09.01.2014 Aufrufe

Curacontact 0313 - CURACON GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Curacontact 0313 - CURACON GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Curacontact 0313 - CURACON GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

MANDANTENINFORMATION<br />

03 -13<br />

IM FOKUS:<br />

REORGANISATION<br />

Methodisches Vorgehen<br />

Gesellschaftsrechtliche Implikationen<br />

Steuerrechtliche Aspekte<br />

INTERVIEW<br />

Erfolgreiche Reorganisation –<br />

ein Erfahrungsbericht


2 // inhalt // Ausgabe 03-13 //<br />

inhalt<br />

02<br />

04<br />

06<br />

Inhalt //<br />

Editorial & Inhalt<br />

FACHBEITRÄGE //<br />

Reorganisation: Verbessern heißt verändern<br />

Rechtliche Aspekte von Reorganisationen<br />

08<br />

Steuerliche Aspekte von Reorganisationen<br />

10<br />

13<br />

14<br />

Interview //<br />

Strategie, Strukturen und Prozesse –<br />

erfolgreiche Reorganisation des Stephanuswerks Isny<br />

Fachbeiträge //<br />

Scheinselbstständigkeit von Pflegekräften –<br />

Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />

Die Beauftragung von Prüfungsschwerpunkten<br />

und -erweiterungen durch das Aufsichtsorgan<br />

16<br />

18<br />

19<br />

aktuelles Steuerrecht //<br />

Umsatzsteuerbefreiung bei Leistungen der<br />

Kinder- und Jugendhilfe<br />

aktuelle Rechtsprechung //<br />

BSG bestätigt zweistufiges Pflegesatzverfahren und<br />

spricht Pflegeheimbetreibern Gewinne zu<br />

VERANSTALTUNGEN & INTERNA //<br />

Ankündigung Fachtagungen etc.


Ausgabe 03-13 // editorial // 3<br />

editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

nach der Erholung und Auszeit während der Sommerund<br />

Urlaubszeit holt uns schnell der Alltag mit seiner<br />

täglichen Routine und den gewohnten Strukturen ein.<br />

Spannend ist allerdings die Frage, wie die bevorstehende<br />

Bundestagswahl ausgehen und wie es politisch weitergehen<br />

wird. Immerhin hat die Politik noch rechtzeitig zur<br />

Sommerpause umfangreiche Finanzhilfen für die deutschen<br />

Krankenhäuser verabschiedet. Mit einem Gesamtvolumen<br />

von einer Milliarde Euro in den Jahren 2013 und<br />

2014 fällt das „Wahlgeschenk“ deutlich kleiner aus als<br />

2009, wo 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt wurden. Insgesamt<br />

verschaffen Versorgungszuschlag, Tarifrate und<br />

Hygiene-Förderprogramm den Krankenhäusern nach<br />

dem Gießkannenprinzip nur kurzfristig Luft, eine grundsätzliche<br />

Lösung und Reorganisation zur Beseitigung der<br />

Fehlanreize und Unterfinanzierung des Entgeltsystems<br />

ist nicht geschaffen worden.<br />

Dass Reorganisationen im Gesundheits- und Sozialwesen<br />

unabdingbar sind, ist unumstritten. Nun steht der Mensch<br />

Veränderungen grundsätzlich skeptisch gegenüber, aber<br />

es gilt: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren,<br />

was er bewahren möchte.“ (Gustav Heinemann)<br />

In diesem Sinne widmet sich diese <strong>Curacontact</strong>-Ausgabe<br />

schwerpunktmäßig dem Thema „Reorganisation“. Bernhard<br />

Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen<br />

Heimstiftung, schildert seine Erfahrungen mit einem erfolgreichen<br />

Reorganisationsprozess. Darüber hinaus stellen<br />

wir methodische, rechtliche und steuerliche Aspekte<br />

von Reorganisationen exemplarisch dar. Ein Beispiel für<br />

Reorganisation sind vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels<br />

neue Beschäftigungsmodelle – hier verweisen wir<br />

auf die Problematik der Scheinselbstständigkeit von Honorar-<br />

Pflegekräften. Des Weiteren erläutern wir die aktuelle Rechtsprechung<br />

des BSG zum zweistufigen Pflegesatzverfahren,<br />

mit der die Zulässigkeit von Gewinnen bestätigt wird – welch<br />

positiver Wandel!<br />

Als vielfach noch ungenutztes Instrument der Aufsichtstätigkeit<br />

stellen wir die Vereinbarung von Prüfungsschwerpunkten zwischen<br />

Aufsichtsrat und Abschlussprüfer vor. Der Aufsichtsrat<br />

kann sich damit gerade in Zeiten des Wandels die Kenntnis<br />

des Prüfers für seine eigene Überwachungstätigkeit zielge richtet<br />

zunutze machen und zusätzliche Sicherheit und Trans parenz<br />

gewinnen.<br />

Ich hoffe, dass Ihnen unser Themenmix Anregungen und gestalterische<br />

Impulse für Ihre Arbeit liefert. Wir sind gespannt auf Ihr<br />

Feedback und nehmen Ihre Hinweise und Anregungen gerne auf.<br />

Ihre<br />

Birgitta Lorke


4 // FACHBEITRÄGE // Ausgabe 03-13 //<br />

fachbeiträge<br />

Aufbauorganisation · Ablauforganisation · Strukturen · Prozesse<br />

Reorganisation: Verbessern heißt verändern<br />

Schon Winston Churchill wusste, dass es für Menschen und Organisationen überlebenswichtig ist, sich weiterzuentwickeln<br />

und sich der Umwelt anzupassen. In der aktuellen Dynamik des Gesundheits- und Sozialwesens<br />

bedeutet dies, seine Organisationsstrukturen und -abläufe ständig auf den Prüfstand zu stellen.<br />

