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<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong><br />

Grundriss der Philosophie III<br />

Ontologie<br />

Zur Ontologie<br />

Copyright by <strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster<br />

Alle Rechte vorbehalten


Teil 1<br />

Ontologie allgemein


Ontologie und Dialektik<br />

Die Ontologie<br />

Ontologie ist grundsätzlich Seinsphilosophie, sie ist die Lehre vom Sein des Seienden. Alle<br />

Ontologie ruht seit je her fest auf den Schultern <strong>von</strong> Aristoteles. Bei Aristoteles hieß die<br />

Ontologie allerdings noch „Metaphysik“, ein Begriff, den Aristoteles selbst geschaffen hat.<br />

Ich unterscheide vier Bereiche der Ontologie:<br />

1. die Metaphysik (bei Aristoteles)<br />

2. die Fundamentalontologie (bei Thomas <strong>von</strong> Aquin)<br />

3. sowohl die Sprachontologie, als auch die Existentialphilosophie (bei Heidegger)<br />

Die ontologischen Differenzen<br />

In der scholastischen Philosophie (etwa bei Thomas <strong>von</strong> Aquin) wurden mehrere ontologische<br />

Differenzen unterschieden. Unter einer „ontologischen Differenz“ (der Begriff stammt <strong>von</strong><br />

Heidegger) versteht man eine Spaltung <strong>von</strong> zwei Begriffen in einen dualen Zusammenhang.<br />

Solche Dualitäten gibt es in der Philosophie sehr viele. Wir wollen hier einmal exemplarisch<br />

die beiden für die Ontologie wichtigsten Differenzen untersuchen. Diese sind:<br />

1.Akt und Potenz<br />

2.Essenz und Akzidens<br />

Akt und Potenz<br />

Wir wollen zunächst die ontologischen Begriffe klären. Alles Wirkliche hat zwei Momente,<br />

das Moment des Aktuellseins, seine Realität oder Tatsächlichkeit, die wir Akt nennen, und<br />

andererseits das Moment der Potenz, der Möglichkeit, etwas anderes zu werden, als das, was<br />

es im Augenblick ist.<br />

Die ontologische Frage nach dem eigentlichen Sein führt also in die Untersuchung <strong>von</strong><br />

aktuellem Sein und potentiellem Sein. Alles eigentlich Seiende (alles Wirkliche) trägt diese<br />

Differenz in sich.<br />

Essenz und Akzidens<br />

Neben der ontologischen Differenz <strong>von</strong> Akt und Potenz gibt es auch noch eine Differenz <strong>von</strong><br />

Essenz (Wesen) und Akzidens (Erscheinung). Klären wir zunächst wieder die Begriffe. Da<br />

müssen wir etwas weiter ausholen. Wenn wir uns fragen, wie wir überhaupt zu Begriffen<br />

kommen, sehen wir, dass wir einen Begriff erhalten, wenn wir <strong>von</strong> allem Unwesentlichen<br />

(Akzidens) absehen. Dann bilden sozusagen alle wesentlichen Eigenschaften (Essenz) den<br />

Begriff (sein Wesen). Zu den unwesentlichen Eigenschaften etwa einer Tasse, gehören die<br />

Temperatur, die Farbe, das Gewicht usw. Von ihnen müssen wir absehen,, wenn wir den<br />

Begriff der Tasse (Tasse an sich) bilden wollen. Dann haben wir es aber nur noch mit den<br />

wesentlichen Eigenschaften zu tun. Dazu zählt u.a. die Form der Tasse. Es gibt aber auch<br />

Beispiele, da gehören etwa die Temperatur (Fieber) oder die Farbe (Himmel) unmittelbar zu<br />

den wesentlichen Eigenschaften (Essenz), und damit zu einem wesensgemäßen Begriff. Ein<br />

Begriff kann niemals akzidentiell sein.<br />

Wie ich bereits oben gesagt habe, lassen sich noch weitere Differenzen finden. Ich will noch<br />

drei weitere (ontologogische) Beispiele geben:<br />

1. Sein und Werden. Dabei versteht man unter dem Sein das Beharrende, Bleibende, unter<br />

dem Werden die Veränderung.


2. Aktiva und Passiva. Dabei versteht man unter der Aktiva das Tun, das aktiv Sein, und<br />

unter der Passiva das Nichttun, das Erleiden. Wir unterscheiden ferner eine aktive Potenz und<br />

eine passive Potenz.<br />

3. Sein und Seiendes. Heidegger hat in besonderer Weise darauf hingewiesen, dass es ein<br />

„Sein des Seienden“ gibt, und dass es auch „Sein des Seienden“ heißen muss. Diese zentrale<br />

Differenz liegt aller Ontologie zugrunde. Ein ontologischer (metaphysischer) Begriff kann<br />

sich nämlich entweder auf das Sein, oder aber auf das Seiende beziehen. Jedenfalls erst<br />

einmal, wie wir noch sehen werden.<br />

Das System der ontologischen Differenzen bei Thomas <strong>von</strong> Aquin<br />

Wir versuchen nun, die drei wichtigsten ontologischen Differenzen bei Aristoteles und<br />

Thomas zusammenzudenken, und damit einen ersten Überblick zu gewinnen. Dies drei<br />

ontologischen Differenzen sind:<br />

1. Akt – Potenz<br />

2. Substanz – Akzidens<br />

3. Wesen – Existenz<br />

Bei der Darstellung des Systems lehne ich mich durchaus an die Darstellung an, die A.<br />

Anzenbacher in seinem Werk gegeben hat. Ich weiche aber bereits in dieser Darstellung<br />

graduell <strong>von</strong> dem „Ur-System“ ab indem ich das „Seiende stärker ins Zentrum der<br />

Überlegung rücke:<br />

Wesen<br />

Existenz<br />

(Sein)<br />

Substanz<br />

Akzidens<br />

Seiendes<br />

Akt<br />

Potenz<br />

Das System der ontologischen Differenzen II<br />

Ich habe einmal ein eigenes System der ontologischen Differenzen aufgestellt. In diesem<br />

System rückt die Kategorie des „Seienden“ noch weiter ins Zentrum der Überlegung. Mit<br />

einer wie auch immer gearteten „Seinsvergessenheit im Sinne <strong>von</strong> Heidegger hat das nicht das<br />

Geringste zu tun.<br />

Man sieht dabei: Das Seiende „hat“ ein Sein, und es „hat“ eine Realität (Akt). Dem Sein<br />

kommt selber dabei keine Realität zu.


Werden<br />

Wesen<br />

Potenz<br />

Essenz und Akzidens<br />

Seiendes<br />

Erscheinung<br />

Akt<br />

Sein<br />

Die Dialektik bei Hegel<br />

Unter „Dialektik“ versteht Hegel die Denkbewegung,<br />

1. deren Ausgangspunkt etwas Vorhandenes ist,<br />

2. in der ein Unterschied, ein Anderes an dem Vorhandenen auftaucht (1. Negation, deren<br />

Ergebnis nicht gleich Null sein darf, d. h. nichts zum Verschwinden bringen darf),<br />

3. in dem dieser Unterschied aufgehoben wird und in die Einheit des ursprünglichen Seins<br />

zurückfließt (2. Negation oder absolute Negation mit dem Ergebnis bereicherten Wissens als<br />

neuen Ausgangspunkt).<br />

Die Bestandteile der Dialektik, die leider <strong>von</strong> Hegel vertauscht wurden, lauten bei ihm<br />

(jedenfalls meistens):<br />

- An-sich-Sein<br />

- Für-andere-Sein<br />

- Für-sich-Sein.<br />

Wie ich bereits sagte, ist Hegel hier eine Verwechslung unterlaufen. Ich vermute, dass er über<br />

den Zusammenhang <strong>von</strong> Identität und Unterschied gestolpert ist, dessen Synthese tatsächlich<br />

das Für-sich-Sein ist. Korrekt lautet der Zusammenhang wie folgt:<br />

1. Für-sich-Sein: Das Vorhandene, das in sich ruhende Sein<br />

2. Für-andere-Sein: Das Für-andere-Sein gegenüber dem Für-sich-Sein, die Negation<br />

3. An-sich-Sein: Das Für-sich-sein auf der nächst höheren Ebene. Die Negation der<br />

Negatiion, der Begriff, das Wesen<br />

Am bekanntesten aber ist der nicht <strong>von</strong> Hegel selber stammende Zählschritt „These-<br />

Antithese-Synthese“. Ich selber verwende ihn aufgrund seiner größeren Klarheit<br />

ausschließlich.<br />

Wenn wir aber noch einmal auf die dialektische Logik <strong>von</strong> Hegel zurückkommen, wie sie<br />

etwa in der Phänomenologie des Geistes veranlagt ist, so können wir folgenden dialektischen<br />

Baum konstruieren:


An-sich-Sein<br />

Für-sich-Sein<br />

Für-andere-Sein<br />

Identität<br />

Unterschied<br />

Der dialektisch-ontologische Baum<br />

Wie Hegel gezeigt hat, lassen sich mitunter bestimmte Begriffe dialektisch herleiten. So setzt<br />

sich dem Begriff der Form der Begriff des Stoffes als Antithese gegenüber. Zusammengeführt<br />

in der Synthese ergibt sich das Seiende selber. Aber auch der Begriff der Form ist ein<br />

zusammengesetzter. Er ist die Synthese aus Ausdehnung und Begrenzung. Dem Sein<br />

hingegen setzt sich das Nicht-Sein gegenüber. Dessen Synthese ist das Werden. Ihm stellt sich<br />

das Vergehen gegenüber. Dessen Synthese ist wiederum das Leben. Auf diese Weise erhalten<br />

wir einen dialektisch-ontologischen Baum:<br />

Leben<br />

Werden<br />

Vergehen<br />

Seiendes Sein Nicht-Sein<br />

Stoff<br />

Form<br />

Identität<br />

Unterschied


Metamorphose<br />

Dialektischer Baum<br />

Form<br />

Nicht-Form<br />

Ausdehnung<br />

Begrenzung<br />

Dialektischer Baum II<br />

Leben<br />

Werden<br />

Vergehen<br />

Sein<br />

Nicht-Sein<br />

Erkenntnis<br />

(Wirklichkeit)<br />

Neue Dialektik<br />

Wahrnehmen<br />

Denken<br />

Erkenntnis<br />

(Wirklichkeit)<br />

Neue Dialektik II<br />

Denken<br />

Vorstellen


Dialektische Entwicklungen in der Philosophiegeschichte<br />

Ich möchte nun und in der folge einmal dialektische Entwicklungen in der<br />

Philosophiegeschichte besprechen. Das wohl bedeutendste Beispiel einer solchen<br />

dialektischen Entwicklung in der Antike dürfte wohl das der Vorsokratiker sein:<br />

These: Es gibt nur ein Sein. (Parmenides)<br />

Antithese: Es gibt nur eine Werden, ein ewiges Fließen. (Heraklit)<br />

Synthese: Daraus ergaben sich drei bedeutende Versuche einer Synthese aus Parmenides und<br />

Heraklit bei Empedokles, bei Anaxagoras und bei Leukipp und Demokrit.<br />

2. Thema: Die Kategorienlehren<br />

These: Die Kategorienlehre bei Aristoteles<br />

Antithese: Die Kategorienlehre bei Kant<br />

Synthese: Die Kategorienlehre bei mir<br />

3. Thema: Die Ideenlehren<br />

These: Die Ideenlehre bei Platon<br />

Antithese: Die transzendentalen Ideen bei Kant<br />

Synthese: Die transzendentalen Ideen bei mit<br />

Gruß <strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster<br />

Kants 1. Antinomie in der Kritik der reinen Vernunft<br />

Mögliche dialektische Denkbewegungen ergeben sich auch aus den vier Antinomien aus der<br />

Kritik der reinen Vernunft (transzendentale Dialektik). Hier zunächst die erste Antinomie, die<br />

wir allerdings in zwei Antinomien zerlegen wollen:<br />

Antinomie 1A:´<br />

These: Die Welt hat einen Anfang in der Zeit.<br />

Antithese: Die Welt hat keinen Anfang in der Zeit.<br />

Meine Synthese: Die Welt entsteht, vergeht und entsteht immer wieder neu. Und das bis in<br />

alle Ewigkeit.


