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3 Atommodelle

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3.1 Kern und Hülle als Strukturelemente der Atome<br />

3.2 Die Energie der Elektronen in Atomen; das<br />

Energiestufenmodell<br />

3.3 Modellvorstellung über die Aussenelektronen eines<br />

Atoms<br />

3.4 Das Periodensystem III; der Aufbau der<br />

Elektronenhülle<br />

3.5 Exkurs: Elektronen als stehende Wellen<br />

3<br />

<strong>Atommodelle</strong>


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

3 . 1 K e r n u n d H ü l l e a l s S t r u k t u r e l e m e n t e d e r A t o m e<br />

Thomson nahm an, dass die positiven Protonen ein Atom vollständig ausfüllen<br />

und zwischen ihnen die wesentlich kleineren Elektronen eingebettet sind,<br />

wie Rosinen in einem Kuchen (Rosinenkuchen-Modell). Die ungleichnamigen Ladungen<br />

erzeugen elektrostatische Anziehungskräfte, die das Atom zusammenhalten<br />

und stabilisieren (Atommodell nach Thomson, 1904).<br />

Abb. 3.1 Rosinenkuchen-Modell<br />

Dieser Vorstellung fehlten jedoch die Beweise. Im Jahre 1906 führte Ernest<br />

Rutherford (1871–1937) seinen berühmten Streuversuch durch, der zu einem gänzlich<br />

neuen Bild der Atome führen sollte.<br />

Der Forscher beschoss eine Goldfolie, deren Dicke etwa der Abfolge von 1000<br />

Atomschichten entsprach, mit α-Teilchen (2-fach positiv geladen, Masse ungefähr 4<br />

u; Abschnitt 2.7) und beobachtete deren Auftreffen auf einem Leuchtschirm, nachdem<br />

sie die Folie durchdrungen hatten.<br />

Bleiblock<br />

Ablenkungen<br />

Radium, sendet<br />

α-Strahlen aus<br />

Filmstreifen<br />

Goldfolie<br />

Abb. 3.2 Schema der Apparatur für den Streuversuch<br />

Es stellte sich heraus, dass von rund einhundert α-Teilchen nur eines geringfügig<br />

seine geradlinige Bahn verlassen hatte. Die meisten Teilchen gingen durch die<br />

Goldfolie hindurch, ohne von ihrem Weg abgelenkt zu werden. Die Vorstellung von<br />

kompakten Atomen konnte demnach nicht richtig sein. Fast noch überraschender<br />

war die Tatsache, dass einige wenig α-Teilchen, etwa jedes zehntausendste, in sehr<br />

64


3 A t o m m o d e l l e<br />

grossen Winkeln aus ihrer Bahn geworfen wurden. Rutherford meinte dazu: «Es<br />

wäre beinahe so unglaublich, wie wenn eine 38-cm Granate, die man gegen ein Stück<br />

Seidenpapier abgefeuert hatte, zurückkäme und einen selber träfe.» 1<br />

e - e -<br />

e - e -<br />

e -<br />

e -<br />

Abb. 3.3 Beobachtete Ablenkungen im Streuversuch; Detailansicht an einem Atom<br />

Abb. 3.4 Modellvorstellung eines Atoms nach Rutherford mit den Bahnen der α-Teilchen<br />

Die Auswertung des Experiments ergab, dass die positive Ladung nicht<br />

gleichmässig verteilt, sondern in einem Atomkern konzentriert ist, mit einem etwa<br />

hunderttausendmal kleineren Durchmesser als derjenige des gesamten Atoms. Nur<br />

starke abstossende Kräfte zwischen der in einem minimalen Raum konzentrierten<br />

positiven Ladung der Protonen können die grosse Ablenkung der 2-fach positiv<br />

geladenen α-Teilchen erklären. Auf Grund der Grössenverhältnisse ist die Wahrscheinlichkeit<br />

gering, dass ein α-Teilchen nahe am Kern vorbeifliegt. Somit kommt<br />

es selten zu einer grösseren Ablenkung.<br />

Da die Gesamtladung eines Atoms null ist, entspricht die Anzahl der Elektronen<br />

der Anzahl Protonen (Kernladung). Die Elektronen bewegen sich in der<br />

Elektronenhülle, die die Ausdehnung eines Atoms verursacht (Atommodell nach<br />

Rutherford).<br />

Abb. 3.5 Kern-Hülle-Modell eines Atoms nach Rutherford<br />

1 Rutherford, E.: The Theory of atomic structure. Essay in «The Background to Modern Science» S. 69<br />

65


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Kern-Hülle-Modell:<br />

Atomkern: enthält alle Protonen und Neutronen<br />

sowie praktisch die gesamte Masse<br />

des Atoms (mehr als 99,9 %); Ø ~ 10 –15 m<br />

Atom<br />

Ø ~ 10 –10 m<br />

Elektronenhülle: Raum um den Atomkern,<br />

in dem sich die Elektronen bewegen<br />

Wäre der Durchmesser<br />

des Atoms 100 m...<br />

Mit dem Kern-Hülle-Modell lassen sich die<br />

in der Literatur oft verwendeten Begriffe<br />

Kernladungszahl für Protonenzahl bzw.<br />

Nukleonenzahl für Massenzahl verstehen.<br />

...hätte der Atomkern ca.<br />

1 mm Durchmesser<br />

– Kernladungszahl (Ordnungszahl oder<br />

Protonenzahl): Gesamtladung des Kerns<br />

– Nukleonenzahl (Massenzahl): Summe<br />

aller Protonen und Neutronen des Kerns<br />

(nucleus lat. = Kern)<br />

75 m<br />

Alle Atomkerne der Erde ergäben, dicht<br />

gepackt, einen Würfel von 75 m Kantenlänge.<br />

Abb. 3.6 Grössenvergleich Kern/Atom<br />

66


3 A t o m m o d e l l e<br />

3 . 2 D a s E n e r g i e s t u f e n m o d e l l<br />

Spaltet man einem Atom Elektronen ab, so entstehen Ionen (elektrisch geladene<br />

Teilchen) mit einer positiven Ladung. Dieser Vorgang ist endotherm (benötigt<br />

Energie), da die anziehenden Kräfte zwischen dem positiv geladenen Kern und den<br />

negativen Elektronen überwunden werden müssen. Die dabei nötige Energie heisst<br />

Ionisierungsenergie (IE). Um genauere Kenntnis über den Aufbau der Elektronenhülle<br />

zu erhalten, werden einem Atom alle Elektronen entfernt und die Ionisierungsenergien<br />

in einer Tabelle zusammengestellt (Tab. 3.1).<br />

Tab. 3.1 Ionisierungsenergien in Elektronenvolt (eV, 1 eV ~ 95,8 kJ/mol)<br />

Nr. Symbol 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.<br />

13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. abgespaltenes Elektron<br />

