Leseprobe - Delius Klasing
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Einleitung 9<br />
Mitarbeiterzeitschrift<br />
„Reutter Spiegel“<br />
(Ende 1955).<br />
Wir eilten hin und hörten, dass die Fundamente im<br />
Blechlager unter der Last des Materials eingebrochen<br />
seien. Der zuständige Meister war gerade mithilfe<br />
eines Kranes daran, die Bleche aus dem beacht lichen<br />
Einbruchstrichter zu zerren. Er meinte so etwas<br />
müsste gerade passieren, wo das Blech knapp sei.<br />
Wir kamen ins Lager. Zwei liebenswürdige Damen<br />
empfingen uns ganz in weiß mit einer Tasse Kaffee.<br />
(…) Der Lagerverwalter verhandelte gerade am Telefon<br />
wegen dringend benötigten Personals. Zwischendurch<br />
meinte er, bei ihm stimme alles, und falls etwas<br />
nicht stimme, sei nur der Einkauf schuldig.<br />
Zufällig machten wir auch gleich die Bekanntschaft<br />
des Chefkontrolleurs, der gerade die Eingänge vom<br />
Jahre 53 einer genauen Durchsicht unterzog.<br />
Wir kamen in die Sattlerei und beteiligten uns an<br />
dem beliebten Spiel der Farbeinteilung für Leder und<br />
Kunstleder. Nach längerem Hinsehen wussten wir<br />
auch nicht mehr, ob es sich um graues, grünes oder<br />
rötliches Leder handelt.<br />
Um gleich bei den Farben zu bleiben – in der Lackiererei<br />
empfing uns der Lackiermeister. Seine liebenswürdige<br />
Führung wurde unterbrochen durch einen<br />
Telefonanruf – „die Stimme meines Herrn“, meinte<br />
er lächelnd und nahm sein Hörgerät aus dem Ohr.<br />
Ein sehr geschäftiger und flinker Meister brauste auf<br />
und vorüber, wie wir hörten, war er für den Rohbau<br />
zuständig, während der Meister der Endmontage<br />
die ständig fehlenden 50% Zubehörteile suchte. (…)<br />
Ein sehr aufgeschlossener Herr der AVO zählte gerade<br />
noch die Schrauben der Karosserie und meinte,<br />
wenn er eine Schreibkraft kriege, würde noch in diesem<br />
Jahr mit einer Stückliste zu rechnen sein. (…)<br />
Im Musterbau hatte gerade der<br />
Meister nach langwierigen Versuchen<br />
die Karosserieform für den<br />
Porsche 1975 entwickelt. Die Ähnlichkeit<br />
mit der Karosserie des Modells 1905<br />
war verblüffend. (…)<br />
Auf dem Hof begegnete uns der Technische<br />
Leiter – er war sehr erstaunt, nichts von unserem<br />
Besuch erfahren zu haben. Er meinte,<br />
dass wir nochmals in sein Büro kommen<br />
sollten, denn wir würden sicherlich ein ganz<br />
falsches Bild erhalten haben. Unser Hinweis,<br />
dass wir gern unsere eigenen Eindrücke<br />
schildern wollten, wurden mit dem<br />
Ausruf abgetan: „Ach was, wenn Sie keine<br />
Techniker sind, können Sie das alles gar<br />
nicht verstehen!“<br />
Zusatz: Unsere Reporter sind im Augenblick<br />
noch angestrengt dabei, ihre Eindrücke<br />
zu sortieren. Wir haben daher die<br />
leitenden Herren der Firma Reutter um<br />
ihre Meinung gefragt. Die war klar illustriert:<br />
„Wir lassen uns trotzdem den Appetit<br />
nicht verderben!“<br />
Diese Auszüge aus der Mitarbeiter-Zeitung, also<br />
im Spiegelbild gesehene Betriebserlebnisse, machen<br />
deutlich, dass trotz aller Sorgen und Prob-