Antinomie 1B:<br />

These: Die Welt ist dem Raum nach in Grenzen Eingeschlossen.<br />

Antithese: Die Welt hat keine Grenzen im Raume, sondern ist unendlich.<br />

Meine Synthese: Die Welt ist begrenzt und dehnt sich in einem unendlichen Raum aus.<br />

Kants 3. Antinomie aus der Kritik der reinen Vernunft<br />

These: Es gibt zwar die Kausalität in der Natur, aber der Mensch ist grundsätzlich frei.<br />

(Indeterminismus)<br />

Antithese: Es gibt die Kausalität nicht nur in der Natur, sondern auch im Menschen. Freiheit<br />

ist eine Illusion. (Determinismus)<br />

Meine Synthese: "Nicht ist er Mensch nur frei, und nicht ist er nur abhängig, sondern er<br />

arbeitet mit diesen beiden Elementen in sinnvoller Weise. Das sollte sein." (Joseph Beuys)<br />

Kants 4. Antinomie aus der Kritik der reinen Vernunft<br />

These: Zu der Welt gehört etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin<br />

notwendiges Wesen ist. (Gott existiert, Gott hat ein Sein).<br />

Antithese: Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch<br />

als ihre Ursache. (Gott existiert nicht, Gott hat kein Sein)<br />

Meine Synthese: Gott ist und ist zugleich nicht. Gott hat ein Sein und hat zugleich kein Sein.<br />

Daher habe die Theisten genau so Recht wie die Atheisten.


Bei Wiki lesen wir:<br />

"Die Lehre vom Wesen gilt als der schwierigste Teil der Logik und wurde <strong>von</strong> Hegel<br />

mehrfach modifiziert. Hegel konnte sich hier nicht in gleichem Maße wie in den anderen<br />

beiden Büchern (Lehre vom Sein, Lehre vom Begriff) an die philosophische Tradition<br />

anlehnen. Den größten Einfluss übte die „transzendentale Logik“ Kants aus, deren<br />

Theorieelemente (Modal- und Relationskategorien, Reflexionsbegriffe und Antinomien)<br />

Hegel in einem neuen Zusammenhang begrifflich konsistent abzuleiten versuchte." (Wiki)<br />

Und weiter heißt es:<br />

Die Erscheinung<br />

"Im zweiten Abschnitt der Wesenslogik, „Die Erscheinung“, setzt sich Hegel explizit mit<br />

Kant und dem Problem des „ding an sich“ auseinander. Seine Absicht ist es nicht nur, die<br />

Differenz <strong>von</strong> „Ding an sich“ und „Erscheinung“ zu eliminieren, sondern darüber hinaus die<br />

„Erscheinung“ zur Wahrheit des „Ding an sich“ zu erklären: „Die Erscheinung ist das, was<br />

das Ding an sich ist, oder seine Wahrheit“ (L II 124–125).<br />

Was etwas an sich ist, zeigt sich für Hegel nirgends als in seiner Erscheinung und es ist daher<br />

sinnlos, „dahinter“ noch ein Reich des „An sich“ aufzubauen. Die „Erscheinung“ ist die<br />

„höhere Wahrheit“ sowohl gegen das „Ding an sich“ als auch gegen die unmittelbare<br />

Existenz, denn sie ist die „wesentliche, dahingegen die [unmittelbare] Existenz die noch<br />

wesenlose Erscheinung ist“ (L II 148)." (Wiki)<br />

Hegel wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen Kants "Ding an sich". Für Hegel fällt die<br />

Erscheinung wieder mit dem Ding an sich in eins zusammen. Die für uns so wichtige 1.<br />

transzendentale Differenz wird <strong>von</strong> Hegel aufgehoben. Hegels Standpunkt ist somit ein ganz<br />

und gar unkritischer. Er wollte wohl den Felsen Kant damit zum Einsturz bringen und<br />

überwinden. Aber das ist natürlich unmöglich, und so wird es hier Hegel sein, der den<br />

Kürzeren zieht. Und dabei ist Hegels Sorge hier absolut unbegründet. Er hätte seine Dialektik<br />

durchaus mit Kants 1. transzendentaler Differenz in Einklang bringen können. Wenn nämlich<br />

Sein und Erscheinung nicht in eins zusammenfallen, sondern der 1. transzendentalen<br />

Differenz unterliegen, dann muss man die ganze, der Logik zugrundeliegende übergeordnete<br />

Dialektik verdoppeln. Es entsteht dann praktisch eine Art Kette (dialektischer Baum) einer<br />

doppelten dialektischen Denkbewegung. Ich führe es einmal aus:<br />

1. These--------------Für-sich-Sein (Ding an sich)----------------Stoff<br />

2. Antithese---------Für-andere-Sein (Ding für andere)--------Form´<br />

3. Synthese----------Für-mich-Sein (Ding für mich)-------------Erscheinung<br />

Aus der Synthese der ersten Denkbewegung wird nun die These der zweiten Denkbewegung:<br />

1. These--------------Für-mich-Sein (Ding für mich)-------------Erscheinung<br />

2. Antithese---------Was-Sein (Benennung der Dinge)----------Wesen<br />

3. Synthese----------An-sich-Sein (Wesen der Dinge)--------.---Begriff


Ich stelle es noch mal eben graphisch dar, jetzt ganz vollständig (unter Berücksichtigung der<br />

Begriffe "Identität" und "Unterschied" aus der "Phänomenologie des Geistes)<br />

................................An-und-für-sich-Sein<br />

...........................................Begriff<br />

..........................................Washeit<br />

..............................................xx<br />

............................................x....x<br />

..........................................x........x<br />

........................................x............x<br />

....................Für-mich-Sein........An-sich-Sein<br />

......................Erscheinung..............Wesen<br />

..…………..Ding für mich...........Wesenheit<br />

.................................xx.<br />

...............................x....x<br />

.............................x........x<br />

...........................x............x<br />

..........Für-sich-Sein...Für-andere-Sein<br />

...........Ding an sich....Ding für andere<br />

………...Materie…………Form<br />

.....................xx<br />

...................x....x<br />

.................x........x<br />

...............x............x<br />

......Identität....Unterschied<br />

Anhand der obigen Darstellung kann man auch sehen, dass es sich bei Hegels Logik nicht um<br />

eine Ontologie handelt. Im obigen Sinne handelt es sich vielmehr um reine<br />

Transzendentalphilosophie. Es geht wirklich nur um die dialektische Denkbewegung, worin<br />

Marx ausdrücklich Recht zu geben ist. Man könnte vielleicht auch <strong>von</strong><br />

Transzendentaldialektik sprechen...


Zur Fundamentalontologie<br />

Seinsontologie: Sein und Seiendes<br />

„Der Begriff Sein (griechisch einai, lateinisch esse - Infinitiv) bedeutet in der Philosophie<br />

Dasein, Gegebensein, In-der-Welt-sein, etwas Allgemeines, allem Zugrundeliegendes, aber<br />

auch das alles umfassende Höchste (Gott). Im Gegensatz dazu kennzeichnet der Begriff des<br />

Seienden (griechisch to on, mittellateinisch ens - Partizip) einzelne Gegenstände oder<br />

Tatsachen. Seiendes kann auch die Gesamtheit des Existierenden, also „die ganze Welt“,<br />

bezeichnen, solange dies räumlich und zeitlich bestimmbar ist. Sein ist hingegen das<br />

unveränderliche, zeitlose, umfassende Wesen (griechisch ousia, lateinisch essentia) sowohl<br />

einzelner Gegenstände als auch der Welt als Ganzes.<br />

Die Begriffe „Seiendes“ und „Sein“ stehen in einem Spannungsverhältnis, da jedem<br />

Seiendem in irgendeiner Weise ein Sein zukommt. Seiendes ist im Werden vergänglich.<br />

Seiendes ist gewordenes Mögliches. Die Untersuchung des Wesens <strong>von</strong> allem Seienden ist<br />

Hauptgegenstand der Ontologie. Ein weiteres Thema ist die Abgrenzung des Seienden zum<br />

Nichtseienden. So betont jede Form des Realismus, dass es sich vor allem beim sinnlich<br />

Gegebenen um Seiendes handelt, dagegen bei bloß Gedachtem eher um Nichtseiendes.<br />

Seiendes setzt eine existierende Welt <strong>von</strong> Gegenständen, Eigenschaften oder Beziehungen<br />

voraus. Im Gegensatz dazu sehen die verschiedenen Formen des Idealismus das eigentlich<br />

Seiende in der Innenwelt des rein gedanklich Vorgestellten, während gerade die Realität einer<br />

Außenwelt bestritten und für bloßen Schein gehalten wird.<br />

Der Begriff des Seins hat den weitesten möglichen Bedeutungsumfang (Expansion)<br />

überhaupt, weil er sich auf alles, was denkbar ist, beziehen kann. Alles, was denkbar ist,<br />

bedeutet dabei alles, was nicht „nicht ist“. Für Sein und Nichts gilt der Satz vom<br />

ausgeschlossenen Dritten. Erst durch den Begriff des Seins wird die Vorstellung <strong>von</strong> Negation<br />

und Differenz möglich. Differenz ist der Übergang vom Sein zum Seienden. Das Sein und das<br />

Seiende stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Aus dem Sein (These) und dem<br />

Nichts (Antithese) ergibt sich durch die Unterscheidbarkeit das Seiende (Synthese). Der<br />

Unterschied <strong>von</strong> Sein und Existenz besteht darin, dass man mit Existenz ein Sein in der<br />

Realität mit einer örtlichen und zeitlichen Bestimmung meint. Dem gegenüber kann man auch<br />

solchen Gegenständen ohne bewiesene Existenz durchaus Eigenschaften zuschreiben: Atlantis<br />

ist ein untergegangenes Weltreich.“ (Wiki)<br />

Der Begriff des Seins<br />

„Ein erster Zugang zum Thema ist der sprachliche Gebrauch des Ausdrucks sein. Im<br />

umgangssprachlichen Deutsch und in den indogermanischen Sprachen überhaupt wird „sein“<br />

als sprachliche Verknüpfung, als Kopula, zur Verbindung <strong>von</strong> Subjekt und Prädikat in Sätzen<br />

grammatisch oder in Aussagen der Logik verwendet. Ob diese grammatische Funktion als<br />

bloße Kopula einer semantischen Bedeutungslosigkeit des Wortes „Sein“ entspricht, wird<br />

spätestens seit Aristoteles kontrovers diskutiert.<br />

„Auch das Sein oder Nichtsein ist kein bedeutungshaltiges Zeichen der Sache [<strong>von</strong> der es<br />

gesagt wird], auch dann nicht, wenn man das "seiend" an sich selbst nackt sagen würde, denn


es selbst ist gar nichts, sondern bezeichnet eine gewisse Verbindung [zu etwas] hinzu, welche<br />

ohne das Verbundene nicht zu denken ist“<br />

– Aristoteles<br />

Dabei kommt es, so eine Beobachtung <strong>von</strong> Aristoteles, die auch heute noch viele Philosophen<br />

für zutreffend halten, je nach Aussagekonstellation zu verschiedenen Bedeutungen des Wortes<br />

„ist“. „Da aber das Seiende, schlechthin ausgesprochen, in vielfachen Bedeutungen gebraucht<br />

wird.“ (Aristoteles)<br />

Man kann die verschiedenen Bedeutungen des Wortes „ist“ im Deutschen schematisch wie<br />

folgt unterscheiden<br />

1. Existenz. Beispiel: Sokrates ist.<br />

2. Relation<br />

1. Identität<br />

1. mathematische Gleichheit. Beispiel: Zwei mal zwei ist vier.<br />

2. Kennzeichnung. Beispiel: Aristoteles ist der Lehrer <strong>von</strong> Alexander.<br />

3. Definition. Beispiel: Ontologie ist die Lehre vom Seienden.<br />

2. Prädikation <strong>von</strong> Eigenschaften. Beispiel: Sokrates ist sterblich.<br />

3. Klassifizierung. Beispiel: Ein Elefant ist ein Säugetier.<br />

Die Verwendung des „ist“ zur Kennzeichnung <strong>von</strong> Existenz kann sich auf die Existenz <strong>von</strong><br />

