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04 | 13 1,80 ~Straßenmagazin für Münster und das Münsterland | 0,70 Euro für den Verkäufer | www.strassenmagazin-draussen.de Verkäuferbaby geboren | Klima: Die Erde wehrt sich | Eine jüdische Lebensgeschichte

<strong>04</strong> | <strong>13</strong><br />

1,<strong>80</strong><br />

~Straßenmagazin für Münster und das Münsterland | 0,70 Euro für den Verkäufer | www.strassenmagazin-draussen.de<br />

Verkäuferbaby geboren | Klima: Die Erde wehrt sich |<br />

Eine jüdische Lebensgeschichte


Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

die ~ beim Bundespräsidenten auf dem Tisch ist kein<br />

alltäglicher Anblick. Anlässlich eines Interviews, das der Chefredakteur<br />

des Berliner straßenfeger im Auftrag der sozialen<br />

Straßenzeitung in Deutschland mit Joachim Gauck führte,<br />

entstand das Foto von Seite 4. Das deutsche Staatsoberhaupt<br />

würdigte darin besonders die Straßenzeitungsverkäufer, die<br />

unter schwierigen Bedingungen die Ärmel hochkrempeln und<br />

sich für eine wirklich gute Botschaft engagieren, die lautet:<br />

„Schaut her, wir leiden nicht nur, sondern wir machen auch<br />

etwas.“ Es macht uns besonders froh, wenn unsere Leute von<br />

so prominenter Seite Anerkennung finden, denn dies entspricht<br />

genau den Zielen, die wir mit unserer Arbeit verfolgen.<br />

Das Thema Armut kommt zurzeit wieder verstärkt auf das Tapet.<br />

Der neu gewählte Papst Franziskus widmet sein Pontifikat<br />

programmatisch den Armen. Es scheint, als würde der Geist des<br />

fast vergessenen Katakombenpaktes aus dem Jahr 1965 wieder<br />

in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Damals trafen sich am<br />

Rande des Zweiten Vatikanums 40 Konzilsväter und formulierten<br />

Grundsätze für eine Kirche der Armen als Selbstverpflichtung. In<br />

der Folge schlossen sich weitere 500 Bischöfe aus aller Welt dem<br />

Pakt an. Wer diese Leitideen liest, der mag sie im Habitus des<br />

neuen katholischen Kirchenoberhauptes wiedererkennen. Die<br />

Armen dieser Welt erfahren dadurch eine Aufwertung, die der<br />

Amtskirche in meinen Augen gut zu Gesicht steht.<br />

Schließlich gab es in der letzten Zeit in Deutschland die Armutsberichte.<br />

Der Paritätische Wohlfahrtsverband veröffentlichte<br />

2012 seine Ergebnisse zur Armut in Deutschland, die Bundesregierung<br />

im März diesen Jahres ihren Bericht. Die Ergebnisse<br />

werden kontrovers diskutiert. Es geht um die Interpretation von<br />

Zahlenwerken, um Definitionen von Armut und Armutsgefährdung,<br />

um Armutsflüchtlinge und darum, ob die Schere zwischen<br />

Arm und Reich immer weiter auseinander geht. Wir, die wir<br />

mit Armut alltäglich zu tun haben, können den Zahlen Namen<br />

geben. Für uns bleiben die Menschen am wichtigsten.<br />

Carsten Scheiper<br />

Redakteur ~ e.V.<br />

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Unser Spendenkonto:<br />

Kto 34205427<br />

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Ihre Unterstützung ist Hilfe, die direkt ankommt.<br />

Jeder Euro wird sinnvoll und verantwortungsvoll genutzt, um Obdachlosen und<br />

schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen neue Chancen zur Verbesserung ihrer<br />

Lebenssituation zu bieten. Helfen Sie mit, es gibt vielfältige Möglichkeiten:<br />

• Kaufen und Weiterempfehlen der ~ ist die direkte Hilfe und steigert die<br />

Auflage der Zeitung. Preis: 1,<strong>80</strong> Euro.<br />

• Spenden sind wichtig für den Erhalt einzelner Projekte wie z.B. Löffelaktion,<br />

Ausflüge, Weihnachtsfeiern... Summe: beliebig (Kto 34205427, BLZ 40050150)<br />

• Spenden ermöglichen uns die Finanzierung von Voll- und Teilzeitstellen für<br />

Sozial- und Betreuungsarbeit. Summe: langfristig und beliebig.<br />

• Auch in besonderen Notlagen wie zum Beispiel Haft, Krankheit oder<br />

Sterbefall tragen ihre Spenden dazu bei diese Not zu lindern.<br />

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4<br />

Straßenfeger Berlin


Impressum<br />

Herausgeber<br />

„~“ e. V.<br />

Berliner Platz 8<br />

48143 Münster<br />

Redaktionsteam<br />

Juliane Büker<br />

Michael Heß<br />

Melanie Kemper<br />

Sabrina Kipp<br />

Jonas Lichtenstein<br />

Sigi Nasner<br />

Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />

Horst Gärtner<br />

Tel.: 0251 / 49 09 11 8<br />

redaktion@strassenmagazin-draussen.de<br />

Streetwork<br />

Sabrina Kipp<br />

s.kipp@strassenmagazin-draussen.de<br />

Internetseite<br />

www.strassenmagazin-draussen.de<br />

Administrator: Cyrus Tahbasian<br />

Texte<br />

Christine Dedeck, Lena Fiebig, Horst<br />

Gärtner, Doris Goez, Michael Heß, Markus<br />

Kipp, Sabrina Kipp, Bernd Mülbrecht,<br />

Annette Poethke, Carsten Scheiper,<br />

Manuel Schumann, Susanne Wasielewski<br />

Fotos<br />

Christine Dedeck, Doris Goez, Michael<br />

Heß, INSP / Straßenfeger Berlin, Andreas<br />

Löchte, Tobias Könneker, Anna Kopetsch,<br />

Sigi Nasner, Susanne Wasielewski<br />

Titelfoto<br />

Doris Goez<br />

Layout und Titelgestaltung<br />

Juliane Büker<br />

j.bueker@strassenmagazin-draussen.de<br />

Jonas Lichtenstein<br />

Gestaltungskonzept<br />

Lisa Schwarz/Christian Büning<br />

Druck<br />

Gutverlag Druck & Medien<br />

Auflage 7.000<br />

Unterstützt durch<br />

Siverdes-Stiftung<br />

Bankverbindung<br />

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BLZ 400 501 50<br />

Paten-Spenden-Konto<br />

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BLZ 400 501 50<br />

Wir danken allen Spendern!<br />

Artikel, die namentlich gekennzeichnet<br />

sind, geben nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion wieder.<br />

Bitte beachten Sie unsere<br />

Anzeigenkunden.<br />

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Inhalt<br />

Editorial<br />

Armut hat viele Namen<br />

Ungesunde Künstlichkeiten<br />

Auch in Münster ist Plastik- und Batterienmüll im Vormarsch<br />

Die Natur schlägt zurück<br />

„Mit einer Öko-Diktatur kämen wir nicht weiter“<br />

„Das Weinen ist schon lange vorbei“<br />

Ein Portrait von der jüdischen Münsteranerin Helge Loewenberg-Domp<br />

Meine Heimat im Dom<br />

Es kommt alles auf den Standpunkt an<br />

Löffelstarschnitt<br />

Jeder kann mitmachen!<br />

Keine Partei weniger?<br />

Das NPD-Verbot muss hohe Hürden nehmen<br />

Bildungsgerechtigkeit in NRW?<br />

Von wegen!<br />

„Die Welt ein Theater? Ja, auf jeden Fall!“<br />

Ein Interview mit der Leitung des Jungen Theaters Münster<br />

Aus alt mach Trend<br />

Neue Einzelstücke aus alten Klamotten<br />

Kurz und Knapp<br />

Freud und Leid liegen manchmal dicht beieinander<br />

Columne: ~ auf Cuba<br />

Taler vom Stern...<br />

Neues aus dem Familienrecht<br />

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Arbeitstag?<br />

Lesen<br />

Robert Krieg, Daniel Daemgen: „...und über uns kein Himmel“<br />

Rezepte<br />

Löffellamm mit Fladenbrot<br />

Schlussakkord<br />

Zwischenmenschliche Brückenschläge<br />

#<br />

5


Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />

Ungesunde Künstlichkeiten<br />

Auch in Münster ist Plastik- und Batterienmüll im Vormarsch<br />

C<br />

M<br />

Y<br />

CM<br />

MY<br />

CY<br />

CMY<br />

K<br />

Fast unbemerkt vollzieht sich vor unseren<br />

Augen eine Revolution, die der<br />

Verpackungen. Immer mehr Plastik dominiert<br />

in den Regalen, immer weniger<br />

natürliche Stoffe schützen die Waren.<br />

Natürlich hat auch diese Revolution<br />

längst damit begonnen, ihre Opfer zu<br />

fordern. Darüber und anderes mehr<br />

dachte ~-Redakteur Michael Heß<br />

unter anderem im hiesigen Recyclinghof<br />

nach.<br />

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Es ist eine Plage: der zunehmende Rückzug. Das Verpackungsgewicht wird<br />

Einsatz von Plastikverpackungen im niedriger, das Volumen dafür mehr. Auch<br />

Handel. Regale voll mit bunter Plaste als der Energieeinsatz für Herstellung und<br />

Verpackungsmedium für alle möglichen Entsorgung steht in keiner Relation zum<br />

Lebensmittel und Produkte. Oft genug kurzen Nutzen.<br />

sind diese dann noch zwei- oder dreifach<br />

unterverpackt. Andere Materialien befinden<br />

Tatsächlich spricht für die Verwendung<br />

sich ersichtlich auf dem Rückzug. von PET und anderen Thermoplasten<br />

Tetras oder gar Glasflaschen genießen einiges: das geringe Gewicht, die chemische<br />

außerhalb der Wein- und Getränkeregale<br />

Beständigkeit, die günstigen Kosten,<br />

bereits Minderheitenschutz. Tendenz: die Recyclingfähigkeit. Die gebrauchten<br />

MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pdPage 1 31.08.2009 14:29:31 Uhr<br />

