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96 3 17 Dipolmoment und Konstitution 8 17 Dipolmoment und Konstitution 97 Vergleicht man die Dipolmomente der einfachen Benzolderivate mit denen der aliphatischen Reihe (Tabelle 13), so fallen Unterschiede auf, die durch andersartige Elektronenverschiebungseffekte zu deuten sind. Die Dipolmomente der Alkylhalogenide sind groser als die der entsprechenden Phenylderivate, wahrend bei der CN- und NO,- Verbindung die Abstufung umgekehrt 13. Dip01momente liegt. Hier wirkt dem oben genannten von Alkyl- und Arylderivaten Induktionseffekt ein zweiter Effekt in D entgegen, der auf der Wechselwirkung der einsamen Elektronenpaare der Substituenten mit den n-Elektronen des C1 1,86 Phenylkernes und ihrer gegenseitigen Br 1,82 1,55 Durchdringung beruht. Diese Art der CN 4,OO 4,39 NO, 3,5 4,19 Elektronenverschiebung wird mesomerer Effekt1 genannt und mit -M bzw. +M bezeichnet, je nachdem die Elektronenverschiebung vom Phenylkern zum Substituenten oder umgekehrt erfolgt. Er wird durch einen gebogenen Pfeil (r~) in Richtung der Elektronenverschiebung dargestellt. Bei den Arylhalogeniden erfolgt die mesomere Elektronenverschiebung zugunsten des Phenylkerns (+M) und wirkt demnach dem induktiven Effekt (-I) entgegen. Das Dipolmoment der Arylhalogenide ist folglich kleiner als das der Alkylhalogenide. Bei den Cyaniden und Nitroverbindungen erfolgt die Elektronenausbreitung zwischen den n-Elektronen der Doppelbindungen und denen des Phenylkernes in umgekehrter Richtung (-M), so das der mesomere Effekt zu dem induktiven Effekt hinzukommt, wodurch das Dipolmoment der Arylderivate groser als das der Alkylderivate ausfallt. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Arten der Elektronenverschiebung liegt darin, das beim induktiven Effekt die Gemeinsamkeit des Elektronenpaares nach erfolgter Ladungsverschiebung nicht gesprengt wird, wogegen beim mesomeren 1 C. G. INGOLD, Structure and Mechanism in Organic Chemistry, S. 64. New York: Cornell University Press 1953. Effekt durch die Ausbreitung der n- bzw. der einsamen Elektronen eine Delokalisierung und Wanderung derselben durch das ganze Molekul erfolgen kann. Das folgende Beispiel mag diese, durch die Anwesenheit von konjugierten Doppelbindungen bedingte Elektronenverschiebung, entlang der gesamten Molekullange veranschaulichenl. In einem Molekul wie der p-Aminobenzoesaureester findet eine Verschiebung des am Stickstoff vorhandenen freien Elektronenpaares uber den Phenylkern zu den Leerstellen des Sauerstoffsextettes statt : Eine deutliche Auswirkung der Elektronenverschiebung uber das ganze Molekul auf den Wert des Dipolmomentes bilden die kleinen Werte dieser Molekulkonstante fur Vinylamin CH, = CH -NH, und Vinylbromid CH, = CH-Br. Trotz des unsymmetrischen Baues des Molekuls ist die Ladungsverteilung weitgehend symmetrisch, weil die einsamen Elektronen des NH,- bzw. Br- Substituenten mit den n-Elektronen der benachbarten Doppelbindung sich mesomerisch derart uberlagern, das ein Ausgleich der Polaritat resultiert. Man stellt an den Diplomomenten die folgende Abstufung fest: C,H,Br 