Die Reichsabtei Werden an der Ruhr

232 5. Religiöses und geistiges Leben
§ 33 Literarische Tätigkeit
Trotz der bescheidenen wirtschaftlichen Grundlagen und der Wirren
in der Mitte des 9. Jhs. herrschte im Kloster ein reges geistiges Leben, das
seinen Niederschlag in den verschiedenen Bereichen von Literatur und
Kunst fand. Was davon erhalten ist, läßt trotz seiner Spärlichkeit den
Schluß zu, daß das 9. Jh. das goldene Zeitalter der Werdener Geschichte
gewesen ist.
Schon Liudger hatte noch Zeit und Muße gefunden, sich literarisch zu
betätigen und seinem verehrten Lehrer, dem Utrechter Abt Gregor, ein
Denkmal zu setzen (Liudgeri Vita Gregorii Abbatis Traiectensis. MGH
S5 15, S. 63-79; dazu Hauck, Zu gesch. Werken, S. 337 f.). Einige Jahrzehnte
später erhielt Liudger selbst seine erste Vita aus der Feder Altfrids.
Auf Bitten der Werdener Mönche hatte Altfrid das Leben Liudgers geschrieben
(Diekamp, Die Vitae, S. 3-53). Da aber diese Vita für die Werdener
Klostergeschichte und für die Erbauung der Mönche allzu wenig
erbrachte, kam es im Kloster selbst noch im 9. Jh. zu mehreren neuen
Bearbeitungen, die uns in den Vita secunda (Diekamp, Die Vitae, S. 53-
84) und tertia (Diekamp, ebd. S. 85-134; dazu Hauck a. a. O. S. 34 ff.
und S. 396 ff.) vorliegen. Diese beiden letzteren tragen schon legendäre
Züge, weisen aber trotzdem manche Beiträge zur Werdener Kloster- und
Geistesgeschichte auf. So bringen sie, worauf Drögereit (Des Friesen
Liudger Eigenkloster S. 14 f.) hinweist, je zweimal die ersten bisher von
der Forschung fast durchweg übersehenen Belege für die der niederdeutschen
Sprache entnommenen Form der thiudisca lingua. Xhnliches läßt
sich von den Glasgemälden der Abteikirche aussagen (vgl. § 3 Nr. 3).
Die Frage, ob Odhilgrim, der vertraute Schüler Liudgers, eine Vita
seines Lebens verfaßt hat, wie erst die im Anfang des 12. Jhs. entstandene
Vita Rythmica in ihrem Prolog behauptet (Diekamp, Die Vitae,
Einl. S. 18 und S. 40 f.; dazu Hauck, a. a. O. S. 345 f.), muß offen bleiben.
Frühestens Ende des 9. Jhs. dürfte auch jenes von Diekamp als Werdensches
Privileg bezeichnete Dokument entstanden sein, von denen verschiedene
Fassungen vorliegen (Druck: Diekamp, Die Vitae, S. 286-294,
ferner MGH SS 15, S. 165). Eine davon, die im Liber Priv. maior erhalten
ist, berichtet, daß Liudger seinen bei den Schülern, den Odhilgrim
und Thiatbald befohlen habe, seine Vorschriften über Einrichtung und
Verfassung des Klosters niederzuschreiben. Zwar nicht mit Sicherheit,
aber doch mit Wahrscheinlichkeit, lassen sich diesen im Kloster entstandenen
Arbeiten noch einige weitere anschließen. Es scheint, daß der ganze
Umkreis des missionarischen Lebens Liudgers im Ruhrkloster Beachtung
gefunden hat. Die Abfassung der älteren Vita des Utrechter Missionars