Gegenständen, aber auch <strong>von</strong> Sachverhalten (es ist der Fall, dass …) beziehen. Die anderen<br />

Verwendungen <strong>von</strong> „ist“, also Identität, Prädikation oder Klassifizierung kennzeichnen<br />

Relationen oder Eigenschaften, wobei sie jeweils die Existenz des Subjektes implizit<br />

unterstellen (sog. Existenzpräsupposition).“ (Wiki)<br />

Die Folien der zwei ontologischen Differenzen:<br />

Sein / ist (Einheit)<br />

Seiendes (Vielheit)<br />

Sein / bleibt (Beharren)<br />

Werden (Veränderung)<br />

Das Sein ist transzendental.<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2013


Zur Fundamentalontologie II<br />

Prozessontologie: Die Akt-Potenz-Lehre<br />

Wir kennen bereits folgende beiden Definitionen:<br />

1.„Sein“ ist das Beharrende, Bleibende, in allem Identische.<br />

2.„Werden“ ist hingegen die Veränderung.<br />

Wir wollen nun diese wichtige, allgegenwärtige Eigenschaft des Seienden ins Auge fassen,<br />

nämlich dass es sich verändert, dass es wird. Veränderung, Entstehen und Vergehen erfahren<br />

wir nicht nur in der uns umgebenden Welt, sondern auch und vor allem in uns selbst, in<br />

unserem eigenen Werden und Wirken. Es ist für uns unverzichtbar, dass es innerhalb der<br />

Welt, zumindest auf der Ebene der Erscheinungen, Veränderung, Werden gibt.<br />

Nichts bleibt für immer im selben Zustand. Es entsteht früher nicht Dagewesenes, und was es<br />

früher gab, vergeht. Wie aber ist Veränderung, ein Werden des Seienden als Seiendes<br />

möglich?<br />

Das Problem ist uralt. Bereits Parmenides bezweifelt generell die Möglichkeit der<br />

Veränderung und hielt das wahrgenommene Werden aufgrund seiner Widersprüchlichkeit für<br />

bloßen Schein.<br />

Wie kann sich Seiendes in sich, d.h. als Seiendes<br />

überhaupt verändern?<br />

Ich möchte gerne ein Zitat aus dem Grundkurs Philosophie, Band 3 <strong>von</strong> Kohlhammer folgen<br />

lassen, einem Werk, das ich hier in besonderer Weise empfehlen möchte:<br />

„Vom Standpunkt des begrifflichen Denkens ist Veränderung tatsächlich widersprüchlich,<br />

denn <strong>von</strong> Veränderung kann man nur dann reden, wenn etwas zu verschiedenen Zeiten<br />

„sowohl“ identisch „als auch“ different ist. Das, was ist, muss also sowohl bleiben, was es ist,<br />

als auch zu einem andern werden. Einerseits muss es bleiben, sonst könnte man nicht <strong>von</strong><br />

Veränderung, sondern nur <strong>von</strong> einer Ablösung des einen durch etwas anderes reden.<br />

Andererseits muss es zu einem anderen werden, sonst hat sich nichts verändert. Die<br />

Veränderung besagt also sowohl Identität (Kontinuität), als auch Differenz (Diskontinuität),<br />

und zwar letztlich hinsichtlich desselben, nämlich des Seins, das keine klare Trennung der<br />

Rücksichten mehr erlaubt. Wenn man nämlich auf eine klare Abgrenzung der einen<br />

Rücksicht, unter der etwas dasselbe bleibt, <strong>von</strong> der anderen Rücksicht, unter der es sich<br />

verändert, besteht, ergibt sich hinsichtlich des Gewordenen stets erneut das Dilemma, nach<br />

dem das Gewordene entweder aus dem, was (schon) ist, oder aus dem, was (noch) nicht ist,<br />

entstanden sein müsste, und man ist somit zu einem unendlichen Regress gezwungen, was<br />

immer ein klares Zeichen dafür ist, dass man <strong>von</strong> irrtümlichen Annahmen ausgegangen ist,<br />

die logisch zu Ende gedacht in eine Sackgasse führen.“ (Béla Weissmahr: Ontologie S.137)


Der klassisch gewordene Lösungsversuch <strong>von</strong> Aristoteles:<br />

Die Akt-Potenz-Lehre<br />

Ein weiteres Zitat aus Béla Weissmahr: Ontologie (S.138) mag hier genügen:<br />

„Aristoteles kam zu der Einsicht, dass man <strong>von</strong> wirklicher Veränderung (in der sich das<br />

Seiende innerlich wandelt) nur dann reden kann, wenn das veränderliche Seiende innerlich<br />

different ist, wenn es also nicht nur bestimmt, sondern auch unbestimmt ist. Das Seiende,<br />

insofern es bestimmt ist, heißt bei ihm „der Verwirklichung nach Seiendes“ (in der<br />

Terminologie der scholastischen Philosophie: „ens actu“, daher die auch heute gebrauchten<br />

Ausdrücke: „Energeia“ bzw. „Akt“); das Seiende aber insofern es als bestimmbares noch<br />

unbestimmt ist, nennt er „dem Vermögen nach Seiendes (scholastisch: „ens potentia“, und<br />

entsprechend: „Dynamis“ bzw. Potenz“). Das „dem Vermögen nach Seiende“ ist hinsichtlich<br />

dessen, was als das fertige, voll verwirklichte Seiende angesehen wird (also hinsichtlich des<br />

„der Verwirklichung nach Seienden), noch ein Nichtseiendes. Es ist jedoch kein schlechthin<br />

Nichtseiendes, denn als (weiter) bestimmbares „ist“ es schon. Also ist es ein „relatives<br />

Nichtseiendes“<br />

Das Werden ist nun nichts anderes, als eine Verwirklichung des dem Vermögen nach<br />

Seienden. Thomas <strong>von</strong> Aquin drückt das in der Scholastik sinngemäß so aus: Werden ist das<br />

Akt werden der Potenz.<br />

Die <strong>von</strong> Aristoteles für den „sublunaren“, d.h. dem der Veränderung unterworfenen Bereich<br />

des Materiellen angenommene Identifizierung der Akt-Potenz-Lehre mit dem<br />

Hylemorphismus, halte ich hingegen für absolut unbegründet.<br />

Noch ein abschließender Punkt: Akt und Potenz greifen trotz ihrer Differenz, d.h. trotz ihrer<br />

Verschiedenheit auch ineinander, sind also zugleich identisch. Wir hatten dieses Argument<br />

ganz am Anfang bereits angeführt.<br />

Ich möchte die hier vorgetragene Akt-Potenz-Lehre gerne in eine grundlegende,<br />

fundamentalontologische Darstellung bringen:<br />

Werden<br />

Akt Seiendes Potenz<br />

Sein<br />

Mit diesen Andeutungen möchte ich es gerne bewenden lassen.<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2008


Zur Fundamentalontologie III<br />

Substanzontologie: Substanz und Akzidens<br />

„Die ontologische Analyse des Aristoteles nahm ihren Ausgang <strong>von</strong> der Untersuchung der<br />

Veränderungen, die an den Substanzen erfolgen. Die Ortsbewegung ist nur eine dieser<br />

Veränderungen. Andere Veränderungen betreffen etwa die Quantität (z.B. zunehmen und<br />

abnehmen), die Qualität (z.B. erkranken und genesen), die Beziehungen, in welchen die<br />

Substanz steht (z.B. sich nähren und sich entfernen) etc. In allen diesen Veränderungen<br />

ändert sich eine Bestimmung der Substanz, während die Substanz selbst sich<br />

gleichbleibt (Anm: zumindest erst einmal). Damit ergibt sich eine wichtige Unterscheidung:<br />

-Die Substanz hat den Charakter eines selbständigen Seins, das gewissermaßen „in sich selbst<br />

steht“ (ens in se) und sich im Wandel der Bestimmungen durchhält und gleichbleibt.<br />

-Die Bestimmungen, die sich an der Substanz ändern, haben des Charakter des<br />

unselbständigen Seins. Sie „stehen nicht in sich selbst“, sondern sind nur an etwas anderem,<br />

an der Substanz (ens in alio). Wir nennen diese unselbständigen Bestimmungen Akzidenzien<br />

(lat. accidere = zutreffen, widerfahren).<br />

Die Beziehung zwischen Akzidens und Substanz ist eine Akt-Potenz-Beziehung. Die<br />

Substanz ist in Potenz gegenüber den Akzidenzien. Akzidenzien sind Akte, welche die<br />

Substanz bestimmen. Dabei bedingen sich beide Seiten. Die Substanz ist nur wirklich in<br />

durchgängiger akzidentieller Bestimmung. Die Akzidenzien sind nur wirklich an der<br />

Substanz.“ (Arno Anzenbacher: „Einführung in die Philosophie“ S.65f)<br />

Ich möchte hier, und das ist heute eine allgemein anerkannte Kritik sowohl an Aristoteles, als<br />

auch an Thomas <strong>von</strong> Aquin, die diese Substanz-Akzidens-Differenz nicht ganz zu Ende<br />

gedacht haben, feststellen, dass sich nicht nur die Akzidenzien verändern (als Bestimmungen<br />

des Substanz), sondern auch die Substanz selber (z.B. faulen oder verwesen). Es können sich<br />

also die akzidentiellen Eigenschaften ändern, aber auch die substantiellen.<br />

„Erinnern wir uns an die platonische Unterscheidung zwischen Erscheinung und eigentlichem<br />

Sein. Wir sehen jetzt, dass die Erscheinung den Charakter des Akzidentiellen hat. Die<br />

Substanz tritt in ihren Akzidenzien in Erscheinung. Wir nehmen <strong>von</strong> der Kuh ihre Größe,<br />

Figur, Farbe, ihre Bewegung war; wir riechen und hören sie. Die Substanz zeigt sich in ihren<br />

erscheinenden Akzidenzien. Durch die Akzidenzien erfahren wir, welcher Art die Substanz<br />

ist.“ (Arno Anzenbacher: „Einführung in die Philosophie“ S.66)<br />

Thomas <strong>von</strong> Aquin unterschied neuen Akzidenzien, und zwar alle Kategorien <strong>von</strong> Aristoteles,<br />

außer der Substanz. Allerdings kann sich auch die Substanz verändern. Ich selber<br />

unterscheide daher folgende Arten der Veränderung:<br />

-Veränderung der Quantität<br />

-Veränderung der Qualität<br />

-Veränderung der Substanz<br />

-Veränderung der Relation<br />

-Veränderung der Modalität<br />

-Veränderung der Funktionsweise<br />

-Veränderung der Funktion (Zweck)


Essenz und Akzidens<br />

Der folgende Text des Thomas <strong>von</strong> Aquin weist auf eine Unterscheidung hin, die auf<br />

Aristoteles zurückgeht:<br />

„Sofern das Subjekt (= die Substanz) in (passiver) Potenz ist, nimmt es die akzidentiellen<br />

Bestimmungen auf. Sofern es aber in Akt ist, bringt es sie hervor. Das aber gilt <strong>von</strong> der<br />

Proprietät (Essenz) als dem wesentlichen Akzidens. Denn im Fall des äußerlichen Akzidens<br />

ist das Subjekt (= die Substanz) bloß aufnehmend, da dieses Akzidens <strong>von</strong> einem äußeren<br />

Agens hervorgebracht wird.“ (STh. I, 77, 6)<br />

Demnach gibt es zwei Typen <strong>von</strong> Akzidenzien:<br />

-Zufällige (bzw. äußerliche) Akzidenzien, die der Substanz gewissermaßen „<strong>von</strong> außen“<br />

zukommen, für die wesentliche Bestimmung der Dinge und Sachen aber willkürlich sind. Sie<br />

sind dem Wesen der Sachen, der Dinge äußerlich.<br />

-Proprietäten oder Essenzen (lat. proprium = Eigentümliches), die das Wesen der Sachen<br />

oder der Dinge ausmachen. Das Wesen der Dinge oder der Sachen wird ausschließlich durch<br />

die Proprietäten (Essenzen) bestimmt, für die die Akzidenzien absolut unwesentlich sind.<br />

