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100 3 17 Dipolmoment und Konstitution 3 17 Dipolmoment und Konstitution 101<br />
Als eine weitere Anwendung des Dipolmomentes zur Aufklarung<br />
der Ladungsverteilung im Molekul mag die Angabe des<br />
Ionencharakters einer Bindung in Prozenten dienen. Berechnet<br />
man aus Ionenladung und Abstand das Dipolmoment eines Ionenpaares,<br />
wie HC1 oder KC1 im gasformigen Zustand, so erhalt man<br />
die Werte 6,14D fur HC1 und 13,4D fur KC1, die stark von den experimentell<br />
ermittelten (1,OD und 8,OD) abweichen. Die Berechnung<br />
setzte voraus, das die Ionen starre Kugeln sind, deren<br />
Zustand sich durch die Annaherung der entgegengesetzt geladenen<br />
Ionen nicht andert. Dies ist jedoch wegen der Polarisierbarkeit der<br />
Ionen nicht der Fall. Beide Ionenarten induzieren in den Bindungspartnern<br />
eine Polaritat, die das berechnete Dipolmoment herabzusetzen<br />
bestrebt ist. Man mus darin einen Ubergang zur kovalenten<br />
Bindung erblicken, der nach FAJANS sowie nach PATTLING kontinuierlich<br />
erfolgt. Durch die gegenseitige Polarisation andert sich<br />
der Bindungscharakter, - und diese Anderung ausert sich im Werte<br />
des Dipolmomentes. Wir lernten in der ideal homoopolaren Bindung<br />
des H,-Molekules einen Fall starkster gegenseitiger Polarisation<br />
der H-Atome kennen, die zur kovalenten Bindung fuhrt.<br />
Dieser Polarisation konnte allerdings nur auf wellenmechanischer<br />
Grundlage Rechnung getragen werden.<br />
Nach einem Vorschlag von L. PAULING gibt die Differenz der<br />
gemessenen und der auf Grund der Annahme starrer Ionen, aus<br />
Ladung und Ionenabstand errechneten Dipolwerte, den prozentischen<br />
Gehalt der Bindung an elektrovalentem Charakter an<br />
(Tabelle 15).<br />
Tabelle 15<br />
Substanz<br />
Cs J<br />
CsCl<br />
KC1<br />
Na J<br />
HF<br />
HC1<br />
HBr<br />
HJ<br />
Dipolmoment,<br />
gemessen<br />
Dipolmoment,<br />
berechnet<br />
%<br />
an elektrovalenter<br />
Bindung<br />
Man beachte, das die Abstufungen der Dipolmomente eine umgekehrte<br />
Reihenfolge hatten, wenn die Ionen nicht polarisierbar waren.<br />
Es ist freilich moglich, die Variation des Dipolmomentes mit<br />
der chemischen Konstitution, deren bisherige Beschreibung unter<br />
der stiUschweigenden Verwendung von Vorstellungen der Methode<br />
der molecular orbitals geschehen ist, auch auf Grund der Theorie<br />
der Valenzstrukturen zu deuten. Anstatt einer Verschiebung der<br />
Ladungswolke durch den Einflus der Substituenten, hatte man anzunehmen,<br />
das polare Strukturen existieren, die mit einem entsprechenden<br />
Koeffizienten an dem mesomeren Zustand anteilig<br />
sind. Die Tatsache beispielsweise, das das Dipolmoment des Chlorbenzols<br />
kleiner ist als das des CH,Cl, wird durch die Anwesenheit<br />
der polaren Struktur<br />
erklart, deren Dipolmoment eine entgegengesetzte Richtung hat<br />
als das der nicht polaren Formel, wodurch die beobachtete Verminderung<br />
verursacht wird.<br />
Die quantenmechanische Behandlung1 der Polarisationserscheinungen<br />
fuhrt zu einer Gleichung, die sich von der Debyeschen<br />
im permanenten Anteil um den Faktor (1- f (T)) unterscheidet.<br />
Hierin ist f (T) eine Temperaturfunktion, in welcher das Wirkungsquantum<br />
h, die Komponenten der Dipolmomente in den drei<br />
Raumrichtungen und die Tragheitsmomente des Molekuls als Konstanten<br />
vorkommen. Numerisch fallt dieser Faktor, wegen der<br />
grosen Tragheitsmomente der Dipole, kaum ins Gewicht. Fur<br />
Molekule mit kleinem Tragheitsmoment, wie HF, betragt der<br />
Unterschied zwischen der klassischen und der wellenmechanischen<br />
Berechnung 0,03 D.<br />
Die Debyesche Methode der Berechnung desDipolmomentes aus<br />
den gemessenen Molekularpolarisationen setzt voraus, das die<br />
polaren Molekule in einer nicht polaren Umgebung gelost sind, und<br />
das die Polarisationswerte, um den Einflus von lokalen Feldern zu<br />
eliminieren, auf unendliche Verdunnung extrapoliert sind.<br />
Eine grose Zahl von Substanzen, wie die Aminosauren und<br />
andere mehr, sind aber nur in polaren Losungsmitteln loslich. Fur<br />
diese ist von KIRKWOOD~ eine Theorie entwickelt worden, die dem<br />
J. H. VAN VLECK, Theory of Electric and Magnetic Susceptibilities",<br />
Oxford, London (1932).<br />
J. G. KIRKWOOD, in E. J. COHN and J. T. EDSALL, Amino<br />
Acids and Peptides", New York: Reinhold 1943.