Reorganisationen (auch Restrukturierungen) sind geplante<br />

und kontrollierte Umgestaltungen von Organisationsstrukturen<br />

und -abläufen. Im Fokus von Reorganisationen<br />

steht dabei zumeist die Aufbauorganisation, das Business<br />

Process Reengineering legt hingegen den Schwerpunkt<br />

auf die Neugestaltung der Ablauforganisation. Da Aufbau-<br />

und Ablauforganisation stets ineinandergreifen, ist<br />

diese Unterscheidung nicht stringent möglich. Die Auslöser<br />

für Reorganisationen sind vielfältig: wirtschaftliche<br />

oder strategische Krisen, starkes Wachstum, Zusammenlegung<br />

oder Trennung von Unternehmensbereichen,<br />

Zusammenschlüsse und Kooperationen, In-/Outsourcing<br />

oder schlicht Wechsel in Führungs- oder Aufsichtsgremien.<br />

Immer geht es darum, die Effizienz von Organisationen<br />

oder einzelnen Einheiten an aktuelle und zukünftige<br />

Anforderungen anzupassen. Dabei müssen sich gerade<br />

historisch gewachsene oder ineffiziente Strukturen und<br />

Prozesse folgende Fragen gefallen lassen:<br />

• Unterstützt die Organisationsstruktur das Erreichen<br />

der strategischen Ziele und die Umsetzung der<br />

Prozesse im Unternehmen?<br />

• Greifen die Organisationseinheiten und die darin<br />

agierenden Personen effizient ineinander?<br />

• Gibt es eindeutige Verantwortlichkeiten für<br />

Organisationseinheiten und Prozesse?<br />

• Hat das Personal die notwendigen Kompetenzen,<br />

Ressourcen und Anreize?<br />

• Passen Strategie, Struktur, Prozesse und Unternehmenskultur<br />

zueinander?<br />

Im Fokus von Reorganisation<br />

In der Praxis finden sich unterschiedliche oder häufig<br />

auch miteinander kombinierte Schwerpunkte von Veränderungen<br />

in Organisationen, z. B. die Reorganisation<br />

von Führungs- und Aufsichtsstrukturen, Geschäfts- und<br />

Tätigkeitsbereichen, gesellschaftsrechtlichen Strukturen,<br />

Verwaltungs- und Unterstützungsprozessen oder Leistungsprozessen.<br />

Anhand der Schwerpunkte ist schnell zu<br />

erkennen: Reorganisationen sind Chefsache. Aufgrund<br />

der zumeist hohen Komplexität und Bedeutung für das<br />

Unternehmen können sie nur schwer delegiert werden.<br />

Von der Planung bis zur Umsetzung<br />

Reorganisationen sind ein aktiver Prozess, der geplant<br />

und strukturiert gestaltet sein will. Grundsätzlich sollten<br />

dabei systematisch fünf Phasen durchlaufen werden:<br />

Planungsphase, Analysephase, Grobkonzeption, Detailkonzeption<br />

und Umsetzung. Wird ein Baustein gänzlich<br />

Schwerpunkte<br />

Reorganisation der Führungsund<br />

Aufsichtsstrukturen<br />

Reorganisation von Geschäftsund<br />

Tätigkeitsbereichen<br />

Reorganisation der<br />

gesellschaftsrechtlichen Struktur<br />

Reorganisation von Verwaltungsund<br />

Unterstützungsprozessen<br />

Reorganisation von<br />

Leistungsprozessen<br />

Beispiele in der Praxis<br />

• Erweiterung des Vorstands und der zweiten Führungsebene mit einhergehender Aufgabenneuordnung<br />

• Etablierung zusätzlicher Führungsgremien mit einhergehender Neudefinition der<br />

Kommunikations- und Entscheidungswege<br />

• Zusammenfassung von Einrichtungen mit Gründung von Regionalzentren<br />

• Neusortierung von Dienstleistungen zu einzelnen Geschäftsbereichen<br />

• Umsetzung einer Holding-Struktur mit Tochtergesellschaften<br />

• Rechtsformwechsel aus einer Anstalt öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft<br />

• Zentralisierung und Bündelung von Verwaltungsleistungen<br />

• Insourcing von Reinigungs- und Wäschereileistungen<br />

• Etablierung einer zentralen Notaufnahme mit einem Case Management im Krankenhaus<br />