weiter zurückgehend. Gäbe es für Verpackungen<br />

so etwas wie eine Rote Liste,<br />

fände sich dort heute so gut wie alles,<br />

was nicht aus Plaste oder Folie ist.<br />

Einer der unbestrittenen Stars der<br />

schönen neuen Plastikwelt ist PET. Das<br />

Kürzel steht für Polyethylterephtalat<br />

und macht sofort klar, mit Natur hat das<br />

Material nichts zu tun. Der zu den Thermoplasten<br />

zählende Kunststoff zeichnet<br />

sich durch eine hohe Bruchfestigkeit<br />

aus und wird zu Flaschen, Folien und<br />

Fasern (Polyester) verarbeitet. Flaschen<br />

sind der Hit. Flaschen für Säfte und<br />

Wasser, für Schorlen und sogar für Bier<br />

(wenngleich hier die Glasflasche heftigen<br />

Widerstand leistet). Oder die Folien und<br />

kleinen Beutel für Obst und Gemüse.<br />

Früher Naturdarm, Pergamentpapier,<br />

Holzcollies und Glas - heute Kunststoffe<br />

mit vertrackten, ja unaussprechlichen<br />

Namen. Noch das kleinste Fitzelchen<br />

Wurst und Käse ist heuer plastikversiegelt.<br />

Die Plastikwelt umgarnt uns immer<br />

mehr, doch im Grunde stört es uns nicht.<br />

“Ich habe einfach keine Lust mehr, die<br />

schweren Glasflaschen zu schleppen”,<br />

ätzt ein Bekannter auf mein schlechtes<br />

Gewissen. Was verständlich ist und doch<br />

befremdlich bleibt.<br />

Vordergründig könnte sogar Entwarnung<br />

gegeben werden. Zwar sank hierzulande<br />

der durchschnittliche Müllberg<br />

pro Nase von 1999 bis 2009 von 209 auf<br />

178 Kilogramm. Möglich machten es die<br />

neuen Müllstars wie Plastik. Glas, Metall,<br />

Keramik und so weiter sind auf dem<br />

Verpackungen werden zu winzigen Flocken<br />

geschreddert, eingeschmolzen und<br />

zu neuen Behältnissen gegossen. Für<br />

einen Teil verhält es sich so. Der andere,<br />

größere Teil wird jedoch zu einer echten<br />

Belastung für die Umwelt. Denn wie<br />

alles auf Erden hat auch diese Medaille<br />

eine dunkle Seite. Das in der Natur nicht<br />

vorkommende Material zersetzt sich<br />

äußerst langsam und wird selbst nach<br />

Jahrtausenden nicht chemisch abgebaut.<br />

Vielmehr versprödet es zu Myriaden<br />

winzigster Plastepartikel, die ihrerseits<br />

gleich Nanopartikeln weiter in die biologischen<br />

und chemischen Kreisläufe der<br />

Natur diffundieren. Niemand kann heute<br />

verlässliche Aussagen über die Folgen<br />

machen. Wenn es überhaupt so lange<br />

dauert mit dem Anrichten von Schaden.<br />

Die im Einzelfall sehr surreal wirkenden<br />

Auswirkungen des exzessiven Einsatzes<br />

von Plasten im westlichen Lebensstil<br />

kommen langsam ins Bewusstsein. Man<br />

mag den diversen Riesenstrudeln von<br />

Plastikmüll in den Ozeanen noch etwas<br />

Lustiges abgewinnen. Am bekanntesten<br />

dürfte der nordpazifische Strudel mit<br />

einer Fläche von mehreren Millionen<br />

Quadratkilometern sein. Flora und Fauna<br />

der betroffenen Gebiete werden jedoch<br />

schwer beeinträchtigt (siehe Infokasten).<br />

Mittlerweile schätzen Biologen die<br />

Menge des in den Meeren schwimmenden<br />

Plastikmülls auf das Sechsfache<br />

der Planktonmasse. Es gibt kaum noch<br />

ein Meeresgebiet, in dem nicht Abfall<br />

geschöpft werden kann. Und sei der Ort<br />

noch so entlegen in den Wasserwüsten<br />

der Ozeane.<br />

6


Noch schlechter schneiden in der<br />

Ökobilanz die 2011 verkauften etwa 1,5<br />

Milliarden Batterien und Knopfzellen<br />

mit einer Masse von 43.300 Tonnen<br />

ab. Immer mehr Anwendungsbereiche<br />

erobern sich die kleinen Kraftmeier. Ist<br />

der Einsatz in Radios und Uhren noch<br />

althergebracht, presst das Marketing der<br />

Produzenten immer neue Nutzungen in<br />

den Markt, deren Sinn sich auch nach<br />

längerem Nachdenken nicht erschließt.<br />

Seien es elektrische Zahnbürsten, mit<br />

Knopfzellen betriebene Kunstkerzen und<br />

anderer Nippes. Warum nicht das warme<br />

Licht einer echte Kerze - möchte man jeden<br />

Tag fragen. Oder die handbetriebene<br />

Zahnbürste, die beim Reinigungsakt nicht<br />

nur saubere Zähne schafft, sondern als<br />

Zusatznutzen noch einige Kalorien extra<br />

verbrennt? Und dann die Flut an Handys,<br />

an iPads und iPods, an Smartphones,<br />

Tablets und Konsorten. Alle brauchen<br />

sie eine umweltschädigend gefertigte<br />

Wind stecken wir unsere rot gefrorenen<br />

Nasen unter anderem in einen offenen,<br />

durch Metallplatten halbwegs abgegrenzten<br />

Container. Im Container stapelt<br />

sich sogenanntes Hartplastik, früher<br />

auch als Duroplast bekannt. “Das ist Teil<br />

eines 2012 begonnenen Versuchs zur gesonderten<br />

Erfassung”, erläutert Andreas<br />

Brügmann und schiebt nach: “Hartplastik<br />

gehört eigentlich nämlich nicht in den<br />

gelben Sack.” Wo es dennoch oft landet.<br />

Im letzten Jahr kamen 1<strong>80</strong> Tonnen<br />

zusammen. Aber was passiert mit dem<br />

Material weiter? “Wir machen nichts<br />

damit, wir erfassen den Abfall nur und<br />

leiten ihn an Entsorger wie Rethmann<br />

weiter”, präzisiert Brügmann. Ob es dafür<br />

Geld gibt, möchte ich weiter wissen. Beide<br />

AWM-Mitarbeiter lachen und stellen<br />

klar, dass es von den Entsorgern allenfalls<br />

eine geringe Gebühr zur Deckung der<br />

Kosten gebe. Das sei für alle Wertstoffe<br />

so, egal ob Altöl, Batterien, Plastik oder<br />

Tonnen solcher Batterien und Zellen<br />

im Jahr”, erläutert die AWM-Kollegin<br />

währenddessen. Hinzu kommen noch<br />

etwa 60 Tonnen Autobatterien. Wie die<br />

anderen Wertstoffe verbleiben sie nicht<br />

bei den AWM in der Eulerstraße. Das Batterierecycling<br />

erfolgt zumeist durch eine<br />

1998 gegründete Gesellschaft namens<br />

“Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem<br />

Batterien”, kurz GRS. Zur Stiftung gehören<br />

übrigens auch die kleinen grünen<br />

Sammelboxen, die in immer mehr Privathäusern<br />

zu finden sind. Hinter dem GRS<br />

(es gibt noch weitere Erfassungssysteme)<br />

stehen die Hersteller der kleinen Kraftpakete<br />

selbst. “Es ist so eine Art Grüner<br />

Punkt für Batterien”, bestätigt Monika<br />

Holtmann und weist außerdem auf die<br />

1998 erlassene Batterieverordnung als<br />

Hintergrund der GRS-Gründung hin.<br />

Ergänzt durch eine EU-Richtline 2006.<br />

Jährlich knappe 40.000 Tonnen sammelt<br />

das GRS in Deutschland heute ein und<br />

Knopfzelle aus teuren Rohstoffen und das<br />

wirft eine besonders interessante Frage<br />

auf.<br />

Nämlich: Wie viel Energie fließt in<br />

Herstellung und Entsorgung der kleinen<br />

Helferlein und wie viel Energie kann<br />

man aus ihnen ziehen? Die Antwort ist<br />

ernüchternd. Je nach Typ erfordert die<br />

Herstellung bis zu 500-mal mehr Energieeinsatz<br />

als die Nutzung hergibt. Bei<br />

der Masse der Produkte liegt der Faktor<br />

zwischen 60 und 100. Der Einsatz von<br />

Batterien ist die denkbar ineffektivste<br />

Form des Energiebezugs. Hinzu kommt<br />

die Tatsache, dass ausnahmslos alle<br />

(!) Batterien einen toxischen Mix aus<br />

Schwermetallen, Säuren und Laugen<br />

darstellen. Sie kombinieren eine extrem<br />

schlechte Bilanz in der Kernanwendung<br />

mit einer erheblichen gesundheitlicher<br />

Belastung beim Handling. Eine typische<br />

lost-lost-Situation, bei der nur der Produzent<br />

win macht. Ortstermin bei der<br />

Abfallwirtschaft Münster an der Eulerstraße.<br />

Monika Holtmann als Leiterin der<br />

Recyclinghöfe und Projektleiter Andreas<br />

Brügmann stehen trotz der eisigen Kälte<br />

Rede und Antwort. Im schneidenden<br />

Restmüll. Und da kommt einiges in<br />

Münster zusammen. Allein der Gelbe Sack<br />

brachte es 2011 auf 9.400 Tonnen. Hinzu<br />

kommen nochmals 9.200 Tonnen Gelber-<br />

Sack-Müll, die der Entsorger Rethmann<br />

aus den Restmülltonnen der Domstadt<br />

fischt. Ich versuche, mir diese Mengen in<br />

den Gärten und Parks, auf Straßen und<br />

in Höfen vorzustellen. Besser nicht, die<br />

Verdauungsprodukte des modern lifestyle<br />

tun der Natur und dem Stadtbild nicht<br />

gut.<br />

Etliche Schritte weiter stehen wir vor<br />

etwa 30 hüfthohen grünen Fässern. Wie<br />

Paradesoldaten sind sie unter einem<br />

Schild aufgereiht, auf dem “Trockenbatterien”<br />

steht. Monika Holtmann lüftet<br />

einen der mit Spannring gesicherten<br />

Deckel. Innen liegen Batterien und<br />

Knopfzellen kunterbunt durcheinander.<br />

Jede Menge Blei, Cadmium, Eisen, Lithium,<br />

Mangan, Nickel, Silber, Zink... Sicher<br />

auch Gold, wenn auch nur in Spuren. Es<br />

sind richtige Schätze, die die AWM regelmäßig<br />

zusammen tragen. Der Schlossergeselle<br />

in mir fühlt sich angesprochen.<br />

Zwecklos mein Versuch, das Fass anheben<br />

zu wollen. “Insgesamt sammeln wir 15<br />

bringt das Altmetall zu den Verwertern,<br />

die zumeist in Bremerhaven sitzen. Tendenz<br />

steigend. Immerhin, aber auch der<br />

Einsatz von Batterien steigt kontinuierlich<br />

an. Zur Zeit erwirbt jeder Bundesbürger<br />

vom Baby bis zum Tattergreis jährlich<br />

etwa 18 kleine Helferlein; in Münster sind<br />

es rund fünfeinhalb Millionen per anno.<br />

Übrigens sind auch Sie als Leser sprich<br />

Verbraucher von Batterien zur Rückgabe<br />

dieser verpflichtet. Entsorgung über den<br />

Hausmüll ist nicht. Dafür freuen sich die<br />

Umwelt und die freundlichen Mitarbeiter<br />

der AWM über ihren Besuch in den Münsteraner<br />

Wertstoffhöfen. #<br />

Clip: You will not believe your eyes<br />

http://www.youtube.com/<br />

watch?v=7xCOh_UCLJg<br />

7


Bericht | Text: Michael Schumann<br />

Die Natur schlägt zurück<br />

„Mit einer Öko-Diktatur kämen wir nicht weiter“<br />

Welche Folgen hat der Klimawandel<br />

für den Alltag, die Wirtschaft und die<br />

Sozialsysteme? Mit dieser Frage hat sich<br />

eine Gruppe von Klimaforschern und<br />

Sozialwissenschaftlern beschäftigt – der<br />

Titel ihres Buches: „Zwei Grad mehr in<br />

Deutschland“. Einer der Autoren ist<br />

der Meteorologe Professor Friedrich-<br />

Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-<br />

Institut für Klimafolgenforschung.<br />

Manuel Schumann sprach mit ihm über<br />

Klimaskeptiker, ängstliche Politiker<br />

sowie gängige Vorurteile.<br />

~: Herr Prof. Gerstengarbe, seit den<br />

50er Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur<br />

um fast ein Grad gestiegen,<br />

laut Ihrer Prognose wird sie in den kommenden<br />

drei Jahrzehnten um weitere<br />

zwei Grad zunehmen. Worauf müssen wir<br />

uns einstellen?<br />

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W„<br />

as deprimierend ist :<br />

Du bist wie<br />

alle anderen.<br />

Was tröstlich ist :<br />

Alle anderen<br />