1 H 13,6<br />

2 He 24,6 54,4<br />

3 Li 5,4 75,6 122,5<br />

4 Be 9,3 18,2 153,9 217,7<br />

5 B 8,3 25,2 37,9 259,4 340,2<br />

6 C 11,3 24,4 47,9 64,5 392,1 490,0<br />

7 N 14,5 29,6 47,5 77,5 97,9 552,1 667,0<br />

8 O 13,6 35,1 54,9 77,4 113,9 138,1 739,3 871,4<br />

9 F 17,4 35,0 62,7 87,1 114,2 157,2 185,2 953,7 1103,1<br />

10 Ne 21,6 41,0 63,5 97,1 126,2 157,9 207,3 239,0 1195,8 1362,2<br />

11 Na 5,1 47,3 71,6 98,9 138,4 172,2 208,5 264,2 299,9 1465,1 1648,7<br />

12 Mg 7,6 15,0 80,1 109,2 141,3 186,5 224,9 265,9 328,0 367,5 1761,8 1962,6<br />

13 Al 6,0 18,8 28,4 120,0 153,7 190,5 241,4 284,6 330,2 398,6 442,1 2085,9<br />

14 Si 8,1 16,3 33,5 45,1 166,8 205,0 246,5 303,2 351,1 404.4 476,1 523,5<br />

15 P 10,5 19,7 30,2 51,4 65,0 220,4 263,2 309,4 371,7 424,5 479,6 560,4<br />

16 S 10,4 23,3 34,8 47,3 72,7 88,0 280,9 328,2 379,1 447,1 504,8 564,6<br />

17 Cl 13,0 23,8 39,6 53,5 67,8 97,0 114,2 348,3 400,1 455,6 529,3 592,0<br />

18 Ar 15,8 27,6 40,7 59,8 75,0 91,0 124,3 143,5 422,4 478,7 539,0 618,2<br />

19 K 4,3 31,6 45,7 60,9 82,7 100,0 117,6 154,9 175,8 503,4 564,1 629,1<br />

20 Ca 6,1 11,9 50,9 67,1 84,4 108,8 127,7 147,2 188,5 211,3 591,3 656,4<br />

Elektronenzahl = 1<br />

= 2<br />

12 = 3<br />

22 = 4<br />

32 = 5<br />

42 = 6<br />

52 = 7<br />

62 = 8<br />

72 = 9<br />

82 = 10<br />

182 = 11<br />

282 = 12<br />

2304,0 382 = 13<br />

2437,7 2673,14 82 = 14<br />

611,9 2816,9 3069,85 82 = 15<br />

651,6 707,1 3223,8 3494,0 682 = 16<br />

656,7 749,7 809,4 3658,4 3946, 27 82 = 17<br />

686,0 755,7 854,8 918 4120,8 4426,18 82 = 18<br />

714,0 787,1 861,8 968 1034 4611,0 4934,0 1882 = 19<br />

726,0 816,6 895,1 974 1087 1157 5129,0 5469,7 2882 = 20<br />

Nach dem Coulomb-Gesetz (Abschnitt 2.2) ist die Ionisierungsenergie umso<br />

grösser, je energieärmer das abzuspaltende Elektron ist. Entfernt man einem Atom<br />

mehrere Elektronen, so nimmt die IE zu, da das Gleichgewicht zwischen den anziehenden<br />

Kräften Kern-Elektronen und den abstossenden Kräften Elektronen-Elektronen<br />

gestört wird (je weniger Elektronen in der Hülle vorhanden sind, desto geringer<br />

sind die abstossenden Kräfte zwischen den Elektronen, die dadurch näher an<br />

den Kern gezogen werden).<br />

Nun beobachtet man aber z.B. bei den Elementen Lithium (mit 3 Elektronen)<br />

bis Neon (mit 10 Elektronen) eine überraschend starke Zunahme der IE, wenn<br />

nach dem drittletzten Elektron das zweitletzte abgetrennt wird. Zur Abspaltung der<br />

beiden letzten Elektronen ist unverhältnismässig viel Energie nötig. Offenbar sind<br />

diese zwei Elektronen ganz besonders fest gebunden. Sie befinden sich in einem sehr<br />

energiearmen Zustand.<br />

67


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Tab. 3.2 Ionisierungsenergien für die Elemente 3–10 in eV<br />

Nr. Ele- 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Abgespaltement<br />

nes Elektron<br />

3 Li 5,4 75,6 122,5 1 + 2<br />

4 Be 9,3 18,2 153,9 217,7 2 + 2<br />

5 B 8,3 25,2 37,9 259,4 340,2 3 + 2<br />

6 C 11,3 24,4 47,9 64,5 392,1 490,0 4 + 2<br />

7 N 14,5 29,6 47,5 77,5 97,9 552,1 667,0 5 + 2<br />

8 O 13,6 35,1 54,9 77,4 113,9 138,1 793,3 871,4 6 + 2<br />

9 F 17,4 35,0 62,7 87,1 114,2 157,2 185,2 953,7 1103,1 7 + 2<br />

10 Ne 21,6 41,0 63,5 97,1 126,2 157,9 207,3 239,0 1195,8 1362,2 8 + 2<br />

In den Elektronenhüllen der Atome von Lithium bis Neon existieren also<br />

zwei energetisch unterschiedliche Gruppen von Elektronen: 2 Elektronen sind jeweils<br />

deutlich energieärmer als die restlichen.<br />

Das Natriumatom besitzt ein Elektron mehr als das Neonatom (insgesamt<br />

11 Elektronen), von denen eines besonders leicht abzutrennen ist, das zweite aber<br />

bedeutend mehr Energie benötigt. Zum Abspalten der letzten beiden Elektronen<br />

ist nochmals, verglichen mit dem drittletzten Elektron, ein beträchtlich grösserer<br />

Energiebetrag erforderlich:<br />

Tab. 3.3 Ionisierungsenergien der 11 Elektronen des Elements Natrium<br />

in eV<br />

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.<br />

11 Na 5,1 47,3 71,6 98,9 138,4 172,2 208,5 264,2 299,9 1465,1 1648,7 1 + 8 + 2<br />

Bei den auf das Natrium-Atom folgenden Elementen Magnesium bis Argon<br />

(mit insgesamt 12 bis 18 Elektronen), sind jeweils 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 Elektronen<br />

leichter abzutrennen als die übrigen. Wiederum sind die letzten beiden Elektronen<br />

am schwersten abzuspalten. Diese Elemente haben folglich drei Gruppen von Elektronen<br />

unterschiedlicher Energien. Die Elektronenhüllen von Kalium und Calcium<br />

schliesslich zeigen eine vierfache Gliederung (Tab. 3.1). Auch bei den Atomen der<br />

höheren Elemente lässt sich eine derartige Gliederung beobachten. Die Räume, in<br />

denen sich Elektronen ähnlicher Energien aufhalten, heissen Elektronenschalen. Ihre<br />

Nummerierung beginnt mit der energieärmsten Schale. Die maximale Elektronenzahl<br />

einer Schale berechnet sich mit 2n 2 , wobei n der Schalennummer entspricht. In<br />

den Atomen der natürlich vorkommenden Elemente gibt es jedoch keine Schale, die<br />

mehr als 32 Elektronen aufweist.<br />

68


3 A t o m m o d e l l e<br />

Tab. 3.4 Gliederung der Elektronenhülle in Schalen<br />

Schale<br />

1 2<br />

2 8<br />

Maximale Elektronenzahl<br />

pro Schale<br />

allgemein<br />

3 18 2n 2<br />

4 32 n: Schalennummer<br />

5 50 theoretisch<br />

6 72 theoretisch<br />

7 98 theoretisch<br />

Vergleicht man die Werte der Ionisierungsenergien mit dem Periodensystem,<br />

so fällt folgendes auf: Die Elemente Lithium, Natrium und Kalium besitzen<br />

in der Hülle ihrer Atome je ein leicht abzuspaltendes Elektron, ein Aussenelektron<br />

oder Valenzelektron. Dies gilt auch für die Elemente Rubidium, Caesium und Francium.<br />

Diese Elemente stehen deshalb im Periodensystem in der Hauptgruppe IA.<br />

Gleiches lässt sich aus der Tabelle mit den Ionisierungsenergien für die Elemente<br />

Beryllium, Magnesium und Calcium, Bor und Aluminium, Kohlenstoff und Silicium<br />

usw. ablesen. Die Anzahl der leicht abzuspaltenden Elektronen beträgt in diesen<br />

Fällen 2, 3, 4 … Deshalb stehen diese Elemente in den Hauptgruppen IIA, IIIA, IVA<br />

… Ihre Nummer gibt folglich die Anzahl der Aussenelektronen der entsprechenden<br />

Atome an.<br />

Ähnliches gilt auch für die waagrechten Reihen des Systems, den Perioden.<br />

So gliedern sich die Hüllen der Atome Wasserstoff und Helium, Lithium bis Neon,<br />

Natrium bis Argon in 1, 2 bzw. 3 Elektronenschalen. Die Nummern der Perioden<br />

des Systems stimmen daher mit der Anzahl Elektronenschalen in den betreffenden<br />

Atomen überein.<br />

Für das Periodensystem gilt:<br />

– Die Hauptgruppennummern (IA bis VIIIA) entsprechen der Anzahl der Aussen-<br />

(Valenz-) elektronen.<br />

– Die Periodennummer ist gleich der Anzahl Elektronenschalen in den Atomen<br />

der in der jeweiligen Periode stehenden Elemente.<br />

Vergleicht man die metallischen mit den nichtmetallischen Elementen innerhalb<br />

einer Periode, z.B. Natrium bis Argon, so stellt man fest, dass sich die Valenzelektronen<br />

der Metallatome leichter abspalten lassen als die der Nichtmetallatome.<br />

Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Aussenelektronen der Metallatome<br />

