August 2013 - Falkenseer Stadtjournal
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Stadtgeschehen<br />
Die Geschichte der <strong>Falkenseer</strong> Gastronomie (5)<br />
Die Gastronomie im heutigen Stadtgebiet von Falkensee hat eine reiche Tradition und erlebte namentlich im<br />
wilhelminischen Kaiserreich eine Blütezeit. Das Stadt-Journal recherchierte für diese Serie über die Ausflugslokale<br />
rund um den Bahnhof Finkenkrug, die vornehmen Hotels und Restaurants, in denen die Siedler der Villenkolonien<br />
Neu-Finkenkrug und Falkenhain einkehrten und über die Gasthöfe in den alten Dörfern Falkenhagen und<br />
Seegefeld, die als Vereinsheime und mit ihren Tanzsälen für ein munteres Gesellschaftsleben sorgten.<br />
Falkenhagen: Vier<br />
Kaiser und ein Omnibus<br />
Otto Thiele war ein geschäftstüchtiger Mann und ein<br />
unternehmerischer Gastwirt. Er baute modern und<br />
erfreute seine Kunden, vor allem die Vereine und<br />
Ausflügler, mit einem neuartigen Komfort. Im Jahre<br />
1898 erbaute er direkt am Falkenhagener Anger das<br />
Gasthaus „Zum Deutschen Kaiser“ und komplettierte<br />
es mit einem Fachwerkanbau, der bis an die<br />
Hauptstraße reichte und viel Platz für Veranstaltungen<br />
bot. Im denkwürdigen Jahr 1902 wagte er eine<br />
sensationelle Neuerung – ein Omnibus sollte erstmals<br />
die Dörfer Seegefeld und Falkenhagen verbinden.<br />
Das Osthavelländische<br />
Kreisblatt jener Tage berichtete<br />
ausführlich über das Ereignis:<br />
„Falkenhagen. Ein bedeutungsvoller<br />
Tag in der Entwicklungsgeschichte<br />
des<br />
hiesigen Ortes war der 1.<br />
Mai. Von diesem Tag an läßt<br />
nämlich Herr Gasthofsbesitzer<br />
Thiele hierselbst täglich<br />
16mal, d. h. zu allen Zügen<br />
mit Ausnahme der Früh- und<br />
Spätzüge, einen Omnibus<br />
von hier nach dem Bahnhof<br />
in Seegefeld verkehren. Der<br />
Fahrpreis beträgt von und<br />
nach Falkenhagen 10 Pfennige,<br />
bis nach den Falkenhagener<br />
Bergen 15 Pf. Wenn,<br />
wie geplant, in einigen Monaten<br />
der Weg nach dem<br />
See gepflastert sein wird,<br />
soll auch der Omnibus regelmäßig<br />
bis dahin verkehren,<br />
um für die Bewohner der im<br />
Entstehen begriffenen Villen-<br />
Kolonie eine bequeme Verbindung<br />
nach und von dem<br />
Bahnhofe herzustellen. Wer<br />
aus Erfahrung die Grundlosigkeit<br />
der Bürgersteige von<br />
hier nach dem Bahnhof bei<br />
ungünstiger Witterung kennt,<br />
wird die moderne Fahrgelegenheit<br />
mit Freuden begrüßen.<br />
Aber auch bei gutem<br />
Wetter dürfte der Omnibus<br />
wegen der großen Entfernung<br />
des Bahnhofes bei dem<br />
geringen Fahrpreise gerne<br />
benutzt werden, besonders<br />
wohl von Sommergästen und<br />
Ausflüglern.“<br />
In der Gemeinde Falkenhagen,<br />
die im Jahre 1910 erst<br />
1.748 Einwohner zählte, gehörten<br />
auch die Gasthäuser<br />
„Zu den drei Kaisern“ und<br />
„Bergeshöh´n“ zur etablierten<br />
Gastronomie. Sie waren<br />
Mittelpunkte des gesellschaftlichen<br />
Lebens, Tanzlokale<br />
mit Saalbauten und<br />
Schauplätze eines blühenden<br />
Vereinslebens.<br />
Einen Eindruck davon vermittelt<br />
das Stiftungsfest des<br />
Falkenhagener Schwimmklubs<br />
„Otter“, das im November<br />
1913 im Gasthof „Zu den<br />
drei Kaisern“ stattfand. Auf<br />