• Neuordnung der Tourenplanung eines ambulanten Pflegedienstes


Ausgabe 03-13 // FACHBEITRÄGE // 5<br />

// Der Erfolg jedes Unternehmens beginnt damit, dass irgendjemand<br />

eine mutige Entscheidung trifft // Peter F. Drucker<br />

ausgelassen oder unzureichend bearbeitet, sind häufig<br />

Folgeprobleme insbesondere bei der Umsetzung vorprogrammiert.<br />

Somit ist es unerlässlich, in einer ersten<br />

Planungsphase die Zielsetzung, Vorgehensweise, Verantwortlichkeiten<br />

sowie Zeit- und Terminplanung genau zu<br />

durchdenken und zu beschreiben. Ergebnis ist ein klarer<br />

Auftrag an interne (und gegebenenfalls externe) Beteiligte,<br />

welche Schwerpunkte mit welchen Rahmenbedingungen<br />

zu beachten sind und wann welche (Zwischen-) Ergebnisse<br />

vorzuliegen haben (Projektplan). Sind diese<br />

Vorrausetzungen geklärt, geht es in die Analysephase.<br />

Ob Neuorganisation von Geschäftsbereichen, Veränderungen<br />

in den Führungs- und Aufsichtsstrukturen oder<br />

Optimierung einzelner Verwaltungsbereiche: In jedem<br />

Fall sind Stärken und Schwächen sowie die Anforderungen<br />

an Anpassungen der Ausgangslage genau zu beleuchten.<br />

Diese Erkenntnisse bieten die Grundlage für<br />

alle weiteren Überlegungen und decken in den meisten<br />

Fällen auch bislang vernachlässigte Aspekte auf. So ist<br />

vielfach festzustellen, dass Unklarheiten und Schnittstellenprobleme<br />

in der Führungsorganisation auch mit<br />

Schwächen im Planungs- und Berichtswesen einhergehen.<br />

Auf Basis der Analysen können in einer Grobkonzeption<br />

mögliche Lösungsmodelle erarbeitet und zunächst<br />

grundsätzlich bewertet werden. Bei Reorganisation der<br />

Führungs- und Aufsichtsstrukturen ist in dieser Phase beispielsweise<br />

die Frage zu betrachten, ob Aufgaben in<br />

der Unternehmensleitung nach Sparten, nach Dienstleistungsbereichen<br />

oder in einer Mischform verteilt werden<br />

sollen. Zumeist gehen die Analysephase und die Grobkonzeption<br />

zeitlich Hand in Hand. Hat man sich auf<br />

Basis der Vor- und Nachteilsbewertungen möglicher<br />

Gestaltungsoptionen für eine Richtung entschieden, sind<br />

dann (und erst dann) Detailfragen der Umsetzung zu<br />

klären: Wie viele Führungskräfte werden für eine veränderte<br />

Führungsstruktur mit welchen Qualifikationen benötigt,<br />

wie sind Kommunikations- und Entscheidungswege<br />

auszugestalten oder welche formalen Anpassungen sind<br />

in Verträgen und Satzungen vorzunehmen? Häufig ist<br />

der Übergang in die eigentliche Umsetzungsphase aus<br />

der Detailkonzeption fließend, dennoch sind die Arbeitsschritte<br />

in dieser Schlussphase konsequent zu steuern.<br />

Reorganisationen richtig machen<br />

Ein gutes Konzept bedeutet eben noch kein gutes Ergebnis.<br />

So bergen Reorganisationen bei schon vorhandener<br />

Grundkomplexität eine Reihe von Stolpersteinen, weshalb<br />

Folgendes zu beachten ist:<br />

• Keine Musterlösungen überstülpen oder<br />

Wettbewerber pauschal kopieren<br />

• Realistische Planung und Steuerung des<br />

Gesamtprozesses<br />

• Frühzeitige Einbindung von Führungskräften und<br />

Schlüsselpersonen<br />

• Geplante und transparente Information der<br />

Mitarbeitenden<br />

• Angemessene Balance zwischen Formalisierung<br />

und Pragmatismus<br />

Auch wenn Reorganisationen es erfordern, aus der<br />

Vogelperspektive auf die Organisation oder einzelne<br />

Einheiten zu schauen, darf dabei das Tagesgeschäft<br />

nicht aus den Augen verloren werden. Die Verantwortlichen<br />

müssen sich über ihre eigenen Möglichkeiten und<br />

Grenzen in dieser wichtigen Phase im Klaren sein und<br />

die beteiligten Ressourcen entsprechend aufstellen. //<br />

FAZIT Mehr als drei Viertel aller Reorganisationsprozesse<br />

entstehen aus einer wirtschaftlichen, strategischen oder personellen<br />

Drucksituation – und nicht aus überlegter Entspannung<br />

– heraus. Dieses muss nicht schädlich sein, werden<br />

doch manchmal erst dadurch neue Gedanken oder Veränderungsbereitschaft<br />

ausgelöst. Diese sind für jede Organisation<br />

zwingend notwendig, um sich den internen und<br />

externen Rahmenbedingungen gut anpassen zu können.<br />

Matthias Borchers<br />

matthias.borchers@curacon.de


6 // FACHBEITRÄGE // Ausgabe 03-13 //<br />

Organstrukturen · Führungsstrukturen · Geschäftsordnungen · Spartenstrukturen<br />

Rechtliche Aspekte von Reorganisationen<br />

Ebenso vielfältig wie die Auslöser von Reorganisationen können auch ihre rechtlichen Implikationen sein. Der<br />

nachfolgende Beitrag skizziert exemplarisch ausgewählte Aspekte, die die Reorganisation von Führungs- und<br />

Aufsichtsstrukturen sowie die Reorganisation von gesellschaftsrechtlichen Unternehmensstrukturen betreffen.<br />

Reorganisation von Führungs- und Aufsichtsstrukturen<br />

Aus rechtlicher Sicht kommt zunächst der Organstruktur<br />

Bedeutung zu, bei der festzulegen ist, wie Unternehmensleitung<br />

und deren Überwachung im Interesse der Eigentümer<br />

gewährleistet wird. Sodann schließen sich Fragen<br />

der Ausgestaltung operativer Unternehmenseinheiten an.<br />

Organstrukturen der Unternehmung<br />

Voraussetzend, dass ein Unternehmen grundsätzlich<br />

eine Gesellschafter-/Mitgliederversammlung quasi als<br />

Eigentümerversammlung und eine/n Geschäftsführung<br />

bzw. Vorstand als Unternehmensleitung hat, gilt es zu<br />

bewerten, ob ein eigenes Aufsichtsgremium eingesetzt<br />

wird. Gesetzlich ist dies nur bei Aktiengesellschaften und<br />

bei der Arbeitnehmermitbestimmung unterliegenden Unternehmen<br />

vorgeschrieben, aus Corporate-Governance-<br />

Erwägungen aber in der Regel zu empfehlen. Dem<br />

Auf sichtsorgan obliegt dann die Überwachung der Unternehmensleitung,<br />

aber auch deren Beratung. Der<br />

grundlegende Rahmen der Überwachungstätigkeit wird<br />

dabei in der Satzung des Unternehmens durch die Eigentümerversammlung<br />

festgelegt, im Detail obliegt dies aber<br />

dem Aufsichtsorgan selbst. Dabei bietet es sich an, Einzelheiten<br />

der Inneren Ordnung des Aufsichtsorgans in<br />

einer Geschäftsordnung für dieses niederzulegen, während<br />

Einzelheiten der Überwachung der Geschäftsleitung<br />

und des Zusammenspiels zwischen Führung und Aufsicht<br />

in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsleitung geregelt<br />

werden. Grundlegende Inhalte einer – als Bestandteil<br />

der Überwachungsaufgabe vom Aufsichtsorgan<br />

zu erlassenden – Geschäftsordnung für die Geschäftsleitung<br />

betreffen daher<br />

• Art, Umfang und Frequenz der Informationen und<br />

Berichte der Geschäftsleitung an das Aufsichtsorgan,<br />

damit dieses seiner Überwachungsfunktion nachkommen<br />

kann.<br />

• Festlegung von zustimmungspflichtigen Geschäften,<br />

das heißt solcher operativer Maßnahmen, für deren<br />

Umsetzung die Geschäftsleitung wegen ihrer Bedeutung<br />

immer der Zustimmung des Aufsichtsorgans<br />

bedarf (Grundstücksgeschäfte, Gründung und<br />

Aufgabe von Einrichtungen/Unternehmen etc.).<br />

Gerade soweit es operative Maßnahmen anbelangt,<br />

die der Zustimmung des Aufsichtsorgans bedürfen, bietet<br />

sich der Erlass einer Geschäftsordnung an. Hier können<br />

betragsmäßige Schwellenwerte (Investitionen, Darlehen,<br />

Nutzungsüberlassungen, Rechtsstreitigkeiten) ohne formale<br />

Satzungsänderung individuell festgelegt und an<br />

etwaige veränderte Bedürfnisse angepasst werden.<br />

Mehrköpfige Geschäftsleitung<br />

Besteht die Geschäftsführung bzw. der Vorstand aus<br />

mehr als einer Person, sollten Aspekte der Aufgabenverteilung<br />

ebenfalls in einer Geschäftsordnung für die<br />

Geschäftsleitung niedergelegt werden. Unter Berücksichtigung<br />

der fachlichen/inhaltlichen Schwerpunkte der<br />

Mitglieder der Geschäftsleitung (z. B. Finanzen, Theologie,<br />

Medizin/Soziales) können in einer sogenannten<br />

Zuständigkeitsmatrix Einzelzuordnungen getroffen und<br />

auch festgelegt werden, was der Gesamtunternehmensleitung<br />

obliegt. Da grundsätzlich die Unternehmensleitung<br />

von der Geschäftsleitung gesamtverantwortlich<br />

wahrgenommen wird, sind – auch aus Haftungsgründen<br />

– Informations- und Berichtspflichten der Geschäftsführer/Vorstände<br />

untereinander zu regeln und Konfliktszenarien<br />

individuell einer Lösung zuzuführen.<br />

Einbindung der zweiten Führungsebene<br />

Bei der zweiten Führungsebene handelt es sich in der<br />

Regel um Geschäftsbereichs-/Abteilungsleiter, die in<br />

verantwortlicher Position für das Unternehmen tätig sind,<br />

denen aber als Angestellte keine Organfunktion zukommt.<br />

Auch hier bietet sich wiederum der Erlass von Geschäftsordnungen<br />

an, welche die Rahmenbedingungen<br />

der Zusammenarbeit mit der ersten Führungsebene, aber<br />

auch innerhalb der zweiten Führungsebene konkretisieren.


