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42 3 11 Die Anschauungen uber die chemische Bindung 3 11 Die Anschauungen uber die chemische Bindung 43<br />
Beschreibung der Valenzverhaltnisse durch einfache Striche entgegenstehen.<br />
Wenn die Fe~t~igkeit der einfachen C-C-Bindung durch einen<br />
einfachen Strich wiedergegeben wird, so muste die Doppelbindung<br />
C=C zweimal und die dreifache Bindung C = C dreimal so stark<br />
sein wie die einfache. Wahlt man als vergleichendes Kriterium der<br />
Festigkeit die Bindungsenergie der Atome, wie sie aus den Verbrennungswarmen<br />
errechnet wird, so stellt man fest, das die<br />
doppelte Bindung etwa nur ll/2mal und die dreifache nur etwa<br />
2,3mal so stark wie die einfache ist. Die zwei Bindungsstriche der<br />
Doppelbindung sind folglich nicht untereinander gleichwertig,<br />
ebenso wenig wie die drei Striche der dreifachen Bindung.<br />
Will man andererseits die Festigkeit der Bindung auf Grund<br />
ihres reaktiven Verhaltens beurteilen, wie z. B. aus der Leichtigkeit,<br />
mit welcher sie gesprengt wird, dann beobachtet man ein viel<br />
komplizierteres Verhalten. So addiert die dreifache Bindung mit<br />
Leichtigkeit Brom bzw. Wasserstoff (in Gegenwart eines Katalysators)<br />
unter Bildung einer Doppelbindung, und diese wieder addiert<br />
erneut die genannten Stoffe unter Bildung einer einfachen<br />
C-C-Bindung. Die zwei ersten Bindungen verleihen somit der Verbindung<br />
einen ungesattigten, reaktionsfahigen Charakter, welcher<br />
der einfachen Bindung nicht zukommt. Dies zeigt deutlich die Ungleichartigkeit<br />
der einzelnen Bindungen in der Doppel- und Dreifachbindung,<br />
was durch die einzelnen Valenzstriche nicht zum Ausdruck<br />
gebracht wird.<br />
Noch groser wurden die Schwierigkeiten beim Studium der<br />
Eigenschaften von Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen.<br />
Beim But,adien, dem einfachsten Vertreter eines konjugierten<br />
Doppelbindungssystems, findet bekanntlich die Bromaddition<br />
in 1,4-Stellung unter Wanderung der Doppelbindung in<br />
2,3-Stellung nach dem Schema<br />
statt. TIIIELE versuchte dieses Verhalten durch Absattigung der<br />
an jedem C-Atom noch vorhandenen Partialvalenzen zu erklaren,<br />
was bereits anzeigte, das man mit ganzen Valenzstrichen fur die<br />
Beschreibung des reaktiven Verhaltens von konjugierten Doppelbindungen<br />
nicht mehr auskam. Sind uberdies diese Bindungen zu<br />
einem Ring von bestimmter C-Zahl zusammengetreten, wie im<br />
Falle des Benzols, so erfolgt eine Verminderung des ungesattigten<br />
reaktionsfahigen Zustandes. Es stellt sich das ein, was man den<br />
aromatischen Charakter nennt. Diese bunte Mannigfaltigkeit von<br />
Erscheinungen wurde scheinbar noch verwickelter durch die Entdeckung<br />
der Mesomerie. Man fast unter diesem Namen einen ziemlich<br />
komplexen Tatsachenbestand (vgl. 5 12) zusammen, nach dem<br />
U. a. eineVerbindung mit konjugierten Doppelbindungen reaktiv<br />
sich derart verhalt, das man ihr eine Strukturformel zuerkennen<br />
mus, welche eine nicht ganz scharf definierte Stellung zwischen<br />
genau formulierbaren Grenzstrukturen einnimmt. Je nach dem<br />
Reagenz, mit dem man an sie herangeht, scheint sie nach verschiedenen<br />
Formeln zu reagieren. Man begann zu begreifen, das diese<br />
Schwierigkeiten davon herruhren, das man zu Beginn auf eine<br />
physikalisch fundierte Valenztheorie verzichtet und sich mit der formalen<br />
Schreibweise der Valenzstriche begnugt hatte.<br />
Als einen ersten Schritt zu einer physikalischen Begrundung des<br />
Valenzbegriffes mussen wir die im Jahre 1916 von W. KOSSEL~ und<br />
unabhangig von ihm etwas spater die von G. N. LEWIS~ aufgestellte<br />
Theorie der Elektronenschalen betrachten. Die beiden Autoren<br />
gingen von verschiedenen Voraussetzungen fur den Aufbau der<br />
Atome aus Kern und Elektronen aus und kamen zu demselben<br />
Resultat, wonach im Atomverband die Elektronen in konzentrischen<br />
Schalen um den Kern angeordnet sind. Diese Schalen<br />
werden bei den Elektronenzahlen 2, 8, 18 und 32 als abgeschlossen<br />
betrachtet. Die Zahlen entsprechen einer besonders<br />
stabilen und darum bevorzugten Konfiguration, die den Edelgasen<br />
zukommt, mit welchen jeweils eine Periode im System der Elemente<br />
abschliest. Ist in einem Element die Zahl der Elektronen groser oder<br />
kleiner als die Zahl, die diesen Edelgaskonfigurationen entspricht,<br />
so sind die Atome bestrebt und befahigt, durch Aufnahme bzw.<br />
Abgabe von Elektronen in Anionen bzw. Kationen mit stabiler<br />
Edelgaskonfiguration uberzugehen. Diese Ionen treten dann durch<br />
einfache elektrostatische Anziehung zu stabilen Verbindungen<br />
W. KOSSEL, Valenzkrafte und Ront,genstrahlen. 2. Auflage. 1924.<br />
G. N. LEWIS, Die Valenz und der Bau der Atome und Molekule 1927.