69


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

schwach, die der Nichtmetallatome stark gebunden sind. Ein Mass für die Stärke,<br />

mit der Atome, genauer die Atomrümpfe (Atom ohne die äusserste Schale), Elektronen<br />

anziehen, ist die Elektronegativität (EN; Abschnitt 6.3). Im Periodensystem ist<br />

die Elektronegativität für die einzelnen Atome angegeben.<br />

– Metalle sind Elemente, deren Aussenelektronen im Atom schwach gebunden<br />

sind. Sie haben eine kleine Elektronegativität.<br />

– Die Atome der Nichtmetalle binden ihre Aussenelektronen stark. Ihre Elektronegativitätswerte<br />

sind gross.<br />

3 . 3 M o d e l l v o r s t e l l u n g ü b e r d i e A u s s e n e l e k t r o n e n e i n e s A t o m s<br />

Lange Zeit ging man von der Vorstellung aus, dass sich die Elektronen in den<br />

Atomen auf kreisförmigen oder elliptischen Bahnen um den Kern bewegen (Niels<br />

Bohr 1913; Arnold Sommerfeld 1915). Mit diesem «Planetenmodell» konnten jedoch<br />

zahlreiche Erscheinungen nicht erklärt werden. Dazu gehörte u.a. die Frage, wie sich<br />

Atome zu grösseren Verbänden zusammenschliessen. In der ersten Hälfte des 20.<br />

Jahrhunderts zeigte es sich, dass Elektronen ähnliche Eigenschaften aufweisen wie<br />

Licht. Beide erzeugen ein Muster (Beugungsmuster) von hellen und dunklen konzentrischen<br />

Kreisen, wenn sie feste Stoffe wie z.B. eine Aluminiumfolie oder eine<br />

Thallium/Chlor-Verbindung durchdringen.<br />

Abb. 3.7 Links: Beugung beim Durchgang von Röntgenstrahlen (energiereiches Licht) durch eine Al-<br />

Folie (Photo: Bell Telephone Laboratories). Rechts: Beugung eines Elektronenstrahls beim Durchgang<br />

durch eine Folie aus Thalliumchlorid (Photo: RCA Laboratories, Princeton, N.J.)<br />

Solche Muster entstehen dadurch, dass sich Wellen gegenseitig auslöschen<br />

(dunkle Stellen) oder verstärken (helle Stellen). Dem Licht sowie den Elektronen<br />

müssen bei derartigen Experimenten Welleneigenschaften zugeschrieben werden.<br />

Erst die sich daraus ableitende Vorstellung von stehenden Elektronenwellen um den<br />

70


3 A t o m m o d e l l e<br />

Atomkern machte es möglich, viele chemische Fragen befriedigend zu lösen. Um<br />

das Wesen von Elektronen zu verstehen, sind sowohl ein Wellen- wie auch ein Teilchenmodell<br />

nötig (Abschnitt 3.5).<br />

Dieser Dualismus Welle/Teilchen ist der Grund dafür, dass sich Elektronen<br />

nicht auf vorgeschriebenen Bahnen um den Atomkern bewegen. Es ist jedoch möglich,<br />

Räume zu berechnen, in denen die Elektronen mit grosser Wahrscheinlichkeit<br />

anzutreffen sind. Solche Räume nennt man Elektronenwolken, Ladungswolken, Aufenthaltsräume<br />

oder einfach «Wolken». Die Darstellung solcher Wolken kann man<br />

sich als Summierung zahlreicher «Momentaufnahmen» des Elektrons vorstellen<br />

(Abb. 3.8 a). Ein Punkt entspricht dabei dem Ort des Elektrons in einem bestimmten<br />

Augenblick. Dort, wo die Punkte dichter liegen, hält sich das Elektron häufiger<br />

auf. Oft zeichnet man die Ladungswolken mit Umgrenzungslinien, die dann eine<br />

bestimmte prozentuale Aufenthaltswahrscheinlichkeit (meist 90 %) einschliessen<br />

(Abb. 3.8 b).<br />

a) b)<br />

Abb. 3.8 Kugelsymmetrische Ladungswolke<br />

Da sich chemische Vorgänge hauptsächlich auf der äussersten Elektronenschale,<br />

der Valenzschale, abspielen, sind die Valenzelektronen von besonderer<br />

Wichtigkeit. Ihre Verteilung auf Elektronenwolken erfolgt modellmässig nach bestimmten<br />

Regeln:<br />

– In einer Wolke können sich maximal 2 Elektronen aufhalten, die sich in ihrem<br />

Spin (vereinfacht vorgestellt als Eigenrotation im bzw. gegen den Uhrzeigersinn)<br />

unterscheiden (Pauli-Prinzip 1926; W. Pauli, 1900–1958).<br />

– Die zur Verfügung stehenden Elektronenwolken gleicher Energie werden zuerst<br />

alle einfach und dann erst doppelt besetzt (Hund’sche Regel 1926; F. Hund, 1896–<br />

1997).<br />

Da die Valenzschale eines Atoms maximal 8 Elektronen enthält, stehen 4 Wolken<br />

für die Aussenelektronen zur Verfügung (für die K-Schale nur eine Wolke, da die<br />

erste Schale maximal zwei Elektronen aufnehmen kann). Gemäss der Hund’schen<br />

Regel und der Anzahl Valenzelektronen ordnet man der Hauptgruppe IA eine, den<br />

71


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Hauptgruppen IIA zwei, IIIA drei und IVA vier einfach besetzte Wolken zu (die<br />

Nummer der Hauptgruppe entspricht der Anzahl Valenzelektronen; Abschnitt 3.2).<br />

Ab der Hauptgruppe VA werden die Elektronen doppelt besetzt:<br />

Hauptgruppe VA: Eine doppelt und drei einfach besetzte Wolken<br />

Hauptgruppe VIA: Zwei doppelt und zwei einfach besetzte Wolken<br />

Hauptgruppe VIIA: Drei doppelt und eine einfach besetzte Wolke<br />

Hauptgruppe VIIIA: Vier doppelt besetzte Wolken<br />

Modellhaft werden die einfach besetzten Wolken durch Punkte und doppelt<br />

besetzte mit Hilfe von Strichen dargestellt, die man um die Elementsymbole anordnet.<br />

H<br />

He<br />

Li<br />

Be<br />

B<br />

C<br />

N<br />

O<br />

F<br />

Ne<br />

Na<br />

Mg<br />

Al<br />

Si<br />

P<br />

S<br />

Cl<br />

Ar<br />

K<br />

Ca<br />

Ga<br />

Ge<br />

As<br />

Se<br />

Br<br />

Kr<br />

Rb<br />

Sr<br />

In<br />

Sn<br />

Sb<br />

Te<br />

I<br />

Xe<br />

Cs<br />

Ba<br />

Tl<br />

Pb<br />

Bi<br />

Abb. 3.9 Modellvorstellung der Verteilung der Valenzelektronen auf Elektronenwolken für die Elemente<br />

der Hauptgruppen<br />

3 . 4 D a s P e r i o d e n s y s t e m I I I ; d e r A u f b a u d e r E l e k t r o n e n h ü l l e<br />

Im Grundzustand eines Atoms besetzen die Elektronen möglichst niedrige<br />

(energiearme) Energiestufen (Elektronenschalen). Man sollte nun annehmen, dass<br />

die Schalen entsprechend ihrer maximalen Elektronenzahl der Reihe nach, von der<br />

1. Schale ausgehend, aufgefüllt werden. Dass dies nicht der Fall ist, haben zahlreiche<br />

Untersuchungen gezeigt, deren Ergebnisse sich im Periodensystem wiederspiegeln.<br />

Die Elektronen einer Schale lassen sich in Gruppen, deren Anzahl mit steigender<br />

Schalennummer zunimmt, unterschiedlicher Energien unterteilen. Diese<br />

Unterschalen, die mit den kleinen Buchstaben s, p, d und f 2 symbolisiert werden,<br />

2 s: sharp; p: principal; d: diffus; f: fundamental<br />

72


3 A t o m m o d e l l e<br />

sind durch eine jeweils maximale Elektronenzahl charakterisiert, wobei die Gesamtzahl<br />

einer Schale bei den natürlich vorkommenden Elementen nicht über 32 hinausgeht<br />

(Tab. 3.5).<br />

Tab. 3.5 Einteilung der Elektronenschalen in Unterschalen<br />

Elektronenschale Unterschale mit maximaler Elektronenzahl<br />

Nummer s p d f Total<br />

1 2 2<br />

2 2 6 8<br />

3 2 6 10 18<br />

4 2 6 10 14 32<br />

5 2 6 10 14 32<br />

6 2 6 10 14 32<br />

7 2 6 10 14 32<br />

Die Atome der Elemente Wasserstoff und Helium besitzen 1 bzw. 2 Elektronen<br />

in der ersten Schale, die identisch mit der Unterschale s ist. Die Elemente<br />