2,02, CH,=CH-Br 1,41, CH- C-Br 0,O. Das C,H,Br mit seinem Wert von 1,71 liegt zwischen dem Wert der benachbarten einfachen und doppelten Bindung, was mit dem Bindungscharakter der C-C-Bindung im Benzolmolekul(50 % Doppelbindungscharakter) gut ubereinstimmt Es ist moglich, an Hand der Abstufungen der Dipolmomente, noch feinere Unterschiede in den Elektronenverschiebungseffekten aufzuspuren. Die Anderung der Dipolmomente mit zunehmender Kettenlange bei den aliphatischen Cyan- und Nitroverbindungen ist nur sehr schwach, von 3,45 D bis zu einem konstanten Grenzwert 3,70 D. Der Grund dafur liegt in dem relativ hohen Wert des Dipolmomentes des ersten Gliedes CH,NO, (334 D) der Reihe. Die Hyperkonjugation der CH,-Gruppe mit der Doppel- und Dreifachbindung fuhrt zu einer elektronischen Ausbreitung und damit zu einer elektrischen Unsymmetrie und elektrischen Polaritat, die man als Dipolmoment mist. Die Vergroserung der Dipollange T. M. LOWRY, J. chem. Soc. 123,822, 1886 (1923). Nature (Lond.) 114, 376 (1925).-C. K. INGOLD and E. H. INGOLD, J. chem. Soo. 4, 1310 (1926). Krtragounis, Elektronentheorie 7
98 5 17 Dipolmoment und Konstitution •˜ 17 Dipolmoment und Konstitution 99 durch Verlangerung der Kette kann unter diesen Umstanden nur wenig Einflus haben. Man kann den Effekt der Hyperkonjugation an Hand der Dipoldaten einer Reihe von Kohlenwasserstoffen (Tabelle 14), die zwar kleine, jedoch sicher vorhandene permanente Dipolmomente besitzen, verfolgen. Substanz Tabelle 14 Dipolmomente in D CH3 - CH = CH, 0,35 CH3, CH = CH, 0,30 CH3' CH3 - C CH 0,75 ca3-(3 0,37 CH3 - CH, - CH, - CH, = CH, 0,51 CH3 - CH = CH - CH, 0,OO Das der mesomere Effekt (?M) auf einer Ausbreitung der n-Elektronen uber das System der konjugierten Doppelbindungen beruht, erkennt man daran, das die Planaritat des Molekuls eine notwendige Voraussetzung fur das Auftreten des Effektes ist. Das p-Nitroanilin besitzt ein hohes Dipolmoment (6,2 D), das den Wert des durch vektorielle Addition aus dem Dipolmoment der NH,- und NO2-Gruppe berechneten (4,18 D) ubersteigt. Die Kombination der NH,- und NO2- Gruppen in p-Stellung bringt eine zusatzliche Elektronenverschiebung mit sich, die auf Grund des mesomeren Ausgleiches wie folgt dargestellt wird : Die am NH, vorhandenen einsamen Elektronen verschieben sich uber den ,,leitenden" Phenylkern bis zu den Leerstellen der Sauerstoffatome der NO2-Gruppe, die als Akceptoren wirken. Diese Verschiebung erhoht die Polaritat des Molekuls. Fuhrt man aber in die o-Stellungen die voluminosen CH,-Gruppen ein, so werden die NO,- und NH2-Gruppen durch Verdrehung aus der Phenylebene hinausgedrangt, womit die Komplanaritat des Molekuls aufgehoben wird. Die mesomere Elektronenverschiebung kann nicht mehr stattfinden, und das Dipolmoment des 2, 3, 5, 6-Tetramethylnitranilins CH, CH. H,N/ 0 \NO, CHI CH, fallt auf den durch vektorielle Addition berechneten Wert von 4,18 D zuruck. Ein experimenteller Beitrag zum Zusammenhang zwischen Dipolmoment und Komplanaritat des Molekuls ist durch Messung der Dipolmomente der freien Triarylmethylradikalel geliefert worden. Sowohl das teilweise in