ausbildungsschulen die Personen mit der meisten Einflussnahme.<br />

Umso problematischer ist die Tatsache, dass immer weniger Lehramtsanwärtern anleitende<br />

Lehrer zur Seite stehen. Hier muss unbedingt wieder ein Umdenken stattfinden und die<br />

Schulen müssen Kapazitäten erhalten, um die Zusammenarbeit zwischen Lehramtsanwärtern und<br />

anleitenden Lehrkräften unterstützen zu können (z.B. durch Doppelsteckung oder Stundenabminderung).<br />

Zudem muss der Kontakt zwischen den (Fach-) Seminarleitern und den anleitenden Lehrern<br />

verbessert werden. Die anleitenden Lehrkräfte müssen noch stärker in den Ausbildungsprozess<br />

integriert werden (z.B. im Rahmen regelmäßiger Treffen aller Beteiligten).<br />

Die relativ geringe Einflussnahme der Seminarleiter hängt sicherlich auch damit zusammen, dass<br />

diese in den Unterrichtsprozess immer weniger eingebunden sind. Zwar wird in der Ausbildungsverordnung<br />

noch die „Durchführung von Unterrichtsbesuchen“ als eine Aufgabe der Seminarleiter<br />

genannt (vgl. § 10, Abs. 2, Pkt. 7 der VO VD), jedoch ist es jedem Seminarleiter freigestellt, in welchem<br />

Umfang dies geschieht. Da das Aufgabenfeld der Seminarleiter im Zuge der Modularisierung<br />

deutlich größer geworden ist, wird es für sie immer schwieriger, Unterrichtsbesuche durchzuführen.<br />

Wie sagten mir erfahrene ältere Kollegen: „Was nicht sein muss, muss nicht sein!“<br />

Hinzu kommt ein generelles Problem: Seminarleiter geben keinen Unterricht. Diese Regelung<br />

sollte meiner Ansicht nach überdacht werden. Warum sollen nicht auch Seminarleiter in einem begrenzten<br />

Umfang (z.B. zwei Stunden pro Woche) Unterricht geben (und auch mal zeigen)? Die<br />

Erfahrungen aus dem eigenen Unterricht sind für die Seminarleitertätigkeit unabdingbar. Immer<br />

wieder wird mir von den Lehramtsanwärtern bestätigt, dass gerade die vielen praktischen Beispiele<br />

geschätzt werden. Gibt man auf Dauer keinen Unterricht mehr, so verblassen die Erinnerungen<br />

und die Vorbildfunktion geht verloren bzw. ist auf wenige Aspekte beschränkt. Gerade wir Seminarleiter<br />

sollten am „Puls der Schüler“ bleiben!!!<br />

Seite 34


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Im letzten Teil des Fragebogens sollten die Seminarleiter und Lehramtsanwärter Vorschläge<br />

unterbreiten, wie das Thema „Lehrerpersönlichkeit“ im Rahmen des Vorbereitungsdienstes mehr<br />

Gewicht erhalten kann. Im Folgenden ein Überblick über die Vorschläge, die zur besseren Übersicht<br />

kategorisiert wurden:<br />

Seminarleiter<br />

Lehramtsanwärter<br />

- Grundvoraussetzungen:<br />

∙ Wertschätzung und Respekt gegenüber<br />

den Lehramtsanwärtern<br />

∙ Ausbilder haben Vorbildfunktion<br />

- Lehramtsanwärter:<br />

∙ Eignungstests für angehende Lehrer<br />

einführen (möglichst vor dem Studium)<br />

∙ Kritikfähigkeit der Lehramtsanwärter fördern<br />

- Ausbilder:<br />

∙ Beachtung der Sozialkompetenz als<br />

wesentliches Kriterium bei der Auswahl<br />

von Seminar- und Fachseminarleitern<br />

∙ engere Zusammenarbeit mit anleitenden<br />

Lehrkräften anstreben<br />

- Seminargestaltung:<br />

∙ Kommunikation als verpflichtendes<br />

Schwerpunktthema festsetzen<br />

∙ Klassenführungskompetenz mehrfach im<br />

Seminar zum Thema machen<br />

∙ Fallstudien und Rollenspiele zu Themen<br />

wie Klassenmanagement, Leitung einer<br />

Klassenkonferenz oder eines Elternabends<br />

durchführen<br />

∙ Videosequenzen von Unterricht analysieren<br />

- Beratung:<br />

∙ regelmäßige kollegiale Fallberatung als<br />

Pflichtveranstaltung festlegen<br />

∙ professionelle Coachingangebote für Lehramtsanwärter<br />

mit spezifischen Beratungsbedarfen<br />

ermöglichen (ggf. Einbindung von<br />

Psychologen)<br />

- Grundvoraussetzungen:<br />

∙ unterschiedliche Lehrertypen akzeptieren<br />

(nicht bestimmten Lehrertyp verlangen)<br />

∙ Ausbilder müssen Vorbilder sein<br />

- Lehramtsanwärter:<br />

∙ Evaluation durch Schüler mehr nutzen<br />

∙ eigene Unterrichtsmitschnitte ins Seminar<br />

mitbringen und auswerten lassen<br />

- Ausbilder:<br />

∙ Fachseminarleiter sollen mehr Stunden<br />

zeigen<br />

∙ bei der Gutachtenerstellung stärker die<br />

Lehrerpersönlichkeit berücksichtigen<br />

(Positives/Negatives mehr herausstellen)<br />

- Seminargestaltung:<br />

∙ Thema nicht nur in der Einführungswoche<br />

behandeln, sondern öfter aufgreifen<br />

∙ Aspekte der Lehrerpersönlichkeit definieren<br />

(Was heißt z.B. Fairness?)<br />

∙ unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten<br />

analysieren und beurteilen<br />

∙ Einbindung von Unterrichtsvideos<br />

∙ praktische Übungen (z.B. Rollenspiele)<br />

verstärken<br />

∙ Rhetorikseminare einführen<br />

- Beratung:<br />

∙ bei Unterrichtsbesuchen Persönlichkeitsaspekte<br />

offen ansprechen<br />

∙ videogestützte Feedbacks einsetzen<br />

∙ Gruppenhospitationen mit dem Schwerpunkt<br />

Lehrerpersönlichkeit ermöglichen<br />

∙ begleitende Supervision anbieten<br />

Seite 35


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

ANHANG<br />

Fragebogen zur Lehrerpersönlichkeit<br />

· Begründungen bzw. Bemerkungen zu den jeweiligen „Fragen“ wären hilfreich!<br />

∙ Bei den „Fragen“ 2, 3 und 4 bedeutet die Zahl 10 „sehr hoch“, die Zahl 0 „sehr niedrig“!<br />

Nennen Sie die Ihrer Meinung nach vier wichtigsten Merkmale/Eigenschaften, die eine gute<br />

Lehrerpersönlichkeit auszeichnen!<br />

1. _________________________________ 2. _________________________________<br />

3. _________________________________ 4. _________________________________<br />

Begründung/Bemerkung zu 1.:<br />

Beurteilen Sie, welche Bedeutung Ihrer Meinung<br />

nach die Lehrerpersönlichkeit im Gesamtrahmen<br />

des Berufsfeldes „Lehrer“ hat!<br />

Bitte ankreuzen<br />

Begründung/Bemerkung zu 2.:<br />

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />

Beurteilen Sie, welchen Stellenwert das Thema<br />

Lehrerpersönlichkeit im Vorbereitungsdienst hat!<br />

Unterscheiden Sie dabei den Stellenwert:<br />

a) im Allgemeinen Seminar Bitte ankreuzen<br />

b) in den Fachseminaren Bitte ankreuzen<br />

c) bei Unterrichtsbesuchen Bitte ankreuzen<br />

Begründung/Bemerkung zu 3.:<br />

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />

Beurteilen Sie, welchen Einfluss die Ausbilder/innen<br />

auf die Lehrerpersönlichkeit der Lehramtsanwärter(-innen)<br />

haben. Unterscheiden Sie<br />

dabei den Einfluss:<br />

a) der Seminarleiter(innen) Bitte ankreuzen<br />

b) der Fachseminarleiter(innen) Bitte ankreuzen<br />

c) der anleitenden Lehrer(innen) Bitte ankreuzen<br />

Begründung/Bemerkung zu 4.:<br />

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />

Machen Sie Vorschläge, wie das Thema „Lehrerpersönlichkeit“ im Rahmen des Vorbereitungsdienstes<br />

mehr Gewicht erhalten könnte!<br />

VIELEN DANK!!!<br />

Jörg Textor,<br />

Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Tempelhof-Schöneberg (S)<br />

Seite 36


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Lehrerpersönlichkeit?<br />

– eine Annäherung –<br />

Dies ist ein Beitrag über die Lehrerpersönlichkeit aus der Praxis. Beim Schreiben musste ich mich<br />

immer wieder ermahnen, nicht in die Diskussion der Didaktik und der uns allen so nahe liegenden<br />

Frage „Was ist guter Unterricht?“ einzusteigen. Auch die vielfältigen Aufgaben und die Rolle des<br />

Lehrers im Schulwesen lenkten meinen Blick von der „kleinen“ Frage „Verfüge ich über eine<br />

Lehrerpersönlichkeit?“ immer wieder ab. Mein Anliegen ist es, sich der Lehrerpersönlichkeit aus<br />

der Sicht der Praxis zu nähern.<br />

Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die hiermit verbundene Subjektivität Anlass zur Kritik und<br />

erweiterter Nachfrage darstellt. Dies ist aber keinesfalls ein Aspekt, der tendenziell zu vermeiden<br />

wäre, ganz im Gegenteil: Gerade die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit der oben<br />

aufgezeigten Frage ist Teil des Prozesses der in unserer Ausbildung vermittelt werden muss. Es<br />

ist, um einen Teil der Ergebnisse vorwegzunehmen, ein Kernpunkt dessen, was eine „gute Lehrer-<br />

Persönlichkeit“ ausmacht.<br />

Nun aber wirklich aus der Praxis:<br />

• Bin ich für den Lehrerberuf geeignet?<br />

• Verfüge ich über eine geeignete Lehrerpersönlichkeit?<br />

• Wie wirke ich in meinem Unterricht?<br />

• Kann ich das Unterrichten lernen?<br />

Diese Fragen eines Lehramtsanwärters, der sich erst seit einer Woche bei mir im Vorbereitungsdienst<br />

befand, schlüssig zu beantworten, forderten mich einmal wieder auf, mich mit der Thematik<br />

„Lehrer-Persönlichkeit“, „Lehrerbild“ und „guter Unterricht“ zu beschäftigen. Den Fragen folgte<br />

dann zeitnah ein Unterrichtsbesuch.<br />

Was konnte ich dort beobachten? Ich sah einen Unterricht, der sicherlich handwerklich zu verbessern<br />

war. Gleichzeitig aber sah ich einen jungen Menschen, der sich seiner Lerngruppe gegenüber<br />

zugewandt und respektvoll verhielt, der Offenheit und Verständnis für die Jugendlichen mitbrachte,<br />

der Einsatzbereitschaft, Engagement, Freude und Interesse am Unterrichten zeigte, der den Unterricht<br />

führte und der gleichzeitig fördernd, individuell unterstützend und lernbegleitend tätig war, der<br />

fachlich kompetent und menschlich authentisch wirkte und dennoch Distanz zur Lerngruppe<br />

wahrte. Ein langer Satz mit vielen Facetten und sicher noch um vieles zu erweitern.<br />

Nach meiner Ansicht war es dem Studienreferendar gelungen, mit den Schülern ein Arbeitsbündnis<br />

auf sozial-kommunikativer Ebene aufgrund seiner Lehrerpersönlichkeit herzustellen. Kann ich<br />

ihm nun seine Fragen, seine Anliegen beantworten? Verfügt er über eine Lehrerpersönlichkeit?<br />

Was bleibt, was ich ihm sagen kann? Was sind Kriterien für eine gute Lehrerin/einen guten Lehrer?<br />

Bildungstheoretiker, Pädagogen, <strong>Neu</strong>rowissenschaftler, Didaktiker, Psychologen u. v. a. m. haben<br />

sich der Thematik „Was ist eine gute Lehrerin?/Was ist ein guter Lehrer?“ ausführlich gewidmet.<br />

Durch viele Publikationen und zuletzt durch die Hattie-Studie ist die Frage nach der Rolle der<br />

Lehrkraft im Unterricht und hiermit einhergehend die der Lehrerpersönlichkeit wieder stärker ins<br />

Zentrum der bildungspolitischen Diskussion gerückt. Ich möchte nicht den Blick der Theoretikerin<br />

auf die Lehrerpersönlichkeit werfen, sondern den der Ausbilderin von Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärtern<br />

in der zweiten Phase ihrer Ausbildung.<br />

Was macht also eine gute Lehrerin/einen guten Lehrer aus? Es sind zum einen und unbestritten<br />

die handwerklichen Faktoren des Unterrichtens, wie z. B. das Wissen über die Inhalte und deren<br />

didaktische Aufbereitung und Realisierung im Unterricht und die Rolle der Lehrkraft hierbei. Zum<br />

anderen sind es die Persönlichkeitsfaktoren der Lehrperson, die aus meiner Sicht deutlich schwieriger<br />

zu bestimmen sind.<br />

Seite 37


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

„Die Persönlichkeit des Lehrers ist vielleicht die wichtigste, zugleich aber auch die komplizierteste<br />

Variable im Unterricht.“( K. Ingenkamp u. a., Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik)<br />

Der Beruf des Lehrers erfordert vielseitige Kompetenzen. Neben dem fachlichen Wissen und Können<br />

sind das u. a.: Beziehungskompetenz (z. B. Verständnis und Umgang mit unterschiedlichen<br />

Schülerpersönlichkeiten, Teamfähigkeit und Kooperation im Kollegium, Diplomatie im Umgang mit<br />

unterschiedlichen Personengruppen), personelle Kompetenz (z. B. Authentizität, persönliche Präsenz<br />

und Ausstrahlung, Belastbarkeit, Stabilität, Engagement, Selbstbewusstsein, Entscheidungsfreudigkeit)<br />

und erzieherische Kompetenz (z. B. Grenzen setzen, Führung im Unterricht, Strukturierung,<br />

Durchsetzungsfähigkeit).<br />

Mit den Standards für die Lehrerbildung sieht die Kultusministerkonferenz (KMK) es als zentrale<br />

Aufgabe an, die angestrebten Kompetenzen für die gesamte Ausbildung und für die Berufspraxis<br />

anzufordern und somit die Qualität schulischer Bildung zu sichern. In einer gemeinsamen Erklärung<br />

der KMK mit den Bildungsgewerkschaften, heißt es: “Lehrerinnen und Lehrer sind Experten<br />

für Unterricht und Erziehung. Angesichts veränderter gesellschaftlicher Bedingungen und des<br />

weiter gefassten schulischen Auftrages verstehen sie sich zunehmend auch als Teil eines personalen<br />

Netzwerkes, das immer häufiger getragen wird durch Kommunikation und Kooperation von<br />

Lehrerinnen und Lehrern zum Beispiel mit Schulsozialarbeitern, Sozialpädagogen, Psychologen<br />

sowie mit Eltern und Wissenschaftlerinnen. Vor diesem Hintergrund ist die Einbeziehung neuer<br />

Elemente in das bestehende Berufsbild unverzichtbar“. (Gemeinsame Erklärung der Bildungs- und<br />

Lehrergewerkschaften und der Kultusministerkonferenz vom 19. Okt. 2006, Fördern und Fordern).<br />

Hieraus ergibt sich für die Ausbildung von Lehramtsanwärtern, dass es nicht die gute Lehrerin/den<br />

guten Lehrer gibt. “Eine gewisse Hingabe und Identifikation mit der Aufgabe spielt (…) eine Rolle.<br />

Nicht das Maß an Strenge oder Liberalität entscheidet darüber, ob ein Unterricht gut ist, sondern<br />

die Frage, ob die Lehrkraft Kontakt mit den Schülern herstellen und ihre Aufmerksamkeit binden<br />

kann.“ (Joachim Bauer, Lob der Schule).<br />

Aus meinen jahrelangen direkten und indirekten Unterrichtserfahrungen mit Schülern und Lehramtsanwärtern<br />

habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass Menschen mit Beziehungs- und Kommunikationsschwächen<br />

häufig große Probleme haben, den Beruf der Lehrerin/des Lehrers für sich<br />

zufriedenstellend auszufüllen. Das heißt keinesfalls, dass hier eine Normung in Bezug auf Typ,<br />

Stimmung oder Verhalten intendiert wird. Gute Lehrerinnen/gute Lehrer sind eben gerade so unterschiedlich<br />

wie Menschen dies nur sein kann. Was guten Lehrern aber gemeinsam ist, ist die<br />

Fähigkeit offen zu kommunizieren, sich dem Blick und dem Urteil anderer zu stellen und die Fähigkeit<br />

sich hieraus weiter zu entwickeln. Der Lehrerberuf balanciert zwischen dem Einbringen der<br />

eigenen Persönlichkeit und dem professionellem Handeln. „Schüler brauchen Lehrer, die auch<br />

Gefühle zeigen können, die sich für eine Sache begeistern und an etwas (…) freuen können. Zugleich<br />

sollen Lehrkräfte klare Grenzen setzen und notfalls nachdrücklich auf deren Einhaltung bestehen<br />

können, damit Schülerinnen und Schüler spüren, wann sie erreicht sind. Die Gabe im Beruf<br />

echt und authentisch zu sein, erhöht nicht nur die pädagogische Ausstrahlung, sie ist zugleich<br />

auch ein die eigene Gesundheit erhaltender Faktor.“ (Joachim Bauer, Lob der Schule).<br />

Wenn ich über diese oben aufgeführten Kompetenzen als Lehrkraft verfüge, dann bin ich ein „guter“<br />

Lehrer und verfüge über Lehrerpersönlichkeit?<br />

Lehrer sein ist mehr als die angelernten und angewendeten Methodiken für den durchgeplanten<br />

Unterricht, also nicht in erster Linie ein handwerklicher Begriff von Professionalität. Der Unterricht<br />

braucht Persönlichkeiten, die über Beziehungs-, Zuwendungs-, Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft<br />

verfügen. Darüber hinaus benötigt die Lehrkraft: Identifizierung mit dem Beruf, Respekt<br />

vor den Schülern, Überzeugung und Authentizität, Aufrichtigkeit – Persönlichkeit.<br />

Was bleibt nun für meinen Lehramtsanwärter? Er hat Spaß und Freude anderen Menschen fachliche<br />

Inhalte zu vermitteln, er findet seine Schüler interessant und begegnet ihnen auf Augenhöhe,<br />

er kommt mit unterschiedlichen Persönlichkeiten in seinem Unterricht klar und reflektiert diesen. Er<br />

Seite 38


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

befindet sich in der Ausbildung und im Zusammenspiel der vielen Faktoren, die Unterricht bedingen<br />

und die erlernbar sind. Er setzt sich nunmehr damit auseinander, dass Lehrer sein und Lehrer<br />

werden viel mehr ist als bloße Wissensvermittlung, Methodik und Didaktik.<br />

Auch für ihn wird es unumgänglich sein sich über seine Lehrerpersönlichkeit und seine Motivation,<br />

die dazu geführt hat, Lehrer zu werden und später zu sein, immer wieder erneut Klarheit zu verschaffen,<br />

um in der Ausführung des Lehrerberufs nicht nur Spaß, sondern auch Erfolg und Zufriedenheit<br />

zu erlangen. Und so ist über die Vermittlung von Wissen hinaus die Vermittlung von Werten<br />

entscheidend, die - wie kaum an anderer Stelle in unserer Gesellschaft - durch die Haltung<br />

dem eigenen Beruf gegenüber - in der Freude am lebenslangen Lernen und der ebenso langen<br />

Entwicklung der eigenen Persönlichkeit seinen Ausdruck findet.<br />

Quellenverzeichnis<br />

• Bauer, Joachim (2007): Lob der Schule. 1. Aufl., Hoffmann und Campe<br />

• Gemeinsame Erklärung der Bildungs- und Lehrergewerkschaften und der Kultusministerkonferenz<br />

vom 19. Okt. 2006, Fördern und Fordern<br />

• Helmke, Andreas (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze<br />

• Ingenkamp, Karlheinz u. a. (2008): Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik. 6. Aufl., Beltz-<br />

Verlag Weinheim und Basel<br />

• Meyer, Hilpert & Köller, Olaf (20<strong>13</strong> Sommer-Uni Berlin): Was ist eine gute Lehrerin? Was ist ein<br />

guter Lehrer?. Cornelsen Stiftung, Lehren und Lernen<br />

• Roth, Gerhard (2011): Bildung braucht Persönlichkeit; Wie Lernen gelingt. 3. Aufl., Klett-Cotta<br />

• Schelten, Andreas (2009): Lehrerpersönlichkeit – ein schwer fassbarer Begriff; In: Die<br />

berufsbildende Schule 61/2, S. 39-40<br />

Marlis Ziegler,<br />

Leiterin des 7. Schulpraktischen Seminars Steglitz-Zehlendorf (S)<br />

Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit im Rahmen der schulischen<br />

Ausbildung<br />

Ein empirischer Erfahrungsbericht<br />

0 Vorbemerkungen<br />

Der folgende Artikel soll ein mögliches Modell erläutern, wie sich Referendare 2 in der Zeit der<br />

schulischen Ausbildung in ihrer Lehrerpersönlichkeit entwickeln können. Polarisierend ließe sich<br />

die momentane Situation der Zweiten Ausbildungsphase in der Berliner Schule so darstellen, dass<br />

Referendare als vollwertige Lehrer eingesetzt werden und dass für ihre Ausbildung in der Schule<br />

keine zeitlichen Reserven sowie fachlich qualifizierte Mentoren zur Verfügung stehen. Der Referendar<br />

hat Unterricht zu erteilen und Lehrproben zu absolvieren, an denen die Schulleitung teilnimmt<br />

(oder auch nicht). Der Referendar kann sich – wie ein erfahrener Lehrer – zwar mit Kollegen<br />

austauschen, aber unter diesen Bedingungen kann man nicht von einer „Ausbildungsphase“ sprechen.<br />

Noch kritischer ist das Berufsbegleitende Referendariat zu sehen, bei dem der Referendar<br />

noch weniger Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts als „Anfänger“ hat und fast keine<br />

2 Für eine bessere Lesbarkeit werden in diesem Artikel nur die maskulinen Formen verwendet. Deren Gebrauch bezieht sich<br />

selbstverständlich auch auf die weiblichen Vertreter.<br />

Seite 39


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

zeitliche Möglichkeit zum Hospitieren besteht, um sich Anregungen für die eigene Unterrichts- und<br />

Erziehungsarbeit zu holen.<br />

1 Lehrerpersönlichkeit und Ausbildungsschule<br />

Referendare kommen als Persönlichkeiten in die Schule. In der zweiten Phase der Lehrerausbildung<br />

gilt es jedoch, aus diesen Persönlichkeiten Lehrer-Persönlichkeiten zu entwickeln. Über die<br />

unterschiedlicher Motivation, Lehrer zu werden, soll hier nicht näher nachgedacht werden – wir alle<br />

wissen, dass das Feld vom „kindlichen Lebenstraum“ über das ausgeprägte (wissenschaftliche)<br />

Interesse an mindestens einem der gewählten Fächer bis hin zur „Verlegenheitslösung“ reicht.<br />

Diese unterschiedliche Motivation zeigt sich deutlich in der Persönlichkeit des jeweiligen Referendars,<br />

die bereits während des ersten Zusammentreffens recht deutlich zutage tritt.<br />

Grundsätzlich trägt m.E. die schulische Ausbildung einen großen Anteil daran, wie sich die Referendare<br />

in den (noch?!) zwei Jahren in ihrer Ausbildungsschule entwickeln. Der jeweiligen Ausbildungsschule<br />

kommt in dieser Phase aus zwei Gründen eine große Verantwortung zu: Zum einen<br />

gilt es, die bisher investierte Zeit und Kraft der Referendare in ihre fachliche Ausbildung nicht zunichte<br />

zu machen; zum anderen sollen die von uns ausgebildeten Referendare gute Lehrer werden,<br />

täglich guten Unterricht erteilen und letztendlich mit ihrem gewählten Berufsweg zufrieden<br />

sein. Nur so haben die zukünftigen Lehrer die Chance, sich mit ihrem Beruf und den daraus resultierenden<br />

vielfältigen Aufgaben zu identifizieren, Begeisterung zu zeigen und zu übertragen und<br />

somit bei den Schülern Interesse für ihr Fach/ihre Fächer und darüber hinaus für den allgemeinen<br />

Lernprozess und die Wissensaneignung zu erzielen. Dass die „Sympathie“ für einen Lehrer die<br />

Motivation und das Interesse für ein Fach bestimmt, ist nicht abzustreiten.<br />

Aus den Erfahrungen meiner Arbeit in den letzten fünf Jahren an einer Schule, in der jährlich etwa<br />

20 Referendare lehren und gleichzeitig ausgebildet werden, ist zu erkennen, dass sich investierte<br />

Zeit und Kraft lohnen, dass sich Lehrerpersönlichkeiten formen bzw. verändern (lassen) und dass<br />

wir die meisten unserer Referendare leider „ziehen lassen“ müssen. Dies beruht in den meisten<br />

