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«Ans Aufgeben habe ich nie gedacht»

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Bodensee Nachr<strong>ich</strong>ten, 28. Juni 2013 RepoRtage Seite 15<br />

Obstbäume spenden<br />

REGION Das Projekt «Gartengold» wurde von zwei HSG-Studenten entworfen und fördert die Zusammenarbeit mit beeinträchtigten Menschen<br />

Mit dem Projekt «Gartengold»<br />

möchten zwei engagierte HSG-<br />

Studenten aus St. Gallen, mit<br />

natürl<strong>ich</strong>en Ressourcen der<br />

regionalen Gärten Säfte herstellen<br />

und dabei die Zusammenarbeit<br />

mit benachteiligten<br />

Menschen und Mensch mit Behinderung<br />

fördern.<br />

Das Ziel ist es aus vermeintl<strong>ich</strong><br />

überflüssigen Obstbeständen einzigartige<br />

Säfte zu produzieren, Arbeitsplätze<br />

für Menschen mit Behinderung<br />

zu schaffen sowie das.<br />

Landschaftsbild vor Rodungen und<br />

Zerfall zu bewahren. Mit diesem<br />

Projekt möchten Albert Gebhard<br />

und Leonard Wilhelmi Menschen<br />

mit körperl<strong>ich</strong>er oder geistiger Beeinträchtigung<br />

sowie Menschen<br />

denen ein unvergle<strong>ich</strong>bares<br />

Schicksal widerfahren ist eine persönl<strong>ich</strong>keitsfördernde<br />

und inspirierende<br />

Arbeit in der Natur vermitteln.<br />

Gartengold möchte somit<br />

n<strong>ich</strong>t nur als sozial-pädagogisches<br />

Vorbildprojekt angesehen werden,<br />

sondern ferner das Umweltbewusstsein<br />

der Menschen in der Region<br />

schärfen. Dabei möchte man<br />

auf die zunehmende Rodung der<br />

Landschaft sowie dem Überfluss<br />

und der Verschwendung von Lebensmitteln<br />

in der heutigen Gesellschaft<br />

hinweisen. Produkte aus<br />

der Region sollen auch weiterhin<br />

wahrgenommen werden und die<br />

Einbindung von Menschen spr<strong>ich</strong><br />

«Baumspender», die eben in dieser<br />

Region leben, sollen dazu beitragen.<br />

Aus welchen Gründen entstand<br />

das Projekt «Gartengold»?<br />

Albert Gebhardt und Leonard<br />

Wilhelmi: Gartengold ist weniger<br />

ein lang geplantes Projekt, sondernwarzunächstehereineschwer<br />

greifbare Idee, die s<strong>ich</strong> im Laufe der<br />

Zeit entwickelt hat. Durch unsere<br />

Joggingrunden in der Stadt St.Gallen<br />

ist uns im vergangenen Herbst<br />

die Vielzahl an Obstbäumen aufgefallen,<br />

die wir auf unserer Tour<br />

passierten. Im Laufe der Zeit und<br />

anges<strong>ich</strong>ts der zunehmend kalten<br />

Temperaturen <strong>habe</strong>n wir uns gefragt,<br />

inwiefern dieses Obst, meist<br />

Äpfel, verwendet wird. Zu unserer<br />

Überraschung mussten wir bei dem<br />

ersten Schneefall feststellen, dass<br />

die Obstbäume meist noch Früchte<br />

getragen <strong>habe</strong>n oder diese um<br />

den Baum herum lagen. Viele Äpfel<br />

sind dem Schnee und den kalten<br />

Temperaturen zum Opfer gefallen.<br />

Dies war für uns der erste<br />

Anlass s<strong>ich</strong> mit dieser Thematik intensiver<br />

zu beschäftigen. So stellten<br />

wir uns die Frage, welchen Nutzen<br />

diese vermeintl<strong>ich</strong> überflüssigen<br />

Äpfel <strong>habe</strong>n und in welcher<br />

Form können diese verwendet<br />

werden. Bei unserer Recherche<br />

sind wir auf einige bereits durchgeführte<br />

Aktionen in Österre<strong>ich</strong><br />

wie auch in Deutschland gestossen,<br />

die Obst n<strong>ich</strong>t nur als Naturprodukt,<br />

sondern auch als wertvolle<br />

Ressource angesehen <strong>habe</strong>n.<br />

Diese meist einmalig durchgeführten<br />

Aktionen hatten ebenn<strong>ich</strong>t<br />

nur die Natur, sondern auch den<br />

Menschen im Fokus. Dies war für<br />

uns der notwendige Input bzw. die<br />

Eingebung, um n<strong>ich</strong>t nur ungenutzte<br />

Naturprodukte sinnvoll zu<br />

Werden auch Sie Baumspender und unterstützen damit Menschen mit körperl<strong>ich</strong>er oder geistiger Beeinträchtigung.<br />

