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162 1 21 Die chemische Reaktivitat vom Standpunkt der Elektronentheorie 3 21 Die chemische Reaktivitat vom Standpunkt der Elektronentheorie 163<br />
die Radikalreaktionen durch die freie Valenz im wesentlichen bestimmt.<br />
Sowohl die v.b.- als auch die M.0.-Theorie gestatten, Molekulardiagramme<br />
zu konstruieren, in welche fur die Struktur der<br />
Molekule charakteristische Grosen aufgenommen werden. In diesen<br />
werden die berechneten Bindungsgrade, die von einem Atom ausgehende<br />
freie Valenz und die Ladungsdichte in der Nachbarschaft<br />
der einzelnen Atome registriert.<br />
Die v.b.-Methode berechnet den Bindungsgrad, welcher im allgemeinen<br />
keine ganze Zahl ist, aus den Gewichten der kanonischen<br />
Strukturen, die in den Resonanzhybriden enthalten sind. Der<br />
prozentische Gehalt einer C-C-Bindung an Doppelbindung wird<br />
dadurch ermittelt, das man das Gesamtgewicht aller Strukturen<br />
bestimmt, in welchen die genannte C-C-Bindung als Doppelbindung<br />
auftritt. Im Falle des Benzols sind eine Kekulesche und eine Dewarsche<br />
Struktur, die mit 39% und 7% im Resonanzhybrid vertreten<br />
sind, in Rechnung zu setzen. Folglich hat im Benzol jede C-C-<br />
Bindung nach der Delokalisation der n-Elektronen 46% Doppelbindungscharakter.<br />
Der gesamte Bindungsgrad, der sowohl durch<br />
die G- als auch durch die n-Elektronen zustande kommt, ist 1,46.<br />
Hiervon kommt der @-Bindung der Bindungsgrad 1,00 und der n-<br />
Bindung 0,46 zu. In analoger Weise musten beim Naphthalin die<br />
42 Strukturen berucksichtigt werden, wobei die einzelnen Gewichte<br />
das Endresultat bestimmen.<br />
Nach der Methode der molecular orbitals geschieht die Berechnung<br />
des Bindungsgrades in anderer, etwas komplizierterer<br />
Weise. Es wird zuerst der Bindungsgrad zwischen zwei C-Atomen,<br />
der auf die beweglichen n-Elektronen zuruckzufuhren ist, dadurch<br />
ermittelt, das man als partialen Bindungsgrad eines jeden orbitals<br />
das Produkt der Koeffizienten mit welchen die atomic<br />
orbitals yl und y, in die Gleichung (52) der linearen Kombination<br />
eingehen, ansetzt. Alsdann werden die partialen Bindungsgrade<br />
aller molecular orbitals summiert, wobei berucksichtigt wird, das<br />
jeder molecular orbital mit zwei Elektronen besetzt ist. Auf diese<br />
Weise errechnet sich fur das Benzol der durch den Ausgleich der<br />
sechs n-Elektronen bedingte Bindungsgrad zu 0,667 und damit der<br />
Gesamtbindungsgrad zwischen zwei C-C--Atomen zu 1,667.<br />
Fur das freie Kohlenstoffatom last sich die maximale Zahl der<br />
Elektronen, die es aufnehmen kann, zu<br />
berechnen1. Wenn von dieser maximalen Zahl der Bindungsgrad<br />
abgezogen wird, resultiert eine Zahl, die ein Mas fur die von jedem<br />
C-Atom ausgehende freie Valenz ist. In den folgenden Diagrammen<br />
sind die gesamten Bindungsgrade und an den Enden der Pfeile die<br />
freien Valenzen angegeben, wie sie sich aus der M.0.-Methode ergeben.<br />
Die beiden Methoden liefern zahlenmasig etwas verschiedene<br />
Resultate, welche jedoch innerhalb eines Molekuls ubereinstimmende<br />
Abstufungen ergeben.<br />
Aus dem Diagramm des Butadiens kann man ableiten, das die<br />
drei Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen weitgehend ausgeglichen<br />
sind und das freie Valenzen, besonders an den endstandigen<br />
Atomen C, und C, mit dem Betrag 0,838 auftreten. Dies<br />
erklart die bekannte 1-4-Addition von Brom an Butadien und das<br />
fiberspringen der Doppelbindung in die 2-3-Stellung nach dem<br />
Schema<br />
Br, 4-CH,=C-C=CH,<br />
I I - H,C-C=C-CH,<br />
Br ( I Br<br />
H H<br />
H H<br />
Am Naphthalindiagramm erkennt man, das der Bindungsgrad<br />
zwischen der a- und P-Stellung am grosten ist, wahrend die freie<br />
Valenz in der a-Stellung einen maximalen Wert erreicht. Im Anthracen<br />
wiederum ist die Stelle 9 des Molekuls, die mit der grosten<br />
Zahl der freien Valenz ausgezeichnet ist, und diese Stelle ist zugleich<br />
die reaktionsfahigste bezuglich Anlagerungsreaktionen.<br />
Die Ladungsverteilung im Molekul wird ebenfalls in den Molekulardiagrammen<br />
aufgenommen und gestattet bei chemischen<br />
Fur die Ableitung dieser Formel siehe W. E. MOBBIT, Trans. Faraday<br />
Soc. 46, 373 (1949). Vgl. E. H~CKEL, Z. fur Elektrochemie 61, 883 (1957).