Fällen auf Gegenseitigkeit, denn in vielen Gesprächen in Fach- und Hauptseminaren vergleichen<br />

unsere Referendare immer wieder ihre Situation mit der anderer und äußern ihre Zufriedenheit mit<br />

ihrer Ausbildungsschule, mit den Entwicklungsmöglichkeiten, die sie haben, über die Betreuung,<br />

die wir organisieren, und die pragmatischen Lösungen bei der Organisation von Lehrproben.<br />

Dies alles funktioniert nur, wenn ein Grundkonzept der schulischen Ausbildung vorhanden ist,<br />

konsequent umgesetzt und natürlich weiter entwickelt wird. Dabei gilt als oberste Prämisse, dass<br />

die Ausbildungszeit an der Schule als „Versuchs- und Probierphase“ angesehen werden muss, die<br />

durch ausgebildete Lehrer und die Schulleitung beobachtet, analysiert und ausgewertet und (gegebenenfalls)<br />

nachgesteuert wird.<br />

2 Schulische Ausbildungszeit<br />

2.1 „Enge“ Führung im 1. Semester<br />

Der Ersteinsatz der Referendare erfolgt – bedingt durch eine zu späte Zuweisung an die Ausbildungsschulen<br />

durch die Senatsverwaltung – nicht optimal. Auch wenn die Schulen Bedarfe für<br />

einzelne Fächer anmelden und seit kurzer Zeit auch Referendare namentlich anfordern können,<br />

sind die Fachkombinationen der zugewiesenen Referendare mitunter überraschend und zwingen<br />

Schulleitungen, die Einsatzpläne des gesamten Kollegiums immer wieder zu verändern, da die<br />

Personaldecke insgesamt viel zu dünn ist.<br />

Dies ist auch ein Grund dafür, dass wir Referendare mindestens im 1. Semester nicht in der Kursphase<br />

eigenverantwortlichen Unterricht erteilen lassen. Diese Entscheidung wird unter anderem<br />

auch dadurch gestützt, dass wir mit einer „Rasterplanung“ in der Kursphase arbeiten und die Vereinbarkeit<br />

von Fachseminartagen und lange im Vorfeld festgelegten Kursschienen oftmals mit den<br />

Ausbildungsverpflichtungen der Fach- und Hauptseminare nicht immer gewährleistet ist. Außer-<br />

Seite 40


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

dem ist in letzter Zeit immer häufiger festzustellen, dass mitunter die fachliche Ausbildung bei einzelnen<br />

Referendaren nicht unbedingt einen fundierten und auf die Anforderungen des (Zentral-<br />

Abiturs) orientierten Unterricht in der gymnasialen Oberstufe sofort ermöglichen. Dies wird jedoch<br />

erst im Laufe des aktuellen Semesters deutlich, und eine dann notwendige grundsätzliche Umverteilung<br />

der Unterrichtsverteilung gestaltet sich als äußerst schwierig. Für alle Beteiligten (Referendar,<br />

Lehrer, Schüler) stellt die <strong>Neu</strong>besetzung von Lerngruppen im laufenden Schulhalbjahr/Semester<br />

eine unnötige Unterbrechung der aktuellen Lernprozesse und des Unterrichtsklimas<br />

dar und nicht zuletzt wird zumindest der Referendar hinsichtlich seiner Kompetenz und/oder seiner<br />

Persönlichkeit unverantwortlich bloß gestellt 3 . Notwendige Umbesetzungen zum Schulhalbjahreswechsel<br />

sind inzwischen normal in der Berliner Schule und somit wirken Veränderungen der innerschulischen<br />

Landschaft nicht diskriminierend. Mitunter helfen diese Umbesetzungen den Referendaren<br />

auch, ihre eigentlichen Qualitäten und Präferenzen zum Tragen kommen zu lassen bzw.<br />

neue zu entdecken.<br />

Für den allgemeinen Unterrichtseinsatz der Referendare im 1. Semester in der Sekundarstufe I<br />

versuchen wir auch sicherzustellen, dass diese mindestens eine vollständige Klasse unterrichten,<br />

so dass sie die Möglichkeit haben, in Bildungs- und Erziehungsprozesse durch den Klassenlehrer<br />

eingebunden und durchaus auch – je nach entwickelter Lehrerpersönlichkeit – mit einzelnen Aufgaben<br />

in diesem Bereich betraut werden können. Außerdem ist festzustellen, dass eine emotionale<br />

Bindung an „ganze“ Klassen leichter funktioniert als in zusammengesetzten Gruppen, in denen<br />

sich die Beziehungen der Schüler untereinander erst herausbilden müssen.<br />

Darüber hinaus erhält jeder Referendar von Beginn an in mindestens einem seiner Fächer (je nach<br />

aktueller Unterrichtsausstattung des Schulhalbjahres) einen direkten Ansprechpartner/Mentor<br />

zugewiesen, der die erste Orientierung an der Schule erleichtert. Im Idealfall wird dieser Mentor in<br />

wenigstens einer der Unterrichtsstunden des Referendars „doppelt gesteckt“; d. h., er wird im Allgemeinen<br />

der direkten Vertretungsreserve der Schule entzogen. Somit stellen wir sicher, dass eine<br />

Beobachtung der ersten Unterrichtsversuche zumindest teilweise möglich ist, auf „Anfängerfehler“<br />

eingegangen und im Bedarfsfall gegengesteuert werden kann. Andere Potenziale, die sich durch<br />

diese Doppelsteckung ergeben, sind das Teamteaching, ein mögliches „Vorbildunterrichten“ des<br />

Mentors bzw. auch eine – zeitlich begrenzte – äußere Differenzierung bei schwierigen Lerngruppen.<br />

Dies hat sich dahin gehend positiv ausgezahlt, dass wir einzelnen Referendaren so die<br />

Chance geben konnten, auch in schwierigen Lerngruppen verschiedenste Unterrichts- und Erziehungs-methoden<br />

auszuprobieren und die Einsicht zu gewinnen, dass auch komplizierte Voraussetzungen<br />

gemeistert werden können. Ein weiterer Vorteil dieser Doppelsteckung für die Ausbildung<br />

des Referendars ist auch, dass vor allem inhaltliche Abstimmungen zwischen Referendar<br />

und Mentor erfolgen müssen, so dass sicher gestellt wird, dass die Methoden-vielfalt nicht die inhaltliche<br />

Erarbeitung des Fachwissens und die Kompetenzentwicklung der Lernenden in den Hintergrund<br />

drängt.<br />

Positiver Nebeneffekt dieser Doppelsteckung ist natürlich auch, dass anleitende Lehrer u.U. auch<br />

kleinere Lerngruppen unterrichten können, dass „Teilungsunterricht“ auch einmal Fächern zu Gute<br />

kommt, die normalerweise nicht zu den typischen Teilungsfächern gehören und dass im Notfall ein<br />

Vertretungslehrer ohne größere Probleme bereitsteht.<br />

Innerhalb des ersten (bzw. zweiten) Semesters wird – je nach Entwicklungsstand des Referendars<br />

– die Hospitationstätigkeit des Mentors reduziert und die doppelt gesteckten Stunden können wieder<br />

der direkten Vertretungsreserve zugeführt werden.<br />

3 Angemerkt sei hier, dass im Zuge der „Schadensbegrenzung“ – vor allem zum Schutz der Schüler – Umbesetzungen bzw.<br />

Veränderungen in der Betreuung notwendig sein können. Von diesen Maßnahmen sollte allerdings nur im äußersten Notfall<br />

Gebrauch gemacht werden.<br />

Seite 41


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Im Verlauf der ersten sechs Unterrichtswochen haben alle Referendare die Möglichkeit, den Mentor<br />

zu wechseln 4 und sich für das zweite Fach – sofern nicht bereits durch die Schulleitung festgelegt<br />

– selbstständig einen anleitenden Lehrer zu suchen. Hierbei kann aller-dings nicht durchgängig<br />

gewährleistet werden, dass der anleitende Lehrer regelmäßig zu einem festgelegten Zeitpunkt<br />

dem Unterricht des Referendars beiwohnen kann; in Absprache mit dem stellvertretenden Schulleiter<br />

wird der Unterricht beider für einzelne Stunden so organisiert, dass Besuche und Auswertungen<br />

möglich sind. In der Regel ergibt sich auch eine indirekte Wahl des anleitenden Lehrers aus<br />

der Zusammenarbeit mit Kollegen in einer parallelen Lerngruppe.<br />

Neben der Hospitation durch anleitende Lehrer und deren regelmäßiges Feedback gehört es zu<br />

den Selbstverständlichkeiten der Schulleitung (Schulleiter und Stellvertreter), dass diese den Lehrproben<br />

weitgehend beiwohnen. Mitunter wird diese Tätigkeit auch an die entsprechenden<br />

Fach(bereichs)leiter delegiert. Auch eine Teilnahme des anleitenden Lehrers in einzelnen Lehrproben<br />

sollte sichergestellt werden.<br />

Nach erfolgter Hospitation ist auch immer ein kurzes Feedback mit den Ausbildern notwendig, um<br />

sich über Fortschritte des Referendars auszutauschen bzw. Sofortmaßnahmen/ Entwicklungsschwerpunkte<br />

bis zum nächsten Unterrichtsbesuch kurz abzustimmen. Hierzu gehört im Rahmen<br />

des obligatorischen Auswertungsgesprächs durch die Schulleitung auch die deutliche Formulierung<br />

von Zielen gegenüber dem Referendar, was man beim nächsten Mal unbedingt sehen<br />

möchte bzw. abgebaut werden sollte. Damit möchten wir die Referendare ermutigen, <strong>Neu</strong>es bzw.<br />

Ungewöhnliches auszuprobieren und sich nicht auf Traditionellem bzw. Bewährtem auszuruhen<br />

und bereits im Referendariat eine Methodenmüdigkeit aufkommen zu lassen. Also bitte nicht immer<br />

Partner- bzw. Gruppenarbeit mit Präsentation (von Folienschnipseln am OHP), nur Musikpraxisstunden<br />

oder immer Stundeneinstiege mit Bildimpulsen, …<br />

Um die Referendare bereits im 1. Semester mit Unterricht in der gymnasialen Oberstufe vertraut<br />

zu machen, wird an unserer Schule jeder Referendar mit einem „Pflichthospitationskurs“ beauftragt.<br />

Dies betrifft meist eine Doppelstunde im Grundkurs des 1. bzw. 2. Semesters und ermöglicht<br />

dem Referendar, ggf. eine Lerngruppe für eine eigene kurze Unterrichtsreihe in der Sekundarstufe<br />

II komplikationslos zur Verfügung zu haben, die er etwas genauer kennt. Somit kann eine Analyse<br />

der Lernvoraussetzungen für eine Lehrprobe präziser erfolgen und ein auf Progression angelegter<br />

Unterricht erwartet werden. Auch ist eine engere Beziehung zu diesem Kurs gegeben, da der Referendar<br />

in Gruppenarbeitsphasen durchaus im Sinne des Teamteachings aktiv in die Lernprozesse<br />

eingebunden werden kann. Auch hier hat die „Doppelsteckung“ den Vorteil, dass Kurse im<br />

Bedarfsfall ohne größeren Aufwand vertreten werden können 5 . Natürlich muss hier genau bedacht<br />

werden, unter welchen Voraussetzungen dies erfolgen kann. Eine „ad hoc“-Vertretung ist nur bei<br />

guten Referendaren möglich; mit entsprechender Vorbereitung und ggf. einer Materialbereitstellung<br />

durch den verantwortlichen Lehrer ist dies von fast jedem machbar. Gerade diese kurzen<br />

Sequenzen verdeutlichen dem Referendar, dass er auch mit anderen Schülerpopulationen umgehen<br />

kann oder dass sich die Arbeit wider Erwarten komplizierter darstellt, dass der Unterricht in der<br />

gymnasialen Oberstufe anders angegangen werden muss und dass ein anderes Auftreten des<br />

Lehrers möglich oder auch notwendig ist.<br />

Der „Pflichthospitationskurs“ sollte mindestens sechs Unterrichtswochen besucht werden; danach<br />

kann gewechselt werden (Fach, Lehrer, etc). Der neue Hospitationskurs sollte je-doch möglichst<br />

wieder eine zusammenhängende Sequenz beinhalten. Den Kurswechsel bespricht der Referendar<br />

mit den betroffenen Fachlehrern und organisiert diesen selbst-ständig. Eine Information der<br />

Schulleitung (vor allem des Stellvertreters) über den Wechsel gilt als Selbstverständlichkeit.<br />

4 Dies geschieht erfahrungsgemäß nur in Einzelfällen bei unüberbrückbaren Unstimmigkeiten.<br />

5 Im Zuge des zentralen Abiturs ist dies eine immer wichtiger werdende Notwendigkeit.<br />

Seite 42


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

2.2 „Gelockerte“ Führung ab dem 2. Semester<br />

In den folgenden Semestern wird die „enge“ Führung immer weiter gelockert. Dies hängt stark von<br />

den bisher gezeigten Leistungen und von der allgemeinen Lehrerpersönlichkeit des Referendars<br />

ab und erfolgt natürlich in enger Absprache mit dem Referendar, den Aus-bildern und der Schulleitung.<br />

Der weitere Einsatz wird natürlich auch maßgeblich von der Unterrichtsversorgung bzw.<br />

den Engpässen der Schule bestimmt. Wir bemühen uns, die Wünsche der Referendare zu realisieren,<br />

beraten aber auch dahingehend, wo wir die Stärken jedes Einzelnen sehen. Hierbei wollen wir<br />

den Referendaren auch die Möglichkeit geben, diesen Abschnitt ihrer Ausbildung als „Probierphase“<br />

zu verstehen und Lerngruppen zu wechseln. Eine nochmalige Unterrichtsverpflichtung in<br />

einem Fach im gleichen Jahrgang bildet die Ausnahme. Sollte es jedoch dazu kommen, wird vor<br />

allem eine qualitative Verbesserung (tiefergehende Inhalte, alternatives methodisches Vorgehen)<br />

angestrebt. In diesem Falle kommt dem anleitenden Lehrer eine besondere Verantwortung zu.<br />

Spätestens ab dem 3. Semester unterrichtet jeder Referendar eigenverantwortlich einen Kurs in<br />

einem Fach in der gymnasialen Oberstufe, in der Regel im 1. bzw. 2. Kurshalbjahr. Der Einsatz<br />

von Referendaren im 3. und 4. Kurshalbjahr wird zwar nicht grundsätzlich aus-geschlossen, hat<br />

jedoch wegen der anstehenden Abiturprüfungen eine besondere Relevanz und bedarf einer<br />

gründlichen Abwägung der Vor- und Nachteile. Ein solcher Einsatz erfolgt nur bei besonders geeigneten<br />

Referendaren.<br />

Das selbstständige Unterrichten in der Sekundarstufe II entbindet die Schule jedoch nicht von Beratungs-<br />

und Hospitationsaufgaben. Hier gilt es vor allem, die Referendare zu verpflichten, inhaltliche<br />

Aspekte des jeweiligen Kurses mit parallel unterrichtenden Lehrern oder mit einem anleitenden<br />

Lehrer abzusprechen und den Fach-(bereichs)leitern eine grobe Arbeitsplanung vorzulegen.<br />

Dazu gehört auch, dass die Klausuren rechtzeitig im Vorfeld mit einem Fachkollegen abgesprochen<br />

werden, um sicherzustellen, dass fachbereichsinterne Festlegungen (formal) eingehalten und<br />

abiturrelevante Aufgabenformate gestellt werden. Durch die anleitenden Lehrer bzw.<br />

Fach(bereichs)leiter wird vereinzelt hospitiert, so dass ein qualitativ anspruchsvoller und zielführender<br />

Unterricht ermöglicht wird.<br />

Auf die oben dargestellte „Doppelsteckung“ wird in dieser Phase weitgehend verzichtet. Diese wird<br />

in eine allgemeine Beratungsfunktion umgewandelt. Dies schließt aber nicht aus, dass einzelne<br />

Referendare auch noch im 4. Semester Maßnahmen der „engen“ Führung erdulden müssen, um<br />

ihnen den erfolgreichen Abschluss der 2. Ausbildungsphase zu ermöglichen.<br />

Die Absicherung der Lehrproben in dem Fach, das nicht eigenverantwortlich in der gymnasialen<br />

Oberstufe unterrichtet wird, erfolgt ähnlich der Organisation von Oberstufenunterricht während der<br />

Anfangsphase der Ausbildung. Analog gilt dies für „ausgeborgte“ Lerngruppen in der Sekundarstufe<br />

I, wenn hier noch einmal Lehrproben aus bestimmten Gründen notwendig sind.<br />

2.3 Wiederholer – ein „Mix-Modell“<br />

Referendare, die es im ersten Anlauf nicht geschafft haben und somit einen Teil der Ausbildung<br />

noch einmal durchlaufen müssen, werden in einem kombinierten Modell zwischen „enger“ und<br />

„gelockerter“ Führung betreut. In der Regel unterrichten diese Referendare eigenverantwortlich in<br />

einem Kurs der gymnasialen Oberstufe 6 . Dies sollte immer das Fach sein, in dem es weniger<br />

fachliche Probleme gab. Hier sind der genaue Informationsfluss zwischen ehemaligen und neuen<br />

Ausbildern, eine gute Portion Menschenkenntnis der neuen Ausbildungsschule, aber auch die<br />

Offenheit der Referendare notwendig, um einen erfolgreichen Abschluss des Referendariats zu<br />

ermöglichen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die entsprechende Lehrerpersönlichkeit zum<br />

größtmöglichen Nutzen für Referendar, Schule und Schüler gefördert und geändert werden kann.<br />

Auch wenn diese Referendare bereits zwei Jahre Ausbildung an einer Schule erfahren haben, ist<br />

6 Aufgrund der besonderen Bedeutung der Abiturphase wird im Falle der Wiederholer eine „Doppelsteckung“ eher im eigenverantwortlich<br />

erteilten Grundkurs angestrebt als in einer Klasse der SEK I.<br />

Seite 43


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

hier ein wesentlich größerer Betreuungs- und Beratungsaufwand notwendig als bei den Referendaren,<br />

die regulär im 3. und 4. Semester sind. Es gilt also vor allem für die Schulleitung der betreffenden<br />

Schule, geschickt Freiräume so zu gestalten, dass ein häufiges Hospitieren im Unterricht<br />

des Referendars möglich ist.<br />

3 Ausblick – Was wäre eigentlich, wenn …?<br />

- … Referendare als Auszubildende anerkannt würden und nicht als vollwertige Lehrer Lücken in<br />

der Unterrichtsversorgung zu schließen hätten?<br />

- … Referendare nur die Hälfte ihrer Unterrichtsverpflichtung selbstständigen Unterricht abhielten<br />

und mit der anderen Hälfte im Sinne eines verpflichtenden Teamteachings beauftragt würden?<br />

- … Referendare etwa sechs Wochen nur den direkten Schulbetrieb der Ausbildungsschule kennenlernten<br />

und hospitierten, damit sie entsprechend ihrer Persönlichkeit und Erwartungen eingesetzt<br />

und Fehlbesetzungen am Anfang vermieden würden?<br />

- … wenn Referendare verbindlich verpflichtet werden würden, eine (fachfremde) Arbeitsgemeinschaft<br />

zu betreuen?<br />

- … wenn Referendare nicht nur quantitativ, sondern nach einem „Quotienten“ auf die Schulen<br />

verteilt würden, so dass eine intensive Betreuung und Ausbildung gewährleistet wäre und der Unterricht<br />

an der Ausbildungsschule vorrangig von ausgebildeten Lehrern mit abgeschlossenem<br />

zweiten Staatsexamen erteilt würde?<br />

- … Wiederholer wegen des deutlich höheren Beratungs- und Hospitationsbedarfs den Schulen<br />

nicht auf das Stundendeputat angerechnet würden?<br />

- … Mentoren fundiert geschult und ihre Arbeit vergütet (Stundenentlastung) würde?<br />

- …<br />

dann wäre es der Berliner Schule gelungen, noch bessere Lehrer mit stark ausgeprägten Lehrerpersönlichkeiten<br />

auszubilden, die dann mit Liebe und Hingabe zum Beruf Schüler leichter begeistern<br />

und uns alte, erfahrene verlustärmer ersetzen könnten.<br />

Torsten Franckowiak<br />

Stellvertretender Schulleiter der Albert-Einstein-Schule (Gymnasium), <strong>Neu</strong>kölln<br />

Seite 44<br />

Lehrtätigkeit und Lehrerpersönlichkeit – eine ständige<br />

Veränderung<br />

Ehemalige Schüler, heute um die dreißig Jahre alt, luden zum Klassentreffen ein, und in vor- gerückter<br />

Stunde und nach einigen Gläsern guten Rotweins stand die Frage im Raum, wie denn ein<br />

Lehrer von heute sein müsse, um mit den Jugendlichen der Gegenwart klarzukommen, die doch<br />

so ganz anders als sie selbst in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit seien.<br />

Mir fiel eine Dienstberatung ein, in der eine junge Kollegin feststellte, dass die Schülerinnen und<br />

Schüler gar nicht so wären, wie es ihr erzählt worden sei. Viele würden ihre Hausaufgaben nicht<br />

machen, den Unterricht stören, ja sogar renitent der Lehrkraft gegenüber auftreten. Es sei doch die<br />

Aufgabe des Schulleiters, dagegen etwas zu unternehmen.<br />

In beiden Beispielen klingt sie an, die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit, mit der sich bereits<br />

Generationen von Pädagogen beschäftigten. Rousseau, Pestalozzi, Fröbel und andere. Alle beto-


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

nen, neben vielen wichtigen pädagogischen Theorien, die Grundvoraussetzung für einen guten<br />

Pädagogen sei die Achtung vor dem anvertrauten Individuum, seiner Selbstständigkeit und seiner<br />

Einbindung als soziales Wesen.<br />

Im „Handbuch der Erziehung und des Unterrichtes zunächst für Seminarzöglinge und Elementarlehrer“<br />

von D. Kehreins aus dem Jahre 1886 steht auf Seite 495 unter der Überschrift „Der Lehrer“<br />

Folgendes: „... Sein Amt [das des Lehrers] ist also a) ein überaus wichtiges und folgenschweres, b)<br />

ein edles und heiliges, c) ein pflichten= und verantwortungsreiches. ... Sein Amt beschäftigt sich<br />

mit dem edelsten Gegenstande, den Kindern,...“ Seit Erscheinen dieses Buches sind über 120<br />

Jahre vergangen, die Auffassung über das Amt halte ich nach wie vor für sehr aktuell. Aber die<br />

Gesellschaft und damit auch ihr „edelster Gegenstand“ hat sich verändert, müssten sich neben der<br />

Lehrtätigkeit nicht auch die Ansichten über die Lehrerpersönlichkeit verändert haben?<br />

Unbestritten, die Klientel an der Sekundarschule ohne gymnasiale Oberstufe ist gegenüber einer<br />

Realschule ein anderes. Es ist vielfältiger geworden und jeder Einzelne erhebt den Anspruch auf<br />

Beachtung und individuelle Förderung, ganz abgesehen von den manchmal realitätsfernen Vorstellungen<br />

der Eltern. Wie aber kommt es, dass es durchaus Berufsanfänger gibt, die mit den unterschiedlichsten<br />

Individuen so arbeiten können, dass diese am Ende ihrer Schulkarriere, trotz<br />

schlechter Prognose, einen Schulabschluss und zum Teil sogar eine Lehrstelle erhalten? Ist es die<br />

Lehrerpersönlichkeit?<br />

Meine These: Ja, diese Lehrkraft achtet die ihm anvertrauten Zöglinge in ihrem eigenen sozialen<br />

Umfeld, stellt gleichzeitig ganz klare, erfüllbare Anforderungen und sanktioniert bei Nichterfüllung,<br />

fördert die selbständige Erkenntnis der Schülerinnen und Schüler und sieht ihr Amt als überaus<br />

wichtiges und folgenschweres an. Diese Lehrkraft ist für die Schüler da und bemüht sich, im Rahmen<br />

der rechtlichen Gegebenheiten, Inhalte und Lernziele so zu vermitteln, dass sich die Schüler<br />

nicht nur ernst genommen fühlen, sondern auch noch Spaß am Unterricht haben, und zwar mit der<br />

Lehrkraft gemeinsam. Diese Lehrperson wird von den Schülern vorbehaltlos akzeptiert, was wiederum<br />

dazu führt, dass sie im Allgemeinen, nach eigener Aussage, sinnvolle Erfüllung in ihrer Tätigkeit<br />

findet. Eine gute Lehrerpersönlichkeit.<br />

Es gibt aber auch Berufsanfänger, die Inhalte von Rahmenlehrplänen, Paragraphen von Schulgesetzen<br />

und Verordnungen genau kennen. Sie bereiten sehr zeitaufwändig und theoretisch fundiert<br />

Unterrichtstunden vor, sind aber dennoch frustriert, weil die Unterrichtsstunde nicht das erhoffte<br />

Ergebnis brachte. Die Ursache dafür und für schlechtes Abschneiden bei Lernerfolgskontrollen,<br />

Prüfungen oder bei Unterrichtsstörungen werden vorrangig beim schwierigen Schülerklientel gesucht.<br />

Liegt es an der Lehrerpersönlichkeit?<br />

Meine These: Ja, denn dieser Lehrkraft wird es aufgrund ihrer Lehrerpersönlichkeit nicht gelingen,<br />

die ihr anvertrauten Zöglinge zu erreichen, obwohl sie zeitaufwändige und theoretisch fundierte<br />

