Stadt an Fluss, Straße und Schiene - Bezirk Oberfranken

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Orten Schney und Hausen. Dagegen bestanden in der Stadt 14 Korbhandelshäuser mit 273 Angestellten - so der Stand im Jahr 1908 -, beliefert von mehreren tausend Korbmacherfamilien aus den Umlanddörfern. Das Wachstum von „Klein-Paris“ Lichtenfels wuchs im späten 19. Jahrhundert ganz erheblich. Gut 1900 Einwohner zählte man um 1850, wenig mehr als ein 76 halbes Jahrhundert zuvor. 1880 waren es knapp 2500, zehn Jahre später fast 3000, ein weiteres Jahrzehnt darauf beinahe 4000, und bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Zahl 4500 erreicht. Die Korbmacher wohnten außerhalb der Stadt; personalstarke Fabriken fehlten. Der starke Wachstumsschub ging unmittelbar auf die Bahn zurück. Nach Eröffnung der Bahnlinie nach Probstzella war umstritten, wo die zugehörigen Behörden und Werkstätten ihren Sitz haben sollten: in Bamberg,
Lichtenfels oder Hochstadt. Der Landtag entschied schließlich 1890 zugunsten von Lichtenfels und stellte erhebliche Mittel für den Ausbau des Bahnhofs zur Verfügung, nicht zuletzt auf Betreiben von Adam Wenglein (1833-1915), der von 1870 bis 1912 als Bürgermeister an der Spitze der Stadt stand und zugleich von 1876 bis 1899 der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtags angehörte. Mehr denn je bestimmte fortan die Bahn das Leben in Lichtenfels; die Bahner stellten 1914 ein Fünftel bis ein Viertel der Einwohnerschaft. Bauplan für das Haus des Korbhändlers Sigmund Zinn in der Bahnhofstraße, errichtet 1887 in modifizierter Weise. Nicht zuletzt dank ihnen, so betonte 1906 ein Kommunalpolitiker, könnten „38 Bierwirtschaften und Restaurationen, 21 Metzgereien, 21 Spezerei- und Colonialwarenhandlungen, 11 Bäckereien, 10 Schnitt- und Modewarenhandlungen, sowie ein Kaufhaus“ in der Stadt bestehen. Aufgrund des raschen Bevölkerungszuwachses herrschte in Lichtenfels über Jahrzehnte eine vielbeklagte Wohnungsnot. Der Vorstand des Amtsgerichts, der nicht über eine Dienstwohnung verfügte, stöhnte 1884, er habe sich lange Zeit „mit zu kleinen und mangelhaften Miethwohnungen behelfen“ müssen; zwar habe er nach Jahren eine ausreichend große Wohnung gefunden, diese aber befinde „sich in einem höchst mangelhaften Zustande“. Wenn für den recht gut besoldeten Oberamtsrichter die Lage schon so schwierig war - wohlgemerkt: noch vor der Ansiedlung neuer Bahneinrichtungen -, so dürfte sie für einen Amtsschreiber oder den Kommis eines Korbhandelshauses kaum erträglich gewesen sein. Notgedrungen erweiterte sich die Stadt seit den 1880er Jahren längs der Fernstraßen in verschiedene Richtungen. Die Bahn baute große Bediensteten-Wohnhäuser im Umgriff des Personen- und des Güterbahnhofs; weiterhin bauten in den 1920er Jahren Bahnergenossenschaften mehrere Wohnhäuser an der östlichen Peripherie der Stadt. Zu beiden Seiten der Landstraße nach Kronach entstand, verstärkt seit der Jahrhundertwende, der Prachtboulevard von „Klein-Paris“. Den Anfang machte ein Zentralschulhaus mit 14 Sälen, das 1887/88 nach einem Entwurf des Bamberger Architekten Chrysostomus Martin (1851-1930) errichtet wurde; bereits 1903 musste es aufgestockt werden. Die vielen Zuzüge hatten den evangelischen Bevölkerungsanteil deutlich erhöht. Seit der 1597 durchgeführten Gegenreformation hatten nur vereinzelt Protestanten in Lichtenfels gelebt. Auch nach der Gleichstellung der christlichen Konfessionen in Bayern Anfang 1803 ließen sich nur zögerlich evangelische Familien in der Stadt nieder. 1830 zählte man erst 44 Protestanten, 1860 immerhin schon 260. Ihre Zahl schnellte seit den 1880er Jahren hoch auf 770 im Jahr 1891, das war ein Fünftel der Bürgerschaft. Die 1893 gegründete evangelische Filialkirchengemeinde erhielt im Jahr darauf ein exponiertes Vikariat, das 1907 zur eigenständigen Pfarrei erhoben wurde. 1894 wurde an der Kronacher Straße ein Betsaal mit Wohnung für den Geistlichen errichtet, rasch folgte eine Kirche, gebaut 1902/03 nach Plänen des Bamberger Architekten Gustav Haeberle (1853-1930). Nachdem das Amtsgericht fast neun Jahrzehnte lang eher schlecht als recht im Rathaus untergebracht war, wuchs gleichzeitig mit der evangelischen Kirche in deren unmittelbarer Nachbarschaft ein Gerichtsneubau empor, den das Landbauamt Bamberg entworfen und der Justizbaureferent in der Obersten Baubehörde, Hugo Höfl (1852-1910), umgestaltet hatte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen die Villen der wichtigsten Anwälte der Stadt. Durch den Neubau des Amtsgerichts wurden im Rathaus Räume für die 1904 gegründete Königliche Fachschule für Korbflechterei frei. Seit 1889 hatten Wanderzeichenlehrer in den Korbmacherdörfern die jungen Leute unterrichtet, um ihr Stilempfinden zu bilden. Dies erschien im beginnenden 20. Jahrhundert nicht mehr ausreichend. Eine Schule sollte entstehen, um die flechterischen Techniken auf hohem handwerklichen Niveau zu vermitteln, zunächst in zwei-, seit 1920 in dreijährigem Unterricht. Ein eigenes Schulhaus wurde 1909/10 nach Plänen von Ludwig Stempel (1850-1917), 77
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