sind wie du. “<br />

Prof. Gerstengarbe: Wir werden mehr<br />

heiße Tage erleben, Hitzewellen werden<br />

keine Seltenheit mehr sein. Zudem<br />

müssen wir häufiger mit starken Niederschlägen<br />

rechnen. All das wird natürlich<br />

von Region zu Region unterschiedlich<br />

stark ausgeprägt sein. Plakativ gesagt:<br />

Die Tourismusbranche an der Ost- und<br />

Nordsee kann sich freuen - die Anzahl<br />

der möglichen Badetage wird steigen.<br />

Erinnern Sie sich an den Sommer des<br />

Jahres 2003?<br />

~: Der war außergewöhnlich heiß.<br />

Prof. Gerstengarbe: Im Zuge einer Hitzewelle<br />

hat es damals in Mitteleuropa<br />

etwa 70.000 Tote gegeben. Das war eine<br />

Extremsituation, die uns aufzeigte, was<br />

passieren kann, wenn wir nicht vorsorgen.<br />

Auf solche Hitzewellen müssen wir<br />

vorbereitet sein, dann wären die Folgen<br />

auch nicht derart dramatisch.<br />

~: Und die Winter<br />

werden milder?<br />

Prof. Gerstengarbe: Daran<br />

führt kein Weg vorbei. Die<br />

Schneesicherheit in den<br />

Alpen nimmt schon seit<br />

geraumer Zeit sichtbar<br />

ab. Im Schwarzwald war<br />

die Schneedecke um 1970<br />

herum etwa 90 Tage im<br />

Jahr geschlossen, mittlerweile<br />

ist das nur noch an<br />

knapp 60 Tagen der Fall.<br />

Der Skitourismus wird es<br />

daher in Zukunft schwer<br />

haben. Aber das ist nur ein<br />

Beispiel von vielen.<br />

noch hart genug, dass es schmerzt. Was<br />

heißt das konkret?<br />

Prof. Gerstengarbe: Schmerzen würde es<br />

dann, wenn die Dürre- und Hitzeperioden<br />

nicht nur in einzelnen Jahren aufträten,<br />

sondern in vielen hintereinander.<br />

Das wäre nicht nur für die Wälder und die<br />

Landwirtschaft eine unheimlich starke<br />

Belastung. So sähe es beispielsweise in<br />

Regionen wie Brandenburg düster aus,<br />

dort würden die Kiefernwälder wohl<br />

absterben.<br />

~: Apropos: Ihr Institut (Potsdam-<br />

Institut für Klimafolgenforschung, Anm.<br />

d. Red.) arbeitet seit vielen Jahren<br />

intensiv an Frühwarnsystemen, mithilfe<br />

derer Sie Empfehlungen an die Regierung<br />

geben...<br />

Prof. Gerstengarbe: … So ist es! Ich nenne<br />

Ihnen ein weiteres Beispiel: Hätten<br />

wir im Sommer nicht genügend Wasser in<br />

den Flüssen, besteht die Gefahr, dass die<br />

Reaktoren unserer Kraftwerke nicht mehr<br />

ausreichend gekühlt werden. In den<br />

vergangenen Jahren hat es solche Fälle<br />

bereits gegeben. Müssten wir mehrere<br />

Kraftwerke für eine Woche lang runterfahren,<br />

hätten wir Riesenprobleme, die<br />

Energieversorgung aufrechtzuerhalten.<br />

Derzeit reicht die Gesamtleistung der<br />

regenerativen Energien bekanntlich nicht<br />

aus, um die Folgen dieses Szenarios auszugleichen.<br />

~: Der letzte Rekord der weltweiten<br />

Mitteltemperatur war 1998, seit damals<br />

hat es keinen neuen Spitzenwert gegeben.<br />

Ist es falsch, wenn ich sage, seitdem<br />

sei kein signifikanter Trend erkennbar<br />

– weder in die eine noch in die andere<br />

Richtung?<br />

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~: Sie schreiben in<br />

Ihrem Buch, Deutschland<br />

werde es weniger hart<br />

treffen als die Entwicklungsländer,<br />

aber immer<br />

Prof. Gerstengarbe: Das ist tatsächlich<br />

falsch. Zwar verzeichneten wir 1998<br />

einen Spitzenwert, aber was bitte schön<br />

sagt das aus? Nicht viel. Wir müssen<br />

uns die Schwankungsbreite über einen<br />

8


langen Zeitraum ansehen. In den 60er<br />

Jahren sang Rudi Carrell „Wann wird`s<br />

mal wieder richtig Sommer“ (lächelt). Zu<br />

jener Zeit waren mehrere Sommer hintereinander,<br />

platt gesagt, verhunzt. Erst<br />

in den 70ern ist die Temperatur wieder<br />

angestiegen – bis hinein in die 90er.<br />

Aber nochmal: Derlei ist kein Kriterium,<br />

denn was sind schon zwölf oder zwanzig<br />

Jahre?<br />

~: Was halten Sie von den Einwänden<br />

der Kritiker, die die gängigen Prognosen<br />

vehement bestreiten? Nehmen Sie<br />

diese Kollegen ernst?<br />

Prof. Gerstengarbe: Sie würden bei<br />

jedem Thema Leute finden, die das Gegenteil<br />

der gängigen Ansicht vertreten.<br />

Das ist normal. Ich sage nicht, dass unser<br />

Institut frei von Fehlern ist, das wäre<br />

töricht. Eins ist jedoch klar: Die überwiegende<br />

Mehrheit, weit mehr als 90% aller<br />

Wissenschaftler, die sich mit dem Thema<br />

befasst, ist der Meinung, dass der Mensch<br />

den Klimawandel verursacht hat. Schauen<br />

Sie sich die Messungen der letzten 100<br />

Jahre an, stellen sie relativ schnell fest,<br />

dass es a) wärmer geworden ist und b) ein<br />

Großteil dieser Erwärmung auf das CO2,<br />

also die Treibhausgase, zurückzuführen<br />

ist. Daran kommt man nicht vorbei. Auch<br />

nicht als Klimaskeptiker.<br />

~: Einige von ihnen sagen, der<br />

Einfluss der Sonne werde unterschätzt,<br />

dieser wirke sich nämlich viel stärker auf<br />

unser Klima aus als bislang angenommen.<br />

Prof. Gerstengarbe: Hier möchte ich<br />

Richard Muller aus Berkeley, einen ehemaligen<br />

Klimaskeptiker, anführen. Er hat<br />

im Berkeley Earth Project mit einigen Kollegen<br />

nachweisen wollen, dass die globale<br />

Erwärmung natürlichen Ursprungs<br />

ist. Die Gruppe um Muller kam aber zu<br />

dem Ergebnis, dass die Erwärmung menschgemacht<br />

ist und eine Änderung der<br />

solaren Einstrahlung keine Rolle spielt.<br />

Nachzulesen ist das in der New York Times<br />

vom 29. Juli 2012. Trotzdem hat die Sonne<br />

natürlich einen Einfluss auf unser Klima,<br />

sie ist schließlich unser Energiemotor,<br />

allerdings kann mit ihren Strahlungsschwankungen<br />

der Klimawandel nicht<br />

erklärt werden. Das ist Unfug.<br />

~: Aber hat es jemals ein stabiles<br />

Klima gegeben? Es war in der Vergangenheit<br />

doch schon mehrmals wesentlich<br />

wärmer als heute.<br />

Prof. Gerstengarbe: Klar ist: Es gibt den<br />

Zyklus zwischen Warm- und Eiszeit.<br />

Während der Warmzeiten war es in der<br />

Tat schon mal deutlich wärmer als heute.<br />

Das sind allerdings Veränderungen, die<br />

sich über lange Zeiträume<br />

entwickeln. Innerhalb der<br />

letzten ein-, zweitausend<br />

Jahre ist das Klima relativ<br />

stabil gewesen; selbst die<br />

kleine Eiszeit zwischen 1450<br />

und 1850 wich nicht stark<br />

davon ab. Erst danach ist<br />

die Temperatur dramatisch<br />

angestiegen.<br />

~: Wir halten fest: Veränderungen<br />

des Klimas sind<br />

der Normalfall.<br />

Prof. Gerstengarbe: Stop!<br />

Verändert sich die Temperatur,<br />

verändert sich nicht<br />

automatisch das Klima -<br />

denn das ist im Gegensatz zur<br />

Temperatur komplex. Sonst<br />

könnte manschließlich sagen<br />

„0,8 Grad mehr, na und? Das<br />

ist doch minimal.“<br />

~: Ist es das etwa nicht?<br />

Prof. Gerstengarbe: Mein Kollege und<br />

ich haben uns die Klimagebiete der Erde<br />

genau angeschaut – Wüsten, Tropen,<br />

Tundren, gemäßigte Zonen. All jene sind<br />

natürlich nicht nur charakterisiert durch<br />

die Temperatur, sondern auch durch<br />

die Verteilung des Niederschlags sowie<br />

der Vegetation, um nur zwei Punkte zu<br />

nennen. Man erkennt relativ schnell, wie<br />

sich die Klimagebiete in den letzten 100<br />

Jahren verschoben haben. Die Ursache<br />

hierfür ist eindeutig der Klimawandel. So<br />

tauen zum Beispiel die Tundren auf, und<br />

zwar um etwa 350km² pro Tag, während<br />

die Wüstenflächen zunehmen. Das sind<br />

Alarmzeichen.<br />

~: Ebenfalls umstritten ist die These,<br />

die globale Erwärmung verursache ein<br />

Artensterben. Berichtet ein Magazin über<br />

den Klimawandel, können wir fast sicher<br />

sein, dass auf dem Zeitschriftencover<br />

Eisbären abgebildet sind - ein Problem?<br />

Prof. Gerstengarbe: Das ist sehr publikumswirksam.<br />

Wenn sich Vegetationszonen<br />

verschieben, dann gibt es<br />

selbstverständlich Arten, die in andere<br />

Regionen ausweichen müssen, mit der<br />

Folge, dass sie wiederum andere Arten<br />

verdrängen. Das ist in der Tat ein ganz<br />

normaler Prozess, den wir nun allerdings<br />

verstärkt beobachten. Ob sich die Eisbären<br />

anpassen, ist noch offen. Dafür ist der<br />

Zeitraum, den wir bisher beobachtet haben,<br />

zu kurz. Ich fände es schade, wenn<br />

die Medien sich in der Debatte weiter auf<br />

eine Spezies beschränkten. Derlei wird<br />

dem Thema nicht gerecht.<br />

~: Sie meinen, die Medien seien<br />

schuld an diesem Zerrbild?<br />

Prof. Gerstengarbe: Nein. Sicherlich<br />

haben mehrere Akteure Fehler gemacht<br />

– sowohl die Tierschützer als auch die<br />

Klimaskeptiker. Aber eben auch: die Medien<br />

(lächelt). Wir verrennen uns, wenn<br />

wir ausnahmslos ideologisch argumentieren.<br />

Fest steht: Die Vegetationszonen<br />

verschieben sich, weil das Klima sich<br />

verändert, und das beeinflusst wiederum<br />

die Tierwelt, Punkt.<br />

~: Nicht eher ein Ausrufezeichen?<br />

Schließlich spricht so mancher Interessenverband<br />

inzwischen von einem<br />

„Klimakampf“, den man führe.<br />

Prof. Gerstengarbe: Ich halte so etwas<br />

für problematisch. Dass es allerdings<br />

9


10<br />

derart viele Interessenverbände gibt,<br />

die sich das Thema auf die Fahnen<br />

geschrieben haben, finde ich enorm<br />

wichtig. Wir sollten sachlich miteinander<br />

diskutieren. Eine mögliche Frage an die<br />

Umweltschützer könnte lauten: Wollt<br />

ihr die Naturschutzgebiete exakt so erhalten,<br />

wie wir sie momentan pflegen?<br />

Dann hätten wir in der Tat ein Problem,<br />

denn die Rahmenbedingungen für diese<br />

Gebiete haben sich sichtbar verändert.<br />

Man könnte ja auch sagen „Okay, ich<br />

lasse der Natur ihren Lauf - dann gibt<br />

es eben neue Arten und andere sterben<br />

aus.“ Wir haben es hier also beinahe mit<br />

philosophischen Fragen zu tun.<br />

~: Und wie beantworten Sie diese<br />

Fragen?<br />

Prof. Gerstengarbe: Ehrlich gesagt, weiß<br />

ich es nicht. Die Natur sorgt stets dafür,<br />

dass alles im Ausgleich ist. Das Problem<br />

sind indes die Menschen. Wie hilft man<br />

jenen, die in Gebieten leben, in denen<br />

sich der Klimawandel dramatisch bemerkbar<br />

macht? Dort, wo aus Ackerland<br />

Wüste wird? Es gibt etwa zwei Milliarden<br />

Menschen, die in solchen Gebieten leben.<br />

Wir brauchen daher dringend Antworten.<br />

~: Ein Appell an die Politik?<br />

Prof. Gerstengarbe: Nicht unbedingt. Wir<br />

haben im letzten Teil des Buches sowohl<br />

ein positives als auch ein negatives Szenario<br />

gemalt. Im Einklang mit unseren<br />

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Kollegen der Sozialwissenschaft sind wir<br />

