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Stadt an Fluss, Straße und Schiene - Bezirk Oberfranken

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Lichtenfels oder Hochstadt. Der L<strong>an</strong>dtag entschied schließlich<br />

1890 zugunsten von Lichtenfels <strong>und</strong> stellte erhebliche<br />

Mittel für den Ausbau des Bahnhofs zur Verfügung, nicht zuletzt<br />

auf Betreiben von Adam Wenglein (1833-1915), der von<br />

1870 bis 1912 als Bürgermeister <strong>an</strong> der Spitze der <strong>Stadt</strong> st<strong>an</strong>d<br />

<strong>und</strong> zugleich von 1876 bis 1899 der Kammer der Abgeordneten<br />

des bayerischen L<strong>an</strong>dtags <strong>an</strong>gehörte. Mehr denn je bestimmte<br />

fort<strong>an</strong> die Bahn das Leben in Lichtenfels; die Bahner<br />

stellten 1914 ein Fünftel bis ein Viertel der Einwohnerschaft.<br />

Baupl<strong>an</strong> für das Haus des Korbhändlers Sigm<strong>und</strong> Zinn in der<br />

Bahnhofstraße, errichtet 1887 in modifizierter Weise.<br />

Nicht zuletzt d<strong>an</strong>k ihnen, so betonte 1906 ein Kommunalpolitiker,<br />

könnten „38 Bierwirtschaften <strong>und</strong> Restaurationen,<br />

21 Metzgereien, 21 Spezerei- <strong>und</strong> Colonialwarenh<strong>an</strong>dlungen,<br />

11 Bäckereien, 10 Schnitt- <strong>und</strong> Modewarenh<strong>an</strong>dlungen, sowie<br />

ein Kaufhaus“ in der <strong>Stadt</strong> bestehen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des raschen Bevölkerungszuwachses herrschte in<br />

Lichtenfels über Jahrzehnte eine vielbeklagte Wohnungsnot.<br />

Der Vorst<strong>an</strong>d des Amtsgerichts, der nicht über eine Dienstwohnung<br />

verfügte, stöhnte 1884, er habe sich l<strong>an</strong>ge Zeit „mit<br />

zu kleinen <strong>und</strong> m<strong>an</strong>gelhaften Miethwohnungen behelfen“<br />

müssen; zwar habe er nach Jahren eine ausreichend große<br />

Wohnung gef<strong>und</strong>en, diese aber befinde „sich in einem höchst<br />

m<strong>an</strong>gelhaften Zust<strong>an</strong>de“. Wenn für den recht gut besoldeten<br />

Oberamtsrichter die Lage schon so schwierig war - wohlgemerkt:<br />

noch vor der Ansiedlung neuer Bahneinrichtungen -,<br />

so dürfte sie für einen Amtsschreiber oder den Kommis eines<br />

Korbh<strong>an</strong>delshauses kaum erträglich gewesen sein.<br />

Notgedrungen erweiterte sich die <strong>Stadt</strong> seit den 1880er Jahren<br />

längs der Fernstraßen in verschiedene Richtungen. Die<br />

Bahn baute große Bediensteten-Wohnhäuser im Umgriff des<br />

Personen- <strong>und</strong> des Güterbahnhofs; weiterhin bauten in den<br />

1920er Jahren Bahnergenossenschaften mehrere Wohnhäuser<br />

<strong>an</strong> der östlichen Peripherie der <strong>Stadt</strong>.<br />

Zu beiden Seiten der L<strong>an</strong>dstraße nach Kronach entst<strong>an</strong>d, verstärkt<br />

seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende, der Prachtboulevard von<br />

„Klein-Paris“. Den Anf<strong>an</strong>g machte ein Zentralschulhaus mit<br />

14 Sälen, das 1887/88 nach einem Entwurf des Bamberger<br />

Architekten Chrysostomus Martin (1851-1930) errichtet<br />

wurde; bereits 1903 musste es aufgestockt werden.<br />

Die vielen Zuzüge hatten den ev<strong>an</strong>gelischen Bevölkerungs<strong>an</strong>teil<br />

deutlich erhöht. Seit der 1597 durchgeführten Gegenreformation<br />

hatten nur vereinzelt Protest<strong>an</strong>ten in Lichtenfels<br />

gelebt. Auch nach der Gleichstellung der christlichen Konfessionen<br />

in Bayern Anf<strong>an</strong>g 1803 ließen sich nur zögerlich<br />

ev<strong>an</strong>gelische Familien in der <strong>Stadt</strong> nieder. 1830 zählte m<strong>an</strong><br />

erst 44 Protest<strong>an</strong>ten, 1860 immerhin schon 260. Ihre Zahl<br />

schnellte seit den 1880er Jahren hoch auf 770 im Jahr 1891,<br />

das war ein Fünftel der Bürgerschaft. Die 1893 gegründete<br />

ev<strong>an</strong>gelische Filialkirchengemeinde erhielt im Jahr darauf ein<br />

exponiertes Vikariat, das 1907 zur eigenständigen Pfarrei erhoben<br />

wurde. 1894 wurde <strong>an</strong> der Kronacher <strong>Straße</strong> ein Betsaal<br />

mit Wohnung für den Geistlichen errichtet, rasch folgte<br />

eine Kirche, gebaut 1902/03 nach Plänen des Bamberger Architekten<br />

Gustav Haeberle (1853-1930).<br />

Nachdem das Amtsgericht fast neun Jahrzehnte l<strong>an</strong>g eher<br />

schlecht als recht im Rathaus untergebracht war, wuchs<br />

gleichzeitig mit der ev<strong>an</strong>gelischen Kirche in deren unmittelbarer<br />

Nachbarschaft ein Gerichtsneubau empor, den das<br />

L<strong>an</strong>dbauamt Bamberg entworfen <strong>und</strong> der Justizbaureferent<br />

in der Obersten Baubehörde, Hugo Höfl (1852-1910), umgestaltet<br />

hatte. Auf der gegenüberliegenden <strong>Straße</strong>nseite st<strong>an</strong>den<br />

die Villen der wichtigsten Anwälte der <strong>Stadt</strong>.<br />

Durch den Neubau des Amtsgerichts wurden im Rathaus<br />

Räume für die 1904 gegründete Königliche Fachschule für<br />

Korbflechterei frei. Seit 1889 hatten W<strong>an</strong>derzeichenlehrer in<br />

den Korbmacherdörfern die jungen Leute unterrichtet, um<br />

ihr Stilempfinden zu bilden. Dies erschien im beginnenden<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert nicht mehr ausreichend. Eine Schule sollte<br />

entstehen, um die flechterischen Techniken auf hohem h<strong>an</strong>dwerklichen<br />

Niveau zu vermitteln, zunächst in zwei-, seit<br />

1920 in dreijährigem Unterricht. Ein eigenes Schulhaus wurde<br />

1909/10 nach Plänen von Ludwig Stempel (1850-1917),<br />

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