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Aufgehorcht 2/06

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Editorial<br />

Die Geschichte des sächsischen<br />

Automobilbaus bleibt attraktiv<br />

AufgeHorcht<br />

Viele Dauer- und Sonderausstellungen sowie Sportveranstaltungen mit und Präsentationen<br />

von historischen Fahrzeugen wurden zu Fixpunkten im Kalendarium in<br />

vielen Orten Sachsens – und neue kommen ständig hinzu.<br />

An der nunmehr schon „tradtionellen“ 4. Sachsen Classic haben in diesem Jahr über<br />

180 historische Fahrzeuge teilgenommen – ein Rekord für vergleichbare internationale<br />

Oldtimerrennen. Unter dem Leitmotiv „Auf den Spuren der Pioniere des<br />

sächsischen Automobilbaus“ vergrößert sich bei den Interessenten und Teilnehmern<br />

das Interesse an Sachsen in ganz Deutschland und im Ausland. Als Anlaufpunkte<br />

in die Streckenführung waren das August Horch Museum in Zwickau und<br />

das Kfz-Museum in Cunewalde eingebunden – eine schöne Referenz für beide<br />

Einrichtungen.<br />

Am 10. September 2004 eröffnete das August Horch Museum nach umfassender<br />

Neugestaltung, Rekonstruktion und Erweiterung seine neue Ausstellung. In den zwei<br />

Jahren nach der Neueröffnung haben ca. 160.000 Besucher die Dauer- und Sonderausstellungen<br />

gesehen. Eine sehr beachtliche Zahl im Vergleich mit ähnlichen Automobil-Museen.<br />

Die Art und Weise der Museumsgestaltung mit unverwechselbarer detailgetreuer Darstellung des<br />

Fahrzeugbaues in zeitlichen Epochen gewährleistet hohe Attraktivität für den Besucher. Das Gesamtkonzept<br />

von Diplom-Designer Matthias Kaluza und seinen Kollegen und dessen ideenreiche gestalterische<br />

Umsetzung tragen grundlegend und dauerhaft zum Erfolg der Ausstellung bei.<br />

In der mehr als 100-jährigen Geschichte des sächsischen Automobilbaus ergeben sich für die<br />

nahe Zukunft mehrere Jubiläen. Noch im Herbst dieses Jahres ehren wir den Beginn der großserienmäßigen<br />

Fertigung des Frontantriebes in Personenkraftwagen bei der Firma DKW vor 75<br />

Jahren. Dazu gestaltet das August Horch Museum von Oktober 20<strong>06</strong> bis voraussichtlich Februar<br />

2007 eine Sonderausstellung. Den Besuchern werden darin wesentliche Eckpunkte der Entwicklung<br />

unter dem Gesichtspunkt der Vorzüge des Frontantriebs und seines Siegeszuges in der<br />

Großserienfertigung von Personenkraftwagen vermittelt. Diesem Ereignis ist in dieser Ausgabe<br />

von „AufgeHorcht“ ein ausführlicher Beitrag zur Entwicklung und Bedeutung des Frontantriebes<br />

und als „Sammlerstück“, der DKW Front F1 von 1931 gewidmet. Für das Jahr 2007 sollten sich<br />

alle Freunde der sächsischen Automobilgeschichte zwei Jubiläen vormerken. Einerseits begehen<br />

wir am 29. Juni 2007 den 75. Jahrestag der Gründung der AUTO UNION und zum anderen feiern<br />

wir am 7. November 2007 den 50. Jahrestag des Beginns der Serienfertigung des legendären<br />

Trabant.<br />

Der Förderverein des Automobilmuseums hat den 29. Juni 2007 anvisiert, in Abhängigkeit vom<br />

bis dahin erreichten Realisierungsstand, den unter seiner Regie angefertigten Nachbau des AUTO<br />

UNION-Rennwagens vom TYP C an das Automobilmuseum August Horch zu übergeben. Um<br />

diese Zielstellung weitgehendst zu erreichen, rufen wir nochmals zur unterstützenden Mitarbeit,<br />

zum Sponsoring und zu Spenden auf. Ganz besonders gefragt ist fertigungsspezifische, handwerkliche<br />

Mitarbeit zur Bereitstellung von Baugruppen und Teilen. Besonderer Dank an dieser Stelle<br />

an alle, die uns bisher bei der Realisierung dieses Vorhabens wirkungsvoll unterstützt haben. Das<br />

Exponat Rennwagen Typ C nimmt weiter Gestalt an.<br />

Gewissermaßen als Vorschau auf das 50-jährige Trabant-Jubiläum wird in diesem Heft von<br />

„AufgeHorcht“ ein Beitrag der Entwicklung des Pkw Trabant gewidmet. Als sehr positiv für die<br />

Bewahrung der sächsischen Automobilgeschichte in „bewegten Bildern“ entwickelt sich die<br />

Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Filmarchiv“ im Förderverein. Auf der Grundlage des bestehenden<br />

Filmfundus und in der Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Zwickau können wir in Kürze das<br />

Filmangebot für die Museumsbesucher bereichern. Der Besuch der vom Förderverein organisierten<br />

Vortragsreihe im Herbst diesen Jahres und auch im Jahr 2007 sei hiermit unseren Lesern<br />

nochmals besonders empfohlen.<br />

Dr. Rainer Albrecht<br />

Präsident des Gemeinnützigen Fördervereins Automobilmuseum August Horch Zwickau e.V.<br />

02/20<strong>06</strong><br />

3


AufgeHorcht<br />

Aus dem Inhalt<br />

Ankerpunkte europäischer Industriekultur /<br />

So ein (Auto)-Kino<br />

Handwerk und Hightech<br />

aus einem Guss / Buslinie feiert 100. Geburtstag<br />

Rasmussen und der DKW F1 – Teil 1<br />

Ein Rückblick auf 75 Jahre Frontantrieb<br />

Chemnitz, Kauffahrtei 45: Ein Haus voller Antrieb<br />

Zentrale Versuchsanstalt der Auto Union wurde<br />

vor 70 Jahren errichtet – Gebäude ununterbrochen<br />

im Dienst der Fahrzeugentwicklung<br />

4<br />

02/20<strong>06</strong><br />

6<br />

7<br />

8–12<br />

Vor 50 Jahren entstand der Trabant<br />

Vorreiter der Kunststoff-Karosseriefertigung 16–19<br />

Enge Bindung an Horch / Zeugnisse für STIP-Studenten /<br />

Sachsen mit „Autogefühl“ 20<br />

Das Sammlerstück<br />

DKW Front F1<br />

13–15


Nachbau des Rennwagens Typ C der Auto Union AG<br />

von 1936/37 für das Automobilmuseum August Horch<br />

„Vorsichtiges Herantasten an die Grenzleistungen von<br />

Maschine, Material und Mensch“<br />

„Höchstleistung im Rennwagenbau“ der Auto Union – Teil 2<br />

AufgeHorcht<br />

Das Regenrennen von Monte Carlo<br />

Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union – Teil 2<br />

„Das ist doch der wirkliche Star der Rallye“<br />

Die Sachsen Classic 20<strong>06</strong> aus der Sicht des Schnellecke Teams im DKW<br />

F8 Luxus Cabriolet<br />

Veranstaltungen / Siegerkranz für einen Sachsen<br />

„Manche vorzügliche Ideen sind diesem<br />

ausgezeichneten Ingenieur und Automobilisten zu verdanken“<br />

Hermann Lange – ein verdienstvoller Kraftfahrzeugpionier der Gründerjahre 36–39<br />

Dreifache Kompetenz für Technik, Umwelt und Mobilität<br />

DEKRA Automobil Test Center am Euro Speedway Lausitz ist eine<br />

Säule für DEKRA Automotive-Dienstleistungen – Aktuelles Produkt<br />

Safetyplus für mehr Sicherheit bei Transportern und Fahrern<br />

Aus der Leserpost<br />

25<br />

26–29<br />

30–32<br />

33–34<br />

35<br />

40–41<br />

42<br />

02/20<strong>06</strong> 5


AufgeHorcht<br />

Ankerpunkte<br />

europäischer<br />

Industriekultur<br />

6<br />

Horch Museum Zwickau<br />

und Industriemuseum<br />

Chemnitz sind dabei<br />

Das August Horch Museum Zwickau<br />

und das Industriemuseum Chemnitz<br />

sind Ankerpunkte der europäischen<br />

Industriekultur. Sie gehören mit dem<br />

Bergbaumuseum Knappenrode zu den<br />

einzigen sächsischen Einrichtungen,<br />

welche die Aufnahme in dieses europäische<br />

Netzwerk geschafft haben.<br />

Derzeit bestehen in Deutschland, Großbritannien,<br />

den Niederlanden, Luxemburg<br />

und Frankreich über 50 Ankerpunkte,<br />

die wichtige Industriedenkmale<br />

verkörpern. Diese zugleich zentralen<br />

Punkte der Industriealisierung<br />

erfasst das von der Europäischen Union<br />

unterstützte Projekt ERIH – European<br />

Route of Industrial Heritage – oder zu<br />

deutsch Europäische Route der Industriekultur.<br />

Es will besondere europäische<br />

Industriestandorte durch gemeinsame<br />

Marketingstrategien, transnationalen<br />

Erfahrungsaustausch und<br />

grenzübergreifende Initiativen sichern<br />

und bewahren helfen.<br />

Ein zentraler Punkt des Projektes ist der<br />

Aufbau eines Netzwerkes von Ankerpunkten,<br />

fest gemacht an den wichtigsten<br />

industriekulturellen Denkmälern<br />

Europas, die über eine gut<br />

entwickelte touristische Infrastruktur<br />

verfügen. Für deren Auswahl wird ein<br />

Qualitätssiegel vergeben.<br />

Die Vernetzung und Bewerbung der<br />

Orte erfolgt über eine eigene Internetseite<br />

sowie über die gemeinschaftliche<br />

Ausgabe von Informationsmaterial.<br />

Von den Ankerpunkten, die ERIH vertreten,<br />

gehen regionale Routen aus<br />

bzw. sollen diese geschaffen werden,<br />

die Gäste zu den Industriedenkmälern<br />

des Gebietes führen und ganze Industrielandschaften<br />

erschließen.<br />

Dies soll die Sensibilität für das wirtschaftliche<br />

Erbe und den Tourismus<br />

fördern.<br />

www.erih.net<br />

02/20<strong>06</strong><br />

So ein (Auto)-Kino<br />

Mobile Filmstars im Horch Museum<br />

Am 24. September fiel der Vorhang zum<br />

„AutoKino“ im August Horch Museum,<br />

der Sonderausstellung über mobile Filmstars<br />

aus acht Jahrzehnten. Das älteste<br />

Fahrzeug war ein überaus elegantes und<br />

beeindruckendes Horch 670 Sportkabriolett<br />

mit 12 Zylinder Motor, das 1933 von<br />

Paul Hörbiger und Heinz Rühmann gesteuert<br />

wurde. Der ausgestellte Wagen<br />

ist von besonderer Bedeutung, da es sich<br />

um einen von nur fünf erhaltenen Wagen<br />

des Modells handelt. An seiner Geburtsstätte<br />

Zwickau dürfte er darüber hinaus<br />

nicht gleich wieder zu sehen sein, da er<br />

mit Ende der Exposition wieder in den<br />

Fundus der Audi Tradition nach Ingolstadt<br />

geht. Wiederum von Rühmann gesteuert<br />

wurde der 1957er DKW F 93, der in der<br />

gezeigten Form als Viersitzer Kabriolett<br />

nur 25 Mal gefertigt worden ist.<br />

1968 sorgte Walt Disney mit „Ein toller<br />

Käfer“ für einen Klassiker, der dem Auto<br />

im Film schließlich eigene Persönlichkeit<br />

zugesteht und es in den Mittelpunkt stellt.<br />

In mehreren Kinofilmen und einer Serie<br />

erlebte „Herbie“ tolle Abenteuer. Von<br />

einem weiteren Auto war ein Filmstar<br />

aus Fleisch und Blut bei seinem Museumsbesuch<br />

im Juni ganz begeistert: Wolfgang<br />

Stumph begegnete seinem hellblauen<br />

Trabant aus der Komödie „Go Trabi Go“<br />

und machte umgehend eine Liegeprobe<br />

im berühmten Dachzelt.<br />

Für eine ganz andere Filmkategorie steht<br />

der Audi 200 Quattro, in dem James<br />

Bond sowjetischen Agenten nachjagte.<br />

Im futuristischen Audi RSQ aus dem<br />

Kinofilm „I, ROBOT“, der vor zwei Jah-<br />

ren entstand, rettet Will Smith die Welt<br />

des Jahres 2035 vor den eigentlich als<br />

Gehilfen des Menschen agierenden Robotern.<br />

Mit dem speziell für den Film<br />

gestalteten Mittelmotor-Sportwagen,<br />

dessen Türen sich wie Schmetterlingsflügel<br />

öffnen und der auf Kugeln läuft, wird<br />

„Herbie“ hoch droben –<br />

ein „Filmstar“, der immer<br />

wieder seine Fans findet.<br />

der Übergang von der Auswahl der Fahrzeuge<br />

nach filmkünstlerischen Prämissen<br />

zum „product placement“ sichtbar – der<br />

speziellen Entwicklung und Plazierung<br />

von Fahrzeugen durch die Industrie.<br />

PM/IR<br />

Fotos: Frank Reichel<br />

www.horch-museum.de<br />

„Schorsch“ mit der Pension „Sachsenruh“ auf dem<br />

Dach aus dem Film „Go, Trabi go“. Er ließ die<br />

Herzen der Trabi-Fans höher schlagen.


Handwerk und Hightech<br />

aus einem Guss<br />

Sonderschau im Industriemuseum Chemnitz<br />

mit vielen automobilen Bezügen<br />

Die Zylinderkopfhaube eines Achtzylinder-<br />

Reihenmotors aus einem Horch 853 A gehörte<br />

zu den Prunkstücken der Schau<br />

„Weißglut – Vom Handwerk zur Hightech-<br />

Gießerei“ im Industriemuseum Chemnitz.<br />

Von Mitte Juni bis Anfang September<br />

präsentierte das Museum, das sich in einer<br />

ehemaligen Gießereihalle befindet, das<br />

mitteldeutsche Gießereiwesen als modernen<br />

Industriezweig mit reicher Tradition.<br />

Die Bandbreite reichte vom Glockenund<br />

Kanonen- über den Kunstguss bis zu<br />

den Hightech-Teilen für den Fahrzeugund<br />

Maschinenbau. Viele Komponenten<br />

waren darunter, die man für das Beschleunigen<br />

bzw. Bremsen eines Pkw oder Lkw<br />

braucht. Die Gießereiindustrie der Region<br />

war und ist automobilgeprägt.<br />

Über 50 Prozent<br />

aller Gusserzeugnisse<br />

werden für<br />

die Automobilindustrie<br />

hergestellt,<br />

bei Aluminiumguss<br />

sind es sogar mehr<br />

als 70 Prozent.<br />

Die Schau zeigte<br />

auch einige Gussteile<br />

der Superlative<br />

aus Vergangenheit<br />

und Gegenwart.<br />

Mit einem<br />

Gewicht von 9,4<br />

Tonnen und einem<br />

Die älteste Omnibuslinie Sachsens feierte<br />

im August ihren 100. Geburtstag. Zum<br />

Jubiläum wurde entlang der gesamten<br />

Strecke von Mittweida bis Limbach-<br />

Oberfrohna gefeiert. Höhepunkte war<br />

eine Bus-Oldtimerschau mit etwa 50<br />

Fahrzeugen bei der Regiobus GmbH<br />

Mittweida und ein Oldtimertreffen von<br />

Phänomen- und Robur-Fahrzeugen im<br />

Nutzfahrzeugmuseum Hartmannsdorf.<br />

Nach Angaben von Verkehrshistorikern<br />

fand die erste planmäßige Fahrt auf der 26<br />

Kilometer langen Strecke am 10. August<br />

19<strong>06</strong> mit einem Daimler-Omnibus statt.<br />

Durchmesser von knapp drei Metern<br />

war die Rotornabe einer Windenergieanlage<br />

das schwerste und zugleich größte<br />

Ausstellungsstück. Medizinische Implantate<br />

aus Titan-Feinguss sind dagegen<br />

nur millimetergroß und grammleicht.<br />

Das älteste Exponat, ein jungsteinzeitlicher<br />

Kupfermeißel, entstand vor rund<br />

4500 Jahren. Den Radkörper für den<br />

ICE könnte man dagegen als „schnellstes“<br />

Exponat bezeichnen. Erstmals in<br />

Sachsen zu sehen war eine mittelalterliche<br />

Gießform für eine Schmuckfigur namens<br />

„Hackebeilmännchen“, die im Vorjahr<br />

in Magdeburg gefunden wurde.<br />

IR<br />

www.saechsisches-industriemuseum.de<br />

Mit traditionellen und hochmodernen Gießereierzeugnissen machte die<br />

Ausstellung „Weißglut“ im Industriemuseum Chemnitz bekannt. Foto: Museum<br />

Buslinie feierte 100. Geburtstag<br />

Oldtimertreffen mit Phänomen- und Robur-Fahrzeugen<br />

Die aufstrebenden Industriestädte nördlich<br />

von Chemnitz hatten sich jedoch<br />

schon 25 Jahre lang vorher um eine<br />

Anbindung an die großen Verkehrswege<br />

bemüht. Da die Eisenbahn aufgrund der<br />

Topografie vorrangig in Flusstälern gefahren<br />

sei, wurde durch den Omnibus die<br />

notwendige Querverbindung geschaffen.<br />

Die älteste statistische Eintragung 1943<br />

weist für die Linie rund 984.000 Fahrgäste<br />

aus. Zu DDR-Zeiten wurde vor<br />

allem durch die Berufspendler der Textilindustrie<br />

mit Sicherheit die Millionengrenze<br />

überschritten. PM<br />

AufgeHorcht<br />

02/20<strong>06</strong> 7


8<br />

AufgeHorcht<br />

Rasmussen und der DKW F1<br />

Jörgen Skafte Rasmussen (1878 – 1964),<br />

Gründer der Zschopauer Motorenwerke AG und<br />

der Marke DKW.<br />

Über die Entstehungsgeschichte des DKW Front ist bereits<br />

vieles geschrieben worden. Einiges davon muss aufgrund neuerer<br />

Erkenntnisse revidiert werden. So hatte insbesondere die<br />

Vorentwicklung eines DKW mit Frontantrieb schon weitaus<br />

früher begonnen, als dies bislang in der Automobilliteratur<br />

dokumentiert ist.<br />

Blenden wir zurück in das Jahr 1930. Die deutsche Kraftfahrzeugindustrie<br />

stand vor dem Kollaps. Die Absatzzahlen waren<br />

ins Bodenlose gesunken. Ständig wachsende Arbeitslosenzahlen<br />

gingen einher mit einem enormen Verlust der Kaufkraft und<br />

einer starken Verunsicherung der Kunden. In dieser Krisenzeit<br />

stand man in Zschopau allerdings nicht mit leeren Händen da.<br />

Bereits seit Mitte 1928 hatte man ein neues und „allen Beteiligten<br />

nach zukunftsträchtiges Projekt in Angriff genommen: ein Automobil<br />

mit Frontantrieb.“<br />

Die Idee, ein Automobil über die Vorderräder anzutreiben,<br />

war nicht neu. Dahin gehende Versuche waren schon in der<br />

Frühzeit des Automobils angestellt und zumeist bei Drei-<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Ein Rückblick auf 75 Jahre Frontantrieb<br />

Teil I<br />

Es waren zweifellos die Modelle mit Frontantrieb, die den großen Erfolg der Marke DKW im Automobilbau<br />

begründeten und gleichzeitig entscheidend dazu beitrugen, dass die Auto Union AG in den 1930er Jahren hinter<br />

Opel zum zweitgrößten Automobilhersteller in Deutschland aufstieg. Dass es auch die frontangetriebenen DKW<br />