der Ansicht, es müsse mehr um Eigeninitiative<br />

gehen.<br />

~: Weil die Politik meist kurzfristig<br />

denkt und handelt?<br />

Prof. Gerstengarbe: Exakt. Natürlich<br />

brauchen wir bei diesem wichtigen<br />

Thema auch politische Entscheidungen,<br />

keine Frage. Aber ein Politiker kann meist<br />

nur die Konzepte durchsetzen, hinter<br />

denen seine Wähler stehen.<br />

~: Überzeugungskraft allein reicht<br />

nicht aus?<br />

Prof. Gerstengarbe: Es ist doch so: Wird<br />

es konkret, fasst der Wähler unbequeme<br />

Entscheidungen meist als Zumutung auf<br />

und ist deshalb zunächst einmal dagegen.<br />

Das zweite Problem: Der Bundestag<br />

wird nur für vier Jahre gewählt, es ist daher<br />

nur logisch, dass Politiker kurzfristig<br />

handeln. Offensichtlich fällt es ihnen unheimlich<br />

schwer, über lange Zeiträume zu<br />

denken und entsprechende Programme<br />

auf den Weg zu bringen. Welcher Politiker<br />

traut sich, Konzepte umzusetzen, deren<br />

Früchte womöglich erst in zwanzig oder<br />

dreißig Jahren geerntet werden könnten?<br />

~: Mit anderen Worten: Unser politisches<br />

System sollte reformiert werden?<br />

Prof. Gerstengarbe: Das ist eine schwierige<br />

Frage. Ich finde, unser politisches<br />

System ist immer noch das Beste, das ich<br />

kenne. Mit einer Öko-Diktatur kämen wir<br />

auch nicht weiter – im Gegenteil. Eine<br />

einsame Entscheidung von oben herab<br />

wäre falsch.Das Problem: Wir haben nicht<br />

mehr viel Zeit! Wir müssen uns in den<br />

nächsten zehn Jahren klar positionieren,<br />

um die Entwicklung wenigstens zu<br />

bremsen. Denn: Aufhalten können wir sie<br />

ohnehin nicht. Leider.<br />

~: Schaut man sich die entsprechenden<br />

Einschaltquoten und Reaktionen<br />

vieler Zuschauer an, so hat man<br />

den Eindruck, das Thema „Klimawandel“<br />

würde sie zunehmend langweilen oder<br />

gar nerven – woran liegt das?<br />

Prof. Gerstengarbe: Das Thema ist in<br />

den Medien derart intensiv durchgekaut<br />

worden, dass es sich scheinbar<br />

irgendwann selbst erledigt. Die Erderwärmung<br />

ist freilich ein schleichender<br />

Prozess. Die Katastrophen, die in der<br />

Ferne geschehen, sehen wir lediglich<br />

wenige Minuten im Fernsehen. Wir hier<br />

in unserem High-Tech-Land spüren die<br />

Folgen des Klimawandels nur äußerst<br />

selten. Und wenn, dann meist nur<br />

positiv, Stichwort: Sommer. Das Thema<br />

hängt den Leuten mittlerweile zum Hals<br />

raus. Ich halte es deshalb auch für falsch,<br />

wenn einige Kollegen grundsätzlich auf<br />

„Katastrophen-Szenarien“ setzen, denn<br />

damit verstärken sie jene Verdrossenheit.<br />

~: Diese Kollegen sind offenbar<br />

der Meinung, nur drastische Beispiele<br />

könnten wachrütteln.<br />

Prof. Gerstengarbe: Aber das Gegenteil<br />

ist der Fall! Liest und hört man ständig<br />

Horror-Szenarien, stellt aber im eigenen<br />

Umfeld fest, es passiert ja nichts, stumpft<br />

man ab. Nach dem Motto „Was wollen<br />

diese Wissenschaftler und Politiker<br />

eigentlich? Uns geht`s doch prima!“<br />

Außerdem gibt es genug andere Themen,<br />

die uns im Alltag Sorgen bereiten – Finanzkrise,<br />

Jobverlust, sozialer Abstieg,<br />

um nur einige zu nennen.<br />

~: Herr Prof. Gerstengarbe, weshalb<br />

haben Sie das Buch geschrieben?<br />

Prof. Gerstengarbe: Um aufzuklären und<br />

Denkanstöße zu geben. Wir stellen in<br />

unserem Buch kein Schreckensszenario<br />

dar, sondern erklären verständlich, was<br />

uns wahrscheinlich erwartete, wenn wir<br />

weitermachten wie bisher. Und: Wie<br />

wir uns an die neue Situation anpassen<br />

können. Wir konzentrieren uns auf die<br />

kommenden zwanzig, dreißig Jahre,<br />

also auf einen Zeitraum, den viele Leser<br />

noch erleben werden. Wer kann schon<br />

zuverlässig sagen, was in hundert Jahren<br />

passiert? Derlei wäre Kaffeesatzleserei.<br />

Klima hat immer zu tun mit „Wenndann-Entscheidungen“.<br />

Endgültig bewerten<br />

kann man unser Buch wohlerst in<br />

zwanzig Jahren. Immerhin (lacht)! #<br />

Buchangaben: Friedrich-Wilhelm<br />

Gerstengarbe / Harald Welzer<br />

(Hg.): Zwei Grad mehr in Deutschland.<br />

Wie der Klimawandel unseren<br />

Alltag verändern wird, Fischer<br />

Taschenbuch, 320 Seiten, 12,99<br />

Euro, ISBN: 978-3-59618-910-6


Geben Sie den Löffel ~ ab…<br />

Jeder Löffel steht für mindestens eine warme Mahlzeit für<br />

Bedürftige. Besonders „prominente“, wertvolle oder außergewöhnliche<br />

Löffel sollen später ausgestellt werden. Alle<br />

anderen Löffel werden zu außergewöhnlichen Kunstwerken,<br />

die für die gute Sache verkauft werden sollen. Natürlich<br />

können sie auch selbst die Patenschaft in Höhe von 1,- EUR<br />

für ihren Löffel übernehmen.<br />

Sie können uns Ihre Löffel ab sofort zwischen<br />

10 bis 16 Uhr in die Redaktion am<br />

Berliner Platz 8, 48143 Münster bringen<br />

Wenn Sie keine Zeit haben den Löffel bei uns persönlich abzugeben,<br />

können Sie ihn uns auch schicken. Bitte geben Sie<br />

nur Löffel aus Stahl oder Edelstahl ab, - kein Kunststoff oder<br />

Plastikbesteck! Besonders freuen wir uns über extravagante<br />

Variationen.<br />

Löffelkünstler gesucht!<br />

Für die gesammelten Löffel suchen wir Gestaltungskünstler,<br />

die aus jedem einzelnen oder auch mehreren ein Kunstwerk<br />

entstehen lassen. Die Löffelkunst soll später ausgestellt und<br />

anschließend verkauft oder versteigert werden. Mit dem Erlös<br />

werden weitere Mahlzeiten für Bedürftige sichergestellt.<br />

Interessierte Künstler melden sich bitte per Mail an:<br />

Mail s.kipp@strassenmagazin-draussen.de<br />

oder per<br />

Telefon 0251 / 49 09 11 8<br />

Ihrer Phantasie sind keine<br />

Grenzen gesetzt :)<br />

11


ohnehin “arisiert”. Am Ende musste es<br />

ganz schnell gehen. Im Juli 1942 fährt<br />

Helge ohne Judenstern (seit Juni 1942 galt<br />

eine Tragepflicht) nach Amsterdam, wird<br />

denunziert und zur Gestapo in Enschede<br />

vorgeladen. Erneut rettet sie ihr couragiertes<br />

Auftreten; man lässt sie freitags<br />

laufen mit der Maßgabe, montags wieder<br />

vorzusprechen. Sie tut es nicht, sondern<br />

taucht sofort ab in den Untergrund. Auf<br />

verschiedenen Wegen folgen die Eltern<br />

und Schwester Lissy. Ihr dunkelster Lebensabschnitt<br />

bricht an. Etwa zur selben<br />

Zeit wird Jochen von den Vichy-Behörden<br />

(er strandete 1940 in Südfrankreich) nach<br />

Auschwitz deportiert.<br />

“Es gab gute Niederländer und böse<br />

Niederländer”, erinnert sich Helge Loewenberg-Domp<br />

über die Jahre von 1942<br />

bis 1945. Und zuweilen waren die Grenzen<br />

fließend wie bei ihren Gastgebern<br />

in H´Nijkerk am Ijsselmeer. “Hoogland<br />

hießen sie und sie waren keine guten<br />

Menschen” ,beschreibt sie die Gastgeber.<br />

Jeden Monat kostet das Quartier 1.000<br />

Gulden und später werden sie feststellen,<br />

dass Hooglands heimlich ihre versteckten<br />

Habseligkeiten plündern. Aber das Netz<br />

der guten Holländer hält. Bertha und Dirk<br />

Wassing heißen die Nachbarn, die den<br />

Domps das Leben retten und sie in ein<br />

neues Quartier bringen.<br />

Als Grundbedingung waren die Unterkünfte<br />

in der Regel nicht einsehbar. Dennoch<br />

spielte sich das Leben ausschließlich<br />

innen ab. Sätze wie “Meine Eltern waren<br />

drei Jahre nicht draußen” und “Es wurde<br />

niemals auf einen Schlag eingekauft”<br />

,beschreiben die schwierigen Bedingungen.<br />

Die Zeit vertreiben sie sich mit<br />

Debattieren, Handarbeiten und Lesen.<br />

Lediglich Helge traut sich ab und an auf<br />

die Straßen, ein gefährliches Unterfangen.<br />

Ein stetes Problem ist zusätzlich die<br />

angespannte Versorgungslage, was nach<br />

dem “Dollen Dinsdag” im September 1944<br />

fast unlösbar wird.<br />

Die Befreiung erlebt die Famile unspektakulär.<br />

Im April 1945 gerät Nijkerk<br />

unter allierten Beschuss, der auch ihr<br />

Haus trifft. Die Hooglands fliehen und<br />

fast 70 Jahre später resümiert das unfreiwillige<br />

Mündel lakonisch: “Wir haben sie<br />

nie wiedergesehen.” Die Domps laufen<br />

den amerikanischen Befreiern entgegen,<br />

die sie in Putten treffen. Neu ausstaffiert<br />

mit Kleidung und Lebensmitteln geht<br />

es zurück nach Enschede. Vier der fünf<br />

Familienmitglieder überleben dank der<br />

guten Niederländer, Disziplin und Glück.<br />

Aber ihr Bruder Jochen bleibt in der<br />

Shoa. Nur wenige Tage vor der Befreiung<br />

Auschwitzs erliegt er den entsetzlichen<br />

Haftbedingungen.<br />

Wie sah sie selbst folglich die Nachkriegszeit?<br />

Es habe gedauert mit dem Verzeihen,<br />

aber sie sagt auch “nicht hassen<br />

zu wollen” und: “Das Weinen ist schon<br />

lange vorbei.” Anders als bei ihrer 1960<br />

verstorbenen Mutter Rosa, die den Tod<br />

Joachims nie verwandt. Bei der jüngsten<br />

Tochter glättet die Zeit ganz langsam die<br />

tiefen Wunden und der zu bewältigende<br />

Alltag trägt seinen Teil bei. 1947 heiratet<br />

sie den ehemaligen Großeinkäufer der<br />

Firma Tietz in Köln Bruno Loewenberg, der<br />

die Nazis ebenfalls im niederländischen<br />

Untergrund überlebt. Mit ihm bleibt sie<br />

zusammen bis zu seinem Tod 1986. Das<br />

Enscheder Klaviergeschäft wird zunächst<br />

wieder betrieben und 1957 aufgegeben.<br />

Denn die geschäftige Niederländerin fand<br />

längst ein anderes Betätigungsfeld: den<br />

internationalen Handel mit Flügeln, Klavieren<br />

und verwandten Instrumentarien.<br />

Sie knüpft bereits 1953 Kontakte in die<br />

DDR, fährt zu den Leipziger Messen und<br />

öffnet den volkseigenen Instrumenten<br />

den niederländischen Markt (später<br />

gelang das nochmals dem knuffigen<br />

Trabant). Zehn Jahre danach hat sie die<br />

Generalvertretung für Yamaha-Klaviere<br />

inne, damals der kommende Star. Zuerst<br />

für Europa, später nur für die Niederlande.<br />

“Damit hatte ich schon genug zu<br />

tun”, lächelt die 97-jährige Grand Dame<br />

verschmitzt. Nochmals später erschließt<br />

sie über Brasilien den südamerikanischen<br />

Markt für ihre Tasteninstrumente. Alles<br />

zusammen genügt für den “Ridderorde<br />

van Oranje-Nassau”, der ihr zum 70. Geburtstag<br />

am 5. Juni 1985 verliehen wird.<br />

Welche Energie, was für ein Wollen in<br />

dieser zierlichen Frau! Was für ein Verlust<br />

deutscher Bürgerlichkeit!<br />

Und dann gibt es noch ihre Stiftung<br />

zur Förderung von Nachwuchskünstlern<br />

in Musik und bildender Kunst.<br />

Gegründet 1987, organisiert die Stiftung<br />

jährlich mehrere Konzerte und betreut<br />

den künstlerischen Nachwuchs bis zum<br />

Flüggewerden. Aus dem Amsterdamer<br />

Concertgebouw heißt es anerkennend,<br />

es sei die beste Stiftung ihrer Art in den<br />

Niederlanden. Helge Loewenberg-Domp<br />

fasst es als ihr Vermächtnis auf: “Die<br />

jungen Leute sind phantastisch”, sagt sie<br />

über deren künstlerische und menschliche<br />

Qualitäten. Immer wieder kämen<br />

Fragen an sie, warum sie nicht weine<br />

nach dem, was sie durchmachte. Helge<br />

Loewenberg-Domp setzt ihre Tasse ab<br />

und erinnert sich und schweigt.<br />

Bis auf den Stolperstein in der Brüderstraße<br />

erinnert nichts mehr an die Domps.<br />

Selbst auf dem jüdischen Friedhof an der<br />

Einsteinstraße gibt es keine Spuren. Die<br />

Familie lebte 28 Jahre in der Domstadt,<br />

um dann in die Niederlande und nach<br />

Israel auszuwandern. Oder im Ofen der<br />

Shoa zu enden. Ein deutsch-jüdisches<br />

Schicksal. #<br />

<strong>13</strong>


Bericht | Text und Foto: Doris Goez<br />

Meine Heimat im Dom<br />

Es kommt alles auf den Standpunkt an!<br />

Ja, ich habe ihn wie so viele andere<br />

vermisst – unseren Dom. Jetzt hab´ ich<br />

ihn wieder, mein gefühltes Wohnzimmer.<br />

Die Renovierung war nötig und ist<br />

sehr gelungen. Hell und schön geputzt<br />

stehen sie da, die Wände, die Bilder,<br />

die Figuren – „das in Stein gehauene<br />

Gebet“. Warum fühle ich mich so wohl<br />

in diesen Mauern? Ja, es stimmt, ich bin<br />

sehr oft in unserer Bischofskathedrale,<br />

meistens morgens zur Messe, abends<br />

zum Vespergebet mit den Klarissen und<br />

ich mache Empfangsdienst, wobei ich<br />

den Besuchern Fragen zum Dom, zum<br />

Glauben oder Fragen des Lebens zu<br />

beantworten suche.<br />

Ich bin also oft im Dom, man kann sagen,<br />

ich gehe hier ein und aus. Wir haben<br />

hier in unserer Stadt viele wunderschöne<br />

Kirchen und beten kann man überall,<br />

aber warum fühle ich mich gerade hier im<br />

Dom so zu Hause? Ist es, weil er die Mutterkirche<br />

unseres Bistums ist, weil hier<br />

die Liturgie stimmt oder weil ich hier die<br />

große Weite unserer katholischen Kirche<br />

atme? Dieses Gefühl der Zugehörigkeit<br />

ist schwer zu begreifen. Es stimmt, an<br />

der katholischen Kirche gibt es manche<br />

berechtigte Kritik, die Medien waren ja<br />

erst kürzlich nach dem mutigen Rücktritt<br />

unseres bisherigen Papstes voll davon.<br />

Auch ich sehe so manches kritisch, aber<br />

ich fühle mich trotz alledem wohl in<br />

meinem Dom. Es gibt mir Trost und Halt,<br />

einer Kirche anzugehören, die aus gut<br />

theologischen Gründen an Bewährtem<br />

festhält und sich nicht so einfachen dem<br />

Zeitgeist hingibt. Diese Sicherheit in der<br />

Tradition verhaftet zu sein, ist für mich<br />

ein nicht zu unterschätzender Wert. Vor<br />

allem in einer Zeit die so schnelllebig<br />

ist, dass die Seele manchmal nicht mehr<br />

nachkommt. Wir leben in einer Zeit, in der<br />

so manche menschlichen Werte nur allzu<br />

leicht falsch verstandenem Liberalismus,<br />

überheblichem wissenschaftlichen<br />

Machbarkeitswahn oder ungezügeltem<br />

Kapitalismus preisgegeben werden. Für<br />

mich steht unser Dom, diese dreischiffige<br />

Basilika im Übergangsstil der Spätromanik<br />

als Sinnbild, ja als ein Bollwerk der<br />

Beständigkeit und der Verlässlichkeit<br />

da. Dies sind für mich wesentliche Werte<br />

meines Christenlebens. Auch deshalb<br />

fühle ich mich hier, in unserem Dom, so<br />

zu Hause, ja so vertraut wie in meinem<br />

eigenen Wohnzimmer.<br />

Zwischen meinem Verhältnis, um nicht<br />

zu sagen Gefühl, zu meiner Domheimat<br />

und der Lebenssituation unseren Straßenverkäufern<br />

erkenne ich so manche,<br />

nicht zu weit hergeholte Gemeinsamkeiten:<br />

Ich denke daran, dass jeder Mensch<br />

einen Platz der Geborgenheit, ja der<br />

Sicherheit und Heimat braucht. Wie ist<br />

das denn bei unseren Verkäufern? Wenn<br />

sie Glück haben, wohnen sie in kleinen,<br />

bescheidenen vier Wänden und haben so<br />

zu sagen einen privaten Rückzugsraum.<br />

Die meisten aber haben keine eigene<br />

Privatsphäre. Oft haben sie im besten<br />

Fall einen Schlafplatz für die Nacht und<br />

müssen morgens um 7.00 Uhr wieder<br />

raus auf die Straße. Manche können sich<br />

zu viert ein Zimmer teilen, kommen bei<br />

Freunden unter oder leben in sozialen<br />

Einrichtungen. Es ist eher selten bei uns<br />

in Münster, aber „Platte machen“, das<br />

heißt wirklich Tag und Nacht auf der Straße<br />

leben, ist manches Mal gewollt oder<br />

ungewollt die einzige traurige Möglichkeit,<br />

auch im Winter. Können wir, damit<br />

meine ich unsere Wohlstandsgesellschaft,<br />

die wir wenigstens ein „Dach über dem<br />

Kopf“ und ein warmes Bett besitzen,<br />

ermessen, was es heißt, kein eigenes zu<br />

Hause zu haben? Ja, wir verfügen über<br />

ein gutes soziales Netz – Gott sei Dank<br />

–, aber Sozialleistungen wie Harz IV oder<br />

Grundsicherung sind oft „zum Leben zu<br />

wenig und zum Sterben zu viel“. Unsere<br />

Verkäufer können sich durch den Verkauf<br />

der Zeitung ein mehr oder weniger<br />

menschenwürdigeres Dasein schaffen.<br />

Mancher Kranke könnte gar keiner geregelten<br />

Arbeit mehr nachgehen, und dabei<br />

ist der Verkauf unserer Zeitung ein willkommenes<br />

Zubrot. Es geht aber auch um<br />

das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun und<br />

es geht um die Würde eines Menschen.<br />

Denn die Menschenwürde ist ein hohes<br />

Gut, das uns allen im Artikel 1 des Grundgesetzes<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

