Leseprobe - Delius Klasing
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15<br />
Die Jahre 1918–1930<br />
Die politischen Wirren der Nachkriegsjahre brachten<br />
eine wirtschaftlich schwierige Zeit für Unternehmer<br />
und Mitarbeiter. Die steigende Inflation<br />
verschärfte die Situation zusätzlich.<br />
1923 kam es zu einem Streik beim „Stuttgarter Karosseriewerk<br />
Reutter & Co.“, den auch die Kunden<br />
zu spüren bekamen, die seither in Bezug auf Liefertreue<br />
verwöhnt waren.<br />
Nach anfänglicher Produktion von Zimmer- und<br />
Küchenschränken – um Holzarbeitern und Lackierern<br />
eine Arbeit zu geben – konnte man durch den<br />
Eingang von Reparaturaufträgen langsam zum ursprünglichen<br />
Unternehmenszweck, dem Karosseriebau,<br />
zurückkehren.<br />
Eine über mehrere Jahre sichere Einnahmequelle<br />
brachten die Aufträge der belgischen Firma<br />
„Doyen & Fis“, die Limousinen und Phaeton auf<br />
Fahrgestellen der Daimler-Motorengesellschaft<br />
bauen ließen.<br />
Das tragende Element der Karosserien blieb noch<br />
für längere Zeit Holz, die Holz-Grundgerippe wurden<br />
jedoch immer häufiger mit Blech beplankt.<br />
Als besonders fortschrittlich galt die „Weymann-<br />
Karosserie“ – von Charles Torrés Weymann in<br />
Paris entwickelt – deren Holzgerippe mit einer<br />
von einem Drahtgeflecht gehaltenen Wattierung<br />
gepolstert und mit Kunstleder bespannt wurde.<br />
Auch das „Stuttgarter Karosseriewerk Reutter<br />
& Co.“ hatte 1924 eine Lizenz von Weymann erworben<br />
und begab sich mit der Herstellung dieser<br />
Karosserien auf das Gebiet der preiswerteren<br />
Serienfertigung. Diese Karosseriebauart hielt sich<br />
relativ lange; grundsätzlich setzte sich aber die in<br />
der Herstellung günstigere Blechverkleidung immer<br />
mehr durch, da sie wesentlich bessere Eigenschaften<br />
bot.<br />
Diese Entwicklung veränderte nicht nur die Karosserien<br />
der Autos, sondern auch die personelle und<br />
maschinelle Zusammensetzung in den Karosseriewerken.<br />
So war die Firma Reutter gezwungen<br />
diesen Wandel mitzugehen. „Auch im technischen<br />
Büro waren früher im Wesentlichen ,Holzwürmer‘<br />
tätig gewesen, meist gelernte Stellmacher. (...) Sie<br />
dachten in Holz, und sie konstruierten in Holz, sie<br />
kannten diesen Werkstoff mit all seinen guten und<br />
schlechten Eigenschaften. (...) Nun kam der neue,<br />
für sie tote Werkstoff Stahl, von dem sie nichts ver<br />
Hauptkunden der<br />
1920er-Jahre waren die<br />
Daimler-Motoren-Gesellschaft,<br />
Benz & Cie.<br />
und nach Fusion ab<br />
1926 die neue Daimler-<br />
Benz AG. Zeichnung<br />
Nr. 2416: Mercedes<br />
Sport-Phaeton.