Ausgabe 03-13 // FACHBEITRÄGE // 7<br />

Regelungsbereiche sind hier zumindest:<br />

• Festlegung bereichsbezogener Zuständigkeiten<br />

(Zuständigkeitsmatrix) und deren Grenzen<br />

(zustimmungspflichtige Geschäfte, Vorbehaltsangelegenheiten<br />

der ersten Führungsebene)<br />

• Umgang mit bereichsübergreifenden Aspekten<br />

• Implementierung einer Leitungskonferenz/<br />

Steuerungsgruppe<br />

Letztere unterstützt die Unternehmenssteuerung und<br />

koordiniert die Zusammenarbeit der Geschäftsbereiche.<br />

Sie hat die standardisierte gegenseitige Information zur<br />

Aufgabe, die Beratung der Geschäftsleitung sowie die<br />

Entscheidung zu ausgewählten Themen, die dann auf<br />

betrieblicher Ebene verbindlich sind.<br />

Reorganisation von gesellschaftsrechtlichen<br />

Strukturen zur Schaffung einer Spartenstruktur<br />

Die Steigerung der Effizienz und die Anpassung an<br />

aktuelle und zukünftige Anforderungen kann auch die<br />

Notwendigkeit der Veränderung der gesellschaftsrechtlichen<br />

Strukturen bedingen. In Abhängigkeit von der<br />

bisherigen Ausgestaltung des Gesamtunternehmens<br />

kann zum Beispiel eine Zusammenlegung von bislang<br />

selbstständigen Unternehmenseinheiten desselben<br />

Geschäftsbereichs (in selbstständigen <strong>GmbH</strong>s geführte<br />

Altenhilfeeinrichtungen werden in einer <strong>GmbH</strong> zusammengeführt)<br />

zur Herstellung einer Spartenstruktur erforderlich<br />

sein.<br />

Vorgehen nach dem Umwandlungsgesetz<br />

Die Zusammenführung kann ebenso wie die Trennung<br />

rechtlich grundsätzlich im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge<br />

nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes<br />

(UmwG) erfolgen. Das UmwG bietet<br />

dabei je nach Vorhaben unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten<br />

für Reorganisationen:<br />

• Verschmelzung<br />

• Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung)<br />

• Vermögensübertragung<br />

• Formwechsel<br />

Eine Zusammenführung von Unternehmen erfolgt demgemäß<br />

im Wege der Verschmelzung, eine rechtliche Verselbstständigung<br />

von Einrichtungen bei Überführung auf<br />

eine Tochtergesellschaft im Wege der Ausgliederung und<br />

bei Überführung auf eine Schwestergesellschaft im Wege<br />

der Abspaltung. Grundlegendes Merkmal eines Vorgehens<br />

im Wege nach dem UmwG ist in diesen Fällen die Übertragung<br />

von Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge.<br />

Ähnlich einem Erbfall gehen alle Aktiva und Passiva, Verträge<br />

und sonstigen Rechtspositionen – von Ausnahmen abgesehen<br />

– automatisch auf den übernehmenden Rechtsträger<br />

über. Einer Zustimmung Dritter (Vertragspartner, Gläubiger)<br />

bedarf es nicht, was die Abwicklung in der Regel vereinfacht.<br />

Zudem kann eine Umwandlung mit wirtschaftlicher<br />

Wirkung von bis zu acht Monaten zurückbezogen werden,<br />

was vorteilhaft ist, wenn die Erstellung eines Zwischenabschlusses<br />

bei unterjähriger Übertragung vermieden werden<br />

soll. Bei einer Verschmelzung ist hervorzuheben, dass es<br />

bei einem Vorgehen nach dem UmwG keiner Liquidation<br />

des übertragenden Unternehmens bedarf, dieses vielmehr<br />

mit Eintragung der Verschmelzung bei Gericht erlischt. //<br />

FAZIT Reorganisationen werden in der Regel aus betriebswirtschaftlichen<br />

und seltener aus rechtlichen Erwägungen<br />

heraus initiiert. Das optimale Ergebnis einer<br />

Reorganisation kann allerdings nur durch Umsetzung<br />

der im Einzelfall angemessenen rechtlichen Gestaltung<br />

erreicht werden.<br />

Claudia Grothaus<br />

Rechtsanwältin<br />

claudia.grothaus@curacon-recht.de


8 // FACHBEITRÄGE // Ausgabe 03-13 //<br />

SatzungsmäSSigkeit von Geschäftsaktivitäten · wirtschaftliche Geschäftsbetriebe · Organschaft<br />

Steuerliche Aspekte von Reorganisationen<br />

Reorganisationen bedürfen, insbesondere im Hinblick auf mögliche wirtschaftliche Folgen, einer vorausschauenden<br />

und frühzeitigen Identifizierung und Gestaltung steuerlicher Themenbereiche. Sind an der<br />

Reorganisation steuerbegünstigte Unternehmen beteiligt, gilt es im Regelfall den Status der Gemeinnützigkeit<br />

unabhängig von Umfang und Tiefe der Reorganisation zu bewahren. Die nachfolgenden Ausführungen<br />

skizzieren exemplarisch ausgewählte steuerliche Themenbereiche, die bei Reorganisationen von Trägern<br />

oder gesellschaftsrechtlichen Unternehmensstrukturen zu betrachten sind.<br />

Reorganisation der inneren Strukturen<br />

steuerbegünstigter Träger<br />

Beschränkt sich die Reorganisation eines Unternehmens<br />

auf die Umgestaltung der inneren Organisationsstrukturen<br />

in der Weise, dass neben bestehenden Geschäftsfeldern<br />

weitere wirtschaftliche Tätigkeiten aufgenommen<br />

werden, genügt im Regelfall ein Blick in den Gesellschaftsvertrag<br />

oder die Satzung, ob die geplanten<br />

neuen Tätigkeiten noch dem ursprünglichen Gesellschaftszweck<br />

entsprechen oder gegebenenfalls eine<br />

Anpassung vorzunehmen ist.<br />

Damit ein i. S. d. §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO)<br />