zugesprochen wird. Sonst könnten sie ja<br />

auch einfach auf der Straßen stehen und<br />

betteln; das gilt besonders für unsere<br />

rumänischen Verkäufer. An dieser Stelle<br />

möchte ich mich im Namen unseres ganzen<br />

~-Teams bei unseren Lesern<br />

herzlich für Ihre Treue und Unterstützung<br />

bedanken. Durch den Kauf unserer Zeitung<br />

unterstützen Sie ganz wesentlich<br />

unser soziales Engagement. DANKE!<br />

Wenn ich die sozialen Verhältnisse<br />

unserer Leute bedenke, fällt mir ganz<br />

aktuell der vor Kurzem veröffentlichte<br />

Armutsbericht unserer Bundesregierung<br />

ein. Menschen, die wie wir in sozialen<br />

Brennpunkten unserer Gesellschaft<br />

arbeiten, wissen, wie wirklichkeitsfremd<br />

und geradezu unsinnig die Behauptungen<br />

sind, dass es in Deutschland kein<br />

Armutsproblem gäbe und die Schere<br />

zwischen Arm und Reich sich nicht vergrößert<br />

hätte. Ich würde gerne einmal<br />

unseren Wirtschaftsminister Herrn Rösler,<br />

der für so manche Schönfärberei in<br />

diesem Bericht verantwortlich ist, einladen,<br />

ein halbes Jahr von Harz IV oder<br />

Grundsicherung zu leben. Dass er unsere<br />

Gesellschaft durch die Unternehmerbrille<br />

beurteilt, ist nicht verwunderlich, er<br />

gehört ja schließlich der FDP an, aber was<br />

ich ihm wirklich übel nehme ist, dass er<br />

diesen Standpunkt mit seinem Gewissen<br />

vereinbaren kann. Er kann keinen Blick<br />

für die Armen unserer Gesellschaft haben,<br />

sonst würden solche mantraartigen<br />

Sätze wie „Deutschland geht es so gut wie<br />

schon lange nicht mehr“ nicht über seine<br />

Lippen kommen können.<br />

14


Ich kann aber noch andere Vergleiche<br />

zwischen meiner Heimat im Dom und<br />

unserem Straßenmagazin ziehen. Ich<br />

kann mir in meinem Dom-Wohnzimmer<br />

jederzeit Zuspruch und Trost bei meinem<br />

Freund Jesus Christus holen. Haben unsere<br />

Verkäufer dies auch, haben sie Freunde?<br />

Ja, Gott sei Dank, unsere Verkäufer<br />

haben wenigstens ihre Gemeinschaft,<br />

uns den Vorstand und alle Mitarbeiter.<br />

Wir sind ein tolles Team. Es ist zwar<br />

jeder auf sich selbst gestellt, denn durch<br />

die individuellen Lebenseinbrüche sind<br />

viele zu Einzelkämpfern statt zu Teamplayern<br />

geworden, aber wenn es darauf<br />

ankommt, halten sie zusammen und<br />

helfen sich gegenseitig. Es berührt mich<br />

zu tiefst, wenn ich sehe, wie groß der Zusammenhalt<br />

ist, wenn einer krank wird.<br />

Da sind schon manche Tage und Nächte<br />

die Telefone heiß gelaufen. Das habe ich<br />

erst vor einigen Woche beeindruckend<br />

selbst miterleben dürfen. Da war plötzlich<br />

jeder für den Anderen da. Diesen<br />

Zusammenhalt habe ich selten so erlebt,<br />

nicht einmal unter Christenmenschen.<br />

diese wertvollen Menschen kümmern zu<br />

dürfen.<br />

Zum Schluss fällt mir noch eine etwas<br />

nachdenkliche, aber wie ich meine zutreffende<br />

Geschichte ein. Ein Rabbi wurde<br />

einmal von seinem Schüler gefragt, ob es<br />

möglich sei, reich zu sein, und trotzdem<br />

ein Herz für seine Mitmenschen zu haben.<br />

Die Antwort des Rabi:<br />

„Ja schon, - aber es wird ungleich<br />

schwerer. Ich gebe dir ein Beispiel, wie<br />

ich das meine: Schau mal durch das<br />

Fenster hinunter auf den Marktplatz und<br />

sage mir, was du dort siehst?“<br />

Der Schüler sagte: „Ich sehe dort viele<br />

Menschen.“<br />

„Das ist richtig“, sagte der Rabi. „Halte<br />

jetzt aber ein Silberpapier hinter die<br />

Glasscheibe, was siehst du dann?“<br />

Der Schüler: „Jetzt sehe ich keine Menschen<br />

mehr.<br />

„Auch das hast du richtig beobachtet“,<br />

sagte der Rabi, „denn eine Glasscheibe<br />

wird zum Spiegel, wenn du ein bisschen<br />

Silber dahinter legst, dann siehst du den<br />

Anderen nicht mehr, sondern nur noch<br />

dich selbst. #<br />

Der Dom ist jetzt sehr hell und sauber<br />

geworden. Man sieht besser, man hört<br />

besser. Um sich wohl zu fühlen, ist es<br />

nicht unwesentlich, wie unsere Umgebung<br />

gestaltet ist. Deshalb würden wir<br />

gerne umziehen. Wir platzen aus allen<br />

Nähten und wie im Dom muss auch bei<br />

uns der alte Mief raus. Für uns ist es nur<br />

äußerst schwierig, geeignete Räumlichkeiten<br />

zentral und bezahlbar zu finden.<br />

Wir suchen gemütlichere, großzügige,<br />

helle Räume; einen Mittelpunkt für die<br />

Redaktion, einen Ort zum Quatschen, und<br />

zum Essen. Wir brauchen auch einen Ort,<br />

an dem man Schweres abladen kann, so<br />

wie ich das in meinem Dom kann. Dank<br />

unserer äußerst erfolgreichen Löffelaktion,<br />

die Sie, liebe Leser, so großartig unterstützt<br />

haben, könnten wir jetzt auch<br />

unseren Verkäufern täglich eine warme<br />

Mahlzeit sponsern. Leider fehlen uns bis<br />

dato die Räumlichkeiten. Deshalb nochmals<br />

den dringenden Appell. Sollen Sie,<br />

liebe Leser, uns einen heißen Tipp geben<br />

können, wären wir Ihnen sehr dankbar.<br />

Ich sehe also so manche Berührungspunkte<br />

zwischen meinem gefühlten<br />

Wohnzimmer, der Bischofskathedrale,<br />

und unserem Projekt „~“. Ich<br />

bin froh und dankbar, dass ich mir im<br />

Dom immer wieder die Kraft zu meinem<br />

Dienst an unseren Leuten holen kann,<br />

und ich bin stolz und glücklich, mich um<br />

15


Stefan Bergmann<br />

Chefredakteur der MZ<br />

16<br />

Antje Vogel<br />

Kinderbuch-Illustratorin


Markus<br />

Punk<br />

Michael Heß<br />

~ - Redakteur<br />

17


Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />

Keine Partei weniger?<br />

Das NPD-Verbot muss hohe Hürden nehmen<br />

Das Verbot der NPD zu fordern, ist zur<br />

Zeit common sense. Ob dem Justitia einfach<br />

folgen wird, muss leider bezweifelt<br />

werden. Zu dünne scheint die juristische<br />

Grundlage. Auch der soziale Dünger des<br />

braunen Sumpfes ist durch einen Richterspruch<br />

nicht beseitigt. ~-Redakteur<br />

Michael Heß beschreibt Hürden<br />

und Umfeld des Verfahrens.<br />

Die Bundesrepublik sah bisher zwei<br />

Parteiverbote. 1952 verbot das Bundesverfassungsgericht<br />

(BVG) die Sozialistische<br />

Reichspartei SRP, die sich in<br />

direkter Nachfolge der NSDAP sah. Vier<br />

Jahre später traf es die kommunistische<br />

KPD. Als dritte Partei steht nun die 1968<br />

gegründete Nationaldemokratische Partei<br />

Deutschlands (NPD) zur Disposition. Den<br />

ersten Verbotsantrag startete die Regierung<br />

Schröder im Januar 2001. Die Sache<br />

endete wie das Hornberger Schießen. Im<br />

März 2003 stellte das BVG das Verfahren<br />

aus formalen Gründen ein. Bloßer Verbalextremismus<br />

begründe kein Verbot.<br />

Nötig sei aktives grundgesetzwidriges<br />

Tun.<br />

An dieser Hürde dürfte auch das jetzige<br />

Verfahren scheitern. Zwar ließ das BVG am<br />

5. März die NPD in deren am 11. Dezember<br />

2012 gestellten Antrag auflaufen, die Verfassungstreue<br />

festzustellen. Ein solches<br />

Procedere sei generell nicht möglich. In<br />

der Hauptsache selbst sieht das anders<br />

aus. Auch wenn das BVG dem Verbotsantrag<br />

vielleicht doch zustimmt, muss das<br />

der Europäische Gerichtshof (EuGH) nicht<br />

bestätigen. Im Gegenteil, denn dessen<br />

Maßstab für ein Parteienverbot ist nochmals<br />

strenger als der des BVG.<br />

Die Neonazis beruhigen wird auch<br />

das nicht nachvollziehbare Hickhack<br />

der Demokraten. Berechtigt zu einem<br />

Verbotsantrag sind Bundesregierung,<br />

Bundestag und Bundesrat. Nur letzterer<br />

wurde bisher tätig, die Regierung selbst<br />

verweigert sich dem de facto. Erklärter<br />

Wille sieht anders aus. Das kann aber<br />

auch damit zu tun haben, das die am<br />

18. Februar im alternativen Webportal<br />

Indymedia veröffentlichten Dokumente<br />

zum Verbotsverfahren (zwei Tage später<br />

von der NPD auf ihrem Portal übernommen)<br />

in der Sache kaum Verwertbares<br />

bieten. Am populären Verbotsknochen ist<br />

beängstigend wenig juristisches Fleisch.<br />

Die Braunen wird es freuen. Mag die<br />

NPD bundespolitisch ohne Bedeutung<br />

und in finanziellen Nöten sein, ist das<br />

regional und außerparlamentarisch<br />

anders. Sie ist in zwei Landtagen und in<br />

etlichen Kommunalparlamenten vertreten<br />

und die Verbotsdebatte ist trotz des<br />

vordergründigen Lamentos kostenlose<br />

Extrawerbung. Bei Facebook gibt es aktuell<br />

17.000 “Freunde”, die Dunkelziffer<br />

wird mehrfach höher sein. Mit einem<br />

Durchschnittsalter von 37 Jahren und einem<br />

Frauenanteil von 27 Prozent schlägt<br />

sie hier manche demokratische Partei<br />

um Längen. Daneben stützt sie sich auf<br />

im rechten Spektrum gut vernetzte Untergliederungen.<br />

Auch die Nickeleien mit<br />

den “Freien Kameradschaften” ändern<br />

nichts an der faktischen Führungsrolle<br />

der NPD. Das zuletzt gewonnene Image<br />

als Kümmerer vor Ort tut ein Übriges,<br />

prägenden Einfluss auf die Jugendkultur<br />

im Osten (besonders in Nordsachsen und<br />

Meck-Pomm) zu nehmen. In bestimmten<br />

Punkten wie Einwanderung und Kriminalität<br />

kann sie auf eine schweigende<br />

Mehrheit der Bevölkerung zählen, deren<br />

Werte sich hier von denen, die Berufsdemokraten<br />

in Talkshows und Zeitungen<br />

vortragen, deutlich unterscheidet.<br />

Im niedersächsischen Eschede erschlägt<br />

der Skinhead Johannes Kneifel im August<br />

1999 einen Kritiker ihres Treibens. Das<br />

Bemerkenswerte daran: Zur Tatzeit war<br />

Kneifel schon auf dem Rückzug aus der<br />

nazistischen Szene. Er hatte Freundin,<br />

wollte eine Ausbildung beginnen und sah<br />

in den ewig gleichen Sprüchen sowie im<br />

Alkoholkonsum keine Perspektive mehr<br />

(über seinen Werdegang schrieb Kneifel<br />

das Buch “Vom Saulus zum Paulus”, das<br />

die ~ in Kürze rezensieren wird).<br />

Das lässt sich ins Große übertragen. Der<br />

Stellenwert der NPD ist vor allem als<br />

Ausfluss der sozialökonomischen Misere<br />

(nicht nur im Osten) zu begreifen. Solange<br />

thüringische Friseusen 3,18 Euro Stundenlohn<br />

“verdienen” (nur ein Beispiel<br />

unter vielen), läuft das Verbotsverfahren<br />

nicht nur ins Leere, sondern begründet<br />

Solidarisierungseffekte mit den braunen<br />

Kümmerern. Den Sumpf auszutrocknen<br />

bedeutet in erster Linie, der Jugend reale<br />

Zukunftsaussichten zu geben: Arbeit, Familie<br />

und Heim. In erster Linie ist deshalb<br />

die Politik gefragt, erst in zweiter die<br />

Polizei als untaugliche Reparaturtruppe<br />

für eine verfehlte Sozialpolitik.<br />

Auch die nächste Parteigründung wäre<br />

wohl nur eine Zeitfrage. Im thüringischen<br />

Jena als Heimat der NSU-Mörder<br />

treten Jungnazis längst wieder in aller<br />

Öffentlichkeit auf. Es sei die nächste Generation,<br />

sagen die Heimischen dort. In<br />

Münster und in anderen Städten gibt es<br />

bereits “Die Rechte” als neue Partei der<br />

Braunen für den (unwahrscheinlichen)<br />

Verbotsfall. #<br />

18


Bericht | Text: Christine Dedeck<br />

Bildungsgerechtigkeit in NRW?<br />

Von wegen!<br />

Vor zwei Jahren wurden die Studiengebühren<br />

in Nordrhein-Westfalen<br />

mit den Stimmen von SPD und Grünen<br />

abgeschafft. Seit dem Wintersemester<br />

2011/2012 kann wieder kostenlos studiert<br />

werden. Und alle Studierwilligen<br />

sollen in NRW auch ein gebührenfreies<br />

Studium absolvieren können - so steht<br />

es im Koalitionsvertrag der Rot-Grünen<br />

Landesregierung. Für junge Menschen<br />

mit Abitur sicher eine hervorragende<br />

Bildungsoption. Doch wie steht es um<br />

Schülerinnen und Schüler, denen der<br />

Zugang zu einer Hochschule verwehrt<br />

bleibt? Für einige Ausbildungsmöglichkeiten<br />

müssen diese jungen Ausbildungswilligen<br />

- ganz im Gegensatz zu<br />

Studenten - tief in die Tasche greifen.<br />

Keine Studiengebühren,<br />

dafür Schulgeld<br />

Vielleicht ist es nicht gemeinhin bekannt,<br />

aber es gibt Ausbildungsberufe,<br />

für die noch immer ein monatliches<br />

Schulgeld gezahlt werden muss. Die<br />

Beträge variieren, aber nicht selten übersteigen<br />

sie sogar das Bafög für Schüler.<br />

Und trotzdem entscheiden sich viele<br />

junge Menschen für eine Ausbildung mit<br />

Schulgeld. Denn gerade diese Berufe<br />

bieten ihnen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt<br />

und können eben auch ohne<br />

Vollabitur aufgenommen werden.<br />

Ein Beispiel sind Pharmazeutisch-<br />

Technische Assistenten, kurz PTA genannt.<br />

PTA arbeiten in Krankenhäusern,<br />

Laboren, Universitäten und öffentlichen<br />

Apotheken. Doch bevor sie ihre Arbeit<br />

aufnehmen können, muss eine schulische<br />

Ausbildung an einer Berufsfachschule<br />

für PTA absolviert werden. Denn<br />

ohne staatliche Zulassung dürfen PTA<br />

nach einem Bundesgesetz nicht arbeiten.<br />

Die Ausbildung kostet Geld. In<br />

Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 200<br />

Euro pro Monat. Dazu kommen natürlich<br />

noch die Fahrtkosten zu einem der 16<br />

Schulstandorte oder Lernmaterial. Das<br />

ist nicht gerade wenig. Und ein aktueller<br />

Beschluss der Landesregierung wird dafür<br />

sorgen, dass diese Ausbildung im Sommer<br />

20<strong>13</strong> noch viel teurer wird.<br />

NRW spart: An der Bildung<br />

junger Menschen<br />

In ihrer Regierungserklärung hatte<br />

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft<br />

versprochen, dass in NRW eine kostenlose<br />

Ausbildung von der Kita bis<br />

zur Hochschule möglich sein soll. Doch<br />

nachdem die Studiengebühren medienwirksam<br />

abgeschafft wurden, scheint<br />

dieses Versprechen immer weiter in den<br />

Hintergrund zu rücken. Denn bisher hat<br />

das Land NRW die<br />

PTA-Ausbildung mit 73<br />

Euro pro Schüler gefördert.<br />

Diese Förderung<br />

hat Rot-Grün jetzt<br />

allerdings komplett<br />

gestrichen. Sparen ist<br />

angesagt - und das<br />

müssen junge Menschen<br />

auf dem Weg<br />

zur Erstausbildung nun<br />

austragen. Fast 400<br />

Euro Schulgeld sind<br />

dann ab diesem Sommer<br />

fällig. Pro Monat.<br />

Rund 2.000 Auszubildende<br />

sind betroffen.<br />

Und während sie<br />

Freunde und Bekannte<br />

mit Abitur kostenlos<br />

Studieren sehen, müssen<br />

die PTA-Schüler<br />

mit Nebenjobs ihre<br />

Bildung finanzieren.<br />

Lösungsvorschläge gibt<br />

es bereits. Die Informations-<br />

und Protestkampagne<br />

„NRW<br />

braucht PTA“ geht zur<br />

Zeit mit dem Problem<br />

an die Öffentlichkeit.<br />

Doch PTA sind nicht die einzigen. Auch<br />

für andere schulische Ausbildungsberufe<br />

wird ein hohes Schulgeld gezahlt. In der<br />

Hoffnung, einen sicheren Beruf für die<br />

Zukunft zu erlernen und später auf dem<br />

Arbeitsmarkt eine gute Chance zu erhalten.<br />

Bildungsgerechtigkeit sieht jedoch<br />

anders aus. Denn dafür sollten nicht<br />

nur Studenten die Möglichkeit zur kostenlosen<br />

Weiterbildung haben, sondern<br />

wirklich alle jungen Menschen in NRW. #<br />

Anzeige<br />

19


Bericht | Text und Foto: Lena Fiebig<br />