Wagen waren, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Überleben der Vier Ringe in Westdeutschland und parallel<br />

dazu den Wiederaufbau des sächsischen Automobilbaus ermöglichten, sind nur zwei weitere Episoden in einer<br />

faszinierenden und facettenreichen Geschichte.<br />

rädern oder Vierrad-Fahrzeugen mit Radnabenmotor auch realisiert<br />

worden. Bei diesen Konstruktionen umging man aber<br />

dadurch, dass man den am Rad befestigten Motor gleich mitlenkte<br />

und somit auf Antriebswellen verzichten konnte, das<br />

grundlegende Problem des Frontantriebs, nämlich die gleichförmige<br />

Übertragung der Antriebskräfte vom Differenzial auf<br />

die gelenkten Vorderräder.<br />

Ab Mitte der 1920er Jahre traf man dann auf eine Vielzahl<br />

interessanter Frontantriebs-Patente, die auf verschiedene Art<br />

und Weise eine Lösung der gleichförmigen Kraftübertragung<br />

auf gelenkte Räder boten. Hier nahmen vor allem die<br />

Amerikaner und Franzosen eine wichtige Vorreiterrolle ein,<br />

aber auch in Deutschland fanden sich Ingenieure, die ihr theoretisches<br />

Wissen in den Bau von Prototypen oder Einzelanfertigungen<br />

umsetzten.<br />

Es ist davon auszugehen, dass Rasmussen über den Münchner<br />

Konstrukteur und Motorradfabrikanten Fritz Cockerell (dessen<br />

eigentlicher Name Gockerell lautete) die Idee zum Bau


eines Automobils mit Frontantrieb aufgegriffen hatte. Cockerell<br />

hatte 1920 zusammen mit den Teilhabern Meixer und Landgraf<br />

die Megola Motoren AG (Meixer, Gockerell und Landgraf)<br />

gegründet. Ziel des Unternehmens war der Bau eines außergewöhnlichen<br />

Motorrades, das unter dem Namen Megola im<br />

November 1920 auf den Markt kam und mit seinem<br />

Fünfzylinder-Sternmotor im Vorderrad zu einer der berühmtesten<br />

deutschen Motorradkonstruktionen wurde.<br />

Anfang der 1920er Jahre brachte Cockerell einen kleinen Zweitaktmotor<br />

auf den Markt, der als Fahrradhilfsmotor angeboten<br />

wurde. Es war in dieser Zeit, dass sich Rasmussen und Cockerell<br />

kennen lernten. Rasmussen war sicherlich angetan von<br />

Cockerells immensem Ideenreichtum, zumal sich dieser in besonderem<br />

Maße auch der Entwicklung des Zweitaktmotors<br />

verschrieben hatte.<br />

Zwar mussten die Megola- und Cockerell-Werke 1925 aus wirtschaftlichen<br />

Gründen ihre Tore schließen, doch der Erfinderund<br />

Unternehmergeist von Cockerell blieb ungebrochen. Im<br />

gleichen Jahr baute er einen Sportwagen mit Frontantrieb, in den<br />

er einen ebenfalls von ihm konstruierten 1000 ccm Vierzylinder-<br />

Zweitaktmotor einbaute. Dieser Wagen konnte 1926 bei dem<br />

seinerzeit berühmten Gabelbach-Bergrennen in Ilmenau/Thüringen<br />

den zweiten Preis erringen.<br />

Das Cockerellsche Frontantriebsprojekt war bei Rasmussen<br />

auf Interesse gestoßen, wie er auch die vielen anderen Frontantriebs-Entwicklungen<br />

jener Zeit mit großer Aufmerksamkeit<br />

verfolgte. Das betraf vor allem Richard Bussien mit seiner<br />

1926 gegründeten Voran-Automobilbau AG, deren Frontantriebskonstruktion<br />

die Hintereinanderanordnung von Differenzial,<br />

Getriebe und Motor vorsah, während die Vorderachse<br />

als Schwingachse mit zwei übereinanderliegenden Querblattfedern<br />

ausgelegt war.<br />

Ein weiterer wichtiger Wegbereiter des Frontantriebs in<br />

Deutschland war Robert Schwenke, der bereits 1905 einen<br />

Wagen mit Frontantrieb auf der Autoausstellung am Lehrter<br />

Bahnhof in Berlin gezeigt hatte und dessen 1925 vorgestellte<br />

Frontantriebs-Konstruktion, ähnlich der von Bussiens Voran-<br />

Wagen, mit einer vorderen Radaufhängung an übereinanderliegenden<br />

Querblattfedern aufwartete. Allerdings wählte<br />

Schwenke zur besseren Gewichtsverteilung auf die Vorderachse<br />

einen quer eingebauten Motor. Beide Konstruktionen<br />

besaßen eine auffallend große Ähnlichkeit mit der Bauweise<br />

der späteren DKW Frontantriebswagen.<br />

Leider existieren keine Hinweise darauf, wann genau Rasmussen<br />

die Entscheidung traf, einen Wagen mit Frontantrieb im<br />

eigenen Hause entwickeln zu lassen. Es deutet jedoch vieles<br />

darauf hin, dass dies im Sommer 1928 geschah. Zu dem Zeitpunkt<br />

war gerade der DKW P 15, jenes erste DKW Automobil<br />

mit Zweizylinder-Zweitaktmotor, Heckantrieb und selbsttragender<br />

Sperrholzkarosserie auf den Markt gekommen.<br />

Erste konkrete Hinweise auf das Frontantriebsprojekt ergeben<br />

sich aus einem Zusammentreffen zwschen Rasmussen und dem<br />

Franzosen Grégoire anlässlich des Pariser Salons im Oktober<br />

1928. Grégoire hatte zusammen mit seinem Geschäftspartner<br />

Pierre Fenaille 1926 einen Sportwagen mit Frontantrieb gebaut,<br />

der zur Kraftübertragung mit speziellen, von Grégoire entwikkelten<br />

Gleichlaufgelenken ausgestattet war. Der Sportwagen und<br />

die darin verbauten Antriebsgelenke erhielten den Namen<br />

„Tracta“, eine Wortschöpfung aus der Bezeichnung „Traction<br />

avant“, das französische Wort für Frontantrieb. Das Tracta-<br />

Gelenk bestand aus nur vier Einzelteilen, die in ingeniöser<br />

Weise in Gleitführungen gekoppelt waren und hohe Flächen-<br />

AufgeHorcht<br />

pressungen zuließen. Zudem konnten die Einzelteile auf<br />

normalen Universalmaschinen gefertigt werden. Der Kontakt<br />

zwischen Rasmussen und Grégoire war auf Vermittlung des<br />

böhmischen Textil- und Porzellan-Unternehmers Schmieger<br />

entstanden, der 1928 die deutschen Verwertungsrechte an<br />

Grégoires Tracta-Patenten erworben hatte.<br />

Im DKW Werk in Zschopau begannen 1928 die ersten Entwicklungsarbeiten an<br />

einem Automobil mit Frontantrieb.<br />

J. S. Rasmussen bei einer Sitzprobe im ersten DKW Automobil Typ P 15 Ende<br />

1927. Der P 15 hatte einen Zweizylinder-Zweitaktmotor. Der Antrieb erfolgte<br />

über die Hinterachse.<br />

1930 kam der DKW 4=8 auf den Markt. Er hatte, wie das Schwestermodell P 15,<br />

einen konventionellen Heckantrieb und wurde von einem V4-Zweitaktmotor<br />

mit Ladepumpen angetrieben. Der Antrieb erfolgte über die Hinterachse.<br />

02/20<strong>06</strong> 9


10<br />

AufgeHorcht<br />

Im Herbst 1930 verlegte Rasmussen die Entwicklung des DKW Frontantriebswagens<br />

kurzentschlossen in das Audi Werk in Zwickau, dessen Aktienmehrheit<br />

er zwei Jahre zuvor übernommen hatte. Innerhalb von nur sechs Wochen entstand<br />

hier der erste fahrfähige Prototyp.<br />

Die Entwicklung des Frontantrieb-DKW legte Rasmussen in die<br />

Hände der Zschopauer Konstruktionsabteilung unter der Leitung<br />

von Vorstandsmitglied Richard Blau. Das Ziel war zunächst nicht,<br />

einen volkstümlichen Kleinwagen auf die Räder zu stellen, sondern<br />

den in der Entwicklung befindlichen Vierzylinder-Ladepumpen<br />

DKW mit Frontantrieb auszurüsten.<br />

Im Sommer 1929 erwarb Rasmussen die Reste der Cockerellschen<br />

Frontantriebswagen zu eigenen Versuchszwecken. Im<br />

Oktober 1929 vermeldet die Zeitschrift Motor-Kritik: „Wie wir<br />

hören, beschäftigt sich in letzter Zeit das Konstruktionsbüro von<br />

DKW unter Leitung von Blau eifrigst mit dem Vorderradantriebsproblem,<br />

und man soll nach eingehenden Studien und Versuchen an<br />

Cockerells Wägelchen den Entschluss gefasst haben, die Voran-<br />

Bauart zur Anwendung zu bringen. Als Antriebsmotor käme der<br />

fortentwickelte Vierzylinder in Betracht. Man sucht die Arbeit zu<br />

beschleunigen, so dass schon im Frühjahr (1930, Anm.d.A.) mit der<br />

Produktion begonnen werden kann. Kann – nach DKW Begriffen.<br />

Dort lässt man ja bekanntlich noch sehr stark den Kunden Versuchskaninchen<br />

spielen. Sonst – der Gedanke, den DKW Wagen mit<br />

Vorderradantrieb zu versehen – einfach bestechend. Das kann<br />

konstruktiv etwas Vollendetes geben.“<br />

Chefredakteur Josef Ganz machte mit dieser Notiz dem Namen<br />

seiner Zeitschrift einmal mehr alle Ehre. Die seinerzeit in der<br />

Fachwelt gefürchteten Kommentare der Motor-Kritik trafen<br />

allerdings oft genug den Nagel auf den Kopf, und auch in diesem<br />

Fall war die Kritik an der Entwicklungspolitik bei DKW sicherlich<br />

nicht aus der Luft gegriffen. Rasmussens Ehrgeiz, technisch<br />

interessante Ideen möglichst schnell in Form von neuen, aber<br />

noch unausgereiften Produkten auf den Markt zu bringen, stieß<br />

nicht selten auf Kritik, sowohl seitens der Kunden, als auch seitens<br />

der Händler.<br />

Wie so häufig hinkte auch das Frontantriebsprojekt hinter der<br />

Planung her. Im Frühjahr 1930 war ein DKW mit Frontantrieb<br />

nicht in Sicht. Zu vielfältig waren die technischen Probleme.<br />

Inzwischen hatte man in Zschopau erkannt, dass die favorisierte<br />

Bauweise nach den Voran-Patenten (unabhängige Radaufhängung<br />

an zwei übereinanderliegenden Querfedern und Hintereinanderanordnung<br />

von Differenzial, Getriebe und Motor) mit der selbsttragenden<br />

Holzbauweise der DKW Automobile nicht vereinbar<br />

war. Im März 1930 entschied man sich daher für die Verwendung<br />

eines Hilfsrahmens aus Stahl, der die Funktion eines Aggregateträgers<br />

(Achsen, Lenkung, Motor und Getriebe) besaß. Die<br />

Versuche wurden fortgesetzt, und die Motor Kritik vermeldete:<br />

02/20<strong>06</strong><br />

„DKW hat zugelernt. Der Vorderradantriebswagen soll nicht herausgebracht<br />

werden, bevor er wirklich durchgereift ist.“ So zumindest<br />

hatte sich Richard Blau gegenüber Chefredakteur Josef Ganz<br />

anlässlich dessen Besuch bei den Zschopauer Motorenwerken<br />

geäußert.<br />

Inzwischen hatten sich allerdings die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise<br />

grundsätzlich geändert. Ein geradezu ruinöser Preiskampf um die<br />

von Tag zu Tag kleiner werdende Schar von Kunden war zwischen<br />

den Kraftfahrzeugherstellern ausgebrochen. Rasmussen<br />

war in dieser Situation klar, dass nur die technisch-konstruktive<br />

Besonderheit seiner Produkte in Verbindung mit einer hohen<br />

Wirtschaftlichkeit ein Überleben garantieren konnte. Und hier<br />

war es vor allem wichtig, den technischen Vorsprung zu wahren,<br />

mit anderen Worten, schneller zu sein als die Konkurrenz. Es<br />

spricht vieles dafür, dass Rasmussen in dieser Phase die Idee<br />

entwickelte, die Frontantriebsentwicklung zweigleisig weiterzuführen:<br />

ein größeres Modell mit dem 4=8 Motor oder alternativ<br />

auch mit einem Viertaktmotor und ein volkstümlicher<br />

Kleinwagen mit dem Zweizylinder-Zweitaktmotor aus dem<br />

DKW P 15.<br />

Als im Sommer 1930 die Fertigstellung des DKW Frontantriebwagens<br />

immer noch in weiter Ferne zu liegen schien,<br />

kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Rasmussen und seinem<br />

Cheftechniker Richard Blau. Als zu wenig verlässlich hatte sich<br />

dieser in der Vergangenheit erwiesen: Probleme mit dem Lade-<br />

Das im DKW Front anfänglich verwendete Tracta Gelenk war von dem<br />

Franzosen Jean Albert Grégoire entwickelt worden.<br />

Der kompakte Motor-Getriebe-Differenzial-Block des DKW Front mit dem<br />

quer eingebauten 600 ccm Zweizylinder-Zweitaktmotor.


Der kompakte Motor-Getriebe-Differenzial-Block des DKW Front mit dem quer eingebauten 600 ccm<br />

Zweizylinder-Zweitaktmotor. Das Fahrgestell des DKW Front F 1 war zunächst nur als Hilfsrahmen ausgelegt.<br />

Die Räder waren unabhängig voneinander an je zwei übereinanderliegenden Querblattfedern befestigt.<br />

Hermann Weber, der DKW Motorrad-Chefkonstrukteur, bei einer ersten Probefahrt im DKW Front F 1.<br />

pumpen-Vierzylinder, Fehler bei der Entwicklung eines Vierzylinder-Reihenmotors<br />

und zu guter Letzt die nicht absehbare<br />

Fertigstellung des Frontantriebwagens führten dazu, dass sich<br />

Rasmussen von Richard Blau trennte.<br />

Die ganze Situation erhielt noch zusätzliche Brisanz, als Rasmussen<br />

erfuhr, dass die Firma Stoewer auf der für den November<br />

1930 (noch) geplanten Berliner Automobilausstellung einen<br />

1,5 Liter Frontantriebwagen vorstellen wollte.<br />

Als der RDA (Reichsverband der Automobilindustrie) die Automobilausstellung<br />

wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage<br />

auf das Frühjahr 1931 verschob, ergab sich hieraus eine willkommene<br />

Verschnaufpause für Rasmussen, der bestrebt war,<br />

als erster deutscher Hersteller mit einem serienmäßigen Frontantriebsautomobil<br />

auf den Markt zu kommen. So ganz ist ihm<br />

dies allerdings nicht gelungen. Noch im Dezember 1930 stellten<br />

die Stoewer Werke ihr neues Frontantriebsmodell Typ V 5 der<br />

Presse vor.<br />

Am 7. September 1930 schied Richard Blau aus dem Vorstand<br />

der Zschopauer Motorenwerke aus. Als offizieller Grund wurden<br />

Interessenskonflikte genannt, da er nebenbei Besitzer der<br />

in Zschopau ansässigen Metall-Industrie GmbH war, die im<br />

Zschopauer Volksmund auch als Blau-Werke bezeichnet<br />

AufgeHorcht<br />

wurde. Dieses Unternehmen war<br />

unter anderem als Zulieferer für die<br />

Zschopauer Motorenwerke bzw. später<br />

auch für die Auto Union tätig und<br />

lieferte z.B. Kurbelwellen oder Tankverschlüsse<br />

(Patent Blau) für die DKW<br />

Automobile und Motorräder. Nachfolger<br />

von Richard Blau als technischer<br />

Betriebsdirektor der Zschopauer Motorenwerke<br />

wurde Anatol Dorin.<br />

Doch das Ausscheiden von Richard<br />

Blau brachte Rasmussen seinem Ziel<br />

nicht näher. Im Gegenteil, der Kopf<br />

seiner Entwicklungsmannschaft war<br />

„gegangen worden“. Und genau hier<br />

setzt nun die Geschichte ein, die bislang<br />

in Bezug auf den Frontantriebs-DKW<br />

immer wieder Erwähnung gefunden hat:<br />

die Entwicklung eines Automobils in<br />

der unglaublich kurzen Zeit von gerade<br />

einmal sechs Wochen.<br />

Rasmussen stand in dieser Zeit mit dem<br />

Rücken zur Wand. In dieser Situation<br />

wandte er sich an Heinrich Schuh, den<br />

technischen Direktor der zum Rasmussen-Konzern<br />

gehörenden Audiwerke<br />

AG. Seine Idee war, die Entwicklung<br />

der Frontantriebswagen im<br />

Audi Werk fortsetzen und zum Abschluss<br />

bringen zu lassen.<br />

Oskar Arlt, neben seinem Kollegen<br />

Walter Haustein einer der beiden im<br />

Audi Konstruktionsbüro verbliebenen<br />

Konstrukteure, erinnerte sich 1945 in<br />

einer Niederschrift an den denkwürdigen<br />

Augenblick: „Im Oktober 1930<br />

erschien zusammen mit Herrn Dir. Schuh<br />

Herr J. S. Rasmussen im Konstruktionsbüro<br />

und wünschte kurzfristig die Konstruktion<br />

und den Versuchsbau eines<br />

Kleinwagens, und zwar unter Benutzung eines von den Zschopauer<br />

Werken fabrizierten DKW-Zweitakt-Motorrad-Antriebsaggregates.<br />

Herr Rasmussen äußerte sich dahin, dass er den Gedanken habe,<br />

einen billigen, leistungsfähigen, volkstümlichen Wagen zu bauen,<br />

der großen Absatz findet. Für die Konstruktion sollten berücksichtigt<br />

werden: 350 ccm Motorrad-Antriebsaggregat, evtl. 500 ccm<br />

Vorderradantrieb mit Tracta-Gelenken, Radaufhängung vorn und<br />

hinten in Querfedern, Schneckenlenkung, Fabrikat Spandau, schmaler<br />

Rahmen, besonders niedrige Schwerpunktlage. Es wurde kürzeste<br />

Terminabgabe verlangt und eine Zeit von fünf bis sechs<br />

Wochen für die Konstruktion festgelegt. Der Versuchsbau von drei<br />

Fahrzeugen sollte gleichzeitig erfolgen und mindestens ein Fahrzeug<br />

in sechs Wochen laufen.“<br />

Im Vorstandsbericht der Audiwerke AG für Oktober 1930 formulierte<br />

Heinrich Schuh: „Der kleine Versuchswagen mit Vorderradantrieb<br />

und DKW Motor wird voraussichtlich bis Ende<br />

November fertig. Daran anschließend wird mit dem Bau eines<br />

größeren Wagens mit Vorderradantrieb begonnen. In diesen<br />

Wagen wird ein 3 Liter Sechszylindermotor und das französische<br />

Tracta-Gelenk eingebaut.“<br />

Bereits hier wurde also die Entwicklung des späteren Audi Front<br />

festgelegt, der dann allerdings nach der Gründung der Auto<br />

02/20<strong>06</strong> 11


Union mit dem 2-Liter-Sechszylindermotor des Wanderer W 22<br />

auf den Markt kam.<br />

Rechtzeitig vor Ablauf der sechs Wochen konnte am 29. November<br />

1930 die Fertigstellung des ersten DKW Front Prototypen<br />

verkündet werden. Dazu Oskar Arlt in seinem Bericht:<br />

„Dieser Termin war nur dadurch zu halten, dass an die Werkstatt<br />

provisorische Zeichnungen zur Ausgabe gelangten, um die<br />

Zeichenarbeiten auf ein Mindestmaß zu beschränken. Jede<br />

Formalität bei der Auftragserteilung an die Werkstatt wurde vermieden.<br />

Die Zeichnungspausen kamen vom Konstruktionsbüro<br />

direkt zum Meister in den Versuchsbau. Eine Arbeitsplanung, wie sie<br />

bei späteren Typen durchgeführt wurde, entfiel. Kurz vor Ablauf<br />

der festgesetzten Frist von sechs Wochen startete der erste Versuchswagen<br />

nach der ‘Hohen Straße’ (Wegstrecke Zwickau-Dennheritz-<br />

Meerane). Im Beisein des Herrn Rasmussen und seines damaligen<br />

Versuchsleiters wurden auf dieser Strecke Fahreigenschaften und<br />

Geschwindigkeit überprüft. Der Wagen wurde zuerst von Herrn Dir.<br />

Schuh und dem Verfasser und dann von allen Beteiligten gefahren.<br />

Übereinstimmend wurden die hervorragenden Fahreigenschaften<br />

und die gute Leistung festgestellt. ... Als maximale Geschwindigkeit<br />

wurde 85 km pro Stunde gestoppt. Nach diesen Probefahrten<br />

fasste Herr Rasmussen sofort den Beschluss, das Fahrzeug in<br />

Serie zu bauen und zur Automobil-Ausstellung im Frühjahr 1931<br />

damit herauszukommen.“<br />

Ohne die Leistungen von Oskar Arlt und Walter Haustein bei<br />

der Entwicklung des DKW Front schmälern zu wollen, sei<br />

dennoch darauf hingewiesen, dass die Fertigstellung der Versuchswagen<br />

innerhalb einer derart kurzen Zeit von sechs<br />

Wochen ohne die Vorarbeiten von Richard Blau und der Zschopauer<br />

Entwicklungsmannschaft schlichtweg unmöglich gewesen<br />

wäre. Alle von Rasmussen an die Audi Konstrukteure gemachten<br />

Vorgaben basierten letztlich auf den bereits in Zschopau<br />

erarbeiteten Entwicklungen und Erkenntnissen, deren Zusammenführung<br />

zu einem fertigen Produkt nun bei Audi in Zwickau<br />

erfolgen sollte. Allein die Verhandlungen und technischen Vorarbeiten<br />

in Bezug auf die verwendeten Tracta-Gelenke hatten<br />

sich über fast zwei Jahre hingezogen, eine Angelegenheit, die<br />

nicht so ohne weiteres innerhalb der vorgegebenen Zeit von<br />

sechs Wochen hätte erledigt werden können.<br />

Thomas Erdmann, Fotos: Archiv des Autors<br />

Fortsetzung folgt<br />

12<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Information<br />

Dem Jubiläum „75 Jahre Frontantrieb“ widmet das<br />

August Horch Museum Zwickau eine Sonderausstellung<br />

bis Ende Februar 2007.<br />

Einer der ersten Prototypen mit einer Blechkarosserie von Schneider & Korb aus<br />

Bernsbach bei Fotoaufnahmen für den ersten Verkaufsprospekt.


