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Beste Ware: Die frisch gekohlten<br />
Holzstücke riechen würzig und<br />
klirren, <strong>als</strong> wären sie aus Glas.<br />
Altes Handwerk<br />
Houzchole<br />
vom Napf<br />
Eingefleischte Grillmeister schwören auf Holzkohle aus Romoos LU.<br />
Hier im Entlebuch sind die besten «Schwarz arbeiter» daheim.<br />
So wie Markus Wicki – einer der letzten Köhler der Schweiz.<br />
Text Marcel Huwyler Fotos Markus Bühler-Rasom<br />
Russgepudert. Wer köhlert, wird<br />
schwarz. Schon <strong>als</strong> Bub baute<br />
Markus Wicki Mini-Haufen neben<br />
dem grossen Meiler seines Vaters.<br />
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Man riecht den Kohlenmeiler<br />
von Weitem, es «bränntelet»<br />
Wer mit Markus<br />
Wicki zu<br />
tun hat, wird<br />
angeschwärzt:<br />
Sein Händedruck<br />
hinterlässt einen staub schwarzen<br />
Eindruck. Und macht klar, wie<br />
facettenreich und farbig Schwarz<br />
sein kann: Der Köhlerhaufen selber<br />
steht da wie ein kohlpechrabenschwarzer<br />
Mohrenkopf, qualmt<br />
und dampft gewittergrau, und wer<br />
ihm zu nahe kommt, mottet noch<br />
tagelang wie ein ausgebranntes<br />
Chalet. Rund um den Kohlenmeiler<br />
schimmern bären dreckschwarze<br />
Wasserpfützen, Pechgeruch ätzt die<br />
Nase. Aus Wickis russgepudertem<br />
Gesicht sticht das Augenweiss hervor<br />
wie die letzten Schneeflecken<br />
auf den Zinken des nahen Pilatus.<br />
Markus Wicki, 45 Jahre alt, ist<br />
Bauer, Entlebucher und einer der<br />
letzten Köhler der Schweiz. Er und<br />
ein Dutzend seiner Nachbarn stellen<br />
Aufbau. Dreistöckig werden die<br />
einen Meter langen Holzspälten<br />
zu einer Art Iglu aufgeschichtet.<br />
nach alter Väter Sitte Grill-Holzkohle<br />
her. Köhlerverband Romoos<br />
nennen sie sich. Sie sind die Köhler<br />
vom Napf.<br />
DA, WO DRACHEN HAUSEN<br />
Das Napfgebiet ist der Wilde<br />
Westen Luzerns. Die Landschaft<br />
ist schroff und sanft zugleich. Hat<br />
schmei cheln de Hügel, aber auch<br />
tief ein gekerbte Täler mit Weilern<br />
zuhinterst in den «Chrächen».<br />
Im Napf gibts die zünftigsten<br />
Gewitter, den pfiffigsten Fichten-<br />
Likör und die hinterlistigsten Hunde.<br />
Köhler Wicki lebt mit seiner Frau<br />
Priska und den drei Töchtern in<br />
der Gemeinde Romoos, Siedlung<br />
Bramboden, Weiler Drachslis. Ein<br />
Abenteuer, die Familie zu finden,<br />
denn Romoos ist so gross wie der<br />
Kanton Basel-Stadt. Hat man all<br />
die Strässchen abge fahren, vorbei<br />
an auffallend vielen Geburtstagsschildern<br />
(«20 Johr – Vöu Glöck»),<br />
und bleibt in einer Lichtung stehen<br />
und denkt, es geht nicht mehr<br />
weiter – gehts weiter, stotzig, steinig,<br />
bis zuhinterst ins Tal (man riechts<br />
von Weitem, es «bränntelet»),<br />
wo am Fusse eines Felsens der Hof<br />
der Wickis steht. Drachslis heisst<br />
die Adresse. Woher der Flurname<br />
stammt, weiss Wicki nicht, aber so<br />
einsam und verwunschen wie der<br />
Ort ausschaut, hat hier vor Urzeiten<br />
bestimmt ein Drache gehaust.<br />
EIN IGLU AUS HOLZ UND LÖSCHI<br />
Fünf Kohlenmeiler im Jahr lässt<br />
Wicki schwelen, den ersten im<br />
März, den letzten im Oktober. Die<br />