freie Radikale nach der Gleichung dissoziierte Hexaphenylathan, als auch das nur in monomerer Form vorkommende Tribiphenylmethyl (C6H6C6H4) . . . . (CGH6C6H4) C (C6H5C6H4) '. ' haben in benzolischer Losung kein permanentes Dipolmoment. Dieser Befund wurde so gedeutet, das das einsame Elektron nicht mehr am Kohlenstoff lokalisiert ist, sondern durch seine Wechselwirkung mit den n-Elektronen der Phenylgruppen uber das ganze Molekul verbreitet ist. Die Ausbreitung geht Hand in Hand mit einer Planlegung des Radikalmolekuls einher, das seine tetraedrische Symmetrie zu gunsten einer ebenen trigonalen Anordnung aufgibt2. Obwohl dieses energetisch einleuchtend ist, gelang es W. THEILACKER o-substituierte Triarylmethylderivate in Form freier Radikale herzustellen3, die aus Grunden der Raumerfullung Abweichung von einer ebenen Struktur aufweisen mussen. Die Frage nach der Spaltung der Hexaarylathane in freie Radikale, bei welcher auch die Behinderung der Assoziation zum Athan, wegen der Sperrigkeit der Substituenten, berucksichtigt werden mus4, scheint somit noch nicht endgultig beantwortet zu sein. G. KARAGOUNIS U. TH. JANNAKOPOULOS, Z. physik. Chem. (B) 47,343 (1940). E. HUCKEL, Z. Physik 83, 632 (1933); Z. Elektrochem. 43, 752 (1937). - L. PAULING and G. W. WHELAND, J. chem. Phys. 1, 362 (1933); 2, 482 (1934). 3 W. THEILACKER U. M. L. WESSEL-EWALD, Liebigs Ann. Chem. 694, 214 (1955); W. THEILACKER, B. JUNG U. W. ROHDE, ibid. 4, 225 (1955). 4 K. ZIEOLER, Z. angew. Chem. 61, 168 (1949). ober einen weiteren Gesichtspunkt siehe Diskussion: G. KARAGOUNIS, Helv. chim. Acta 82, 1840 (1949) U. 34, 995 (1951). 7*
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Vergleicht man die Dipolmomente der einfachen Benzolderivate<br />
mit denen der aliphatischen Reihe (Tabelle 13), so fallen Unterschiede<br />
auf, die durch andersartige Elektronenverschiebungseffekte<br />
zu deuten sind.<br />
Die Dipolmomente der Alkylhalogenide sind groser als die der<br />
entsprechenden Phenylderivate, wahrend bei der CN- und NO,-<br />
Verbindung die Abstufung umgekehrt<br />
13. Dip01momente liegt. Hier wirkt dem oben genannten<br />
von Alkyl- und Arylderivaten<br />
Induktionseffekt ein zweiter Effekt<br />
in D<br />
entgegen, der auf der Wechselwirkung<br />
der einsamen Elektronenpaare der Substituenten<br />
mit den n-Elektronen des<br />
C1 1,86 Phenylkernes und ihrer gegenseitigen<br />
Br 1,82 1,55<br />
Durchdringung beruht. Diese Art der<br />
CN 4,OO 4,39<br />
NO, 3,5<br />
4,19 Elektronenverschiebung wird mesomerer<br />
Effekt1 genannt und mit -M bzw.<br />
+M bezeichnet, je nachdem die Elektronenverschiebung vom<br />
Phenylkern zum Substituenten oder umgekehrt erfolgt. Er wird<br />
durch einen gebogenen Pfeil (r~) in Richtung der Elektronenverschiebung<br />
dargestellt. Bei den Arylhalogeniden erfolgt die<br />
mesomere Elektronenverschiebung zugunsten des Phenylkerns<br />
(+M) und wirkt demnach dem induktiven Effekt (-I) entgegen.<br />
Das Dipolmoment der Arylhalogenide ist folglich kleiner als das<br />
der Alkylhalogenide.<br />
Bei den Cyaniden und Nitroverbindungen erfolgt die Elektronenausbreitung<br />
