Faszination Wildtier - Ein Herz für Tiere

Faszination Wildtier
MIT DEN WÖLFEN HEULEN ...
... kann man derzeit vor allem in der
sächsischen Lausitz, unserem Hauptwolfsgebiet,
das sich zum Teil noch über das
benachbarte Bundesland Brandenburg
erstreckt. Neben den sechs Rudeln dort hat
sich in Sachsen-Anhalt ein weiteres Rudel
etabliert. Und so manches andere
Bundesland, wie etwa Bayern, gilt derzeit
als „Wolf-Erwartungsland“
Der Wolf, Urahn unserer Haushunde, wurde schon vergöttert und verachtet, verteufelt
und verehrt. Kaum ein anderes Tier ist Gegenstand so vieler Legenden und Fabeln,
Märchen und mystischer Erzählungen. Seit rund zehn Jahren hält der Wolf
wieder Einzug in unsere Wälder. Was fasziniert uns Menschen nur so an diesem Wesen?
6 EIN HERZ FÜR TIERE JANUAR 2011
WUSSTEN SIE?
Das Heulen der
Wölfe dient
der Fernkommunikation
und der
Revierabgrenzung.
Dass Wölfe den
Vollmond anheulen
BITTE BLÄTTERN SIE UM
würden, ist allerdings
ein weit verbreiteter
Irrtum. JANUAR 2011 EIN HERZ FÜR TIERE 7

Faszination Wildtier
JÄGER DER
DÄMMERUNG
Wolfsaugen zeigen
ein beinahe übernatürliches
Leuchten
und sind perfekt
an das Jagen bei
fast völliger Dunkelheit
angepasst
Der Wolf polarisiert. Der Wolf
emotionalisiert. Und: Der Wolf
fasziniert. Er wurde geliebt und
verehrt. Er wurde gefürchtet, gehasst
und unbarmherzig verfolgt. Kaum ein anderes
Tier hat eine derartig wechselvolle
Geschichte hinter sich wie der Wolf. Und
alle Gefühle für oder gegen ihn brechen
seit einigen Jahren wieder auf. Denn der
8 EIN HERZ FÜR TIERE JANUAR 2011
große Graue hat es doch tatsächlich gewagt,
aus Osteuropa wieder nach Deutschland,
in seine alte Heimat, einzuwandern.
Und hier sogar seit dem Jahr 2000 wieder
regelmäßig für Nachwuchs zu sorgen. Unerhört,
denken sich einige, endlich ist er
wieder da, so sehen es andere. Mehr als
130 Welpen wurden seither in den mittlerweile
sieben deutschen Wolfsrudeln vor
PAPA, MAMA & DIE KIDS
Wölfe sind Familientiere, deren
Verbände eine große Ähnlichkeit mit
menschlichen Familien haben
allem in der sächsischen Lausitz geboren;
derzeit streifen rund 50 Wölfe in Deutschland
umher. Und immer wieder werden
durchwandernde Einzelwölfe gesichtet,
wie zuletzt im nordhessischen Reinhardswald
und seit Dezember 2009 der immer
häufiger am Wendelstein bei Bayrischzell
im Mangfallgebirge gesichtete Gastwolf
aus der Schweiz.
Rotkäppchen und
andere Ammenmärchen
Auf die Frage, was Menschen persönlich
mit dem Wolf verbinden, hören wir viele
Antworten. Die einen denken an das hoch
soziale, intelligente, starke und schöne
Wesen, das nach langen Jahrzehnten
der Abwesenheit wieder durch einige
Gegenden Deutschlands streift. Anderen
kommen die Märchen von „Rotkäppchen“
oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“
in den Sinn, die mit verantwortlich für das
schlechte Image des scheuen Wolfes sind.
Und für wieder andere
ist der Wolf ein Krafttier,
das ihnen durchs
Leben hilft und in dunklen
Nächten angeblich
den Vollmond anheult.
Keine Frage: Der Wolf
hat viele Gesichter – vor
allem in den Köpfen der
Menschen. Denn wir al-
WUSSTEN SIE?