Das Gebäude Kauffahrtei 45 in Chemnitz. Vor 70 Jahren als Zentrale Versuchsanstalt der Auto Union errichtet, war, ist und bleibt es ein Entwicklungszentrum der<br />

Fahrzeugindustrie. Foto: IAV<br />

Die Jahre 1936, 1945 und 1990 markieren<br />

entscheidende Punkte im „Leben“ dieses<br />

Gebäudes. Als ZVA erlebte es<br />

Meilensteine wie die Entwicklung des<br />

Zwölfzylinder-Rennwagenmotors oder<br />

den ersten Crash-Test im deutschen<br />

Automobilbau mit. Ausgangspunkt für<br />

das Crash-Programm war die Entwicklung<br />

einer Kunststoffkarosserie,<br />

welche die Auto Union zusammen mit<br />

der Dynamit AG in Troisdorf betrieb.<br />

Gründe dafür lagen in der rüstungsbedingten<br />

Materialverknappung bei Eisen<br />

und Gummi sowie in der zu aufwändigen<br />

Herstellung von Holzkarossen mit<br />

Kunstlederbezug. Das erste empirische<br />

Crash-Programm in der Geschichte der<br />

deutschen Automobilindustrie wurde<br />

entwickelt, um die Festigkeiten von<br />

Holz, Blech und Kunststoff zu prüfen.<br />

Simuliert wurden in der ZVA der Überschlag<br />

seitlich und schräg nach vorn<br />

sowie der Aufprall seitlich.<br />

In der technologischen Abteilung der<br />

Versuchsanstalt untersuchte man alle<br />

Materialfragen, entwickelte Legierungen<br />

und bestimmte Herstellungsverfahren.<br />

Alle Neukonstruktionen wurden auf ihre<br />

technologische Eignung hin geprüft. In der<br />

wissenschaftlichen Abteilung befasste man<br />

sich mit künftigen Motoren, der Weiterentwicklung<br />

von Getrieben, der Untersuchung<br />

von Schwingungen und Geräuschen<br />

sowie der Einrichtung von komplizierten<br />

Versuchen wie z. B. die Katapultanordnung<br />

für die Crash-Tests. Die fahrtechnische<br />

Abteilung bewältigte das praktische<br />

Versuchsprogramm, die Serienerprobung<br />

und Serienüberwachung sowie den Vergleich<br />

mit Konkurrenzprodukten.<br />

Der Zweite Weltkrieg drängte die zivilen<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in<br />

den Hintergrund. Mit Kriegsende 1945<br />

fiel die Auto Union AG unter Verwaltung<br />

der Sowjetischen Militäradministration.<br />

Viele Standorte wurden demontiert, so<br />

AufgeHorcht<br />

Chemnitz, Kauffahrtei 45: Ein Haus voller Antrieb<br />

Zentrale Versuchsanstalt der Auto Union wurde vor 70 Jahren errichtet –<br />

Gebäude ununterbrochen im Dienst der Fahrzeugentwicklung<br />

Im Geschäftsbericht der Auto Union AG von 1936/37 ist es nur ein kurzer Abschnitt, in dem auf die Errichtung<br />

der Zentralen Versuchsanstalt auf dem Konzerngelände in Chemnitz verwiesen wird. Sachlich und nüchtern, wie<br />

es Geschäftsberichten eigen ist. Mit diesem Bau beginnt jedoch eine außergewöhnliche Geschichte. Das<br />

Gebäude Kauffahrtei 45 trägt zwar im Laufe der vergangenen 70 Jahre öfters wechselnde Firmenschilder.<br />

Dennoch ist und bleibt es, was es immer war – ein Entwicklungszentrum für die Fahrzeugindustrie.<br />

auch die ZVA. Doch kurze Zeit später<br />

stattete man die Kauffahrtei 45 mit<br />

andernorts demontierten Maschinen neu<br />

aus. Aus dem Versuchszentrum wurde<br />

das Automobilentwicklungsbüro Awtowelo<br />

unter russischer Leitung. Die zumeist<br />

ehemaligen Auto Union Mitarbeiter<br />

sollten vornehmlich die Forschungen der<br />

Auto Union erfassen und aufarbeiten.<br />

Know-how-Abschöpfung hieß das Ziel.<br />

Dazu passte auch ein für die Nachkriegszeit<br />

spektakuläres Projekt. Das Chemnitzer<br />

Awtowelo-Büro entwickelte und<br />

baute einen Rennwagen mit einem Zwölfzylinder-Viertakt-Ottomotor.<br />

Der unter<br />

der Bezeichnung Typ 650 laufende Wagen<br />

wies große Ähnlichkeit mit den Vorkriegs-<br />

Grand-Prix-Rennwagen der Auto Union<br />

auf. Die zwei Awtowelo 650 und drei zugehörige<br />

Motoren sollen – kaum fertiggestellt<br />

und wenig fahrerprobt – dem Stalin-Sohn<br />

Wassilij, einem motorsportvernnarrten<br />

Generalleutnant, als „Spielzeug“ gedient<br />

02/20<strong>06</strong> 13


14<br />

AufgeHorcht<br />

Der Awtowelo-Rennwagen 650 aus der Kauffahrtei 45 in Chemnitz, Baujahr 1952. Foto: Archiv Wolfgang Beyer<br />

02/20<strong>06</strong><br />

haben. Allerdings ohne<br />

rechte Freude, denn<br />

aus Unkenntnis der<br />

richtigen Kraftstoffzusammensetzung<br />

liefen diese Fahrzeuge<br />

eher schlecht als recht<br />

und wurden wegen<br />

vermeintlicher Mängel<br />

zurückgebracht.<br />

Fragmente des einen<br />

Fahrzeugs befinden<br />

sich im Besitz der<br />

Kustodie der Technischen<br />

Universität<br />

Dresden. Zum zweiten<br />

Fahrzeug fanden<br />

Mitglieder der ArbeitsgruppeKraftfahrzeugtechnik<br />

im Förderverein<br />

Industriemuseum<br />

Chemnitz e.V. heraus,<br />

dass es im Rennsportmuseum<br />

Donington/<br />

England gezeigt wird,<br />

allerdings fälschlicherweise<br />

als ein Auto<br />

Union Rennwagen.<br />

Der dritte, im Projekt<br />

650 entstandene Motor<br />

gilt bis heute als<br />

verschollen.<br />

1952 wechselte die<br />

Bezeichnung an der<br />

Kauffahrtei 45 erneut.<br />

Aus dem Awtowelo-<br />

Büro wurde das IFA<br />

Forschungs- und Entwicklungswerk<br />

(FEW).<br />

Wenig später hieß es<br />

VEB Zentrale Entwicklung<br />

und Kons-<br />

Das erste Experimentiermuster eines Kreiskolbenmotors<br />

lief nach nur drei Monaten Entwicklungszeit<br />

Anfang der 1960er Jahre auf dem Prüfstand in<br />

der Kauffahrtei 45.<br />

Foto: Archiv Wolfgang Beyer<br />

truktion für den Kraftfahrzeugbau (ZEK),<br />

wieder eine Weile später firmierte es<br />

unter VEB Wissenschaftlich-Technisches<br />

Zentrum Automobilbau (WTZ). In diesem<br />

Zeitraum bis Anfang der 1980er<br />

Jahre fielen unter anderem die Entwicklungsarbeiten<br />

am Kreiskolbenmotor auf<br />

NSU-Lizenzbasis sowie an einem Dreizylinder-Viertakt-Dieselmotor,<br />

ein Projekt,<br />

das unter dem Namen „Leichter<br />

Dieselmotor“ bekannt wurde. Rund ein<br />

Viertel aller Forschungsarbeiten widmete<br />

sich dem Thema Kraftstoffeinsparung.<br />

Dazu gehörten wegweisende Entwicklungen<br />

zur elektronischen Dieseleinspritzung.<br />

Was kaum ein Außenstehender<br />

zu glauben vermag: In der Kauffahrtei 45<br />

wurde der weltweit erste Common-Rail-<br />

Dieselmotor zum Fahren gebracht. Am<br />

16. Mai 1985 startete ein Lkw W 50 zur<br />

erfolgreichen Jungfernfahrt.<br />

Auch das Thema Gas als Kraftstoff beherrschten<br />

die Motorenentwickler Anfang<br />

der 1980er Jahre. Sie konzipierten<br />

und bauten Flüssiggasanlagen für Viertakt-<br />

Ottomotoren, die in den Pkw Wolga und<br />

Lada zum Einsatz kamen und für erhebliche<br />

Kraftstoffeinsparungen sorgten.<br />

Im wahrsten Sinne des Wortes auf Speed<br />

brachten die Ingenieure und Techniker<br />

einen ganz anderen Bereich. Für die<br />

schnellen Bobschlitten der DDR-Nationalmannschaft<br />

entwickelten und bauten<br />

sie die kompletten Fahrwerke.<br />

1984 wurde das WTZ in den Stammbetrieb<br />

Barkas des IFA Pkw-Kombinates<br />

eingegliedert. Eine der wesentlichsten<br />

Aufgaben damals war die Auftragsleitung<br />

für das Antriebsaggregat EA 111. So hieß<br />

im DDR-Sprachgebrauch das VW-Lizenzmotorenprojekt.<br />

Die Arbeit an dieser Aufgabe war


Kompetenzen für<br />

innovative Lösungen<br />

am Gesamtantriebsstrang.<br />

Auch alternative<br />

Antriebe sind ein<br />

großes Thema. So<br />

verfügt die IAV in<br />

Chemnitz seit kurzem<br />

über einen<br />

Wasserstoff-Prüfstand.<br />

Weiterhin<br />

befassen sich die<br />

sächsischen IAV-<br />

Mitarbeiter mit<br />

Elektroniksystem-<br />

Das weltweit erste Straßenfahrzeug mit Common-Rail-Diesel.<br />

entwicklungen für<br />

Foto: Archiv Dr. Klaus Matthees den Pkw. Dazu<br />

gehören Themen<br />

wie Spurhaltesys-<br />

zugleich ein Sprungbrett in die Markttem, automatische Fahrzeug-Abstandswirtschaft.<br />

Seit 1990 arbeiten die Ingeregelung und Infotainment-Lösungen.<br />

nieure, Techniker und Facharbeiter in der Die IAV fühlt sich der Tradition des säch-<br />

Kauffahrtei 45 als Teil der heutigen IAV sischen Automobilbaus über die tägliche<br />

GmbH, Ingenieurgesellschaft Auto und Arbeit hinaus verpflichtet. So unterstützt<br />

Verkehr, mit Sitz in Berlin. Das Chem- das Entwicklungszentrum beispielsweise<br />

nitzer Entwicklungszentrum bringt vor den Förderverein des August Horch Mu-<br />

allem die Kompetenzen zur Mechanikseums Zwickau bei seinem anspruchsentwicklung<br />

von Motoren in die IAV ein. vollen Projekt – dem Nachbau eines Auto<br />

Die rund 400 Mitarbeiter bilden die ge- Union Rennwagens Typ C. Das Untersamte<br />

Kette in der Motorenentwicklung nehmen hat u. a. Lenksäule, Pedalwerk<br />

ab. So ist die Chemnitzer IAV mit ihrem sowie verschiedene Fahrwerkteile gefer-<br />

Know-how Projektpartner für alle renomtigt. Das Industriemuseum Chemnitz ermierten<br />

Automobilhersteller und Systemhielt kürzlich Zeichnungen und Schnittpartner<br />

geworden. Neben der Neuentdarstellungen des Auto Union Rennwawicklung<br />

von Pkw-Motoren passt das Entgens Typ D und des Awtowelo Rennwicklungszentrum<br />

bestehende Aggregate wagens 650 aus dem Archiv der IAV<br />

z. B. an neue Abgasnormen an. Ebenso Chemnitz.<br />

besitzt der Standort die Engineering-<br />

Ina Reichel<br />

Die rund 400 Chemnitzer IAV-Mitarbeiter bringen vor allem Motoren-Kompetenz in die Unternehmensgruppe ein,<br />

die in Europa, Asien und Amerika mehr als 2500 Mitarbeiter beschäftigt. Foto: IAV<br />

AufgeHorcht<br />

02/20<strong>06</strong> 15


16<br />

AufgeHorcht<br />

Vor 50 Jahren<br />

entstand der Trabant<br />

Vorreiter für<br />

Kunststoff-Karosseriefertigung<br />

In „AufgeHORCHT“ 2 und 3/2005 hat der Autor<br />

dieses Artikels bereits eingehend über die<br />

Entwicklung der Kunststoffkarosserie in der DDR<br />

berichtet. 1953 begann die Fertigung von Motorhauben<br />

für den F8 und Türaußenplatten des H3A.<br />

1954 entstand im FEW in Chemnitz der mit einer<br />

kunststoffgünstigen Außenform gestaltete Kleinwagen,<br />

vielfach als Ur-Trabant bezeichnet. Mit den Außenhautformteilen<br />

dieses Fahrzeuges sowie Motor und Fahrwerk<br />

des F8 wurde 1955 der legendäre P70 geschaffen. Mit diesem<br />

Fahrzeug fing die Kunststoffkarosserie-Fertigung in der DDR an.<br />

Vorgeschichte<br />

Eigentlich sollte der DKW F9, das von der Auto Union in der<br />

Vorkriegszeit entwickelte Konkurrenzmodell zum Volkswagen,<br />

eine Kunststoffkarosserie erhalten. So wollten es 1953 der<br />

Initiator der Kunststoffkarosserie, der damalige Hauptverwaltungsleiter<br />

des Fahrzeugbaues in der DDR, Oberingenieur<br />

Kurt Lang, und seine Mitarbeiter in der von Ingenieur Wilhelm<br />

Ladewig geleiteten Kunststoffentwicklungsabteilung des<br />

02/20<strong>06</strong><br />

P70-Limousine.<br />

P70-Limousine, das erste serienmäßig<br />

produzierte Auto mit Kunststoffkarosserie<br />

in der DDR.<br />

Forschungs- und Entwicklungswerkes der IFA im früheren Audi-<br />

Werk in Zwickau. Die windschlüpfrige F9 Karosserie erforderte<br />

für die Produktion große Mengen hochwertiges Tiefziehblech.<br />

Es musste importiert werden und stand auch noch auf der<br />

Embargoliste der Westens. In der DDR gab es zu dieser Zeit<br />

noch keine Walzstraße für Karosserieblech. Die komplizierten<br />

Außenhautformteile des F9 waren aber mit dem damaligen<br />

Wissen in der Kunststoff-Karosserieteileherstellung nicht mit<br />

ausreichender Passgenauigkeit produzierbar. Die Übergänge<br />

an Türen und Kofferklappe erforderten auch an der Blechkarosserie<br />

anfangs noch ca. 15 kg Schwemmzinn zum Anpassen<br />

der Formen. Der Verfasser dieses Artikels war selbst 1951, im<br />

damaligen Werk Horch, in einer von Erich Klaus vom Audi-<br />

Werk in Zwickau geleiteten Arbeitsgruppe zur Halbierung des<br />

Schwemmzinnverbrauches.<br />

In der Zwischenzeit war die Produktion des F9 nach Eisenach<br />

verlagert worden. Alle Versuche zur Einführung von Kunststoffaußenhautteilen<br />

am F9 scheiterten. Hauptverwaltungsleiter<br />

Kurt Lang setzte deshalb in der Regierung mit der<br />

Akte 36/53 die Entwicklung eines Kleinwagens für 2<br />

Erwachsene und 2 Kinder durch, für die eine Kunststoffkarosserie<br />

vorgegeben war. Die Entwicklung dieses<br />

Fahrzeuges erfolgte Ende 1953 und 1954 im Zentralen<br />

Forschungswerk der IFA in Chemnitz. Für die Karosserie war


Otto Seidan verantwortlich unter Mitwirkung der Experten<br />

der Kunststoffaußenstelle des FEW in Zwickau, der Motor<br />

kam von Paul Wittber und das Fahrwerk von Helmut Pietsch.<br />

Entwicklungsleiter des Gesamtprojektes war Oberingenieur<br />

Wilhelm Orth.<br />

Die Vorstellung dieses später als Ur-P50 bezeichneten Fahrzeuges<br />

erfolgte im September 1954. Da im Formenbau<br />

Schwarzenberg die Blechumformwerkzeuge für den<br />

Plattformrahmen und das Karosseriegerippe dieses neuen<br />

Fahrzeuges nicht vor Ende 1956 gefertigt werden konnten,<br />

wurden heimlich in der Kunststoffaußenstelle in Zwickau die<br />

Außenhautformteile des neuen Kleinwagens auf ein F8<br />

Fahrwerk mit einem im Karosseriewerk in Dresden entwickelten<br />

und gebauten Karosseriegerippe aus Holz montiert.<br />

So entstand das spätere Erfolgsauto P70. Verantwortlich für<br />

diese gelungene „Schwarzentwicklung“ waren insbesondere<br />

der zwischenzeitlich zum Sonderbeauftragten für die Kunststoffkarosserieentwicklung<br />

berufene Oberingenieur Kurt Lang<br />

und die Werkleitung von AWZ, vormals Audi Zwickau,<br />

Betriebsdirektor Heinz Propsthahn und sein Direktor für<br />

Technik, Dr. Winfried Sonntag. Die Null-Serie des P70 begann<br />

am 1. April 1955 und Serienanlauf war am 1. Juli 1955. Bis<br />

Jahresende wurden 2150 Fahrzeuge produziert. Der P70 war<br />

die Sensation auf der Leipziger Herbstmesse 1955.<br />

P70 auf der Herbstmesse in Leipzig 1955.<br />

Die Entwicklung des Trabant<br />

AufgeHorcht<br />

Im Februar 1956 begann die 2. Phase der Kunststoffkarosserie-<br />

Entwicklung, die schließlich zum Trabant führte. Fahrwerk<br />

und Motor waren vom Ur-P50 vorhanden. Es fehlte aber eine<br />

neue Karosserie aus den Erfahrungen und Erkenntnissen des<br />

nun schon serienmäßig produzierten P70.<br />

International bestimmten 1955/56 Kleinwagen und Fahrmaschinen<br />

wie BMW-Isetta, Kabinenroller u.a. das Entwicklungsgeschehen.<br />

So entstanden auch im Zentralen Forschungswerk<br />

der IFA in Chemnitz Vorstellungen für eine Fahrmaschine. Der<br />

frühere Chefkonstrukteur für Karosserie der Auto Union,<br />

Albert Locke, erarbeitete dazu in der Außenstelle in Zwickau<br />

Zeichnungen und erste Vorstellungen des Fahrzeuges aus<br />

Plastilin.<br />

Im Forschungswerk der IFA in Chemnitz arbeitete man zu dieser<br />

Zeit an einem F9 mit Kunststoffkarosserie. Er lief unter der<br />

Arbeitsbezeichnung F9 K. Die Karosserie dieses Fahrzeuges<br />

entsprach in der Außengestaltung den damaligen Möglichkeiten<br />

der Kunststoffteileherstellung. Es war eine Pontonkarosserie mit<br />

angedeuteten Hinterkotflügeln. Das Automobilwerk Eisenach<br />

hatte jedoch andere Vorstellungen in der Karosserieentwicklung,<br />

die schließlich zur Wartburgserie führten. Voraussetzung dafür<br />

02/20<strong>06</strong> 17


18<br />

AufgeHorcht<br />

war aber auch weiterhin der teure Import von Tiefziehblech<br />

aus den westlichen Ländern.<br />

Oberingenieur Kurt Lang war nach dem ersten Jahr der P70-<br />

Produktion, also nach den ersten 2.300 Fahrzeugen mit Kunststoffkarosserie,<br />

wieder aufgestiegen. Er hatte sein als HV-Leiter<br />

gegebenes Versprechen zur Produktion von 2.000 Fahrzeugen<br />

mit Kunststoffkarosserie erfüllt. Er wurde zunächst Betriebsdirektor<br />

des Forschungs- und Entwicklungswerkes der IFA in<br />

Chemnitz und später wieder Generaldirektor des Fahrzeugbaus<br />

der DDR. Diese Funktion behielt er bis zu seinem Rentenbeginn<br />

1968.<br />

Die Entwicklungen von Fahrmaschinen für die DDR lehnte Kurt<br />

Lang generell ab und forderte die in der Akte 36/53 beschlossene<br />

Produktion eines kompletten Kleinwagens auf der Basis<br />

des Ur-P50 des ZEK Auto in Chemnitz.<br />

Drei Funktionsmuster dieses Fahrzeuges waren seit Ende 1954<br />

in Erprobung. Es fehlte nur noch eine neue Karosserie mit den<br />

Gestaltungs- und Montagemöglichkeiten aus den Erfahrungen<br />

der bis dahin serienmäßig produzierten ca. 2.300 P70-<br />

Karosserien. Die Entwicklung der neuen Karosserie sollte<br />

deshalb in Produktionsnähe im damaligen Automobilwerk<br />

Zwickau, dem früheren Audi-Werk, erfolgen. Der Werkleitung<br />

von AWZ, Betriebsdirektor Heinz Propsthahn und seinem<br />

technischen Leiter, Dr. Winfried Sonntag, gelang es, den Leiter<br />

der Entwicklung des Ur-P50, Oberingenieur Wilhelm Orth, von<br />

Chemnitz nach Zwickau zu holen. Karosseriekonstrukteur<br />

war der von den Horch-Werken bekannte Walter Ende.<br />

Grundlage für die Gestaltung der neuen Karosserie waren die<br />

zu diesem Zeitpunkt in der Kunststoffentwicklungsabteilung<br />

vorliegenden Erkenntnisse in der Herstellung, Formteilgestaltung<br />

und Montagemöglichkeit der Kunststoffteile. Leiter<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Ur-P50, mit der Karosserie<br />

des späteren P70.<br />

der Kunststoffentwicklung in Zwickau wurde Ende 1955, nach<br />

dem Weggang von Wilhelm Ladewig, der für die Werkstoffentwicklung<br />

zuständige Dipl.-Ing. Wolfgang Barthel. Die Formteilgestaltung<br />

und Presstechnik sowie die Montageprobleme<br />

und Oberflächenbehandlung bearbeitete vorwiegend Dr.-Ing.<br />

Werner Reichelt, der Autor dieses Artikels. Die Pressformen<br />

für die Serienfertigung der Kunststoffteile konstruierte Ing.<br />

Alfred Schädlich.<br />

Bei Konstruktionsbeginn des neuen P50 gab es in der P70-<br />

Fertigung noch viele ungelöste Probleme. Das Vormaterial für die<br />

Pressstoffteile wurde zu dieser Zeit noch unmittelbar an der<br />

Krempelmaschine, auf einer Pelztrommel, gebildet. Das Vormaterial<br />

kam teilweise auch aus einer Baumwollspinnerei in<br />

Breitenau bei Chemnitz. Die von Dipl.-Ing. Barthel später entwickelte<br />

Vliesstraße für die Vormaterialbildung, mit einer speziellen<br />

Schichtung des Werkstoffes, setzte erst mit dem Anlauf<br />

des P50, also 1957/58 ein.<br />

Problematisch war besonders die Montagetechnik. Das ursprünglich<br />

für die Türen und Kotflügel vorgesehene Einfalzen<br />

der Kunststoff-Formteile in 5 Millimeter breiten Blechfalzen<br />

hatte sich nicht bewährt. Es war zu aufwändig und bot auch<br />

keinen genügenden Korrosionsschutz im Falz. Wir begannen<br />

zunächst mit dem Einpressen von Zungenblechen aus Stahlblech<br />

in die Innenseite der Kunststoffteile. Nach dem<br />

Hochbiegen konnten diese Zungen in entsprechenden Öffnungen<br />

in den Türsäulen und am Innenblech umgebogen werden.<br />

Mit dieser Montagetechnologie wurde die Konstruktion<br />

des neuen P50 vorgenommen. Später wurden Steilkanten aus<br />

Kunststoff an die Innenseiten der Kunststoffteile angepresst,<br />

die jedoch den Pressvorgang komplizierten. 1958 begann das<br />

Einpressen von mit Klebstoff versehenen Aluminiumfaltschienen.<br />

Ur-P50 Kombi, das einzige gebaute Fahrzeug,<br />

daneben die zur selben Zeit produzierte<br />

Fahrmaschine BMW Isetta.