„Die Welt ein Theater? Ja, auf jeden Fall.“<br />

Ein Interview mit der Leitung des Jungen Theaters Münster<br />

Das Junge Theater kümmert sich vor<br />

allem um die kleinen Theaterliebhaber<br />

in unserer Stadt. Die Entscheidung, an<br />

einem Theater zu arbeiten, stand für die<br />

Leiterin Julia Dina Heße nicht von Anfang<br />

an fest. Ein Dozent an der Universität<br />

Münster machte sie auf ihren heutigen<br />

Beruf aufmerksam. Entgegen aller Vorurteile<br />

und Klischees wie: „Was willst du<br />

damit werden? Arbeitslos?“ ist sie ihren<br />

Weg bis an das Münsteraner Theater<br />

gegangen. Während unseres Gesprächs<br />

merke ich, mit wie viel Leidenschaft sie<br />

ihren Tätigkeiten als „Allround-Talent“<br />

im Theater nachgeht.<br />

~: Wann sind Sie zum ersten Mal<br />

in Ihrem Leben mit Theater in Berührung<br />

gekommen?<br />

Julia Heße: Ich bin schon früh von meinem<br />

Vater mit ins Theater genommen<br />

worden, weil er ein Mittwochs-Abo im<br />

Theater hatte. Also kam ich mit ungefähr<br />

9 Jahren das erste Mal in Kontakt mit<br />

Theater. Dort habe ich mir Oper und<br />

Kabarett angeschaut und das hat mir<br />

wahnsinnig gut gefallen. Der Geruch,<br />

der große Vorhang und die Schauspieler<br />

haben mich fasziniert.<br />

~: Wie führte Ihr Weg dann nach<br />

Münster und an das Stadttheater?<br />

Julia Heße: Nach meinem Abitur in<br />

Hagen wollte ich etwas studieren, das<br />

Anzeige<br />

„Sich fürs Nicht-Handeln zu entscheiden<br />

ist keine echte Wahl:<br />

Nicht-Handeln ist Nicht-Leben.“<br />

Dr. Moshe Feldenkrais<br />

Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl<br />

Ludgeristraße 114 Tel.: 0251-796707<br />

etwas breiter gefächert ist und womit<br />

ich in vielen Bereichen arbeiten kann.<br />

Ich habe mich dann für ein Studium der<br />

Germanistik, Philosophie, Kultur, Kommunikation<br />

und Management in Münster<br />

entschieden. Eigentlich hat mich ein Dozent<br />

an der Universität Münster ermutigt<br />

zum Theater zu gehen. Er sagte einfach<br />

nur ganz trocken: „Sie werden Dramaturgin.“<br />

Daraufhin habe ich ein Praktikum<br />

in der Dramaturgie am Theater Münster<br />

gemacht und war begeistert. Nach meinem<br />

Studium habe ich 2 Jahre am Theater<br />

in Oberhausen gearbeitet und war dort in<br />

der Dramaturgie und der Öffentlichkeitsarbeit<br />

tätig. Anschließend bin ich erneut<br />

umgezogen, um im Bereich Kinder- und<br />

Jugendtheater am Nationaltheater in<br />

Mannheim als Dramaturgin zu arbeiten.<br />

Und jetzt bin ich hier in Münster und<br />

habe einen Vertrag für drei Spielzeiten.<br />

~: Was sind die Aufgaben einer<br />

Dramaturgin?<br />

Julia Heße: Der Dramaturg ist quasi die<br />

Schnittstelle zwischen dem Stück und<br />

dem Künstler. Ich lese viel und prüfe, ob<br />

das Material zur Stadt und zum Theater<br />

passt, erstelle daraus einen Spielplan<br />

und kontaktiere Regisseure, mit denen<br />

wir zusammenarbeiten und ein Stück<br />

inszenieren möchten. Man muss sehr<br />

sprachvernarrt sein, gerne lesen, viel<br />

hinterfragen und einfach Spaß daran<br />

haben, aus verschiedenen Lektüren und<br />

Büchern die besonderen „Perlen“<br />

herauszupicken und daraus<br />

ein Stück zu entwickeln. Ich<br />

finde es wahnsinnig spannend,<br />

tolle Figuren zu entdecken, bei<br />

denen man beim Lesen wirklich<br />

Tränen in den Augen bekommt<br />

und sich schon ein Bild davon<br />

macht, wie das auf der Bühne<br />

umgesetzt wird. Ich sitze auch<br />

viel am Schreibtisch, schreibe<br />

Programmhefte und stelle theaterpädagogische<br />

Materialien<br />

Tipp!<br />

Julie und der Riese Junior<br />

oder Kein Sonntag wie jeder andere<br />

von Alain und Didier de<br />

Neck ab 4 Jahren<br />

Premiere: 21. April 20<strong>13</strong><br />

U2 - Die neue Spielstätte<br />

20


Bericht | Text und Foto: Susanne Wasielewski<br />

für Schulen zusammen. Es ist ein sehr<br />

abwechslungsreicher Job, der mir unglaublich<br />

viel Spaß macht. Ich habe auch<br />

das Gefühl, dass die Dramaturgie immer<br />

stärker wird und eine größere Rolle einnimmt<br />

als früher.<br />

~: Muss man etwas im Bereich Theater<br />

studiert haben, um in der Branche<br />

Erfolg zu haben?<br />

Julia Heße: Es ist keine Voraussetzung<br />

für einen Job beim Theater, auch genau<br />

das studiert zu haben. Wichtig sind<br />

Praktika und Erfahrungen und vor allem<br />

Belastbarkeit. Man muss sich dem Theater<br />

schon ganz verschreiben, Leidenschaft<br />

und Bereitschaft zeigen und sich da<br />

voll reinschmeißen. Idealismus gehört<br />

sicherlich auch dazu. Außerdem ist Recherchearbeit<br />

sehr wichtig und, dass man<br />

sich in Texten gut ausdrücken kann.<br />

~!: Wie muss man sich die Zusammenarbeit<br />

mit Regisseuren vorstellen?<br />

Julia Heße: Die Regisseure sind in der Regel<br />

freie Regisseure, die meist mit einem<br />

Team aus Maske/Kostüm und einem Bühnenbildner<br />

anreisen und zusammen mit<br />

uns ein Stück erarbeiten. Die Dramaturgie<br />

und die Regie arbeiten ganz eng zusammen.<br />

Der Regisseur übernimmt eher die<br />

künstlerische Rolle und der Dramaturg<br />

die leitende Rolle. Als Dramaturgin muss<br />

ich auch einen Blick darauf haben, ob<br />

das Stück verständlich ist und dem Alter<br />

der Kinder angemessen.<br />

~: Was ist das Besondere am Jungen<br />

Theater?<br />

Julia Heße: Das Junge Theater unterscheidet<br />

sich in der Zielgruppe, die ist nämlich<br />

definiert. Es fängt bei 2-3 Jahren an und<br />

das Ende des Alters ist eigentlich offen.<br />

Wir versuchen auch immer eine Ebene für<br />

Erwachsene in die Stücke miteinzubauen.<br />

Die Frage ist ja: Was für ein Theater<br />

brauchen Kinder? Kinder sind ein sehr<br />

ehrliches, aber kein kritisches Publikum,<br />

weil sie die Kriterien für Qualität noch<br />

gar nicht kennen, sie haben noch keinen<br />

Geschmack in der Richtung entwickelt.<br />

Wir versuchen mit unseren Stücken den<br />

jungen Menschen Kriterien aufzuzeigen<br />

und ihren Geschmack weiter auszubilden.<br />

~: Ist es allgemein schwer die Jugend<br />

ins Theater zu bekommen?<br />

Julia Heße: Schulen sind unsere wichtigsten<br />

Partner und Multiplikatoren! Es ist<br />

sehr schwierig „freilaufendes“ Publikum<br />

zu bekommen. Ein Sechsjähriger kann<br />

nicht alleine entscheiden, ob er ins Theater<br />

geht, da muss ein Erwachsener mit.<br />

Neben dem Theaterjugendring bieten wir<br />

auch Workshops und Kurse für theaterbegeisterte<br />

Jugendliche an. Wir versuchen<br />

das Theater so attraktiv zu machen, dass<br />

es als Freizeitangebot neben Kino und<br />

Partys genutzt wird. Wir möchten es als<br />

etwas ganz Normales etablieren.<br />

~: Wie sieht ein typischer Tag bei<br />

Ihnen am Theater aus?<br />

Julia Heße: Die Proben sind morgens<br />

von 10-14 Uhr und abends von 18-22<br />

Uhr. Wenn ich eine Produktion als Dramaturgin<br />

betreue, bin ich oft bei den<br />

Proben anwesend. Ich sitze auch viel am<br />

Schreibtisch, schreibe Texte für die Spielhefte<br />

und Programmflyer oder vereinbare<br />

Termine mit Schulen und anderen kulturellen<br />

Einrichtungen. Es ist sehr viel<br />

Organisation und Kommunikation, aber<br />

ich liebe es Menschen kennenzulernen<br />

und mit ihnen gemeinsame Projekte zu<br />

planen.<br />

~: Glauben Sie, dass Theater auf<br />

Dauer neben TV, Kino, Internet und anderen<br />

sozialen Medien Bestand hat?<br />

Julia Heße: Man nimmt Theater ja generell<br />

anders wahr, es ist live. Ein Erlebnis,<br />

das nur an dem Tag der Aufführung so<br />

passiert. Ein Schauspieler schwitzt und<br />

weint. Das sind ganz andere Dimensionen<br />

und beim Theater einzigartig. Keins<br />

von den aktuellen Medien ist schlechter<br />

oder besser! Kino ist einfacher, da wir<br />

schon als Kinder gelernt haben, Filme zu<br />

schauen und zu entschlüsseln. Theater<br />

muss man auch lernen zu entschlüsseln,<br />

damit es einem leicht fällt, es zu verstehen.<br />

Deswegen sollten Kinder früh lernen<br />

zuzuschauen.<br />

~: Was ist für Sie persönlich Theater?<br />

Julia Heße: Theater ist für mich eine<br />

extrem bereichernde und lustvolle Möglichkeit,<br />

dem Leben verschiedene schöne<br />

Wirklichkeiten entgegenzusetzen. #<br />

Gartenbesitzer, aufgepasst:<br />

Aktion „Münsters<br />

schöne Gärten“ geht<br />

ins zweite Jahr<br />

Ein Garten ist mehr als seine<br />

Bestandteile. Meist über viele Jahre<br />

entstanden, spiegelt er das Lebensgefühl<br />

und das Schönheitsempfinden<br />

seiner Besitzer wider. Er bietet<br />

Mensch und Tier Lebensraum, lädt<br />

ein zum Ausruhen, aber auch zum<br />

Gärtnern und Experimentieren.<br />

Darf ich einen – fotografischen –<br />

Blick in Ihren Garten werfen? Dann<br />

haben Sie die Chance, dass Ihr Garten<br />

in unserer Sommerreihe „Münsters<br />

schöne Gärten“ in einem der nächsten<br />

Hefte unsere Leser verzaubert.<br />

Rufen Sie mich an unter 0251-2302215<br />

oder schicken Sie mir eine E-Mail:<br />

wasielewski-muenster@t-online.<br />

de. Die diesjährige Aktion beginnt<br />

im April und endet im September.<br />

Melden Sie sich am besten schon,<br />

bevor Ihr Garten in schönster Blüte<br />

steht!<br />

21


Bericht | Text und Fotos: Christine Dedeck<br />

Aus Alt mach Trend<br />

Neue Einzelstücke aus alten Klamotten<br />

Es wird Zeit, dem Winter Ade zu sagen.<br />

<strong>Draußen</strong> wird es nicht nur langsam<br />

wärmer, die ersten Frühjahrsblüher<br />

sprießen aus der Erde. Zu dieser Zeit beginnt<br />

man im Kleiderschrank zu wühlen<br />

und nach den leichteren Klamotten aus<br />

dem letzten Jahr zu suchen. Doch jetzt<br />

mal ganz ehrlich: So manches Teil sieht<br />

ja gar nicht mehr nach Trend aus. Doch<br />

das ist kein Grund gleich in die nächste<br />

Boutique zu flitzen. Aus den Klamotten<br />

vom letzten Jahr lassen sich wunderbar<br />

neue und angesagte Einzelstücke machen.<br />

Print-Leggins<br />

Bedrucken beginnt. Danach gut trocknen<br />

lassen - und fertig ist die selfmade Leggins<br />

mit angesagtem Art-Print.<br />

schönes Muster entstanden. Stempeln,<br />

fertig, anziehen! #<br />

22<br />

Einfarbig schwarz oder marineblau - das<br />

war einmal. Strumpfhosen und Leggins<br />

gibt es inzwischen in vielen modernen<br />

Farben wie petrol oder senfgelb. Dazu<br />

wird die sexy Beinbekleidung immer<br />

häufiger mit angesagten Prints bedruckt.<br />

Und das kann man zu Hause ganz einfach<br />

nachmachen.<br />

Das braucht ihr<br />

eine alte Leggins oder Strumpfhose aus<br />

Nylon, Stofffarbe für Textilien aus Kunstfaser,<br />

Schwamm oder Pinsel, eine Motivschablone<br />

und zwei Stückchen Pappe mit<br />

abgerundeten Ecken.<br />

So geht‘s<br />

Aus dünner Pappe könnt ihr ein Motiv<br />

ausschneiden, zum Beispiel ein Herz.<br />

Denkt daran, das Motiv nicht zu groß zu<br />

machen, schließlich dehnt sich die Leggins<br />

beim Anziehen und damit auch das<br />

Motiv. Zieht eure Leggins kurz einmal an<br />

und markiert die Stelle, die ihr bedrucken<br />

möchtet, zum Beispiel mit Schneiderkreide.<br />

Breitet dann die Leggins auf dem<br />

Boden aus und schiebt eure abgerundete<br />

Pappe in die Beine, genau unter eure<br />

Markierung. Legt eure Schablone auf und<br />

tragt die Farbe auf. Wichtig ist, das die<br />

Pappe in der Leggins den Stoff spannt,<br />

sonst wirft er Falten, sobald ihr mit dem<br />

Mach‘s geometrisch<br />

Dreiecke, Kreise oder Chevron-Muster -<br />

Geometrie liegt voll im Trend. Nicht im<br />

Klassenzimmer, sondern auf lässigen<br />

Klamotten. Mit den Mustern kann man<br />

zum Beispiel den einfachen Jeansrock<br />

aus dem letzten Sommer in ein hippes<br />

Einzelstück verwandeln.<br />

Das braucht ihr<br />

Jeansrock oder Shorts, etwas Pappe als<br />

Unterlage, Stofffarbe, ein Radiergummi,<br />

ein scharfes Messer und einen Weinkorken.<br />

So geht‘s<br />

Zeichnet mit Bleistift eine Form auf das<br />

Radiergummi. Mit einem scharfen Messer<br />

zieht die Konturen eures Motivs nach.<br />

Danach könnt ihr vorsichtig das Gummi<br />

um euer Motiv wegschneiden. Einfache<br />

Formen wie ein Dreieck könnt ihr auch<br />

komplett ausschneiden. Klebt euer Motiv<br />

auf einen Weinkorken und schon habt ihr<br />

einen selbst gemachten Stempel. Damit<br />

könnt ihr nun euer Kleidungsstück mit<br />

der Stofffarbe bedrucken. Im Beispiel<br />

auf den Fotos ist aus einem Dreieck ein


Bericht | Text: Bernd Mülbrecht<br />

Kurz und Knapp<br />

Freud und Leid liegen manchmal dicht beieinander<br />

Liebe ~ – Leserinnen<br />

und Leser,<br />

heute darf ich mich persönlich an Sie<br />

wenden, um Sie über das Schicksal eines<br />

62jährigen bulgarischen Mannes, der<br />

aktuell in unserem Haus lebt, zu informieren.<br />

Er ist einer von vielen Menschen, die im<br />

Rahmen der Erweiterung der Europäischen<br />

Union zwecks Arbeitssuche nach<br />

Deutschland gekommen ist. Ein Teil der<br />

Menschen findet aufgrund unterschiedlicher<br />

Ursachen keinen Zugang zum<br />

Arbeitsmarkt und ist deshalb auf Hilfen,<br />

auch auf Hilfen der Wohnungslosenhilfe<br />

angewiesen.<br />

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im<br />

Haus der Wohnungslosenhilfe mit seinen<br />

niedrig-schwelligen Erst- und Basisversorgungshilfen<br />

wider.<br />

So stammten im Akutunterbringungsbereich<br />

in der Notunterkunft im ehemaligen<br />

HuK – Gebäude im Jahre 2012 von<br />

insgesamt 462 Bewohnern, 152 Personen<br />

aus Ländern der Europäischen Union. Besonders<br />

stark vertreten waren Menschen<br />

aus der Slowakei, Polen, Rumänien, Bulgarien<br />

und aus den baltischen Ländern.<br />

Allen Unionsbürgern, die noch nicht in<br />

Deutschland gearbeitet haben und sich<br />

zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten<br />

ist der Zugang zu Transferleistungen<br />

verwehrt. Sie sind einem besonders<br />

hohen Armutsrisiko ausgesetzt.<br />

Dramatisch ist die Lebenslage dieser<br />

Menschen, wenn sie krank werden,<br />

schwanger sind oder Verantwortung für<br />

Kinder oder pflegebedürftige Verwandte<br />

haben. Häufig sind die Menschen nicht<br />

krankenversichert oder die Krankenkasse<br />

in den Herkunftsländern ist nicht bereit<br />

anstehende Kosten zu übernehmen.<br />

Und genau so verhält es sich bei diesem<br />

Bulgaren. Bei ihm wurde eine schwere<br />

Tumorerkrankung festgestellt. Die kostspielige<br />

Behandlung vom ca. 55.000 Euro<br />

wird ihm nicht gewährt, da die Krankenkasse<br />

in Bulgarien die Kosten nicht<br />

übernimmt und er in der Bundesrepublik<br />

Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen<br />

durchsetzen kann. Ich möchte<br />

Sie nunmehr herzlich um eine Spende<br />

für den Schwerkranken bitten, damit<br />

eine Behandlung im Franziskus-Hospital<br />

einsetzen kann. Für weitere Informationen<br />

stehe ich selbstverständlich zur<br />

Verfügung.<br />

Herzlich Dank.<br />

Bankkonto: DKM<br />

Kto.-Nr.: 3594003, BLZ: 40060265<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Bernd Mülbrecht<br />