Sowohl die Essenzen (Proprietäten) als auch die Akzidenzien sind Teil der Erscheinung.<br />

Durch unsere Urteilskraft im aller besten kantschen Sinne können wir Wesentliches <strong>von</strong><br />

Unwesentlichem, und damit die Proprietäten <strong>von</strong> den Akzidenzien, unterscheiden. So<br />

kommen wir immer auf den jeweiligen Begriff.<br />

Die oben angeführten Überlegungen bringen mich zu folgendem fundamentalontologischen<br />

Zusammenhang:<br />

Wesen<br />

Essenz Erscheinung Akzidens<br />

Stoff<br />

Materie<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2009


Grundlagen einer Metamorphosenlehre<br />

Stellen wir uns irgendein Ding vor und fragen uns, wie wir dieses Ding wahrnehmen und mit<br />

welchen Sinnen.<br />

1. Wir können es sehen: Auge<br />

2. Wir können es hören: Ohr<br />

3. Wir können es tasten: Hand<br />

4. Wir können es schmecken: Zunge<br />

5. Wir können es riechen: Nase<br />

Da der Sehsinn der mit Abstand wichtigste ist, wollen wir unsere Betrachtung auf diesen<br />

beschränken.<br />

Die Veränderung der Dinge<br />

Fragen wir uns nun, wie sich ein Ding ganz grundsätzlich verändern kann. Ein Ding verändert<br />

sich so, dass sich die Sinneseindrücke jedes einzelnen Sinnes einzeln oder gleichzeitig<br />

verändern. Wir wollen uns hier aber, wie schon erwähnt, auf den Sehsinn beschränken.<br />

Um zu ermitteln, was sich grundsätzlich an einem Ding alles verändern kann, müssen wir<br />

zunächst untersuchen, was dieses Ding ausmacht. Welches sind die grundlegenden Aspekte<br />

der Wahrnehmung (bezogen auf den Sehsinn)? Dies sind:<br />

4.der Stoff<br />

5.die Form<br />

6.die Farbe<br />

7.die Struktur<br />

Alle diese Aspekte können sich nun einzeln oder mehr oder weniger gleichzeitig verändern.<br />

Diese Veränderungen bilden die Grundlage für jede Metamorphose (Verwandlung).<br />

Grundlagen einer wirklichen<br />

Metamorphosenlehre<br />

Uns soll nun hier die Veränderlichkeit eines Dinges oder einer Sache ausschließlich unter dem<br />

Aspekt der „Metamorphose“ (der Verwandlung der Gestalt) interessieren.<br />

Definition: Eine Metamorphose ist ein Gestaltwandel, die Umgestaltung einer Sache.<br />

Die für uns wichtigen Aspekte der Veränderung sind nun die ersten vier:<br />

4.der Stoff<br />

5.die Form<br />

6.die Farbe<br />

7.die Struktur


Form, Farbe und Struktur verändern sich grundsätzlich qualitativ. Der Stoff verändert sich<br />

qualitativ oder quantitativ (ein Sandhaufen wird abgetragen).<br />

Im Rahmen der Metamorphose interessiert uns aber diese quantitative Veränderung nicht,<br />

sondern ausschließlich die qualitative Veränderung.<br />

Das führt uns zu den ersten beiden Hauptsätzen einer wirklichen Metamorphosenlehre:<br />

4.Hauptsatz: Eine Metamorphose (Verwandlung) bedingt immer eine qualitative Veränderung<br />

der Substanz oder der Eigenschaften.<br />

5.Hauptsatz: Eine Metamorphose (Verwandlung) bedingt immer eine Veränderung einer oder<br />

mehrere der folgenden Aspekte der Veränderung: a) des Stoffes, b) der Form, c) der Farbe d)<br />

der Struktur.<br />

Die Metamorphose<br />

Wir haben die Metamorphose, also die Verwandlung der Dinge bisher nur unter dem<br />

Gesichtspunkt des Sehsinns betrachtet. Nun kommen noch die übrigen fünf Sinne hinzu.<br />

Unter dem Gesichtspunkt des Sehsinns waren folgende Aspekte der Veränderung im Sinne<br />

eine Metamorphose <strong>von</strong> Bedeutung:<br />

1.Stoff (Substanz)<br />

2.Form<br />

3.Farbe<br />

4.Struktur<br />

Eine Metamorphose ist also eine Veränderung (Verwandlung) auf eine oder mehrere der<br />

folgenden Arten:<br />

4.Veränderung der Substanz - substantielle Veränderung<br />

5.Veränderung der Form - plastische Veränderung<br />

6.Veränderung der Farbe - farbliche Veränderung<br />

7.Veränderung der Struktur - strukturelle Veränderung<br />

Unter dem Gesichtspunkt der übrigen Sinne kommen noch weiter Aspekte hinzu. Es sind dies<br />

qualitative Veränderungen, die aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Aspekte<br />

allein für sich machen noch eine Metamorphose im eigentlichen Sinne aus:<br />

8.Klang<br />

9.Wärme<br />

10.Oberflächenstruktur<br />

11.Geschmack<br />

12.Geruch<br />

Die Darstellung der Gesamtheit der qualitativen Veränderungen bei der Metamorphose führt<br />

uns dann auch zum 3. Hauptsatz:<br />

6.Hauptsatz: Eine Metamorphose (Verwandlung) bedingt immer eine Veränderung einer oder<br />

mehrerer der folgenden Aspekte der Veränderung: a) des Stoffes, b) der Form, c) der Farbe,<br />

d) der Struktur (alles bezogen auf den Sehsinn), e) des Klanges, f) der Temperatur g) der<br />

Beschaffenheit der Oberfläche, h) des Geschmacks, i) des Geruchs.<br />

Mit diesen Andeutungen möchte ich es gerne bewenden lassen.<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2008


Teil 2<br />

Prozessontologie


1. Die Akt-Potenz-Lehre<br />

Wir kennen bereits folgende beiden Definitionen:<br />

3.„Sein“ ist das Beharrende, Bleibende, in allem Identische.<br />

4.„Werden“ ist hingegen die Veränderung.<br />

Wir wollen nun diese wichtige, allgegenwärtige Eigenschaft des Seienden ins Auge fassen,<br />

nämlich dass es sich verändert, dass es wird. Veränderung, Entstehen und Vergehen erfahren<br />

wir nicht nur in der uns umgebenden Welt, sondern auch und vor allem in uns selbst, in<br />

unserem eigenen Werden und Wirken. Es ist für uns unverzichtbar, dass es innerhalb der<br />

Welt, zumindest auf der Ebene der Erscheinungen, Veränderung, Werden gibt.<br />

Nichts bleibt für immer im selben Zustand. Es entsteht früher nicht Dagewesenes, und was es<br />

früher gab, vergeht. Wie aber ist Veränderung, ein Werden des Seienden als Seiendes<br />

möglich?<br />

Das Problem ist uralt. Bereits Parmenides bezweifelt generell die Möglichkeit der<br />

Veränderung und hielt das wahrgenommene Werden aufgrund seiner Widersprüchlichkeit für<br />

bloßen Schein.<br />

Wie kann sich Seiendes in sich, d.h. als Seiendes<br />

überhaupt verändern?<br />

Ich möchte gerne ein Zitat aus dem Grundkurs Philosophie, Band 3 <strong>von</strong> Kohlhammer folgen<br />

lassen, einem Werk, das ich hier in besonderer Weise empfehlen möchte:<br />

„Vom Standpunkt des begrifflichen Denkens ist Veränderung tatsächlich widersprüchlich,<br />

denn <strong>von</strong> Veränderung kann man nur dann reden, wenn etwas zu verschiedenen Zeiten<br />

„sowohl“ identisch „als auch“ different ist. Das, was ist, muss also sowohl bleiben, was es ist,<br />

als auch zu einem andern werden. Einerseits muss es bleiben, sonst könnte man nicht <strong>von</strong><br />

Veränderung, sondern nur <strong>von</strong> einer Ablösung des einen durch etwas anderes reden.<br />

Andererseits muss es zu einem anderen werden, sonst hat sich nichts verändert. Die<br />

Veränderung besagt also sowohl Identität (Kontinuität), als auch Differenz (Diskontinuität),<br />

und zwar letztlich hinsichtlich desselben, nämlich des Seins, das keine klare Trennung der<br />

Rücksichten mehr erlaubt. Wenn man nämlich auf eine klare Abgrenzung der einen<br />

Rücksicht, unter der etwas dasselbe bleibt, <strong>von</strong> der anderen Rücksicht, unter der es sich<br />

verändert, besteht, ergibt sich hinsichtlich des Gewordenen stets erneut das Dilemma, nach<br />

dem das Gewordene entweder aus dem, was (schon) ist, oder aus dem, was (noch) nicht ist,<br />

entstanden sein müsste, und man ist somit zu einem unendlichen Regress gezwungen, was<br />

immer ein klares Zeichen dafür ist, dass man <strong>von</strong> irrtümlichen Annahmen ausgegangen ist,<br />

die logisch zu Ende gedacht in eine Sackgasse führen.“ (Béla Weissmahr: Ontologie S.137)


Der klassisch gewordene Lösungsversuch <strong>von</strong> Aristoteles:<br />

Die Akt-Potenz-Lehre<br />

Ein weiteres Zitat aus Béla Weissmahr: Ontologie (S.138) mag hier genügen:<br />

„Aristoteles kam zu der Einsicht, dass man <strong>von</strong> wirklicher Veränderung (in der sich das<br />

Seiende innerlich wandelt) nur dann reden kann, wenn das veränderliche Seiende innerlich<br />

different ist, wenn es also nicht nur bestimmt, sondern auch unbestimmt ist. Das Seiende,<br />

insofern es bestimmt ist, heißt bei ihm „der Verwirklichung nach Seiendes“ (in der<br />

Terminologie der scholastischen Philosophie: „ens actu“, daher die auch heute gebrauchten<br />

Ausdrücke: „Energeia“ bzw. „Akt“); das Seiende aber insofern es als bestimmbares noch<br />

unbestimmt ist, nennt er „dem Vermögen nach Seiendes (scholastisch: „ens potentia“, und<br />

entsprechend: „Dynamis“ bzw. Potenz“). Das „dem Vermögen nach Seiende“ ist hinsichtlich<br />

dessen, was als das fertige, voll verwirklichte Seiende angesehen wird (also hinsichtlich des<br />

„der Verwirklichung nach Seienden), noch ein Nichtseiendes. Es ist jedoch kein schlechthin<br />

Nichtseiendes, denn als (weiter) bestimmbares „ist“ es schon. Also ist es ein „relatives<br />

Nichtseiendes“<br />

Das Werden ist nun nichts anderes, als eine Verwirklichung des dem Vermögen nach<br />

Seienden. Thomas <strong>von</strong> Aquin drückt das in der Scholastik sinngemäß so aus: Werden ist das<br />

Akt werden der Potenz.<br />

Die <strong>von</strong> Aristoteles für den „sublunaren“, d.h. dem der Veränderung unterworfenen Bereich<br />

des Materiellen angenommene Identifizierung der Akt-Potenz-Lehre mit dem<br />

Hylemorphismus, halte ich hingegen für absolut unbegründet.<br />

Noch ein abschließender Punkt: Akt und Potenz greifen trotz ihrer Differenz, d.h. trotz ihrer<br />

Verschiedenheit auch ineinander, sind also zugleich identisch. Wir hatten dieses Argument<br />

ganz am Anfang bereits angeführt.<br />

Ich möchte die hier vorgetragene Akt-Potenz-Lehre gerne in eine grundlegende,<br />

fundamentalontologische Darstellung bringen:<br />

Werden<br />

Akt Seiendes Potenz<br />

Sein<br />

Mit diesen Andeutungen möchte ich es gerne bewenden lassen.<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2008