Vorbereitungen erarbeitet. Aber die Lernenden werden nicht einbezogen in die Wissensvermittlung,<br />

sondern als Erfolg würde schon betrachtet, wenn die Klasse ruhig ist und den vermittelten<br />

Unterrichtsstoff im <strong>Heft</strong>er schriftlich fixiert hat. Index dafür ist das Abfragen von aus dem <strong>Heft</strong>er<br />

vorzulesenden Antworten. Sie sieht das Amt eher als Beruf denn als Berufung. In der Vorbereitung<br />

wiegen theoretische Grundsätze und Rahmenlehrplanerfüllung schwerer als die individuellen<br />

Voraussetzungen und bei Konflikten wird häufig auf starren Grundsätzen beharrt, um eine Orientierung<br />

im Schulalltag zu haben. Eine positive Erfüllung im Berufsleben wird sich nur schwer einstellen.<br />

Frustration, Suche nach „Leidenskameraden“ zum gemeinsamen Auswerten der Gesamtsituation,<br />

gesundheitliche Beeinträchtigungen und, sofern möglich, die Flucht in die außerunterrichtliche<br />

Tätigkeit sind die Folge. Die Lehrerpersönlichkeit findet keinen Anklang bei den Lernenden.<br />

Um nicht falsch verstanden zu werden, die Mehrzahl der Pädagogen leistet tagtäglich eine gute<br />

und schülerorientierte Arbeit mit vorzeigbaren Ergebnissen. In den nächsten Jahren jedoch wird<br />

Seite 45


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

fast das gesamte Lehrpersonal altersbedingt ausgetauscht. Wenn die Berliner Schule in Zukunft<br />

bestehen möchte, muss über den Unterschied zwischen Lehrtätigkeit und Lehrerpersönlichkeit<br />

diskutiert werden.<br />

Aus meiner Erfahrung finden gute Lehrerpersönlichkeiten nicht nur Zufriedenheit in ihrem Beruf<br />

und können Erfolge aufweisen bei der Entwicklung ihrer Schüler, sondern finden auch Anerkennung<br />

bei Schülern und Eltern, was wiederum Motivation für die weitere Arbeit ist.<br />

Insofern hat sich m.E. die Lehrtätigkeit gewaltig verändert, die Methoden sind andere, die Medien<br />

immer moderner und die gesellschaftlichen Entwicklungen nehmen an Geschwindigkeit zu. An den<br />

Grundsätzen einer guten Lehrerpersönlichkeit jedoch finde ich keine Veränderungen. Nach wie vor<br />

gilt: Achtung vor dem anvertrauten Individuum, seiner Selbständigkeit und seiner Einbindung als<br />

soziales Wesen.<br />

Gibt es Wege, gute Lehrerpersönlichkeiten für den Schuldienst zu gewinnen?<br />

Dazu gehört m.E. in der Ausbildung eine frühere Berührung mit dem späteren Arbeitsplatz Schule.<br />

Nicht als Hospitant, sondern als aktiv Handelnder.<br />

Hier könnten z.B. so genannte Schulpartnerschaften mit den ausbildenden Hochschulen initiiert<br />

werden. Studenten der ersten Semester sollten frühzeitig<br />

• Teilungs- oder Förderunterricht übernehmen,<br />

• an sozialen Projekten oder Schulprojekten teilnehmen und bei der Organisation unterstützend<br />

wirken,<br />

• in der Schulsozialarbeit mitarbeiten,<br />

• unterstützend bei der Klassenlehrertätigkeit eingesetzt werden u.a..<br />

Dadurch ergeben sich sowohl für die Auszubildenden als auch für bereits tätige Lehrkräfte und<br />

Schulleiter gegenseitige Berührungspunkte. Diese können einerseits zur Bekräftigung des Berufswunsches<br />

führen, andererseits aber auch zur frühzeitigen Erkenntnis von Fehlentscheidungen, die<br />

sich aber noch korrigieren ließen, um einem letztlich unbefriedigendem Berufsleben vorzubeugen.<br />

Eine Korrektur von Lebenswegentscheidungen während des zweiten Ausbildungsstadiums als<br />

LAA erscheinen eher abwegig.<br />

Hätte dieser Weg nicht auch den Vorteil, die verkürzte Ausbildungszeit als LAA ein wenig aufzufangen,<br />

weil die Studenten bereits frühzeitig unter wissenschaftlicher Begleitung in den Schulalltag<br />

hineinschnuppern? Im oben erwähnten Handbuch heißt es auf Seite 497: „Dazu [zu einem klaren<br />

und gesunden Verstand] muß sich gesellen das Erziehungsgeschick. Ohne dieses nützen die<br />

reichsten Kenntnisse nichts. Dieses Geschick ist zum Teil eine natürliche Gabe; es kann aber<br />

auch, wenigstens bis zu einem befriedigenden Grade erworben werden, besonders durch Aufmerksamkeit<br />

auf sich und gute Muster.“<br />

Auf dem Klassentreffen versuchte ich zu erklären, dass es wichtig sei, sich auf die Kinder und Jugendlichen<br />

einzulassen, sie dort abzuholen, wo sie sich sozial und vom Wissenstand her befänden.<br />

Wenn man dann noch gemeinsam mit den Schülern den Unterrichtsstoff bearbeite und auf<br />

die nötige Nähe und Distanz zu den Schülern achte, ohne seine Vorbildwirkung zu vernachlässigen<br />

und den Spaß außer Acht zu lassen, könne man ganz gut klarkommen. Ich weiß nicht, ob das<br />

als allgemeingültig durchginge, beim Klassentreffen schaute ich in nachdenkliche, zustimmende<br />

und ahnungslose Gesichter. Dass aber die Lehrerpersönlichkeit eine enorm wichtige, wenn nicht<br />

die wichtigste Rolle in der Schullaufbahn eines Schülers spielt, davon bin ich überzeugt und wünsche<br />

mir, dass dieser Aspekt bei der Ausbildung stärker als bisher berücksichtigt würde.<br />

Andre Grammelsdorff<br />

Schulleiter der Fritz-Kühn-Oberschule (Integrierte Sekundarschule)<br />

Seite 46


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Wie könnte man die Lehrerpersönlichkeit in der Zweiten<br />

Ausbildungsphase stärken?<br />

Hier soll die Ausbildung in der Schule im Fokus stehen.<br />

Inwiefern kann sie während der Ausbildungszeit in der Schule bedacht/berücksichtigt/gefördert<br />

werden?<br />

Wer Persönlichkeit sagt, meint eigentlich Persönlichkeitseigenschaften. Zu den bekanntesten gehören<br />

die „Big Five“: <strong>Neu</strong>rotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und<br />

Gewissenhaftigkeit. In diesem Fünf-Faktoren-Modell postuliert die Persönlichkeitspsychologie fünf<br />

Skalen für die Persönlichkeit. Natürlich wünscht man sich für die jungen Lehrerinnen und Lehrer<br />

optimale Werte in diesen fünf Faktoren: geringer <strong>Neu</strong>rotizismus, große Offenheit, Verträglichkeit<br />

und Gewissenhaftigkeit. Darauf darf man aber nicht hoffen. Nicht jeder ist der geborene Lehrer.<br />

Die Schaarschmidt-Studie zeigt, dass 25 Prozent von 20000 befragten Lehrern, Studenten und<br />

Referendaren unter das „resignative Muster“ fielen, also nur bedingt für den Lehrerberuf geeignet<br />

waren.<br />

Auf der anderen Seite muss man aber nicht unter allen Umständen auf das Naturtalent warten. Der<br />

Lehrerberuf ist erlernbar. Die Persönlichkeit kann sich auf die Anforderungen dieses sehr schwierigen<br />

und äußerst komplexen Berufs einstellen. Dies geht umso leichter, da man keine Entwicklung<br />

der Gesamtpersönlichkeit anstreben muss. Es reicht vielmehr die Lehrerpersönlichkeit im Auge zu<br />

haben. Diese ist quasi der „professionelle“ Teilaspekt der Persönlichkeit; nur der im Unterricht<br />

sichtbare Teil.<br />

Auf diesen Aspekt kann und sollte man im Rahmen der Ausbildung Einfluss nehmen. Selbstverständlich<br />

muss die Einwirkung Grenzen haben. Die Person der Lehrkraft hat unangetastet zu bleiben.<br />

Nur in der gemeinsamen Suche von Lehrkraft und Ausbilder nach einer Veränderung können<br />

positive Entwicklungen initiiert werden.<br />

Wenn man als Grundvoraussetzung akzeptiert, dass es mehrere, ja viele Arten gibt, ein guter Lehrer<br />

zu sein, ist schon viel gewonnen. Nur dann kann man sich überhaupt auf den Referendar einlassen<br />

und auch Ansichten und Handlungen akzeptieren, die von den eigenen abweichen, ja ihnen<br />

sogar entgegenlaufen. Man muss die Persönlichkeit akzeptieren, um an der Lehrerpersönlichkeit<br />

zu arbeiten. Manchmal muss man aber intervenieren, denn natürlich es gibt auch Verhaltensweisen,<br />

die nicht akzeptabel sind.<br />

Es geht um die Förderung einer Unterrichtsgestaltung, die den eigenen Stärken entgegenkommt:<br />

Wer gut und schnell reagieren und reden kann, muss die Feinstruktur einer Stunde in der Planung<br />

nicht ausführen. Wer zur vorschnellen Reaktion neigt, muss lernen abzuwarten und eine moderierende<br />

Steuerung anstreben, wer eher still ist, muss ermutigt werden, sich aktiver, auch inhaltlich,<br />

einzubringen.<br />

An der Martin-Buber-Oberschule haben wir ein Betreuungssystem entwickelt, das die jungen Kolleginnen<br />

und Kollegen vom ersten Tag an begleitet: Neben der gewählten Betreuungslehrerin bzw.<br />

dem Betreuungslehrer gibt es wöchentlich eine Beratungsstunde beim Schulleiter bzw. bei der<br />

stellvertretenden Schulleiterin. Dies wird durch die üblichen Unterrichtsbesuche durch den Schulleiter<br />

ergänzt.<br />

Das Hauptaugenmerk, neben organisatorischen Belangen, liegt im Verhältnis der jungen Menschen<br />

zur Lerngruppe und zum Kollegium. Fachdidaktische Fragen werden kaum betrachtet.<br />

Diese können sicher durch die jeweiligen Fachseminarleiterinnen und -leiter bzw. die Betreuungslehrkräfte<br />

viel besser als von der Schulleitung beantwortet werden.<br />

In Einklang mit John Hattie stehen die Schaffung einer positive Lernsituation, ein neutrales Feedback,<br />

das Zutrauen zu den Schülerinnen und Schülern (Vertrauen haben, dass die Schülerinnen<br />

Seite 47


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

und Schüler etwas können.) im Vordergrund unserer Arbeit. Der wichtigste Aspekt aber ist eine<br />

positive Einstellung zum Lernen (auch zum eigenen Lernen)<br />

Positive Einstellung zum Lernen<br />

Der Lehrerberuf ist erlernbar! Dies ist die wichtigste Botschaft, die wir den jungen Kolleginnen und<br />

Kollegen gleich zu Anfang mitgeben. Dieses Vertrauen zur Lernfähigkeit soll sie auch befähigen,<br />

positiv an das Lernen der Schülerinnen und Schüler heranzugehen.<br />

Dazu bespreche ich mit den Referendarinnen und Referendaren den Abschnitt „Allgemeine und<br />

individuelle Lernvoraussetzungen“ aus ihren jeweiligen Stundenentwürfen. In diesem Abschnitt<br />

wird oft die Haltung des Auszubildenden zur Lerngruppe deutlich. Wird die Lerngruppe positiv oder<br />

negativ gesehen? Im Gespräch versuche ich dann die Auswirkungen der vorhandenen Grundeinstellung<br />

zu verdeutlichen. Nur wer seinen Schülerinnen und Schülern etwas zutraut, wird auch etwas<br />

erreichen.<br />

Natürlich nimmt eine Schule durch ihr Sein, durch ihren Geist auf die Persönlichkeit Einfluss. Eine<br />

offene Atmosphäre lässt Fehler zu, gibt den jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich<br />

zu entfalten, d.h. sich zu entwickeln. Wer bei sich Fehler als Ausgangspunkt für eine Entwicklung<br />

sieht, wird dies auch bei seinen Schülern können. Referendare müssen also Zeit für Fehler bekommen,<br />

man muss sie ihnen auch innerlich verzeihen oder nachsehen und nicht nachtragen. Sie<br />

müssen ihren Stil finden, nicht den ihrer Ausbilder. Dabei kann man durchaus fragen, was für die<br />

Rolle günstig ist und was nicht.<br />

Die wichtigste Aufgabe des Ausbilders (in dem Fall der Schulleiterin/des Schulleiters) ist es, den<br />

jungen Kolleginnen und Kollegen die Wirkungen ihres Handelns (als aktiven Ausdruck ihrer<br />

Lehrerpersönlichkeit) aufzuzeigen.<br />

Schaffung einer positiven Lernsituation<br />

Schulz von Thun macht in seinem Buch „Miteinander reden“ deutlich, dass eine wesentliche Voraussetzung<br />

für einen Humanistischen Kommunikationsstil ist, dass die Schülerinnen und Schüler<br />

diesen Stil nicht als Anbiederung verstehen. Die Lehrkraft muss die Autorität besitzen, einen Dialog<br />

auf Augenhöhe zu führen.<br />

Zur Autorität gehören die Körpersprache und die Raumregie in Bezug auf den Standort der Lehrkraft.<br />

Wir haben vereinzelt Referendarinnen und Referendaren Schauspielunterricht vermittelt,<br />

damit sie ihre körperliche Präsenz in der Klasse erhöhen. Nur wer wahrgenommen wird, kann führen.<br />

Durch gezielte Hinweise versuchen wir immer wieder die Komplexkapazität zu erhöhen. Damit soll<br />

das erreicht werden, was Jacob S. Kounin (1976, 2006) als Allgegenwärtigkeit und Überlappung<br />

bezeichnet. Also die Fähigkeit den Einzelnen und das Ganze in der Klasse gleichzeitig zu sehen.<br />

Auch hier gilt es den Referendaren zu vermitteln, dass der Beruf keine Überforderung darstellt,<br />

sondern eine Herausforderung.<br />

Viel Raum in unseren Gesprächen nehmen die Unterrichtsstörungen ein. Man muss bei jeder Disziplinierung<br />

überlegen, was man als Gegenreaktion aushält. Wer Druck macht, erzeugt Gegendruck.<br />

Wer zu viel Druck macht, wird vom Gegendruck „zerquetscht“. Dazu soll sich jeder Referendar<br />

fragen, wie viel Gegendruck er aushalten kann; wie sehr er geliebt werden will. Dazu ist es<br />

manchmal nötig, die Persönlichkeit von der Lehrerpersönlichkeit zu trennen. Die Schüler wehren<br />

sich oft gegen den Lehrer nicht gegen den dahinter liegenden Menschen.<br />

Die Referendare sollen ihr persönliches Maß, auf Störungen klar aber nicht zu hart zu reagieren,<br />

kennenlernen. Sie müssen die Form der Disziplinierung erlernen, die zu ihrer Persönlichkeit passt.<br />

Oder ihre Lehrerpersönlichkeit (Professionalität) einem erfolgreichen Disziplinierungsmechanismus<br />

anpassen.<br />

Seite 48


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Schaffung einer Feedbackkultur<br />

Wie ich als Schulleiter in beschreibender Form Feedback gebe, so hoffe ich, dass es die Referendarinnen<br />

und Referendare ihren Schülerinnen und Schülern gegenüber ebenso tun. Man darf nicht<br />

beleidigt sein, wenn Schüler etwas (selbst nach der dritten Erklärung) noch nicht verstanden haben.<br />

Ohne Lob und Tadel den Ist-Stand zu beschreiben, ist eine große Herausforderung. Die eigene<br />

Schulerfahrung, die sich ja so tief in die Persönlichkeit eingegraben hat, muss hier durch eine<br />

neue Lehrerpersönlichkeit ersetzt werden. Dazu müssen die Feedbackerfahrungen, die die Referendare<br />

mit mir, dem Schulleiter, machen, besprochen werden. Dies setzt ein großes Vertrauen<br />

voraus, das vielleicht nicht immer vorhanden ist. Denn schließlich ist der Schulleiter Trainer und<br />

Beurteiler gleichzeitig.<br />

Der Druck, der auf den Referendaren während ihrer Ausbildung lastet, ist sehr groß. Wenn in dieser<br />

Situation nun auch noch massiv in die Persönlichkeit eingegriffen wird, kann dies schnell zu<br />

Überlastungen führen. Die Schule sollte den jungen Kollegen die Gelegenheit geben, sich auszuprobieren.<br />

Durch gezielte Rückmeldungen müssen die neuen Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit<br />

haben, sich in der Unterrichtssituation zu spiegeln. Wenn daraus der Wunsch nach einer Änderung<br />

der Lehrerpersönlichkeit erwächst, so sollte man dies positiv bewerten.<br />

Was wäre möglich?<br />

Eine Utopie: An allen Schulen arbeiten Schulpsychologen, die auch den Lehrkräften zur Verfügung<br />

stehen. Auf der Grundlage einer fundierten Analyse könnte dann fachkundig auf die Lehrerpersönlichkeit<br />

positiv eingewirkt werden.<br />

Aber wie schon gesagt, das ist eine Utopie.<br />

Lutz Kreklau,<br />

Schulleiter der Martin-Buber-Oberschule<br />

Professionalität und Persönlichkeit im Lehrberuf<br />

Eine Herausforderung an alle Kompetenzen<br />

Im Vertretungsbuch steht mein Name. Das habe ich erst um 10.00 Uhr bemerkt.<br />

In der 4. Stunde wollte ich eigentlich das Unterrichtsmaterial für den Grundkurs<br />

vorbereiten. Die Klasse im Vertretungsbuch kenne ich nicht. Nach dem Unterricht<br />

findet noch eine Konferenz statt. Außerdem muss ich den Unterricht für die<br />

sechs Stunden am morgigen Tag durchdenken. Wann soll ich eigentlich die<br />

Klausuren für den Grundkurs korrigieren? Die Schüler fragen mich schon seit<br />

Tagen, wann sie die Klausur zurückbekommen. Vielleicht schaffe ich das am<br />

Wochenende – da wollte ich aber eigentlich meine Freunde besuchen. Oje, ich<br />

bin auch noch für das Protokoll bei der Gesamtkonferenz vorgesehen. Ich muss<br />

die Eltern eines Schülers zurückrufen und der Musikkollege wollte mit mir über<br />

ein gemeinsames Projekt sprechen…<br />

So oder so ähnlich sieht der Arbeitstag an einer Schule aus. Um diese Situationen zu bewältigen,<br />

muss der Unterricht fachlich und methodisch gut geplant werden und ggf. eine Abweichung erlauben,<br />

da kein Arbeitsmaterial vorhanden ist. Für die Durchführung einer Vertretungsstunde sollte<br />

schon eine Idee im Hinterkopf existieren. Vielleicht findet man eine Möglichkeit, mit der Schullei-<br />

Seite 49


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

tung über das vorgesehene Protokoll der Gesamtkonferenz zu sprechen – und erreicht, dass man<br />

es ein anderes Mal schreibt oder dass die Abgabe terminlich verschoben wird. Für das geplante<br />

Telefonat mit den Eltern muss unbedingt eine ruhige Minute gefunden werden, damit die Probleme<br />

ohne Vorwürfe und doch mit aller Klarheit besprochen werden können. Vorausschauend planen,<br />

organisieren und kommunizieren ist unabdingbar, um die vielen Szenarien abzuarbeiten.<br />

Im Zentrum der Lehrerausbildung stehen jedoch die für die Gestaltung des Unterrichts notwendigen<br />

Fachwissenschaften, die Fachdidaktik, die Pädagogik in ihrer ganzen Vielfalt, außerdem Unterrichtsmethodik,<br />

verstärkt Mediendidaktik und das Unterrichten von Schülerinnen und Schülern,<br />

für die Deutsch nicht die Muttersprache ist.<br />

Die neueste Reform der Lehrerausbildung in Berlin will den Erwerb der vielfältigen Kompetenzen<br />

für den Lehrberuf besser systematisieren und durch einen höheren Praxisanteil bereits in der Studienphase<br />

optimieren. In der Tat: Die Art und Weise des Unterrichtens hat sich in den letzten zehn<br />

bis zwanzig Jahren deutlich verändert. Die neue Lehrergeneration ist vertraut im Umgang mit<br />

schülerzentrierten Methoden und Sozialformen. Die Arbeit mit Mindmaps, Moderationskarten oder<br />

die Durchführung eines Gruppenpuzzles ist für junge Pädagoginnen und Pädagogen eine Selbstverständlichkeit.<br />

Und dennoch: Im Schulalltag kommen sehr schnell sehr viele unerwartete Ereignisse<br />

auf einen zu, die bewältigt werden wollen. Sie führen dazu, dass der eigentliche Vorgang des<br />

Unterrichtens nur etwa die Hälfte der Arbeitszeit ausmacht.<br />

Vor vielen Jahren fragte ich eine ältere Kollegin, ob ihr der Lehrberuf denn noch Spaß mache. Die<br />

Antwort verblüffte mich, sie lautete: „Natürlich, wenn ich erst einmal dabei bin.“ Dieses kurze<br />

Statement sagt viel darüber aus, was sich im beruflichen Alltag abspielt. Der Vorgang des Unterrichtens<br />

nimmt nur einen Teil des zeitlichen Aufwandes ein. Es gibt daneben viele Tätigkeiten, die<br />

bewältigt werden müssen und einen erfolgreichen Unterricht und gute pädagogische Arbeit überhaupt<br />

erst ermöglichen.<br />

Bei Gesprächen mit Referendarinnen und Referendaren tauchen deshalb auch in der heutigen Zeit<br />

immer wieder Fragen auf, die man schon immer gehört hat: „Was mache ich, wenn die Klasse unruhig<br />

wird?“, „Gibt es ein Rezept für den Umgang mit undisziplinierten Schülerinnen und Schülern?“,<br />

„Wie plane ich eine realistische Unterrichtsreihe?“, „Gibt es irgendwelche Routinen beim<br />

Korrigieren, um die Zeit etwas zu reduzieren?“. Diese Fragen zeigen, dass trotz aller Planungen<br />

immer mal etwas passiert, was man nicht einkalkuliert hat und das einer Lösung bedarf.<br />

Die folgende Aussage eines jungen Kollegen über die Freuden des Lehrberufs macht nachdenklich:<br />

„Es ist ein tolles Gefühl, wenn man bei den Kindern sieht, wie es ‚klick‘ gemacht hat.“ Was er<br />

nicht gesagt hat: Wie oft kommt dies bei allen Schülerinnen und Schülern einer Lerngruppe vor<br />

und womöglich sogar gleichzeitig?<br />

Lernen ist ein ständiger und lang andauernder Prozess, bei dem es nur selten einen Jubelschrei<br />

aus vielen Kinderkehlen gibt, weil es in den Gehirnen „klick“ gemacht hat, also alle gleichzeitig etwas<br />

Substantielles gelernt haben. Es kommt mal vor, aber es ist so selten, dass selbst gestandene<br />

Kolleginnen und Kollegen eine Gänsehaut bekommen, wenn es passiert. Das Klischee vom allseits<br />

geliebten und bewunderten Lehrer, das auch in Spielfilmen immer wieder auftaucht, entspricht<br />

der Realität leider äußerst selten und sollte keinesfalls ein Grund sein, den Lehrberuf zu<br />

ergreifen.<br />

Gemeinsame positive Stimmungen bei Lehrenden und Lernenden entstehen nach längeren Prozessen,<br />

angefüllt mit Arbeit, mit Diskussionen und vielen Konflikten, die ausgehalten und durchgestanden<br />

sein wollen.<br />

Die Herausforderungen des Lehrberufs sind sehr komplex und lassen sich durch intensives Studium<br />

von Fachlektüre nicht antizipieren. Es ist zwar kein Thema für die Wissenschaft, da ein Lernerfolg<br />

der Schülerinnen und Schüler nicht klar dem Profil einer bestimmten Lehrerpersönlichkeit<br />

Seite 50


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

zuzuschreiben ist. Dennoch müssen angehende Pädagoginnen und Pädagogen für die Herausforderungen<br />

des beruflichen Alltags besser vorbereitet werden.<br />

Neben fachlicher und didaktischer Kompetenz benötigt eine Lehrkraft auch organisatorische, soziale<br />

und personale Kompetenz. Und für alle Bereiche ist eines unabdingbar: Die kommunikative<br />

Kompetenz. Freude am und Bereitschaft zum kommunikativen Austausch sind der Schlüssel zu<br />

allen Aufgaben, die eine Schule für eine Lehrkraft bereithält. Nicht alle Kompetenzen müssen bei<br />

jeder Lehrkraft gleich stark entwickelt sein, aber ein Totalausfall in einem der Bereiche führt im<br />

schulischen Leben unweigerlich zu erheblichen Problemen.<br />

Im Folgenden möchte ich auf die organisatorische, die soziale und die personale Kompetenz eingehen.<br />