zwischen den n-Elektronen der Doppelbindungen<br />
und denen des Phenylkernes in umgekehrter Richtung (-M),<br />
so das der mesomere Effekt zu dem induktiven Effekt hinzukommt,<br />
wodurch das Dipolmoment der Arylderivate groser als das der<br />
Alkylderivate ausfallt.<br />
Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Arten der Elektronenverschiebung<br />
liegt darin, das beim induktiven Effekt die<br />
Gemeinsamkeit des Elektronenpaares nach erfolgter Ladungsverschiebung<br />
nicht gesprengt wird, wogegen beim mesomeren<br />
1 C. G. INGOLD, Structure and Mechanism in Organic Chemistry, S. 64.<br />
New York: Cornell University Press 1953.<br />
Effekt durch die Ausbreitung der n- bzw. der einsamen Elektronen<br />
eine Delokalisierung und Wanderung derselben durch das ganze<br />
Molekul erfolgen kann. Das folgende Beispiel mag diese, durch die<br />
Anwesenheit von konjugierten Doppelbindungen bedingte Elektronenverschiebung,<br />
entlang der gesamten Molekullange veranschaulichenl.<br />
In einem Molekul wie der p-Aminobenzoesaureester<br />
findet eine Verschiebung des am Stickstoff vorhandenen freien<br />
Elektronenpaares uber den Phenylkern zu den Leerstellen des<br />
Sauerstoffsextettes statt :<br />
Eine deutliche Auswirkung der Elektronenverschiebung uber<br />
das ganze Molekul auf den Wert des Dipolmomentes bilden die<br />
kleinen Werte dieser Molekulkonstante fur Vinylamin CH, = CH<br />
-NH, und Vinylbromid CH, = CH-Br. Trotz des unsymmetrischen<br />
Baues des Molekuls ist die Ladungsverteilung weitgehend<br />
symmetrisch, weil die einsamen Elektronen des NH,- bzw. Br-<br />
Substituenten mit den n-Elektronen der benachbarten Doppelbindung<br />
sich mesomerisch derart uberlagern, das ein Ausgleich<br />
der Polaritat resultiert. Man stellt an den Diplomomenten die<br />
folgende Abstufung fest: C,H,Br 2,02, CH,=CH-Br 1,41,<br />
CH- C-Br 0,O. Das C,H,Br mit seinem Wert von 1,71 liegt<br />
zwischen dem Wert der benachbarten einfachen und doppelten<br />
Bindung, was mit dem Bindungscharakter der C-C-Bindung im<br />
Benzolmolekul(50 % Doppelbindungscharakter) gut ubereinstimmt<br />
Es ist moglich, an Hand der Abstufungen der Dipolmomente,<br />
noch feinere Unterschiede in den Elektronenverschiebungseffekten<br />
aufzuspuren. Die Anderung der Dipolmomente mit zunehmender<br />
Kettenlange bei den aliphatischen Cyan- und Nitroverbindungen<br />
ist nur sehr schwach, von 3,45 D bis zu einem konstanten Grenzwert<br />
3,70 D. Der Grund dafur liegt in dem relativ hohen Wert des<br />
Dipolmomentes des ersten Gliedes CH,NO, (334 D) der Reihe.<br />
Die Hyperkonjugation der CH,-Gruppe mit der Doppel- und Dreifachbindung<br />
fuhrt zu einer elektronischen Ausbreitung und damit<br />
zu einer elektrischen Unsymmetrie und elektrischen Polaritat, die<br />
man als Dipolmoment mist. Die Vergroserung der Dipollange<br />
T. M. LOWRY, J. chem. Soc. 123,822, 1886 (1923). Nature (Lond.) 114,<br />
376 (1925).-C. K. INGOLD and E. H. INGOLD, J. chem. Soo. 4, 1310 (1926).<br />
Krtragounis, Elektronentheorie 7