verwerten, sondern s<strong>ich</strong> gle<strong>ich</strong>zeitig<br />

dem sozialen Unternehmertum<br />

zu widmen. Kurz darauf,<br />

das war im Januar diesen Jahres,<br />

entstand der Name Gartengold.<br />

Welches waren die Grundgedanken<br />

für das Projekt?<br />

Unsere Vorstellung ist diejenige,<br />

dass wir mit Hilfe benachteiligter<br />

Menschen und Menschen mit Behinderung<br />

das ungenutzte Potenzial<br />

der Ostschweizer Gärten und<br />

Wiesen in der Ostschweiz wiederbeleben<br />

möchten, um einmalige<br />

Produkte mit einer Gesch<strong>ich</strong>te zu<br />

schaffen. Zum einen entspr<strong>ich</strong>t das<br />

Projekt dem Zeitgeist des sozialen<br />

Unternehmertums und eben n<strong>ich</strong>t<br />

in einem weiteren Internet-Startup<br />

und impliziert zugle<strong>ich</strong> verschiedene<br />

Werte wie die Integration<br />

von Mitmenschen, insbesondere<br />

jungen Menschen, in die Arbeitswelt<br />

um Ihnen gle<strong>ich</strong>zeitig<br />

Spass an der Arbeit in der freien<br />

Natur zu vermitteln. Weiter setzen<br />

wir uns soweit mögl<strong>ich</strong> für den Erhalt<br />

von alten Obstbäumen ein und<br />

versuchen das Landschaftsbild der<br />

Ostschweiz vor zunehmender Rodung<br />

aufgrund mangelnder Baumpflege<br />

zu bewahren. Das wir n<strong>ich</strong>t<br />

nur einen qualitativ hochwertigen<br />

Apfelsaft «Frisch ab Presse» produzieren<br />

möchten, sondern bei der<br />

Produktion und Herstellung des<br />

Saftes Mitmenschen aus der Region<br />

in das Produkt integrieren, ist<br />

uns ein weiteres Anliegen. So werden<br />

derzeit beispielsweise die Etiketten<br />

für unsere Flaschen von einer<br />

Künstlerin aus St.Gallen entworfen<br />

und auch das Pressen und<br />

Abfüllen findet in einer kleinen<br />

Mosterei vor Ort statt. Unser Leitgedanke<br />

ist Wertschätzung durch<br />

Wertschöpfung zu kommunizieren.<br />

Warum habt ihr euch für ein<br />

Projekt entschieden, dass beeinträchtigte<br />

Menschen unterstützt?<br />

Nachdem die Idee geboren war,<br />

hatten wir unterschiedl<strong>ich</strong>e Konzepte<br />

verfolgt, die alle die gemeinsame<br />

Zielsetzung hatten, den<br />

maximalen Nutzen aus den n<strong>ich</strong>t<br />

verwendeten Obstbäumen zu generieren.<br />

Zu diesem Zeitpunkt hatten<br />

wir bereits Kontakt zu unterschiedl<strong>ich</strong>en<br />

sozialen Institutionen<br />

aufgenommen mit denen wir<br />

das Projekt objektiv analysiert <strong>habe</strong>n.<br />

Trotz einiger Bedenken hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />

der Umsetzbarkeit und<br />

Tragfähigkeit unserer Ideen, konnten<br />

wir aus den Gesprächen einen<br />

klaren Konsensus heraushören,<br />

auch einen sozialen Aspekt in die<br />

Idee mit einfliessen zu lassen. Die<br />

Unterstützung von benachteiligten<br />

Menschen und Menschen mit<br />

Behinderung war für uns die logische<br />

Schlussfolgerung, um n<strong>ich</strong>t<br />

nur irgendein weiteres Produkt<br />

herzustellen, sondern ein Projekt<br />

aufzubauen, dass verschiedenste<br />

Wertvorstellungen, die teilweise in<br />

der heutigen Gesellschaft vernachlässigt<br />

werden, vereint.<br />

Wie viele Obstbäume wurden bereits<br />

gespendet?<br />

Derzeit <strong>habe</strong>n wir rund 165 Apfelbaum-Spenden<br />

registriert. Wir<br />

freuen uns natürl<strong>ich</strong> über jede weitere<br />

Spende, denn je mehr Baumspender<br />

wir für das Projekt gewinnen<br />

können, desto grösseren<br />

Mehrwert können wir aus dem Projekt<br />

ableiten.<br />

Wie viele Liter Obstsaft werden<br />

daraus produziert?<br />

Derzeit müssen wir noch abwarten<br />

wie das Klima über den Sommer<br />

hinweg die Ernte beeinflussen<br />

wird. Die Blütezeit im Frühling<br />

war vielversprechend. Es werden<br />

vorauss<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t all unsere<br />

gespendeten Bäume in diesem<br />

Jahr Äpfel tragen. Eine zu produzierende<br />

Obergrenze <strong>habe</strong>n wir<br />

n<strong>ich</strong>t festgelegt. Dies hängt von der<br />

Anzahl der Spenden ab. Wir versuchen<br />