Zur organisatorischen Kompetenz zählen das Strukturieren der Lerneinheiten und die Gestaltung<br />

des eigenen Arbeitsprozesses sowie das angemessene Agieren in der Organisation Schule. Abläufe<br />

von Arbeitstagen, Vertretungspläne, Raumvergabe, Durchführung von Exkursionen, Anschaffungen<br />

von Lehrmaterial, Absprachen mit Kollegen, Durchführung von Konferenzen, Umgang<br />

mit Akten und vieles mehr sind für viele Kolleginnen und Kollegen aufreibend. Die Gestaltung und<br />

Strukturierung des Unterrichts allein kostet schon viel Energie, aber ohne die Synchronisation der<br />

Abläufe im schulischen Zusammenhang funktioniert Unterricht nicht. Hier ist ein realistisches Zeitmanagement<br />

gefragt, das zur eigenen Persönlichkeit passt. Man muss sich damit auseinandersetzen,<br />

wie und wo man sich Freiräume schafft. Freizeit ist ein wertvolles Gut und sollte auch genossen<br />

werden dürfen. Oft denkt man an einem freien Tag, man müsste noch dies oder jenes erledigen,<br />

ein Problem klären oder eine Arbeit korrigieren, tut es aber nicht, weil man zu müde ist. Man<br />

kann nicht abschalten und hat abends das Gefühl, doch den ganzen Tag gearbeitet zu haben.<br />

Oder man arbeitet tatsächlich das Wochenende durch und das nächste vielleicht auch noch und ist<br />

dann zu erschöpft, seine Freizeit sinnvoll zu gestalten und tatsächlich zu erleben. Ein gefährlicher<br />

Weg, der irgendwann in die totale Erschöpfung führen wird.<br />

Die soziale Kompetenz gilt als herausragende und selbstverständliche Kompetenz von Lehrkräften.<br />

Auch hier sind die Herausforderungen an die Persönlichkeit sehr groß. Sensibilität und Kooperationsbereitschaft<br />

werden von Kolleginnen und Kollegen als Grundvoraussetzung angesehen.<br />

Aber bei Konflikten das Verhalten von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von Kolleginnen und<br />

Kollegen nicht persönlich zu nehmen, sondern als Signal zu verstehen, kostet Kraft und Nerven<br />

und gelingt nicht jedem auf Anhieb.<br />

Zu den Aufgaben von Lehrkräften gehören auch das Einschätzen und Bewerten von Lernprozessen<br />

und Lernergebnissen. Die daraus resultierende Beurteilung trifft nicht immer auf Verständnis,<br />

auch wenn sie noch so sorgfältig und korrekt gehandhabt wurde. Auch die Lehrkraft selbst wird<br />

beobachtet und natürlich von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen<br />

eingeschätzt und bewertet.<br />

Lehren ist eine Führungsaufgabe. Partnerschaftliches Führen muss erst gelernt und eingeübt werden.<br />

Ein falscher Ton oder eine Reaktion, die nicht erfolgt, können viel Schaden anrichten. Es ist<br />

Überblick notwendig, um Situationen zu klären, Probleme und Konflikte zur allseitigen Zufriedenheit<br />

zu lösen.<br />

Die personale Kompetenz ist aus meiner Sicht das Fundament für die Ausübung des Lehrberufs,<br />

jedoch am schwierigsten zu spezifizieren, da es hier auch um Persönlichkeitsmerkmale geht. Ausstrahlung,<br />

Flexibilität, Vielseitigkeit, Engagement, Gewissenhaftigkeit, Humor, emotionale Stabilität<br />

und Frustrationstoleranz werden im Zusammenhang mit der Anforderung an Lehrende in der Wissenschaft<br />

angesprochen (Döring/Ritter-Mamczek 1999, S. 118 ff.; Helmke 2009, S. 105;<br />

Krapp/Weidenmann 2006, S. 299 ff.), können aber nur bedingt herangezogen werden, um zu klären,<br />

wie eine besonders erfolgreiche Lehrperson „gestrickt“ sein sollte. Dennoch sollte sich eine<br />

angehende Lehrkraft damit auseinandersetzen, wie sie eigene Misserfolge erlebt, wie sie anderen<br />

Menschen Unterstützung gibt. Wie geht man damit um, wenn man sich mit einer Unterrichtsreihe<br />

Seite 51


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

sehr viel Arbeit gemacht hat, die Schülerinnen und Schüler den Unterricht aber langweilig finden<br />

und die Lernergebnisse äußerst mäßig sind?<br />

Und noch etwas muss man aushalten können: Mit dem Image des Lehrers steht es in Deutschland<br />

nicht zum Besten. Ein Lehrer gilt immer noch bei vielen Nichtpädagogen als jemand, der nur Wissen<br />

reproduziert, Macht über Kinder ausübt und lange Ferien hat. Selbst die engagiertesten Kolleginnen<br />

und Kollegen ärgern sich über entsprechende Witze, die im privaten Freundeskreis gemacht<br />

werden.<br />

Angehende Pädagoginnen und Pädagogen erleben oft, dass ihre durchaus sensiblen und toleranten<br />

Partner, sofern sie nicht selbst Pädagogen sind, Schwierigkeiten damit haben, dass abends<br />

nicht Freizeit angesagt ist, sondern Schreibtischarbeit für die Schule. Solche Belastungen in privaten<br />

Beziehungen können sehr verunsichern.<br />

Ich möchte meine Ausführungen zu den beruflichen Herausforderungen für Lehrkräfte mit einem<br />

Appell an die für die Lehrerbildung verantwortlichen Institutionen und die angehenden Lehrkräfte<br />

beschließen: Wir brauchen professionell handelnde Lehrkräfte. Diese sollen auch Individualisten<br />

sein, Menschen, die die Energie haben, Kinder und Jugendliche bei deren Lernprozessen über<br />

lange Zeiträume zu begleiten.<br />

Gerade weil die Lehrkräfte zu viele Unterrichtsstunden pro Woche unterrichten und ständig unter<br />

Druck stehen, müssen die Anforderungsbereiche, die stark an die Persönlichkeit angelehnt sind, in<br />

Studium und Referendariat systematisch thematisiert und bearbeitet werden. Dies würde den angehenden<br />

Pädagoginnen und Pädagogen bewusst machen, welche Eigenschaften sie besitzen,<br />

wie sie ihre Arbeit organisieren oder was persönliche Auseinandersetzungen und Kritik in ihnen<br />

auslösen.<br />

Lehrerinnen und Lehrer müssen täglich in unzähligen kommunikativen Situationen erfolgreich handeln<br />

und richtig entscheiden. Das klappt aber nur, wenn sie auch vielfältige Kompetenzen erwerben,<br />

die mit dem Stoff, den sie unterrichten möchten, rein gar nichts zu tun haben, ein befriedigendes<br />

Arbeiten in der Schule aber überhaupt erst gewährleisten.<br />

Empfehlenswerte Literatur:<br />

• Döring, W. Kl. / Ritter-Mamczek, B.: Lehren und Trainieren in der Weiterbildung, Weinheim<br />

1999.<br />

• Helmke, A.: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze 2009.<br />

• Krapp, A. / Weidenmann, B. (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Weinheim 2006.<br />

• Simon, Jana: Lehrerpersönlichkeiten: Der <strong>Neu</strong>e. Entnommen aus www.zeit.de/2010/31 am<br />

27.7.20<strong>13</strong> um <strong>13</strong>:48 Uhr<br />

• Sprenger, R. K.: Aufstand des Individuums. Warum wir Führung komplett neu denken müssen.<br />

Frankfurt/Main 2000.<br />

• Struck, P. / Würtl, I.: Vom Pauker zum Coach. Die Lehrer der Zukunft. Wien 1999.<br />

Cynthia Segner<br />

Schulleiterin am Gymnasium Tiergarten<br />

(ehemals Heinrich-von-Kleist-Schule und Menzel-Schule)<br />

Seite 52


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Wie man "der geborene Lehrer" wird?<br />

Beobachtungen eines Referendars zur Persönlichkeit in der Lehrerausbildung<br />

Persönlichkeit hat aus der Sicht von Referendaren zwei Dimensionen:<br />

erstens das Ideal einer Lehrerpersönlichkeit als Ziel der Ausbildung,<br />

zweitens die individuelle Persönlichkeit als Ausgangspunkt der Ausbildung.<br />

Davon ausgehend möchte ich meine Beobachtungen und Eindrücke nach Abschluss des ersten<br />

Jahres im Referendariat schildern.<br />

Die erste Phase<br />

Hätte man mich zu Beginn des Referendariates gefragt, ob die Universität mich auf den Lehrerberuf<br />

vorbereitet habe, so hätte ich wie meine Referendarskollegen 7 geantwortet: Was interessierte<br />

zu Beginn des Referendariats Theorie und Psychologie, wenn es ums "nackte Überleben" ging?<br />

Was ist eine Stundenplanung, lautete die Frage, und wie strukturiert man ein Halbjahr? Gewiss,<br />

einiges war in der ersten Phase angesprochen worden, war damals aber zu abstrakt, zu fern gewesen<br />

und daher auch nicht im Gedächtnis geblieben.<br />

Nach dem ersten Jahr hat sich das Bild nun komplett geändert, Reihenplanung, Sicherungsphase<br />

und Notengebung haben ihren mystischen Schleier verloren, gehören mehr und mehr zum Handwerkszeug<br />

- nun fragt man sich: Hätte man sich in der Uni nicht viel intensiver der Entwicklungspsychologie<br />

von Kindern und Jugendlichen widmen können und sollen? Oder auch der Lehrerpsychologie,<br />

um sein eigenes Handeln entsprechend wissenschaftlich zu reflektieren, um letztendlich<br />

die eigene Entwicklung voranzutreiben? Allein der Boom in der Forschung zur Lehrerpersönlichkeit<br />

böte genügend Stoff. Der Sinn des Studiums läge dann nicht in einer vorgezogenen berufspraktischen<br />

Ausbildung, sondern darin, einen akademisch fundierten Blick für das Feld der Praxis zu<br />

erwerben.<br />

Denn den "Schulschock" hätte wohl auch keine Trockenübung an der Uni je wesentlich lindern<br />

können, höre ich doch auch von Absolventen des zweiten Examens, also nach zwei Jahren intensiven<br />

Praxistrainings, "schauderhafte" Berichte über den danach einsetzenden Praxisschock.<br />

Referendariat<br />

Den Übergang von der Universität zum Referendariat dominierten bei allen Referendaren zwei<br />

Phänome: Der bereits angesprochene Schulschock, und ein kaum zu bewältigendes Arbeitspensum.<br />

Daraus resultierten die allseits bekannten Klagen über Stress, tiefnächtliche Vorbereitungen<br />

etc.<br />

Eine erste Beobachtung ist, dass der Schulschock rapide abnahm und bis zum Ende des ersten<br />

Semesters beinah vergessen war. Einerseits wegen einer enormen Lernkurve, andererseits, da<br />

der Stress zu einem deutlich höheren Grad an (Selbst-)Organisation zwang und so letztendlich<br />

persönlichkeitsbildend wirkte. Meine zweite Beobachtung ist, dass gewisse Stresshöhepunkte<br />

selbst bei höchstem Grad an Organisation auch im späteren Schulalltag unvermeidlich sind. Hier<br />

wiederum übernimmt das Referendariat die Funktion der Erprobungsstrecke für den eigenen<br />

Rhythmus und, wenn man so will, eines Belastungstrainings. Beide Aspekte, Selbstmanagement<br />

und Belastbarkeit, sind in Zeiten des Burnouts gewiss nützliche Persönlichkeitskompetenzen.<br />

Neben der Vermittlung verschiedener Lehrerkompetenzen und Einblicke in die Facetten des Lehrerberufes<br />

setzen die Seminare vor allem Impulse, sich untereinander auszutauschen. Das wiede-<br />

7 Alle gewählten Personen- und Amtsbezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen und schließen Frauen und Männer<br />

gleichermaßen ein.<br />

Seite 53


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

rum führte dazu, sich zu positionieren, seine Positionen auch zu überdenken und manches Mal zur<br />

Revidierung von Ansichten. Es wirkt hiermit also persönlichkeitsformend.<br />

Da jeder Lehrer jedoch nicht nur über seine Methoden und sein Wissen lehrt, sondern eben über<br />

seine gesamte Persönlichkeit, so ergeben sich ergänzende Vorschläge für ein über die "klassischen"<br />

Professionskompetenzen erweitertes Curriculum. Da ist an Rhetorikkurse zu denken, wie<br />

sie bei Nachwuchspolitikern üblich sind, Haltungs- und Bewegungskurse wie bei Schauspielern<br />

oder Zeitmanagementkurse usw. Einer Liste bisher fachfremder Kompetenzen ist kaum eine<br />

Grenze gesetzt.<br />

Über obigen Eingriff hinaus scheint mir der Einfluss des Fachseminares auf die zukünftige Lehrpersönlichkeit<br />

kaum einschätzbar, wenn er gewiss auch vorhanden ist. Doch über welche Faktoren<br />

wird es wirksam? Erschwerend kommt hinzu, dass je nach Referendarspersönlichkeit das gleiche<br />

Seminar unterschiedlich eingeschätzt wird: Sorgt etwa ein fehlender Semesterplan für Beliebigkeit<br />

oder Flexibilität? Ein engagierter, (über-) fordernder Seminarleiter stürzt den Anfänger in Selbstzweifel<br />

und verhilft gleichzeitig dem Fortgeschrittenen zum entscheidenden Schliff. Die derzeitige<br />

Struktur, die weder die Fachseminare noch deren Leiter normiert, hat letztlich den Vorteil, dass<br />

durch die entstehende Vielfalt jeder Referendarstypus bedient wird.<br />

Mit der Frage, was denn ein guter Lehrer sei, welche persönlichen Eigenschaften dieser habe, begann<br />

mein Hauptseminar und damit wohl wie jedes andere. Die Antworten konnten verschiedener<br />

nicht ausfallen. Mit der Frage nach den persönlichen Eigenschaften ist die spätere Rolle des Lehrers<br />

eng verwandt. Wir erfuhren, er sei Begabungsförderer, Motivator der Underachiever, Sozialarbeiter,<br />

Elternberater, Familientherapeut, Organisator - vom Sommerfest bis zur Klassenfahrt - ,<br />

verantwortlich für Schul- und Lernatmosphäre, Erziehung, Leistung, Vertrauen, demnächst noch<br />

Inklusator – und sein Fach, das beherrscht er nebenbei auch. Die Notwendigkeit der einzelnen Facetten<br />

steht außer Frage, es geht eher darum, wie viel dieses Idealbildes die individuelle Lehrkraft<br />

davon in sich integriert: Wird sie alles gleichzeitig oder Spezialist für das eine mit Blick für das andere?<br />

Und, hängt das nicht zu einem guten Teil von der Persönlichkeit ab? Hier interessiert also,<br />

wie der Lehramtsanwärter ausgehend von seiner Persönlichkeit möglichst in zwei Jahren in seine<br />

Rolle hineinfindet.<br />

Derzeit kann ich dafür folgende Faktoren ausfindig machen: Die Seminarleiter stellen am Rande<br />

eines Unterrichtsbesuches einen jeweiligen Stand fest und geben entsprechende Rückmeldung.<br />

Noch etwas anderes ist es, wenn im Zeugnis der recht schwammige Punkt "versteht sich ganzheitlich<br />

als Lehrer, der unterrichtet, erzieht, beurteilt und bewertet, berät und betreut" entsprechend<br />

eingefügt wird. In beiden Fällen aber wird mit erheblichem zeitlichen Abstand korrigierend eingegriffen,<br />

während der Handlungsdruck des Schulalltags letztlich für eine mehr oder minder ungesteuerte<br />

Entwicklung sorgt. Wie komme ich als Referendar also zu einer bewussten, kleinschrittigen<br />

und gelenkten Progression? Zur Theorie der Selbstreflexion habe ich bereits auf die Universität<br />

verwiesen, die Seminare wirken hier weiterhin aktivierend. Kann man sich aber nicht einen<br />

Entwicklungshelfer im Schulalltag vorstellen?<br />

Blickt man auf die Forschung zur Persönlichkeitsbildung von Lehrern, wird bereits die Bildung von<br />

persönlichen Entwicklungspartnerschaften gefordert, bei denen Lehrkräfte gegenseitig die Funktion<br />

eines kritischen Freundes übernehmen. Der Schritt zur Übernahme dieses Verfahrens ins<br />

Referendariat wäre klein, manche Schulen bieten ihren Referendaren bereits einen anleitenden<br />

Lehrer.<br />

Gegen das Konzept des anleitenden Lehrers ist vorgebracht worden, dass man als Referendar in<br />

eine schlichte Nachahmung von Handlungsmustern fallen könnte. Aber auch wenn die Übernahme<br />

von Verhaltensmustern scheitert, weil etwa das nachgeahmte Verhalten nicht zur eigenen Persönlichkeit<br />

passt, entwickelt sich doch auch dadurch ein eigener Stil. Allerdings muss dafür der "Habitus<br />

der Reflexivität" Usus werden. Dies ist in unseren Seminaren bereits angelegt, könnte jedoch<br />

stärker betont werden.<br />

Seite 54


Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit<br />

Ein zweiter Aspekt der Unterrichtsbesuche ist, dass sie durchweg als Prüfungs- und Stresssituation<br />

wahrgenommen wurden und werden, trotzdem unsere Seminarleiter unermüdlich ihre Rolle<br />

als Lernbegleiter beteuern. Erstens aber ist der Seminarleiter die Personalunion von Coach und<br />

Prüfer und zweitens besteht ein organisatorisch bedingter Ausnahmecharakter des Unterrichtsbesuches.<br />

Wie soll ein Seminarleiter coachend eingreifen, wenn er seinen Schützling nur alle acht Wochen<br />

einmal in einem als Stress- und Prüfungssituation empfundenen Unterrichtsbesuch sieht? Wie soll<br />

der Referendar dies gleichzeitig nicht als Ausnahmesituation empfinden? Nicht zuletzt kursiert unter<br />

uns Referendaren seit jeher und weiterhin die Unterscheidung von "Didaktikfeuerwerk" im Unterrichtsbesuch<br />

zu alltäglichem Unterricht. Diese extreme Kluft zwischen empfundenem Leistungsdruck<br />

und Realität lässt den Referendar nicht in seine Rolle finden und diese entwickeln, also<br />

seine Persönlichkeit bilden, sondern provoziert einen situativen Rollenwechsel. Dies hat die bekannte<br />

Konsequenz, dass die Rolle des "Didaktikzauberers" nach zweijähriger Zerreißprobe recht<br />

schnell als anstrengend und unauthentisch aufgegeben werden wird.<br />

Dies spräche für eine möglichst hohe Frequenz unangemeldeter Unterrichtsbesuche, allerdings<br />

vorzugsweise eben nicht den Seminarleiter sondern durch einen anleitenden Lehrer. Denn hierdurch<br />

wäre man gezwungen, einen eigenen Rhythmus für einen ordentlichen alltäglichen Unterricht<br />

zu finden. Während die Seminarleiter wie gehabt und erprobt das Handwerkszeug vermitteln<br />

und mit "prüfendem Blick" die Ausbildung begleiten, könnte der anleitende Lehrer annähernd täglich,<br />

vor allem aber kleinschrittig und ohne empfundenen Prüfungsdruck, steuernd eingreifen.<br />

Schluss<br />

Schulschock, Handlungsdruck, handwerklicher Fortschritt des alltäglichen Unterrichts und persönliche<br />

Rollenfindung in einem anspruchsvollen und facettenreichen Berufsbild benötigen ein<br />

"Coach" um die Entwicklung nachhaltig und bewusst zu beeinflussen. Eine Funktion, die derzeit<br />

der Seminarleiter innehat, der gleichzeitig aber auch der spätere Prüfer ist. Durch den dadurch<br />

empfundene Prüfungsdruck, wird der Sinn und Zweck von Unterrichtsbesuchen aber ungewollt<br />

konterkariert. Zudem sorgen die großen zeitlichen Abstände weniger für eine kleinschrittige, nachhaltige<br />

Steuerung der Persönlichkeitsentwicklung, sondern tendieren dazu, einen situativen Rollenwechsel<br />

zu provozieren. Diese Beobachtungen lassen den anleitenden Lehrer mit dessen<br />

Kompetenz und seinen Handlungsspielräumen in den Fokus rücken. Referendar Stefan Wagner<br />

hatte in diesem Zusammenhang (betrifft: 2007) eingewendet, von qualifizierten und engagierten<br />

Seminarleitern mehr gelernt zu haben, als von unqualifizierten und überlasteten Lehrern. Auch<br />

dies spräche nicht gegen das Konzept, im Gegenteil, es fordert geradezu, dass die anleitenden<br />

Lehrer entsprechend qualifiziert und vor allem entlastet werden.<br />

David Bordiehn<br />

Sprecher der LAA des 3. SPS Tempelhof-Schöneberg<br />

Referendar für Latein und Geschichte an der Kath. ISS St. Franziskus<br />

Seite 55


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes 2010 - 2012<br />

In einer Studie vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) wurden die Eingangsvoraussetzungen<br />

und die Ausbildungsergebnisse der Lehramtsanwärter/innen im Berliner<br />

Vorbereitungsdienst im Hinblick auf ihre Unterrichtskompetenz, ihre pädagogischen Wissensbestände<br />

und ihre berufsbezogene Orientierung untersucht und Aspekte der Ausbildungsqualität<br />

evaluiert. In dieser Studie wurden die Lehramtsanwärter/innen mit einer universitären Bachelorund<br />

Masterausbildung mit denen einer Staatsexamensausbildung sowohl für den höheren Dienst<br />

(Amt des Studienrats) als auch für den gehobenen Dienst (alle anderen Lehrämter) verglichen.<br />

In der Evaluation wurden die individuellen Voraussetzungen, die berufsbezogenen Überzeugungen<br />

und motivationalen Orientierungen erfragt und das pädagogische Unterrichtswissen der Lehramtsanwärter/innen<br />

wurde getestet. Außerdem stand in inhaltlicher Hinsicht von den vier Kompetenzbereichen<br />

der Standards für die Lehrerbildung (KMK, 2004) der Bereich Unterrichtskompetenz mit<br />

den damit verbundenen Lerngelegenheiten im Fokus.<br />

Folgende Fragestellungen sollten im Rahmen der Studie beantwortet werden:<br />

1. Über welche Eingangsvoraussetzungen (Eingangsqualität) verfügen die Lehramtsanwärter/innen<br />

(L) mit Abschluss Staatsexamen (im Folgenden als Staat(L) bezeichnet) im Vergleich<br />

zu denen mit Abschluss Master (im Folgenden als Master(L) bezeichnet) zu Beginn des Vorbereitungsdienstes?<br />

2. Über welche Eingangsvoraussetzungen (Eingangsqualität) verfügen die Studienreferendarinnen<br />

und -referendare mit Abschluss Staatsexamen (im Folgenden als Staat(StR) benannt) im<br />

Vergleich zu denen mit Abschluss Master (im Folgenden als Master(StR) bezeichnet) zu Beginn<br />

des Vorbereitungsdienstes?<br />

3. Über welche Kompetenzen im Bereich Unterrichten verfügen die Lehramtsanwärter/innen mit<br />

einem einjährigen Vorbereitungsdienst im Vergleich zu denen mit einem zweijährigen Vorbereitungsdienst<br />

am Ende des Ausbildungsabschnittes?<br />

4. Über welche Kompetenzen im Bereich Unterrichten verfügen Studienreferendarinnen und -<br />

referendare mit Abschluss Staatsexamen oder Master am Ende des Vorbereitungsdienstes?<br />

5. Welchen Beitrag zur Kompetenzentwicklung im Bereich Unterrichten leistet das Allgemeine<br />

Seminar im Hinblick auf das Ergebnis der Ausbildung?<br />

6. Welchen Beitrag zur Kompetenzentwicklung im Bereich Unterrichten leistet die Ausbildungsschule<br />

im Hinblick auf das Ergebnis der Ausbildung?<br />

Die 289 Lehramtsanwärter/innen, die für diese Studie ausgewählt wurden, traten den Vorbereitungsdienst<br />

im Januar 2010 an und wurden in einer Längsschnitt-Studie über ihren gesamten Ausbildungszeitraum<br />

von einem bzw. zwei Jahren zu insgesamt drei Erhebungszeitpunkten begleitet.<br />

An den Abschlusserhebungen nach einem bzw. zwei Ausbildungsjahren haben 215 Lehramtsanwärter/innen<br />

– entspricht einer Rücklaufquote von 74 % - teilgenommen. Die erste Erhebung fand<br />

zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst statt. Somit konnte eine Baseline der Evaluation, von der<br />

aus ein Nachzeichnen der Kompetenzentwicklung möglich war, ermittelt werden. Ende November<br />

2010 fand die Abschlusserhebung für die Lehramtsanwärter/innen des gehobenen Dienstes mit<br />

einem einjährigen Vorbereitungsdienst und Anfang Februar 2011 die Zwischenevaluation der<br />

Kompetenzen der Gruppe mit zweijährigem Vorbereitungsdienst statt. Hierdurch wird ein Vergleich<br />

der Entwicklung zwischen den Lehramtsanwärter/n/innen des L-Bereiches (ein- und zweijährig)<br />

Seite 56


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

und der Studienratslaufbahn ermöglicht. Im Oktober 2011 fand die Abschlusserhebung für die o. g.<br />