Schwerstarbeit beginnt im Winter.<br />
Ganz allein schlägt und schleppt<br />
Wicki die Bäume aus den Wäldern<br />
und sägt «s Houz» in ein Meter<br />
lange Spälten zurecht. Dann wird<br />
aufgebaut, zwei Wochen lang: viel<br />
Buche, auch Esche, Ahorn, Erle.<br />
Aber nur wenig Tanne, denn diese,<br />
erklärt Wicki, gebe minderwertige<br />
Holzkohle, solche, die funkt und<br />
sternt im Grill, «und das mag man<br />
beim Brötle nicht». Er schichtet die<br />
Spälten igluförmig und mehrstöckig<br />
auf, rund um eine Art Kamin herum,<br />
«Füllihus» genannt, wo er später<br />
glühende Kohle hineinschüttet.<br />
Die Holzhalbkugel, sieben Meter<br />
im Durchmesser, wird mit Tannenreisig<br />
verkleidet und mit Löschi<br />
verkleistert, einer klebrigen, griessartigen<br />
Mischung aus Kohlestückchen<br />
und Wasser. Der Meiler ist<br />
jetzt luftdicht verschlossen, ohne die<br />
Löschi würde das Holz verbrennen,<br />
lodern statt glimmen, Asche statt<br />
Kohle. Zuoberst auf dem Meiler<br />
stehend, leert Wicki jetzt glühende<br />
Kohle ins Fülliloch – das Köhlern<br />
beginnt.<br />
Tanz auf dem Vulkan. Wicki steht<br />
auf dem Kohlenmeiler und<br />
stampft die Löschischicht, damit<br />
keine Hohlräume entstehen.<br />
VIEL WALD – VIEL KOHLE<br />
Jahrhundertelang machten die Menschen<br />
im Entlebuch Kohle. Abnehmer<br />
waren Schmiede aller Art, denn<br />
wer Eisen, Gold oder Kupfer heiss<br />
bearbeiten will, braucht so hohe<br />
Markus Wicki belegt den Holzhaufen<br />
mit Tannenreisig, sein Vater<br />
Hermann (links) hilft mit. Hinten<br />
schwelt ein Meiler vor sich hin.<br />
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«Köhlern ist ein hartes und sehr<br />
dreckiges Handwerk»<br />
Zwei Wochen lang raucht der<br />
Köhlerhaufen vor sich hin: Wo<br />
es zu wenig glimmt, sticht man<br />
Luftlöcher in die Löschischicht.<br />
Wo es brennen will, müssen<br />
die Löcher verschlossen werden.<br />
Temperaturen, wie sie nur mit Kohle<br />
erzielt werden. Im Napf steht viel<br />
Wald, doch das Gebiet ist so unwegsam<br />
und unerschlossen, dass geschlagenes<br />
Holz früher nicht wegtransportiert<br />
werden konnte, sondern an<br />
Ort und Stelle verarbeitet wurde –<br />
zu Holzkohle. Über 200 alte Köhlerplätze<br />
sind in der Region bekannt.<br />
RUSSVERSCHMIERT NACH BERN<br />
Der Köhler, der schwarze Mann,<br />
der im Wald lebende Sonderling,<br />
war stets auch eine Gestalt, welche<br />
die Fantasie anregte, Märchenerzähler<br />
inspirierte und Räubergeschichten<br />
nährte. Doch selbst<br />
Könige erkannten, wie wichtig<br />
Köhler waren, dank deren Kohle<br />
man Waffen schmieden konnte.<br />
Und so waren in deutschen Landen<br />
die Köhler früher die einzigen<br />
Berufsleute, die beim Besuch des<br />
Königs ihr Gesicht nicht waschen<br />
mussten. «Eine gute Idee», meint<br />
Wicki, «vielleicht sollte ich auch mal<br />
russverschmiert nach Bern gehen<br />
und bei den Bundesräten auf den<br />
Tisch klopfen!» Es folgt eine Ausführung<br />
über einen Bundesrat mit<br />
Doppelnamen, der für Geld und<br />
Zukunft der Bauern zuständig ist.<br />
Denn eigentlich ist Wicki Bauer, er<br />
betreibt eine Kälbermast, erzielt mit<br />
dem Köhlern aber über die Hälfte<br />
seines Einkommens. Dabei sah es<br />