Sie wurden nach dem Pressvorgang hochgestellt und erlaubten<br />

damit das Anschrauben der Kunststoffteile an die Türsäule<br />

und am Innenblech.<br />

Das Ankleben der Kunststoffteile direkt an das Karosseriegerippe<br />

war erst nach 1961, nach der Entwicklung geeigneter<br />

Klebstoffe und dem Anlauf der ersten Stufe der Kunstharzlackieranlage<br />

zum Vulkanisieren des Kautschukklebstoffes<br />

beim Ofendurchgang, möglich.<br />

Beim Beginn der P50-Neukonstruktion hatten wir auch noch<br />

keine Vorstellungen von der Formstabilität des neuen Kunststoffes.<br />

Die Seitenteile des P70 waren relativ rund. Es wurde<br />

deshalb einer flachen Seitenform der neuen Karosserieteile<br />

zugestimmt. Sie ist die Ursache der seitlichen Markierungen<br />

und Einfälle am Trabant. Dieser Fehler konnte auch beim erst<br />

1964 angelaufenen P601 nicht geändert werden, weil die<br />

Vorderkotflügel und die Türaußenhäute aus Kostengründen<br />

unverändert vom P50 übernommen werden mussten.<br />

Trotz des noch geringen Kenntnisstandes in der Fertigung und<br />

Montage der Kunststoffteile gelang Walter Ende eine gute Lösung<br />

für die P50-Karosserie. Es entstanden beim Serienanlauf<br />

1958 keine größeren Probleme. Die Veränderungen der<br />

Kotflügel- und Türmontage erfolgten, nach den Erkenntnissen<br />

aus der P70 Fertigung, bereits an den Erprobungsmustern und<br />

in der Null-Serie.<br />

Am 23. Mai 1956 war das Kopiermodell der neuen Karosserie<br />

fertig und wurde erstmalig beurteilt. Es gab nur gering Änderungswünsche.<br />

Am 15. September 1956 war der Abschluss<br />

der Konstruktion, und am 12. Oktober 1956 stand der erste<br />

P50 auf seinen Rädern. Die Vorführung des Prototyps P50<br />

erfolgte am 23. Oktober 1956 in der Hauptverwaltung<br />

Fahrzeugbau. Null-Serienbeginn mit 54 Fahrzeugen war der 7.<br />

November 1957 in der umgebauten Kammgarnspinnerei im<br />

Werk III von AWZ. Betriebsleiter in der neuen Fertigungshalle<br />

war Erich Klaus, der frühere Leiter der Kunststoff-Fertigung<br />

bzw. der P70 Kombiproduktion.<br />

Montagemöglichkeiten für Kunststoff-Außenhautteile.<br />

P50-Limousine aus der Anfangszeit der<br />

Serienfertigung.<br />

AufgeHorcht<br />

Serienbeginn des neuen nun Trabant genannten Kleinwagens<br />

P50 war am 1. Juli 1958, nach der am 1. Mai 1958 erfolgten<br />

Zusammenlegung der beiden Zwickauer Automobilwerke<br />

zum VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau.<br />

Dr.-Ing. Werner Reichelt<br />

Fotos: Archiv des Autors<br />

Der Autor begann 1950 als Ingenieur in den Horch-Werken<br />

in Zwickau und war dort zuletzt stellvertretender Leiter<br />

der Blechbearbeitung. Ab 1953 arbeitete er in der Kunststoffkarosserieentwicklung<br />

des WTZ Auto, ab 1953 in der<br />

Außenstelle Zwickau als Forschungsingenieur, später als<br />

Fachgebietsleiter und ab 1987 als Abteilungsleiter der<br />

Kunststoffentwicklung.<br />

Dr. Reichelt studierte an der Ingenieurschule in Zwickau,<br />

war später Fernstudent an der TU Dresden, erwarb postgradual<br />

den Fachingenieur für Korrosionsschutz an der TH<br />

Chemnitz. Er diplomierte und promovierte an der Ingenieurhochschule<br />

in Zwickau mit Themen zur Kunststoffkarosserie<br />

und zur Optimierung des Korrosionsschutzes an Kfz.<br />

Dr. Reichelt forschte an der Kunststoffkarosserie u.a. zu<br />

den Themen Presstechnik, Fügetechnik, Teilegestaltung,<br />

Oberflächentechnik, Arbeitsaufnahme, Unfallverhalten und<br />

Reparaturverfahren. Weitere Forschungsarbeiten leistete<br />

er zum Werkstoffeinsatz an Kfz.<br />

Nach 1988 befasste er sich mit Recycling und Wiederverwertung<br />

von Kfz.<br />

Aus seiner Arbeit entstanden 32 Patente, teilweise als<br />

Mitinhaber, 54 Veröffentlichungen und 3 Bücher.<br />

02/20<strong>06</strong> 19


20<br />

AufgeHorcht<br />

Enge Bindung<br />

an Horch<br />

SAT/ATC am Standort<br />

Rackwitz aktiv<br />

Sächsische Oldtimer durften zur Eröffnung des neuen<br />

SAT/ATC-Standortes Rackwitz nicht fehlen.<br />

Foto: SAT/ATC<br />

Der Standort Rackwitz der SAT-<br />

Sächsische Autotransport und Service<br />

GmbH/ATC-Autotechnik Center GmbH<br />

fühlt sich den Traditionen des „Autolandes<br />

Sachsen“ verbunden. Davon zeugt die<br />

Adresse August-Horch-Straße 1. Zur Einweihung<br />

des neuen Technik- und Logistikzentrums<br />

war außerdem eine Oldtimerschau<br />

mit sächsischen Fahrzeugen zu sehen.<br />

Von Rackwitz aus realisieren<br />

SAT/ATC u. a. die Neufahrzeuglogistik<br />

der Marken Mercedes-Benz und Smart für<br />

Sachsen und Thüringen. Ebenso werden<br />

Fahrzeuge aus den nahen Werken von<br />

Porsche und BMW Leipzig umgeschlagen.<br />

Rackwitz ist nach Glauchau und Gößnitz<br />

die dritte SAT/ATC-Ansiedlung in Mitteldeutschland.<br />

Die Fahrzeuglogistiker sind<br />

ein wichtiges Bindeglied zwischen Hersteller,<br />

Importeure und Händler. IR<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Zeugnisse für STIP-Studenten<br />

Studium im Praxisverbund bewährt sich<br />

Die ersten 16 Studenten des Studiums im<br />

Praxisverbund (STIP) erhielten ihre IHK-<br />

Facharbeiterzeugnisse. Mit Gesamtdurchschnitten<br />

von 1,5 im Studiengang Maschinenbau<br />

und 2,0 im Studiengang Kfz-<br />

Elektronik ist der als Projekt gestartete<br />

Studiengang eine Bereicherung des Hochschulstandorts<br />

Zwickau. Das STIP ist eine<br />

Form der kooperativen Ingenieurausbildung<br />

mit viereinhalbjährigem Ingenieurstudium<br />

zum Diplomingenieur (FH) und<br />

einer integrierten Berufsausbildung von<br />

Westsächsischer Hochschule Zwickau und<br />

Volkswagen Bildungsinstitut GmbH. Ein<br />

dritter Studiengang Kraftfahrzeugtechnik<br />

soll eingeführt werden. Ebenso sind<br />

Ausbildungen wie Wirtschaftsingenieur,<br />

Zwei der besten deutschen Autofahrer<br />

kommen aus Sachsen. Beim Wettbewerb<br />

„Deutschlands beste Autofahrer“<br />

belegten der Annaberg-Buchholzer<br />

Torsten Kunz den 6. und Sven Gerlach<br />

aus Hilmersdorf den 9. Platz. Insgesamt<br />

Industrial Management und Industrial<br />

Engineering geplant. IR<br />

Die STIP-Studenten haben die erste Etappe ihres<br />

Studiums gut gemeistert. Foto: VW BI<br />

Sachsen mit „Autogefühl“<br />

DEKRA ehrte beste Fahrer<br />

aus 110.000 Bewerbern<br />

Torsten Kunz (2. v. l.) und Sven Gerlach (3. v. l.) erhielten<br />

aus den Händen von Reiner Flemig, Leiter der<br />

DEKRA-Niederlassung Chemnitz (r.), und Frank Herklotz,<br />

Geschäftsführer der Kfz-Innung Sachsen West,<br />

die Ehrungen für ihre vorderen Plätze im Wettbewerb<br />

„Deutschlands beste Autofahrer“. Foto: Frank Reichel<br />

hatten sich mehr als 110.000 Fahrerinnen<br />

und Fahrer beworben. Beim Wettbewerb<br />

geht es nach dem Vorbild der<br />

Fahrsicherheitstrainings darum, auf<br />

mögliche Gefahren im Straßenverkehr<br />

vorbereitet zu sein. IR


AufgeHorcht<br />

DKW Front F1 Erster in Großserie gebauter deutscher Personenkraftwagen mit Frontantrieb<br />

02/20<strong>06</strong>


AufgeHorcht<br />

DKW Front F1<br />

Erster in Großserie gebauter deutscher Personenkraftwagen mit Frontantrieb<br />

Innenraum mit Armaturen<br />

und Krückstockschalthebel.<br />

Vorderachse rechts mit Radantrieb.<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Motorraum mit Kühler und Kraftstoffbehälter.<br />

Hinterachse mit Befestigung am Rahmen<br />

und Auspuffanlage.


Technische Beschreibung<br />

Personenwagen DKW Front F1<br />

Hersteller Audi-Werke AG Zwickau<br />

Bauzeit 02/1931 bis 12/1932<br />

Produktion 4353 PKW und Fahrgestelle<br />

Gesamtfahrzeug<br />

Bauart: Personenwagen in Rahmenbauweise zum Aufbau<br />

verschiedener Karosserien<br />

AufgeHorcht<br />

Antrieb: Frontantrieb mit quer im Fahrzeugbug hinter der Vorderachse<br />

eingebautem 2-Zylinder 2-Takt-Motor und Schaltgetriebe mit<br />

angebautem Stirnraddifferential<br />

Karosserie:<br />

Ausführung/Hersteller Stückzahl<br />

Zweisitzer (Holzkarosserie) 817<br />

Dreisitzer (Blech) Schneider & Korb 166<br />

Cabrio-Limousine 2-Sitzer 2596<br />

Cabrio-Limousine 4-Sitzer 400<br />

Limousine Ambi Budd 210<br />

Sportcabriolet 2-Sitzer Hornig 20<br />

Luxuscabriolet 4-Sitzer Hornig 2<br />

Monoposto-Rennwagen 5<br />

Fahrgestelle 137<br />

Gesamt 4353<br />

Hauptabmessungen: Roadster Cabrio-Limousine<br />

2- und 3-sitzig 2- und 4-sitzig und<br />

Limousine (Stahl)<br />

Radstand: 2100 mm 2400 mm<br />

Spurweite vorn: 1100 mm 1100 mm<br />

Spurweite hinten: 1100 mm 1100 mm<br />

Gesamtlänge: 2900 mm 3220 mm<br />

Gesamtbreite: 1300 mm 1300 mm<br />

Gesamthöhe: 1250 mm 1480 mm<br />

Gewichte:<br />

Eigengewicht Roadster Cabrio-Limousine<br />

2-sitzig 435 kg 2-sitzig 515 kg<br />

3-sitzig 450 kg 4-sitzig 580 kg<br />

Limousine (Stahl) 600 kg<br />

zul. Belastung: 250 kg 350 kg<br />

Bereifung: 3,50 x 19 4,00 x 19<br />

Höchstgeschwindigkeit: FA 500 70 km/h FA 600 75 km/h<br />

FA 600 75 km/h<br />

Kraftstoffverbrauch: 7 l je 100 km 8 l je 100 km<br />

Preise: Roadster Cabrio-Limousine<br />

2-sitzig 1685 RM 2-sitzig 2395 RM<br />

3-sitzig 1785 RM ab 02/1932 2095 RM<br />

4-sitzig 2495 RM<br />

ab 02/1932 2395 RM<br />

02/20<strong>06</strong>


AufgeHorcht<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Triebwerk<br />

Motor:<br />

Bauart: 2-Zylinder-Reihenmotor<br />

Arbeitsverfahren: 2-Takt-Ottomotor, 3-Kanal mit Nasenkolben<br />

Bohrung/Hub: FA 500 68 mm/68 mm FA 600 74 mm/68 mm<br />

Hubraum: 494 cm³ 580 cm³<br />

max. Leistung: 15 PS bei 3800 U/min 18 PS bei 3800 U/min<br />

Schmierung: Frischölschmierung durch Öl-Kraftstoff-Gemisch 1:20<br />

Kraftstoffübertragung zum Getriebe: über Zahnräder, ab 11/1931 über Duplexkette<br />

Kühlung:<br />

System: Wasserumlaufkühlung (Thermosyphon)<br />

Anordnung des Kühlers: über der Vorderachse<br />

Kupplung: Mehrscheibenkupplung im Ölbad<br />

Getriebe und Ausgleichsgetriebe: Blockgetriebe mit angebautem Stirnraddifferential<br />

3 Vorwärtsgänge<br />

Elektrische Anlage<br />

Zündung:<br />

Art: Batteriezündung<br />

Bordspannung: 6 V<br />

Lichtmaschine: Dynastartanlage<br />

Anlasser: Dynastartanlage<br />

Batterie: Anordnung im Motorraum rechts von der Stirnwand<br />

Fahrwerk<br />

Vorderachse: Einzelradaufhängung an 2 übereinander angeordneten<br />

Querblattfedern, ohne Stoßdämpfer<br />

Vorderräder: über Gelenkwellen mit inneren Hardy-Scheiben und<br />

äußeren Tracta-Gelenken<br />

Lenkung: Schneckenlenkgetriebe hinter der Vorderachse<br />

am Rahmenquerträger befestigt<br />

Hinterachse: Einzelradaufhängung an 2 übereinander angeordneten<br />

Querblattfedern, ohne Stoßdämpfer<br />

Rahmen: Rahmen aus 2 eng beisammen liegenden U-Profillängsträgern durch<br />

angenietete Flacheisen verbunden<br />

Bremsen:<br />

Bauart: Innenbackentrommelbremse<br />

Fußbremse: mechanische Vierradbremse mit Seilzugbetätigung<br />

Handbremse: mechanisch mittels Seilzug auf die Hinterräder wirkend<br />

Kraftstoffbehälter:<br />

Anordnung: im Motorraum auf Stirnwandvorbau<br />

Inhalt: ca. 30 l<br />

Quellen : - Technische Daten und Beschreibungen aus Unterlagen des Automobilmuseums A. Horch Zwickau<br />

- Fotos: FES GmbH vom Ausstellungsfahrzeug des Automobilmuseums A. Horch Zwickau<br />

- Zusammenstellung Dipl.-Ing. Karl-Heinz Brückner, Förderverein Automobilmuseum A. Horch Zwickau


Nachbau des Rennwagens Typ C<br />

der Auto Union AG von 1936/37 für<br />

das Automobilmuseum August Horch<br />

Der Rennwagen nimmt Gestalt an.<br />

Karosserie, Chassisrahmen, Cockpit mit<br />

Sitz und Instrumententafeln als Ergebnisse<br />

der ersten Arbeitsetappe werden 2007<br />

im Automobilmuseum August Horch zu<br />

sehen sein. Gegenwärtig können wir auf<br />

folgenden Stand verweisen: Die Nachkonstruktion<br />

des Typ C ist weitestgehend<br />

abgeschlossen. Bis auf Lenkgetriebe/Spurstangen<br />

und Antriebswellen sowie der<br />

noch ausstehenden Triebwerkskonstruktion<br />

einschließlich Zündelektrik<br />

stehen alle Daten als 3D- und 2D-<br />

Zeichnungen in Catia V5 und Stücklisten<br />

zur Verfügung. Dahinter steht eine<br />

enorme Leistung aller Beteiligten. Die<br />

Karosserie ist zu 80 Prozent fertiggestellt,<br />

der Chassisrahmen zu 70 Prozent. Das<br />

Cockpit mit Instrumententafeln und Sitz<br />

konnte bereits komplett hergestellt werden.<br />

Mechanische Fertigung und Ober-<br />

flächenveredlung ist noch für die Betätigungsanlage<br />

notwendig. Ebenso müssen<br />

Lackierungen und Montagearbeiten für<br />

den Gesamtaufbau erfolgen. Diese Arbeiten<br />

werden wir noch 20<strong>06</strong> durchführen.<br />

Der jetzige Stand konnte nur dank<br />

kostenloser Leistungen von Sponsorenfirmen,<br />

umfangreicher ehrenamtlicher<br />

Arbeit von Fördervereinsmitgliedern und<br />

durch Spenden erreicht werden. Dafür<br />

möchten wir allen Akteuren ausdrücklich<br />

Dank sagen.<br />

Für den Fortgang des Projekts sind folgende<br />

Arbeiten gefragt:<br />

• Herstellung von Stahl- und Al-<br />

Gießmodellen<br />

• Gießen der Stahl- und Al-Gussteile<br />

• Mechanische Fertigung<br />

• Oberflächengalvanik<br />

• Bau/Beschaffung Wasser- und Ölkühler<br />

• Bau/Beschaffung Lenkgetriebe<br />

• Bau/Beschaffung Haupt- und<br />

Radbremszylinder<br />

• Herstellung/Beschaffung Felgen, Reifen,<br />

Räder<br />

• Montagearbeiten<br />

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel<br />

können diese Leistungen wiederum vorwiegend<br />

nur durch kostenlose materielle<br />

Hilfe, durch Spenden sowie durch ehrenamtliches<br />

Engagement erbracht werden.<br />

Wir bitten deshalb weiterhin um Unterstützung.<br />

Rainer Mosig, Projektleiter<br />

AufgeHorcht<br />

Gemeinnütziger<br />

Förderverein<br />

Automobilmuseum<br />

August Horch Zwickau e.V.<br />

Audistraße 7<br />

08058 Zwickau<br />

Spendenkonto:<br />

Sparkasse Zwickau<br />

BLZ 870 550 00<br />

Konto-Nr. 22 12 00 03 51<br />

Kennwort: RWC<br />

oder<br />

Kontakt per<br />

Tel./Fax 0375/270 65 87<br />

02/20<strong>06</strong> 25


26<br />

AufgeHorcht<br />

„Vorsichtiges Herantasten an die Grenzleistung<br />

von Maschine, Material und Mensch“<br />

Aus der Dokumentation „Höchstleistung im Rennwagenbau“ der Auto Union<br />

Teil 2<br />

Der Rennwagenbau verlangt die<br />

Herstellung schwierigster Formen aus<br />

hochlegierten Stählen, meist ohne geeignete<br />

Vorrichtungen, ja vielfach aus dem<br />

Vollen, weil die Entwicklung sich in viel<br />

zu raschem Fluss befindet, um bei den<br />

kleinen benötigten Stückzahlen Gesenke<br />

oder Modelle mit langen Lieferzeiten zu<br />

rechtfertigen. Verspanungsgewichte von<br />

90 Prozent des Rohgewichts sind keine<br />

Seltenheit<br />

Ein Vorderachsträger mit Achsschenkel,<br />

ein Torsionsfederhebel der Hinterachse<br />

kombiniert mit einem Reibscheibenstoßdämpfer<br />

und der Gleitsteinkupplung<br />

für einen hydraulischen Stoßdämpfer<br />

lassen wieder das Streben nach hohem<br />

Nutzungsgrad sowie Leitung der Kräfte<br />

ohne Umwege erkennen.<br />

Eine Reihe weiterer Teile wie Fußhebel,<br />

Schaltgabel, Getrieberäder usw. weisen<br />

günstige Profilquerschnitte auf, darüber<br />

hinaus noch Erleichterungsbohrungen in<br />

neutralen Spannungsgebieten. Um Kerbwirkung<br />

zu vermeiden, werden alle hochbeanspruchten<br />

Teile auf Hochglanz<br />

poliert und alle scharfen Kanten mit<br />

Sorgfalt abgerundet und, wo möglich,<br />

große Übergangsradien geschaffen, die<br />

ebenfalls auspoliert werden. Die Wellenzapfen,<br />

Kolbenbolzen, Ventilschäfte<br />

usw. sind sorgfältig geläppt, so dass<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Der Motorsport zieht damals wie heute Millionen von Fans weltweit in seinen Bann.<br />

Die Auto Union hatte in den 1930er Jahren die Pole Position auf diesem Gebiet inne.<br />

Die damit verbundenen technischen Herausforderungen beschrieb der damalige<br />

Rennleiter Dr. Karl Feuereisen in der Dokumentation „Höchstleistung im Rennwagenbau“, die<br />

„AufgeHorcht“ auszugsweise veröffentlicht.<br />

Vorderachsträger mit Achsschenkel, Torsionsfederhebel<br />

der Hinterachse kombiniert mit einem Reibscheibenstoßdämpfer<br />

und Gleitsteinkupplung für<br />

einen hydraulischen Stoßdämpfer.<br />

Fußhebel, Schaltgabel und Getrieberäder.<br />

Motor und Triebwerk nach verhältnismäßig<br />

kurzer Einlaufzeit voll belastet<br />

werden können.<br />

Die Präzision der Oberflächenbearbeitung<br />

aller auf Verschleiß beanspruchten<br />

Stellen muss so hoch wie nur irgend<br />

möglich getrieben werden, damit die<br />

Vorbelastung beim Einlaufen soweit wie<br />

möglich zu Gunsten der Lebensdauer in<br />

Rennen gekürzt werden kann. Für<br />

Federmaterial wird das Oberflächenverdichtungsverfahren<br />

mit Erfolg angewendet.<br />

Alle Gleitlagerstellen werden mit<br />

Diamant gebohrt.<br />

Eine besonders schwierige Anforderung<br />

für die Fabrikation ohne Vorrichtungen<br />

ist die unbedingte Austauschbarkeit der<br />

Teile. Die Rennen finden häufig mehrere<br />

tausende Kilometer vom Werk entfernt<br />

statt, und der Fall ist nicht selten, dass<br />

noch nach dem Training auf einer<br />

Rennstrecke Einzelteile oder ganze<br />

Aggregate ausgewechselt werden müssen<br />

und das natürlich ebenfalls in Rekordmontagezeiten.<br />

Der Wechsel einer<br />

Hinterachsübersetzung, die der Eigenart<br />

der Rennstrecke angepasst werden<br />

muss, wird z. B. in 90 Minuten durchgeführt,<br />

der Austausch eines Kolbens kann<br />

in 2 Stunden bewerkstelligt werden, der<br />

Austausch eines kompletten Motors<br />

etwa in der selben Zeit. Schon die<br />

Konstruktion muss solchen Anforderungen<br />

Rechnung tragen.<br />

Kurbelgehäuse mit den Bleibronzehauptlagern und Sitzen für die nassen Zylinderbüchsen (links)<br />

Weißmetalllager für die Steuerwellen (rechts).


