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«Ans Aufgeben habe ich nie gedacht»

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Seite 20 Zu guter LetZt Bodensee Nachr<strong>ich</strong>ten, 28. Juni 2013<br />

«Ich durfte eine Türe spielen»<br />

WALZENHAUSEN Muriel Wernli aus dem Appenzellerland ist Clownfrau<br />

Die gebürtige Belgierin Muriel<br />

Wernli aus Walzenhausen ist<br />

diplomierte Schauspielerin für<br />

Clown und Comedy und eine<br />

Lebenskünstlerin, die s<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t so schnell unterkriegen<br />

lässt von der Welt –ein Porträt.<br />

Nachdenkl<strong>ich</strong> blickt Muriel Wernli<br />

aus dem Fenster, greift schliessl<strong>ich</strong><br />

zur Kaffeetasse, die dampfend<br />

auf dem Holztisch steht und nimmt<br />

einen kleinen Schluck. Sachte, mit<br />

leisem «pling» stellt sie die Tasse<br />

auf dem Unterteller ab. «Ich <strong>habe</strong><br />

im Leben viel Schönes erlebt, aber<br />

es gab auch Schicksalsschläge, die<br />

m<strong>ich</strong> prägten. Ich <strong>habe</strong> dabei gelernt,<br />

den Kopf n<strong>ich</strong>t hängen zu lassen»,<br />

sagt Muriel und lächelt.<br />

«Alles was <strong>ich</strong> <strong>habe</strong>,<br />

ist meine Zukunft»<br />

Sie scheint eine starke Frau zu sein,<br />

die schon einiges erlebt hat –auch<br />

vieles, was schmerzl<strong>ich</strong> war. Doch<br />

sie strahlt eine Zuvers<strong>ich</strong>t aus, die<br />

jedem das Gefühl gibt, dass es s<strong>ich</strong><br />

immer lohnt, in die Zukunft zu blicken.<br />

«Alles was <strong>ich</strong> <strong>habe</strong>, ist meine<br />

Zukunft. Ich sollte mir keine Gedanken<br />

über die Vergangenheit<br />

machen, denn die kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

mehr ändern. Die Zukunft allerdings<br />

liegt in meinen Händen», sagt<br />

Muriel. Die 56-jährige ist in Belgien<br />

aufgewachsen. Den grössten Teil<br />

ihrer Kindheit, bis sie 14 Jahre alt<br />

war, hat sie im Kinderheim in einem<br />

Kloster verbracht. In Belgien<br />

hat Muriel eine Pflegerinnenausbildung<br />

gemacht und schliessl<strong>ich</strong>,<br />

mit 21 Jahren, entschloss sie s<strong>ich</strong>,<br />

der Liebe wegen in die Schweiz zu<br />

ziehen.<br />

Bild: sr<br />

Muriel sagt, dass das Clown-Sein, sie über<br />

Wasser gehalten hat.<br />

«Das geht doch n<strong>ich</strong>t»<br />

Nach der Ausbildung ihrer Kinder<br />

entschloss sie s<strong>ich</strong>, ihre Leidenschaft<br />

professionell zu erlernen.<br />

«Ich <strong>habe</strong> in Konstanz die Akademie<br />

für Clown, Comedy und<br />

Schauspielerei besucht. Zuerst <strong>habe</strong><br />

<strong>ich</strong> gedacht, es geht doch n<strong>ich</strong>t,<br />

mit 50 Jahren noch eine Ausbildung<br />

zu machen, aber mein Mann<br />

hat m<strong>ich</strong> sehr stark dazu ermutigt.<br />

Heute bin <strong>ich</strong> froh, den Schritt<br />

gewagt zu <strong>habe</strong>n», erzählt Muriel<br />

und erklärt weiter: «Als <strong>ich</strong> vier<br />

Jahre alt war, bin <strong>ich</strong> ins Kloster gekommen,<br />

welches eine Art Waisenhaus<br />

war. Erschwerend kam<br />

hinzu, dass <strong>ich</strong> die Sprache n<strong>ich</strong>t<br />

beherrschte. Meine Muttersprache<br />

ist französisch, das Kloster war ein<br />

flämisches in einer Provinz in Belgien.<br />

Ich war sehr unglückl<strong>ich</strong>.»<br />

«Theater spielen hat<br />

m<strong>ich</strong> über Wasser gehalten»<br />

Doch schon als Kind fand Muriel,<br />

dass sie etwas machen müsse, um<br />

n<strong>ich</strong>t traurig zu bleiben. Jeweils am<br />

Wochenende wurde zusammen mit<br />

den Kindern Theater gespielt. So<br />

entdeckte sie mit vier Jahren bereits<br />

die Faszination Theater und<br />

Schauspiel. «Anfangs, als <strong>ich</strong> die<br />

Sprache noch n<strong>ich</strong>t beherrscht <strong>habe</strong>,<br />

konnte <strong>ich</strong> schweigende Rollen<br />

übernehmen. So durfte <strong>ich</strong> in<br />

meinem ersten Stück eine Türe<br />

spielen», erzählt Muriel lachend.<br />

Später konnte sie dann immer<br />

w<strong>ich</strong>tigere Rollen in den Stücken<br />

übernehmen. «Ich denke es war<br />

sehr w<strong>ich</strong>tig für m<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> in<br />