steuerbegünstigtes Unternehmen für neue wirtschaftliche<br />

Aktivitäten die Vorteile des Gemeinnützigkeitsrechts in<br />

Anspruch nehmen kann, bedarf es vor Aufnahme der<br />

neuen Tätigkeiten einer qualifizierten Prüfung, ob die<br />

geplanten Aktivitäten ebenfalls als steuerbegünstigte<br />

Tätigkeiten i. S. d. AO gewertet werden können. Ist dies<br />

zu bejahen, ist eine satzungsmäßige Erweiterung der<br />

steuerbegünstigten Zwecke vorzunehmen. Anderenfalls<br />

wäre für die neuen Tätigkeiten eine allgemeine ertragsund<br />

umsatzsteuerliche Behandlung wie bei erwerbswirtschaftlich<br />

tätigen Unternehmen zu erwarten.<br />

Sollen durch Reorganisationen Synergien gehoben werden,<br />

indem z. B. bestimmte Funktionsleistungen für einen<br />

Verbund von Unternehmen zentralisiert werden (z. B.<br />

Zentralisierung des Verwaltungsbereichs), ist bei steuerbegünstigten<br />

Unternehmen daran zu denken, dass mit<br />

derartigen Leistungen gegenüber Dritten wie (auch steuerbegünstigten)<br />

Verbundunternehmen sogenannte wirtschaftliche<br />

Geschäftsbetriebe begründet werden. Diese<br />

unterliegen mit ihren Gewinnen grundsätzlich der allgemeinen<br />

Ertrags- und Umsatzbesteuerung, soweit die<br />

Leistungen nicht im Rahmen umsatzsteuerlicher Organschaften<br />

erbracht werden.<br />

Steuerbegünstigte Unternehmen, die im Zuge einer<br />

Zentralisierung von Funktionsleistungen zugleich ihre<br />

gesamten steuerbegünstigten Zwecke auf selbstständige<br />

Unternehmen ausgliedern, liefen in der Vergangenheit<br />

Gefahr, ihre Gemeinnützigkeit durch die sogenannte<br />

„Gepräge-Rechtsprechung“ zu gefährden. Durch eine<br />

Änderung des Anwendungserlasses zur AO im Jahr<br />

2012 hat die Finanzverwaltung ihre bisherige restriktive<br />

Sichtweise zur Gepräge-Rechtsprechung weitestgehend<br />

aufgegeben und fordert nun, dass Nicht-Zweckbetriebe<br />

als Mittelbeschaffungsbetriebe grundsätzlich Gewinne<br />

hervorbringen müssen, die ausschließlich für steuerbegünstigte<br />

Zwecke des Unternehmens verwendet werden.<br />

In diesem Zusammenhang empfiehlt sich für steuerbegünstigte<br />

Körperschaften die Aufnahme einer sogenannten<br />

„Förderklausel“ nach § 58 AO. Damit können wirtschaftliche<br />

Betätigungen, unabhängig von ihrer Größe,<br />

unterhalten werden, wenn sich das Unternehmen verpflichtet,<br />

die erwirtschafteten Mittel zur Verwirklichung<br />

eigener oder fremder steuerbegünstigter Zwecke zu<br />

verwenden.<br />

Umsatzsteuerliche Aspekte<br />

Ist beabsichtigt, dass Unternehmen im Zuge einer Reorganisation<br />

ihre operativen Geschäftsfelder allesamt<br />

ausgliedern, um so eine sogenannte Holding-Struktur<br />

zu begründen, bedarf die Planung zukünftiger eigener<br />

wirtschaftlicher Aktivitäten hinsichtlich der Umsatzsteuer<br />

einer besonderen Betrachtung. Häufig nutzen Unternehmensverbünde<br />

im Gesundheits- und Sozialbereich die<br />

Vorteile der sogenannten umsatzsteuerlichen Organschaft,<br />

d. h. jeglicher Leistungsaustausch zwischen beteiligten<br />

Unternehmen bleibt von der Umsatzbesteuerung<br />

ausgenommen. Damit Holding-Unternehmen eine derartige<br />

Organschaft begründen können, müssen sie Unternehmer<br />

im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein, d. h.


Ausgabe 03-13 // FACHBEITRÄGE // 9<br />

Tätigkeiten gegen Entgelt ausführen. Dabei spielt es<br />

keine Rolle, ob die Leistungen umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig<br />

zu behandeln sind. Damit wird deutlich,<br />

dass zum Beispiel reine „Förder-Holdings“, die ihre<br />

Aktivitäten allein auf die Mittelbeschaffung durch Spenden<br />

und Zuwendungen beschränken, keine umsatzsteuerliche<br />

Organschaft begründen können. Des Weiteren<br />

ist für die Begründung der Organschaft darauf zu achten,<br />

dass die Satzungszwecke der verbundenen Unternehmen<br />

sich idealerweise gegenseitig ergänzen, um<br />

die sogenannte wirtschaftliche Eingliederung nachweisen<br />

zu können.<br />

Schlussendlich ist für die Herstellung der umsatzsteuerlichen<br />

Organschaft die sogenannte organisatorische<br />

Eingliederung der nachgeordneten Unternehmen in<br />

das Holding-Unternehmen zu begründen, indem der geschäftliche<br />

Wille des Holding-Unternehmens, z. B. durch<br />

personenidentische Geschäftsführungen, in allen verbundenen<br />

Unternehmen zum Ausdruck kommt. Wird<br />

im Zuge von Reorganisationen durch eine Verteilung<br />

von Aufgaben und Kompetenzen eine mehrköpfige Geschäftsleitung<br />

oder eine zweite Führungsebene eingerichtet,<br />

bedarf der Aspekt der organisatorischen Eingliederung<br />

einer besonderen Betrachtung. Wird die Geschäftsführung<br />

der verbundenen Unternehmen mit<br />

„fremden“ Geschäftsführern besetzt, also solchen Personen,<br />

die nicht zugleich auch bei den Holding-Unternehmen<br />

eine leitende Funktion innehaben, ist für den Nachweis<br />

der organisatorischen Eingliederung im Regelfall<br />

eine Geschäftsordnung erforderlich. Diese gesteht allein<br />

unter umsatzsteuerlichen Aspekten der Geschäftsführung<br />

des Holding-Unternehmens wesentliche Mitsprache- und<br />

Eingriffsrechte in die Geschäftsführung der verbundenen<br />

Unternehmen zu.<br />

Reorganisation von gesellschaftsrechtlichen<br />

Strukturen<br />

Sowohl die Zusammenlegung von bislang selbstständigen<br />

Unternehmenseinheiten desselben Geschäftsbereichs<br />

in einer <strong>GmbH</strong> als auch die Trennung von Geschäftsbereichen<br />

