Aspekte der Handlungsorientierung im Lesenunterricht auf der ...
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Zum handlungsorientierten Literaturunterricht<br />
(Auszug aus: Heinz Hafner und Monika Wyss: <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Handlungsorientierung</strong> <strong>im</strong> Literaturunterricht<br />
an <strong>der</strong> Sekundarstufe II. In: Beiträge zur <strong>Handlungsorientierung</strong>. Berichte aus Praxis und<br />
Forschung Bd. 1. h.e.p. Bern 2004. Dort finden sich auch mehrere Beispiele von Lernenden aus <strong>der</strong><br />
Unterrichtspraxis.)<br />
Durch einen spielerisch-kreativen Umgang mit Texten die Freude an Literatur zu för<strong>der</strong>n ist das Ziel<br />
des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts, <strong>der</strong> in den Siebzigerjahren als Konsequenz<br />
aus <strong>der</strong> kognitiven Wende die herkömmliche Textanalyse und -interpretation ergänzt hat. Neben<br />
<strong>der</strong> durch die Lehrperson gelenkten Texterschliessung behauptet sich seither die handelnde Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit Literatur. Indem die Lernenden die Lektüre mit Alltagswissen und mit ihren individuellen<br />
Lebenserfahrungen verknüpfen, entdecken sie das Beson<strong>der</strong>e eines literarischen Textes, entwickeln<br />
sie ihre eigene Sicht und können diese begründen (Menzel, 21; Spinner 1993, 23ff.). Damit<br />
emanzipieren sie sich von <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Nachvollziehenden dessen, was anerkannte Autoritäten vorgedacht<br />
haben.<br />
Bewährte Verfahren<br />
Wir können <strong>auf</strong> langjährige Erfahrungen mit handlungsorientiertem Literaturunterricht zurückblicken.<br />
Dabei haben sich in unserem Unterricht vor allem die folgenden Erschliessungsverfahren bewährt:<br />
• während <strong>der</strong> Lektüre eines Textes an einer Stelle innehalten und eine Fortsetzung entwerfen<br />
• eine mögliche Vorgeschichte o<strong>der</strong> Fortsetzung zu einem Text (bzw. zu einer einzelnen Figur) schreiben<br />
• eine <strong>im</strong> Text nur angedeutete Handlung ausgestalten<br />
• ein Video-Skript zu einem Text erarbeiten<br />
• einen Text o<strong>der</strong> Textteil dramatisieren (z. B. als Rollenspiel o<strong>der</strong> Videoszene)<br />
• einen Text in eine an<strong>der</strong>e Textsorte umschreiben, z. B. aus einer Ballade eine Prosaform (Bericht, Brief<br />
usw.) erstellen<br />
• die Handlung (bzw. Ausschnitte davon) in einen Comic umsetzen<br />
• zur Handlung (o<strong>der</strong> zu Teilen daraus) eine Zeitungsseite o<strong>der</strong> eine PowerPoint-Produktion erstellen<br />
• einen Lesebericht zur Hauslektüre schreiben<br />
• zu einem Text bzw. einer Textsituation ein Bild malen o<strong>der</strong> eine Collage erstellen (Beispiele in Hafner/Wyss,<br />
385 und 388)<br />
• einen Wörterbaum zum zentralen Thema eines Werks o<strong>der</strong> zu einer <strong>der</strong> Figuren erstellen (Beispiele in<br />
Hafner/Wyss, 263)<br />
• Figuren des Textes in Ich-Form vorstellen<br />
• eine Figur aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> (fiktiven) Nachbarin, des (fiktiven) Jugendfreunds charakterisieren<br />
• eine Figur <strong>im</strong> Auftrag einer Zeitung (evtl. Boulevardblattes) interviewen einen Nachruf zu einer Figur<br />
verfassen
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• zu wichtigen <strong>Aspekte</strong>n bzw. Sequenzen eines Werks einen Text verfassen (z. B. Kommentar, Leserbrief,<br />
Meldung, Reportage usw.) i<br />
Die genannten handlungsorientierten Verfahren bedingen eine emotionale und <strong>im</strong>aginative Vergegenwärtigung<br />
des Textes; nicht das Produkt ist das Zentrale, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Lernprozess, <strong>der</strong> die Berufslernenden<br />
zu einem vertieften Verständnis von Literatur führt. Bevor beispielsweise ein Comic zu<br />
Kafkas „Verwandlung“ entstehen kann, muss sich eine Schülerin bzw. ein Schüler intensiv mit dem<br />
Text auseinan<strong>der</strong> gesetzt haben.<br />
Charakteristika handlungsorientierter Verfahren<br />
Gemeinsame Merkmale von handlungsorientierten Verfahren sind:<br />
• Sie halten zu einer intensiven Lektüre an.<br />
• Sie verlangen persönliches Engagement je<strong>der</strong> und jedes Lernenden.<br />
• Sie involvieren auch die Phantasie und die Emotionen <strong>der</strong> Lernenden.<br />
• Sie verknüpfen die Lektüre literarischer Texte mit Alltagswissen und mit den individuellen<br />
Lebenserfahrungen <strong>der</strong> Lernenden.<br />
• Sie verknüpfen das Lesen oft mit Schreib<strong>auf</strong>gaben, was den sprachlichen Ausdruck för<strong>der</strong>t und<br />
den Literaturunterricht in das Fach „Deutsch“ (bzw. die entsprechende Fremdsprache) integriert.<br />
• Sie för<strong>der</strong>n die Freude am Lesen.<br />
• Sie führen zu nachhaltiger Aneignung.<br />
Gerade für den Berufsschulunterricht sind handlungsorientierten Verfahren von Bedeutung, kann doch<br />
bei den gegebenen zeitlichen Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Anspruch, einen umfassenden Überblick über<br />
die Literatur und die Literaturgeschichte zu geben, nicht erfüllt werden. Vielmehr sollen die Lernenden<br />
durch nachhaltige Begegnungen mit einzelnen literarischen Texten den Weg zur Literatur bzw.<br />
zum Buch finden, wenn er ihnen nicht <strong>im</strong> Elternhaus gezeigt wurde; sie sollen zur Lektüre an<strong>im</strong>iert<br />
werden, sollen entdecken (bzw. darin bestätigt werden), dass Literatur mit ihnen etwas zu tun hat und<br />
dass sie nicht den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums vorbehalten ist.<br />
Literatur<br />
Haas, Gerhard/Wolfgang Menzel/Kaspar H. Spinner:<br />
Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. Praxis<br />
Deutsch Son<strong>der</strong>heft 2000. 7-15.<br />
Hafner, Heinz/Monika Wyss: Deutsch. Handbuch für Lehrkräfte. Aarau: Sauerlän<strong>der</strong> 1997.<br />
Menzel, Wolfgang: Literatur erschliessen: operativ. Praxis Deutsch Son<strong>der</strong>heft 2000. 16-<br />
21<br />
Spinner, Kaspar H.:<br />
Literaturdidaktik <strong>der</strong> 90er Jahre. In: Handlungsfeld Deutschunterricht<br />
<strong>im</strong> Kontext. Festschrift für Hubert Ivo. Albert Bremerich-Vos (Hrsg.).<br />
Frankfurt a. Main 1993: Diesterweg, 23-36.<br />
i Vgl. dazu auch Haas et al. (14) und Menzel (19).