Lithium bis Neon haben in ihren Atomen neben der besetzten ersten 1 bis 8 Elektronen<br />

in der zweiten Schale (besetzte s- und p-Unterschale). Damit sind die beiden<br />

energieärmsten Schalen mit der maximalen Elektronenzahl gefüllt. Nachdem die<br />

dritte Schale in den Neonatomen 8 Elektronen aufweist, tritt ein Unterbruch ein.<br />

Kalium und Calcium, die auf das Neon folgenden Elemente, erhalten die neu hinzukommenden<br />

Elektronen ihrer Atome auf der vierten Schale. Erst dann ergänzen<br />

die Elemente Scandium bis Zink die 3. Schale bis zur maximalen Elektronenzahl 18<br />

(Abb. 3.10).<br />

Die Abfolge in Abb. 3.10 entspricht jedoch nicht, wie man das erwarten würde,<br />

zunehmenden Energien der Unterschalen. Die Energien ändern sich teilweise<br />

beim Aufbau der Elektronenhülle. Einerseits nimmt mit fortschreitender Protonenzahl<br />

die Ladung der Atomkerne zu. Dadurch werden die Elektronen stärker angezogen,<br />

ihre Energie verringert sich. Andererseits steigt sie mit Zunahme der Anzahl<br />

Elektronen, da sie sich gegenseitig abstossen. Dies hat zur Folge, dass z.B. die nicht<br />

besetzte Unterschale 3d energiereicher als die ebenfalls leere Unterschale 4s ist.<br />

Deshalb wird letztere zuerst mit zwei Elektronen gefüllt. Die beiden zusätzlichen<br />

Protonen und Elektronen der Kalium- und Calcium-Atome bewirken, dass die Energie<br />

von 3d unter der von 4s zu liegen kommt, so dass anschliessend die 3. Schale<br />

mit den neu hinzukommenden 10 Elektronen die maximale Zahl von 18 erreicht<br />

(Elemente Scandium bis Zink). Darauf folgen die Elemente Gallium bis Krypton,<br />

die die Unterschale 4p mit Elektronen auffüllen. Abb. 3.11 zeigt die Abfolge der besetzten<br />

Untergruppen von Wasserstoff bis Xenon nach ansteigender Energie der<br />

Elektronen.<br />

73


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Schale<br />

Schale<br />

1<br />

1<br />

maximale Anzahl von Elektronen<br />

maximale Anzahl von Elektronen<br />

1·2 3·2 5·2 7·2<br />

1·2 3·2 5·2 7·2<br />

2<br />

2<br />

3<br />

3<br />

4<br />

4<br />

5<br />

5<br />

6<br />

6<br />

7<br />

7<br />

E<br />

E<br />

Schale<br />

Schale<br />

Unterschale<br />

Unterschale s<br />

s<br />

p<br />

p<br />

d<br />

d<br />

5<br />

5<br />

Rb<br />

Rb<br />

Sr<br />

Sr<br />

In Sn Sb Te I Xe<br />

In Sn Sb Te I Xe<br />

Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pa Ag Cd<br />

Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pa Ag Cd<br />

K<br />

K<br />

Ca<br />

Ca<br />

Ga Ge As Se Br Kr<br />

Ga Ge As Se Br Kr<br />

4<br />

4<br />

Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn<br />

Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn<br />

3<br />

3<br />

2<br />

2<br />

Na<br />

Na<br />

Li<br />

Li<br />

Mg<br />

Mg<br />

Be<br />

Be<br />

Al Si P S Cl Ar<br />

Al Si P S Cl Ar<br />

B C N O F Ne<br />

B C N O F Ne<br />

1<br />

1<br />

H<br />

H<br />

He<br />

He<br />

Abb. 3.10 Reihenfolge, in welcher die verschiedenen Unterschalen mit Elektronen aufgefüllt werden<br />

Abb. 3.11 Abfolge der Unterschalen von H bis Xe nach ansteigender Energie. (Die Energie ist nicht<br />

massstäblich aufgetragen)<br />

74


3 A t o m m o d e l l e<br />

I A<br />

VIII A<br />

1 H 2 He<br />

21 Sc 58 Ce 59 Pr 60 Nd 61 Pm 62 Sn 63 Eu 64 Gd 65 Tb 66 Dy 67 Ho 68 Er 69 Tm 70 Yb 71 Lu II A III A IV A V A VI A VII A<br />

3 Li 4 Be 5 B 6 C 7 N 8 O 9 F 10 Ne<br />

11 Na 12 Mg<br />

13 Al 14 Si 15 P 16 S 17 Cl 18 Ar<br />

III B IV B V B VI B VII B VIII VIII VIII I B II B<br />

19 K 20 Ca 22 Ti 23 V 24 Cr 25 Mn 26 Fe 27 Co 28 Ni 29 Cu 30 Zn 31 Ga 32 Ge 33 As 34 Se 35 Br 36 Kr<br />

37 Rb 38 Sr 39 Y<br />

40 Zr 41 Nb 42 Mo 43 Tc 44 Ru 45 Rh 46 Pd 47 Ag 48 Cd 49 In 50 Sn 51 Sb 52 Te 53 I 54 Xe<br />

55 Cs 56 Ba 57 La 72 Hf 73 Ta 74 W 75 Re 76 Os 77 Ir 78 Pt 79 Au 80 Hg 81 Tl 82 Pb 83 Bi 84 Po 85 At 86 Rn<br />

87 Fr 88 Ra 89 Ac 90 Th 91 Pa 92 U 93 Np 94 Pu 95 Am 96 Cm 97 Bk 98 Cf 99 Es 100 Fm 101 Md 102 No 103 Lr 104 Rf 105 Db 106 Sg 107 Bh 108 Hs 109 Mt<br />

s d f d p<br />

Abb. 3.12 Schematische Gliederung des Periodensystems in Unterschalen.<br />

75


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Die Einteilung der Elektronenschalen in Unterschalen spiegelt sich im Aufbau<br />

des Periodensystems wider. Die Hauptgruppen IA und IIA füllen die s-, IIIA<br />

bis VIIIA die p-, die Nebengruppenelemente die d- und die Lanthaniden sowie die<br />

Actiniden die f-Unterschalen. Anders ausgedrückt: Die Elemente der s- und p-Unterschalen<br />

erhalten ihr neues Elektron auf der äussersten, die Elemente der d-Unterschalen<br />

auf der zweitäussersten und die der f-Unterschalen (hier nicht besprochen)<br />

auf der drittäussersten Schale (Abb. 3.12 und Anhang 1).<br />

Die Stellung eines Elements im Periodensystem gibt also zugleich die Elektronenanordnung<br />

(die Elektronenkonfiguration) in seinen Atomen an. Diese wiederum<br />

ist verantwortlich für den periodischen Wechsel der Eigenschaften der Elemente sowie<br />

die Übereinstimmung in den chemischen Eigenschaften untereinanderstehender<br />

Elemente. So erkennt man, dass innerhalb der Perioden der metallische Charakter<br />

der Elemente von links nach rechts abnimmt (vgl. Lithium bis Fluor), während<br />

innerhalb einer Hauptgruppe der Metallcharakter von oben nach unten zunimmt<br />

(Stickstoff bis Bismut). Diese Regelmässigkeiten beruhen darauf, dass innerhalb einer<br />

Periode die Ladung des Atomrumpfs (des Atoms ohne seine Aussenelektronen)<br />

von links nach rechts wächst, weil in dieser Reihenfolge von Element zu Element ein<br />

zusätzliches Proton und damit ein weiteres Aussenelektron hinzukommt, bei gleichzeitiger<br />

Abnahme des Rumpfdurchmessers (stärkere anziehende Kräfte zwischen<br />

Atomkern und Rumpfelektronen). Innerhalb einer Hauptgruppe nimmt die Grösse<br />

des Atomrumpfs bei gleicher Rumpfladung von oben nach unten zu, da die Zahl<br />

der Elektronenschalen in dieser Reihenfolge wächst. Beide Effekte bedingen, dass<br />

die Aussenelektronen der Atome der im Periodensystem links und unten stehenden<br />

Elementen weniger stark an den Atomrumpf gebunden sind. Tatsächlich ist für die<br />

Metallatome das Vorhandensein von schwach gebundenen Aussenelektronen kennzeichnend<br />