mal schlecht aus für das alte Handwerk:<br />
Als die Industrie (die Napf-<br />
Köhler belieferten von Moos Stahl<br />
in Emmenbrücke) ihre Hochöfen<br />
immer mehr mit Öl, Gas und Strom<br />
heiz te, brach die Holzkohle-Pro duktion<br />
im Entlebuch ein. Die Köhler<br />
sahen für ihre Zukunft schwarz.<br />
heutiger CEO der Firma, verkauft<br />
jährlich 17 000 Sechs-Kilo-Säcke<br />
Napfkohle (à Fr. 12.90). «Wir<br />
könnten gar die doppelte Menge<br />
verkaufen», sagt er. «Sie ist ein<br />
reines Naturprodukt, ausschliesslich<br />
im Meiler produziert»; ausländische<br />
Holzkohlen seien oftm<strong>als</strong> Retortenprodukte.<br />
«Romooser Grill-Holzkohle»<br />
steht auf jedem der braunen<br />
Papiersäcke, darunter der Stempel<br />
«Echt Entlebuch».<br />
TAG UND NACHT AM STAMPFEN<br />
Mittlerweile schwelt Wickis Kohleberg<br />
seit vierzehn Tagen. Die Kunst<br />
ist, den Meiler gleichmässig kohlen<br />
zu lassen. Glut, Feuchte, Temperatur<br />
und Durchzug müssen stimmen.<br />
Wo es zu wenig glimmt, sticht Wicki<br />
Luftlöcher in den Löschimantel,<br />
wo es abfackeln will, verschliesst<br />
er die Löcher wieder. Und alle paar<br />
Stunden steigt er auf den Kohlehaufen<br />
und stampft die Löschi,<br />
damit keine Hohlräume entstehen.<br />
Rund um die Uhr wird der Meiler<br />
umsorgt, darum nächtigt Wicki<br />
in einem Bauwagen neben dem<br />
Haufen. Alle zwei Stunden lässt<br />
er sich vom Wecker wachrasseln<br />
und schaut zum Rechten. Nach<br />
zwei Wochen ist der Meiler durchgekohlt,<br />
wird mit Folie bedeckt,<br />
kühlt vier Wochen aus. Dann wird<br />
das «schwarze Gold» herausgeschaufelt.<br />
Pro Jahr produziert Wicki<br />
zwanzig Tonnen Holzkohle. Gern<br />
würde er mehr machen, doch ohne<br />
Hilfe sei das nicht zu schaffen.<br />
«Und wer will heute noch Köhlern?»<br />
DIE ZUKUNFT<br />
Drei Töchter hat Wicki, Stefanie, 19,<br />
Tanja, 11, und Ilona, 9. Künftige<br />
Köhlerinnen? Die Mädchen haben<br />
andere Pläne. Köhlern sei ein hartes<br />
Handwerk, «und ein dreckiges»,<br />
betont Wicki, schnäuzt Russ und<br />
rubbelt sich die harz verklebten<br />
Unterarme. «Jänu, isch haut eso»,<br />
er sei wohl der Letzte hier auf dem<br />
Drachslis-Hof, der «Houzchole»<br />
brenne, meint er und pustet sich<br />
Kohlestaub aus dem Schnauz.<br />
Immerhin lasse ihn das Köhlern<br />
jung aussehen, «mein Schnauz<br />
wäre eigentlich grau», frotzelt er,<br />
«glänzt aber dank der Arbeit rabenschwarz».<br />
Er grinst, jetzt verkohlt<br />
er uns! Dem sagt man dann wohl<br />
schwarzer Humor. C<br />
Alle zwei Stunden, auch nachts,<br />
kontrolliert Wicki seinen Köhlerhaufen.<br />
In einem alten Bauwagen<br />
gleich neben dem Meiler hat er<br />
sich eine Schlafstatt eingerichtet.<br />
DER RETTER OTTO INEICHEN<br />
Dann kam Otto Ineichen. 1986 wars,<br />
<strong>als</strong> der mittlerweile verstorbene<br />
Unternehmer (Otto’s) und Nationalrat<br />
den Köhlern vorschlug, statt<br />
Industrie- künftig Grill-Holzkohle<br />
zu machen. Von da an gings wieder<br />
aufwärts. Ineichens Sohn Mark,<br />
Wie ein riesiger, «bränntelnder»<br />
Mohrenkopf. Markus Wicki<br />
besprengt die Löschischicht des<br />
Meilers mit Wasser.<br />
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