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.<br />

Sie sind die Söhne und Töchter der<br />

Sehnsucht des Lebens nach sich selber.<br />

Sie kommen durch euch,<br />

aber nicht von euch,<br />

Und obwohl sie mit euch sind,<br />

gehören sie euch doch nicht.<br />

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,<br />

aber nicht eure Gedanken,<br />

Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.<br />

Ihr dürft ihren Körpern ein Haus<br />

geben, aber nicht ihren Seelen,<br />

Denn ihre Seelen wohnen im Haus<br />

von morgen, das ihr nicht besuchen<br />

könnt, nicht einmal in euren Träumen.<br />

Ihr dürft euch bemühen, wie<br />

sie zu sein, aber versucht nicht,<br />

sie euch ähnlich zu machen.<br />

Denn das Leben läuft nicht rückwärts,<br />

noch verweilt es im Gestern.<br />

Ihr seid die Bogen, von denen<br />

eure Kinder als lebende Pfeile<br />

ausgeschickt werden.<br />

Der Schütze sieht das Ziel auf<br />

dem Pfad der Unendlichkeit,<br />

und Er spannt euch mit Seiner<br />

Macht, damit seine Pfeile<br />

schnell und weit fliegen.<br />

Laßt euren Bogen von der Hand des<br />

Schützen auf Freude gerichtet sein;<br />

Denn so wie Er den Pfeil liebt,<br />

der fliegt, so liebt er auch<br />

den Bogen, der fest ist.<br />

(Khalil Gibran)<br />

Afram Stefan Oprea<br />

Geb. 11.03.20<strong>13</strong><br />

3220 gr.<br />

51 cm<br />

Wir freuen uns mit den glücklichen<br />

Eltern Anita Oprea und Florin Cristea<br />

23


Bericht | Text: Julia Hagemann | Foto: Anna Kopetsch<br />

Columne: „~“ auf Cuba<br />

Taler vom Stern ...<br />

Ne kleine Deern, diesmal ne andre,<br />

die sagte: „Ich geh raus und wandre!“<br />

und packte sich ganz kuschlig ein<br />

mit Jacke, Mütze, Schal, und kein<br />

Momentchen war ihr anfangs kalt.<br />

Da sah sie einen, kahl und alt,<br />

der hatte rauhbereifte Ohren<br />

und hat auch sonst ganz schlimm gefroren.<br />

Das Mädel ahnte, was da nütze,<br />

und gab dem Mann die wollne Mütze.<br />

Sie zog sich die Kapuze auf<br />

und eilte dann im Dauerlauf<br />

zum Wald, das ist im Märchen immer<br />

die erste Wahl statt Kinderzimmer.<br />

Da stand ein blaugefrorner Junge,<br />

dem rasselte es in der Lunge,<br />

das Mädel schlüpfte aus der Jacke:<br />

„Hier, nimm! Sie hat zwar schon ne<br />

Macke,<br />

doch wärmt sie immer noch ganz gut.“,<br />

was man als Christ so eben tut.<br />

Dem nächsten Kind gab ganz banal<br />

sie Mutters selbstgestrickten Schal,<br />

denn sie begriff in dieser Nacht,<br />

dass Zeug verschenken Freude macht.<br />

Dem ersten besten alten Weibchen<br />

gab sie ihr schlank geschnittnes Leibchen,<br />

wenngleich es obenrum sehr spannte.<br />

Und gleich die nächste Unbekannte<br />

die ohne Rock den Wald durchschritt,<br />

bekam ihr Kinderröckchen mit.<br />

Ein Knabe, barfuß nach den Sümpfen,<br />

sprang fort in ihren Schuhn und Strümpfen,<br />

und einer beinahe nackten Maid<br />

gab sie ihr Thermo-Unterkleid,<br />

so ganz spontan und ohne Zieren.<br />

Jetzt war sie selber doch am Frieren<br />

und spürte fast ein wenig Reue,<br />

doch schnell besann sie sich aufs Neue,<br />

denn, wunderts dich? Wer kam vorbei?<br />

Ein ganz kompletter Nackedei!<br />

Mit Gänsehaut. Und ungekämmt.<br />

Dem gab das gute Kind sein Hemd<br />

und stand nun, scheints auch abgeschmackt,<br />

im tiefsten Wald Modell fürn Akt.<br />

Ein Modezar entdeckte sie,<br />

als er vorbeifuhr, und er schrie:<br />

„Das Kind da! Handy! Fax! Depesche!<br />

Das modelt meine Teeniewäsche!“<br />

Er hüllte sie (halt doch verklemmt)<br />

in ein besticktes Seidenhemd<br />

und zog sie in die Limousine,<br />

wobei er raunte, dass ihm schiene,<br />

sie sei vom Himmel ihm geschickt.<br />

Das Kind hat dazu nur genickt.<br />

Weil sowas jeder gerne liest,<br />

und herzhaft „Bild“ und „Stern“ genießt,<br />

wird sie - so ist der Lauf der Welt -<br />

berühmt und kriegt ein Schweinegeld<br />

für ihren jugendlichen Charme.<br />

Die sie beschenkt’, sind heut noch arm.<br />

Das wird fürn Broadway jetzt vertont.<br />

Da hat sichs Schenken doch gelohnt! #<br />

Julia Hagemann ist Autorin und<br />

Musikkabarettistin. Ihre Art könnte<br />

man - was Beobachtungsgabe,<br />

absurde Wendungen und Wortwitz<br />

betrifft - als eine Mischung aus Loriot,<br />

Per Anhalter durch die Galaxis<br />

und Georg Kreisler beschreiben. Ihre<br />

herrlich süffisanten Texte und Lieder<br />

macht sie allerdings selbst. Julia<br />

Hagemann ist auf eine liebevolle,<br />

selbstironische Art gemein und brüllend<br />

komisch, ohne sich mit lahmen<br />

Witzen unter der Gürtellinie oder mit<br />

aggressiven, beleidigenden Ausfällen<br />

aufzuhalten.<br />

Julia Hagemann tritt mit ihrem Soloprogramm<br />

am 5.4. um 20 Uhr im<br />

Cafe Arte auf.<br />

„~ auf cuba“ ist die die<br />

Columne der offenen Kabarettbühne<br />

„Cubarett“ in der ~ Die<br />

Columne ist der Ort für die Künstler<br />

des Cubarett ihr gesprochenes Wort<br />

auch lesenden Augen zu Gehör zu<br />

bringen. Das nächste Cubarett findet<br />

am 1.4.20<strong>13</strong> um 20 Uhr im Cuba Nova<br />

statt. Mit dabei: Andreas Weber, Michael<br />

Prinzhorn, Lars Golenia, Marian<br />

Heuser und Lennart Knebel!<br />

www.cubarett.de<br />

24


Bericht | Text: RA Annette Poethke<br />

§<br />

Neues aus dem Arbeitsrecht<br />

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag?<br />

Muss ich als Arbeitnehmer schon am ersten Krankheitstag die<br />

Arbeitsunfähigkeitbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen?<br />

Das Bundesarbeitsgericht musste sich mit folgendem Fall befassen:<br />

Die Arbeitnehmerin Annika hatte von ihrem Chef Cäsar die<br />

schriftliche Aufforderung erhalten, bei künftigen Krankheitsfällen<br />

schon ab dem ersten Tag der Erkrankung ein ärztliches<br />

Attest vorzulegen. Annika wehrt sich dagegen und klagt vor dem<br />

Arbeitsgericht auf Rücknahme dieser Anordnung.<br />

Letztinstanzlich entschied das BAG, dass die Klage von Annika<br />

unbegründet sei. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung von Cäsar,<br />

wonach er bereits am ersten Krankheitstag die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />

begehrte, sei von § 5 I 3 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz)<br />

gedeckt, wonach der Arbeitgeber die Vorlage<br />

der ärztlichen Bescheinigung früher verlangen kann. Er müsse<br />

eine solche Anordnung auch nicht begründen; auch sei es nicht<br />

erforderlich, dass er aufgrund des Verhaltens von Annika in der<br />

Vergangenheit darauf schließe, dass sie Krankheiten vortäusche.<br />

Also kann Cäsar als Chef die Vorlage der AU bereits am<br />

ersten Krankheitstag ohne jede Begründung verlangen.<br />

vgl. BAG, Urteil vom 14.11.2012 –5 AZR 886/11= BeckRS 20<strong>13</strong>, 65146<br />

Der Arbeitsgeber darf allerdings die Anordnung über die vorzeitige<br />

Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht<br />

willkürlich ausüben, sondern er muss auch den allgemeinen<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz beachten und Diskriminierungsverbote.<br />