(Abschnitt 3.2).<br />

Die Atome der Elemente einer Hauptgruppe haben gleich viele Elektronen in<br />

der äussersten Schale und deshalb ähnliche chemische Eigenschaften.<br />

– Atomrumpf: Atom ohne die äusserste Schale. Die Hauptgruppennummer entspricht<br />

der Rumpfladung. Generell nimmt der Rumpfdurchmesser in einer Periode<br />

von links nach rechts ab und innerhalb einer Hauptgruppe von oben nach<br />

unten zu.<br />

– Periode: Die Periodennummer entspricht der Anzahl Elektronenschalen.<br />

– Metallatome: kleine Rumpfladung und grosser Rumpfdurchmesser.<br />

– Nichtmetallatome: grosse Rumpfladung und kleiner Rumpfdurchmesser.<br />

76


3 A t o m m o d e l l e<br />

Die Hauptgruppen des Periodensystems<br />

Alkalimetalle<br />

Die Metalle Lithium (Li), Natrium (Na), Kalium (K), Rubidium (Rb), Caesium<br />

(Cs) und Francium (Fr) bilden eine Elementgruppe von sehr einheitlichem<br />

Charakter. Es sind leichte, weiche, relativ niedrig schmelzende Metalle (Caesium<br />

mit t m = 28,5 °C, Lithium mit t m = 181 °C), die an der Luft schnell anlaufen und unter<br />

Petroleum oder einem inerten (reaktionsträgen) Gas aufbewahrt werden müssen.<br />

Alle Alkalimetalle sind sehr reaktionsfähig, wobei die Reaktionsfähigkeit vom Lithium<br />

zum Caesium zunimmt. So reagieren sie heftig mit Wasser (Kalium, Rubidium<br />

und Caesium unter Feuererscheinung), wobei sie salzartige, in Wasser leicht lösliche<br />

Hydroxide (MOH, M für Metall) bilden. Deren Lösungen sind schlüpfrig anzufühlen,<br />

brennen in den Augen, haben einen unangenehmen scharfen Geschmack<br />

und verfärben bestimmte Farbstoffe auf charakteristische Weise. Man bezeichnet<br />

dieses Verhalten der Lösungen als alkalische Reaktion (Abschnitt 9.1). Alle Alkalimetalle<br />

treten in der Natur nicht elementar auf. Man gewinnt sie durch Elektrolyse<br />

geschmolzener Salze. Die Elementgruppe hat ihren Namen von der leichten Bildung<br />

alkalischer Lösungen erhalten.<br />

Erdalkalimetalle<br />

Beryllium (Be), Magnesium (Mg), Calcium (Ca), Strontium (Sr), Barium (Ba)<br />

und Radium (Ra) sind härter, spezifisch schwerer und weniger reaktionsfähig als die<br />

Alkalimetalle. Beryllium (im Edelstein Beryll enthalten) und Magnesium bedecken<br />

sich an der Luft mit einer dünnen, kompakten Oxidschicht (eine Verbindung aus<br />

dem Metall und dem Sauerstoff der Luft). Calcium und die schwereren Erdalkalimetalle<br />

reagieren stärker mit Sauerstoff, jedoch nicht so rasch wie die benachbarten Alkalimetalle.<br />

Immerhin muss Barium unter Petroleum aufbewahrt werden. Sie bilden<br />

mit Wasser ebenfalls salzartige Hydroxide der Zusammensetzung M(OH) 2 . Die Reaktion<br />

ist jedoch weit weniger heftig als beim entsprechenden Alkalimetall und die<br />

Hydroxide lösen sich [mit Ausnahme des mässig gut löslichen Ba(OH) 2 ] nur wenig<br />

in Wasser. Ihr Name stammt von den Sauerstoffverbindungen, erdigen, pulvrigen,<br />

schwerschmelzbaren Substanzen. In der Natur treten die Erdalkalimetalle ebenfalls<br />

nicht elementar auf. Magnesium und Beryllium sind wichtige Leichtmetalle.<br />

Erdmetalle<br />

Von den Metallen dieser Gruppe [Bor (B), Aluminium (Al), Gallium (Ga),<br />

Indium (In) und Thallium (Tl)] besitzt nur das Aluminium als Werkstoff grosse Bedeutung.<br />

Es ist an sich ein ziemlich reaktionsfähiges Metall, das aber durch eine<br />

kompakte Oxidschicht gegen den Angriff anderer Stoffe (Sauerstoff, Säuren) weitgehend<br />

geschützt ist. Aluminium kommt in der Natur nicht elementar vor und wird<br />

77


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

durch Elektrolyse einer Schmelze von Aluminiumoxid (Al 2 O 3 ) gewonnen. Als dritthäufigstes<br />

Element der Erdkruste spielt Aluminium für die Chemie der Gesteine<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Kohlenstoff/Silicium-Gruppe<br />

Dazu gehören die Elemente Kohlenstoff (C), Silicium (Si), Germanium (Ge),<br />

Zinn (Sn) und Blei (Pb). Nur Kohlenstoff kommt elementar in der Natur vor (als Diamant<br />

und Graphit; Abschnitt 4.5). Alle übrigen Elemente der Gruppe müssen aus<br />

Verbindungen gewonnen werden. Kohlenstoff und Silicium nehmen innerhalb der<br />

gesamten Chemie eine Sonderstellung ein. Kohlenstoff als Element der organischen<br />

Verbindungen und Silicium (zusammen mit Sauerstoff) als wichtigstes gesteinsbildendes<br />

Element. Silicium und Germanium sind Halbmetalle (Metallglanz, spröde;<br />

geringe, mit wachsender Temperatur zunehmende Leitfähigkeit. Zinn und Blei sind<br />

typische Metalle. Das Germanium, ein seltenes Element, hat wie Silicium als Halbleiter<br />

für die Elektronik Bedeutung bekommen (Abschnitt 7.4).<br />

Stickstoff/Phosphor-Gruppe<br />

Auch bei den Elementen Stickstoff (N), Phosphor (P), Arsen (As), Antimon<br />

(Sb) und Bismut (Bi) nimmt der metallische Charakter der Elemente vom Stickstoff<br />

(Nichtmetall, reaktionsträges Gas) zum Bismut (typisches Metall) sehr deutlich<br />

zu. Arsen ist ein Halbmetall, Antimon ein sehr sprödes, schlecht leitendes Metall.<br />

Als einziges Element dieser Gruppe tritt Phosphor nicht elementar in der Natur<br />

auf. Phosphor existiert wie Kohlenstoff in verschiedenen Formen, die sich in ihren<br />

Eigenschaften stark unterscheiden. Auch Arsen kommt in zwei Formen vor, einer<br />

metallähnlichen grauen und einer nichtmetallischen gelben Form. Die flüchtigen<br />

Oxide N 2 O 5 und P 4 O 10 ergeben mit Wasser Säuren (Salpetersäure, HNO 3 ; Abschnitt<br />

8.5 und Phosphorsäure, H 3 PO 4 ; Abschnitt 9.2). Auch Arsen und Antimon bilden<br />

(instabile) Säuren. Bekannt ist das giftige Arsenik (As 2 O 3 ).<br />

Chalkogene<br />

Zu dieser Gruppe gehören Sauerstoff (O), Schwefel (S), Selen (Se), Tellur (Te)<br />

und Polonium (Po). Auf die Nichtmetalle Sauerstoff und Schwefel folgen auch hier<br />

ein Halbmetall (Selen; existiert auch in einer nichtmetallischen roten Form) sowie<br />

die Metalle Tellur und Pollonium. Viele Metallverbindungen von Schwefel und Sauerstoff<br />

treten in der Natur als Mineralien auf und sind wichtige Erze (chalkos gr.<br />

= Erz, gennan gr. = bilden). Oxide (XO 2 und XO 3 ) und Wasserstoffverbindungen<br />

(H 2 X) sind flüchtige Stoffe. Manche Oxide bilden mit Wasser Säuren. So entsteht<br />

Schwefelsäure (H 2 SO 4 ) aus SO 3 und Wasser (Kapitel 9).<br />

78


3 A t o m m o d e l l e<br />

Halogene<br />

Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Iod (I) und Astat (At). Fluor (gelbliches<br />

Gas), Chlor (gelbgrünes Gas), Brom (rotbraune, niedrig siedende Flüssigkeit, bildet<br />

sehr unangenehm riechende rotbraune Dämpfe) und Iod (blauschwarze, metallisch<br />

glänzende Schuppen; sublimiert leicht zu violettem Dampf) zeigen untereinander<br />

stärkere Ähnlichkeiten als die Elemente der meisten anderen Gruppen. Es sind alles<br />

reaktionsfähige Stoffe, vor allem Fluor. Viele Metalle verbrennen in Fluor- oder<br />