2. Veränderung<br />

Natur<br />

In Aristoteles’ Naturphilosophie bedeutet Natur (physis) zweierlei: Zum einen besteht der<br />

primäre Gegenstandsbereich aus den <strong>von</strong> Natur aus bestehenden Dingen (Menschen, Tiere,<br />

Pflanzen, die Elemente), die sich <strong>von</strong> Artefakten unterscheiden. Zum anderen bilden die<br />

Bewegung (kínēsis) und Ruhe (stasis) den Ursprung, beziehungsweise das Grundprinzip<br />

(arche) aller Natur (Phys. II 1, 192b14). Bewegung bedeutet wiederum Veränderung<br />

(metabolē) (Phys. II 1,193a30). So ist beispielsweise die Ortsbewegung eine Form der<br />

Veränderung. Ebenso stellen die „Eigenbewegungen“ des Körpers, wenn dieser (zum Beispiel<br />

durch Nahrungsaufnahme) wächst oder abnimmt, eine Veränderung dar. Beide Begriffe,<br />

kínēsis und metabolē, sind für Aristoteles folglich nicht trennbar. Gemeinsam bilden sie das<br />

Grundprinzip und den Anfang aller Naturdinge. Bei Artefakten kommt das Prinzip jeder<br />

Veränderung <strong>von</strong> außen (Phys. II 1, 192b8-22). Die Wissenschaft der Natur hängt in der<br />

Folge <strong>von</strong> den Arten der Veränderung ab.<br />

Definition, Prinzipien und Arten der Veränderung Ein Veränderungsprozess <strong>von</strong> X<br />

ist gegeben, wenn X, das (i) der Wirklichkeit nach die Eigenschaft F und (ii) der Möglichkeit<br />

nach G aufweist, die Eigenschaft G verwirklicht. Bei Bronze (X), die der Wirklichkeit nach<br />

ein Klumpen ist (F) und der Möglichkeit nach eine Statue (G), liegt Veränderung dann vor,<br />

wenn die Bronze der Wirklichkeit nach die Form einer Statue (G) wird; der Prozess ist<br />

abgeschlossen, wenn die Bronze diese Form besitzt. Oder wenn der ungebildete Sokrates<br />

gebildet wird, so verwirklicht sich ein Zustand, welcher der Möglichkeit nach schon vorlag.<br />

Der Veränderungsprozess ist also durch seinen Übergangsstatus gekennzeichnet und setzt<br />

voraus, dass etwas, das der Möglichkeit nach vorliegt, verwirklicht werden kann (Phys. III 1,<br />

201a10-201b5).<br />

Für alle Veränderungsprozesse hält Aristoteles (in Übereinstimmung mit seinen<br />

naturphilosophischen Vorgängern) Gegensätze für grundlegend. Er vertritt darüber hinaus die<br />

These, dass in einem Veränderungsprozess diese Gegensätze (wie gebildet-ungebildet) immer<br />

an einem Substrat oder Zugrunde liegenden (hypokeimenon) auftreten, so dass sein Modell<br />

folgende drei Prinzipien aufweist:<br />

1. Substrat der Veränderung (X);<br />

2. Ausgangszustand der Veränderung (F);<br />

3. Zielzustand der Veränderung (G).<br />

Wird der ungebildete Sokrates gebildet, so ist er dabei an jedem Punkt der Veränderung<br />

Sokrates. Entsprechend bleibt die Bronze Bronze. Das Substrat der Veränderung, an dem<br />

diese sich vollzieht, bleibt dabei mit sich selbst identisch. Den Ausgangszustand der<br />

Veränderung fasst Aristoteles dabei als einen Zustand, dem die entsprechende Eigenschaft des<br />

Zielzustands ermangelt (Privation) (Phys. I 7).<br />

Aristoteles unterscheidet vier Arten der Veränderung:<br />

1. Qualitative Veränderung<br />

2. Quantitative Veränderung<br />

3. Ortsbewegung<br />

4. Entstehen/Vergehen.


Bei jeder Veränderung – so Aristoteles – gibt es ein zugrunde liegendes, numerisch<br />

identisches Substrat (Physik I 7, 191a13-15). Im Falle qualitativer, quantitativer und örtlicher<br />

Veränderung ist dies ein konkretes Einzelding, das seine Eigenschaften, seine Größe oder<br />

seine Position verändert. Wie verhält sich dies aber beim Entstehen/Vergehen konkreter<br />

Einzeldinge? Die Eleaten hatten die einflussreiche These vertreten, Entstehen sei nicht<br />

möglich, da sie es für widersprüchlich hielten, wenn Seiendes aus Nicht-Seiendem<br />

hervorginge (bei Entstehen aus Seiendem sahen sie ein ähnliches Problem). Die Lösung der<br />

Atomisten, Entstehen sei ein Prozess, in dem durch Mischung und Trennung unvergänglicher<br />

und unveränderlicher Atome aus alten neue Einzeldinge hervorgehen, führt nach Aristoteles’<br />

Ansicht Entstehen illegitimerweise auf qualitative Veränderung zurück (Gen. Corr.<br />

317a20ff.)“ (Wiki)<br />

Fassen wir zusammen:<br />

Alle Veränderung zeigt sich immer an der Materie, an dem Stoff, an dem Substrat der<br />

Veränderung. Ich komme nun zu der Auffassung, dass sich im Prinzip die folgende vie Modi<br />

verändern können:<br />

- Substanz<br />

- Quantität<br />

- Qualität<br />

- Relation<br />

Weitere Möglichekeiten gibt es erst einmal nicht, denn jede weitere Möglichkeit ließe sich<br />

unter einer dieser Modi fassen.<br />

Form und Materie bei Entstehen/Vergehen<br />

Aristoteles’ Analyse <strong>von</strong><br />

Entstehen/Vergehen basiert auf der innovativen Unterscheidung <strong>von</strong> Form und Materie<br />

(Hylemorphismus). Er akzeptiert, dass kein konkretes Einzelding aus Nichtseiendem entstehe,<br />

analysiert den Fall Entstehen jedoch folgendermaßen. Ein konkretes Einzelding des Typs F<br />

entsteht nicht aus einem nicht-seienden F, sondern aus einem zugrunde liegenden Substrat,<br />

das nicht die Form F aufweist: der Materie.<br />

Ein Ding entsteht, indem Materie eine neu hinzukommende Form annimmt. So entsteht eine<br />

Bronzestatue, indem eine Bronzemasse eine entsprechende Form annimmt. Die fertige Statue<br />

besteht aus Bronze, die Bronze liegt der Statue als Materie zugrunde. Die Antwort auf die<br />

Eleaten lautet, dass einer nicht-seienden Statue die Bronze als Materie entspricht, die durch<br />

Hinzukommen einer Form zur Statue wird. Der Entstehungsprozess ist dabei <strong>von</strong><br />

verschiedenen Seinsgraden gekennzeichnet. Die tatsächliche, aktuale, geformte Statue<br />

entsteht aus etwas, das potentiell eine Statue ist, nämlich Bronze als Materie (Phys. I 8,<br />

191b10-34).<br />

Materie und Form sind Aspekte eines konkreten Einzeldings und treten nicht selbständig auf.<br />

Materie ist immer Stoff eines bestimmten Dings, das schon eine Form aufweist. Sie ist ein<br />

relativer Abstraktionsbegriff zu Form. Indem eine derartige Materie in einer neuen Weise<br />

strukturiert wird, entsteht ein neues Einzelding. Ein Haus setzt sich aus Form (dem Bauplan)<br />

und Materie (Holz und Ziegel) zusammen. Die Ziegel als Materie des Hauses sind durch<br />

einen bestimmten Prozess auf eine bestimmte Weise geformter, konfigurierter Lehm. Unter<br />

Form versteht Aristoteles seltener die äußere Gestalt (dies nur bei Artefakten), in der Regel<br />

die innere Struktur oder Natur, dasjenige, was durch eine Definition erfasst wird. Die Form


eines Gegenstandes eines bestimmten Typs beschreibt dabei Voraussetzungen, welche<br />

Materie für diesen geeignet ist und welche nicht.<br />

Ortsbewegung<br />

Bewegung erfolgen nach Aristoteles entweder naturgemäß oder naturwidrig (gewaltsam). Nur<br />

Lebewesen bewegen sich aus eigenem Antrieb, alles andere wird entweder <strong>von</strong> etwas bewegt<br />

oder es strebt möglichst geradlinig seinem natürlichen Ort entgegen und kommt dort zum<br />

Stillstand.<br />

Der natürliche Ort eines Körpers hängt <strong>von</strong> der in ihm vorherrschenden Materieart ab. Wenn<br />

Wasser oder Erde vorherrscht, bewegt sich der Körper zum Mittelpunkt der Erde, dem<br />

Zentrum der Welt, wenn Feuer oder Luft dominiert, strebt er nach oben. Erde ist<br />

ausschließlich schwer, Feuer absolut leicht, Wasser relativ schwer, Luft relativ leicht. Der<br />

natürliche Ort des Feuers ist oberhalb der Luft und unterhalb der Mondsphäre. Leichtigkeit<br />

und Schwere sind Eigenschaften <strong>von</strong> Körpern, die mit deren Dichte nichts zu tun haben. Mit<br />

der Einführung der Vorstellung einer absoluten Schwere und absoluten Leichtigkeit<br />

(Schwerelosigkeit des Feuers) verwirft Aristoteles die Auffassung Platons und der Atomisten,<br />

die alle Objekte für schwer hielten und das Gewicht als relative Größe auffassten.<br />

Das fünfte Element, der Äther des Himmels, ist masselos und bewegt sich kreisförmig und<br />

ewig. Der Äther füllt den Raum oberhalb der Mondsphäre; er ist keinerlei Veränderung außer<br />

der Ortsbewegung unterworfen. Die Annahme, auf der Erde und am Himmel gälten<br />

verschiedene Gesetze, ist für Aristoteles nötig, weil die Bewegung der Planeten und Fixsterne<br />

nicht zur Ruhe kommt.<br />

Aristoteles nimmt an, dass für jede Ortsbewegung ein Medium, das entweder als bewegende<br />

Kraft wirkt oder der Bewegung Widerstand leistet, erforderlich ist; eine kontinuierliche<br />

Bewegung im Vakuum ist prinzipiell unmöglich. Aristoteles schließt sogar die Existenz eines<br />

Vakuums aus.<br />

Die Bewegungslehre des Aristoteles war bis zur Entwicklung eines neuen Trägheitsbegriffs<br />

durch Galilei und Newton einflussreich.