in selbstständige <strong>GmbH</strong>s bedarf neben<br />

der rechtlichen auch einer umfassenden steuerlichen<br />

Würdigung. So sind z. B. bei der Zusammenführung von<br />

Unternehmen, die Grundbesitz halten, durch die sogenannte<br />

Verschmelzung grunderwerbsteuerliche Folgen zu<br />

bedenken. Grunderwerbsteuerbelastungen als Folge der<br />

Verschmelzung können im Regelfall dadurch minimiert<br />

werden, dass die Verschmelzung auf den Träger erfolgt,<br />

der wertmäßig über den umfangreichsten Grundbesitz<br />

verfügt. Die unentgeltliche Übertragung von Grundbesitz<br />

zwischen steuerbegünstigten Unternehmen bleibt sowohl<br />

von der Grunderwerbsteuer als auch von der Erbschaftund<br />

Schenkungsteuer befreit, wenn sie als „echte“ Schenkung,<br />

d. h. ohne Übernahme von Verbindlichkeiten oder<br />

Auflagen, erfolgt. Bei der Veräußerung/Ausgliederung<br />

von ertragsteuerpflich tigen Geschäftsbereichen sind die<br />

steuergesetzlichen Re gelungen der Betriebsaufgabe zu<br />

berücksichtigen. Auch die entgeltliche Übertragung von<br />

steuerbegünstigten Geschäftsbereichen an Dritte ist gemeinnützigkeitsrechtlich<br />

zulässig, soweit die Übertragung<br />

zu marktüblichen Kon ditionen erfolgt. //<br />

FAZIT Reorganisationen bedürfen neben einer rechtlichen<br />

immer auch einer steuerrechtlichen Begleitung.<br />

Es gilt insbesondere die vielfältigen ertragsteuerlichen,<br />

umsatzsteuerlichen und grunderwerbsteuerlichen<br />

Aspekte zu kennen und zu planen, um durch Reorganisationen<br />

auch die gesetzten wirtschaftlichen Ziele zu<br />

unterstützen. Bei Beteiligung gemeinnütziger Träger<br />

sind überdies die besonderen gemeinnützigkeitsrechtlichen<br />

Vorgaben einzuhalten.<br />

Andreas Seeger<br />

Steuerberater<br />

andreas.seeger@curacon.de


10 // interview // Ausgabe 03-13 //<br />

interview<br />

Strategie, Strukturen und Prozesse –<br />

erfolgreiche Reorganisation des Stephanuswerks Isny<br />

In den vergangenen zwei Jahren hat die Evangelische Heimstiftung <strong>GmbH</strong> (EHS), Stuttgart, ihre Behindertenhilfe-<br />

und Bildungseinrichtung im Allgäu, das Stephanuswerk Isny, grundlegend neu aufgestellt und ausgerichtet.<br />

In einem intensiven Prozess wurden einschneidende Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Einrichtung<br />

umgesetzt. Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer, berichtet im Interview über die Ausgangslage und<br />

Erfahrungen bei der Umsetzung der Reorganisation.<br />

Herr Schneider, Sie haben Anfang 2011 die Hauptgeschäftsführung<br />

der Evangelischen Heimstiftung<br />

übernommen. In welcher „Verfassung“ haben Sie<br />

das Stephanuswerk vorgefunden?<br />

Bernhard Schneider: Nun, um ein einschlägiges<br />

Bild zu verwenden: Das Stephanuswerk hätte dringend<br />

auf der Intensivstation behandelt werden müssen, hing<br />

aber immer noch in der Aufnahme fest. Beim Stephanuswerk<br />

(StW) handelt es sich um eine Komplexeinrichtung<br />

mit den Bereichen Werkstatt für behinderte Menschen,<br />

Wohnen, Bildungszentrum, Rehaklinik, Services und<br />

einem Ferien- und Tagungshotel. Die Bereiche Wohnen<br />

mit 125 Wohnplätzen und die Werkstatt für behinderte<br />

Menschen mit ca. 200 Beschäftigten arbeiteten effizient<br />

und erwirtschafteten ein positives Ergebnis. Grundsatzprobleme<br />

des bis 2011 weithin autark agierenden<br />

Stephanuswerks waren fehlende Kostentransparenz<br />

und unzureichende wirtschaftliche Steuerung. Die Folge<br />

davon war, dass sich die wirtschaftliche Lage zunehmend<br />

verschlechtert und die Einrichtung tiefrote Zahlen geschrieben<br />

hat. Diese resultierten zum einen aus der<br />

Reha klinik mit 60 Betten, die im Jahr 2010 dann auch<br />

geschlos sen wurde. Dieser Schritt wurde aber nicht<br />

konsequent gegangen, da die nötige personelle Anpassung<br />

in den betroffenen Leistungsbereichen vernachläs-<br />

sigt wurde. Meistens gibt es aber für eine wirtschaftliche<br />

Schieflage mehrere Ursachen, so war das auch in Isny.<br />

Um also im Bild zu bleiben: Das Stephanuswerk war multimorbid.<br />

Das Bildungszentrum hatte mit den Veränderungen<br />

in der Reha-Landschaft zu kämpfen. Schlechte, nicht<br />

planbare Belegungszahlen, unterfinanzierte Kurse und zu<br />

viel Personal trugen erheblich zum Defizit bei. Das Ferienund<br />

Tagungshotel war gebäudetechnisch völlig veraltet,<br />

so dass durch den mangelhaften Unterbringungsstandard<br />

keine kostendeckende Preisgestaltung möglich war.<br />

Wie war die Ausgangssituation?<br />

Bernhard Schneider: Anfang 2011 war ich mit der<br />

Entscheidung konfrontiert, das Stephanuswerk zu verkaufen.<br />

Daher hat mich eine meiner ersten Dienstreisen<br />

nach Isny geführt, um mir selbst ein Bild zu machen.<br />

Hierbei habe ich das Potenzial dieser Einrichtung und<br />

ihrer Beschäftigten erkannt und die Bereitschaft gespürt,<br />

das Ruder herumzureißen. Die wichtigste Voraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Sanierung war also da: Der Patient<br />

wollte leben und war bereit, dafür auch zu kämpfen. Im<br />

März 2011 hat der Aufsichtsrat zugestimmt, ein Projekt<br />

aufzulegen mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit des<br />

Stephanuswerks zu überprüfen und einen Restrukturierungsplan<br />

auszuarbeiten.