Chlorgas heftig. Mit den meisten Metallen bilden die Halogene typische Salze (hals<br />

gr. = Salz, gennan gr. = bilden). Die Oxide sind im allgemeinen ziemlich unbeständige,<br />

flüchtige Verbindungen. Die (gasförmigen) Halogenwasserstoffverbindungen<br />

HX lösen sich gut in Wasser und reagieren als Säuren (Kapitel 9). Kein Halogen tritt<br />

elementar in der Natur auf. Fluor und Chlor gewinnt man durch Elektrolyse.<br />

Edelgase<br />

Die Edelgase Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ar), Krypton (Kr), Xenon (Xe)<br />

und Radon (Rn) sind in ihren Eigenschaften alle sehr ähnlich. Sie wurden erst nach<br />

der Aufstellung des Periodensystems entdeckt. Sie ordnen sich aber ihrem Atombau<br />

entsprechend sehr gut zwischen die Halogene und die Alkalimetalle ein. Sie kommen<br />

in sehr geringen Mengen in der Luft vor (Argon, das häufigste Edelgas, macht<br />

ungefähr 0,95 Vol-% aus) und haben heute zum Teil in der Beleuchtungstechnik<br />

Verwendung gefunden. Lange Zeit glaubte man, es würden keine chemischen Verbindungen<br />

der Edelgas existieren (ihre Atome treten als einzelne, freie Teilchen auf<br />

und bilden keine Moleküle). Erst 1962 wurden echte Verbindungen von Xenon und<br />

später auch von Krypton hergestellt (z.B. XeF 4 , XeO 3 ).<br />

Übergangsmetalle<br />

Die Übergangsmetalle (Elemente 21-30, 39-48, 57-80 und 89-103) sind keine<br />

Elementgruppe, sondern gehören als Nebengruppen zu den besprochenen Hauptgruppen.<br />

So bilden z.B. Kupfer, Silber und Gold die Nebengruppe IB, Zink, Cadmium<br />

und Quecksilber die Nebengruppe IIB usw. Bei ihnen werden die nicht vollständig<br />

besetzten zweit- oder drittäussersten Schalen mit Elektronen aufgefüllt, während<br />

die Zahl der Elektronen in der äussersten Schale bei fast allen Übergangsmetallen<br />

konstant bleibt. Aus diesen Gründen zeigen diese Elemente doch gewisse gemeinsame<br />

Merkmale: Metallcharakter, bilden viele farbige Salze und Verbindungen und<br />

bei den meisten wirken auch die zusätzlichen Elektronen der zweiäussersten Schale<br />

neben den beiden äussersten Elektronen als Valenzelektronen. Viele Übergangsmetalle<br />

haben als Werk- oder Schmuckmetalle grosse Bedeutung.<br />

79


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

3 . 5 E x k u r s : E l e k t r o n e n a l s s t e h e n d e W e l l e n<br />

Mit Hilfe des Kathodenstrahlrohrs lassen sich Masse und Ladung eines Elektrons<br />

bestimmen (Abschnitt 2.3). Somit ist es gerechtfertigt, Elektronen als Teilchen<br />

zu betrachten. Nun zeigen Elektronen aber auch Welleneigenschaften wie das Licht,<br />

indem sie beim Durchdringen von Spalten, Löchern usw. ein Beugungsmuster erzeugen<br />

(Abb. 3.7).<br />

Leitet man einen Sonnenstrahl durch ein Prisma, so erscheint auf einer dahinter<br />

liegenden weissen Fläche ein kontinuierliches Spektrum, das alle Farben von<br />

Rot über Gelb, Grün, Blau bis Violett enthält (Abb. 3.13). Jede Farbe entspricht einer<br />

bestimmten Energie, die mit der Wellenlänge λ bzw. der Frequenz f des sichtbaren<br />

Lichts, einem Teil der elektromagnetischen Wellen, verknüpft ist. Das Sonnenlicht<br />

enthält also alle sichtbaren Wellenlängen.<br />

Tabelle 3.6 Farbe, Wellenlänge, Frequenz 3 und Photonenenergie 4<br />

des sichtbaren Lichts<br />

Absorbiertes Licht Wellenlänge Photonenenergie Beobachtete Farbe<br />

Farbe (nm) (10 –22 kJ)<br />

Violett 400–435 4,97–4,57 gelbgrün<br />

Blau 435–480 4,57–4,14 gelb<br />

Grünblau 480–490 4,14–4,05 orange<br />

Blaugrün 490–500 4,05–3,97 rot<br />

Grün 500–560 3,97–3,55 purpur<br />

Gelbgrün 560–580 3,55–3,24 violett<br />

Gelb 580–595 3,42–3,34 blau<br />

Orange 595–605 3,34–3,28 grünblau<br />

Rot 605–750 3,28–2,65 blaugrün<br />

Führt man Wasserstoffgas, das in einer Glasröhre eingeschlossen ist, Energie<br />

durch elektrischen Strom zu, so beginnt das Gas zu leuchten, es sendet Licht aus<br />

(Abb. 3.15). Mit Hilfe eines Prismas ergibt sich, ähnlich wie beim Sonnenlicht, ein<br />

Spektrum, das jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Spektralfarben enthält. Es ist<br />

ein Linienspektrum entstanden (Abb. 3.16).<br />

3<br />

Frequenz: Anzahl Schwingungen pro Zeiteinheit [Zeichen f, Einheit Hz (Hertz)].<br />

4 Photon: «Lichtteilchen». Wie für die Elektronen gilt auch für das Licht der Welle/Teilchen-Dualismus. Licht zeigt bei<br />

gewissen Experimenten Teilcheneigenschaften.<br />

80


3 A t o m m o d e l l e<br />

Strahlungsquellen f [Hz] λ[m]<br />

Strahlungsart<br />

Objekte im Vergleich zur<br />

Wellenlänge der Strahlung<br />

RADIO UND FERNSEHEN<br />

MIKROWELLE<br />

GLÜHLAMPEN UND LASER<br />

SYNCHROTRON-<br />

STRAHLUNG<br />

RÖNTGENRÖHREN<br />

TEILCHEN-<br />

BESCHLEUNIGER<br />

RADIOAKTIVE<br />

QUELLEN<br />

10 5<br />

10 3<br />

10 7<br />

10 1<br />

10 9<br />

10 -1<br />

10 11<br />

10 -3<br />

10 13<br />

10 -5<br />

10 15<br />

10 -7<br />

10 17<br />

10 -9<br />

10 19<br />

10 -11<br />

10 20<br />

10 -13<br />

10 21 10 -15<br />

INFRAROT RADIOWELLEN<br />

SICHTBARES<br />

LICHT<br />

ULTRAVIOLETT<br />

HARTE RÖNTGENSTRAHLEN<br />

WEICHE RÖNTGENSTRAHLEN MIKROWELLEN<br />

GAMMASTRAHLEN<br />

HAUS<br />

BIENE<br />

PROTEIN<br />

ATOM<br />

PROTON<br />

TASSE<br />

ZELLE<br />

VIRUS<br />

MOLEKÜL<br />

ATOMKERN<br />

QUARKS<br />

Abb. 3.13 Kontinuierliches Spektrum von weissem Licht<br />

Abb. 3.14 Einteilung der elektromagnetischen Strahlen. Je grösser die Frequenz bzw. je kürzer die<br />

Wellenlänge ist, desto energiereicher ist die Strahlung<br />

81


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

In einer Glasröhre befindet sich elementarer Wasserstoff, der durch Elektronen<br />

zum Leuchten angeregt wird. Die Elektronen, die sich von der Kathode ablösen,<br />

stossen auf dem Weg zur Anode früher oder später mit Wasserstoff-Atomen zusammen<br />

und übertragen dabei ihre Energie auf deren Elektronen. Diese gehen dadurch<br />

in einen energiereicheren Zustand über. Nach der Energieaufnahme fallen die Elektronen<br />

in den ursprünglichen, energieärmeren Zustand zurück und geben dabei die<br />

aufgenommene Energie wieder ab (Emission). Die beobachteten Farblinien zeigen,<br />

dass die Abgabe der Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung erfolgt, deren<br />

Wellenlänge im sichtbaren Bereich liegt. Da nur einige wenige, scharf begrenzte<br />