Ursachen<br />

Um Wissen <strong>von</strong> Veränderungsprozessen und somit <strong>von</strong> der Natur zu besitzen, muss man – so<br />

Aristoteles – die entsprechenden Ursachen (aitiai) kennen (Phys. I 1, 184a10-14). Aristoteles<br />

behauptet, es gebe genau vier Ursachentypen, die jeweils auf verschiedene Weise auf die<br />

Frage Warum antworten und die in der Regel bei einer vollständigen Erklärung alle<br />

angegeben werden müssen (Phys. II 3, 194b23-35):<br />

Bezeichnung<br />

Materialursache<br />

Formursache<br />

traditionelle<br />

Bezeichnung<br />

causa materialis<br />

causa formalis<br />

Wirk-<br />

oder<br />

causa efficiens<br />

Bewegungsursache<br />

Ziel-<br />

Zweckursache<br />

oder<br />

causa finalis<br />

Beispiel:<br />

Erläuterung<br />

Ursachen eines<br />

Hauses<br />

das, aus dem eine Sache entsteht<br />

Holz und Ziegel<br />

und dabei in ihr enthalten ist<br />

die Struktur; das, was angibt,<br />

worin das Sein einer Sache Bauplan<br />

besteht<br />

das, woher der erste Anlass <strong>von</strong><br />

Bewegung und Ruhe oder einer Architekt<br />

Wirkung kommt<br />

das Ziel oder der Zweck, um Schutz vor<br />

dessentwillen etwas geschieht Unwetter<br />

Der aristotelische Ursachenbegriff unterscheidet sich weitgehend vom modernen. In der Regel<br />

treffen zur Erklärung desselben Sachverhaltes oder Gegenstandes verschiedene Ursachen<br />

zugleich zu. Die Formursache fällt oft mit der Bewegungsursache und der Finalursache<br />

zusammen. Die Ursache eines Hauses sind so Ziegel und Holz, der Bauplan, der Architekt<br />

und der Schutz vor Unwetter. Letztere drei fallen oft zusammen, insofern beispielsweise der<br />

Zweck Schutz vor Unwetter den Bauplan (im Geist) des Architekten bestimmt.<br />

Die Finalursache ist vom Standpunkt der neuzeitlichen mechanistischen Physik aus kritisiert<br />

worden. Von einer insgesamt teleologisch ausgerichteten Natur wie bei Platon setzt sich<br />

Aristoteles jedoch weitgehend ab. Finale Ursachen treten für ihn in der Natur vor allem in der<br />

Biologie auf, und zwar beim funktionellen Aufbau <strong>von</strong> Lebewesen und der<br />

Artenreproduktion.<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2013


Auszug aus dem Wiki-Artikel:<br />

3. Hylemorphismus<br />

„Hylemorphismus ist eine moderne Bezeichnung für eine zentrale Lehre in der Philosophie<br />

des Aristoteles, nach der die endlichen Substanzen aus zwei verschiedenen Prinzipien<br />

bestehen, nämlich dem Stoff oder der Materie (griechisch hyle) und der Form (griechisch<br />

morphḗ).<br />

Begriffsgeschichte<br />

Der Begriff Hylemorphismus stammt aus der modernen Neuscholasitk. Er ist anscheinend<br />

gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebildet worden und hat sich im Lauf des 20. Jahrhunderts<br />

in der philosophiehistorischen Literatur durchgesetzt. Daneben kommt im Deutschen nur<br />

vereinzelt auch die Schreibweise Hylomorphismus vor, die wohl sprachlich an den schon im<br />

17. Jahrhundert entstandenen Begriff Hylozoismus angelehnt ist. Im Englischen ist die<br />

analoge Wortform hylomorphism verbreitet.<br />

Aristoteles<br />

Aristoteles geht <strong>von</strong> der Frage aus, wie Werden möglich ist. Unter Werden ist in diesem Sinne<br />

sowohl Entstehung als auch Veränderung zu verstehen. Die Eleaten hatten argumentiert, dass<br />

ein Werden weder aus einem absoluten Sein noch aus einem absoluten Nichtsein heraus<br />

stattfinden könne. Daher nimmt Aristoteles ein Mittleres zwischen Sein und Nichtsein an als<br />

Voraussetzung dafür, dass sich in der Gegensätzlichkeit <strong>von</strong> Seiendem und Nichtseiendem ein<br />

Werden vollziehen kann. Dieses Mittlere, <strong>von</strong> dem das Werden ausgeht, also das, woraus<br />

etwas wird, muss für Aristoteles etwas sein, was nur der Möglichkeit nach ist. Dieses das<br />

Werden Ermöglichende und ihm damit Zugrundeliegende nennt er Materie.<br />

Demnach muss alles, was entsteht oder sich ändert (sei es <strong>von</strong> Natur aus oder durch<br />

menschliche Kunst), Materie in sich haben. Wenn zu der Materie eine bestimmte Form<br />

hinzutritt und sich mit ihr verbindet, entsteht ein Ding. Die Materie als dasjenige, woraus<br />

etwas wird, bietet dem Werdenden die Möglichkeit, zu sein oder nicht zu sein. So ist Erz ein<br />

Stoff, aus dem eine Statue entstehen kann oder auch nicht entstehen kann. Als abstrakte<br />

Prinzipien sind Form und Materie unentstanden und unvergänglich; real und konkret<br />

existieren sie auf der Erde nicht eigenständig, sondern nur gemeinsam in ihren<br />

unterschiedlichen entstehenden und vergehenden Zusammensetzungen, welche die Dinge<br />

konstituieren. Diese Zusammensetzungen sind unablässigem Wandel unterworfen.<br />

Zusammengesetztheit aus Materie und Form ist für Aristoteles gleichbedeutend mit<br />

Veränderlichkeit.<br />

Den vier Arten <strong>von</strong> Veränderung, die Aristoteles unterscheidet, entsprechen vier Arten <strong>von</strong><br />

Materie. Die substantiale Veränderung ist das Werden und Vergehen. Dabei handelt es sich<br />

nicht darum, dass eine bereits bestehende Substanz neue akzidentiell Bestimmungen<br />

annimmt, sondern dass eine Substanz selbst neu entsteht. Dieser Veränderung entspricht eine<br />

Materie des Werdens und Vergehens. Ebenso entspricht der quantitativen Veränderung<br />

(Wachstum und Abnahme), der qualitativen Veränderung und der Ortsveränderung jeweils<br />

eine zugehörige Materie. Für die Himmelskörper, denen Aristoteles substantiale


Unveränderlichkeit zuschreibt, nimmt er zwar eine Materie der Ortsveränderung an, um ihre<br />

lokale Bewegung zu erklären, nicht aber eine Materie des Werdens und Vergehens.<br />

Mit dem substantialen Werden und Vergehen sind notwendigerweise auch die übrigen Arten<br />

der Veränderung verbunden, nicht aber umgekehrt. Daher schließt das Vorhandensein der<br />

Materie des substantialen Werdens das Vorhandensein der übrigen Materiearten mit ein. Wo<br />

alle Materiearten vorhanden sind, da bestehen sie nicht der Realität nach nebeneinander,<br />

sondern sind nur dem Begriff nach <strong>von</strong>einander geschieden. Für den Hylemorphismus ist nur<br />

die substantiale Materie, die Materie im eigentlichen Sinne, <strong>von</strong> Bedeutung.<br />

Die Seele ist für Aristoteles das Prinzip der Bewegung. Daher sind „seelische“ Bewegungen<br />

wie Emotionen, Wahrnehmungen und Verstandestätigkeit nicht wirklich Bewegungen der<br />

Seele, die als Prinzip unveränderlich ist, sondern Bewegungen des beseelten Menschen. Die<br />

Seele selbst ist unbewegt, sie entsteht nicht und vergeht nicht. Daher kommt ihr an und für<br />

sich (unabhängig vom Körper) keine Materie zu; sie ist reine Form, und die ihr zugeordnete<br />

Materie ist diejenige des physischen Körpers. Der Hylemorphismus erstreckt sich somit in der<br />

Philosophie des Aristoteles zwar auf den Menschen, nicht aber auf die Seele als solche.<br />

Neuplatonismus<br />

Der Neuplatonismus verbindet platonische Philosophie mit einer teilweise aristotelisch<br />

beeinflussten Denkweise und Terminologie. Für die antiken Neuplatoniker existiert die<br />

geistige („intelligible“) Welt real; ihr gehören der Nous und die Weltseele an. Auch die<br />

unsterblichen Seelen der Menschen (und bei Plotin auch der Tiere) sind hinsichtlich ihrer<br />

körperfreien Existenz ein Teil der geistigen Welt. Die geistige Welt ist das Urbild der sinnlich<br />

wahrnehmbaren. Ihre Existenz ist nach neuplatonischer Vorstellung <strong>von</strong> derjenigen der<br />

physischen, sinnlich wahrnehmbaren Materie <strong>von</strong> Natur aus völlig unabhängig. Daher wird<br />

im Neuplatonismus das Konzept einer „geistigen“ („intelligiblen“) Materie eingeführt, mit<br />

dem sowohl die ontologische Eigenständigkeit der geistigen Welt gegenüber der physischen<br />

als auch der Abbildcharakter der physischen Welt gewahrt wird. In diesem System sind auch<br />

rein geistige Substanzen (mit Ausnahme des absolut einfachen und einheitlichen Einen) aus<br />

Materie und Form zusammengesetzt. Damit übertragen die Neuplatoniker den<br />

Hylemorphismus, den Aristoteles nur für die physische Welt angenommen hatte, auf die<br />

geistige Welt und machen ihn so zu einem universellen Prinzip. Daher spricht man <strong>von</strong><br />

„universellem Hylemorphismus“.<br />

Die geistige und die physische Materie sind im Neuplatonismus völlig wesensverschieden.<br />

Sie haben nur den Namen „Materie“ gemeinsam, der auf den Umstand Bezug nimmt, dass bei<br />

beiden das materielle Prinzip, nämlich das Unbestimmte und Maßlose (ápeiron), sich mit<br />

Formen verbindet, die es begrenzen und zu etwas Bestimmtem machen. Die geistige Materie<br />

ist nicht wie die physische etwas nur der Möglichkeit nach Bestehendes, sondern eine an sich<br />

unbegrenzte Kraft; indem zu ihr eine Begrenzung hinzutritt, wird ein intelligibles Seiendes<br />

konstituiert. Manche Neuplatoniker (Porphyrios, Iamblichos, Proklos) nehmen eine besondere<br />

geistige Materie der Mathematik an.<br />

Der neuplatonische Materiebegriff hat das Denken des Kirchenvaters Augustinus beeinflusst,<br />

der im Mittelalter eine der wichtigsten Autoritäten in Philosophie und Theologie war. Dies<br />

war eine wesentliche Voraussetzung für den mittelalterlichen Hylemorphismus.


Mittelalter<br />

In der islamischen Welt nimmt der Philosoph Avicenna eine gemeinsame Materie aller<br />

Körper an, weist also nicht wie Aristoteles den Himmelskörpern eine andersartige Materie als<br />

den irdischen Substanzen zu. Averroes hingegen verteidigt die Position des Aristoteles.<br />

Eine wesentliche Neuerung führen im Hochmittelalter die im muslimischen Spanien lebenden<br />

jüdischen Philosophen Isaak Israeli und Solomon ibn Gabirol (Avicebron) ein. Sie nehmen<br />

eine universelle Materie an, die sowohl in der geistigen Welt (mit Ausnahme <strong>von</strong> Gott selbst)<br />

als auch in der physischen vorhanden ist. Diese universelle Materie manifestiert sich für ibn<br />

Gabirol auf dreifache Weise. Im rein geistigen Bereich verbindet sie sich nur mit der<br />

substantialen Form (ohne Quantität). In den Himmelskörpern wird sie sowohl <strong>von</strong> der<br />

substantialen Form als auch <strong>von</strong> der Quantität bestimmt. In den irdischen Körpern kommt<br />

noch das Prinzip der Gegensätzlichkeit hinzu. Form und Materie können nach ibn Gabirols<br />

Meinung nie getrennt <strong>von</strong>einander existieren, sondern werden nur zum Zweck der Analyse<br />

gedanklich getrennt.<br />

Mit diesem Modell wurde ibn Gabirol, dessen arabisch geschriebenes philosophisches<br />

Hauptwerk „Lebensquelle“ im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt worden war, zum<br />

wichtigsten Impulsgeber für den universellen Hylemorphismus bei lateinischsprachigen<br />

christlichen Gelehrten (Scholastikern) des Spätmittelalters. Dieser Richtung gehörten vor<br />

allem Gelehrte aus der „Franziskanerschule“ an. Prominente Vertreter des universellen<br />

Hylemorphismus waren die Franziskaner Alexander <strong>von</strong> Hales, Bonaventura und Roger<br />

Bacon sowie der Dominikaner Robert Kilwardby. Gegner dieser Lehre waren sowohl die<br />

Thomisten, die Anhänger des Thomas <strong>von</strong> Aquin, als auch die Averroisten; diese beiden<br />

Richtungen, die einander ansonsten bekämpften, hielten in der Frage der geistigen Materie an<br />

der traditionellen Position des Aristotelismus fest. Diese Gegner bekämpften aber nicht den<br />

Hylemorphismus als solchen, den sie vielmehr als Aristoteliker selbst vertraten; sie wandten<br />

sich nur gegen dessen universelle Variante, die der Seele und den „Intelligenzen“ (Engeln)<br />

eine eigene geistige Materie zuspricht. Zu den namhaften Gegnern des universellen<br />

Hylemorphismus gehörten u.a. Wilhelm <strong>von</strong> Auvergne, ohannes <strong>von</strong> Rupella († 1245), Albert<br />

der Große und Heinrich <strong>von</strong> Gent.<br />

Literaturhinweise<br />

• Heinz Happ: Hyle. Studien zum aristotelischen Materiebegriff. Walter de Gruyter,<br />