Teilnehmer/innen des zweijährigen Vorbereitungsdienstes statt.<br />

Die Evaluation besteht aus vier Teilen:<br />

1. Selbsteinschätzung der Lehramtsanwärter/innen, von denen die Selbsteinschätzungen zur<br />

Unterrichtskompetenz mit den Fremdeinschätzungen der Seminarleiter/innen und Schulleiter/innen<br />

verglichen werden;<br />

2. einem Test zu pädagogischem Unterrichtswissen, in dem deklaratives Wissen geprüft wird;<br />

3. Einschätzungen zu den Lerngelegenheiten in Seminar und Ausbildungsschule von den<br />

Lehramtsanwärter/n/innen sowie den Seminarleiter/n/innen und Schulleiter/innen, die über die<br />

Qualität der Ausbildung Aufschluss geben;<br />

4. die Zusatzkomponente PlanvoLL, in deren Rahmen das Planungswissen der LAA analysiert<br />

wird.<br />

Die Ergebnisse der Studie<br />

Individuelle Voraussetzungen, Überzeugungen und motivationale Orientierungen<br />

Im Vergleich zu den Staatsexamen(L) haben die Master(L) sowohl das Abitur als auch die<br />

Universitätsausbildung mit einem besseren Notendurchschnitt abgeschlossen. Die<br />

Mitarbeiter/innen des FiBS merken zu Recht an, dass die Noten des Masterabschlusses und des<br />

Staatsexamens nicht vergleichbar seien. Trotzdem gehen sie davon aus, dass die Master(L) mit<br />

etwas günstigeren kognitiven Voraussetzungen den Vorbereitungsdienst antreten als die Staat(L).<br />

Auch die Master(StR) erreichen nach der vorliegenden Studie etwas bessere Abitur- und Hochschulabschlüsse<br />

als die Staat(StR).<br />

Am Ende der Ausbildung konnten bei den einjährigen und zweijährigen Ausbildungsgängen der<br />

Master(L) keine Unterschiede hinsichtlich der kognitiven Voraussetzungen, Überzeugungen und<br />

motivationalen Orientierung erkannt werden.<br />

Bei den Studienreferendar/innen/en wird festgestellt, dass die Master(StR) hinsichtlich der Berufszufriedenheit,<br />

der intrinsischen Motivation und des beruflichen Commitments positiver eingestellt<br />

sind als die Staat(StR), was nach Angaben des FiBS jedoch statistisch nicht signifikant wird.<br />

Die Eingangserhebung hat außerdem gezeigt, dass sich die Lehramtsanwärter/innen in ihren<br />

Überzeugungen zum Lehren und Lernen deutlich stärker konstruktivistisch als transmissiv orientiert<br />

zeigen.<br />

Folgende Bereiche wurden im Rahmen der Unterrichtskompetenz jeweils selbst- und fremdeingeschätzt:<br />

1. Kompetenzbereich Unterrichten: Unterricht planen, durchführen und analysieren<br />

2. Kompetenzbereich Unterrichten: Lernsituationen gestalten<br />

3. Kompetenzbereich Unterrichten: Selbständiges Lernen und Differenzierung<br />

4. Kompetenzbereich Beurteilen und Diagnostische Kompetenz<br />

5. Kompetenzbereich Erziehen<br />

6. Kompetenzbereich Innovieren<br />

Die Lehramtsanwärter/innen schätzen sich bereits durch ihr Studium in allen Bereichen der Unterrichtskompetenz<br />

recht gut qualifiziert – mit mittlerem Ausmaß der vorhandenen Kompetenzen -<br />

ein. Die Seminarleiter/innen schätzen dagegen die Unterrichtskompetenz der Lehramtsanwärter/innen,<br />

die den Vorbereitungsdienst gerade begonnen haben, deutlich schwächer ein. Die<br />

Schulleitungen schätzen die Unterrichtskompetenz ähnlich wie die Lehramtsanwärter/innen ein<br />

und charakterisieren sie - zu Beginn des Vorbereitungsdienstes - durch eine gute Klassenführung<br />

zur Vermeidung von Unterrichtsstörungen und einen stärkeren Einsatz von „klassischen“ Unterrichtsmethoden.<br />

Die offenen Unterrichtsmethoden werden zu diesem Zeitpunkt nur in einem geringen<br />

Umfang berücksichtigt.<br />

Seite 57


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

Ergebnisqualität<br />

Ihren Kompetenzzuwachs schätzen die Lehramtsanwärter/innen aller vier Gruppen am Ende des<br />

ersten Ausbildungsjahres ähnlich ein. Die Master(L) im einjährigen Vorbereitungsdienst haben also<br />

am Ende ihrer Ausbildung ungefähr das gleiche Kompetenzniveau erreicht, mit dem die Lehramtsanwärter/innen<br />

des zweijährigen Vorbereitungsdienstes in ihr zweites Ausbildungsjahr eintreten. In<br />

den Bereichen „Beurteilen“ und „Innovieren“ nehmen sich die Master(L) weniger kompetent wahr<br />

als die Lehramtsanwärter/innen der drei anderen Gruppen.<br />

Die Seminarleitungen schätzen die Kompetenzdefizite in den o. g. sechs Kompetenzbereichen im<br />

Vergleich zu den anderen Ausbildungsgruppen größer ein als die Lehramtsanwärter/innen. Aus<br />

Sicht der Kolleginnen und Kollegen bleiben die Master(L) mit einjähriger Ausbildung in allen Bereichen<br />

in ihrer Kompetenzentwicklung bereits im Laufe des ersten Jahres des Vorbereitungsdienstes<br />

hinter der Kompetenzentwicklung zurück, die die Lehramtsanwärter/innen, die sich im zweijährigen<br />

Vorbereitungsdienst befinden, in diesem Zeitraum (das erste Ausbildungsjahr) erfahren. Die Kompetenzen<br />

in den Bereichen „Unterricht planen, durchführen und analysieren“, „Beurteilen“ und „Erziehen“,<br />

besonders aber für die Bereiche „Lernsituationen gestalten“ und „Selbständiges Lernen<br />

und Differenzierung“ sind nach Einschätzung der Seminarleitungen deutlich geringer ausgeprägt<br />

als bei den Lehramtsanwärter/n/innen des zweijährigen Vorbereitungsdienstes. Die Schulleitungen<br />

schätzen die Kompetenzentwicklung der Master(L) im ersten Ausbildungsjahr – bzw. dem Ausbildungsjahr<br />

– schwächer ein als die der Lehramtsanwärter/innen mit zweijähriger Ausbildung. Die<br />

Kompetenzunterschiede zwischen Master(L) und Master(StR) werden für die ersten drei Bereiche<br />

der Unterrichtskompetenz (Planung, Durchführung und Analyse, Gestaltung von Lernsituationen<br />

sowie Selbständiges Lernen und Differenzierung) als besonders augenfällig eingeschätzt.<br />

Alle Einschätzungen weisen darauf hin, dass die Master(L) ihren einjährigen Vorbereitungsdienst<br />

mit einem deutlich niedrigeren Kompetenzniveau als alle anderen Gruppen von Lehramtsanwärter/n/innen<br />

abschließen.<br />

Für den Studienratsbereich ist auffällig, dass die Seminarleitungen die Master(StR) in den o. g.<br />

unterrichtsbezogenen Kompetenzen kompetenter wahrnehmen als die Staat(StR). In den Einschätzungen<br />

der Schulleitungen bestehen die größten Kompetenzunterschiede zwischen Master(StR)<br />

und Staat(StR). Der systematische Kompetenzaufbau gelingt den Master(StR) deutlich<br />

besser als den Staat(StR).<br />

Die Umfrage hat auch ergeben, dass die Lehramtsanwärter/innen noch Defizite bei der Diagnose<br />

und Einschätzung von individuellen Leistungsentwicklungen und der damit notwendigen Passung<br />

der Unterrichtsniveaus und der erforderlichen Differenzierungsmaßnahmen sehen.<br />

Für den Bereich der Klassenführungskompetenz ergibt die Auswertung, dass die Master(L) das<br />

geringste Entwicklungspotential nachweisen. Nach einem Jahr Ausbildung sehen alle Gruppen der<br />

befragten Lehramtsanwärter/innen eine Regression bei der o. g. Kompetenzentwicklung, die aber<br />

am Ende des Referendariats wieder deutlich positiver eingeschätzt wird. Im zweiten Jahr des Vorbereitungsdienstes<br />

scheinen für diesen Bereich beachtenswerte Lerneffekte vorzuliegen.<br />

Die Testergebnisse zum pädagogischen Wissen<br />

In der Studie wurde auch die Entwicklung des pädagogischen Wissens untersucht. Bei beiden<br />

Master-Ausbildungsgängen weisen die Testergebnisse der Eingangserhebung auf einen deutlich<br />

höheren Umfang pädagogischen Unterrichtswissens im Vergleich zu den Staatsexamens-Ausbildungsgängen<br />

hin. Für alle vier Ausbildungsgänge zeigt sich bei der Wissensentwicklung über das<br />

erste Ausbildungsjahr ein ähnlicher Wissenszuwachs. Für die Master(StR) ist ein verbleibend signifikanter<br />

Wissensvorsprung zu den Staat(StR) festzustellen. Die Entwicklung vom zweiten zum<br />

dritten Erhebungszeitpunkt lässt für die Master(StR) einen markanten und für die Staat(StR) einen<br />

leichten Rückgang beim pädagogischen Wissen erkennen. Das Ergebnis wird dahingehend gedeutet,<br />

dass im Vorbereitungsdienst stärker die Einübung praktischer unterrichtlicher Handlungen<br />

Seite 58


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

berücksichtigt wird. Das konzeptionell-analytische pädagogische Wissen wird verstärkt in der universitären<br />

Ausbildung erworben.<br />

Prozessqualität<br />

Die methodisch-fachliche Qualität der Ausbildung in den Allgemeinen Seminaren wird sowohl von<br />

den Seminarleitungen als auch von den Lehramtsanwärter/n/innen ähnlich eingeschätzt. Der<br />

größte Teil der erfragten Kriterien zu diesem Bereich wird erfüllt. Der Standard einer einheitlichen<br />

und transparenten Leistungsbewertung wird übereinstimmend hoch beurteilt. Die Lehramtsanwärter/innen<br />

nehmen den Umfang der Lerngelegenheiten im Allgemeinen Seminar als größer war als<br />

den in der Ausbildungsschule. Der Anregungsgehalt des Allgemeinen Seminars für die praktische<br />

Unterrichtsgestaltung wird von den Referendar/innen/en dagegen nicht so gut beurteilt.<br />

Von den Lehramtsanwärter/n/innen und auch den anleitenden Lehrkräften wird insbesondere das<br />

ungenügende Wissen der anleitenden Lehrer/innen über die Ausbildung in den Seminaren und an<br />

der Universität kritisiert.<br />

Die Betreuung durch anleitende Lehrkräfte sowie die stark divergierenden Vorstellungen von gutem<br />

Unterricht wurden deutlich kritisiert.<br />

Für ihre Arbeit in den Ausbildungsschulen wünschen sich die Lehramtsanwärter/innen u. a. transparente<br />

und klar geregelte Rechte und Pflichten. Die anleitenden Lehrkräfte sollten eine bessere<br />

Fortbildung erhalten, mit der sie bessere Kenntnisse von den Ausbildungsinhalten an den Universitäten,<br />

in den Fachseminaren und den Allgemeinen Seminaren erhalten.<br />

Planungskompetenz<br />

Von insgesamt 105 Lehramtsanwärter/n/innen wurden je zwei Unterrichtsentwürfe zu Beginn und<br />

am Ende des Vorbereitungsdienstes analysiert.<br />

Das Ergebnis bestätigt eindeutig, dass die Planungskompetenz im Berliner Vorbereitungsdienst<br />

tatsächlich gefördert und erworben wird.<br />

Zusammenfassung<br />

Bei der vorliegenden Evaluation handelt es sich, soweit mir bekannt ist, um die erste durchgeführte<br />

Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes. Die Evaluation wurde mit 289 Lehramtsanwärter/n/innen<br />

durchgeführt, wobei bei den Abschlussbefragungen ein Rücklauf von 74 % zu verzeichnen<br />

war. Befragt wurden Staatsexamen- und Masterabsolventen für das Lehramt und das<br />

Amt des Studienrates. Welche Rückschlüsse können nun aus den Ergebnissen gezogen werden?<br />

Auffällig ist, dass es sich bei den Befragungen der Lehramtsanwärter/innen, der Schulleitungen<br />

und Seminarleitungen häufig um sog. Einschätzungen handelt, deren Ergebnisse statistisch nicht<br />

immer signifikant sind. Mein Kollege Herr Dr. Oehmig hat in einem Schreiben an das FiBS zahlreiche<br />

Items der Fragebögen kritisch hinterfragt. Viele Fragen lassen sich nur als Einschätzung beantworten.<br />

Ob den Schülerinnen und Schüler im Unterricht etwas beigebracht wurde, taucht z. B.<br />

als Frage gar nicht auf. Sehr kritisch zu betrachten ist meiner Meinung nach der Vergleich der<br />

Abiturnoten und der Noten des Universitätsabschlusses der Master- und der Staatsexamensabsolventen.<br />

Das FiBS führt zur Recht an, dass die Noten des Masterabschlusses und des Ersten<br />

Staatsexamens nicht vergleichbar seien. Auch ein Vergleich der Abiturnoten ist nicht besonders<br />

sinnvoll. Z. B. wurde noch vor einigen Jahren in Berlin ein überwiegend dezentrales Abitur durchgeführt.<br />

Innerhalb der Bundesrepublik würde ein Vergleich der Abiturnoten ebenfalls nur Sinn machen,<br />

wenn es ein bundesweites einheitliches Zentralabitur gäbe. Trotzdem gehen die Mitarbeiter/innen<br />

des FiBS davon aus, dass zumindest die Master(L) mit etwas günstigeren kognitiven Voraussetzungen<br />

den Vorbereitungsdienst antreten.<br />

Welches sind denn nun die interessantesten Ergebnisse? Erfreulich ist, dass die methodisch-fachliche<br />

Qualität der Ausbildung in den Allgemeinen Seminaren sowohl von den Lehramtsanwär-<br />

Seite 59


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

ter/n/innen als auch den Seminarleiter/n/innen ähnlich eingeschätzt wird. Übereinstimmend hoch<br />

wird der Standard einer einheitlichen und transparenten Leistungsbewertung beurteilt, aber der<br />

Anregungsgehalt des Allgemeinen Seminars für die praktische Unterrichtsgestaltung wird dagegen<br />

von den Lehramtsanwärter/n/innen etwas weniger gut beurteilt. Die Studienreferendarinnen und -<br />

referendare gaben für die Entwicklung der Unterrichtskompetenz an, dass sie in den Bereichen<br />

Selbständiges Lernen und Differenzierung und Beurteilen - im Vergleich zu den anderen Ausbildungsgängen<br />

- im Allgemeinen Seminar und in den Schulen Lerngelegenheiten in geringerem<br />

Umfang erhalten und die Seminarleitungen den Bereichen vergleichsweise weniger Wichtigkeit<br />

beimessen. Ich meine, dass die drei o. g. Themenbereiche in den letzten 10 Jahren auch in den<br />

Allgemeinen Seminaren an Bedeutung zugenommen haben. Für das Allgemeine Seminar bietet<br />

sich zu diesem Thema eine noch engere Kooperation mit den Fachseminaren an. Differenzierungsmaßnahmen,<br />

die auch tatsächlich greifen, müssen sich auf die unterrichtlichen und sozialen<br />

Rahmenbedingungen konkreter Lerngruppen beziehen. Die entwickelten und erprobten Maßnahmen<br />

können dann auch auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und angepasst werden.<br />

Die Themen „Unterrichtsdiagnostik“ sowie „Beurteilung und Bewertung“ haben auch im Allgemeinen<br />

Seminar einen relativ hohen Stellenwert. Aber es gibt noch sicherlich Optimierungsbedarf,<br />

damit die Lehramtsanwärter/innen mehr Lerngelegenheiten erhalten. Zu diesen Themen könnte<br />

z. B. ein noch intensiverer fachdidaktischer Austausch bzw. eine inhaltliche Abstimmung zwischen<br />

den Seminar- und Fachseminarleitungen erfolgen.<br />

Die Lehramtsanwärter/innen schätzen den Beitrag der Ausbildungsschulen zur Entwicklung ihrer<br />

Unterrichtskompetenz kritisch ein. Sie haben den Eindruck, dass sie z. B. im Allgemeinen Seminar<br />

deutlich mehr Lerngelegenheiten geboten bekommen als in der Ausbildungsschule. Gemeint ist<br />

hiermit die Beratung und Anleitung, die die Schulleitungen und die (anleitenden) Lehrkräfte an den<br />

Schulen den Lehramtsanwärter/n/innen anbieten. Die Befragung hat aufgrund zahlreicher Anmerkungen<br />

der Lehramtsanwärter/innen ergeben, dass die Schulen diese Ausbildungstätigkeit nur in<br />

eingeschränktem Umfang gewährleisten können. Eine Optimierung ließe sich in den Ausbildungsschulen<br />

nur dadurch erreichen, dass es wieder Ermäßigungsstunden für anleitende Lehrkräfte gibt.<br />

Die Rahmenbedingungen für die Ausbildung der Lehramtsanwärter/innen haben sich in den<br />

Schulen deutlich verschlechtert: Durch die vor einigen Jahren vorgenommene Anhebung von 22<br />

auf 26 Unterrichtsstunden für Lehrkräfte der Sek I und Sek II ist es organisatorisch kaum noch<br />

möglich, dass (anleitende) Lehrkräfte regelmäßig im Unterricht der Lehramtsanwärter/innen hospitieren<br />

bzw. ihnen beratend zur Seite stehen. Durch die Erhöhung der Referendariatsplätze müssen<br />

viele Ausbildungsschulen deutlich mehr Lehramtsanwärterinnen aufnehmen als noch vor einigen<br />

Jahren. Die Schulsenatorin hat vor kurzem angekündigt, dass in den Jahren 2014 und 2015 jeweils<br />

250 Lehramtsanwärter/innen zusätzlich eingestellt werden sollen. Die Obergrenze von derzeit<br />

knapp 2300 Lehramtsanwärter/n/innen pro Jahr wird sich dann im Jahr 2015 auf ca. 2800 erhöhen.<br />

Viele Schulen kommen bereits jetzt schon an ihre organisatorischen Grenzen. In den Gymnasien<br />

ist die 11. Klasse weggefallen. Die Studienreferendar/innen/e können in der Sek II der<br />

Gymnasien nur noch auf die Kurse der Qualifikationsphase verteilt werden. Das hat z. B. zur<br />

Folge, dass bei abiturrelevanten Kursen - je nach Ausbildungsende der Lehramtsanwärter/innen -<br />

während des laufenden Semesters ein Lehrerwechsel erforderlich ist, ggf. auch kurz vor den<br />

schriftlichen Abiturprüfungen. Unter pädagogischen Aspekten ist ein Lehrerwechsel unmittelbar vor<br />

den Abiturprüfungen sehr kritisch zu sehen. Da die Anzahl der Kurse - aufgrund der Schülerzahl<br />

bzw. des Wahlverhaltens - begrenzt ist, haben einige Schulen bereits Schwierigkeiten, die vielen<br />

Lehramtsanwärter/innen in den entsprechenden (Grund-)Kursen einzusetzen bzw. diese noch mit<br />

ihrem Stammpersonal zu besetzen. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen können viele<br />

Schulen inzwischen nicht mehr eine ausbildungsadäquate Ausbildung - also Anleitung und Beratung<br />

- der Lehramtsanwärter/innen umfassend gewährleisten. Für die Ausbildung der Lehramtsanwärter/innen<br />

an den Ausbildungsschulen dürfte in den nächsten Jahren aufgrund der o. g.<br />

Gründe keine Optimierung zu erwarten sein, eher ist hier mit einer Verschlechterung der Ausbildungsbedingungen<br />

zu rechnen.<br />

Seite 60


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

Ein eindeutiges Ergebnis der Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes im Bereich Ergebnisqualität<br />

ist, dass die Master(L) aufgrund der Verkürzung des Referendariats auf ein Jahr ein beträchtlich<br />

niedrigeres Kompetenzniveau aufweisen als die Lehramtsanwärter/innen, die einen<br />

zweijährigen Vorbereitungsdienst absolvieren. Außerdem wirkt sich die Verkürzung der Ausbildung<br />

der Master(L) in einem weniger stark beruflichen Commitment und einer deutlich geringeren<br />

Selbstwirksamkeitserwartung für die Herausforderungen im Berufsfeld aus. Die Evaluation ist ein<br />

klarer Beleg für die politische Fehlentscheidung, den Vorbereitungsdienst der Master(L) zeitlich zu<br />

halbieren. Ich glaube sagen zu dürfen, dass keiner meiner Seminarleiterkolleginnen und -kollegen<br />

des L und S-Bereichs diese Entscheidung - aus pädagogischen Gründen - nachvollziehen konnte.<br />

Nach Verabschiedung des neuen Lehrerbildungsgesetzes wird für alle Lehrämter ein 18-monatiger<br />

Vorbereitungsdienst durchgeführt werden. Dann dürften auch wieder bessere Ergebnisse für den<br />

Vorbereitungsdienst der Master(L) zu erwarten sein. Andererseits bedeutet es für die Studienreferendar/e/innen<br />

eine Verdichtung der Ausbildungsinhalte, die hinsichtlich der Ausbildungsqualität,<br />

insbesondere unter Berücksichtigung der modularisierten Ausbildung im Allgemeinen Seminar,<br />

relevant sein könnte. Bei einer 18-monatigen Ausbildung werden die einzelnen<br />

Bausteine - aus zeitlichen Gründen - nur noch vier bis maximal fünf Sitzungen à drei Stunden umfassen<br />

(siehe nächster Absatz). Eine Vertiefung ausgewählter Bereiche ist dann nicht mehr möglich.<br />

Erfreulich ist das Fazit der Evaluation: Im Vorbereitungsdienst entwickeln alle Ausbildungsgänge<br />

die Unterrichtskompetenzen der Lehramtsanwärter/innen in hohem Maße weiter, wobei der Kompetenzaufbau<br />

im zweiten Ausbildungshalbjahr etwas weniger umfassend eingeschätzt wird.<br />

In dieser Studie wurden verschiedene Aspekte der Ausbildungsqualität erstmalig evaluiert. Der<br />

Vorbereitungsdienst wurde zu diesem Zeitpunkt noch nach der Verordnung über den Vorbereitungsdienst<br />

im Anschluss an die Erste Staatsprüfung (Lehrerausbildungsordnung, LAusbO) vom<br />

18. März 1999 durchgeführt. Seit dem 28. 10. 2011 wird der Berliner Vorbereitungsdienst durch<br />

eine neue Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung geregelt. Nach<br />

der neuen Verordnung findet die Ausbildung in den Allgemeinen Seminaren modularisiert statt. Die<br />

Lehramtsanwärter/innen müssen während der Ausbildung zwei Modulprüfungen in den Bereichen<br />

Unterrichten sowie Erziehen und Innovieren ablegen. Eine 50-seitige schriftliche Prüfungsarbeit<br />

müssen die Lehramtsanwärter/innen nicht mehr anfertigen. Die Seminarleitungen können Unterrichtsbesuche<br />

im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung im Rahmen der Module durchführen. Die<br />

Unterrichtsleistungen der Lehramtsanwärter/innen werden von den Leiter/innen der Schulpraktischen<br />

Seminare nicht mehr bewertet. Die Seminarleitungen fassen lediglich kurz vor dem Prüfungszeitraum<br />

für die unterrichtspraktischen Prüfungen die Noten der Fachseminarleitungen und<br />

der Schulleitungen zusammen. Diese Note zählt 1/5 der Gesamtnote. Die beiden Modulprüfungen<br />

und die unterrichtspraktischen Prüfungsstunden werden ebenfalls mit jeweils 1/5 gewichtet. Aus<br />

diesen Ergebnissen wird die Gesamtnote der Zweiten Staatsprüfung ermittelt. Die Ausbildungsstruktur<br />

hat sich demnach deutlich verändert. Ich hoffe, dass man in einigen Jahren den Berliner<br />

Vorbereitungsdienst ein zweites Mal evaluieren wird. Dann dürfte sich zeigen, inwieweit die Modularisierung<br />

der Ausbildung im Allgemeinen Seminar und das Ablegen der Modulprüfungen eine<br />

Qualitätsverbesserung darstellen. Die Lehramtsanwärter/innen werden nun nicht mehr, wie zum<br />

Zeitpunkt der vorliegenden Studie, von den Seminarleitungen kontinuierlich im Unterricht besucht.<br />

Die alte Verordnung sah mindestens sechs Unterrichtsbesuche der Seminarleiter/innen vor, in deren<br />

Rahmen die Lehramtsanwärter beraten, angeleitet und zum Ende der Ausbildung auch - zusammenfassend<br />

- bewertet wurden. Die Entwicklung der Unterrichtskompetenz der Referendar/innen/e<br />

konnte seinerzeit von den Seminarleitungen klar verfolgt werden.<br />

Eine andere Form der Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes soll abschließend nicht unerwähnt<br />

bleiben. In den letzten 10 Jahren sind zahlreiche Lehramtsanwärter/innen nach Ablegen<br />

der Zweiten Staatsprüfung in andere Bundesländer abgewandert. Hierfür gab bzw. gibt es mehrere<br />

Gründe: eine durch Verbeamtung deutlich bessere Besoldung (bezogen auf das Nettogehalt) der<br />

jungen Lehrkräfte und bessere Einstellungschancen seinerzeit. Ich kann mich noch gut an ein<br />