Farblinien ganz bestimmter Energien zu beobachten sind, muss angenommen<br />

werden, dass die Elektronen der Wasserstoffatome nur ganz bestimmte (diskrete)<br />

Energiezustände (Energiestufen, Energieniveaus) einnehmen können. Deren Differenzen<br />

erscheinen dann beim Zurückfallen der Elektronen dem menschlichen Auge<br />

als Farben. Jedes angeregte Elektron sendet also beim Übergang in ein tieferes Energieniveau<br />

eine elektromagnetische Strahlung bestimmter Energie (Farbe) aus. Die<br />

Energie der Strahlung (die Farbe) entspricht damit der Differenz zwischen einem<br />

energiereicheren und energieärmeren Elektronenzustand (Abb. 3.17).<br />

Abb. 3.15 Wasserstoffröhre<br />

Abb. 3.16 Linienspektrum des Wasserstofflichts<br />

82


3 A t o m m o d e l l e<br />

angeregter Zustand<br />

angeregter Zustand<br />

el. Energie<br />

e -<br />

Grundzustand<br />

Grundzustand<br />

n=5<br />

λ= 2L 5<br />

angeregte<br />

Zustände<br />

n=4<br />

λ= 2L 4<br />

e - Photon Energieunterschied<br />

Energieunterschiede<br />

Grundzustand<br />

n=3<br />

λ= 2L 3<br />

n=5<br />

λ= 2L 5<br />

n=2<br />

λ= 2L 2<br />

n=4<br />

λ= 2L 4<br />

n=1 λ= 2L 1<br />

n=3<br />

λ= 2L 3<br />

L<br />

Abb. 3.17 Grundzustand und angeregte Zustände von Wasserstoffatomen<br />

Abb. 3.18 Schwingungszustände einer Feder und Wellenlängen (λ) der möglichen Eigenschwingungen. n<br />

entspricht der Nummer des betreffenden Schwingungszustands. Die Wellenlänge beträgt λ = 2L , wobei<br />

n<br />

n=2 λ= 2L L die Länge der Feder ist.<br />

2<br />

83


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

700<br />

650 600 550 500<br />

450<br />

400<br />

Kontinuierliches Prismenspektrum<br />

700 650 600 550 500<br />

450<br />

400<br />

Emissionsspektrum des Natriums<br />

700 650 600 550 500<br />

450<br />

400<br />

Emissionsspektrum des Quecksilbers<br />

700 650 600 550 500<br />

450<br />

400<br />

Emissionsspektrum des Wasserstoffs<br />

700 650 600 550 500<br />

450<br />

400<br />

Emissionsspektrum des Heliums<br />

700 650 600 550 500<br />

450<br />

400<br />

Emissionsspektrum des Neons<br />

Abb. 3.19 Emissionsspektren einiger gasförmiger elementarer Stoffe (Zahlenangaben in nm. 1 nm = 10 –9 m)<br />

84


3 A t o m m o d e l l e<br />

Welche Erklärung gibt es für die beim Wasserstoff beobachteten Phänomene?<br />

Es ist bekannt, dass schwingungsfähige Systeme, wie z.B. die Saite eines Streichinstruments<br />

oder eine zwischen zwei Stativen eingespannte Feder, nur ganz bestimmte<br />

stehende Wellen ausbilden kann (Abb. 3.18).<br />

Überträgt man die Vorstellung einer stehenden Welle auf das Wasserstoffelektron,<br />

so würde dies bedeuten, dass das System Proton/Elektron nur ganz bestimmte<br />

Schwingungszustände besitzt. Die Anregung eines Elektrons führt nun<br />

dazu, dass die stehende Elektronenwelle einen höheren Schwingungszustand (Energiezustand)<br />

erreicht. Der Übergang von diesem Zustand in einen energieärmeren<br />

erfolgt durch die Abgabe von elektromagnetischer Strahlung, deren Energie der<br />

Differenz zweier Schwingungszustände entspricht. Da nur ganz bestimmte Farben<br />

beobachtet werden (Linienspektrum), muss man annehmen, dass die diskreten<br />

Schwingungszustände einer Elektronenwelle jeweils eine ganz bestimmte (diskrete)<br />

Energie besitzen. Das Elektron im Wasserstoffatom lässt sich folglich mit einer stehenden<br />

Welle vergleichen, deren verschiedene Schwingungszustände diskreten Energien<br />

entsprechen.<br />

Auch die Gase anderer elementarer Stoffe zeigen solche Linienspektren<br />

(Emissionsspektren), die für die betreffenden Elemente charakteristisch sind, da deren<br />

Atome jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Elektronen und Protonen besitzen<br />

(Abb. 3.19).<br />

Dass Elektronen tatsächlich Welleneigenschaften besitzen, lässt sich anschaulich<br />

mit einer Elektronenbeugungsröhre zeigen (Abb. 3.20). Aus einer Glühkathode<br />

gelangen in einer Glasröhre Elektronen zur Anode, in deren Mitte sich eine dünne<br />

Aluminiumfolie befindet. Die Elektronen, die durch diese Folie hindurch fliegen,<br />

treffen am Ende der Röhre, in der ein Vakuum herrscht, auf eine Leuchtschicht.<br />

Abb. 3.20 Elektronenbeugungsröhre<br />

Abb. 3.21 Beugung von Elektronen an einer Aluminiumfolie<br />

85


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

Auf der Leuchtschicht sind um einen hellen, zentralen Flecken konzentrische<br />

helle und dunkle Kreise zu beobachten (Abb. 3.21). Als Erklärung für die Abfolge<br />

hell-dunkel-hell etc. bieten sich die Überlagerung von Wellen an, die sich sowohl<br />

verstärken (hell) als auch auslöschen (dunkel) können. Mit einer Teilchenvorstellung<br />

lässt sich das entstandene (Beugungs-) Muster nicht verstehen. Teilchen können<br />

sich weder verstärken noch auslöschen!<br />

Für das Wasserstoffatom kann man zu den verschiedenen möglichen Energiezuständen<br />

(Elektronenschalen) des Elektrons Wellenfunktionen aufstellen, deren<br />

Anzahl mit steigender Elektronenschale zunimmt (Abb. 3.22). Diese Einelektronenwellenfunktionen<br />

heissen Orbitale. Damit berechnet man die Energien sowie die<br />

Räume (Unterschalen) des Elektrons, in denen es sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit,<br />

z.B. 90 %, aufhält (Elektronenwolke, Aufenthaltsraum; Abschnitt 3.3).<br />

Ab der Energiestufe 2, der zweiten Schale, nimmt die Anzahl verschiedenartiger<br />

Wellenfunktionen zu. Sie entsprechen den bereits bei den höheren Atomen kennengelernten<br />

Unterschalen (Abschnitt 3.4). Da es sich beim Wasserstoff-Atom nur um<br />

ein Elektron handelt, sind die Funktionsenergien innerhalb einer Schale gleich (entartet).<br />

Die Wellenfunktionen werden entsprechend ihrer räumlichen Gestalt mit<br />

E[eV]<br />

4 16<br />

3 9<br />

2 4<br />

-13.6<br />

1 1<br />

s p d f<br />

Hauptquantenzahl n<br />

(Nummer des Energiezustands)<br />

Anzahl Wellenfunktionen<br />

Abb. 3.22 Mögliche Wellenfunktionen (Energiezustände) eines Elektrons im Wasserstoff-Atom<br />

86


3 A t o m m o d e l l e<br />

s (für jeden Energiezustand eine Wellenfunktion), p (je drei Wellenfunktionen), d<br />

(je fünf Wellenfunktionen) und f (je sieben Wellenfunktionen) bezeichnet (Abschnitt<br />

3.4).<br />

Die Überlegungen und Berechnungen zum Wasserstoffatom lassen sich auf<br />

alle anderen Atome übertragen. Zu diesem Zweck nimmt man ein Elektron aus<br />

der Gesamtheit aller Elektronen heraus und sucht dafür die Wellenfunktion in Abhängigkeit<br />

vom Atomkern und den restlichen Elektronen. So gelingt es, für jedes<br />

Elektron eines höheren Atoms eine Wellenfunktion zu finden. Mit diesen wiederum<br />

kann die allgemeine energetische Abfolge der Orbitale erhalten werden.<br />

Vergleicht man die energetische Abfolge der Wellenfunktionen des Wasserstoff-Atoms<br />

mit derjenigen von höheren Atomen, so fällt Folgendes auf (Abb. 3.23):<br />

– In den Elektronenhüllen höherer Atome ist innerhalb einer Schale die Energie<br />

der s-, p-, d- und f-Wellenfunktionen verschieden. Sie sind nicht mehr, wie beim<br />