Aus der bisherigen Übung im Betrieb dürfe sich auch nicht<br />

ergeben, dass der Arbeitgeber auf das Recht einer vorzeitigen<br />

Vorlage verzichtet habe. Bei Betrieben mit Betriebsrat ist das<br />

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei einer derartigen<br />

Anordnung zu beachten. #<br />

Trine ist eine äußerst menschenbezogene<br />

Katze von 4 Jahren, die ihren<br />

Dosenöffner mit ihrer verspielten Art<br />

locker um die Pfote wickeln kann. Der<br />

Mensch spielt in ihrem Leben eine sehr<br />

wichtige Rolle, mehr als ihre Artgenossen.<br />

So möchten wir sie unbedingt als<br />

Einzelkatze in einen freundlichen Haushalt,<br />

der der Katzensprache mächtig ist.<br />

Gerne können auch ältere Kinder dort<br />

leben. Eine Vermittlung als Zweitkatze<br />

möchten wir eher ausschließen, da sie<br />

in ihrem alten Zuhause häufig draußen<br />

von einem auf dem Grundstück<br />

lebenden erwachsenen Kater gemobbt<br />

wurde.<br />

Spielen und Schmusen möchte sie gerne<br />

mit ihrem Dosenöffner teilen, wobei<br />

sie aber selbst entscheiden möchte,<br />

wann dafür die richtige Zeit ist. Wenn<br />

sie müde ist, schläft sie schnurrend<br />

auf dem Sofa und genießt die Ruhe.<br />

Trine sollte aufgrund ihrer täglichen<br />

ausgiebigen Spaziergänge ein schönes<br />

Gartenumfeld angeboten werden, wo<br />

sie mit viel Freude ihre Leidenschaft<br />

ausleben darf. #<br />

Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de<br />

25


Buchtipp | Text: Michael Heß<br />

Lesen<br />

Robert Krieg, Daniel Daemgen: “...und über uns kein Himmel”<br />

Neben der Behandlung der Ostflüchtlinge<br />

in der neuen Heimat sind die<br />

unmenschlichen Zustände in den Kinderheimen<br />

der Nachkriegszeit das letzte<br />

Tabu der bundesdeutschen Geschichte.<br />

Bis in die 70er Jahren genügten die<br />

Standards in den Heimen keinesfalls<br />

den blumigen Reden in Politik und<br />

andernorts über im Westen garantierte<br />

Menschenrechte. Man darf es auch<br />

so formulieren: Bis in die 70er Jahre<br />

gab es jede Menge rechtsfreier Räume<br />

innerhalb der massiv beschworenen<br />

“freiheitlich-demokratischen Grundordnung”.<br />

Und das ganz legal. Noch ein<br />

interessantes Detail am Rande: Es waren<br />

genau diese inhumanen Zustände in<br />

den Kinderheimen, die die junge Journalistin<br />

Ulrike Meinhoff radikalisierten.<br />

Das Ende ist bekannt.<br />

Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg<br />

2012 | 96 Seiten | Preis 14,90 EUR. |<br />

ISBN 978-3-939<strong>04</strong>5-18-2<br />

Der Münsteraner Soziologe Dr.<br />

Robert Krieg erzählt in den sparsambeklemmenden<br />

Zeichnungen des Gymnasiallehrers<br />

Daniel Daemgen eine wahre<br />

Geschichte. Fritz Blume überlebt 1936 als<br />

Einjähriger den Suizidversuch seiner<br />

Mutter samt Geschwistern. Er wird in das<br />

Lippstädter Johannes-Waisenhaus (und<br />

später in weitere Heime) eingewiesen<br />

und gelangt dadurch unwissentlich in<br />

die Mühlen der nazistischen Euthanasie.<br />

Obwohl er das Verschwinden vieler Kinder<br />

registriert, dämmert ihm die Gefahr<br />

für sein Leben erst nach Jahren. “Versuch<br />

dich nützlich zu machen. Sie dürfen dich<br />

auf keinen Fall ins Erdgeschoss bringen.<br />

Da kommt kein Kind mehr lebend raus”,<br />

warnt ihn die wohlmeinende Leiterin der<br />

Nähstube in einem der Heime. Der längst<br />

als “erblich minderwertig” eingestufte<br />

Fritz Blume begreift schnell, er passt sich<br />

an und überlebt die Nazis. Rund 200.000<br />

Heiminsassen hatten dieses Glück nicht.<br />

Doch sein Martyrium in Heimen der<br />

“öffentlichen Fürsorge” dauert bis 1953.<br />

Zwar bedrohte ab 1945 keine nazistische<br />

Euthanasie mehr das Leben der Insassen.<br />

Aber niemand zählte die traumatisierten<br />

Opfer, die als Unfall verdeckten Morde<br />

und Selbstmorde. Für die wehrlosen<br />

Insassen änderte sich faktisch nichts. Es<br />

gab sie, die Kontinuität aus eugenischen<br />

Meinungen über “nutzlose Esser” und<br />

“sozial Minderwertige”, praktizierten<br />

Sadismus, sexuellen Missbrauch und den<br />

Ausschluss von jeder höheren Bildung. In<br />

der Summe ein Päckchen, mit dem, in ein<br />

erfolgreiches Leben zu starten, unmöglich<br />

war. Kaum einer der Insassen fand später<br />

den Weg in die Öffentlichkeit. Fritz Blume<br />

ist bis heute eine der ganz wenigen<br />

Ausnahmen.<br />

Besonders beklemmend sind die in<br />

die Geschichte eingeschobenen Informationen<br />

zu den Tätern: den Vinzentinerinnenschwestern,<br />

den Pfarrer August<br />

Heide, den Schulrektor Josef Sasse, die<br />

Psychiater Dr. Theodor Niebel und Dr. Fritz<br />

Wernickel (Fritz Blume: “Sie haben nie ein<br />

Wort mit uns gesprochen”). Alle waren sie<br />

wissentlich Bestandteil des mörderischen<br />

Systems, aber niemand von ihnen wurde<br />

nach 1945 für sein Tun belangt. Wie der<br />

an den Tötungen “erbkranker Kinder”<br />

aktiv beteiligte Psychiater Dr. Heinrich<br />

Stolze setzten sie ihre Karriere nach alibimäßiger<br />

Entnazifizierung ungebrochen<br />

fort. Fritz Blume versuchte noch in den<br />

70er Jahren vergeblich, mit den Tätern ins<br />

Gespräch zu kommen. Für die Fritz Blumes<br />

hat es bis heute nie einen Himmel<br />

gegeben.<br />

Die aufwühlende Graphic Novel von<br />

Robert Krieg und Daniel Daemgen fügt<br />

sich ein in die endlich beginnende Aufarbeitung<br />

des Themas. Die Opfer zu rehabilitieren<br />

und die Täter zur Rechenschaft<br />

zu ziehen, ist es höchste Zeit. Die beiden<br />

Autoren tragen einen Gutteil bei. Die lakonische<br />

Sprache Kriegs ist der Geschichte<br />

ebenso angemessen wie der spröde Strich<br />

Daemgens, der den lesenden Betrachter<br />

unweigerlich in seinen Bann zieht und<br />

die Gedanken auf das Wesentliche hinlenkt.<br />

“...und über uns kein Himmel”<br />

taugt zur schulischen Pflichtlektüre. #<br />

26


Rezepte | Text: Markus Kipp<br />

Löffellamm mit Fladenbrot<br />

Das Osterlamm hat wie viele unserer Symbole zu Feiertagen<br />

einen religiösen Hintergrund. Es wird auch Lamm Gottes<br />

(lat. „Agnus Dei“) genannt und entspringt dem christlichen<br />

Glauben. Das Lamm mit dem Kreuz ist ein Symbol für Jesus<br />

Christus und seine Auferstehung. Der österliche Brauch, Lämmer<br />

zu schlachten, ging bereits im Mittelalter stark zurück.<br />

Bis heute hat sich die Tradition des Osterlamms hauptsächlich<br />

griechisch-orthodoxen Kirche gehalten und ist Teil der<br />

jährlichen Osterfeierlichkeiten. Doch auch in der Religion der<br />

westlichen Christen hat das Osterlamm seine traditionelle<br />

Bedeutung – die Erinnerung an die Unschuld und das Leiden<br />

Christi – nicht gänzlich verloren. #<br />

Fladenbrot<br />

Zutaten<br />

• 500 g Mehl (Type 550)<br />

• 1 Würfel frische Hefe (ca. 40 g)<br />

• 1 TL Zucker<br />

• Salz<br />

• 4 EL Olivenöl<br />

• 1 Eigelb<br />

• 2 EL Sesam<br />

• 2 TL Schwarzkümmelsamen<br />

• Mehl zum Arbeiten, Backpapier für<br />

das Blech<br />

Zubereitung<br />

Das Mehl in eine große Rührschüssel<br />

sieben. In die Mitte mit einem Löffel eine<br />

Mulde drücken. Die Hefe hineinbröckeln<br />

und 5 EL lauwarmes Wasser über die<br />

Hefe gießen. 1 Prise Salz und 1 TL Zucker<br />

zufügen. Hefe mit dem Wasser und 2– 3<br />

EL Mehl vom Rand mit einer Gabel zu<br />

einem dicken Brei verrühren. Vorteig mit<br />

etwas Mehl bestäuben. Die Schüssel mit<br />

einem Tuch abdecken. Den Hefeansatz<br />

bei Zimmertemperatur 15 Min. gehen lassen,<br />

bis das Mehl auf der Oberfläche Risse<br />

zeigt. Olivenöl und das übrige Wasser<br />

dazugeben. Alles mit den Knethaken des<br />

Handmixers zu einem glatten Teig verkneten<br />

– er soll sich vom Schüsselboden<br />

lösen. Die Arbeitsfläche mit Mehl bestäuben.<br />

Den Teig darauf mit den Handballen<br />

noch 5 Min. kräftig durchkneten. Einen<br />

Teigkloß formen, zurück in die Schüssel<br />

legen, mit einem Tuch abgedeckt 30<br />

min. gehen lassen. Den Teig nochmals<br />

durchkneten, dann halbieren und auf der<br />

bemehlten Arbeitsfläche zu zwei Kugeln<br />

formen. Mit den Händen von der Mitte aus<br />

zu zwei flachen, runden Fladen (25 cm Ø)<br />

drücken, die Ränder sollen etwas wulstig<br />

bleiben. Ein Backblech mit Backpapier<br />

belegen und einen Fladen darauflegen.<br />

Vier Finger einer Hand geschlossen halten,<br />

die Fingerspitzen in Wasser tauchen<br />

und damit in die Fladen Reihen von<br />

Vertiefungen erst längs, dann quer drücken,<br />

sodass ein Rautenmuster entsteht.<br />

Backofen auf 220° (Umluft 200°) vorheizen.<br />

Eigelb und 1 EL Wasser verquirlen<br />

und die Fladen damit einpinseln. Sesam<br />

und Schwarzkümmel darüberstreuen.<br />

15 Min. zugedeckt gehen lassen. Fladen<br />

nacheinander (bei Umluft zusammen)<br />

im Ofen (2. Schiene von unten) in 15– 20<br />

Min. hellbraun backen. Herausnehmen<br />

und auf einem Kuchengitter auskühlen<br />

lassen.<br />

Löffellamm<br />

Zutaten<br />

••<br />

1 große Lammkeule mit Knochen<br />

••<br />

5 große Knoblauchzehen in kleine<br />

Stifte geschnitten<br />

••<br />

4 EL Olivenöl<br />

••<br />

1 Zweig Rosmarin<br />

••<br />

8 Blätter Salbei<br />

••<br />

1 Bund Suppengrün, gewürfelt<br />

••<br />

2 Zwiebeln gewürfelt<br />

••<br />

10 Aprikose(n), getrocknete<br />

••<br />

1 Flasche Rotwein, nicht zu trocken<br />

••<br />

2 Becher saure Sahne<br />

••<br />

Salz<br />

••<br />

Pfeffer, schwarz<br />

••<br />

Sojasauce<br />

••<br />

Brühe, gekörnte, Fleischextrakt o.ä.<br />

nach Bedarf<br />

••<br />

2 Becher Joghurt<br />

••<br />

2 TL Honig<br />

••<br />

125 g Haselnüsse und Walnüsse gemahlen<br />

••<br />

1 Prise Cayennepfeffer<br />

Zubereitung<br />

Den Backofen auf 150 °C vorheizen. Die<br />

Lammkeule abwaschen und abtupfen,<br />

Fett möglichst entfernen. Mit einem<br />

Messer mehrmals ca. 2 cm tief einstechen<br />

und die Knoblauchstifte darin „verstecken“.<br />

Mit 2 EL Öl beträufeln und gut<br />

einmassieren.<br />

In einem geeigneten Bräter das restliche<br />

Öl erhitzen und die Keule rundum anbraten.<br />

Das Suppengrün und die Zwiebeln<br />

zugeben und mit anrösten. Salzen und<br />

pfeffern. Mit einem viertel Liter Rotwein<br />

ablöschen, Rosmarin, Salbei und<br />

Aprikosen dazugeben. Fest zugedeckt in<br />

den vorgeheizten Backofen stellen. Die<br />

Lammkeule jede Stunde wenden, dabei<br />

mit zwei EL saurer Sahne bestreichen und<br />

Rotwein nachfüllen. Nach viereinhalb<br />

Stunden den Deckel abnehmen, den<br />

restlichen Rotwein angießen und den<br />

Rest saure Sahne vom ersten Becher<br />

dazugeben. Während der Bratzeit Joghurt<br />

mit Nüssen, Cayennepfeffer und Honig<br />

verrühren.<br />

Nach fünf Stunden mit einem Löffel<br />

probieren, ob sich das Fleisch vom Knochen<br />

löst. Wenn nicht, einfach noch Zeit<br />

zugeben und gelegentlich mit der Soße<br />

begießen. Keule dann aus dem Bräter<br />

nehmen, Ofenhitze auf <strong>80</strong> °C reduzieren<br />

und das Fleisch auf einer Platte im Ofen<br />

warmhalten. Den Bräter auf dem Herd<br />

erhitzen, evtl. etwas heißes Wasser zugeben<br />

und den Bratensatz am Rand lösen.<br />

Dann alles durch ein Sieb geben und gut<br />

ausdrücken. Evtl. Fett abschöpfen, dann<br />

den zweiten Becher saure Sahne mit dem<br />

Schneebesen einrühren, mit der Sojasauce<br />

und falls gewünscht mit Fleischextrakt<br />

oder gekörnter Brühe abschmecken und<br />

nochmal schön heiß werden lassen. Die<br />

Keule im Ganzen servieren und am Tisch<br />

mit dem Löffel zerteilen. Die Fleischstücke<br />

auf dem Teller mit der Rotweinsauce<br />

nappieren, in die Joghurt-Nuss-Sauce<br />

dippen und genießen. #<br />

27


Bericht | Text: Horst Gärtner<br />

Ihr ~ - Verkäufer hat die Nummer:<br />

Schlussakkord<br />

Wenn man genau hinschaut, verziehen sich –im übertragenen<br />

Sinne- im Laufe des Tages ganz oft die Wolken, die Sonne<br />

scheint, auch wenn der Himmel bedeckt ist und es regnet oder<br />

schneit!<br />

Unsere Straßenverkäuferinnen und Straßenverkäufer – nicht<br />

jede/r und nicht jeden Tag - erleben immer wieder Zeichen,<br />

immer wieder zwischenmenschliche Brückenschläge; da gibt<br />

es ein aufmunterndes Wort, vielleicht sogar ein Gespräch, da<br />

wird der Verkaufspreis des Straßenmagazins aufgerundet, da<br />

kommt eine Frau, die für die kleine Familienzusammenkunft<br />

eingekauft hat und zweigt von ihrem Einkauf zwei Würstchen<br />

ab; eine für den Verkäufer und eine vielleicht für den Hund, der<br />

sie mit großen Augen anschaut.<br />

Das und Vieles mehr gibt unseren Verkäuferinnen und Verkäufern<br />

das Gefühl: „Wir gehören dazu!“, wärmt sie, auch wenn es<br />

draußen kalt ist. Die Verkäuferinnen und Verkäufer erzählen es<br />

uns oft in der Redaktion und wir freuen uns mit ihnen; da sieht<br />

man, wie kleine Zeichen mitmenschlicher Zuwendung eine<br />

Kettenreaktion auslösen. Zum Ausklang eine andere freundliche<br />

Alltagsepisode. Ich gehe vom Parkplatz zum Supermarkt. Davor<br />

wie üblich der große „Parkplatz“ für die Einkaufswagen; auf der<br />

einen Seite der für Eltern mit Kindern, da können die Kinder<br />

vorne in ein kleines Auto einsteigen und auf der anderen Seite<br />

die für den „Großeinkauf“. Ich sehe ein etwa 3-jähriges Kind,<br />

das in das kleine Auto vor dem Einkaufswagen eingestiegen<br />

ist und das jämmerlich weint, weil die Mutter auf der anderen<br />

Seite den großen Einkaufswagen nehmen will. Der Junge<br />

schluchzt herzzerreißend. Ich gehe zum Auto zurück, habe dort<br />

einen kleinen Stoff-Seehund, der bequem in meine Handfläche<br />

passt, gehe zu dem Kleinen und sage „Wenn Du jetzt mit Mama<br />

zum Einkaufen gehst und hier aussteigst, dann bekommst Du<br />

diesen kleinen Seehund.“ Der Junge schaut mich an, hört auf<br />

zu weinen, nimmt seine Mutter bei der Hand und geht zu den<br />

anderen Einkaufswagen; meinen kleinen Seehund nimmt er<br />

nicht.<br />

Ich gehe ein paar Kleinigkeiten einkaufen, komme wieder heraus,<br />

sehe die Mutter mit dem kleinen Jungen bei den großen<br />

Einkaufswagen; er weint schon wieder bitterlich und will nicht<br />

mit in den Supermarkt. Ich gehe wieder hin, öffne wieder meine<br />

Hand, sage: Wenn du jetzt mit Mutter mitgehst, bekommst Du<br />

den Seehund noch“. Der Kleine schaut mich an, schnappt sich<br />

den Seehund, sagt „Danke“ und geht mit seiner Mutter in den<br />

Supermarkt. Der Himmel ist wolkenverhangen und trotzdem ein<br />

Sonnenstrahl.<br />

Ich wünsche Ihnen und mir, dass der März den Frühling immer<br />

stärker herauslässt, dass der Winter sich wieder am Süd- oder<br />

am Nordpol verkriecht und dass er uns bis zum nächsten Winter<br />

in Ruhe lässt.<br />

Ihr<br />

Horst Gärtner<br />

Erster Vorsitzender ~ e.V.<br />

Alistar ist ein junger, wunderschöner<br />

und selbstbewusster Rüde. Seit seiner<br />

Ankunft in unserem Tierheim hat er sich<br />

schon toll entwickelt. Nach anfänglichen<br />

Schwierigkeiten mit der Leine und<br />

Geschirr, genießt er nun jeden Spaziergang<br />

und freut sich darauf, die Welt mit<br />

seinem neuen Besitzer zu entdecken.<br />

Menschen findet er nämlich klasse<br />

und ist für Streicheleinheiten immer<br />

zu haben. Alistar zeigt sich einerseits<br />

wie ein „Junger Wilder“ und tobt gern<br />

ausgelassen herum. Andererseits ist<br />

er aber auch sensibel und mag es gar<br />

nicht, bedrängt zu werden. Daher<br />

sollte man ihn ruhig und geduldig an<br />

für ihn unbekannte Dinge heranführen.<br />

Artgenossen finden nicht immer sein<br />

Wohlwollen, lernt er sie aber in einer<br />

ruhigen und entspannten Atmosphäre<br />

kennen, gibt es keine Probleme. Da er<br />

einen deutlichen Jagd- und Schutztrieb<br />

entwickelt, ist der Besuch einer Hundeschule<br />

unerlässlich.<br />

Tierfreunde Münster<br />

Kötterstraße 198<br />

48157 Münster<br />

0251 325058<br />

28


Juris Straßenpoesie<br />

Wen interessiert‘s denn schon?<br />

Alle wissens ganz genau;-<br />

Abends aus der Tagesschau:<br />

Tote Kinder, Blut und Dreck,<br />

doch wir schaun ja lieber weg,<br />

denn wir sind ja informiert,<br />

was am Tage so passiert:<br />

Bomben, Drogen, Korruption,-<br />

doch wen interessierts denn schon?<br />

Ist ja eigentlich auch egal,<br />

denn wir spürn ja nicht die Qual!<br />

Doch wenns uns dann mal berührt;<br />

Wird gleich ein Angsttanz aufgeführt<br />

meist ists dann zwar schon zu spät,-<br />

Doch man erntet,-<br />

wie man sät!<br />

Fällt dann die Bombe gerade auf dein Haus,<br />

ists mit dem Leben eben aus!<br />

Doch alle wissens ganz genau-<br />

Morgen aus der Tagesschau!<br />

Doch wen interssiert denn schon?<br />

29


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