Seite 61


Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

Schreiben eines Hamburger Schulleiters erinnern, in dem er sich für die gut ausgebildeten Lehrkräfte<br />

aus Berlin bedankte und sein Unverständnis über das Verhalten der Senatsbildungsverwaltung<br />

zum Ausdruck brachte, diese Lehrkräfte einfach gehen zu lassen. Dieser Schulleiter hat innerhalb<br />

eines halben Jahres neun ehemalige Berliner Lehramtsanwärter/innen, die aus unterschiedlichen<br />

Seminaren kamen, an seine Schule geholt. Vor Kurzem teilte mir ein Referendar, der<br />

im Februar 20<strong>13</strong> seine Zweite Staatsprüfung erfolgreich abschloss, mit, dass er nun eine Stelle an<br />

einem Münchener Gymnasium erhalten habe, mit den Fächern Sport und Deutsch. Es ist bekannt<br />

und unbestritten, dass die Qualität des Berliner Vorbereitungsdienstes - zumindest nach alter Lehrerausbildungsordnung<br />

- in anderen Bundesländern sehr geschätzt wird.<br />

Jens-Uve Wahner,<br />

Leiter des 1. Schulpraktischen Seminars Spandau (S)<br />

Seite 62


Schulporträt<br />

Schulporträt<br />

Die Anna-Lindh-Schule –<br />

(Hoch)begabung im Brennpunkt<br />

„Die Schule soll stets danach trachten, dass der<br />

junge Mensch sie als harmonische Persönlichkeit<br />

verlasse, nicht als Spezialist.“<br />

(aus Leitbild Anna-Lindh-Schule) Albert Einstein<br />

1. Geschichte und schulspezifische Rahmenbedingungen<br />

Die Anna-Lindh-Schule ist eine verlässliche Halbtagsgrundschule<br />

und Schule mit offenem Ganztagsbetrieb<br />

für alle Kinder unseres Einzugsbereichs sowie eine<br />

Schule mit berlinweitem Einzugsbereich für anerkannt<br />

hochbegabte Kinder, unabhängig von Herkunft, Geschlecht<br />

und Fähigkeiten.<br />

Die Anna-Lindh-Schule entstand im Schuljahr 2005/2006 durch Fusion der Rehberge- und der<br />

Goethepark-Grundschule. In der unmittelbaren Nähe unserer Schule gibt es drei Parks: den<br />

Volkspark Rehberge, den Goethepark und den Schillerpark. Vor allem der Volkspark Rehberge<br />

wird von uns für Sportveranstaltungen, Ausflüge und Feste häufig genutzt. Unser Schulhof wirkt<br />

ebenfalls wie ein Park: Er ist 2,1 ha groß. Viele Bäume und Sträucher wachsen hier. Es gibt eine<br />

Reihe von Spielgeräten und Bänken. Unseren Schulhof erleben wir als eine grüne Oase.<br />

Die Anna-Lindh-Schule wurde 1956 im Wiederaufbauprogramm<br />

errichtet. Das Gebäude ist ein typischer<br />

50er-Jahre-Bau, sowohl vom äußeren Erscheinungsbild<br />

als auch von der Innenarchitektur her. Zum<br />

Schulgebäude gehört ein großer Festsaal, der ca.<br />

400 Personen Platz bietet. Das Schulgebäude ist<br />

hell, lichtdurchflutet und hat mehrere Ausgänge zum<br />

Schulhof.<br />

Die Schule liegt im Bezirk Mitte im nördlichen Bereich<br />

des Ortsteils Wedding. Obgleich nicht im Gebiet eines<br />

Quartiersmanagement liegend, ist der Einzugsbereich geprägt von einem sehr hohen Anteil<br />

von Familien nicht-deutscher Herkunftssprache, von teilweiser hoher Arbeitslosigkeit und von einer<br />

zunehmend größer werdenden „Bildungsferne“ der Elternhäuser. Es ist ebenfalls eine Tendenz zu<br />

„Sprachlosigkeit“ festzustellen, die sich durch mangelnde oder gar nicht vorhandene Kenntnisse<br />

der deutschen Sprache ausweist.<br />

Bezogen auf unsere Schule lassen sich folgende zentrale Rahmenbedingungen ausweisen:<br />

• Bei einer Schülerzahl von augenblicklich rund 700 Schüler/-innen kommen 481 aus Familien<br />

nichtdeutscher Herkunftssprache. Dies sind etwa 68 % unserer Schülerpopulation.<br />

• Von unseren ca. 700 Kindern sind 53 Kinder mit besonderem Förderbedarf (7,5 %). Wir<br />

integrieren Kinder mit den Förderschwerpunkten Lernen, geistige Entwicklung, Sprache und<br />

emotional-sozialem Verhalten.<br />

Seite 63


Schulporträt<br />

• Ein ausgewiesenes Profil besitzen wir in der Förderung besonders begabter und hochbegabter<br />

Kinder. Derzeit unterrichten wir ca. 70 dieser Schülerinnen und Schüler (IQ höher als <strong>13</strong>0) in<br />

11 extra ausgewiesenen Klassen. Dies entspricht einem Prozentsatz von 10% der gesamten<br />

Schülerzahl. Viele dieser Kinder stammen nicht aus unserem Einschulungsbereich.<br />

Trotzdem verstehen wir uns als „Kiez-Schule“ und wollen in diesem Kontext einen Beitrag zur Stabilisierung<br />

und Weiterentwicklung der Gegend leisten. Der Unterricht an der Anna-Lindh-Schule<br />

wird in den Jahrgangsstufen 3-6 sowie in den Bereichen der Hochbegabtenförderung jahrgangshomogen,<br />

in der Schulanfangsphase und Teilen des 3. Jahrgangs jahrgangsübergreifend organisiert.<br />

Seit dem Schuljahr 2008/09 kooperieren wir in diesem Zusammenhang mit der Technischen<br />

Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg). Augenblicklich arbeiten wir mit 27 Erzieherinnen<br />

und Erziehern in diesem Bereich.<br />

2. Kooperationen und Projekte<br />

In einer sich schnell und radikal verändernden Welt ist auch unsere Schule einem ständigen Wandel<br />

unterworfen. Deshalb entwickeln wir schon im Vorfeld für die an uns herangetragenen Anforderungen<br />

Strukturen und Organisationsformen, die eigenes Handeln unterstützen und befördern.<br />

Unsere Schule bietet ein vielfältiges, pädagogisches Organisationsmodell, differenziert zugeschnitten<br />

auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler, strukturiert auf einzelne temporäre Lerngruppen<br />

und gesamte Klassenverbände.<br />

Grundlegend für unsere Schule ist der Gedanke, soviel Individuelles wie nötig zu unterstützen und<br />

so viel Gemeinsames wie möglich zu veranstalten. Dies gilt für alle Beteiligten am Schulleben, also<br />

für die Schülerschaft, für die pädagogischen und sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und<br />

auch für die Eltern.<br />

In diesem Zusammenhang streben wir vielfältige Kooperationen an und integrieren in unserer<br />

schulischen Arbeit Projekte, die dem Leitbild unserer Schule entsprechen. Nachfolgend sollen<br />

einige dieser Kooperationen und Projekte genauer beschrieben werden.<br />

2.1 (Hoch-)Begabtenförderung<br />

Seit 1998 wird die (Hoch-)Begabtenförderung sukzessive ausgebaut: Seit 2002 richten wir Lernanfängerklassen<br />

mit einem Drittel hochbegabter Kinder (IQ > <strong>13</strong>0) und zwei Dritteln mindestens<br />

gut deutsch sprechender Kinder ein.<br />

Die Kinder kommen aus weiten Teilen Berlins, ca. 20 % der Plätze pro Jahrgang werden unabhängig<br />

vom Einschulungsbereich für begabte Kinder freigehalten.<br />

Wir praktizieren individuelle Begabungsförderung: Wir beginnen mit einem ausführlichen Aufnahmegespräch<br />

und bieten zusätzliche über die Rahmenlehrpläne der Grundschule hinausgehende<br />

Lernbereiche an, orientiert an den Interessen dieser Kinder. Im Bedarfsfall ermöglichen wir auch<br />

die Teilnahme am Unterricht einer höheren Klassenstufe in einem oder mehreren Fächern (sowohl<br />

Enrichment- als auch Akzelerationsangebote). Die Schule beteiligt sich regelmäßig mit exzellenten<br />

Erfolgen an entsprechenden Wettbewerben. In diesem Jahr belegte ein Viertklässler unserer<br />

Schule beim Känguru-Wettbewerb im weltweiten Vergleich einen ersten Platz. Außerdem errangen<br />

sechs Kinder aus unseren Klassenstufen 3 bzw. 5 im weltweiten Vergleich zweite sowie dritte<br />

Plätze. Dies sind herausragende Leistungen, es gibt nur wenige Schulen, die einen der drei vorderen<br />

Plätze weltweit belegen. Ebenso errang eine Schülergruppe aus einer 5. Klasse dieses Jahr<br />

den ersten Platz beim tjfbg-Erfinderwettbewerb.<br />

2003 haben wir eine Lernwerkstatt mit besonderen Materialien für die Hochbegabtenförderung<br />

eingerichtet. Diese Lernwerkstatt wurde u.a. durch Sondermittel des Bezirks ermöglicht und wird<br />

laufend erweitert.<br />

Seite 64


Schulporträt<br />

Es finden regelmäßig schulinterne Fortbildungen für alle mit diesen Kindern arbeitenden Lehrerinnen<br />

und Lehrer statt. Wir führen Beratungen und Fortbildungen außerhalb unserer Schule durch<br />

und geben unsere Erfahrungen weiter.<br />

Die Anna-Lindh-Schule gehört seit 2009 zum Verbund der Schulen des Bezirks Mitte zur Hochbegabtenförderung.<br />

Auf dem jährlich stattfindenden Expertentag werden besonders erfolgreiche<br />

Projekte aus der Hochbegabtenförderung präsentiert.<br />

Des Weiteren arbeiten wir mit der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V., dem<br />

Nordverbund, dem Schulumwelt-Zentrum Mitte und der FU Berlin zusammen.<br />

Laut der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind ist unsere Schule "die Einzige im Land<br />

Berlin, die sich für den Schulvormittag ein Konzept überlegt hat, das die Langeweile der Kinder<br />

verhindert".<br />

2.2 Kinder-Parlament<br />

Das Kinderparlament tagt unter Leitung des Schulleiters jeden Monat mindestens einmal. Aus<br />

jeder Klasse wird ein Vertreter/eine Vertreterin als Parlamentär zur<br />

Arbeit im Parlament abgesandt. Die Parlamentäre haben Berichtspflicht<br />

für ihre Klassen. Es gibt nur zwei grundlegende Regeln für<br />

die Arbeit des Parlaments und zwar: Es redet immer nur einer und<br />

bei den Wortmeldungen sind immer unsere Jüngsten zuerst an der<br />

Reihe.<br />

Zu jeder Sitzung wird ein Protokoll erstellt, welches allen Beteiligten<br />

zur Kenntnis gebracht wird. Die Themen werden entweder vom<br />

Schulleiter als Vertreter der Schule oder von den Parlamentären<br />

als Vertreter der einzelnen Klassen eingebracht.<br />

Ein Schwerpunkt der parlamentarischen Schülerarbeit ist zurzeit der Aufbau und die Installation<br />

einer Schülerfirma, welche die Schulmilch-Versorgung sicherstellen soll.<br />

2.3 Entwicklungspädagogische Projekte<br />

Der Grundgedanke entwicklungspädagogischer Arbeit ist der Ansatz beim emotional-sozialen<br />

Entwicklungsstand der Kinder. Wir stellen zunehmend mehr fest, dass es eine Differenz zwischen<br />

dem Stand der kognitiven und der emotional-sozialen Entwicklung gibt. Bei bestimmten Kindern ist<br />

diese Differenz so groß, dass ihre Fähigkeit zur Arbeit in der Klasse oder in der Gruppe nicht genug<br />

entwickelt ist. Wir sprechen von einer gravierenden Entwicklungsverzögerung. Für diese Kinder<br />

bieten wir drei Organisationsformen an:<br />

1. Betreute Pausen<br />

In jeder Pause werden ausgewählte Kinder von zertifizierten Entwicklungspädagogen betreut.<br />

2. Entwicklungspädagogischer Unterricht (EPU)<br />

In zwei EPU-Gruppen werden je sechs Kinder sechs Unterrichtstunden wöchentlich entsprechend<br />

ihres Entwicklungsstandes betreut.<br />

3. Das DESI-Projekt<br />

Im DESI-Projekt arbeiten wir mit dem Jugendamt und zwei freien Trägern zusammen. Die zehn<br />

aufgenommenen Kinder verbleiben drei Unterrichtsstunden im Klassenverband und werden<br />

danach in der Zeit von 10.45 bis 15.30 Uhr von einer Sozialpädagogin, einer Lehrerin und zwei<br />

Erzieherinnen entlang eines speziell zugeschnittenen Programms unterrichtet und betreut.<br />

Es ist berlinweit das einzige Programm, welches vom Jugendamt präventiv unterstützt wird.<br />

Seite 65


Schulporträt<br />

2.4 Der Förderverein<br />

Der Förderverein der Anna-Lindh-Schule besteht in seiner aktuellen Form seit Januar 2006. Der<br />

Förderverein ist für alle Interessierten offen, das heißt, er wendet sich an Eltern, Lehrer, Erzieher<br />

und Freunde der Schule. In Zusammenarbeit mit aktiven Mitgliedern und der Schulleitung teilen<br />

sich die Vorstandsmitglieder die Wirkungsbereiche Öffentlichkeitsarbeit, Aktivitäten/Projekte,<br />

Sponsorenwerbung und die Vereinsverwaltung. Der Förderverein bemüht sich um Spenden und<br />

Sponsoren. Mit diesen Geldern können zusätzliche Unterrichtsmaterialien gekauft, Schulräume<br />

renoviert oder besondere Projekte gefördert werden. Über die Finanzbeschaffung hinaus ist der<br />

Verein in die inhaltliche Arbeit an der Schule eingebunden.<br />

2.5 Das TuWas!-Projekt<br />

Die Anna-Lindh-Schule ist eine von sieben Schulen, die im<br />

Schuljahr 2006/07 für das TuWAS!- Projekt ausgewählt<br />

wurde. Die Europäische Kommission investiert in dieses<br />

Modellprojekt zur Förderung des naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts. Im Mittelpunkt steht das forschende Lernen der<br />

Grundschüler. Die Freie Universität Berlin ist die Vertreterin<br />

Deutschlands im TuWas!-Projekt. Den beteiligten Schulen<br />

wird Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, mit dem<br />

ganze Schulklassen experimentieren können. Besuche von<br />

außerschulischen Lernorten (z.B. NatLab der FU) stellen<br />

gesellschaftliche Bezüge her. Ein internationaler Austausch trägt neue Ideen in den Unterricht.<br />

Darüber hinaus werden im Unterricht sprachbildende Aspekte berücksichtigt, die die Schülerinnen<br />

und Schüler handlungsbegleitend bei der Entwicklung der Bildungssprache unterstützen.<br />

2.6 ROCKKiDS<br />

Seit 2005 werden auf der Klassenstufe 5/6 Theater- und Musikprojekte<br />

in den Unterricht integriert, um bei den Schülern soziale und individuelle<br />

Kompetenzen zu entwickeln und zu stärken. Wichtig ist dabei ist, die<br />

Erlebenswelt der Kinder mit in den Unterricht zu holen, damit sich die<br />

Kinder mit den Unterrichtsinhalten identifizieren können und somit motiviert<br />

am Projekt teilnehmen. Die Zusammenarbeit mit den Eltern spielt<br />

dabei eine entscheidende Rolle, denn über den »Umweg« der Projektarbeit<br />

können auch bildungsferne Eltern in schulische Arbeit eingebunden<br />

werden.<br />

Schüler, die im Regelunterricht auf Grund verschiedener Defizite selten<br />

Erfolge verzeichnen können, entdecken in der Projektarbeit ihre Talente,<br />

bringen diese ins Team ein, lernen strukturiert, diszipliniert und zielorientiert<br />

zu arbeiten. Die Kinder entwickeln Ehrgeiz und lernen, für sich selbst und ihr Team Verantwortung<br />

zu übernehmen. Sie entdecken Freude am Lernen und gehen mit einem gestärkten<br />

Selbstbewusstsein aus dem Projektunterricht heraus.<br />

Im Rahmen des Musik-, Deutsch- und Kunstunterrichts werden fachübergreifend Honorarkräfte<br />

eingesetzt, die gemeinsam mit den Lehrern den Projektunterricht gestalten. Die Schüler werden<br />

rahmenlehrplanbezogen in Gruppen- oder auch in Einzelunterricht in den Bereichen Gesang, Keyboard,<br />

Bass, E-Gitarre, Schlagzeug sowie Schauspiel und Tanz ausgebildet.<br />

Wichtig dabei ist, dass dieses Projekt nicht additiv, sondern integrativ in den Unterrichtsablauf<br />

eingebaut wird, bei den Schülerinnen und Schülern damit eine hohe Akzeptanz hat und somit ein<br />

breites Förderspektrum aufweist: von der Sprachentwicklung über die Stärkung der emotional-<br />

Seite 66


Schulporträt<br />

sozialen und persönlichen Kompetenzen der Kinder bis hin zur Ausbildung und Festigung von<br />

Primärtugenden.<br />

2.7 brotZeit<br />

In Kooperation mit dem Verein brotZeit e. V. wird seit Dezember<br />

2011 für Kinder der Schule ein einfaches, aber ausgewogenes<br />

Frühstück mit Brot, Butter, Käse, Wurst (ohne<br />

Schweinefleisch) und Obst angeboten. Verteilt wird das<br />

kostenlose Frühstück von ehrenamtlich tätigen Senioren<br />

täglich zwischen 07:30 und 07:50 Uhr.<br />

Täglich können auf diese Weise rund 30 Kinder verpflegt<br />

werden, die zu Hause kein Frühstück bekommen. Das Kinderparlament hat darüber beraten, wie<br />

dieses Kontingent möglichst gerecht verteilt werden soll, und folgende Handhabe festgelegt: Jede<br />

Klasse verfügt über einen Frühstücks-Pass für ein Kind; auf Klassenebene wird entschieden, wer<br />

diesen Pass erhält.<br />

2.8 Gesunde Schule<br />

3. Arbeitsvorhaben<br />

Am 08.11.2007 wurde unsere Schule als zweite von ganz Berlin zur Gesunden<br />

Schule zertifiziert. Das Zertifikat würdigt die Erfolge, die wir in diesem Bereich<br />

bezogen auf unseren Schulalltag und das "Miteinander" bereits erzielt haben.<br />

Es bezieht sich auf den Entwicklungsstand der Gesundheitsförderung an der<br />

Schule und wird anhand eines Kriterienkatalogs zuerst selbst - durch die Qualitätsbeauftragten<br />

der Schule - und danach fremd - von Auditoren anderer<br />

Schulen - eingeschätzt.<br />

Aus der konsequenten Weiterentwicklung unserer Schule sind diverse Arbeitsvorhaben entstanden.<br />

Diese wurden in den einzelnen Arbeitsvorhaben der vergangenen Jahre präzisiert und einer<br />

Bearbeitung zugeführt. Bei der Konzeption der Arbeitsvorhaben wurden spezifische, messbare,<br />

akzeptierte, realistische und terminierte (smart) Vorgehensweisen zugrunde gelegt.<br />

Zwei Arbeitsvorhaben stehen dabei besonders im Focus der Schulentwicklung:<br />

1. Ausgehend von der Erkenntnis und festen Überzeugung, dass gut entwickelte sowie stabile<br />

emotional-soziale Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern die Basis für eine erfolgreiche<br />

Schulkarriere sind, werden wir besonderes Augenmerk auf diesen Entwicklungsbereich<br />

legen. Die Schule soll für alle am Lernprozess Beteiligten ein angstfreier und zum Lernen anregender<br />

Ort sein. Die Werteerziehung der Schülerinnen und Schüler spielt in diesem Zusammenhang<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

2. Ebenso werden wir die Konzeption unserer Arbeit in der Begabtenförderung überarbeiten und<br />

modernisieren. Ziel dabei ist es, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen und ein<br />

Höchstmaß an Individualisierung in der Begabtenförderung zu erreichen.<br />

Mathias Hörold,<br />

Schulleiter der Anna-Lindh-Schule<br />

Seite 67


Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />

Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />

Lernaufgaben im Fach Geschichte – zum Dritten<br />

Es ist im Land Berlin seit einigen Jahren bereits Konsens, dass Lernzuwachs im Geschichtsunterricht<br />

deutlich über die Vermittlung eines Gerüsts von Zahlen, Fakten und Ereignissen hinausgeht.<br />

Die in den Rahmenlehrplänen für die Mittel- und Oberstufe formulierten Standards sind ein entsprechend<br />

verbindlicher Maßstab.<br />

Die Frage der optimalen Realisierung von Kompetenzentwicklung im Geschichtsunterricht initiierte<br />

eine notwendige und bis heute anhaltende Diskussion über alte und neue fachdidaktische Konzepte.<br />

Dieser Diskurs ist unter vielen Aspekten begrüßenswert, da er besonders unter dem Fokus<br />

„Ausbildung“ immer wieder neue Impulse setzt. In diesem Kontext sei der Artikel von Peter Stolz 8<br />

zu nennen, in dem fachdidaktische Konzepte von Uffelmann (Problemorientierung) und Schreiber<br />

(Schülerfragen) auf deren Tauglichkeit für die Planung und Realisierung von kompetenzorientiertem<br />

Geschichtsunterricht überprüft und für die Praxis (mithin auch für die der Ausbildung) modifiziert<br />

werden.<br />

Problemorientierung als eine mögliche Basis des kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts ist<br />

so neu also nicht mehr. Diese für den Geschichtsunterricht sehr funktionale didaktische Zugangsweise<br />

findet sich auch in den Vorschlägen zu Lernaufgaben bei Nitschke/Quaiser 9 wieder. Darüber<br />

hinaus scheint der von den Verfassern gesetzte Fokus auf Binnendifferenzierung, Individualisierung<br />

und Gegenwartsbezug sinnvoll für die Förderung von „Narrativität“, laut Berliner Rahmenlehrplan<br />

eine Kernkompetenz.<br />

Die Rolle der Lehrkraft, die in den Vorschlägen beschrieben ist, sollte aber noch einmal kritisch<br />

überprüft werden, da die auf dieser Zuweisung entwickelten Aufgaben durchweg ein Konstrukt<br />

sind, welches sie allein (mit Blick auf die Lernenden) entwirft. Die Einbindung der Schülerinnen und<br />

Schüler bei der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten scheint dabei etwas kurz zu kommen, die<br />

Steuerung des Lernprozesses durch den Lehrenden wirkt recht hoch. Die Schülerinnen und<br />

Schüler führen relativ strikt Handlungsanweisungen aus, die ihnen vorgegeben werden.<br />

Natürlich kann Lernen im Geschichtsunterricht nur so erfolgen, dass die Lehrkraft in Vorbereitung<br />

des Unterrichts eine lerngruppenadäquate Schrittfolge plant, die auf genauer methodisch - didaktischer<br />

Analyse basiert. Sie wählt das Material aus und formuliert mögliche Arbeitsfragen. Ist es<br />

aber im Sinne erhöhter und Lernzuwachs fördernder Schülerinteraktion nicht sinnvoller, die Lernenden<br />

bei der Konzeption von Lernaufgaben intensiver einzubeziehen? Möglich ist das zum Beispiel,<br />

indem die Schülerinnen und Schüler zu einer gemeinsam entwickelten Problemfrage Quellenmaterial<br />

zur Verfügung gestellt bekommen, das sie zunächst auf dessen Funktionalität hin begründet<br />

überprüfen und aus dem sie nachfolgend Arbeitsfragen formulieren, mit deren Hilfe sie die<br />

Quelle(n) bearbeiten möchten, um so einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten. Der Grad an<br />

reflektierter Quellenarbeit ist dadurch höher, als wenn die Schülerinnen und Schüler (vor-)formulierte<br />

Fragen beantworten. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, die Lernenden bei diesem Prozess zu<br />

beraten bzw. zu begleiten. Weiterhin fördert dieser methodisch-didaktische Zugriff die Lesekompetenz<br />

der Lernenden stärker, da sie gezielt Lesestrategien anwenden müssen 10 .<br />

8 Dr. Peter Stolz: Die Leitfrage im Geschichtsunterricht: Schülerfrage oder Lehrerkonstrukt?. in: Geschichte für heute 3/2009<br />

9 Dr. J. Nitschke, F. Quaiser: Lernaufgaben im Fach Geschichte. in: Betrifft Lehrerausbildung und Schule 12/20<strong>13</strong><br />

10 vgl. dazu: Studienseminar Koblenz (Hrsg.): Sachtexte lesen im Fachunterricht der Sekundarstufe. Seelze-Velber 2009<br />

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Zur Ausgabe Februar/März 20<strong>13</strong><br />

Die der Lehrkraft zugewiesene Rolle bei den Lernaufgaben sollte auch unter einem weiteren Gesichtspunkt<br />

noch einmal kritisch überdacht werden: Es erscheint sicher optimal, wenn sich deren<br />

Rolle auf die Moderation von Lernprozessen beschränkt. Es muss aber auch daran erinnert werden,<br />

dass der Lehrende einen Erziehungsauftrag hat. Das bedeutet unter anderem auch, dass er<br />

