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April - Euroregion Elbe/Labe

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Raum seines Wohnhauses im Zentrum von Ceska Kamenice (Böhmisch Kamnitz), östlich von<br />

Decin (Tetschen). Auf nicht einmal drei mal drei Metern drängen sich hier Apparaturen, die aus<br />

300 Litern Maische je nach Obstsorte um die 30 Liter klaren 50-prozentigen Obstbrand werden<br />

lassen. Die doppelte Menge darf in Tschechien eine Familie jährlich steuerermäßigt zum<br />

Eigenverbrauch brennen lassen. Bedingung ist, dass jeder sein Obst selbst mitbringt.<br />

Auf diese Ausnahme bestand unser Nachbarland 2004 beim Beitritt zur Europäischen Union.<br />

Denn das Brennen von Obstschnaps hat Tradition, zumindest was den mährischen Landesteil<br />

angeht. „Dort hat jedes Dorf eine Brennerei, teilweise sogar in Kommunalbesitz“, weiß Kotouc,<br />

dessen Vorfahren aus Mähren stammen. „Mein Vater fuhr früher jedes Jahr von Usti nad <strong>Labe</strong>m<br />

(Aussig) zu den Großeltern zum Schnapsbrennen.“<br />

Doch als er 1995 mit seiner Frau das Haus mit dem Pflaumengarten in Ceska Kamenice kaufte<br />

und im Rathaus nach der nächsten Brennerei für seine Pflaumen fragte, erntete er nur<br />

verständnislose Blicke. „Die dachten, ich will sie auf die Probe stellen. Denn einige<br />

Schwarzbrennereien gab es auch hier. Am Ende fand ich eine Destillerie hinter Decin“, erinnert<br />

sich Kotouc. Doch die machte bald zu. Und da der frühere Binnenschiffer ohnehin eine<br />

berufliche Veränderung suchte, nahm er einen Kredit auf und beantragte Fördermittel. Damit<br />

baute er mit seiner Frau vor zehn Jahren das Haus um und eröffnete die erste Brennerei von<br />

Ceska Kamenice. „Anfangs war das Interesse gering. Das Selbstbrennen waren die Leute hier<br />

nicht gewohnt“, erzählt Kotouc. Doch die Nachfrage stieg. Um Platz für die Lagerung der<br />

großen Maische-Behälter zu schaffen, errichtete er später noch einen Anbau.<br />

Gerade geht wieder ein Brennzyklus zu Ende. Der große Bronzekessel muss sorgfältig gereinigt<br />

werden, ehe er mit der nächsten Ladung gefüllt wird. Eigentlich sitzt Kotouc eher im Büro.<br />

Doch seine Frau muss gerade die Tochter ungeplant von der Schule abholen und so versieht er<br />

Dienst in der Brennerei. Vier bis fünf Stunden dauert ein Zyklus, während dem die Maische<br />

erhitzt und in der vierstufigen Kolonne der Alkoholdampf vom Wasser getrennt wird. Der<br />

Destillationsapparat nutzt dafür die verschiedenen Siedepunkte. Doch es geht nicht nur um<br />

eine chemisch saubere Trennung. Dem Alkohol den unverwechselbaren Geschmack der Frucht<br />

mitzugeben, ist das eigentliche Geheimnis.<br />

Brennen rund um die Uhr<br />

„Wir brennen nicht nur Pflaumen, sondern auch Äpfel, Birnen, Kirschen und Aprikosen. Diese<br />

Saison brachte ein Kunde sogar Quitten“, zählt Kotouc auf. Daraus stellt seine Firma nicht nur<br />

Schnaps her. Ein Drittel der Früchte wird zu Saft verarbeitet. Nicht wenige lassen sich daraus<br />

dann Calvados machen. Doch während der Herbst lange vorbei und der Saft schon gepresst<br />

ist, wird immer noch rund um die Uhr gebrannt. Das macht fünf Zyklen pro Tag. 117 Tonnen<br />

Obst lieferten die Kunden letzten Herbst ab. Für jene, die selbst brennen wollen, sind zwei<br />

Tage reserviert. „Bis Ende Juni sind wir fertig, und im Juli kommen bereits die ersten Kirschen“,<br />

beschreibt Kotouc das Jahr einer Brennerei.<br />

Damit die Kunden jedoch nicht ein halbes Jahr auf ihren Selbstgebrannten warten müssen, hat<br />

Kotouc inzwischen ein Kontingent an Flaschen vorrätig. Das kam letzten September besonders<br />

gut an, als wegen der Methanol-Affäre ein zweiwöchiges Verkaufsverbot auf harte Spirituosen<br />

erlassen wurde. Brennereien, wie die von den Kotoucs, standen damals hoch im Kurs. „Auch<br />

bei uns kamen einige neue Kunden hinzu“, bestätigt Jan Kotouc.<br />

Doch die Methanol-Affäre könnte ein böses Nachspiel haben. Um den Spirituosenhandel besser<br />

zu kontrollieren, plant die Regierung, die Verkaufslizenz mit einer Kaution von fünf Millionen<br />

Kronen zu belegen. Ausgerechnet jetzt, da die Familie in den freien Verkauf einsteigen wollte.<br />

„Denn nur von der Brennerei können wir auf Dauer nicht leben. Es braucht nur einmal eine<br />

schlechte Saison kommen und wir bekommen große Probleme“, ist Kotouc Realist. Deshalb hat<br />

er sich über die Jahre als Fördermittelberater ein zweites Standbein aufgebaut. Doch zufrieden<br />

war Kotouc damit nicht. Außerdem drückten die Familie langsam Platzprobleme. „Irgendwann<br />

stellte sich die Frage: Entweder wir schließen oder wir vergrößern uns“, erzählt Kotouc. Als sich<br />

dann die Chance bot, einen Teil der historischen Kinsky-Brauerei im Ort zu kaufen, war die<br />

Entscheidung zur Vergrößerung gefallen.<br />

Nach einigen Umbauten sollen die Räume für die Brennerei und Mosterei noch in diesem Jahr

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