diesem Heim Theater und Sketche<br />

spielen konnte –eshat m<strong>ich</strong><br />

über Wasser gehalten und mir die<br />

nötige Energie gegeben, weiterzuleben»,<br />

so die Clownfrau aus Walzenhausen.<br />

«Sie musste ihre Welt für s<strong>ich</strong><br />

wieder neu aufbauen»<br />

Das Rollen spielen als Anker in Muriels<br />

Leben: Nach ihrer Scheidung<br />

musste Muriels Mutter s<strong>ich</strong> entscheiden:<br />

entweder die Kinder oder<br />

die Ausbildung. Sie entschied s<strong>ich</strong><br />

für letzteres und die Kinder kamen<br />

ins Heim. «Ich <strong>habe</strong> meine<br />

Mutter und mein Umfeld natürl<strong>ich</strong><br />

sehr vermisst. Im Kloster <strong>habe</strong> <strong>ich</strong><br />

kaum Besuch gehabt. Aber heute<br />

denke <strong>ich</strong>, dass meine Mutter die<br />

beste Entscheidung getroffen hat.<br />

Sie musste ihre Welt für s<strong>ich</strong> wieder<br />

neu aufbauen. Und wenn <strong>ich</strong><br />

so darüber nachdenke, war es für<br />

m<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t auch gar n<strong>ich</strong>t so<br />

schlecht», so Muriel. Sie sagt, das<br />

alles <strong>habe</strong> sie zu dem Menschen gemacht,<br />

der sie heute ist. «Die Umstände<br />

<strong>habe</strong>n m<strong>ich</strong> oft zur Einzelkämpferin<br />

gemacht, aber heute beziehe<br />

<strong>ich</strong> mein Umfeld gerne in<br />

mein Leben ein, so Muriel.<br />

«Es steckt viel von<br />

mir in diesem Stück»<br />

Nach dem Abschluss an der Akademie<br />

für Clown und Comedy war<br />

Muriel «Gesundheitsclown» und<br />

«Diplomierte Schauspielerin für<br />

Clown und Comedy». Das heisst,<br />

dass sie in Alters- und Behindertenheimen<br />

die Bewohnerinnen und<br />

Bewohner zum Lachen bringt und<br />

sie dabei für eine kurze Zeit ihre<br />

Sorgen vergessen lässt. Muriel, die<br />

Clownfrau aus dem Appenzellerland,<br />

hat auch ein eigenes Stück geschrieben,welches<br />

sie auf Kleinbühnen<br />

aufführt. Es heisst «Fluffie»undwiderspiegeltwohlsehrviel<br />

von ihrer Person. Es ist ein melodramatisches<br />

Clowntheater. «Erst<br />

nachdem <strong>ich</strong> das Stück fertig geschrieben<br />

hatte, merkte <strong>ich</strong>, wie<br />

viel von mir darin steckt. Genau<br />

deshalb ist es so authentisch», so<br />

Muriel. Sie tritt nebst Altersheimen,<br />

auch an Firmenanlässen und<br />

sogar in der Kirche auf. «Das<br />

Schönste an meinem Beruf finde<br />

<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> den Leuten etwas geben<br />

kann. Ich kann sie zum Lachen<br />

bringen und von ihren Sorgen<br />

und Ängsten ablenken. Ausserdem<br />

erlebe <strong>ich</strong> im Altersheim<br />

oft, dass die Leute einen wirkl<strong>ich</strong><br />

grandiosen Humor <strong>habe</strong>n», erzählt<br />

sie. Es sei stets ein Geben und<br />

Nehmen, wenn sie vor Publikum<br />

auftritt. Es täte ihr gut und sie sei<br />

im Leben am r<strong>ich</strong>tigen Fleck angekommen.<br />

Die Clownfrau hofft<br />

natürl<strong>ich</strong>, dass sie noch einige Jahre<br />

weiter das machen kann, was sie<br />

am meisten liebt: die Leute zum<br />

Lachen zu bringen und zu schauspielern.<br />

Muriel legt die Hände auf<br />

den Tisch, der Kaffee ist inzwischen<br />

leer.Sie blickt aus dem Fenster.<br />

Dann lächelt sie.<br />

Stefa<strong>nie</strong> Rohner<br />

Was<strong>ich</strong> noch zu<br />

sagen hätte:<br />

Lach doch mal!<br />

In dieser Woche <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> zum ersten<br />