Werte, die er im Unterricht vermittelt, glaubhaft gegenüber den Lernenden vertreten muss. Es<br />

erscheint nicht ganz schlüssig, wie diese Aufgabe erfolgreich realisiert werden kann, wenn die<br />

Person der Lehrerin bzw. des Lehrers auf eine Art „Lernbüro“ reduziert wird.<br />

Der von den Verfassern unterbreitete Vorschlag zur „Aufarbeitung von NS-Verbrechen“ ist noch<br />

unter einem weiteren Aspekt problematisch: Zunächst sei eine klare Prämisse formuliert. Es gibt<br />

historische Sachverhalte, die bereits politisch vorgedeutet sind. Das heißt, dass es - letztendlich<br />

auch im Sinne des Berliner Schulgesetzes - nicht möglich ist, unter den Schlagwörtern<br />

„Kompetenzentwicklung“ oder auch „Lernaufgaben“ alles und jeden Sachverhalt aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven betrachten und beurteilen zu lassen. Zu diesen Inhalten bzw. Themen gehört<br />

vor allem auch der Holocaust. Unter strikter Beachtung des Wertekataloges des Grundgesetzes<br />

darf es im Geschichtsunterricht nur Raum dafür geben, diesen wie auch andere Verbrechen gegen<br />

die Menschlichkeit zu verurteilen. Die vorgestellte Lernaufgabe zur Person Adolf Eichmanns muss<br />

daher sehr kritisch betrachtet werden. Zunächst sei gefragt, inwiefern es überhaupt funktional ist,<br />

die Verurteilung von Adolf Eichmann im Geschichtsunterricht zu problematisieren? Welche „Gegenwartsbezüge“<br />

lassen sich dadurch herstellen?<br />

Das von den Verfassern in dieser Lernaufgabe vorgeschlagene „Setting“ ist letztendlich abzulehnen:<br />

Welchen Auftrag erhalten die Schülerinnen und Schüler tatsächlich, die die Rolle des Verteidigers<br />

zu übernehmen haben? Ihre Aufgabe ist es, die Untaten Eichmanns argumentativ zu relativieren,<br />

schlimmstenfalls sogar, ihn zum „Opfer der Umstände“ zu erklären. Die Frage, die damit<br />

unmittelbar zusammenhängt, ist dann die nach der Beurteilung und Bewertung. Was erwartet der<br />

Lehrer, die Lehrerin von den Lernenden für eine sehr gute Leistung? Wie überzeugend haben die<br />

Argumente in diesem Fall zu sein? Mit Blick auf den „Beutelsbacher Konsens“ liegt hier Überwältigung<br />

vor. Die nächste sich stellende Frage ist die nach der Reaktion der Lehrkraft, wenn Schülerinnen<br />

und Schüler sich weigern, in die Rolle eines Verteidigers zu schlüpfen“. Ist das dann Leistungsverweigerung?<br />

Unbestritten ist die Bedeutung von Multiperspektivität für den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht.<br />

Das von den Verfassern vorgeschlagene Arrangement lässt sich in wenig modifizierter<br />

Form fachlich-inhaltlich funktionaler am Beispiel der Person von Kurt Gerstein umsetzen. Nach<br />

genauer Lektüre der Gerstein-Niederschrift kann die Frage danach, ob Gerstein Widerstandskämpfer<br />

oder Kriegsverbrecher war, aus verschiedenen Perspektiven reflektiert und (kontrovers)<br />

diskutiert werden. Im Ergebnis dieser Diskussion kann so ein differenziertes Bild über Handlungsspielräume<br />

historischer Akteure entstehen und den Lernenden verdeutlicht werden, wie schmal der<br />

Grat sein kann zwischen dem engagierten Bemühen, Zeugnis von Unmenschlichkeit abzulegen,<br />

und Schuldig-Werden.<br />

Götz Massow,<br />

Fachseminarleiter Geschichte/Sozialkunde, PW am 3. SPS Tempelhof-Schöneberg (S)<br />

Seite 69


Aufgeschnappt<br />

Aufgeschnappt<br />

Seite 70<br />

Essay zum Schulbeginn<br />

Schonraum und Ernstfall<br />

Von Wolfgang Harnischfeger<br />

Populäre Schulkritiker wie Richard David Precht haben Konjunktur. Sie fordern, Wissen<br />

nicht mit Bildung zu verwechseln. Was muss eine zeitgemäße, demokratische Schule in der<br />

Informationsgesellschaft leisten?<br />

Das hier vorgestellte Konzept einer zeitgemäßen Schule versteht sich als Antwort auf eine populäre<br />

Fundamentalkritik, wie sie vor allem Richard David Precht formuliert, der die Schule auf den<br />

Kopf stellen will – welch groteskes Bild, denn wer auf dem Kopf steht, verliert in kürzester Zeit den<br />

Überblick und dann das Bewusstsein. Ich teile mit allen populären Schulkritikern die Idee, dass<br />

Schule die Eigentätigkeit und Kreativität junger Menschen stärker fördern sollte, dass Wissen nicht<br />

mit Bildung verwechselt werden darf und dass der Turbogedanke aus unserem Schulsystem herausgenommen<br />

werden muss. Aber staatliche Schule ist kein Abenteuerspielplatz, sondern ein Ort<br />

geplanten, aktiven und reflexiven Lernens.<br />

Alle Großkritiker wie Precht oder der <strong>Neu</strong>robiologe Gerald Hüther vernachlässigen, dass die öffentlich<br />

finanzierte Schule neben der Förderung der Einzelpersönlichkeit noch einen zweiten zentralen<br />

Auftrag hat: die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft zu sichern und den jungen<br />

Menschen ein Hineinwachsen in unsere Kultur zu ermöglichen, Individualisierung und Enkulturation<br />

sind die Fachbegriffe dazu.<br />

Eine Schule, die beide Ziele im Blick hat, kann nicht auf Systematik und Regelhaftigkeit verzichten<br />

und sie muss aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen. In der Informationsgesellschaft ist Wissen<br />

zwar eine unerlässliche Voraussetzung, aber nicht mehr Endziel schulischer Bemühungen,<br />

weil Zahlen und Fakten in unbegrenzter Menge verfügbar sind. Daraus ergibt sich eine Akzentverschiebung:<br />

Fakten und bekannte Anwendungen werden schon beim Erwerb so kombiniert, dass<br />

sie zur Problemlösung taugen und neue Fragen aufwerfen. Wer zu fragen gelernt hat, findet auch<br />

die richtigen Antworten. Der Kern der Veränderung besteht in der systematischen Einübung von<br />

Methoden, in der Betonung des Exemplarischen und in der konsequenten Einbeziehung psychosozialer<br />

Fähigkeiten.<br />

Schule hat die Aufgabe, den jungen Menschen auf das Leben vorzubereiten, indem sie Inhalte,<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, von denen nach heutigem Kenntnisstand erwartet werden<br />

darf, dass sie im künftigen Leben des Schülers eine wichtige Rolle spielen und den Fortbestand<br />

der Gesellschaft sichern. Allerdings muss Schule sich auch an der Gegenwart des Schülers orientieren,<br />

sie kann nicht auf das Leben vorbereiten, indem sie das Leben aus der Schule ausblendet.<br />

Deshalb muss Schule ein Haus für Kinder und Jugendliche sein, sie muss Raum zum Leben sein.<br />

Bei diesem Anspruch müssen Sacherfahrung, Sozialerfahrung und Gefühlserfahrung prinzipiell<br />

gleichwertige Elemente sein, und im Konfliktfall darf nicht automatisch die Stoffvermittlung an erster<br />

Stelle stehen. Diese Verbindung von Theorie und Praxis, von Denken, Fühlen und Handeln<br />

kann nicht auf das Schulgebäude begrenzt sein. Insbesondere muss der Bezug zur Arbeitswelt<br />

und zu Kultureinrichtungen hergestellt werden.<br />

Auf einer Richtzielebene bestehen die Ziele von Schule darin, Informationen einzuholen, sie anderen<br />

mitzuteilen und mit deren Ergebnissen abzugleichen, um gemeinsam nach Lösungen zu su-


Aufgeschnappt<br />

chen. Information und Kommunikation führen zur Kooperation. Dem entspricht die Erkenntnis,<br />

dass bei komplexeren Gegenständen ein einzelner überfordert ist, dass mithin das zu lösende<br />

Problem des Zusammenwirkens und des Austausches mit anderen Informationsträgern bedarf und<br />

dass erst die gemeinsame Anstrengung und Bündelung aller Faktoren und Kräfte zum Ziel führt.<br />

Die Säulen der Schule<br />

In den verschiedenen Facetten schulischen Lernens muss der Schüler die Chance bekommen,<br />

seine Selbstwirksamkeit zu erfahren. Dazu muss er Verantwortung für sich und andere übernehmen<br />

und die Konsumentenrolle aufgeben mit ihrem mehr oder weniger passiven Abwarten, ob der<br />

Lehrer seine Motivationslage getroffen hat oder nicht. Dies lässt sich nur umsetzen, wenn der Lehrer<br />

nicht wie bisher im Zentrum des Geschehens steht und fragend-entwickelnd jeden Lernschritt<br />

vorstrukturiert, initiiert und kontrolliert. Für ein solches Konzept bedarf es der Übereinstimmung in<br />

folgenden Grundpositionen:<br />

1. Verbindlichkeit<br />

Verbindlichkeit setzt klare Regeln voraus, die im Idealfall durch Übereinkunft und Mitbestimmung<br />

aller Beteiligten zustande kommen. Die Schülerinnen und Schüler wissen, welches Verhalten von<br />

ihnen erwartet wird und sie kennen die Konsequenzen bei Nichterfüllung. Auf der Basis der getroffenen<br />

Verabredungen besteht ihre Aufgabe im Erbringen bestimmter Leistungen innerhalb einer<br />

festgelegten Zeit, was sie zu Subjekten ihres Handelns macht, ihr Verantwortungsbewusstsein<br />

fördert, ihr Selbstwertgefühl stärkt und letztlich ihre Selbständigkeit entwickelt. Verbindlichkeit ist<br />

das Gegenteil von Druck, denn Verbindlichkeit setzt Transparenz der Regeln und die Möglichkeit<br />

der eigenen Entscheidung voraus, während Druck durch Fremdbestimmung und eine nie aufgelöste<br />

Angst vor dem eigenen Versagen oder vor anderen Personen entsteht. Die Lehrer sind weiterhin<br />

Fachkräfte für Unterricht und Erziehung und sich ihrer Vorbildwirkung bewusst. Sie können<br />

nur glaubwürdig von Schülern Verbindlichkeit fordern, wenn sie ihren Anteil am Unterrichts- und<br />

Erziehungsprozess einbringen.<br />

2. Genauigkeit im Denken<br />

Der Genauigkeit im Denken und der Logik muss ein weit größerer Stellenwert zugemessen werden<br />

als bisher. Schritte dazu sind die Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung, die Einübung<br />

von schlussfolgernder Argumentation, von logischer Induktion wie logischer Deduktion, die Annäherung<br />

an ein Ziel mit Hilfe dialektischer Verfahren, die Regelfindung vom Einzelfall aus wie die<br />

Ableitung des Besonderen aus dem Allgemeinen. Die bisherige Praxis weckt bei Schülern wie bei<br />

Lehrkräften die Überzeugung, dass jede Schüleräußerung besser sei als keine und dass für eine<br />

genaue Bestimmung des Gegenstands wegen der Stofffülle und des Prüfungsdrucks oft keine Zeit<br />

bleibe. Lehrer wie Schüler geben sich deshalb häufig mit einer mittleren Ebene an Durchdringung<br />

und Aneignung des Gegenstandes zufrieden, sie bilden eine Koalition des Mittelmaßes (die funktioniert,<br />

solange die Noten stimmen).<br />

3. Optimieren von Erstansätzen<br />

Optimieren von Erstansätzen hängt eng mit Genauigkeit im Denken zusammen, bezieht zusätzlich<br />

die Handlungsebene ein und zielt auf eine möglichst optimale Ausschöpfung des vorhandenen<br />

Potenzials. Jedem, der beruflich Texte verfasst, ist die Methode der Überarbeitung eines ersten<br />

Entwurfs zur Erstellung der Endfassung vertraut. In unseren Schulen stellt ein derartiges Verfahren<br />

die Ausnahme dar. Das hängt zusammen mit fehlender Zeit, mit der mangelnden technischen<br />

Ausstattung und mit der oft bei den Schülern nicht vorhandenen Bereitschaft, sich erneut mit einem<br />

schon bekannten Gegenstand auseinanderzusetzen. Viele unserer Schülerinnen und Schüler<br />

sind auf diesem Gebiet nicht über ihre Kindergartenzeit hinausgekommen, als ihre mit wenigen<br />

Strichen angefertigten Zeichnungen von den Erwachsenen gelobt wurden, was aus Gründen der<br />

Ich-Stärkung auch richtig war. Dieses Steckenbleiben im ersten Ansatz stellt im Erwachsenenalter<br />

jedoch keine angemessene Strategie mehr dar, weil das erste Ergebnis nicht ausreicht und der<br />

Seite 71


Aufgeschnappt<br />

geniale Wurf dem Künstler vorbehalten bleibt. Das mehrfache Bearbeiten erfordert Ausdauer,<br />

Frustrationstoleranz und Methodenkompetenz.<br />

4. Ganzheitlichkeit<br />

Herkömmliche Schule fördert aufgrund der Aufteilung des Stoffs auf einzelne Fächer ein isoliertes<br />

Denken, das so lange sein Gutes hat, wie es dem Aufbau einer fachspezifischen Systematik und<br />

der Bildung eines Grundstocks an Kenntnissen dient, es ist aber dysfunktional, wenn es um aktuelles<br />

Weltverständnis geht. Es gleicht dem Versuch, die Klimaveränderungen mit dem Ansteigen<br />

des Thermometers zu erklären. Bisher wird zu oft erst die Fachsystematik gelehrt, um ein Phänomen<br />

zu erklären. Wenn man andersherum vorginge, wenn man, vom Phänomen ausgehend, verschiedene<br />

Erklärungsversuche anstrebte und die aktive Beteiligung förderte, bliebe die Systematik<br />

erhalten und gleichzeitig würde die Begrenztheit und Eindimensionalität des Faches überwunden.<br />

Hier liegt auch der Ausweg beim Streit um den Fachunterricht im Gegensatz zu den Vorzügen eines<br />

multiperspektivischen, fächerübergreifenden Vorgehens.<br />

Ein anderer Aspekt betrifft die Kontroverse um Spezialisierung und Allgemeinbildung. Eine neue<br />

Schule muss deutlich Stellung beziehen zugunsten des „gebildeten Laien“ (Wolfgang Klafki). Die<br />

Konsequenz daraus besteht für die gymnasiale Oberstufe in der verbindlichen Belegung von<br />

Deutsch, Mathematik, Geschichte oder Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und musischen<br />

Fächern, wobei Akzentuierungen innerhalb dieser Fächergruppen möglich sein müssen.<br />

5. Fremdsprachen<br />

Wer sich verstehen will, muss sich verständigen können, hier ist der Zeitgeist einmal auf Seiten der<br />

Schule. Das Zusammenwachsen Europas, die Globalisierung der Wirtschaft und die modernen<br />

Kommunikationsmittel machen die Beherrschung von Fremdsprachen zur unerlässlichen Voraussetzung<br />

einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Deshalb wird das Erlernen der englischen<br />

Sprache zum konstituierenden Qualifikationsmerkmal eines Mittleren Schulabschlusses und<br />

die Beherrschung einer weiteren Fremdsprache zum nicht abwählbaren Bestandteil des Abiturs.<br />

Organisationsformen<br />

Der Unterricht im 45-Minuten-Takt darf nicht mehr die vorherrschende Organisationsform sein, weil<br />

er einem prozesshaft gestalteten Lernen zu geringe Entfaltungsmöglichkeiten lässt. Auch die<br />

durchgehende Gruppenbildung nach dem Prinzip der Altersgleichheit kann eher hinderlich sein.<br />

Die Aufteilung des Stoffes in einzelne Unterrichtsfächer ist oft nur historisch erklärbar und deshalb<br />

für ganzheitliches Lernen nur bedingt geeignet.<br />

Aus diesen Grundüberlegungen heraus wird der Unterricht nach drei Grundprinzipien neu organisiert:<br />

Im Lehrgang wird ein festgelegter Unterrichtsstoff gelernt. Ziel ist der Erwerb von Grundwissen<br />

und der Aufbau einer systematischen, am Fach orientierten Lernstruktur. Dieser Unterricht<br />

erfolgt in leistungsdifferenzierten Kursen innerhalb des Jahrgangs. Ein weiterer Teil findet als Projektunterricht<br />

in der festen Bezugsgruppe (Klasse) statt. Ziel und Methoden richten sich nach den<br />

Teilnehmern, deren individuelle Fähigkeiten nicht als Belastung angesehen, sondern zur Addition<br />

der Kräfte genutzt werden.<br />

Das dritte Angebot besteht in einem Wahlpflichtunterricht, der jahrgangsübergreifend organisiert<br />

wird. Hier sollen Interessen geweckt und Begabungen gefördert werden. Alle Fächer und Bereiche<br />

werden einbezogen, dem verbundenen Lernen wird durch „Lernbereiche“ ein besonderer Stellenwert<br />

eingeräumt. Die drei Unterrichtsarten sind prinzipiell gleichwertig, Inklusionsangebote sind in<br />

allen Formen möglich. Der Anteil des Projektunterrichts darf nicht unter 25 Prozent der Jahresstundenzahl<br />

liegen. In einer so organisierten Schule wird die Strukturfrage (ISS oder Gymnasium)<br />

nachrangig, weil sie schwache Schüler unterstützen und begabte herausfordern kann.<br />

Ein junger Mensch braucht Raum zum Wachsen, zur Erprobung und Entfaltung seiner Talente,<br />

dies aber unter Anleitung und Führung erfahrener Erwachsener. Er muss Fehler machen dürfen<br />

Seite 72


Aufgeschnappt<br />

und kann Ermutigung und Anerkennung erwarten. Er muss ebenso Grenzen erfahren und Unlustgefühle<br />

überwinden lernen, was nicht immer nur auf der Basis eigener Einsicht gehen wird. Kinder,<br />

die sich selbst überlassen sind, enden allzu oft vor dem Bildschirm, im schnellen Konsum oder in<br />

der Unfähigkeit, Leere und Langeweile zu überwinden. Die richtige Antwort darauf besteht aber in<br />

Angeboten, nicht in Verboten.<br />

Das Leitbild einer demokratischen Schule entscheidet sich jedoch nicht an der lehrerfreien Chill-<br />

Ecke, sondern an der Mitgestaltung des gesamten schulischen Lebens, insbesondere an der<br />

Frage, was und wie die Schüler lernen wollen und abschlussbezogen auch lernen sollen. Schule<br />

ist deshalb immer Schonraum und Ernstfall zugleich.<br />

Aus: Der Tagesspiegel Berlin, 04.08.20<strong>13</strong>,<br />

"© Alle Rechte vorbehalten.<br />

Verlag Der Tagesspiegel GmbH, Berlin.“<br />

Seite 73


Mitteilungen<br />

Mitteilungen<br />

1. Bewerbungs- und Vereidigungstermine/Einführungsseminare<br />

Der Bewerbungstermin für die schulpraktische Ausbildung<br />

• ist der 24. <strong>September</strong> 20<strong>13</strong> für Lehramtsanwärter/innen, die ihre Ausbildung am 3. Februar<br />

2014 beginnen werden.<br />

Die Vereidigung/Ernennung der Lehramtsanwärter/innen findet in den aufnehmenden Schulpraktischen<br />

Seminaren am Montag, 3. Februar 2014, statt. Daran schließt sich ein dreißig Zeitstunden<br />

umfassendes Einführungsseminar für die Lehramtsanwärter/innen an, das von den Leitern/ Leiterinnen<br />

bzw. Stellvertretenden Leitern/Leiterinnen der Schulpraktischen Seminare durchgeführt<br />

wird.<br />

Die Zahl der Ausbildungsplätze zum August 20<strong>13</strong> beträgt:<br />

‣ in der Studienratslaufbahn (im allgemeinbildenden Bereich)<br />

davon berufsbegleitend<br />

‣ in der Studienratslaufbahn (im berufsbildenden Bereich)<br />

davon Quereinsteiger<br />

‣ in der Lehrerlaufbahn<br />

o L1-Lehreranwärter/innen<br />

o L2-Lehreranwärter/innen<br />

davon insgesamt berufsbegleitend<br />

‣ Lehreranwärter/innen an Sonderschulen 44<br />

378<br />

49<br />

30<br />

18<br />

91<br />

61<br />

9<br />

Damit hat sich die Anzahl der Lehramtsanwärter/innen, die ihre Ausbildung im August 20<strong>13</strong> beginnen,<br />

gegenüber dem letzten Einstellungstermin im Februar 20<strong>13</strong> in der Studienratslaufbahn insgesamt<br />

erhöht: für die Studienräte allgemeinbildend um ca. 22%, im berufsbildenden Vorbereitungsdienst<br />

ist die Anzahl ungefähr gleich geblieben.<br />

In der Lehrerlaufbahn hat sich die Anzahl der Lehreranwärter/innen vor allem bei den L1-Lehreranwärter/innen<br />

um ca. 16% verringert und bei den L2-Lehreranwärter/innen um ca. 4%.<br />

Die Anzahl der Lehramtsanwärter/innen, die sich für den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst<br />

entschieden haben, hat sich in allen Laufbahnen erhöht, vor allem in der Studienratslaufbahn: im<br />

allgemeinbildenden Bereich von 2 auf 47 Lehramtsanwärter/innen im Vergleich zum Februar 20<strong>13</strong>;<br />

im berufsbegleitenden Bereich von 7 auf 18 Lehramtsanwärter/innenmehr und im L-Bereich von 2<br />

auf 9 Lehramtsanwärter/innen.<br />

Ebenfalls hat sich die Anzahl der Lehreranwärter/innen für die Sonderschulen um ca. 38% gegenüber<br />

der im Februar 20<strong>13</strong> erhöht. Somit ergibt sich folgendes Bild:<br />

in der Studienratslaufbahn (allgemein bildend) + 67<br />

im berufsbildenden Bereich - 2<br />

in der Lehrerlaufbahn<br />

L1-Lehrer<br />

L2-Lehrer<br />

-17<br />

- 4<br />

bei den Sonderpädagogen + 12<br />

Seite 74


Mitteilungen<br />

Über alle Laufbahnen hinweg ist ein leichter Rückgang der Anzahl der Bewerber zu verzeichnen,<br />

wobei sich ein Ungleichgewicht zwischen der Lehrerlaufbahn (ausgenommen der Sonderpädagogen)<br />

und der Studienratslaufbahn abzeichnet.<br />

Die Anzahl der Bewerber mit einem Masterabschluss wird nicht mehr erhoben.<br />

2. Aufnahme von Lehramtsanwärtern/innen in den Ausbildungsregionen<br />

Wie bereits in den letzten Ausgaben erwähnt, wird den Regionen eine Gesamtzahl an Lehramtsanwärter/innen<br />

zugewiesen, die anschließend die Seminarleiter/innen der jeweiligen Regionen auf<br />

die Schulen und die Fachseminare in ihrer Region verteilen. Sollten nicht ausreichend Ausbildungsplätze<br />

in den Schulen oder in den Fachseminaren vorhanden sein, muss auf benachbarte<br />

Regionen ausgewichen werden. Die berufsbegleitenden Teilnehmer sind dem 3. SPS Marzahn-<br />

Hellersdorf, dem 1. SPS <strong>Neu</strong>kölln und dem 5. und 7. SPS Steglitz-Zehlendorf zugewiesen worden.<br />

Wegen der geringen Anzahl im L-Bereich gibt es keine Schwerpunktseminare für berufsbegleitende<br />

Teilnehmer.<br />

Aufgrund der gestiegenen Bewerberzahlen im S- Bereich sind folgende Seminare neu eröffnet<br />

bzw. neu besetzt worden:<br />

1. SPS Lichtenberg; 1. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf (S); 1. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S) und 4.<br />

SPS Marzahn-Hellersdorf (L).<br />

Das 7. SPS Reinickendorf ist nicht neu besetzt worden.<br />

Am 29. Juli 20<strong>13</strong> nahmen folgende Seminare neue Auszubildende auf:<br />

Region L-Bereich S-Bereich<br />

1 : Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte,<br />

Spandau, Steglitz-Zehlendorf,<br />

2 : Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf,<br />

Reinickendorf<br />

3 : Friedrichshain-Kreuzberg, <strong>Neu</strong>kölln,<br />

Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick<br />

63 156<br />

83 64<br />

23 155<br />

Entsprechend den bisherigen Frequenzen in den Schulpraktischen Seminaren nahmen die folgenden<br />

Seminare Lehramtsanwärter/ innen zum Einstellungstermin 29. Juli 20<strong>13</strong> auf:<br />

Lehreranwärter/innen:<br />

Studienreferendar/innen<br />

(allgemein bildend):<br />

Region 1:<br />

3. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf 1. SPS Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