Ausgabe 03-13 // interview // 11<br />

Wie haben Sie aus Ihren Überlegungen einen<br />

strukturierten Prozess abgeleitet?<br />

Bernhard Schneider: Für das Projekt sollte ein externer<br />

Berater verpflichtet werden. Hier hat uns das Konzept<br />

von Curacon überzeugt, die Lösung aus der Einrichtung<br />

heraus, gemeinsam mit den Leitungskräften zu<br />

entwickeln und fachlich zu begleiten. Zweiter wichtiger<br />

Baustein des Projekts war die Projektstruktur: Die Projektlenkungsgruppe<br />

bestand aus beiden Geschäftsführern,<br />

den Prokuristen der EHS, dem Direktor des StW, dessen<br />

Stellvertreter, dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung<br />

(MAV) sowie Herrn Borchers als Projektsteuerer<br />

und Projektberater. Darunter gab es zwei Projektgruppen<br />

zur Entwicklung eines Leistungskonzepts und eines<br />

Betriebskonzepts. In den Projektgruppen engagierten<br />

sich unter der Federführung der Direktion und der Projektleitung<br />

die Geschäftsbereichsleitungen und fachlichen<br />

Ansprechpartner des StW und der EHS-Zentrale.<br />

Welche Fragen waren insbesondere bei den<br />

Analyse- und Konzeptarbeiten zu beantworten?<br />

Bernhard Schneider: Es gab zunächst einige kurzfristige<br />

Sanierungsmaßnahmen, mit denen das auflaufende<br />

Defizit einigermaßen gesteuert werden konnte.<br />

Um im Bild zu bleiben: Der Patient wurde notbehandelt,<br />

um parallel eine umfassende Diagnose zu stellen und<br />

einen Therapieplan zu entwickeln. Erste Arbeitsaufträge<br />

der Projektgruppe „Leistungskonzept“ waren die Erstellung<br />

von SWOT-Profilen aller Geschäftsbereiche, einer<br />

Marktanalyse sowie von Übersichten der Kooperationspartner,<br />

Wettbewerber, Kunden, Zuweiser und Auftraggeber.<br />

Wirtschaftlich war zu analysieren, welche Gebäude<br />

und Grundstücke tatsächlich betriebsnotwendig<br />

sind. Ferner galt es, anhand einer Gewinn- und Verlustrechnung<br />

die einzelnen Geschäftsfelder zu überprüfen<br />

und auszuwerten. Parallel dazu wurden in der Projektgruppe<br />

„Betriebskonzept“ Fragen zur Organisationsstruktur,<br />

zu Organisationsprozessen, zur Erbringung von<br />

Verwaltungsleistungen sowie Führungs- und Steuerungsinstrumenten<br />

erarbeitet, um das Stephanuswerk auf eine<br />

neue, gute organisatorische Basis zu stellen.<br />

Der Reorganisationsprozess hat auch schmerzliche<br />

Personalveränderungen mit sich gebracht.<br />

Wie haben Sie diese eingeleitet?<br />

Bernhard Schneider: Insgesamt musste der Personalbestand<br />

um 53 Vollstellen reduziert werden. Als eine<br />

der ersten Maßnahmen mussten wir in die Leitungsstruktur<br />

eingreifen und uns vom bisherigen Direktor trennen<br />

und auch die Bereichsleitung des Bildungsbereichs neu<br />

besetzen. Alle Leistungsbereiche wurden umfassend untersucht,<br />

um gezielte Personalreduzierungen und Umsetzungen<br />

durchzuführen. Zunächst wurden auslaufende<br />

Arbeitsverträge nicht verlängert und rentennahe Mitarbeiter<br />

zu Gesprächen über einen Aufhebungsvertrag<br />

eingeladen. Darüber hinaus erklärten sich Mitarbeiter<br />

bereit, freiwillig ihren Stellenumfang zu reduzieren.<br />

Um diese Prozesse sozialverträglich gestalten zu können,<br />

wurde von der Geschäftsleitung und der MAV eine<br />

entsprechende Dienstvereinbarung geschlossen. Die<br />

nötigen Anpassungen im Personalbereich haben mit<br />

1,9 Millionen Euro den wichtigsten Beitrag zur wirtschaftlichen<br />

Konsolidierung des Stephanuswerks beigetragen.<br />

Gab es kritische Momente oder Widerstände in<br />

dieser Zeit?<br />

Bernhard Schneider: Nein, im Gegenteil, die<br />

neue Leitung und die Mitarbeiter des StW standen dem<br />

Zukunftsprojekt immer offen, engagiert und motiviert<br />

gegenüber. Insgesamt wurden in den beiden Projektgruppen<br />

58 Einzelmaßnahmen zur Restrukturierung<br />

der Einrichtung beschrieben und konsequent umgesetzt.<br />

Das zeugt von hohem Engagement und Akzeptanz des<br />

Sanierungsprojekts. Wichtig ist bei solchen Prozessen<br />

eine geplante und eindeutige Kommunikation mit den<br />

Mitarbeitenden.<br />

Wie haben Sie diese gestaltet? Wie hat sich die<br />

Stimmung der Mitarbeitenden entwickelt?<br />

Bernhard Schneider: Die Geschäftsführung hat<br />

immer klargemacht, dass die EHS bereit ist, das StW<br />

zu erhalten und zukunftsfest zu machen, dass die


12 // interview // Ausgabe 03-13 //<br />

Stephanuswerk Isny<br />

Werkstatt<br />

• Aktenvernichtung<br />

• Bürodienstleistungen<br />

• Industriemontagen<br />

• Kabelkonfektion<br />

• Kaffeebohne<br />

• Keramik<br />

• Qualitätssicherung<br />

• Verpackung<br />

• Werkstattladen<br />

Wohnen<br />

• Stationäres Wohnen<br />

• Ambulantes Wohnen<br />

• Wochenendbetreuung<br />

• Sozialdienst<br />

Bildungszentrum<br />

• Jugendausbildung<br />

• Berufsschule<br />

• Assessment<br />

• Erwachsenenbildung<br />

Gästezentrum<br />

• Gäste- und<br />

Reisegruppen<br />

• Internatsgäste<br />

• Angehörigenbesuche<br />

• Pflegetourismus<br />

Zentrale Services<br />

• Allgemeine Verwaltung<br />

• Rechnungswesen<br />

• Controlling<br />

• Personal<br />

• IT/Kommunikation<br />

• Haustechnik und Fuhrpark<br />

• Reinigung<br />

• Küche<br />

• Wäscherei<br />

Neuausrichtung und der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze<br />

