Die Reichsabtei Werden an der Ruhr

236 5. Religiöses und geistiges Leben
aus der gleichen Zeit vorliegt, kann nicht mit Bestimmtheit Werden zugeschrieben
werden (Diekamp, Die Vitae, Einl. S. 95 f. Druck: ebd.
S. 250 f.), obwohl manches für das Kloster als Entstehungsort spricht.
Zwar war man den geistigen Strömungen der Zeit durchaus nicht verschlossen
und hat dies auch durch Bücherkäufe, Ausbau der Bibliothek und
durch Ausleihe von Handschriften an Gelehrte oder für den Druck bewiesen
(vgl. § 5 S. 57), aber selbst wollte man in keiner Weise literarisch tätig
werden. Das entsprach nicht dem damaligen Mönchsideal der Bursfelder
Kongregation. Als es darum ging, eine neue, dem Geschmack der Zeit in
stilistischer sowohl wie in sprachlicher Hinsicht entgegenkommende Biographie
des Klosterheiligen zu verfassen, betrauten die Mönche ihren
Präbendar und Mitarbeiter in der Güter- und Bibliotheksverwaltung
Johannes Cincinnius mit dieser Aufgabe. Das Werkchen erschien 1515 in
Köln. Eine niederdeutsche Übersetzung von der Hand des Cincinnius
liegt gleichfalls vor und ist in der Handschrift 137 (Altertumsverein Münster)
erhalten. Sie ist besonders wichtig wegen des großen Heiltumsverzeichnisses,
das uns in dieser Vollständigkeit nur durch Cincinnius bekannt
ist (Auszüge bei Diekamp, Die Vitae, S. 274 ff., dazu Einl. S. 102 ff.;
s. auch § 52 Nr. 5 b).
Cincinnius fand in Werden noch die Muße, einige weitere Werke zu
schreiben, darunter eines über die Varusschlacht "das erste selbständige
deutsche Schriftchen" über diesen Gegenstand (Aloys Bömer, Johannes
Cincinnius. Westfälische Lebensbilder 5, 2.1937, S. 208 ff.), 1539 in Köln
gedruckt (Veröffentlichung des Textes durch Gerh. Rudolph, Johannes
Cincinnius, Von der Niederlage des Varus, in: 200 Jahre Landes- und
Stadtbibliothek Düsseldorf. 1970, S. 109-119). Auch zur Werdener Geschichte
seiner Zeit schrieb er einige Arbeiten, von denen die Schilderung
über den Einzug des Abtes Johann Groningen die bekannteste ist (hg. v.
Jacobs, Inthronisation, S. 23 ff.), ferner über die Übergabe Helmstedts
an Braunschweig durch Abt Antonius, sowie über eine leichtsinnige Güterverpfändung
Konrads von Gleichen und die Bemühungen des Abtes Antonius
Grimhold über ihre, Einlösung.
Ohne Zweifel ist es Cincinnius zu verdanken, wenn im Kloster der
Sinn für die große Vergangenheit wieder ins Bewußtsein gerufen wurde.
Und da auch in den Kreisen der Kongregation endlich eine Strömung
zum Durchbruch kam, die wissenschaftliche Studien der Mönche dringend
befürwortete (vgl. § 32), so war auch unter Abt Hermann von Holten
den Mönchen Gelegenheit gegeben, sich literarisch zu betätigen. Heinrich
Duden, aus der Schule des Humanisten Pering kommend, und jahrelang
Gefährte des Johannes Cincinnius in der Kellnereiverwaltung, nutzte
seine hierbei gewonnenen Kenntnisse aus und schrieb die Geschichte seines