Berlin/New York 1971 (Habil.-Schr. Univ. Tübingen).<br />

• Marcus Knaup: Jenseits <strong>von</strong> Physikalismus und Dualismus! Der Hylemorphismus als<br />

wirkliche Alternative in einem aktuellen Streit. In: Marcus Knaup/ Tobias Müller/<br />

Patrick Spät (Hg.): Post-Physikalismus. Freiburg/ München 2011. S. 189-215.<br />

• Frank A. Lewis: Form and Matter, in: A Companion to Aristotle, hrsg. Georgios<br />

Anagnostopoulos, Wiley-Blackwell, Oxford 2009, S. 162-185<br />

• Ulrike Mörschel und Rolf P. Schmitz: Artikel Form/Materie, in: Lexikon des<br />

Mittelalters, Band 4, München und Zürich 1989, Sp. 636-645<br />

• Josef Quitterer: Was leistet der Seelenbegriff zur Überwindung physikalistischer<br />

Deutungen personaler Identität. In: Marcus Knaup/ Tobias Müller/ Patrick Spät (Hg.):<br />

Post-Physikalismus. Freiburg/ München 2011. S. 216-233.<br />

• Charlotte Witt: Hylomorphism in Aristotle, in: Journal of Philosophy 84 (1987), S.<br />

673-679


• Jiyuan Yu: Two Conceptions of Hylomorphism in „Metaphysics ΖΗΘ“, in: Oxford<br />

Studies in Ancient Philosophy, Bd. 15 (1997), S. 119-145<br />

Die plastische Theorie <strong>von</strong> Joseph Beuys<br />

„Innerhalb des Allgemeinbegriffs „Kunst“ ist der Begriff „Plastik“ das für Joseph Beuys<br />

besonders relevante Thema.<br />

„Was ist Plastik? Ich habe versucht, eben diesen Begriff in seine treibenden Grundkräfte zu<br />

zerlegen.“ (Beuys)<br />

Beuys fand die Grundkräfte in Wärme und Kälte. Diese beiden Pole verkörpern einerseits das<br />

„Chaotisch-Willensmäßige“ und andererseits das „Gedanklich-Formmäßige“. Das<br />

Wechselspiel zwischen – man könnte auch sagen – „dem Organischen und dem Kristallinen,<br />

und damit zwischen der Polarität <strong>von</strong> Natur und Geist“, findet sich im Mensch wieder. Mit<br />

dieser Erkenntnis gelangt Beuys zu einem bedeutenden anthropologischen Aspekt.“ (Harlan,<br />

Rappmann, Schata: „Soziale Plastik – Materialien zu Joseph Beuys“)<br />

Die plastische Theorie lautet nun wie folgt: „Alles kommt aus dem Chaos und wird durch<br />

Bewegung zur Form gebracht, zu immer neuen Formen.“<br />

Dabei kann sich der Prozess auch umkehren. Dann fließen die Dinge vom Gedanklich-<br />

Formmäßigen in das Chaotisch-Willensmäßige zurück. „Etwas, was geordnet war, fällt in<br />

Chaos, wird ungeordnet.“ (Beuys)<br />

Der Chaosbegriff bei Joseph Beuys:<br />

„Mein Chaosbegriff ist ein sehr ursprünglicher. Alles kommt aus dem Chaos… Das<br />

muss man sich vorstellen wie eine zusammenhängende, sehr komplexe Energie, die aber<br />

keine bestimmte, sondern eine unbestimmte Stoßrichtung hat. Das Wörtchen<br />

,unbestimmt‘ passt sehr gut auf den Chaosbegriff, wie ich ihn anwende. Und dann sind<br />

alles andere Bestimmungen da<strong>von</strong>. Nur aus dem Chaos kann etwas kommen.“ (Beuys)<br />

Der Formbegriff bei Joseph Beuys:<br />

„Form ist so betrachtet ein Gegenpol zum Begriff Chaos. Das ist ein plastischer<br />

Prozess.“ (Beuys)<br />

Ich selbst gehe sogar noch einen Schritt weiter. Dann ist der Formpol zugleich der<br />

Freiheitspol. Wille strömt aus dem Denken, aus der Freiheit. Das ist die eigentliche Grundlage<br />

der Willensfreiheit. Dem Denken selbst entspricht daher die Freiheit:<br />

Denken = Freiheit<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2013


4. Die Verbindung (Synthese) <strong>von</strong> Akt-<br />

Potenz-Lehre und Hylemorphismus<br />

Fortsetzung folgt…


Teil 3


Die neue Sprachontologie<br />

Ontologie ist generell Seinsphilosophie. Daher stellte Heidegger erneut die Seinsfrage.<br />

Heidegger stellte zunächst drei Lehrsätze auf, die er dann zu begründen suchte:<br />

1. Das „Sein“ ist der allgemeinste Begriff.<br />

2. Der Begriff „Sein“ ist undefinierbar.<br />

3. Das „Sein“ ist der selbstverständliche Begriff.<br />

Sein und Seiendes, und Sosein und Soseiendes<br />

Heidegger hat in besonderer Weise darauf hingewiesen, dass das „Sein“ immer ein „Sein des<br />

Seienden“ ist, und dass es auch „Sein des Seienden“ heißen muss. Diese zentrale Differenz<br />

liegt aller Ontologie zugrunde. Damit ist das „Dasein“ gemeint, das „In-der-Welt-Sein“ eines<br />

Seienden, seine bloße Existenz. Etwas ganz anderes ist das „Sosein des Seienden“. Es meint<br />

nicht das „Ob-Sein“ des Seienden (Vorhandensein), sonder sein „Wie-Sein“<br />

(Beschaffensein),. Damit wird das Seiende aber auch zu einem Soseienden. Ein ontologischer<br />

(metaphysischer) Begriff in diesem Sinne kann sich somit entweder auf das „Sosein des<br />

Seienden“, aber auch auf das „Soseiende“ selbst beziehen. Einige Beispiele mögen dies<br />

verdeutlichen.<br />

das Frei-Sein<br />

der/die/das Freie<br />

das Krank-Sein<br />

der/die/das Kranke<br />

das In-Sein<br />

der/die/das In-Seiende<br />

das Zurhanden-Sein<br />

der/die/das Zurhandene<br />

das Dasssein<br />

der/die/das Dassseiende<br />

das Sosein<br />

der/die/das Soseiende<br />

Die Form ist dabei immer dieselbe. Das „Sein“ ist generell ein „Sein des Seienden“.<br />

Demgegenüber ist das „Sosein“ immer ein „Sosein des seienden“. Das Sosein bezeichnet also<br />

immer eine „Seinsart“<br />

Zuhandenheit<br />

„Zuhandenheit“ ist bei Heidegger die Seinsart der menschlichen Beziehung zum Zeug.<br />

Heidegger meint wohl die Handgreiflichkeit der Gewürze!<br />

Da<strong>von</strong> einmal ganz abgesehen muss es „Zurhandenheit“ heißen, denn Heidegger meint doch<br />

wohl das „Zur-Hand-Sein“ oder „ Zurhandensein“ der Dinge, also ihr griffbereit sein.<br />

Zurhandenheit<br />

Heidegger hat immer wieder darauf hingewiesen, dass das Sein ein Sein des Seienden ist, dass<br />

also hier diese ontologische Differenz unterschieden werden muss.<br />

− Das Zeug „ist“, es ist „zur Hand“ oder eben „zuhanden“, denn es muss immer griffbereit<br />

sein.<br />

− Das „Zur-Hand-Sein“ der Dinge können wir mit Fug und Recht eine „Zurhandenheit“<br />

nennen.<br />

− Das Zeug selber, das „zur Hand“ ist, nennen wir dann ein „Zurhandenes“, etwa das<br />

Strichzeug, das Werkzeug, das Nähzeug, das Putzzeug, usw.


Sein und Werden<br />

- Sein (Beharren): Unter dem Sein verstehen wir das Beharrende, Bleibende, in allem<br />

Identische.<br />

- Werden (Veränderung): Unter dem Werden verstehen wir den Übergang <strong>von</strong> einer<br />

Seinsbestimmtheit zur anderen, <strong>von</strong> einem Sosein zu einem anderen Sosein.<br />

Dasssein und Sosein<br />

- Dasssein (Vorhandensein/Existenz): Unter dem Dasssein verstehen wir das Vorhandensein<br />

einer Sache, ihr In-der-Welt-Sein.<br />

- Sosein (Beschaffensein/Erscheinung): Unter dem Sosein verstehen wir das Beschaffensein<br />

einer Sache, ihr Wie-Sein.<br />

Es gibt kein Dasssein ohne Sosein und kein Sosein ohne Dasssein. Außerdem finden sowohl<br />

das Dasssein, als auch das Sosein ihren Grund entweder im Geworden-Sein einer Sache, oder<br />

in ihrem Gemacht-worden-Sein.<br />

Dasssein (Vorhandensein)<br />

Unter dem Dasssein verstehen wir das Vorhandensein einer Sache, ihr In-der-Welt-Sein.<br />

Die Seinsheit des Dassseins nennen wir auch die Existenz.<br />

Das Dassseiende nennen wir dann das Existierende.<br />

Der Zusammenhang lautet wie folgt:<br />

Dasssein - Existenz der/die/das Dassseiende/<br />

der/die/das Existierende<br />

Sosein (Beschaffensein)<br />

Unter dem Sosein verstehen wir das Beschaffensein einer Sache, ihr Wie-Sein.<br />

Die Seinsheit des Soseins nennen wir auch die Erscheinung.<br />

Das Soseiende nennen wir auch das Erscheinende.<br />

Der Zusammenhang lautet wie folgt:<br />

Sosein - Erscheinung - der/die/das Soseienende/<br />

der/die/das Erscheinende<br />

Das „Sein des Seienden“ meint immer entweder ein „Sosein des Seienden“, womit die<br />

ontologische Spielwiese der „Sprachontologie“ erreicht wäre, oder das „Dasssein des<br />

Seienden“.<br />

Seinart, Seinsheit und Seiendes<br />

Wir müssen nun sprachontologisch zwischen Seinsart und Seiendem unterscheiden, denn es<br />

gibt ein Sosein des Seienden und das Soseiende selbst. Aber es gibt auch die Seinsheit. Die<br />

Seinsheit wird üblicherweise mit dem Suffix „heit“, oder „keit“ gekennzeichnet. Die<br />

folgenden Seinsheiten sind für mich <strong>von</strong> besonderer Bedeutung:<br />

- Freiheit<br />

- Weisheit<br />

- Krankheit<br />

- Gesundheit


Auch hier gibt es einen Gesamtzusammenhang des Seins:<br />

1. frei sein - Freiheit - der/die/das Freie<br />

2. weise sein - Weisheit der/die/das Weise<br />

3. krank sein - Krankheit der/die/das Kranke<br />

4. gesund sein - Gesundheit der/die/das Gesunde<br />

Jede Seinsart enthält eine positive oder eine negative Wertung in sich. Diese wird ihr immer<br />

schon mitgegeben. „Stark sein“ zum Beispiel enthält eine positive Wertung, „müde sein“ eine<br />

negative.<br />

Ontologische Gesamtzusammenhänge<br />

Weitere wichtige Gesamtzusammenhänge beziehen sich auf die Seinsarten der Tugend<br />

(Tugendhaft sein). Einige Beispiele:<br />

1. gerecht sein – Gerechtigkeit – der/die/das Gerechte<br />

2. tolerant sein – Toleranz – der/die/das Tolerante<br />

3. geduldig sein – Geduld – der/die/das Geduldige<br />

4. ehrlich sein – Ehrlichkeit – der/die/das Ehrliche<br />

5. aufrichtig sein – Aufrichtigkeit – der/die/das Aufrichtige<br />

6. zuverlässig sein – Zuverlässigkeit – der/das Zuverlässige<br />

7. schön sein – Schönheit – der/die/das Schöne<br />

8. logisch sein – Logik – der/die/das Logische<br />

Der ontologische Gesamtzusammenhang kann sich aber auch auf Untugenden beziehen<br />