Motorleistung<br />

Da die Beschleunigung eine direkte<br />

Funktion der Motorleistung bzw. des<br />

Leistungsgewichtes ist, besteht die Notwendigkeit,<br />

in dem durch die jeweilige<br />

Rennformel auferlegten Hubvolumen<br />

oder durch Gewichtsbeschränkungen<br />

die höchste mögliche Motorleistung zu<br />

erzielen. Die Erhöhung des Mitteldrucks<br />

und der Drehzahl hat bei den deutschen<br />

Ladermotoren zu 140 PS pro Liter geführt.<br />

Zur Aufladung werden deutscherseits<br />

Verdrängergebläse der Rootsbauart<br />

verwendet, welche gegenüber Kapselgebläsen<br />

den Vorzug höherer beherrschbarer<br />

Drehzahlen und damit leichterer<br />

Bauweise haben. Turbogebläse werden<br />

nicht ausgesondert, da der Drehzahlbereich<br />

von 1 : 6 mehrere Übersetzungsstufen<br />

notwendig machen würde. Die<br />

hohen Mitteldrücke von Pe = 23 atü einschließlich<br />

Laderleistung, also effektiv<br />

mehr als 26 atü bei Spitzendrücken von<br />

über 120 atü, sind nur erzielbar durch<br />

Verwendung hochalkoholischer Kraftstoffe<br />

mit praktisch nicht mehr messbaren<br />

Oktanzahlen, deren Verdampfungswärme<br />

mit 260 Kal. pro Kilo ca. dreimal<br />

so hoch liegt wie die von Benzol. Durch<br />

die Verdampfungswärme des Kraftstoffüberschusses<br />

– solche Motoren werden<br />

mit Luftüberschusszahlen von 0,5–0,7<br />

gefahren – wird nicht nur die Verdichtungstemperatur<br />

hinter dem Lader<br />

erniedrigt und dadurch das Ladergewicht<br />

erhöht, sondern auch die äußere Kühlung<br />

des Brennraumes durch Innenkühlung<br />

des Kolbenbodens und der Auslassventile<br />

von innen wirksam unterstützt. Diese<br />

Eigenart der Rennmotoren stellt besondere<br />

Anforderungen an die Zündkerzen,<br />

die bei Spitzendrehzahlen Mitteltemperaturen<br />

an der Elektrode von 700 Grad<br />

überschreiten, ohne Glühzündungen<br />

hervorrufen zu dürfen, bei Teillast und<br />

niederer Drehzahl aber bei 200 Grad,<br />

also unter der Selbstreinigungstemperatur,<br />

noch zuverlässig arbeiten müssen.<br />

Die Grenze der Aufladung und des<br />

Mitteldrucks wird scheinbar bestimmt<br />

von der thermischen Belastbarkeit des<br />

Kolbens und dem Wirkungsgrad des<br />

Laders, nicht nur volumetrisch, sondern<br />

vor allem in Bezug auf seine Antriebsleistung.<br />

Die Ventilsteuerung ist sowohl<br />

thermisch wie mechanisch bis n = 8000<br />

ohne weiteres beherrschbar. Der niedrige<br />

Heizwert der Rennkraftstoffe von weniger<br />

als 5000 Kal. pro Kilo ist der Grund<br />

für die Unwirtschaftlichkeit hochgezüchteter<br />

Rennmotoren, neben den<br />

bereits erwähnten, für die Kühlung notwendigen<br />

Luftüberschusszahlen. Spezifische<br />

Verbräuche von mehr als 550 gr.<br />

pro PS Std. dürfen nicht wundernehmen.<br />

Der Verbrauch im Fahrbetrieb<br />

erreicht auf manchen kurvenreichen<br />

Strecken 1 Ltr. pro 1 km mit den heutigen<br />

3 Ltr.-Formelwagen. Das für ein Rennen<br />

erforderliche Brennstoffgewicht verursacht<br />

einen Beschleunigungsverlust,<br />

welcher schon heute geringere Leistung<br />

mit größerer Wirtschaftlichkeit erwägenswert<br />

erscheinen lässt. Interessant ist,<br />

dass der Kilometerverbrauch der doppelt<br />

so großen 6 Ltr. Grand Prix-Maschine von<br />

1937 um mehr als 20 Prozent niedriger<br />

lag als der der heutigen 3 Liter-Type,<br />

welche natürlich gegenüber der früheren<br />

Grand Prix-Type einen Rückgang der<br />

Renndurchschnitte bedeutet. Diese<br />

Tatsache sollte nicht übersehen werden,<br />

obwohl sie durch die Weiterentwicklung<br />

der Fahrgestelle, Verbesserung der<br />

Straßenlage und Bremsen verdeckt<br />

wird. Während also einerseits durch<br />

AufgeHorcht<br />

Formelbestimmungen der Steigerungen<br />

der Geschwindigkeiten Einhalt geboten<br />

werden sollte, zwingt die Aufgabenstellung<br />

der Rennformel zur Entwicklung<br />

von Liter-Höchstleistungen<br />

unter zwangsweiser Entfernung von<br />

jeder Wirtschaftlichkeit im Betrieb.<br />

Eine Welle am Ferrofluxgerät, die schon bei der Fabrikation durch zu große örtliche Erwärmung beim Schleifen<br />

infolge von Spannungsrissen Ausschuss geworden ist. Diese Risse sind häufig nicht einmal mit dem<br />

Vergrößerungsglas wahrnehmbar. (oben)<br />

Ein Vorderachsträger eines Wagens, der durch unfreiwillige Berührung mit einer Böschung einen Belastungstest<br />

erhalten hat, dem die Festigkeit des Teiles nicht mehr gewachsen war. Gussteile und Lagerschalen werden röntgenisiert,<br />

um Lunker, Riss- und Fehlstellen oder Bindungsfehler feststellen zu können. (unten)<br />

Diese Tendenz ist nicht sinnvoll, scheint<br />

aber sogar noch ihre weitere Fortsetzung<br />

in neueren Bestrebungen zu finden,<br />

da heute trotz bestehender 3 Ltr.-<br />

Formel den 1,5 Ltr.-Rennen im Ausland<br />

der Vorzug gegeben wird. Vielleicht hat<br />

allerdings das allerletzte Rennergebnis in<br />

Tripolis den Geschmack an der 1,5 Ltr.-<br />

Formel schon wieder verdorben. Jedenfalls<br />

entfernen wir uns im Rennwagenbau<br />

bewusst, willkürlichen Einschränkungen<br />

zuliebe, vom technischen<br />

Fortschritt im höheren Sinn. Es ist zu<br />

hoffen, dass Deutschland auch in der 1,5<br />

Ltr.-Klasse eine unbestrittene Vormachtstellung<br />

erkämpfen wird und schließlich<br />

unabhängig von den Sonderinteressen<br />

des Auslandes dem Rennsport einen tie-<br />

02/20<strong>06</strong> 27


28<br />

AufgeHorcht<br />

feren technischen Sinn als unmittelbaren<br />

Schrittmacher für das Nutzfahrzeug<br />

zurückgeben wird. Höchstleistungen<br />

werden zwar immer ein Wertmaßstab<br />

bleiben, aber sind ohne Wirtschaftlichkeit<br />

keine technische Bestleistung, die wir auch<br />

im Rennwagenbau anstreben müssen.<br />

Kontrolle und Versuch<br />

Röntgenaufnahme von mit Bleibronze ausgegossenen<br />

Lagerschalenhälften. An den oberen Lagerschalen 1<br />

und 2 sind deutliche Schwundrisse bei 3 Gasporen<br />

erkenntlich, die an der Oberfläche unsichtbar<br />

bleiben. Die unteren 3 Lagerschalen zeigen keine<br />

Beanstandung.<br />

Eine besondere Aufgabe ist die ständige<br />

Überwachung der Materialqualitäten,<br />

der thermischen Behandlung der Stähle<br />

und der Maßhaltigkeit der Teile. Nur<br />

dauernde Beobachtung und wieder<br />

Kontrollen verbürgen jene Sicherheit,<br />

welche trotz dauernder steigender Spitzenleistungen<br />

gefordert werden muss.<br />

Es muss bekannt werden, dass der Entwicklungsstand<br />

der heutigen Rennwagen<br />

kein Forschungsprodukt, sondern das<br />

Ergebnis eines vorsichtigen Herantastens<br />

an die Grenzleistung von Maschine,<br />

Material und Mensch ist. Der rasche<br />

Entwicklungsfluss im Rennwagenbau<br />

zwingt uns über den Erfolg zu neuen<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Entwicklungsaufgaben überzugehen,<br />

ehe es in der Zeit überhaupt möglich<br />

wäre, alle forschungsmäßigen Versuchsgrundlagen<br />

zu schaffen, die in den Grenzgebieten<br />

vielfach fehlen. Ich erwähne<br />

nur einige Probleme, die heute vielleicht<br />

nur einen kleinsten Kreis von Fachleuten<br />

interessieren, aber in 10 Jahren mit einer<br />

Steigerung der nutzbaren Geschwindigkeiten<br />

eine grundlegende Klärung durch<br />

Forschung für weitere Kreise erheischen<br />

werden.<br />

1) Stabilisierung von schnellen Fahrzeugen<br />

bei Schiebewind<br />

Die Beseitigung des Drehmotors in<br />

Bezug auf den Schwerpunkt durch<br />

Flossen ist nicht als Lösung für das<br />

kraftschlüssig an die Fahrbahn<br />

gebundene Fahrzeug anzusprechen,<br />

weil die durch die Spurhaltung aufzunehmende<br />

Kraft rund verdoppelt<br />

und der durch die Triebkräfte bereits<br />

belasteten Hinterachse genährt wird.<br />

2) Beeinflussung der Achsdrücke durch<br />

Luftkräfte<br />

Gutgeformte Stromlinienkörper in<br />

Bodennähe erweisen sich wegen der<br />

Düsenwirkung zwischen Fahrbahn<br />

und Rumpf als sehr empfindlich<br />

gegen Veränderung der Anstellwinkel<br />

und Form. Die Übertragbarkeit<br />

von Windkanalmessungen am Modell<br />

mit laufendem Band, Bodenplatte<br />

oder Spiegelbild auf die Wirklichkeit<br />

wäre zu prüfen.<br />

Zur Untersuchung der Oberflächenbeschaffenheit<br />

bei gleitenden Flächen mit hoher Verschleißbeanspruchung<br />

wird das Oberflächenprüfgerät nach<br />

Schmalz benutzt. Der Unterschied eines gedrehten,<br />

geschliffenen und geläppten Bolzens kommt deutlich<br />

zum Ausdruck.<br />

Vor Auflage einer Rennwagenserie werden wichtige<br />

Einzelaggregate auf Prüfständen im Dauerlauf<br />

erprobt, bei welchen nach Möglichkeit die thermischen<br />

und mechanischen Beanspruchungen des<br />

Fahrbetriebes eingehalten wird.<br />

Schleuderprüfstand für Einzelgebläseflügel bis n = 24000 Umdrehungen/Min. Die Verformung des Flügels wird<br />

durch Kontaktstifte an Mikrometerschrauben ermittelt, die hier an Glühbirnen angeschlossen sind, beim<br />

Frühlauf jedoch eine Kathodenröhre steuern. Derselbe Prüfstand dient gleichzeitig der Entwicklung der<br />

Einzelradbremse, welche hier unter idealisierten Bedingungen wie im Fuhrbetrieb arbeitet, dabei aber beobachtet<br />

und in ihrer Wirkung laufend gemessen werden kann. Die Rennwagenbremse unterliegt durch das abzubremsende<br />

hohe M.v.2 bei Gleitgeschwindigkeit bis 40 m/Sek. besonderem Verschleiß, dessen Beherrschung<br />

kein mechanisches, sondern ein thermisches Problem darstellt. Sonder-Prüfstände werden weitere verwendet<br />

für die Erprobung von Aufladegebläsen, kompletten Ventilsteuerungen, Ölpumpen und Wasserpumpen,<br />

Stoßdämpfern etc.


Jeder Motor wird nach entsprechender Einlaufzeit einer Leistungskontrolle unterzogen und auf Bestleistung<br />

einreguliert. Nach dem Zusammenbau des kompletten Wagens werden Fahrversuche auf der rollenden<br />

Landstraße durchgeführt.<br />

3) Kraftschluss von Reifen und Fahrbahn<br />

bei rollender und gleitender Reibung<br />

Eine Verminderung des Reibwertes<br />

mit der Geschwindigkeit ist m. W.<br />

nicht nachgewiesen. Die Vergrößerung<br />

bei Schlupf kann als erwiesen<br />

gelten, doch fehlen jegliche Messergebnisse<br />

über die Beziehung von<br />

Spurhaltung und Umfangskraft bei<br />

abrollenden oder schlüpfenden Reifen.<br />

Die scheinbare Verminderung<br />

des Reibwertes mit der Geschwindigkeit<br />

dürfte vielmehr auf die Verminderung<br />

der Achsdrücke durch<br />

Luftkräfte und Fahrgeschwindigkeit<br />

zurückzuführen sein.<br />

4) Rollwiderstand von Reifen<br />

Die Zunahme mit der Geschwindigkeit<br />

ist erwiesen, doch fehlen<br />

Untersuchungen bei Geschwindigkeiten<br />

über 140 km/Std. Vorzuschlagen<br />

wären Leistungsversuche<br />

mit 2 gegeneinander abrollenden<br />

Reifen. Die Übereinstimmung von<br />

Windkanal, Modellmessungen mit<br />

der Wirklichkeit ist ohne Kenntnis<br />

dieser Verluste nicht zu erweisen.<br />

5) Federungs- und Dämpfungseigenschaften<br />

für beste Kurvenlage und<br />

Straßenhaltung<br />

Über die Schwingungseigenschaften<br />

bestehen eingehende Untersuchungen.<br />

In welcher Weise beeinflussen<br />

die Schwingungseigenschaften aber<br />

den Kraftschluss von Reifen und<br />

Fahrbahn, der doch der integrierende<br />

Faktor für die Fahrsicherheit in<br />

Grenzfällen ist? Der Rennwagenbau<br />

liefert sicher wertvolles Erfahrungs-<br />

material, dessen volle Auswertung<br />

für das Nutzfahrzeug erst nach Klärung<br />

grundlegender Erkenntnisse<br />

einsetzen kann.<br />

6) Motorleistungssteigerung<br />

Auf das Problem der Motorleistungssteigerung<br />

gezüchteter Rennmotoren<br />

will ich hier nicht näher eingehen. Es<br />

stellt heute ein Sonderproblem dar,<br />

dass kein allgemeines Interesse beanspruchen<br />

kann, solange die Leistungssteigerung<br />

nicht zu erhöhter Wirtschaftlichkeit<br />

und damit einer<br />

technischen Bestleistung führt.<br />

AufgeHorcht<br />

Die durch die Rennformeln gegebene<br />

Entwicklungszeit von 3 Jahren ist eindeutig<br />

zu kurz, um eine Konstruktion<br />

voll ausreifen zu lassen, ihre letzten<br />

Möglichkeiten auszuschöpfen oder<br />

daneben grundlagenmäßige Forschungen<br />

auf Neuland zu betreiben. Der für<br />

die Praxis gangbare Weg bleibt eine<br />

mögliche Vielzahl von Vorversuchen bei<br />

Beanspruchungen, welche den Fahrbedingungen<br />

möglichst nahe kommen.<br />

Im Versuch muss nicht nur die je nach<br />

Beanspruchung bestgeignetste Materialqualität<br />

und Formgebung der Konstruktionsteile<br />

herausgefunden werden, sondern<br />

es muss auch die Beibehaltung der<br />

einmal gefundenen Qualität gesichert<br />

werden. Jedes Teil wird vor der Bearbeitung<br />

auf seine Zusammensetzung<br />

analysiert. Unerlässlich ist die sorgfältigste<br />

Überwachung der Wärmebehandlung<br />

der Stähle wie auch der Leichtmetalle.<br />

Diese wird nicht nur durch Abnahme<br />

der Härte, durch Zerreißproben an<br />

eigens hierfür vorgesehenen Angüssen,<br />

sondern auch durch metallographische<br />

Gefüge-Untersuchungen laufend kontrolliert.<br />

Nach der Fertigstellung wird<br />

jedes Einzelteil nach Maßkontrolle magnetisch<br />

am Ferrofluxgerät auf Reißfreiheit<br />

und Oberflächenbeschaffenheit<br />

kontrolliert. Diese Prüfung wird nach<br />

völliger Demontage des Rennwagens,<br />

nach jeder Versuchsfahrt und jedem<br />

Rennen wiederholt.<br />

Text und Fotos: Archiv FES<br />

Hier wird die Bremse eingefahren, Getriebe und Kupplung auf einwandfreies Funktionieren geprüft und die<br />

Dichtigkeit aller Leistungen kontrolliert. Eine Reihe von Messungen können nur auf dem Rollstand ausgeführt<br />

werden, der sich dadurch zu einem wertvollen Hilfsmittel für die Entwicklungszeit der Wintermonate gemacht<br />

hat, während welcher die Fahrversuche ruhen müssen, die stets die letzte Bewährung einer Konstruktion und<br />

ihrer Rennreife erweisen müssen.<br />

02/20<strong>06</strong> 29


30<br />

AufgeHorcht<br />

Das Regenrennen<br />

von Monte Carlo<br />

Aus dem Tagebuch eines<br />

Rennmechanikers der Auto Union<br />

Rudolf Friedrich hat als Rennmechaniker bei der Auto Union die großen Erfolge der Silberpfeile in den 1930er<br />

Jahren miterlebt und genauso die Schattenseiten des Rennsports kennengelernt. In der Betriebszeitung des<br />

ehemaligen VEB Sachsenring Zwickau berichtete er Ende der 1950er Jahre über seine Jahre an der Seite von<br />

Stuck, Rosemeyer & Co. „AufgeHorcht” veröffentlicht Auszüge aus diesem hochinteressanten Tatsachenbericht<br />

in der Serie „Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union“. Teil 2 befasst sich mit der Sicht Rudolf<br />

Friedrichs auf den Grand Prix von Monte Carlo Ostern 1936.<br />

Wieder wurde die Liste mit den Namen der Rennmannschaften,<br />

die nach Monte Carlo fahren sollten, in der Rennabteilung<br />

aufgehängt. Wieder, wie so oft, gab es freudige und traurige<br />

Gesichter. Wer wollte nicht einmal Monte Carlo sehen?<br />

Dann war es soweit. Durch den meterhohen Schnee des 2300<br />

Meter hohen Julierpasses fuhren wir über die Schweizer<br />

Alpen hinab nach St. Moritz, dem Frühlingszauber des Südens<br />

entgegen.<br />

Zwischen grünen Wiesen breitete sich wie ein weiß und rosa<br />

gewebter Schleier die Blütenpracht herrlicher Obstplantagen<br />

aus. Kleine Dörfer mit spitzen, schieferbedeckten Kirchtürmen<br />

lagen malerisch dazwischen. Dahinter vom tiefblauen Himmel<br />

überspannt standen wie eine Kulisse die fernen zartblauen<br />

Steinmassive der Berge.<br />

In noch nie gesehener Menge schwebten seltene, farbige<br />

Schmetterlinge über bunten Blumen am Wegrand. Da lag nun<br />

ein Stück Erde von unbeschreiblicher Schönheit und<br />

Farbenharmonie vor uns. Tief ergriffen standen wir im offenen<br />

Wagen und bestaunten minutenlang die für alle Menschen<br />

geschaffene Schönheit dieser Welt. Eine von der Natur dem<br />

Auge vordemonstrierte friedliche Erde.<br />

Weiter ging es durch die weiß blühenden Akazien an dem<br />

blauen Wasser des Comer Sees entlang nach der italienischen<br />

Hafenstadt Genua. An der „Riviera di Ponente“ entlang über<br />

San Remo kamen wir dann in das kleine, an der französischen<br />

Küste gelegene Fürstentum Monaco.<br />

Ostern 1936 in Monte Carlo<br />

Training. Sonnenschein lag über Monaco, da begann für uns ein<br />

schwarzer Tag. Rennwagen um Rennwagen verließen die<br />

Boxen und fuhren die ersten Trainingsrunden. Nuvolari, Rosemeyer<br />

und Caracciola setzten die Rundenzeiten des Vorjahres<br />

um 15 Sekunden herab. Die „singende Säge“ von Caracciola –<br />

so wurde der Mercedes-Rennwagen genannt, weil der direkt<br />

hinter dem Kühler liegende Kompressor mit seinen 12.000<br />

U/min einen furchtbaren, schaurigen Ton erzeugte – hörte man<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Teil 2<br />