2. SPS Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

4. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf 1. SPS Mitte<br />

1. SPS Spandau<br />

8. SPS Steglitz-Zehlendorf 1. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />

2. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />

3. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />

5. SPS Steglitz/Zehlendorf<br />

7. Steglitz/Zehlendorf<br />

Region 2:<br />

3. SPS Lichtenberg 1. SPS Lichtenberg<br />

4. SPS Marzahn-Hellersdorf 2. SPS Lichtenberg<br />

2. SPS Reinickendorf 1. SPS Marzahn/Hellersdorf<br />

Seite 75


Mitteilungen<br />

3. SPS Marzahn-Hellersdorf<br />

4. SPS Reinickendorf 1. SPS Reinickendorf<br />

5. SPS Reinickendorf 3. SPS Reinickendorf<br />

6. SPS Reinickendorf<br />

Region 3:<br />

3. SPS <strong>Neu</strong>kölln 2. SPS Friedrichshain-Kreuzberg<br />

8.SPS Friedrichshain/Kreuzberg<br />

1. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />

2. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />

4. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />

2. SPS Tempelhof-Schöneberg<br />

4. SPS Treptow-Köpenick<br />

Sonderpädagogen<br />

Studienreferendare/innen<br />

(berufsbildend)<br />

3. SPS Friedrichshain/Kreuzberg (Master) 6. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />

7. SPS Friedrichshain/Kreuzberg<br />

3. Einführungsveranstaltungen für neue Fachseminarleiter/innen<br />

Für die neuen Fachseminarleiter/innen, die ab August 20<strong>13</strong> ihre Tätigkeit aufnahmen, bot die für<br />

das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung wieder umfangreiche Qualifizierungsangebote an.<br />

Für den Besuch der insgesamt vier Bausteine ergingen wieder gesonderte Einladungen von der<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.<br />

4. Personalia<br />

Auch in diesem Jahr wurden wieder neue Fachseminarleiter/innen für die Ausbildung benötigt. In<br />

der folgenden Übersicht sind die neuen Fachseminare oder neu zu besetzenden Fachseminare<br />

nach Fächern zusammengestellt. Folgende Kolleginnen und Kollegen nahmen ab August 20<strong>13</strong><br />

ihre Tätigkeit als Fachseminarleiter/innen auf:<br />

LAUFB FACH Name des FSL VORNAME Schulname<br />

S a Bio<br />

Seite 76<br />

Dr. Kallwellis-<br />

Opara<br />

Angela<br />

S a Bio Weber Sybille<br />

Lise-Meitner-Schule (OSZ Chemie,<br />

Physik und Biologie)<br />

Johann-Gottfried-Herder-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

S a De Bergfelder Angela Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium<br />

S a De<br />

Eckhart-<br />

Springate<br />

Katja<br />

S a De Hirte Jennifer<br />

S a De Luczak Veit<br />

S a De Müller Sandra<br />

S a De Nikolai-Kaiser Imke<br />

S a De Stasch Sabine<br />

Gabriele-von-Bülow-Gymnasium<br />

Wolfgang-Amadeus-Mozart-Schule<br />

(Gemeinschaftsschule)<br />

Georg-Friedrich-Händel-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

Droste-Hülshoff-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

Albert-Einstein-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

Sophie-Charlotte-Schule<br />

(Gymnasium)


Mitteilungen<br />

S a De Wagner Christiane Rosa-Luxemburg-Gymnasium<br />

S a En Kretschmer Mirjam Goethe-Gymnasium<br />

S a En Reimers Nicola<br />

Anna-Freud-Schule (OSZ<br />

Sozialwesen)<br />

S a En Reinkensmeier Wiebke OSZ Banken und Versicherungen<br />

S a En Schaldach Anne Tagore-Schule (Gymnasium)<br />

S a Frz Gigling Elisabeth Rudolf-Virchow-Schule<br />

S a Frz Kirk Uta Friedrich-Engels-Gymnasium<br />

S a Geo Spieler Silke Melanchthon-Schule (Gymnasium)<br />

S a Ge<br />

Bewersdorff-<br />

Heise<br />

Sven<br />

Ernst Abbe-Schule (Gymnasium)<br />

S a Ge Ennigkeit Jeanette Fichtenberg-Schule (Gymnasium)<br />

S a Ge Hagemeyer Margarethe Beethoven-Schule (Gymnasium)<br />

S a La Wedekind Katja Schadow-Gymnasium<br />

S a La Tümmler Mareike Anne-Frank-Gymnasium<br />

S a Ma Althoff Maren<br />

John-F.-Kennedy-Schule<br />

(Gemeinschaftsschule)<br />

S a Phil Drechsler Karen Melanchton-Schule (Gymnasium)<br />

S a Phil<br />

Ruschmeier-<br />

Krause<br />

S A Phil Vogler<br />

Ilona<br />

Hans-<br />

Joachim<br />

S a Ph Franke Thomas<br />

S a Span Aktas Atilla<br />

Droste-Hülshoff-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

John-Lennon-Gymnasium<br />

Johann-Gottfried-Herder-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

Jane-Addams-Schule (OSZ<br />

Sozialwesen)<br />

S a Span Schilling Dirk Gerhart-Hauptmann-Gymnasium<br />

S a Span Schlede Christoph<br />

S a Sport Lackas Robin<br />

S DH WL Wengerzink Stefan<br />

Werner-von-Siemens-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

Hermann-Hesse-Schule<br />

(Gymnasium)<br />

Friedrich-List-Schule (OSZ<br />

Wirtschaftssprachen)<br />

L a UaS Gelew Stefan Dietrich-Bonhoeffer-Grundschule<br />

Legende: S a: Studienratslaufbahn, allgemein bildend<br />

S DH: Studienratslaufbahn, berufsbildend<br />

L a: Lehrerlaufbahn, allgemein bildend<br />

L UaS: Lehrerlaufbahn, Sonderpädagogik<br />

Stand: August 20<strong>13</strong><br />

Zusammengestellt von Roswitha Kneer-Werner<br />

Leiterin des 2. Schulpraktischen Seminars <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

Seite 77


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Der Bundesarbeitskreis der Seminar- und<br />

Fachleiter/innen e.V., Landesgruppe Berlin<br />

Aktivitäten des <strong>BAK</strong> in Berlin<br />

Stellungnahme zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes (LBiG) 11<br />

In der ersten Juni-Woche erreichte den <strong>BAK</strong> Landesverband die Aufforderung, bis zum 20.6.20<strong>13</strong><br />

Stellung zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes zu nehmen. Die Zeit war knapp, die Einbeziehung<br />

aber willkommen. Schließlich hatte der <strong>BAK</strong> bereits am 18. Oktober 2012 die Möglichkeit genutzt,<br />

sich im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie zum Thema „Stand und Perspektiven der<br />

Lehrer/innenbildung in Berlin – Wie geht es weiter mit dem Lehrerbildungsgesetz?“ zu äußern. Im<br />

Mittelpunkt dieser Anhörung im Abgeordnetenhaus stand der Bericht der Expertenkommission<br />

(Baumert-Kommission), der mit zur Grundlage des vorliegenden Entwurfs des Lehrerbildungsgesetzes<br />

(LBiG) wurde. 12<br />

Viele Erwartungen des <strong>BAK</strong> Landesverbandes werden durch die Entwurfsfassung des LBiG <strong>13</strong> erfüllt.<br />

Wir könnten zufrieden sein, uns zurücklehnen und davon reden, am großen Wurf eines neuen<br />

Lehrerbildungsgesetzes beteiligt gewesen zu sein. Zum Zurücklehnen besteht aber noch kein<br />

Grund. Die erfolgreiche Umsetzung von Reformen hängt unserer Überzeugung nach von der Bereitstellung<br />

ausreichender Ressourcen ab. Und da bleiben weiter Wünsche offen. Außerdem werden<br />

viele Punkte durch den vorliegenden Entwurf nicht geklärt. Entscheidendes wird in den neu zu<br />

gestaltenden Rechtsverordnungen sowie in den „Rahmenvereinbarungen zur Ausgestaltung des<br />

Praxissemesters und zur Kooperation mit den Schulen sowie den Schulpraktischen Seminaren“<br />

geregelt werden. Aus diesem Grund fordern wir in der Stellungnahme die Mitwirkung der an der<br />

Lehrkräfteaus- und -weiterbildung Beteiligten an diesen nachgeordneten Rechtsverordnungen und<br />

Vereinbarungen.<br />

Der Landesvorstand sah aus diesem Grund die Notwendigkeit, sich auch nach der zügigen und<br />

intensiven Arbeit an der <strong>BAK</strong>-Stellungnahme in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung<br />

über das angekündigte Lehrerbildungsgesetz und seine Folgen auszutauschen. Über diese Veranstaltung<br />

vom 20. August berichtet Helmut Hochschild im folgenden Beitrag.<br />

Anforderungen an einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst (bbVD)<br />

Die Ankündigung der Bildungssenatorin Scheeres im April des Jahres, als Maßnahme zur Steigerung<br />

der Attraktivität des Lehrerinnen- und Lehrerberufs einen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst<br />

zu gestalten (Pressemitteilung vom 23.4.20<strong>13</strong>) führte unter <strong>BAK</strong>-Mitgliedern und unter Kolleginnen<br />

und Kollegen zu einer lebhaft geführten Diskussion über Anspruch und Wirklichkeit des<br />

Vorbereitungsdienstes in Berlin.<br />

Mangels Alternativen ist nachvollziehbar, dass mit dem berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst<br />

Unterrichtsbedarf abgedeckt und auf den Lehrermangel in bestimmten Fächern reagiert wird. - Und<br />

das, obwohl die Senatsschulverwaltung darum weiß, dass Schul- und Seminarleiter/-innen, Be-<br />

11 siehe Abdruck der Stellungnahme auf den folgenden Seiten<br />

12 Darüber berichtete der <strong>BAK</strong> Berlin in „Betrifft: Lehrerausbildung und Schule“, <strong>Heft</strong> 12, S. 86.<br />

<strong>13</strong> Der Entwurf ist auf der <strong>BAK</strong>-Homepage als Download verfügbar: http://www.bak-online.de (siehe Landesgruppe BERLIN)<br />

Seite 78


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

rufsverbände und Gewerkschaften seit Jahren fordern, mit gezielten Einstellungen auf den absehbaren<br />

Lehrermangel in bestimmten Fächern zu reagieren.<br />

Viele Kolleginnen und Kollegen sehen die Gefahr, dass Versäumnisse der Bildungspolitik in der<br />

Vergangenheit zu einer Entwertung der augenblicklichen Lehrerausbildung führen. Statt schneller<br />

und simpler organisatorischer Lösungen für den Moment wünschen sie sich die Sicherung bzw.<br />

Verbesserung der Ausbildungsqualität für den Berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst (bbVD), um<br />

gerade in den heutigen Mangelfächern zukünftig interessierten Nachwuchs gewinnen zu können.<br />

Die aktuelle Form des bbVD in sogenannten Mangelfächern wird zwar die erste Not an den Schulen<br />

mindern, kann aber das grundlegende Problem nicht beheben. Dass es in einigen Fächern<br />

gravierenden Nachwuchsmangel gibt, hängt auch mit der Gestaltung des Unterrichts in diesen Fächern<br />

zusammen. Wenn hier nun sogenannte Seiteneinsteiger in den Vorbereitungsdienst aufgenommen<br />

werden, denen es nicht an Sachkenntnis, gleichwohl aber an pädagogischer und fachdidaktischer<br />

Grundkenntnis fehlt, und wegen der hohen Unterrichtsverpflichtung im Vorbereitungsdienst<br />

die Zeit für eine nachhaltige pädagogische Sozialisation nicht vorhanden ist, besteht die<br />

Gefahr, dass der Unterricht in den Mangelfächern sich nicht dahingehend bessert, dass eine größere<br />

Zahl von Schülerinnen und Schülern sich für ein Studium in einem solchen Fach entscheidet.<br />

In jedem Fall muss unserer Auffassung nach der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst vom<br />

sonstigen Vorbereitungsdienst stark unterscheidbar und deutlich individualisierend gestaltet werden.<br />

14 Andere Ausbildungsvoraussetzungen machen andere Ausbildungsmaßnamen erforderlich.<br />

Der <strong>BAK</strong>-Landesverband sieht die Notwendigkeit, die vorhandenen Potentiale im Berliner Vorbereitungsdienst<br />

für eine gute Ausbildung unter erschwerten Bedingungen zu nutzen, und wird sich<br />

dafür einsetzen.<br />

Herbert Böpple<br />

Landessprecher des <strong>BAK</strong> Berlin<br />

Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Lichtenberg (S)<br />

<strong>BAK</strong>-Mitglieder informierten sich über das neue<br />

Lehrerbildungsgesetz<br />

Nachdem der Vorstand der Landesgruppe Berlin des <strong>BAK</strong> zum Gesetzentwurf des neuen Lehrerbildungsgesetzes<br />

(LBiG) eine Stellungnahme verfasst hatte, sollten die Mitglieder am 20. August<br />

20<strong>13</strong> auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung die Möglichkeit haben, sich genauer<br />

über den Gesetzentwurf und die geplante Umsetzung zu informieren sowie ihre Einschätzungen zu<br />

äußern.<br />

In dem mit knapp 40 Personen gut gefüllten Seminarraum der Schulpraktischen Seminare Lichtenberg<br />

standen von der Senatsbildungsverwaltung der Leiter des Referats für Lehrerbildung Andreas<br />

Stephan und Anja Herpell, Referentin für Grundsatzangelegenheiten in der zweiten Phase,<br />

Rede und Antwort. Sie fassten die für den Vorbereitungsdienst relevanten Aussagen des LBiG<br />

zusammen und beantworteten den Mitgliedern ausführlich die vielen Fragen.<br />

Mit der Verabschiedung des Gesetzes im Abgeordnetenhaus von Berlin, die noch vor dem Jahreswechsel<br />

erwartet wird, würden auf der Basis des jetzigen Entwurfes u. a. der 18-monatige Vorbereitungsdienst<br />

für alle Laufbahnen, die Einführung eines Praxissemesters im 3. Semester des<br />

Masterstudiums und die Reduzierung der laufbahnbezogenen Studienabschlüsse auf das Lehramt<br />

für die berufsbildende Schule sowie die allgemeinbildenden Lehrämter für die Grundschule und die<br />

14 siehe dazu im Folgenden die <strong>BAK</strong>-Stellungnahme zum LBiG<br />

Seite 79


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

weiterführende Schule beschlossen werden. Für das Lehramt für die weiterführende Schule ist im<br />

Gesetzentwurf eine sogenannte Profilierung für das Gymnasium bzw. für die Integrierte Sekundarschule<br />

vorgesehen. Deren Realisierung bleibt im Moment aber noch unklar. Wenn das Abgeordnetenhaus<br />

tatsächlich im Herbst 20<strong>13</strong> das Gesetz beschließen würde, könnte die Einführung des<br />

18-monatigen Vorbereitungsdienstes nach Herrn Stephans Einschätzung frühestens für die im<br />

Sommer 2014 einzustellenden Lehramtsanwärterinnen und das Praxissemester für die im Wintersemester<br />

2014/2015 beginnenden Studierenden realisiert werden.<br />

Aus der Perspektive der als Lehramtsanwärterinnen (LAA) Betroffenen stellten zwei anwesende<br />

Vertreterinnen des Personalrates der LAA Fragen zum Praxissemester, zur Möglichkeit der Teilzeitarbeit<br />

und zu den Einstellungskriterien. Hierauf antworteten die beiden Experten aus der Senatsverwaltung,<br />

dass die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes<br />

vorgesehen sei. Unklare Einstellungskriterien führten in der Vergangenheit oft zu einem<br />

Beschreiten des Klageweges durch Bewerber/innen. Dass sich das zukünftig wiederholen wird,<br />

werde für unwahrscheinlich gehalten, da ein großer Bedarf an Einstellungen für die Berliner Schule<br />

zu erwarten und damit nur noch in Ausnahmefällen mit Ablehnungen zu rechnen sei. Ferner forderten<br />

die Vertreterinnen des Personalrates wie auch die anwesenden Vertreterinnen der GEW die<br />

Schaffung von Ressourcen für die Betreuung der Studierenden im Praxissemester und der LAA im<br />

Vorbereitungsdienst.<br />

Die Koordination der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung soll durch einen Kooperationsrat<br />

ausgestaltet werden, der mit je einem Vertreter der Universitäten, drei Repräsentanten des<br />

Vorbereitungsdienstes und einer Vertreterin der Senatsbildungsverwaltung besetzt sein wird. Im<br />

Moment ist eine Expertenkommission dabei, über die Einrichtung des Praxissemesters zu verhandeln.<br />

Da die Verhandlungen sich schwierig gestalten, konnte Frau Herpell noch keine konkreten<br />

Angaben zur Realisierung des Praxissemesters machen.<br />

Abschließend wurde zugesichert, dass bei der Erarbeitung der auf dem neuen Lehrerbildungsgesetz<br />

basierenden Verordnungen die Verbände, also auch der <strong>BAK</strong> und die GEW, Gehör finden<br />

werden.<br />

Am Ende der Veranstaltung blieb das Fazit, dass vieles besser werden könnte. Ob dies allerdings<br />

ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel gelingen kann, wurde in Zweifel gezogen. Damit gilt weiter die<br />

Forderung, dass die Steigerung der Qualität von Bildung und Lehrerbildung auch dringend weitere<br />

Ressourcen benötigt.<br />

Helmut Hochschild<br />

Mitglied des <strong>BAK</strong>-Landesvorstandes (Sektionssprecher - L)<br />

Leiter des 5. Schulpraktischen Seminars in Berlin-Reinickendorf (L)<br />

Seite 80


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e. V. – Landesverband Berlin<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft<br />

II C 4<br />

Bernhard-Weiß-Str. 6<br />

10178 Berlin<br />

Stellungnahme zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes (LBiG)<br />

Sehr geehrte Frau Annecke,<br />

20. Juni 20<strong>13</strong><br />

Der <strong>BAK</strong> Berlin, als regionale Vertretung des Interessensverbands der Ausbilderinnen<br />

und Ausbilder der zweiten Phase, begrüßt die mit der Novellierung<br />

des Lehrerbildungsgesetzes eingeleitete Reform der Lehrkräftebildung.<br />

Positiv erscheinen aus Sicht des <strong>BAK</strong><br />

- der Zuschnitt und die Gleichstellung der drei beschriebenen Lehrämter.<br />

- grundsätzlich die Stärkung der Fachlichkeit im Grundschullehramt.<br />

- die einheitliche Dauer von Studium und Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter<br />

(18 Monate). Die Verkürzung des zweijährigen Vorbereitungsdienstes<br />

im Studienratsbereich ist für den <strong>BAK</strong> grundsätzlich akzeptabel,<br />

sofern eine effektive Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase<br />

ermöglicht und umgesetzt wird.<br />

Der Erfolg der Reform ist für uns abhängig von folgenden<br />

Gelingensbedingungen.<br />

Der § 5 Abs. 3 des Entwurfs zum Lehrerbildungsgesetz in der Fassung vom<br />

6.6.20<strong>13</strong> ist zu ergänzen durch folgende Formulierung:<br />

„Beide Schwerpunktsetzungen ermöglichen den Zugang und Einsatz zu beiden<br />

Schularten“.<br />

- Aus der gleichen Ausbildung in erster und zweiter Phase ergibt sich<br />

folgerichtig der Anspruch auf gleiche Eingruppierung mindestens nach<br />

Entgeltgruppe <strong>13</strong> für alle drei Lehrämter.<br />

- Es ist insgesamt darauf zu achten, dass die Ausrichtung der Ausbildung<br />

in der ersten und zweiten Phase zielführend aufeinander abgestimmt<br />

wird. Insbesondere im Bereich des Lehramtes an Grundschulen ist die<br />

nach § 5 Abs. 2 Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes vorgesehene Ausbildung<br />

in drei Fächern im Vorbereitungsdienst fortzusetzen.<br />

- Die Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase ist durch folgende<br />

Maßnahmen zu stärken:<br />

a) von der ersten und zweiten Phase gemeinsam durchgeführte Qualifizierung<br />

von Mentorinnen und Mentoren für die Berliner Schule oder eine ge-<br />

<strong>BAK</strong><br />

Bundesarbeitskreis<br />

der Seminar- und<br />

Fachleiter/innen e.V.<br />

Landesverband<br />

Berlin<br />

Landessprecher:<br />

Herbert Böpple<br />

Schröderstr.2<br />

10115 Berlin<br />

Tel. 030/46066829<br />

E-Mail:<br />

herbert.boepple@web.de<br />

www.bak-online.de<br />

Seite 81


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

meinsame Qualifizierung aller am Praxissemester mitwirkenden Ausbilderinnen<br />

und Ausbilder (Fachdidaktikerinnen und –didaktiker der ersten<br />

Phase, Fachseminarleitungen der zweiten Phase, Mentorinnen und Mentoren<br />

der Schulen) durch Experten von außen (z.B. Universität Zürich mit<br />

Qualifizierung zur Beratungskompetenz)<br />

b) Einsatz dieser Mentoren und Mentoren sowohl in der ersten und zweiten<br />

Phase<br />

c) gleichmäßiger Einsatz von Ermäßigungsstunden für Mentorinnen und<br />

Mentoren in der ersten und zweiten Phase<br />

d) Die Vertreter/innen der zweiten Phase sowie die Vertreter/innen der<br />

Schulleitungen sind an der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung<br />

des Praxissemesters gleichberechtigt zu beteiligen, z. B. durch paritätische<br />

Gleichbesetzung im Kooperationsrat.<br />

- Unserer Ansicht nach muss der aus der Not geborene berufsbegleitende<br />

Vorbereitungsdienst (bbVD) erkennbar unterscheidbar sein vom regulären<br />

Vorbereitungsdienst (VD). In diesem Sinne sollte der bbVD auf allen<br />

Ebenen als Ausnahmefall behandelt werden. So ist in § 12 Abs. 1 Satz 2<br />

Entwurf LBiG die Formulierung „ über einen lehramtsbezogenen Master<br />

of Eduacation, über eine Erste Staatsprüfung oder“ zu streichen. Darüber<br />

hinaus wäre zu prüfen, inwieweit der modularisierte VD Chancen bietet,<br />

auf die besonderen Qualifikationspotentiale der Bewerber im bbVD einzugehen.<br />

- Die neu zu gestaltenden Rechtsverordnungen (§ 5 (5); § 10 (5); § 11 (7);<br />

§ 12 (2); § <strong>13</strong> (3); § 17 (5); § 18 (5)) sowie die „Rahmenvereinbarungen<br />

zur Ausgestaltung des Praxissemesters und zur Kooperation mit den<br />

Schulen sowie den Schulpraktischen Seminaren“ (§ 8 (3)) erfordern eine<br />

Mitwirkung der an der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung Beteiligten.<br />

Unsere Stellungnahme zum Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes möchten<br />

wir auch dazu nutzen, zum wiederholten Male auf Folgendes hinzuweisen:<br />

Eine qualitativ hochwertige Ausbildung ist nur gewährleistet, wenn sie nicht<br />

bedarfsbedeckend organisiert ist, sondern den individuellen Voraussetzungen<br />

der LAA gerecht wird. Deshalb fordern wir erneut eine deutliche Reduzierung<br />

der Anrechnungsstunden der LAA in den Ausbildungsschulen!<br />

Die Planungssicherheit der Schulen sowie die Anschlussfähigkeit der zweiten<br />

Phase ließen sich zudem durch eine andere Terminierung der Einstellungen<br />

(18 Monate = 2+12+4, davon sind die ersten beiden und die letzten 4 Monate<br />

anrechnungsfrei) verbessern.<br />

Für ausführliche Begründungen sowie für die Entwicklung weiterführender<br />

Regelungen stehen wir gerne in weiteren Gesprächen zur Verfügung!<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Böpple<br />

Seite 82


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e. V.<br />

Geschäftsstelle für Mitgliederverwaltung - Finanzen - Vertrieb<br />

Dietmar Seiffert - Bundesschatzmeister<br />

Bernhard-Lichtenberg-Weg 9, 31<strong>13</strong>9 Hildesheim<br />

Tel. / Fax 05121 / 270191 Tel. 05121 / 46184 E-Mail: D.Seiffert@t-online.de<br />

Beitrittserklärung und Ermächtigung zum Bankeinzug<br />

Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zum Bundesarbeitskreis der Seminar- und<br />

Fachleiter/innen e. V. (<strong>BAK</strong>). Gleichzeitig ermächtige ich den <strong>BAK</strong> widerruflich, den<br />

Jahresbeitrag bei Fälligkeit am 01. März eines jeden Jahres von meinem Konto mittels<br />

Lastschrift einzuziehen. Die Forderung der Gutschrift eines von mir nicht anerkannten<br />

Einzugsbetrages bleibt vorbehalten.<br />

Der gegenwärtige Jahresbeitrag beträgt für Mitglieder aus den „alten" Bundesländern<br />

48,00 EUR und für Mitglieder aus den „neuen" Bundesländern 36,00 EUR.<br />

• Bundesland<br />

• Name<br />

• Vorname<br />

• Straße<br />

• PLZ, Ort<br />

• E-Mail / Telefon<br />

• Ort des Studienseminars<br />

• Lehramt /(Gym., bbS, GHRS, SoS, …)<br />

• Seminarfunktion<br />

Konto<br />

Bank<br />

in<br />

BLZ<br />

Ort, Datum<br />

Unterschrift<br />

<strong>BAK</strong> ist vom Finanzamt Bruchsal als gemeinnützige Personenvereinigung anerkannt worden<br />

(Gern. 1150).

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