(sündhaft sein). Einige Beispiele:<br />

5.egoistisch sein – Egoistik – der/die/das Egoistische<br />

6.böse sein – Bosheit –<br />

der/die/das Böse<br />

7.hässlich sein – Hässlichkeit – der/die/das Hässliche<br />

8.brutal sein – Brutalität – der/die/das Brutale<br />

Wir haben für beides je einige Beispiele gebracht. Damit können wir dieses Kapitel<br />

abschließen.<br />

Sein und Zeit<br />

Das Vergangene „ist gewesen“, das Gegenwärtige „ist“ und das Zukünftige „wird erst noch<br />

sein. Ein Vergangenes ist ein Gewesenes, ein Gegenwärtiges ist ein Seiendes und ein<br />

Zukünftiges ist ein Seinwerdendes.<br />

In so fern können wir die Vergangenheit eine „Gewesenheit“ nennen, die Gegenwart eine<br />

„Seinsheit“ und die Zukunft eine „Seinwerdenheit“.<br />

Das hier und Jetzt ist der Moment, wo die "Seinwerdenheit" in die "Gewesenheit" übergeht.<br />

Sein und Zeit II<br />

Alle Dinge sind in der Zeit, in Raum und Zeit, Der Verstand teilt die Zeit ein in<br />

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Was in der Gegenwart ist, das „ist“, was in der<br />

Vergangenheit ist, das „ist nicht mehr“ und was in der Zukunft ist, das „ist noch nicht“.<br />

In so fern können wir die Gegenwart eine „In-der-Welt-Heit“ nennen, die Vergangenheit eine<br />

„Nicht-mehr-Heit“ und die Zukunft eine „Noch-nicht-Heit“.<br />

Das Hier und Jetzt ist der Moment, wo die "Noch-Nicht-Heit" in die "Nicht-Mehr-Heit"<br />

übergeht.<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2007


Kleines Wörterbuch<br />

Philosophie ist die Kunst der Begriffe, während Literatur die Kunst der Sprache ist.<br />

Bedeutung, Erklärung, Definition<br />

Jeder Begriff hat eine Bedeutung. So lange ich die Bedeutung eines Begriffes nicht kenne,<br />

handelt es sich um ein bloßes Wort. Daher müssen Begriffe grundsätzlich erklärt werden.<br />

Geschieht diese Erklärung in einem Wissenschaftlichen Sinn, können wir auch <strong>von</strong><br />

Definitionen sprechen.<br />

Tugend, beispielsweise, ist das ständige Gerichtet-Sein des Willens auf das sittliche Ideal.<br />

Wir wissen vielleicht, dass Aristoteles in seiner Logik genaue Definitionsvorschriften gibt.<br />

Ein Begriff soll nach Aristoteles immer mit einem Oberbegriff und einem Unterbegriff<br />

definiert werden. Anhand der obigen Definition der Tugend können wir aber leicht<br />

nachweisen, dass diese aritotelische Definitionsvorschrift keinerlei Gültigkeit hat. Es gibt<br />

überhaupt keine wirkliche Definitionsvorschrift, außer der allgemeinen Forderung, einen<br />

Begriff mit möglichst wenigen Worten, und so genau, wie möglich, zu erklären.<br />

Bewegung und Veränderung<br />

Bewegung ist immer eine Ortsveränderung in der Zeit. Veränderung bedeutet, dass sich eine<br />

der den Dingen zugrundeliegenden Grundbegriffe oder Kategorien ändert. So kann sich<br />

entweder die Quantität ändern, oder aber die Qualität, die Substanz, die Relation, oder<br />

mehrere gleichzeitig.<br />

Kategorien<br />

Ohne Frage sind die Kategorien Quantität, Qualität, Substanz und Relation die wichtigsten.<br />

Kleine Kategorialanalyse<br />

1. Kategorien der Logik sind: wahr und falsch, notwendig und möglich.<br />

2. Kategorien der Ethik sind: gut und böse.<br />

3. Kategorien des Sozialen sind: egoistisch, sozial, individuell und kollektiv.<br />

4. Kategorien der Ästhetik sind: schön und hässlich.<br />

Kleine Kategorialanalyse II<br />

1. Kategorien der Veränderung sind: Quantität, Qualität, Substanz, Relation und Modi.<br />

2. Kategorien der Bewegung sind: Raum und Zeit.<br />

3. Ontologische Kategorien sind: Erscheinung und Wesen, Akt und Potenz.<br />

4. Kategorien der Modalität (Modi) sind: Aktiva und Passiva,<br />

5. Sein und Werden


Kategorien der Veränderung<br />

1. Quantität (Menge): Unter der Quantität verstehen wir die Menge, die Größe, alles was<br />

man messen, zählen und wiegen kann.<br />

2. Qualität (Eigenschaft): Unter der Qualität verste-hen wir die Beschaffenheit, die<br />

Eigenschaft einer Sache. Die notwendigen Informationen über die Dinge erhalten wir aus<br />

der sinnlichen Wahrnehmung, und zwar durch unsere fünf Sinne. Von letzteren ist der<br />

Sehsinn der wichtigste. Er gibt uns Informationen über Farbe, Form und Bewegung der<br />

Dinge.<br />

3. Substanz (Stoff): Unter der Substanz verstehen wir den Stoff, den chemischen Stoff, der<br />

sich aus chemischen Elementen zusammensetzt.<br />

4. Relation (Beziehung): Unter der Relation verste-hen wir die Beziehung, das Verhältnis<br />

zwischen mehreren Seienden irgendeiner Art.<br />

Kategorien der Bewegung<br />

1. Raum: Unter dem Raum verstehen wir die Grundbedingung allen Seins, die ein<br />

Nebeneinander aller Dinge möglich macht. Der Raum „ist“.Wir können drei Arten <strong>von</strong><br />

Räumen unterscheiden: a) die mathematischen Räume mit 1 bis n Dimensionen, b) den<br />

physikalischen Raum mit genau drei Dimensionen, c) den Anschauungsraum, den wir auch<br />

projektiven An-schauungsraum nennen (gel. hyperbolischer Raum<br />

2. Zeit: Unter der Zeit verstehen wir die Grundbedingung allen Seins, die ein Nacheinander<br />

aller Dinge möglich macht. Die Zeit „wird“ immerzu. Wir können eine objektive (gemessene)<br />

Zeit und eine subjektive (erlebte) Zeit unterscheiden. Die Zeit wird im Zuge der<br />

Relativitätstheorie mit dem Raum zu einer einheitlichen Raumzeit zusammengefasst.<br />

Ontologische Kategorien<br />

1. Wesen (Begriff/Essenz): Unter dem Wesen verstehen das Allgemeine, das Wesenhafte<br />

einer ganzen Art oder Gattung, den ihr zugrundeliegenden Begriff. Letzteren erhalten wir,<br />

wenn wir <strong>von</strong> allem Unwesentlichen absehen.<br />

2. Erscheinung (Phänomen): Unter der Erscheinung verstehen wir alles, was sinnlich<br />

wahrgenommen wird.<br />

3. Akt (Realität): Unter dem Akt verstehen wir die Tatsächlichkeit, die Realität oder<br />

Wirklichkeit einer Sache.<br />

4. Potenz (Möglichkeit): Unter der Potenz verstehen wir die Möglichkeit, das Vermögen, die<br />

einer Sache innewohnende Kraft. Akt und Potenz waren ursprünglich Kategorien bei<br />

Aristoteles.<br />

Kategorien der Tätigkeit:<br />

1. Aktiva (Tun): Unter der Aktiva verstehen wir die Wirksamkeit, das tätige Verhalten.<br />

2. Passiva (Erleiden): Unter der Passiva verstehen wir die Untätigkeit, das Erleiden <strong>von</strong> etwas.


Sein und Werden:<br />

1. Sein (Beharren): Unter dem Sein verstehen wir das Beharrende, Bleibende, in allem<br />

Identische.<br />

2. Werden (Veränderung): Unter dem Werden verstehen wir den Übergang <strong>von</strong> einer<br />

Seinsbestimmtheit zur anderen, <strong>von</strong> einem Sosein zu einem anderen Sosein.<br />

Sozialwissenschaftliche Kategorien:<br />

Demokratie heißt Volkssouveränität. Das Volk ist grundsätzlich die Rechtsgemeinschaft.<br />

Das positive Recht (Gesetz) ist die Summe aller Regeln, die sich eine Gemeinschaft durch<br />

Rechtssetzung selber gibt. Unter dem überpositiven Recht versteht man das Naturrecht, also<br />

die allgemeinen und unveräußerlichen Menschenrechte. Das Problem der Rechtssetzung wirft<br />

das Problem der demokratischen Legitimation auf. Das Recht (Gesetz) findet seine Grundlage<br />

und Rechtfertigung im natürlichen, ursprünglichen Rechtsempfinden.<br />

Rawls interpretiert die Gerechtigkeit als Fairness. Gerechtigkeit meint als soziale<br />

Gerechtigkeit die Einkommensgerechtigkeit, sie kann aber auch als ausgleichende<br />

Gerechtigkeit verstanden werden. Die Gerechtigkeit hat ihre Grundlage im<br />

Gerechtigkeitsempfinden. Die Rechtssetzung des positiven Rechts (Gesetz) muss streng <strong>von</strong><br />

der (sozialen) Gerechtigkeit unterschieden werden.<br />

Macht ist generell das Vermögen, anderen seinen Willen aufzuzwingen. Das Dämonische der<br />

Macht besteht darin, dass sie (die Macht) nicht <strong>von</strong> dem Willen zu ihrem Missbrauch zu<br />

trennen ist. Wer das Geld hat, hat die Macht, und wer die Parteien hat, hat die Macht, so<br />

Joseph Beuys. Aber: Auch Wissen ist Macht. Wenn Gott nun allwissend ist, so ist er auch<br />

allmächtig.<br />

Sozialwissenschaftliche Kategorienpaare:<br />

individuell versus kollektiv<br />

egoistisch versus sozial<br />

privat versus öffentlich<br />

Philosophische Disziplinen:<br />

Ethik ist die Wissenschaft vom sittlich Guten (Sittenlehre).<br />

Ästhetik die sie Wissenschaft (Lehre) vom Schönen.<br />

Anthropologie ist die Wissenschaft vom Menschen.<br />

Ontologie ist die Wissenschaft vom Sein (Seinswissenschaft)<br />

Phänomenologie ist die Wissenschaft <strong>von</strong> den (sinnlich wahrnehmbaren) Erscheinungen<br />

(Phänomenen) und ihrem wesensgemäßen Erfassen durch richtige Begriffsbildung.<br />

Form: Form ist die Synthese aus Ausdehnung und Begrenzung.<br />

Denken: Denken ist das Sich-Verbinden mit der Welt.


Ästhetische Kategorienpaare:<br />

ideell versus materiell<br />

ideal versus real<br />

abstrakt versus konkret<br />

organisch versus kristallin<br />

absolut versus relativ<br />

allgemein versus besonders<br />

Objekt und Subjekt<br />

Das Subjekt ist das Erkennende<br />

Das Objekt ist das Erkannte<br />

Das Subjektive ist auf das Subjekt bezogen<br />

Das Objektive ist auf das Objekt bezogen<br />

relativ: ziemlich, verhältnismäßig vergleichsweise, je nach dem Standpunkt verschieden<br />

Relativismus: Anschauung,, nach der jede Erkenntnis nur relativ (bedingt durch den eigenen<br />

Betrachterstandpunkt) richtig ist, nicht allgemeingültig (Protagoras). Eine wie auch immer<br />

geartete kritisch-rationalistische Interpretation lehne ich grundsätzlich ab.<br />

Literaturhinweise:<br />

Fremdwörterbuch (Duden 5)<br />

Schischkoff, Georgi: „Philosophisches Wörterbuch“ (Kröner)<br />

Hügli, A/Lübke, P: „Philosophielexikon“<br />

Störig, Hans <strong>Joachim</strong>: „Kleine Weltgeschichte der Philosophie“<br />

<strong>Joachim</strong> <strong>Stiller</strong> Münster, 2008<br />

Ende<br />

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