Rudolf Friedrich und Fritz Mathay (r.)<br />

am Wagen von Hans Stuck.<br />

kilometerweit auf der Rennstrecke. Dagegen war der Klang<br />

unserer 16-Zylinder-Motoren am Heck des Wagens, mit seinen<br />

16 nach oben gerichteten Auspuffrohren, mehr ein Brüllen.<br />

Wenn nun mehrere solcher 500-PS-Rennwagen zugleich<br />

durch den 150 Meter langen Tunnel an der Rennstrecke fuhren,<br />

dachte man, der Berg kracht auseinander.<br />

Und da krachte es auch schon. Was jetzt geschah, sollte am<br />

Ostermontag zum Rennen noch viel toller kommen.<br />

Unser Rennfahrer Ernst v. Delius, kam mit hoher Geschwindigkeit<br />

aus dem Tunnel, gab Vollgas in der Geraden und wollte<br />

dann zügig die Schikane schneiden. Schikanen, das sind meterhohe<br />

Strohblöcke oder Holzwände, die versetzt in die Rennstrecke<br />

gestellt wurden, um gefährliche Geschwindigkeiten<br />

herabzusetzen. Meist wurde das Gegenteil damit erzielt und<br />

schwere Unfälle hervorgerufen. Proteste der Fahrer und Rennleitungen<br />

waren ohne Erfolg. Nun war es am „Quai de Plaisane“<br />

passiert. Das rechte Vorderrad des Rennwagens streifte die<br />

Schikane. Der Rennwagen kam ins Schleudern und Kreiseln,<br />

überschlug sich seitlich, kam wieder auf die Räder, flog dann an<br />

eine Sandsackmauer und überschlug sich ein zweites Mal. Die<br />

Sandsäcke bremsten die Wucht des Rennwagens ab, flogen auseinander<br />

und brachten den Rennwagen, die Räder nach oben,


Vor dem Grand Prix Monaco 1936: Bernd Rosemeyer,<br />

Ernst v. Delius und Achille Varzi an der Box.<br />

zum Liegen. Im toten Winkel, zwischen Rennwagen und Sandsackmauer<br />

eingeklemmt, lag bewusstlos und schwer verletzt der<br />

Rennfahrer. Nur einige Meter weiter und Delius wäre mit dem<br />

Rennwagen in dem zwei Meter tiefen Hafenwasser gelandet.<br />

Dort wäre er „als Rennfahrer“ jämmerlich ertrunken. Die Rennstrecke<br />

war nämlich zur Meerseite hin nur durch eine meterhohe<br />

Bretterwand geschützt. Auf keiner anderen Rennstrecke<br />

Europas gab es so ein selbstmörderisches Spiel am Ufer des<br />

Meeres. Und diese Todesfahrt wollten am Ostermontag 15<br />

Rennfahrer im Kampf der Motoren beginnen. An diesem Tag<br />

wurde das Training allgemein abgebrochen.<br />

Grand Prix de Automobile de Monaco<br />

So kündeten die Plakate von den Litfaßsäulen das Rennen an.<br />

Rennen durch eine Sintflut ohne Ende, so schrieb ich damals<br />

in mein Notizbuch. Graue Wolken wälzten sich über die Cote<br />

d`Azur. Es regnete um 10 Uhr, es regnete um 11 Uhr und es<br />

regnete noch, als wir unsere Rennwagen mit gesommerten<br />

Reifen an den Start schoben. Wasserüberflutete Straßen in<br />

ganz Monte Carlo.<br />

Der Franzose Chiron, wie immer voll Witz und Humor, kam<br />

als letzter Rennfahrer mit einem riesigen, geblumten Sonnenschirm<br />

bei strömendem Regen an den Start.<br />

Die Regenschutzschirme um die Stirn geschnallt, saßen unsere<br />

Rennfahrer am Steuer und warteten ungeduldig<br />

auf das Startzeichen. Die Zuschauer begannen<br />

schon ein Pfeifkonzert. Um die Kerzen sauber zu<br />

halten, jagten die Rennfahrer ihre Motoren laufend<br />

auf hohe Touren. Wir hatten zum ersten<br />

Mal unsere verbesserten Sechs-Liter-Motoren<br />

am Start. Neu war die neunteilige, an den<br />

Pleuellagern sternverzahnte Kurbelwelle. Die<br />

ganzteiligen Pleuel liefen auf Stahlrollen. Der<br />

Motor leistete 520 bis 540 PS. Das Leistungsgewicht<br />

war nur noch 1,5 kg/PS. Bei einem schweren<br />

vierstündigen Rennen leisteten also: die<br />

Kurbelwelle 1.080.000 Umdrehungen, ein Kolben<br />

einen Weg von 201 km und 32,5 PS/375 ccm,<br />

die zwei Magnete 8.640.000 Zündungen, die<br />

Ölpumpe 7.200 Liter Öl, ein Ventilkegel hämmerte<br />

540.000 Mal auf die Spezialbronze des<br />

Ventilsitzes, und in einem Zylinder und Brennraum<br />

spielten sich pro Sekunde 38 Arbeitsfolgen<br />

ab. Hinter dem Vergaser war ein nasser Roots-<br />

AufgeHorcht<br />

kompressor angebracht, ein Flügelgebläse, welches das<br />

Kraftstoff-Luftgemisch bei 9000 U/min an den Kompressorwänden<br />

entlang dem polierten Druckkanal zuführte. Diese<br />

achtförmigen Flügel waren aus ZNC-Stahl mit 185 kg Festigkeit<br />

geschmiedet und vergütet. Dieser Kompressor fraß allein<br />

80 bis 90 PS der Gesamtleistung des Motors und machte uns<br />

oft große Sorgen. Interessant ist hierbei noch, dass der letzte<br />

1,5-Liter-Rennmotor 330 PS leistete und der heutige italienische<br />

Alfa-Romeo-Alfetta mit 1000 ccm 310 PS leistet. Solche<br />

Leistungen werden nur unter besten strömungstechnischen<br />

Voraussetzungen von mehrstufigen Kompressoren erreicht.<br />

Und nun schnell einen Blick in den Tank. Was wurde da alles<br />

zusammengemixt? 25 Liter Leichtbenzin, Rizinussöl und<br />

Nitrobenzol, 25 Liter Äther, 50 Liter Benzol, 75 Liter Äthanol<br />

und 75 Liter Methanol. Das also ist das Geheimnis des<br />

Rennkraftstoffes, mit dem unsere Motoren, mit kleinen<br />

Abweichungen, ihre Höchstleistungen erreichten.<br />

Bei diesem Regen war es natürlich nicht möglich, die Rennwagen<br />

auszufahren und Leistungsvergleiche mit anderen<br />

Rennwagen zu ziehen.<br />

Da waren sie nun wieder, weltberühmte Rennfahrer:<br />

Caracciola, Stuck, Brauchitsch, Rosemeyer, Nuvolari, Varzi,<br />

Chiron, Trossi, Fagioli, Brivio usw. Einige davon mit über 100<br />

Siegen und jahrzehntelang auf der Rennpiste. Zwölf Rennwagen<br />

standen am Start.<br />

13.30 Uhr. 5, 4, 3, 2, 1 – im Bruchteil einer Sekunde sauste die<br />

Startflagge in den Farben Monacos nach unten. Eine<br />

Wasserwolke stob zum Himmel. Mit Donnern und Heulen<br />

rasten 6.500 PS mit offenen Auspuffrohren den Casinoberg<br />

hinauf. Ein Rufen und Raunen ging durch die Zuschauermenge.<br />

Dann war alles nur ein Spuk von Sekunden. An unserem Leib<br />

war kein trockener Fetzen mehr. Eine Gemeinheit der<br />

Rennveranstalter, keine überdachten Boxen bereitzustellen.<br />

Reifen und Material lagen im Wasser.<br />

Als erster kam Caracciola auf Mercedes aus dem Tunnel. Von<br />

einer Wasserwolke verdeckt, hing an seinem Heck das ganze<br />

Rudel Rennwagen. Schnell waren sie bei uns an der 180-Grad-<br />

Kurve. Bremsen, Kuppeln, Zwischengas geben, Schalten,<br />

Vollgas – weg waren sie. Hinauf auf 150 km Geschwindigkeit,<br />

herunter auf 30 km. Mit Vollgas den Casinoberg hinauf,<br />

rollend am Bahnhof hinab. Und das einhundert Mal. Da kam<br />

wieder das schaurige Heulen aus dem Tunnel. Caracciola, der<br />

Start zum Grand Prix de Automobile Monaco. In der ersten Reihe von links<br />

Louis Chiron, Tazio Nuvolari, Rudolf Caracciola; in der zweiten Reihe Hans<br />

Stuck, Achille Varzi und Bernd Rosemeyer.<br />

02/20<strong>06</strong> 31


AufgeHorcht<br />

alte Fuchs, hatte geschaltet und kam nun aus der Schikane.<br />

Hinter ihm, mit einer vierstrahligen Wasserfontäne, der rote<br />

Wagen des Italieners Nuvolari. In zwei Minuten und 50<br />

Sekunden sollten sie alle bei uns vorbei sein. Aber es kam<br />

keiner mehr.<br />

Was war los? Was war geschehen? Explosiv ging die<br />

Zuschauermenge am Hafenberg in die Höhe und zeigte mit<br />

den Armen nach der Schikane am Hafen. Und dort war es<br />

geschehen.<br />

Brivio auf seinem Rennwagen verlor auf der ganzen Rennstrecke<br />

Öl und gab in der ersten Runde auf. Brauchitsch<br />

32<br />

Unfall von Bernd Rosemeyer.<br />

rutschte mit seinem Rennwagen auf dem Öl- und Wasserteppich<br />

in die Sandsackmauer. Chiron auf Bugatti, Farina und<br />

Siena auf Alfa Romeo knapp dahinter, kämpften verbissen am<br />

Steuer. Schnell erkannten sie die Gefahr und versuchten früh<br />

genug zu schalten, um ja nicht bremsen zu müssen. Aber sie<br />

waren machtlos, die Bodenhaftigkeit der Rennwagen war auf<br />

dieser Gleitbahn völlig aufgehoben. Alle drei Rennwagen<br />

rasten hintereinander in die Sandsackmauer.<br />

Enttäuscht, verbittert und mit Hautabschürfungen befreiten<br />

sich die Rennfahrer aus dem Trümmerhaufen. Zu schnell war<br />

für sie das Rennen zu Ende. Die Todeschance war in diesem<br />

Rennen größer als die Siegeschance. In der siebenten Runde<br />

wollte sich auch Fagioli auf Mercedes an der Unglücksstelle<br />

vorbeischieben – da war es auch schon geschehen. In wenigen<br />

Sekunden lag sein Rennwagen halb schräg auf Farinas Alfa-<br />

Romeo-Rennwagen. Er konnte als fünfter, glücklich unverletzt,<br />

den zerbeulten Rennwagen verlassen. Alle übrigen<br />

Fahrer wurden nun durch Zeichen gewarnt.<br />

Rosemeyer hielt an der Boxe. Der Leerlauf seines Motors war<br />

zu schnell. Nach 45 Sekunden war die Vergasereinstellung<br />

geändert, und es ging wieder auf Fahrt. Aber auch Bernd<br />

Rosemeyer kam nicht wieder. Am 13. April 13.30 Uhr gestartet,<br />

kam er aus der 13. Runde nicht zurück. Seine Glückszahl<br />

13 hatte ihn erstmals verlassen.<br />

Auch er rutschte in den Ölspuren Brivios, drehte sich schwimmend<br />

am Casino nach links, dann nach rechts und blieb an der<br />

Mauer hängen. Mit Humor nahm er einen ausgebrochenen<br />

Marmorsockel in seinen Arm, stieg auf eine Mauerbrüstung<br />

und sah in siegreicher Haltung, unter dem Gelächter der<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Zuschauer, auf das letzte Häuflein vorbeifahrender Rennwagen.<br />

Dann kam er zu Fuß bei uns an der Boxe an. So war<br />

Rosemeyer!<br />

Nachdem die rollenden Reifen das Öl von der Rennstrecke<br />

verdrängt hatten, wurden sie etwas griffiger. Die Fahrer reagierten<br />

nun auf unsere Zeichen und wurden schneller.<br />

Nuvolari holte sich in der 10. Runde eine Sonderprämie von<br />

1.000 Frs. 16 Runden lang führte er vor Caracciola das Feld<br />

an. Dann ging Caracciola vor und übernahm die Spitze des<br />

Rennens bis zum Ende. Unsere Rennfahrer, Hans Stuck und<br />

Varzi, wurden nun schneller. Caracciola hatte schon zwei<br />

Minuten Vorsprung. Stuck drehte plötzlich<br />

die schnellste Runde und holte sich<br />

eine Sonderprämie von 3.000 Frs. Nur<br />

noch sechs Fahrer drehten bei strömendem<br />

Regen langweilig ihre letzten Runden.<br />

Schon verließen die Zuschauer<br />

schimpfend und durchnässt das Rennen.<br />

Riesige Orchideensträuße wurden herangetragen.<br />

98., 99., 100. Runde: Caracciola<br />

auf Mercedes ging als erster durchs Ziel.<br />

Stuck und Nuvolari folgten eine und zwei<br />

Runden zurück. Ein Lied von einer kratzenden<br />

Grammophonplatte beschloss das<br />

erste und traurigste Rennen des Jahres<br />

1936 und eröffnete zugleich das erfolgreichste<br />

Jahr unserer Rennfahrer.<br />

Vier Stunden lang saßen wir, wie aus lauwarmem<br />

Wasser gezogen, auf den Ersatzrädern<br />

und waren froh, als alle drei<br />

Rennfahrer heil die Rennstrecke verließen.<br />

Der Sieger erhielt 100.000 Frs. und einen<br />

Pokal des Prinzen von Monaco.<br />

Interessant ist der Betriebsstoffverbrauch der Rennwagen,<br />

berechnet auf 100 Runden = 320 km. Rosemeyer 210 Liter,<br />

Stuck 270 Liter, Varzi 290 Liter. Hierzu ist zu bemerken, dass<br />

Rosemeyer viel mit den beiden großen Gängen fuhr.<br />

Unfall durch ausgelaufenes Öl.<br />

Fotos: Archiv Jürgen Pönisch<br />

Fortsetzung folgt


Einsteigen und los geht’s. Das Schnellecke Team hat die fast 600 Kilometer<br />

lange Sachsen Classic 20<strong>06</strong> mit dem DKW F 8 Luxus Cabriolet ohne<br />

„Liegenbleiber“ absolviert.<br />

Für den Autor dieses Beitrages war diese Rallyeteilnahme ein<br />

absolutes Novum und somit auch mit den entsprechenden<br />

Unsicherheiten verbunden, was u. a. auch zur nachfolgenden<br />

Situation beitrug. Neben der Einweisung in die Theorie wurde<br />

als „Schnupperkurs“ der Sachsenring genutzt, auf dem auch 2<br />

Wertungsstrecken installiert waren, an deren Anfangspunkten<br />

sich mit einem Fahrerfeld von über 180 Teilnehmern lange<br />

Warteschlangen gebildet hatten. Wir entschieden, einfach nur<br />

einige Eingewöhnungsrunden zu drehen. Allerdings unterlief<br />

dem Fahrer ein eklatanter Fehler, indem der IFA-DKW nicht<br />

den Startpunkt der Sonderwertung, dafür aber den Endpunkt<br />

überquerte, was wiederum zur Folge hatte, dass ein ziemlich<br />

erbostes und wild gestikulierendes Team überholte und verbal,<br />

sicher auch nicht ganz unberechtigt, seinem Zorn gebührend<br />

Ausdruck verlieh.<br />

Ein außerordentlich schöner Streckenverlauf mit imposanten<br />

Herausforderungen wie die Überwindung der „Steilen Wand“<br />

von Meerane und die Gleichmäßigkeitsprüfung auf dem<br />

Rundkurs am Sachsenring erwarteten das Fahrerfeld am 17.<br />

August. Das Roadbook wies auf dem ersten Streckenabschnitt<br />

eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 29 km/h aus, die<br />

AufgeHorcht<br />

„Das ist doch<br />

der wirkliche Star<br />

der Rallye“<br />

Die Sachsen Classic 20<strong>06</strong> aus<br />

der Sicht des Schnellecke Teams<br />

im DKW F 8 Luxus Cabriolet<br />

Zum zweiten Mal beteiligte sich ein Team der Schnellecke<br />

Group Sachsen unter Leitung des Mitglieds der Zentralgeschäftsführung,<br />

Dr. Werner Olle, als Sponsor und<br />

aktive Rallyemannschaft an dem Highlight der<br />

Oldtimer-Enthusiasten im Freistaat, der Sachsen Classic<br />

vom 17. bis 19. August 20<strong>06</strong>.<br />

Ein IFA-DKW F 8 Luxus Cabriolet, Baujahr 1955, mit 700<br />

Kubikzentimeter Hubraum und bescheidenen 20 PS<br />

Motorleistung nahm die exakt 594,75 Kilometer lange<br />

Wertungstrecke zwischen Zwickau und Dresden, mit einem Abstecher nach Tschechien, unter die Räder. Mit drei<br />

Personen besetzt und durch ausreichend Werkzeug sowie Wasser- und Treibstoffkanister bis an die absolute<br />

Leistungsgrenze belastet, erfolgte der Start. Dass der zweitaktende Winzling damit die schwächste Motorisierung<br />

im gesamten Starterfeld hatte und gegen solche Schwergewichte wie einen Horch 930 V Cabrio mit 92 PS<br />

oder einen Jaguar XK 140 OTS Roadster mit 210 PS antreten musste, forderte ihm trotzdem keinen übermäßigen<br />

Respekt ab. Das zeigte sich auch im Durchhaltevermögen vom ersten bis zum letzten Meter.<br />

Wertungstag 0 (Einweisung)<br />

Wertungstag 1 (Rund um Zwickau)<br />

schnellste Etappe der gesamten Rallye musste mit 37,2 km/h<br />

durchfahren werden. Sicherlich keine Anforderung, die einen<br />

Mercedes Benz 300 SL Roadster mit 215 PS vom Sessel reißen<br />

konnte. Deutlich anders für ein DKW Cabriolet mit 830 Kilogramm<br />

Leergewicht sowie einer Zuladung von ca. 300 Kilogramm.<br />

Selbst der Veranstalter bekam erhebliches Mitleid und<br />

spendierte zusätzlich 15 Bonusminuten. Doch selbst damit mussten<br />

sämtliche Gefällstrecken mit der höchst möglichen Risikobereitschaft<br />

bei maximal 80 bis 85 km/h durchfahren werden.<br />

An der „Steilen Wand“ von Meerane entschlossen sich die zwei<br />

Mitfahrer des Teams aus der Kenntnis der maximal zu entlokkenden<br />

Motorleistung des DKW, die Strecke doch besser als<br />

Fußgänger zurückzulegen. Dadurch wurde der Oldtimer um<br />

ca. 150 Kilogramm entlastet und konnte im lautstark hochdrehenden<br />

1. Gang tatsächlich das Hindernis überwinden.<br />

Nachdem das Roadbook vor dem Sachsenring für das Team<br />

einige schwer zu entschlüsselnden Geheimnisse bereitgehalten<br />

hatte, wurde die traditionsreiche Strecke zur Wertungsprüfung<br />

erreicht. Zur zeitweiligen Untätigkeit vor dem Start verurteilt,<br />

nutzte auch Prof. Dr. Carl Hahn, ehemaliger Vorstandsvorsitzender<br />

der VW AG, im VW Typ 3 Cabriolet Prototyp die<br />

Gelegenheit zu einem Ausflug ins Teilnehmerfeld. Dabei tackerte<br />

der kleine DKW in seinem so typischen Nähmaschinengeräusch<br />

vor sich hin, was den prominenten Teilnehmer zum<br />

Näherkommen anregte und zu dem Ausspruch veranlasste: „Ja,<br />

das klingt noch richtig wie ein DKW.“ �<br />

02/20<strong>06</strong> 33


AufgeHorcht<br />

Das Cabrio läuft zur Höchstform auf: Auch mit 20 PS ist ein Hindernis wie die<br />