diesem Fest waren der Männerturnverein,<br />
der Gesangverein<br />
Bergeshöh´n, die Freiwillige<br />
Feuerwehr, die Sanitätskolonne,<br />
der Kriegerverein,<br />
der Handwerkerverein<br />
und der Grundbesitzerverein<br />
– sämtlich aus Falkenhagen<br />
– durch Abordnungen vertreten.<br />
Anwesend waren der<br />
Gemeindevorsteher und die<br />
komplette Gemeindevertretung.<br />
Die Vorsitzenden der<br />
Spandauer und Berliner<br />
Schwimmklubs feierten in<br />
kurzen Ansprachen die edle<br />
Schwimmerei und wünschten<br />
dem jungen Schwesterverein<br />
ferneres Blühen und<br />
Gedeihen.<br />
Bunt und rührig war das Falkenhagener<br />
Vereinsleben:<br />
Im „Deutschen Kaiser“ feierte<br />
die Sanitätskolonne vom<br />
- Der erste Omnibus in Falkenhagen, 1902 vor dem „Gasthaus<br />
zum Deutschen Kaiser“. An der Passagierkabine verkündet<br />
eine Aufschrift die Linienführung: „Bahnhof Seegefeld<br />
– Falkenhagener See“.<br />
Roten Kreuz den Geburtstag<br />
der Kaiserin, der Männergesangsverein<br />
beging sein Stiftungsfest<br />
im Gasthof „Zu den<br />
drei Kaisern“ und im gleichen<br />
Haus feierte der Dilettanten-<br />
Klub Theaterfreund Falkenhagen-Seegefeld<br />
sein Gründungsfest<br />
mit Theateraufführung,<br />
Konzert und Ball.<br />
Zugleich war der Ausflugsverkehr<br />
zu einer Geldquelle<br />
für die Falkenhagener Gastronomen<br />
geworden. Von einer<br />
illustren Ausflugsgesellschaft<br />
berichtete das Osthavelländische<br />
Kreisblatt im<br />
Mai 1902:<br />
„Der Verein Berliner Kriminalbeamten,<br />
etwa 120 Personen<br />
stark, hatte am Sonntag<br />
einen Ausflug nach Falkenhagen<br />
und dem Falkenhagener<br />
Forst unternommen. Das<br />
Frühstück wurde bei Herrn<br />
Thiele im Gasthof zum Deutschen<br />
Kaiser eingenommen<br />
und darauf ein Spaziergang<br />
nach dem Falkenhagener<br />
See gemacht. Um 1 Uhr wurde<br />
bei Herrn Thiele zu Mittag<br />
gespeist und um 3 Uhr mit<br />
Musik nach dem Falkenhagener<br />
Forst marschiert, wo<br />
unter gesanglichen und instrumentalen<br />
Unterhaltungen<br />
bei einem Glase schäumenden<br />
Gerstensaftes heitere<br />
Stunden verbracht wurden.<br />
Den Abend beschloss ein<br />
Tänzchen im Deutschen Kaiser.“<br />
Die Häuser, die das Gesellschaftsleben<br />
im Dorfe Falkenhagen<br />
der Kaiserzeit<br />
prägten, gibt es noch heute:<br />
Der Gasthof „Zu den drei<br />
Kaisern“ am Falkenhagener<br />
Anger, der seit 1913 als<br />
Gasthof „Zum Eichenkranz“<br />
firmierte und aus dessen<br />
Saal noch in den 1990er<br />
Jahren Disko-Klänge erschollen,<br />
ist heute der Firmensitz<br />
eines Großhandels<br />
für Beleuchtungstechnik. Im<br />
einstigen Gasthaus „Bergeshöh´n“<br />
an der Falkenhagener<br />
Straße residiert heutzutage<br />
das China-Restaurant „Hong<br />
Shun“.<br />
Im früheren Gasthaus „Zum<br />
Deutschen Kaiser“ an der<br />
Ecke Bahnhofstraße und<br />
Freimuthstraße befanden<br />
sich nach dem zweiten Weltkrieg<br />
das Amtsgericht Falkensee<br />
mit Polizeiwache und<br />
Ortsgefängnis. In den heutigen<br />
Tagen bewahrt die Musikkneipe<br />
„schrääg ´rüber“<br />
die gastronomische Tradition<br />
des Hauses am historischen<br />
Falkenhagener<br />
UG<br />
Dorfanger.<br />
20 FALKENSEER STADT - JOURNAL 8/<strong>2013</strong>