In Mitteleuropa
leben Wölfe in
Kleinfamilien, die
aus einem Elternpaar,
den diesjährigen
Welpen und
Jungtieren vom Vorjahr
bestehen. Bis
zum Alter von zirka
zwei Jahren bleibt
der Nachwuchs
im elterlichen Rudelverband.
le wissen aus der langen Geschichte des
Zusammenlebens mit dem Wolf: Er war
oft der Schuldige, wenn es darum ging,
einen Sündenbock für tierisches und
menschliches Leid zu suchen. Kaum ein
anderes Tier spaltete die Gemüter mehr
als er. Die Kulturgeschichte der Menschen
der Nordhalbkugel, ihre Mythen,
Fabeln, Märchen und Legenden, ja, sogar
ihre Redewendungen sind eng mit dem
Teilen eines gemeinsamen Lebensraumes
mit dem Wolf verknüpft (siehe Kästen).
Der Weg der Wölfe
im Wandel der Zeit
Schon in alten Zeiten regte der Wolf
die Fantasie der Menschen an, zog sein
geheimnisvolles, mutiges, soziales und
kluges Wesen viele Volksstämme in seinen
Bann. Und das nicht nur in Europa.
Die Kulturgeschichte fast aller Völker
der Nordhalbkugel kreist um den Wolf
wie die Erde um die Sonne. Ob in der
germanischen Mythologie, der Sage von
der Stadtgründung Roms oder bei den
Ureinwohnern Nordamerikas: Überall
DER WOLF IN DEN KULTUREN: ERST GELIEBT, DANN GEHASST
Die Geschichte des Menschen ist eng mit dem Wolf verknüpft und umfasst unterschiedliche Kulturkreise. In der römischen
und nordischen Mythologie spielt der Wolf eine zentrale Rolle, die Ureinwohner Nordamerikas fühlten sich dem Wolf brüderlich
verbunden und verehrten ihn als heilig. Im Mittelalter jedoch wurden Wölfe als wirtschaftliche Bedrohung angesehen
Sagenhafte Gründung Roms
Der Sage nach wurden die Brüder
Romulus und Remus, die Stadtgründer
von Rom, von einer Wölfin
gesäugt. Damals waren die Wölfe
dem Kriegsgott Mars geweiht, und
es hieß, der Gott habe den Knaben
die Wölfin gesandt. Schließlich
sollten die beiden Brüder später
noch sehr wichtig werden.
Die nordische Sagenwelt
Auch die Alten Germanen verehrten
den Wolf sehr. Denn
Odin (auch Wotan genannt), der
höchste Gott in der germanischnordischen
Mythologie, wurde
beim Jagen und auf dem
Schlachtfeld von zwei Wölfen namens
Geri und Freki („Der Gierige”
und „Der Gefräßige”) begleitet.
Der Wolf, ein Freund und Bruder
Die Ureinwohner Nordamerikas
fühlten sich dem Wolf gegenüber
als „Brüder im Geiste“ und behandelten
ihn mit großem Respekt. In
ihrer Kultur verkörperte der Wolf
ein Totem- und Krafttier, das einen
Menschen sein Leben lang begleitet.
Wer den Wolf gut behandelt,
dem überträgt er seine Kräfte.
Das finstere Mittelalter
Besonders ab dem Mittelalter wurde
der Wolf zu Propagandazwecken
missbraucht und ihm ein abgrundtief
böses Wesen angedichtet. Er
wurde als Verbündeter der Hexen
und Magier instrumentalisiert und
zum Sündenbock abgestempelt.
Und auch der Werwolf-Mythos erlebte
einen neuen Höhenpunkt.
BITTE BLÄTTERN SIE UM
JANUAR 2011 EIN HERZ FÜR TIERE 9
FOTOS: MAURITIUS, IMAGO, PHOTOLIBRARY.COM, DREAMSTIME.COM/IOFOTO, AKG IMAGES, WWW.PHOTOBUKET.COM, WIKIPEDIA/VASILL GARGO