Steile Wand in Meerane zu überwinden.<br />

Ständig sich am Rand der bedrohlichen Regenfront bewegend, ging<br />

es in den Morgenstunden des 18. August zuerst in nördliche Richtung<br />

und nach der Mittagspause entlang der Elbe in die Landeshauptstadt.<br />

Ständige Bergstrecken und häufige Stop and Go-<br />

Abschnitte bewirkten, dass Kraftstoff- und Wasserverbrauch sich<br />

annäherten. Bedrohliche weiße Wolken über der Motorhaube<br />

konnten zu dem Schluss führen, das Fahrzeug sei dampfbetrieben<br />

(vielleicht auch deswegen Dampfkraftwagen als Markenbezeichnung<br />

für DKW). Diese nervenaufreibende Situation wiederholte<br />

sich auch bei der Anfahrt zum Schlossplatz in Dresden in der<br />

Rushhour gegen 17.00 Uhr. Nur ein Skoda L+K 300 Rennwagen<br />

mit 5,7 Liter Reihenvierzylinder, Baujahr 1920, benötigte eine<br />

größere Wassermenge, da scheinbar mehr auf der Straße floss, als<br />

im Fahrzeug nachgefüllt werden konnte.<br />

Wie an allen Streckenabschnitten nutzten Hunderte von Menschen<br />

am Zielort in Dresden die Möglichkeit, sich der historischen Technik<br />

und ihren Nutzern unmittelbar zu nähern. Dem Autor im Gedächtnis<br />

geblieben ist dabei die Bemerkung eines Besuchers:<br />

„Der wirkliche Star der Rallye ist doch eigentlich dieses Auto.“<br />

Ohne jegliche Übertreibung drückte dieser Satz das Lebensgefühl<br />

vieler an der Strecke verweilender Gäste aus, die häufig auch<br />

spontan Beifall spendeten, wenn der grün-schwarze Pkw ins<br />

Blickfeld geriet.<br />

Begleitet von traumhaft schönem Wetter mit angenehmen<br />

sommerlichen Temperaturen ging die Fahrt am 19. August in die<br />

attraktive Landschaft der Sächsischen Schweiz. Gegen Mittag<br />

passierten wir den Grenzübergang nach Tschechien mit ausgesprochen<br />

freundlichen Beamten. Weiter ging es Richtung<br />

Krasna Lipa, wo auf dem Marktplatz ein regelrechtes Volksfest<br />

stattfand. Leider verlor unser Team an dieser Stelle auch wertvolle<br />

Zeit, weil der Fronttriebler einfach zwischen Hausfronten, Oldtimern<br />

und Menschen eingeklemmt wurde. Um so angenehmer<br />

die Weiterfahrt auf den nahezu unbelebten Waldstraßen<br />

in Richtung Bad Schandau. Der hohe Sauerstoffgehalt in diesem<br />

Gebiet führte auch dazu, dass unser Lastesel deutlich<br />

mehr Kraft entfaltete und um vieles runder als am Vortag lief,<br />

an dem immer wiederkehrende „pfatschende Nieser“ bei<br />

Lastwechsel unüberhörbar Fehlzündungen verkündeten.<br />

Möglicherweise zog auch dieses entspannte Fahrgefühl eine<br />

etwas größeren Sorglosigkeit nach sich, als nach einer relativ<br />

34<br />

Wertungstag 2 (Zwickau–Dresden)<br />

Wertungstag 3 (Dresden–Tschechien–Dresden)<br />

02/20<strong>06</strong><br />

DKW-Feeling aus der Perspektive der Fahrenden.<br />

langen Gefällstrecke plötzlich ein wartender Pkw sowie ein<br />

weiteres, sich im Gegenverkehr befindliche Fahrzeug dazu<br />

führten, dass das 1480 Zentimeter breite Cabriolet irgendwie<br />

zwischen den beiden Automobilen zielgenau hindurch gesteuert<br />

werden musste. Heißgewordene schmale Simplextrommelbremsen,<br />

betätigt mittels Seilzügen, verstärkt durch das entsprechende<br />

Gesamtgewicht des Fahrzeuges, führten zu dieser doch<br />

etwas bedrohlichen Situation.<br />

Weiter ging es im landschaftlich reizvollen Elbtal zurück in Richtung<br />

Landeshauptstadt, als nach einer Kanisterbetankung – mit 12<br />

bis 13 Liter Durchschnittsverbrauch pro 100 Kilometer ist die<br />

Reichweite doch arg begrenzt – der Abschleppwagen in bester<br />

Absicht Hilfe anbot. In diesem Moment konnte das vierrädige<br />

Gefährt – genervt – eine Fehlzündung doch nicht ganz unterdrücken.<br />

Den endgültigen Abschluss dieser Rallye bildete eine<br />

Präsentation des gesamten Starterfeldes an der „Gläsernen<br />

Manufaktur“ in Dresden.<br />

Es war schon schade, dass die abschließende Vorstellung durch den<br />

Moderator doch etwas dürftig ausfiel. Zumindest wäre es erwähnenswert<br />

gewesen, dass die beiden Städte Zwickau und Dresden,<br />

als Start und Ziel, gleichzeitig auch Geburts- und Hochzeitsort<br />

unseres zuverlässigen Transportmittels waren. Die Typenschilder<br />

dokumentieren diese Tatsache sehr eindrucksvoll mit, hergestellt<br />

im VEB Fahrzeugwerke Audi sowie im VEB Karosseriewerke<br />

Dresden, vormals Gläser. Aber es bestehen weitere historisch<br />

interessante Details bezüglich dieser Karosserie. Man nehme das<br />

legendäre Horch 853 Sportcabriolet aus den Enddreißigern des<br />

vorigen Jahrhunderts, wasche es dreimal etwas sehr heiß und das<br />

Ergebnis könnte durchaus ein F 8 DKW Luxus Cabriolet sein.<br />

Teilweise mögen die Konstrukteure der Schweizer Firma Holka<br />

ebenso gehandelt haben, denn beim Vergleich vorliegender Zeichnungen<br />

und des hier vorgestellten Endproduktes werden verblüffende<br />

Gemeinsamkeiten offensichtlich. Dabei lohnt es sich,<br />

den Ausführungen von Thomas Erdmann in seinem Buch „Vom<br />

Dampfkraftwagen zur Meisterklasse“ zu folgen.<br />

Unser Fazit, die robuste Technik eines Ur-Sachsen, durchsetzt von<br />

Schweizer Genen, hinterließ ein bleibendes Rallye-Erlebnis im<br />

Heute, gepaart mit der automobilen Gefühlswelt der 1930er<br />

und 1940er Jahre des vorigen Jahrhunderts.<br />

Ein Erlebnis – genauso schön wie anstrengend. Im Alltagsbetrieb<br />

möchte der Autor allerdings ungern auf Servolenkung, Bremsassistent<br />

und Klimaanlage verzichten.<br />

Klaus Werner<br />

Geschäftsführer Sachsentrans Spedition und Logistik GmbH<br />

Fotos: Schnellecke Team


Veranstaltungen des Gemeinnützigen Fördervereins<br />

Automobilmuseum August Horch Zwickau e.V.<br />

5. Oktober 20<strong>06</strong>, 16.30 Uhr<br />

Vortrag zur passiven Sicherheit bei Personenkraftwagen<br />

Prof. Dr. Lutz Nagel, Westsächsische Hochschule Zwickau<br />

Vortragssaal Automobilmuseum August Horch Zwickau, Audistraße 7<br />

9. November 20<strong>06</strong>, 16.30 Uhr<br />

Vortrag und Besichtigung beim Automobilzulieferer Peguform<br />

Geschäftsführer Roland Klug<br />

Werk Peguform Meerane, Seiferitzer Allee 36<br />

Mitfahrmöglichkeiten (Pkw) 16.00 Uhr ab Horch Museum<br />

1. Februar 2007, 16.30 Uhr<br />

Vortrag zu Zustand und Entwicklung von Zuverlässigkeit und Service<br />

bei Kraftfahrzeugen<br />

Prof. Dr. Volker Liskowsky, Westsächsische Hochschule Zwickau<br />

Vortragssaal Automobilmuseum August Horch Zwickau, Audistraße 7<br />

8. März 2007, 16.30 Uhr<br />

Besichtigung der Westermann Druck Zwickau GmbH<br />

Zwickau, Crimmitschauer Straße 43<br />

14. April 2007, 10.00 Uhr<br />

Jahreshauptversammlung des Gemeinnützigen Fördervereins<br />

Automobilmuseum August Horch Zwickau e.V.<br />

Vortragssaal Automobilmuseum August Horch Zwickau, Audistraße 7<br />

3. Mai, 16.30 Uhr<br />

Vortrag zu Sensorik und Aktorik sensibler Baugruppen im Automobil –<br />

Ansätze und Möglichkeiten zur Erhöhung der thermomechanischen<br />

Zuverlässigkeit<br />

Prof. Dr. Jürgen Vogel, Westsächsische Hochschule Zwickau<br />

Vortragssaal Automobilmuseum August Horch Zwickau, Audistraße 7<br />

Änderungen vorbehalten!<br />

AufgeHorcht<br />

Siegerkranz für<br />

einen Sachsen<br />

Rainer Wienhold gewinnt<br />

Gleichmäßigkeitsprüfung<br />

Rainer Wienhold, Mitglied des Fördervereins<br />

des August Horch Museums<br />

Zwickau, hat einen Siegerkranz der<br />

Sachsen Classic 20<strong>06</strong> erhalten. Mit seiner<br />

BMW R 20, Baujahr 1937, war er der<br />

Beste bei der Gleichmäßigkeitsprüfung<br />

der Motorräder.<br />

Das Gesamtklassement der Sachsen<br />

Classic gewannen Adam Ilkovits und<br />

Zoltan Mozes mit einem Riley Brooklands<br />

vor Dr. Oliver Nickel und Dr.<br />

Susanne Meyer mit einem Willys Overland.<br />

Den dritten Platz belegten Sepp<br />

Melkus und Frank Nutschan im Melkus<br />

RS 1000.<br />

Rainer Wienhold gewann die Gleichmäßigkeitsprüfung<br />

für Motorräder zur Sachsen Classic 20<strong>06</strong>.<br />

Foto: Frank Reichel<br />

02/20<strong>06</strong> 35


AufgeHorcht<br />

„Manche vorzüglichen Ideen sind<br />

diesem ausgezeichneten Ingenieur<br />

und Automobilisten zu verdanken“<br />

Hermann Lange – ein verdienstvoller Kraftfahrzeugpionier der Gründerjahre<br />

Hermann Lange um 1920. August Horch und Hermann Lange mit ihren Ehefrauen zur Prinz-Heinrich-Fahrt 1909. Porträt Marie Lange.<br />

Blättert man im Buch des Motors, so<br />

stehen am Anfang die richtungsweisenden<br />

Erfindungen der Basispioniere Carl<br />

Benz und Gottlieb Daimler. Sie schufen<br />

die Grundkonzeption des Motorwagens,<br />

die eigentliche Schritte zur Vervollkommnung<br />

des Motorwagens vollführten<br />

die Techniker der 2. Generation. Sie<br />

brachten die Erfindungen zur Betriebsreife<br />

und Serienproduktion. Gerade diese<br />

zweite Phase verlangte die Mobilisierung<br />

von Reserven in geistiger und materieller<br />

Form, welche die Geburt um ein mehrfaches<br />

übertrafen. Den Basiserfindern<br />

folgte damit ein Heer von Technikern, die<br />

sich der Vervollkommnung des Automobils<br />

bis in unsere Tage widmeten.<br />

Das Ringen um die ständige Weiterentwicklung<br />

bedeutete aber nicht nur die<br />

Auseinandersetzung mit der Technik<br />

und ihren Tücken, ihr Leben formte<br />

auch der Kampf mit Gegnern und<br />

Neidern und nicht wenige blieben dabei<br />

auf der Strecke. Ein beredetes Beispiel<br />

dafür ist der außerordentlich verdienstvolle<br />

Pionieringenieur August Horch,<br />

der nicht nur mit den Problemen des<br />

Motorwagens zu kämpfen hatte, sondern<br />

auch mit den charakterlichen Unzulänglichkeiten<br />

der menschlichen Natur. Er<br />

war zwar die Zentralfigur zweier bedeu-<br />

36<br />

02/20<strong>06</strong><br />

tender Automobilunternehmen, aber<br />

erst die Gemeinschaftsarbeit sich ergänzender<br />

Praktiker bestimmte das Erfolgskonzept,<br />

bei August Horch war das nicht<br />

anders als bei Gottlieb Daimler und<br />

Gustav Röhr. Deren unverzichtbare<br />

Partner waren Willhelm Maybach und<br />

Joseph Dauben, bei Horch war es der<br />

Oberingenieur Hermann Lange. Deren<br />

Wege kreuzten sich erstmals 1894 in der<br />

Maschinenfabrik Grob & Co. In Leipzig,<br />

wo beide an der Entwicklung eines Petroleummotors<br />

für die Marine arbeiteten<br />

und sich gegenseitig schätzen lernten.<br />

Hermann Langes Herkunft förderte<br />

gewiß nicht dessen technische Begabung,<br />

denn er kam als Sohn eines Gutsbesitzers<br />

am 7. November 1867 in Strelln bei<br />

Torgau zur Welt. Während des Besuches<br />

der Realschule fand er die Richtung seines<br />

späteren Berufsbildes, dieses sollte technischer<br />

Natur sein. Die Leipziger Maschinenfabrik<br />

Bleichert, die eine Monopolstellung<br />

im internationalen Drahtseilbahnenbau<br />

besaß, bildete ihn 3 Jahre lang<br />

zum Dreher aus, es folgte der obligatorische<br />

Wehrdienst beim 3. Oberschlesischen<br />

Infanterie-Regiment Nr. 62 in<br />

Cosel.<br />

Ein Jahr, nachdem August Horch in Mittweida<br />

sein Ingenieurpatent erhielt,<br />

schrieb sich auch Hermann Lange bei<br />

diesem bedeutenden Technikum ein.<br />

Seine erste Anstellung in Leipzig-<br />

Eutritzsch sollte für den weiteren<br />

Lebensweg den Ausschlag geben, denn<br />

die kollegiale Zusammenarbeit mit<br />

August Horch war der Beginn einer späterhin<br />

so ungemein fruchtbaren Gemeinschaftsarbeit.<br />

Im Alter von 28 Jahren ehelichte Lange<br />

die aus der Leipziger Gegend (Volkmarsdorf)<br />

stammende Marie Langhammer,<br />

die ihm bereits 2 Jahre zuvor einen Sohn<br />

geboren hatte, dem bis zum Jahre 1904<br />

noch 5 weitere Geschwister folgen sollten.<br />

1895 verloren sich Horch und<br />

Lange aus den Augen mit dem Wechsel<br />

zur Dampfmaschinen- und Motorenfabrik<br />

Swiderski am gleichen Ort.<br />

Alle noch vorhandenen Zeugnisse bescheinigen<br />

dem überaus tüchtigen und<br />

begabten Hermann Lange die vollste<br />

Zufriedenheit seiner Arbeitgeber. Das<br />

ihm innewohnende geistige und charakterliche<br />

Potenzial hatte auch August<br />

Horch sofort erkannt. Als er 1896 bei<br />

Carl Benz zum Betriebsleiter des Motorenwagenbaus<br />

aufstieg, empfahl er seinem<br />

Chef, die im Gasmotorenbau vakant<br />

gewordene Stelle Hermann Lange anzubieten.<br />

Bis zu seinem Austritt am 12.


März 1904 war Lange als Leiter der<br />

Versuchsstation für den Gasmotorenbau<br />

und alle baulichen Neuinvestitionen<br />

zuständig. Mit den besten Zeugnissen<br />

und Empfehlungen verabschiedete er sich<br />

am 1. April 1904 von Carl Benz in Richtung<br />

Wien (Eisengießerei und Motorenfabrik<br />

Osers & Bauer).<br />

August Horch war in den zurückliegenden<br />

5 Jahren eigene Wege gegangen und<br />

stand im Mai 1904 vor seinem dritten<br />

Neuanfang. Als technischer Vorstand<br />

der „A. Horch & Cie. Motorenwagenwerke<br />

AG“ in Zwickau brauchte er<br />

einen tüchtigen Ingenieur an seiner<br />

Seite, der seine visionären Vorstellungen<br />

in die Tat umsetzen sollte. Hermann<br />

Lange schien ihm dafür der geeignete<br />

Mann zu sein und ein Angebot aus<br />

Zwickau verfehlte nicht seine Wirkung.<br />

Das Anstellungsschreiben vom 5. Juli<br />

1904 sicherte Oberingenieur Hermann<br />

Lange eine Anstellung als Betriebsingenieur<br />

zu mit Werkswohnung und einem<br />

monatlichen Salär von 375,– Mark, das<br />

sich bis 19<strong>06</strong> auf 416,– Mark erhöhen<br />

sollte. Am 1. Oktober trat Hermann<br />

Lange in das Zwickauer Unternehmen<br />

ein.<br />

Sicher hatte Horch entscheidenden<br />

Anteil an der konzeptionellen technischen<br />

Entwicklung, aufgrund seiner<br />

Vorstandsfunktion blieb ihm jedoch<br />

keine Zeit für eine konstruktive Austragung<br />

der einzelnen Modelle – das war<br />

das Arbeitsfeld seines künftigen Chefkonstrukteurs.<br />

Öffentlich stand Lange<br />

als bescheidener und zurückhaltender<br />

Praktiker im Schatten von August Hoch,<br />

beeinflusste aber in entscheidendem<br />

Maße die künftige Produktgestaltung.<br />

Aufbauend auf dem kleinen Reichenba-<br />

cher Modell mit Wechselsteuerung verbesserte<br />

Lange dessen Gaswechselvorgang,<br />

entwickelte einen Patentvergaser,<br />

der die bis dahin manuelle Luftregulierung<br />

während der Fahrt entfallen ließ<br />

und ersetzte die Abgasdruckschmierung<br />

durch ein ventilloses Kolbenpumpenpatent.<br />

Auch die technischen Neuerungen<br />

des 1905 auf dem Markt erschienenen<br />

großen 40 PS Motors (Kugellagerung<br />

der Kurbelwelle und Kühlung der<br />

Auslassventile mit Frischgas) trugen<br />

seine Handschrift.<br />

Es waren auch die Jahre der vordringenden<br />

Sechszylinderkonstruktionen und<br />

beide Techniker waren von deren<br />

Zukunft überzeugt, wenn auch der<br />

damalige Stand der Gusstechnik noch<br />

keine Blockmotoren in dieser Größenordnung<br />

erlaubte. Verständlicherweise<br />

stießen sie damit bei der kaufmännischen<br />

Leitung auf Widerstand, noch<br />

bevor die neue Konstruktion ihre Kinderkrankheiten<br />

verloren hatte. Hermann<br />

Lange hatte für diesen Motor ein<br />

völlig neues Kupplungspatent (Metalltrommelkupplung)<br />

entworfen, das im<br />

Gegensatz zu der rigiden Friktionskupplung<br />

die Vorteile der später üblichen<br />

Lamellenkupplung besaß und somit<br />

ein weicheres Anfahren erlaubte.<br />

Hermann Lange teilte nicht nur die<br />

Ansicht seines Chefs, die Konstruktionen<br />

im härtesten Einsatz unter Wettbewerbsbedingungen<br />

zu testen, sondern<br />

übernahm selbst das Steuer bei<br />

verschiedenen Zuverlässigkeitsfahrten<br />

(Semmeringrennen 1908, Prinz Heinrich<br />

Fahrt 1909). Gemeinsam schufen sie für<br />

die jeweiligen Reglements entsprechende<br />

Sportfahrzeuge, die zwar den großen<br />

Sieg des Herkomerrennens von 19<strong>06</strong><br />

AufgeHorcht<br />

nicht wiederholen konnten, aber recht<br />

beachtliche Platzierungen einfuhren und<br />

wichtige Erkenntnisse für die Stabilität<br />

lieferten.<br />

Die sportlichen Ambitionen, so wertvoll<br />

sie auch für das Image der Firma waren,<br />

fanden nicht die Sympathie der kaufmännischen<br />

Leitung, die in Gestalt von<br />

Jakob Holler den Automobilbau nur auf<br />

den Saldenlisten beurteilte, eine realistische<br />

Einschätzung der Lage und der ab-<br />

Überholmanöver von Hermann Lange während der Alpenfahrt 1912. 1921: Hermann Lange mit dem 3000. Audi-Motor.<br />