sämtl<strong>ich</strong>e Äpfel zu ernten<br />

und zu verarbeiten.<br />

Bild: fotolia.com<br />

Werden diese Säfte verkauft?<br />

In diesem Jahr bieten wir einen naturtrüben<br />

Apfelsaft «Frisch ab<br />

Presse» an. Einen 100% Direktsaft,<br />

er ledigl<strong>ich</strong> durch Pasteurisieren<br />

haltbar gemacht wird. Die Besonderheit<br />

des Saftes besteht darin,<br />

dass wir einen sehr hohen Mix, ja<br />

eine Art Melange, an unterschiedl<strong>ich</strong>en<br />

–vor allem alten –Apfelsorten<br />

in unserem Bestand <strong>habe</strong>n.<br />

Dies wirkt s<strong>ich</strong> positiv auf den Geschmack<br />

und die Qualität unseres<br />

Gartengold-Saftes aus. Den Grossteil<br />

des Saftes werden wir direkt an<br />

Kunden verkaufen. Mit einem einfachen<br />

Bestellformular kann der<br />

Saft entweder auf unserer Webseite<br />

www.gartengold.ch oder auch<br />

einfach per Telefon bei uns bestellt<br />

werden. Wir gehen davon aus,<br />

dass wir ab Mitte September unseren<br />

Saft liefern können. Neben<br />

privaten Anfragen, konnten wir<br />

auch einige Gastronomiebetriebe<br />

als Interessenten ansprechen.<br />

Auch Unternehmen <strong>habe</strong>n Ihr Interesse<br />

an dem Saft gezeigt, welchen<br />

wir in kleinen und grossen<br />

Glasflaschen sowie in Bag-in-Boxen<br />

anbieten werden.<br />

Was passiert mit dem erwirtschafteten<br />

Ertrag?<br />

Der erwirtschaftete Ertrag des Saftes<br />

wird zunächst für die Kostendeckung<br />

verwendet. Hierbei steht<br />

die Bezahlung unserer Teams im<br />

Zentrum des Geschehens. Somit<br />

können s<strong>ich</strong> unsere Teams n<strong>ich</strong>t<br />

nur über eine finanzielle Belohnung<br />

freuen, sondern s<strong>ich</strong> gle<strong>ich</strong>zeitig<br />

auch als Teil eines einzigartigen<br />

Apfelsaftes identifizieren. Für<br />

die Überschüsse <strong>habe</strong>n wir bereits<br />

vordefi<strong>nie</strong>rte Investitionen vorgesehen,<br />

die wir benötigen, um das<br />

Projekt weiter voranzutreiben. Das<br />

Geld kommt somit dem auf langfristig<br />

ausgelegtem Projekt zu gute.<br />

Unser mittelfristiges Ziel ist es,<br />

weitere Säfte in das Sortiment aufzunehmen<br />

und auch andere Regionen<br />

mit Potenzial in dieses Projekt<br />

zu integrieren.<br />

Wie geht Ihr vor, wenn s<strong>ich</strong> ein<br />

Obstbaumspender meldet?<br />

Baumspender können s<strong>ich</strong> direkt<br />

bei uns anmelden. Wir rufen diese<br />

dann zeitnah zurück und fordern<br />

ein paar Grundinformationen wie,<br />

Anzahl Bäume, Zustand, Sorte, Beschaffenheit<br />

der Umgebung. Diese<br />

Informationen benötigen wir, um<br />

den wachsenden Bestand besser<br />

kontrollieren zu können. Kurz vor<br />

der Erntephase rufen wir den<br />

Baumspender an und vereinbaren<br />

einen Termin für die Ernte. Unser<br />

Ziel ist es vor, während und auch<br />

nach der Erntezeit den Kontakt zu<br />

unseren Spendern zu pflegen.<br />

Bei welchen Arbeiten werden die<br />

beeinträchtigten Personen mit<br />

einbezogen?<br />

In diesem Jahr werden unsere<br />

Teams vornehml<strong>ich</strong> mit der Ernte<br />

beschäftigt sein. Unsere Vision bestehtjedochdarin,Mitarbeiterüber<br />

as ganze Jahr hinweg in das Projekt<br />

einzubinden. Somit planen wir<br />

den Service «Gartenpflege» in Zukunft<br />

anzubieten. Des Weiteren erarbeiten<br />

wir derzeit ein Konzept,<br />

Holz-Harras für den Transport unserer<br />

Flaschen in Zusammenarbeit<br />

mit den Behindertenwerkstätten<br />

zu entwickeln.<br />

Lorena Baumgartner<br />

Leonard Wilhelmi.<br />

Albert Gebhardt.<br />

Informationen:<br />

Bild: z.V.g.<br />

Bild: z.V.g.<br />

So werden Sie Baumspender:<br />

Wenn Sie ihre Obstbäume n<strong>ich</strong>t<br />

mehr selber ablesen können<br />

oder wollen, wäre jetzt vielle<strong>ich</strong>t<br />

die Gelegenheit, ein soziales<br />

Projekt zu unterstützen.<br />

Schenken Sie den Ertrag der<br />

Obstbäume dem «Gartengold».<br />

Anmeldung unter: www.gartengold.ch

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