Mal eine Clownfrau getroffen<br />

(siehe Artikel links). Während des<br />

Gespräches kam hervor, dass<br />

Clowns n<strong>ich</strong>t immer lustig sind.<br />

Logisch. Aber im Dialog betonte<br />

Muriel Wernli, wie notwendig es<br />

doch ist, den Kopf n<strong>ich</strong>t hängenzulassen<br />

und dass Lachen etwas<br />

sehr W<strong>ich</strong>tiges ist. Wie recht sie<br />

doch hat, zumal man bedenkt,<br />

dass das Leben hin und wieder<br />

Grund zum Weinen gibt. Ich <strong>habe</strong><br />

mir Gedanken gemacht, in<br />

welchen Situationen <strong>ich</strong> zum<br />

letzten Mal überraschend zum<br />

Lachen gebracht wurde und stellte<br />

fest, dass es gar n<strong>ich</strong>t so lange<br />

her ist. Vergangenes Wochenende<br />

war <strong>ich</strong> in München, <strong>habe</strong> einen<br />

Freund getroffen und Lesungen<br />

besucht. Am Sonntag ging<br />

es wieder zurück und <strong>ich</strong> war<br />

traurig darüber, weil das Wochenende<br />

grandios war. Ich suchte<br />

das Gleis und war verstimmt<br />

Das Wetter wird Ihnen präsentiert von:<br />

Bodensee Nachr<strong>ich</strong>ten<br />

Vorhersage<br />

Am Samstag auffrischender<br />

Westwind und es kommen neue<br />

Regenwolken herein. Am Sonntag<br />

zunächst noch bewölkt, im<br />

Laufe des Tages bessert s<strong>ich</strong><br />

aber unser Wetter und der Montag<br />

dürfte dann zieml<strong>ich</strong> sonnig<br />

verlaufen. Erwärmung.<br />

Biowetter<br />

Die Neigung zu Kopfschmerzen,<br />

innerer Unruhe und Nervosität<br />

ist vor allem am Samstag<br />

zeitweise erhöht. Bewegung<br />

im Freien hilft das körperl<strong>ich</strong>e<br />

Wohlbefinden zu verbessern. Am<br />

Sonntag lassen die Beschwerden<br />

insgesamt nach und der<br />

Kreislauf wird angeregt.<br />

Bauernregel<br />

Peter und Paul (29.6.) hell und klar<br />

bringt ein gutes Jahr.<br />

Sonne: Auf- und Untergang<br />

5:30 Uhr 21:28 Uhr<br />

Neumond: 08.07.2013<br />

0:18 Uhr 12:58 Uhr<br />

16°<br />

12°<br />

Bergwetter<br />

15°<br />

10°<br />

4000 m -8°<br />

3000 m -2°<br />

2000 m 3°<br />

1000 m 12°<br />

ob der Tatsache, wieder zurück<br />

zu müssen. Jedenfalls traf <strong>ich</strong> da<br />

zwei Jungs, die auf der Suche nach<br />

einer Zigarette waren.<br />

In schweizerischem Hochdeutsch<br />

quatschten sie m<strong>ich</strong> an<br />

und wir kamen ins Gespräch.<br />

Auch sie hatten das Wochenende<br />

in München verbracht und mussten<br />

nun nach Landquart zurück.<br />

Im Zug sassen noch vier weitere<br />

Freunde von den beiden. Erst war<br />

<strong>ich</strong> ein bisschen genervt, über die<br />

spontane, laute Gesellschaft, da<br />

die Herren ein wenig betrunken<br />

waren und <strong>ich</strong> eigentl<strong>ich</strong> meine<br />

Ruhe <strong>habe</strong>n wollte. Aber schliessl<strong>ich</strong><br />

war <strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig froh, solche<br />

Wegbegleiter zu <strong>habe</strong>n, die es<br />

doch immer wieder schafften,<br />

m<strong>ich</strong> mit ihren Faxen zum Lachen<br />

zu bringen. Ansonsten hätte<br />

<strong>ich</strong> wahrscheinl<strong>ich</strong> eine etwas<br />

triste Zugfahrt gehabt.<br />

Stefa<strong>nie</strong> Rohner<br />

Sonntag<br />

19°<br />

12°<br />

Montag<br />

22°<br />

10°<br />

17°<br />

11°<br />

14°<br />

9°<br />

ODo26<br />

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