Wasserstoff-Atom, entartet, da die Atome mehr Protonen und damit eine grössere<br />

Elektronenzahl aufweisen.<br />

– Die Wellenfunktionen einer bestimmten Schale können energiereicher sein als<br />

die einer höheren Schale.<br />

E<br />

7p<br />

6d<br />

5f<br />

7s<br />

6p<br />

5d<br />

4f<br />

6s<br />

5p<br />

4d<br />

5s<br />

4p<br />

3d<br />

4s<br />

3p<br />

3s<br />

2p<br />

2s<br />

1s<br />

Abb. 3.23 Energie der Orbitale in der Elektronenhülle eines Atoms (nicht massstäblich). Jedes Orbital<br />

wird mit einem Strich dargestellt. Von unten nach oben nimmt die Energie zu<br />

87


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

So ist z.B. die 3d Unterschale energiereicher als 4s, oder 4f energiereicher<br />

als 5p und 6s! Diese Werte sind jedoch allgemeiner Art. Wie bereits im Abschnitt<br />

3.4 ausgeführt, ändern sich die Energien der Orbitale und damit der Unterschalen,<br />

wenn sie mit Elektronen besetzt werden. Die Energie von 3d liegt unter 4s, wenn<br />

diese mit zwei Elektronen gefüllt ist.<br />

Für die Elemente 21 bis 30 (Scandium bis Zink) bleibt also die energiereiche<br />

gefüllte 4s Unterschale bestehen, während die energieärmere 3d-Unterschale mit<br />

Elektronen gefüllt wird. Entsprechendes gilt für die 4f Unterschale, deren Energie<br />

erst dann tiefer als die von 5p und 6s liegt, wenn diese mit Elektronen vollständig<br />

besetzt sind.<br />

Die aus der Theorie gewonnenen Wellenfunktionen für höhere Atome spiegeln<br />

sich im Aufbau des Periodensystems wider. Die Ziffer der Wellenfunktion ist<br />

identisch mit der Nummer der Elektronenschale, die kleinen Buchstaben s, p, d und<br />

f sind mit den Unterschalen gleichzusetzen. Da nach dem Pauli-Prinzip für jede<br />

Elektronenwolke maximal zwei Elektronen möglich sind, entspricht die maximale<br />

Elektronenzahl der doppelten Anzahl Wellenfunktionen.<br />

Schale<br />

Beispiel: 3. und 4. Elektronenschale:<br />

Unterschale<br />

s p d f Total<br />

Wellen- Elekt- Wellen- Elekt- Wellen- Elekt- Wellen- Elekt- Wellen- Elektfunktio-<br />

ronen funktio- ronen funktio- ronen funktio- ronen funktio- ronen<br />

nen nen nen nen nen<br />

3 1 2 3 6 5 10 9 18<br />

4 1 2 3 6 5 10 7 14 16 32<br />

– Elektronen haben sowohl Teilchen- (Kathodenstrahlrohr) wie auch Welleneigenschaften<br />

(Linienspektren; Elektronenbeugungsröhre).<br />

– Einelektronenwellenfunktionen (Orbitale) beschreiben ein Elektron als dreidimensionale<br />

stehende Welle um einen Atomkern. Die Energien der Orbitale lassen<br />

sich allgemein berechnen (theoretische Werte).<br />

– Die (theoretischen) Energiewerte der Unterschalen d und f ändern sich, wenn<br />

die energiereicheren s- und p-Unterschalen mit Elektronen gefüllt sind.<br />

– Die Elemente der Hauptgruppen IA und IIA füllen die s-, IIIA bis VIIIA die p-,<br />

die Nebengruppemelemente die d- und die Lanthaniden bzw. die Actiniden die<br />

f-Unterschalen auf (Abb. 3.12).<br />

88


3 A t o m m o d e l l e<br />

Ü B U N G E N Z U M K A P I T E L 3<br />

3.1 Welchen Radius würde eine Kugel besitzen, wenn man alle Atomkerne eines Menschen<br />

(Masse: 70 kg) dicht zusammenpacken könnte? (Annahme: Dichte eines Menschen:<br />

ρ = 1 g/cm 3 )<br />

3.2 Nehmen Sie das Periodensystem und die Tabelle mit den Ionisierungsenergien zu<br />

Hilfe (Tab. 3.1) und beantworten Sie folgende Fragen (begründen Sie Ihre Antworten<br />

mit Zahlen aus der Tabelle mit den Ionisierungsenergien):<br />

a) Weshalb stehen die Elemente Lithium, Natrium und Kalium in der Hauptgruppe<br />

IA?<br />

b) Welche Gemeinsamkeiten haben die Elemente der 3. Periode?<br />

c) Worin unterscheiden sich die metallischen von den nichtmetallischen Elementen?<br />

3.3 Warum ist die erste Ionisierungsenergie von Bor grösser als diejenige von Aluminium?<br />

3.4 Gegeben ist der Verlauf der Ionisierungsenergien von Natrium.<br />

Geben Sie zu den mit a) und b) bezeichneten Verläufen eine Erklärung.<br />

Ionisierungsenergien von Natrium<br />

1800<br />

1600<br />

1400<br />

Ionisierungsenergie [eV]<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

b)<br />

200<br />

a)<br />

0<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11<br />

Elektron Nr.<br />

3.5 Wie viele Aussenelektronen bzw. Elektronenschalen haben die folgenden Ionen<br />

(elektrisch geladene Teilchen)?<br />

Ga 3+ ; S 2–<br />

3.6 Spaltet man (in Gedanken) einem Atom die äusserste Schale ab, so erhält man den<br />

Atomrumpf.<br />

a) Welche Ladungen haben die Atomrümpfe der Elemente in der 2. Periode?<br />

b) Wie verändert sich der Durchmesser der Atomrümpfe (von Element zu Element)<br />

innerhalb der 2. Periode (Begründung)?<br />

c) Welche Atomrümpfe der Elemente der 2. Periode ziehen Elektronen stark, welche<br />

schwach an (Begründung mit Rumpfgrösse und Rumpfladung)?<br />

89


B a s i s w i s s e n C h e m i e<br />

3.7 Begründen Sie (mit Rumpfladung und Rumpfgrösse), weshalb innerhalb der 2. Periode<br />

die Elektronegativität von links nach rechts zunimmt und in der VI. Hauptgruppe<br />

von oben nach unten abnimmt.<br />

3.8 Reagieren die beiden Elemente Natrium und Chlor miteinander, so gibt ein Natriumatom<br />

ein Elektron ab, das von einem Chloratom aufgenommen wird. Welche<br />

Teilchen liegen nach der Reaktion vor?<br />

3.9 Welche Gemeinsamkeiten haben die folgenden Teilchen:<br />

Ar und K +<br />

Fe und Ni<br />

27 Al und 28 Si<br />

3.10 Weshalb stehen innerhalb der 4. Periode die Metalle links und die Nichtmetalle<br />

rechts. Erklären Sie diese Tatsache anhand des Atombaus.<br />

3.11 Warum befinden sich in der Hauptgruppe IVA oben ein Nichtmetall, in der Mitte<br />

Halbmetalle, unten Metalle?<br />

3.12 Wie lässt sich experimentell zeigen, dass ein schwingungsfähiges System nur ganz<br />

bestimmte (diskrete) Schwingungszustände besitzen kann?<br />

3.13 Beugung ist eine Erscheinung, die sich mit dem Wellenmodell erklären lässt.<br />

a) Skizzieren Sie einen Versuch, mit dem sich Beugung experimentell zeigen lässt.<br />

b) Erklären Sie das Zustandekommen des Beugungsmusters.<br />

3.14 Elektronen besitzen Welleneigenschaften. Wie liesse sich diese Aussage experimentell<br />

überprüfen (Art der Experimente; Erklärung der zu beobachtenden Phänomene)?<br />

3.15 Das Elektron im Wasserstoffatom wird modellhaft mit einer stehenden Materiewelle<br />

beschrieben. Geben Sie in kurzen Stichworten die experimentellen Grundlagen<br />

an (Versuch und Interpretation), die zu dieser Modellvorstellung geführt haben.<br />

3.16 Welche Art von Spektrum ist zu sehen, wenn man Helium zum Leuchten anregt?<br />

Warum genügt zur Interpretation dieses Spektrums das Teilchenmodell für Elektronen<br />

nicht?<br />

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