zuleitenden praktischen Schritte war aus<br />

dieser Richtung kaum zu erwarten. Die<br />

ständigen Attacken Hollers gegen die<br />

technische Leitung bekamen neue Nahrung,<br />

als Horch und Lange die Wettbewerbsfahrzeuge<br />

des Jahres 1909 nach<br />

dem Reglement des Vorjahres konzipierten,<br />

was sich als folgenschwerer<br />

Irrtum herausstellen sollte.<br />

Das Endergebnis ist aus den geschichtlichen<br />

Annalen hinreichend bekannt. Am<br />

17. Juni 1909 wandte sich Jakob Holler<br />

in aller Offenheit an den Aufsichtsrat<br />

und intervenierte gegen Horch und<br />

Lange mit den Worten „Beide machen<br />

Experimente auf unsere Kosten, um sich<br />

einen großen Namen zu machen“. In der<br />

folgenschweren Aufsichtsratssitzung am<br />

19. Juni 1909 forderte dieser von Horch<br />

eine völlige Unterordnung unter die Leitungshierarchie<br />

des Intriganten Holler,<br />

ein Ansinnen, das August Horch mit<br />

dem vorzeitigen Verlassen der Sitzung<br />

eindeutig beantwortete. Auf dem Fabrikhof<br />

traf Horch auf Lange und teilte<br />

ihm den Entschluss mit, das Unternehmen<br />

zu verlassen. In der Stunde der Not<br />

hielt Hermann Lange zu seinem Chef<br />

und erklärte sich bereit, mit Horch<br />

einen Neuanfang zu wagen. Es zeugt<br />

von der Treue und Achtung gegenüber<br />

02/20<strong>06</strong> 37


AufgeHorcht<br />

seinem Arbeitgeber, dass er sogar seine<br />

Existenz aufs Spiel setzte, um seinem<br />

Vorgesetzten in eine ungewisse Zukunft<br />

zu folgen. 12 weitere Mitarbeiter August<br />

Horchs dachten und handelten ebenso.<br />

In der am 25. April 1910 gegründeten<br />

„Audi Automobilwerke mbH“ mussten<br />

beide auf nichts Rücksicht nehmen, sondern<br />

konnten unbelastet an neue Projekte<br />

herangehen. Die konstruktive<br />

Auslegung aller vor dem 1. Weltkrieg entstandenen<br />

Typen zeigte aber auch bewährte<br />

Elemente (Kurbelgehäusewanne,<br />

deaxialer Kurbeltrieb, Kompressionsabsenkung<br />

beim Anlassen, Stirnraddifferential,<br />

gegenüberliegende Ventilanordnung),<br />

die sich als ausgereift bewährt<br />

hatten. Augenscheinlich prägte alle Konstruktionen<br />

eine konsequent betriebene<br />

Standardisierung, die eine rationelle Fertigungsweise<br />

ermöglichte. Die Technik<br />

der Audi-Wagen prägte nicht Avantgardismus,<br />

sondern ein sehr weit kultivierter<br />

und zu hohem Reifegrad gebrachter<br />

Stand der Technik.<br />

Die große Öffentlichkeitswirkung des<br />

Sportes nutzend, entschieden sich beide<br />

für eine Teilnahme ihrer neuen Konstruktionen<br />

an der Österreichischen Alpenfahrt.<br />

Nach dem ersten Einzelsieg von<br />

August Horch 1911 startete in den Jahren<br />

1912–1914 je eine komplette Fabrikmannschaft,<br />

der auch Hermann Lange<br />

angehörte. In allen 3 Wettbewerben<br />

errang die Marke Audi die beste Wertung,<br />

allein Hermann Lange drei erste<br />

und zahlreiche Ehrenpreise und 1914 als<br />

krönenden Abschluss den großen silbernen<br />

Wanderpokal. Noch nie zuvor hatte<br />

eine Automobilfirma einen derartigen<br />

Sieg errungen. Fast die gesamte Palette<br />

aller möglichen Preise holte sich eine<br />

Marke, die erst 4 Jahre zuvor in das Handelsregister<br />

eingetragen worden war.<br />

Das erfolgreiche Modell Audi 14/35 PS<br />

ging fortan in die Geschichte ein als<br />

„Audi-Alpensieger“, als ein eindrucksvoller<br />

Leistungsbeweis einer vorzüglichen<br />

Konstruktion.<br />

Die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit<br />

der Audi-Wagen und ihres Chefkonstrukteurs<br />

Hermann Lange würdigte<br />

die AAZ, indem sie in einer Rezension u.a.<br />

hervorhob „Herr Horch, der Direktor der<br />

Audi-Fabrik, darf mit Recht stolz sein auf<br />

seinen Erfolg, doch die Gerechtigkeit<br />

gebietet es, auch den Oberingenieur Lange<br />

entsprechend hervorzuheben, denn in den<br />

Audi-Wagen sind manche vorzügliche<br />

Ideen niedergelegt, die diesem ausgezeichneten<br />

Ingenieur und Automobilisten zu<br />

verdanken sind“.<br />

38<br />

02/20<strong>06</strong><br />

Mit diesen Siegen hatte sich die Hoffnung<br />

von August Horch nach Steigerung<br />

von Produktion und Absatz erfüllt. Von<br />

1911–1914 hatte sich die Motorenwagenfertigung<br />

verdoppelt. Damit erreichten<br />

die Audi-Werke die gleiche Zuwachsrate<br />

wie die Konkurrenz vor Ort. Diese<br />

Siegesreise ohnegleichen manifestierte<br />

auch die Bedeutung des von Horch und<br />

Lange propagierten Motorsports und<br />

war zugleich als Niederlage für deren<br />

einstige Widersacher zu werten, deren<br />

Entscheidung im Sommer 1909 selbst<br />

von bedeutenden Persönlichkeiten der<br />

Automobilszene ad absurdum geführt<br />

und als Eigentor deklariert wurde.<br />

Ohne Zweifel war die erfolgreiche Konstruktion<br />

des „Audi-Alpensiegers“ ein<br />

Höhepunkt in der beruflichen Entwicklung<br />

des Oberingenieurs Lange, der mit<br />

der Wirkung vom 11. März 1916 zum<br />

Technischen Direktor der Audi-Werke<br />

aufgestiegen war. Zwei Jahre zuvor war<br />

das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft<br />

umgewandelt worden und ein<br />

technischer Ausschuss des Aufsichtsrates<br />

bestimmte seitdem die technische<br />

Entwicklung des Werks. Hermann Lange<br />

und Erich Horch (seit den 16. August<br />

1910 im Konstruktionsbetrieb) hatten<br />

dessen Entscheidung zu respektieren<br />

und August Horch unterstand im wesentlichen<br />

die Organisation der Beschaffung<br />

und des Absatzes. Die Abkehr vom<br />

technisch-kreativen Bereich des Firmengründers<br />

hatte nach dem Eintritt von<br />

Ernst Baus in die kaufmännische Leitung<br />

den Rückzug von Horch zur Folge. Er<br />

schied 1920 aus den Audi-Werken aus<br />

und siedelte in die Reichshauptstadt<br />

über.<br />

Der Einstieg in die Friedenproduktion<br />

nach dem 1. Weltkrieg vollzog sich ohne<br />

größere Anlaufschwierigkeiten, im Ge-<br />

genteil, die Erreichung einer Höchststückzahl<br />

von 455 Einheiten im Jahre<br />

1918 bewog den technischen Ausschuss<br />

zu einer Vorgabe von 500 Stück Jahresproduktion<br />

und er bewilligte Gelder für<br />

die Aufstockung des Maschinenparks<br />

und der Einrichtung einer technischen<br />

Versuchsabteilung. Dessen Konzept orientierte<br />

eindeutig auf eine elitäre Ausrichtung<br />

der Marke mit vollendeten und<br />

erstklassigen Modellen der Superlative,<br />

Hermann Lange im Audi C zur Alpenfahrt 1912.<br />

der Einstieg in die obere Preisklasse war<br />

damit programmatisch vollzogen.<br />

August Horch erkannte zwar die Ausweglosigkeit<br />

eines derartigen Unterfangens,<br />

hatte aber nicht mehr den Einfluss,<br />

diese irrationale Vorgehensweise in eine<br />

den Anforderungen der Zeit entsprechende<br />

Produktpolitik umzuändern.<br />

Hermann Lange blieb somit nichts anderes<br />

übrig als die gesetzten Prioritäten<br />

(Weiterentwicklung des Alpensiegers<br />

zum 14/50 PS und Neuaufnahme des<br />

Sechszylindermodells 18/70 PS) konstruktiv<br />

in die Tat umzusetzen. Auf einer<br />

Reise zur Automobilausstellung 1919 in<br />

Kopenhagen sollte er sich mit den neuesten<br />

Entwicklungstrends vertraut machen<br />

und diese nach Möglichkeit in seine<br />

Konstruktionen einfließen lassen. Er<br />

stand dabei unter ständigem Zeitdruck,<br />

vermutlich hatte dieser Stress auch die<br />

ersten gesundheitlichen Schädigungen<br />

zur Folge, die seine Leistungskraft herabsetzten.<br />

Das Ziel, zur Berliner Automobilausstellung<br />

1921 drei Prototypen des neuen<br />

Audi K vorzustellen, wurde damit zwar<br />

erreicht, die eigentliche Serienfertigung<br />

kam erst 2 Jahre später richtig zum<br />

Laufen. Hermann Lange hat weder die<br />

Serienübernahme seiner Konstruktion<br />

noch die öffentliche Vorstellung des großen<br />

Sechszylindermotors erlebt. Im


Alter von nur 55 Jahren starb er am 19.<br />

Februar 1922 plötzlich an Asthma und<br />

Herzversagen. Sein Tod bedeutete einen<br />

großen Verlust für das Unternehmen.<br />

Viele Freunde und Menschen, die ihn<br />

achteten und verehrten, einschließlich der<br />

gesamte Belegschaft, erwiesen dem verdienstvollen<br />

Pionier der Kraftfahrt 3<br />

Tage später die letzte Ehre. Mit ihm<br />

verlor der Zwickauer Automobilbau eine<br />

bedeutende Technikerpersönlichkeit der<br />

Weihnachtsfest im Kreise der Familie Lange.<br />

Frühzeit und alle Mitarbeiter einen geachteten<br />

Vorgesetzten. Die Zwickauer<br />

„Neuesten Nachrichten“ würdigten seine<br />

herausragende Rolle und Bedeutung für<br />

die Stadt am 21. Februar 1922 in einem<br />

ehrenden Nachruf.<br />

„Mit diesem Manne ist ein Pionier der<br />

deutschen Automobilindustrie dahingegangen.<br />

Als technischer Leiter der Audi-Werke,<br />

deren Vorstand er angehörte, hatte er an<br />

der Entwicklung des Kraftfahrwesens aus<br />

den ersten Anfängen heraus als Konstruk-<br />

teur mitgewirkt. Kurz nach der Begründung<br />

der A. Horch & Cie. Motorenwerke AG<br />

im Jahre 1904 folgte er dem Rufe seines<br />

alten Freundes August Horch, als Oberingenieur<br />

in die Dienste des neuen Unternehmens<br />

einzutreten, und so hat er mitgeholfen,<br />

den Grundstein zu einer neuen<br />

Industrie zu legen, die Zwickaus Namen in<br />

der ganzen Welt bekannt machte. Zu<br />

einer Zeit, wo noch die Wissenschaft sich<br />

kaum des neuen technischen Gebietes<br />

angenommen hatte, wo alles auf persönliche<br />

Erfahrung und eigne Arbeit angewiesen<br />

war, hat es Herr Lange verstanden, Wagen<br />

zu schaffen, die durch ihren glänzenden<br />

Sieg bei der Herkomerfahrt im Jahre 19<strong>06</strong><br />

die junge Firma Horch berühmt machten,<br />

und ein schnelles Aufblühen war ihr durch<br />

Langes Mitarbeit beschieden. Im Jahre<br />

1909 brachten es die Verhältnisse mit sich,<br />

dass der Gründer der Firma A. Horch & Cie.,<br />

Herr August Horch, mit dem jetzt<br />

Verstorbenen nebst einer Anzahl erster<br />

AufgeHorcht<br />

Mitarbeiter aus dieser Firma ausschieden,<br />

um die heutigen Audiwerke zu gründen.<br />

Hier setzen nun die beiden, Horch und<br />

Lange, ihr ganzes Können ein, um dieses<br />

neue Unternehmen vorwärts zu bringen.<br />

Mit Stolz durfte er es erleben, dass die<br />

Audi-Werke eine achtunggebietende Stelle<br />

in der deutschen Automobilindustrie einnehmen.<br />

Den Lesern unseres Blattes werden sicherlich<br />

die Erfolge der Audi-Werke aus der<br />

Vorkriegszeit bekannt sein, wo die mit Lorbeer<br />

bekränzten Sieger und Preisträger von<br />

den großen internationalen österreichischen<br />

Alpenfahrten in den Jahren 1912,<br />

1913 und 1914 ihren Einzug in Zwickau<br />

hielten. Ihm selbst, dem Dahingeschiedenen,<br />

der es sich nicht nehmen ließ, einen<br />

Audi-Wagen bei diesen Alpenfahrten zu<br />

steuern, dessen Konstrukteur und Erbauer<br />

er war, trugen diese Fahrten eine Reihe<br />

kostbare Ehrenpreise ein.<br />

Im Herbst 1920 begann sich ein Leiden<br />

dem Verstorbenen bemerkbar zu machen,<br />

das den Todeskeim in ihm legte. Trotzdem<br />

hat er bis zum Tage vor dem Tode auf seinem<br />

Arbeitsplatz ausgehalten.<br />

Der Dahingeschiedene war allgemein bekannt<br />

als Mann, der sich von keinen<br />

Schwierigkeiten abschrecken ließ, der klar<br />

und zielbewusst den von ihm für richtig<br />

befundenen Weg ging und der stets ein<br />

vorbildliches Beispiel für Treue und Pflichterfüllung<br />

den Angehörigen des Werkes<br />

gegenüber gewesen ist und so hat er auch<br />

stets für das Wohl der ihm unterstellten<br />

Angehörigen des Werkes ein mitfühlendes<br />

Verständnis gezeigt.“<br />

Jürgen Pönisch<br />

Fotos: Archiv des Autors<br />

02/20<strong>06</strong> 39


AufgeHorcht<br />

Dreifache Kompetenz für<br />

Technik, Umwelt und Mobilität<br />

DEKRA Automobil Test Center am EuroSpeedway<br />

Lausitz ist eine Säule für DEKRA Automotive-<br />

Dienstleistungen – Aktuelles Produkt Safetyplus<br />

für mehr Sicherheit bei Transportern und Fahrern<br />

Das DEKRA Automobil Test Center am EuroSpeedway Lausitz deckt ein breites Spektrum an Prüf- und Messleistungen<br />

sowie Entwicklungsaufgaben rund um das Fahrzeug ab. Foto: DEKRA<br />

Fahrzeug- und Verkehrssicherheit sowie Umweltschutz waren für DEKRA<br />

schon immer ein besonderes Anliegen. Warum ereignen sich Unfälle, was<br />

genau läuft bei einem Unfall ab, wie lassen sich Unfälle künftig vermeiden<br />

bzw. Unfallfolgen verringern? Antworten auf diese und zahlreiche weitere<br />

Fragen liefert das DEKRA Technology Center. Darin ist das in vielen Jahren<br />

akribischer und engagierter Forschungsarbeit entstandene DEKRA<br />

Know-how als Automotive-Dienstleister gebündelt. Dieses Know-how<br />

basiert u.a. auf der Analyse tausender realer Unfälle, der Bewertung<br />

umfangreicher statistischer Daten und der Auswertung eigener Versuche.<br />

Genutzt wird dieses Wissen unter anderem zur sicherheitsrelevanten<br />

Vorab-Erprobung neuer Fahrzeuge und Fahrzeugkomponenten.<br />

Organisatorisch steht das DEKRA Technology<br />

Center auf drei Säulen: der DEKRA<br />

Unfallforschung in Stuttgart (Baden-Württemberg),<br />

dem DEKRA Crash Test Center<br />

in Neumünster (Schleswig-Holstein) und<br />

dem DEKRA Automobil Test Center in<br />

Klettwitz (Brandenburg). Dank dieser<br />

„dreifachen Kompetenz in Sachen Technik,<br />

Umwelt und Mobilität“ ist DEKRA zu<br />

einem wichtigen und anerkannten Partner<br />

der internationalen Fahrzeug- und Zulieferindustrie<br />

geworden. Schwerpunkt der<br />

DEKRA Unfallforschung ist die Grundlagenforschung<br />

zur Verbesserung der<br />

aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit.<br />

40<br />

02/20<strong>06</strong><br />

So verfügt die Unfallforschung über riesige<br />

Unfalldatenbanken, die zum Teil als Folge<br />

externer Forschungsaufträge der Autoindustrie,<br />

der Bundesregierung oder der<br />

Europäischen Kommission entstanden.<br />

Wichtiger Bestandteil der Unfallforschung<br />

sind Crashversuche, die in der Regel im<br />

DEKRA Crash Test Center Neumünster<br />

durchgeführt werden. Die Anlage verfügt<br />

über eine Outdoor Crash Test Bahn, auf<br />

der Fahrzeuge aller Art gecrasht werden<br />

können. Auch alle Crash-Konstellationen<br />

sind möglich. Spektakulär waren die 1995<br />

im Rahmen des Projekts Theseus durchgeführten<br />

Crash Tests mit schweren<br />

Tankfahrzeugen. Im Sommer 2004 wurde<br />

die Anlage um eine Indoor Crash Test<br />

Bahn für Pkw und leichte Lkw bis 3,5<br />

Tonnen ergänzt. Sie ermöglicht Standard-<br />

Tests unter konstanten Umgebungsbedingungen<br />

und unter Geheimhaltung.<br />

Dritter Teil des DEKRA Technology<br />

Centers ist das DEKRA Automobil Test<br />

Center in Klettwitz am EuroSpeedway<br />

Lausitz. Das 2003 fertig gestellte Kompetenzzentrum<br />

für Produktentwicklung,<br />

Produktbetreuung und Qualitätssicherung<br />

bietet in seinen hochmodernen Mess- und<br />

Prüflabors und auf der Teststrecke, dem<br />

DEKRA Test Oval, ein breites Spektrum<br />

an technischen Dienstleistungen. Motorenprüfstände,<br />

Anlagen zur Abgasanalyse<br />

von Diesel- und Benzinmotoren, Klimakammer,<br />

Schlittenanlage für Aufprallversuche,<br />

servohydraulische Prüfeinrichtungen,<br />

fahrdynamische Prüfungen oder<br />

Geräuschmessungen auf der Teststrecke<br />

und vieles mehr ermöglichen spezielle<br />

Tests und Versuchsanordnungen und<br />

machen das Center für die verschiedensten<br />

Anforderungen aus Automobil- und<br />

Zulieferindustrie sowie aus der Forschung<br />

interessant.<br />

In dem technischen Zentrum in Klettwitz<br />

werden dazu auch „hoheitliche“ Aufgaben<br />

durchgeführt, etwa Prüfung und Gutachten<br />

für die EG-Gesamt- und Teilbetriebserlaubnis,<br />

ECE-Genehmigungen, Typprüfungen<br />

von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen<br />

nach nationalen Vorschriften<br />

(ABE/ABG) oder Gutachten für Fahrzeugteile<br />

zur Erteilung von Bauartgenehmigungen<br />

(BAG). Das DEKRA Automobil<br />

Test Center ist als Technischer Dienst<br />

beim Kraftfahrtbundesamt entsprechend<br />

akkreditiert.<br />

Aktuelles Produkt des DEKRA Automobil<br />

Test Center ist das Transporter- und<br />

Fahrer-Zertifikat Safetyplus: Starke Auffälligkeit<br />

von Transportern und deren<br />

Fahrern im Unfallgeschehen führte dazu,<br />

dass im Jahr 2004 sich sowohl die Verkehrsministerkonferenz<br />

als auch der 42.<br />

Verkehrsgerichtstag eingehend mit dieser<br />

Problematik befasst haben. Die dort empfohlenen<br />

Maßnahmen zur weiteren<br />

Erhöhung der Transportersicherheit werden<br />

nun mit Safetyplus umgesetzt und praxisnah<br />

weitergeführt. Sie bilden einen<br />

konkreten Beitrag zum europäischen<br />

Aktionsprogramm für die Verkehrssicherheit<br />

zur Halbierung der Zahl der Unfalltoten<br />

im Straßenverkehr in der Europäischen<br />

Union – auf jährlich 25.000 bis<br />

zum Jahr 2010. DEKRA hat sich als einer<br />

der Erstunterzeichner der EU-Charta<br />

„25.000 Leben retten“ dazu verpflichtet.


Vorführungen mit dem Nutzfahrzeug zum Symposium Aktive Sicherheit. Foto: DEKRA<br />

Gemeinsam haben DaimlerChrysler – führend<br />

als Hersteller von Transportern –<br />

und DEKRA als ebenfalls führendes Unternehmen<br />

im Bereich der technischen<br />

Sicherheit aus der bereits 2004 gestarteten<br />

Gemeinschaftsinitiative inzwischen ein für<br />

alle Interessierten gleichermaßen umsetzungsfähiges<br />

Produkt entwickelt: Safetyplus.<br />

Es steht auf zwei Säulen: Fahrzeug (Safetyplus<br />

Vehicle) und Fahrer (Safetyplus Driver).<br />

Mit der Präsentation des neuen Mercedes-<br />

Benz Sprinters wurde es der Öffentlichkeit<br />

erstmals vorgestellt.<br />

Safetyplus Vehicle beurteilt die Anforderungen<br />

an Ausstattung und Fahrdynamik<br />

des jeweiligen Transporters nach einem<br />

präzise ausgearbeiteten Kriterienkatalog.<br />

Punkte gibt es zunächst in Kategorie I für<br />

unterschiedlichste Ausstattungsmerkmale<br />

von A wie Abstandsregelung bis Z<br />

wie Zurrschienen. Besonders hohe Punktzahlen<br />

lassen sich zum Beispiel mit<br />

Assistenz- und Regelungssystemen aber<br />

auch mit Lastverankerungssystemen erzielen.<br />

Hinzu kommt eine Bewertung des<br />

jeweiligen Fahrzeugtyps durch intensive<br />

fahrdynamische Prüfungen (Kategorie II).<br />

Gemessen wird hier zum Beispiel der<br />

Bremsweg, das Verhalten im VDA-Spurwechsel<br />

(„Elchtest“), erreichbare Kurvengeschwindigkeiten<br />

oder das Verhalten<br />

beim Bremsen in Kurven. Diese Tests<br />

erfolgen sowohl mit dem leeren Transporter<br />

als auch bis auf das zulässige<br />

Gesamtgewicht beladen. Erst bei Erreichen<br />

einer im Kriterienkatalog festgelegten<br />

Mindestpunktzahl für die sicherheitsrelevante<br />

Ausstattung und für die fahrdynamischen<br />

Untersuchungen lässt sich das<br />

Zertifikat Safetyplus Vehicle erreichen.<br />

Ergänzend dazu gibt es das Zertifikat für<br />

den Fahrer, welcher in periodisch zu wiederholenden<br />

Fahrsicherheitstrainings seine<br />

Fahrzeugbeherrschung und seine theoretischen<br />

Kenntnisse prüfen und auffrischen<br />

kann. Erstmals wird damit bundesweit<br />

das lebenslange Lernen bezüglich des Fahrerwissens<br />

am Beispiel der Transporterfahrer<br />

ins Leben gerufen und fortlaufend<br />

in dem dargestellten fahrerbezogenen<br />

Qualifizierungsnachweis dokumentiert.<br />

Nach außen können die Besitzer und Fahrer<br />

eines Transporters ihr Zertifikat Safetyplus<br />

Vehicle durch spezielle Aufkleber am<br />

Fahrzeug dokumentieren. Der zeitlich<br />

befristete Aufkleber Safetyplus Vehicle<br />

wird am Heck des Transporters angebracht.<br />

Dort kann auch der Aufkleber für das<br />

Zertifikat Safetyplus Driver seinen Platz<br />

finden, wenn sichergestellt ist, dass nachweislich<br />

nur Fahrer mit diesem Fahrzeug<br />

fahren, die Träger dieses Zertifikats sind.<br />

Die Sicherheit beim Betrieb von Transportern<br />

kann insbesondere dann nachhaltig<br />

positiv beeinflusst werden, wenn beide<br />

Zertifikate gleichzeitig vorliegen.<br />

Neben der Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />

allgemein hat natürlich der<br />

Fahrzeughalter auch spezielle Vorteile mit<br />

dem Programm:<br />

• Kostenreduzierung durch<br />

Unfallvermeidung<br />

• Verringerung der Ausfallkosten<br />

(Fahrer, Fahrzeuge)<br />

• Erhöhung der Transportsicherheit<br />

• Verbesserung des Images<br />

AufgeHorcht<br />

• Alleinstellungsmerkmal im Markt<br />

• zusätzliche Werbemöglichkeiten bei<br />

potenziellen Auftraggebern<br />

• neutrale Dokumentation zusätzlicher<br />

sicherheitsrelevanter Fahrzeugausrüstung<br />

und Fahrerqualifikation gegenüber<br />

Versicherern<br />

Mit dem 2. DEKRA-Symposium Aktive<br />

Fahrzeugsicherheit im Mai 2007 möchte<br />

DEKRA einen weiteren Beitrag zum<br />

Austausch von Informationen vor dem<br />

Hintergrund der weiteren Erhöhung der<br />

Verkehrssicherheit und der Verminderung<br />

des Unfallrisikos von Kraftfahrzeugen<br />

leisten.<br />

Im Rahmen des Symposiums unter<br />

Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Egon-<br />

Christian von Glasner soll in Fachvorträgen<br />

auf die verschiedenen Systeme für<br />

Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge,<br />

mit dem Schwerpunkt der elektronischen<br />

Fahrdynamikregelung, eingegangen werden.<br />

Zur Vervollständigung wird in praktischen<br />

Vorführungen und Übungen die<br />

Problematik vertieft. Ein Highlight ist<br />

dabei die Möglichkeit der direkten Teilnahme<br />

an fahrdynamischen Vorführungen<br />

mit Pkw und Lkw, wobei die Teilnehmer<br />

selbst praktische Erfahrungen auf den<br />

Versuchsstrecken „erfühlen“ können. In<br />

dieser Kombination von Theorie und<br />

Praxis ist nicht nur eine theoretische,<br />

Auf den Strecken des DEKRA Automobil Test Centers können auch Off-Roader „auf Herz und Nieren“<br />

getestet werden. Foto: DEKRA<br />

sondern vor allem auch eine praktische<br />

Vertiefung der vorgestellten Problematik<br />

möglich.<br />

Das Symposium findet auf dem Gelände<br />

des DEKRA Technology Center in Klettwitz<br />

mit seinem direkten Anschluss an<br />

die Prüf- und Messstrecken des DEKRA<br />

Test Oval statt. Interessierte Firmen können<br />

im Rahmen des Symposiums ihre<br />

Produkte in den Fachvorträgen oder in<br />

der begleitenden Fachausstellung zielgruppengerecht<br />

präsentieren. PM/IR<br />

www.datc.de<br />

02/20<strong>06</strong> 41


42<br />

AufgeHorcht<br />

Aus der Leserpost<br />

Literatur mit Kompetenz aus Sachsen<br />

„AufgeHorcht“ ist für mich Literatur mit<br />

Kompetenz aus Sachsen. Mit Interesse<br />

habe ich den Artikel „Neustart mit<br />

Nobelwagen“ in Heft 01/20<strong>06</strong> gelesen.<br />

Fachkundig recherchiert, einfach eine<br />

Freude zu lesen. Die Zeitenwende bis<br />

1945 und nach 1945 sollte man unter<br />

anderem mit hellem Licht ausleuchten.<br />

Zum Artikel „100 Jahre Karosseriebau<br />

Gustav Hornig“ möchte ich anmerken,<br />

dass das Wanderer-Cabrio nicht auf dem<br />

Fahrgestell W 23 (sechszylindrisch), son-<br />

02/20<strong>06</strong><br />

dern auf dem W 24 (vierzylindrisch) aufgesetzt<br />

wurde. Es gibt ein authentisches<br />

Exemplar aus dem Bestand Hillers,<br />

Hamburg, jetzt neu aufgebaut bei einem<br />

Audi-Händler in Attendorn.<br />

Manfred Otten<br />

Dortmund<br />

(Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe<br />

sinnwahrend zu bearbeiten. Die Lesermeinungen<br />

müssen nicht mit der Meinung<br />

der Redaktion übereinstimmen.)<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Gemeinnütziger Förderverein<br />

Automobilmuseum August Horch Zwickau e.V.<br />

Audistraße 7<br />

08058 Zwickau<br />

Redaktion<br />

Ina Reichel, Freie Journalistin, Chemnitz<br />

Anzeigenaquise, Layout, Satz<br />

Marketingagentur Reichel<br />

Kleinolbersdorfer Straße 6, 09127 Chemnitz<br />

Tel. 0371-7743510, Fax: 0371-7743511<br />

E-Mail: mareichel@ma-reichel.de<br />

Druck<br />

Druckerei Gröer GmbH & Co. KG Chemnitz<br />

Redaktionsschluss dieser Ausgabe:<br />

20. September 20<strong>06</strong><br />

Die Geschenkidee für Autofreunde<br />

Verschenken Sie Auto-Feeling der besonderen<br />

Art mit einem „AufgeHorcht“-Abo-Gutschein.<br />

Information unter Tel. 0371-7743510.

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