aber nur durch eine gemeinsame, konsequente<br />

und zügige Restrukturierung mit teilweise auch harten<br />

Einschnitten gelingen können. Erfolgsentscheidend war<br />

sicher auch, dass die MAV diesen Kurs kritisch aber<br />

konstruktiv mitgetragen hat. Die Mitarbeitenden des<br />

StW wurden während des gesamten Prozesses über<br />

die geplanten Veränderungen zeitnah informiert. Die<br />

von der Umstrukturierung betroffenen Mitarbeiter hatten<br />

die Möglichkeit, in Einzelgesprächen eine umfassende<br />

Beratung zu erhalten. Insgesamt verliefen die Gespräche<br />

in gegenseitigem Einvernehmen und ohne einen<br />

Rechtsstreit. Durch das Ausscheiden von Mitarbeitern,<br />

Umsetzungen und Arbeitsverdichtungen war die Stimmung<br />

beim Personal gedrückt, trotzdem wurden diese<br />

Maßnahmen von allen als Chance auf einen gesicherten<br />

Arbeitsplatz getragen.<br />

Was kennzeichnet das neu aufgestellte Stephanuswerk?<br />

Kann es in dieser Form dauerhaft erfolgreich<br />

sein?<br />

Bernhard Schneider: Das Dienstleistungsspektrum<br />

des StW ist durch Spezialisierung auf die Kerngeschäftsbereiche<br />

Werkstatt für behinderte Menschen,<br />

Wohnen, Bildungszentrum und Gästezentrum auch unter<br />

Berücksichtigung von Risiko- und Wirtschaftlichkeitsaspekten<br />

nachhaltig neu aufgestellt. Die für den Betrieb<br />

des Kerngeschäfts notwendigen Immobilien werden<br />

nach und nach saniert. Alle nicht betriebsnotwendigen<br />

Immobilien sowie Grundstücke und Gebäude wurden<br />

stillgelegt und zum Teil bereits erlösbringend veräußert.<br />

Der Energie- und Wartungsbedarf aller Grundstücke<br />

und Gebäude wurde erheblich minimiert.<br />

Durch eine strikte Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen<br />

hat sich das Stephanuswerk zukunftsfähig<br />

aufgestellt. Für 2013 rechnen wir bereits wieder mit<br />

einem positiven Betriebsergebnis. Die Anpassung der<br />

Leistungsstrukturen sowie eine höhere Flexibilität haben<br />

das Risiko für künftige Nachfrageeinbrüche minimiert.<br />

Rückblickend betrachtet: Gibt es etwas, was Sie<br />

beim nächsten Mal anders machen würden?<br />

Bernhard Schneider: Ich glaube nicht. Wir sind alle<br />

sehr zufrieden mit dem Erfolg des Projekts. Der Patient<br />

hat die Intensivstation längst verlassen und auch die Anschlussrehabilitation<br />

mit bestem Erfolg hinter sich gebracht.<br />

Das Stephanuswerk ist in den „Normalbetrieb“ zurückgekehrt<br />

und zeigt sich als vitales Unternehmen, das seine<br />

neue Rolle gefunden hat und einen wichtigen Beitrag zum<br />

Gesamterfolg der Evangelischen Heimstiftung leistet. //<br />

Bernhard Schneider<br />

Hauptgeschäftsführer der<br />

Evangelischen Heimstiftung<br />

Die Evangelische Heimstiftung hat es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, alten und kranken Menschen sowie<br />

Menschen mit Behinderung ein Zuhause zu geben<br />

oder sie in anderer Form zu betreuen.<br />

Das Interview wurde geführt von<br />

Matthias Borchers, Leiter des Geschäftsbereichs<br />

Prüfungsnahe Beratung und Partner der Curacon <strong>GmbH</strong>


Ausgabe 03-13 // FACHBEITRÄGE // 13<br />

fachbeiträge<br />

Honorar-Pflegekräfte · Selbstständige Beschäftigung · Sozialversicherung<br />

Scheinselbstständigkeit von Pflegekräften –<br />

Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />

Die Einstufung von Honorar-Pflegekräften als scheinselbstständig tätig wird durch ein aktuelles Urteil des<br />

landes sozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2012 (L 4 R 761/11) unterstrichen. Pflege einrichtungen<br />

müssen damit rechnen, dass von ihnen beschäftigte Honorar-Pflegekräfte bei einer Sozial versicherungs<br />

prüfung als scheinselbstständig eingestuft werden und demzufolge hohe Nachzahlungspflichten in der<br />

Sozialversicherung entstehen.<br />

Darstellung der Ausgangssituation<br />

Gerade in Zeiten eines akuten Fachkräftemangels sind<br />

Pflegeeinrichtungen zum Teil gezwungen, personelle<br />

Engpässe durch externe Kräfte zu überbrücken. Sozialversicherungsrechtlich<br />

unproblematisch ist dies, wenn<br />

externe Kräfte über Personaldienstleister bezogen werden<br />

und die externen Kräfte bei diesen Personaldienstleistern<br />

angestellt sind. Anders stellt sich die Situ ation<br />

hingegen dar, wenn es sich um freiberufliche Pflegekräfte<br />

handelt, die auf eigene Rechnung tätig werden.<br />

Merkmale einer abhängigen Beschäftigung<br />

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts<br />

(BSG) entscheidet das „Gesamtbild einer Beschäftigung“<br />

darüber, ob ein Mitarbeiter abhängig oder selbstständig<br />

beschäftigt ist. Eine abhängige Beschäftigung<br />

liegt laut BSG dann vor, wenn der Beschäftigte in den<br />

Betrieb eingegliedert ist und das Weisungsrecht des<br />

Arbeitgebers Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung<br />

umfasst. Honorar-Pflegekräfte sind, wie alle anderen<br />

Pflegekräfte auch, unter der ständigen Verantwortung<br />

einer ausgebildeten Pflegefachkraft tätig und somit<br />

grundsätzlich weisungsgebunden.<br />

Konsequenzen einer Scheinselbstständigkeit der<br />

honorar-Pflegekraft<br />

Die Rentenversicherung, die alle vier Jahre eine Sozialversicherungsprüfung<br />

in den Einrichtungen durchführt,<br />

wertet inzwischen fast jede Honorar-Pflegekraft als<br />

scheinselbstständig tätig und fordert die gesamten Sozialversicherungsbeiträge<br />

für den Prüfungszeitraum nach.<br />

Die Nachzahlungspflicht trifft allein den Arbeitgeber,<br />

der sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmerbeitrag<br />

nachzahlen muss, mithin ca. 40 % des gezahlten<br />

Honorars. Eine Möglichkeit, die Beiträge zum<br />

Teil von der Honorar-Pflegekraft zurückzufordern, besteht<br />

nur sehr bedingt. Es gilt eine Verjährung von vier<br />

Jahren, im Falle einer vorsätzlichen Vorenthaltung von<br />

Sozialversicherungsbeiträgen von 30 Jahren. Es besteht<br />

weiterhin die Möglichkeit, dass auch die Lohnsteueraußenprüfung<br />

den Sachverhalt aufgreift und es zusätzlich<br />

zu einer Nachforderung von Lohn- und Kirchensteuer<br />

zuzüglich Solidaritätszuschlag kommen kann. //<br />

FAZIT Werden Honorar-Pflegekräfte als scheinselbstständig<br />

Beschäftigte in der Sozialversicherung<br />

eingestuft, werden für die Pflegeeinrichtung<br />

Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe<br />

von ca. 40 % des gezahlten Honorars fällig.<br />

Alexandra Gabriel<br />

Wirtschaftsprüferin/Steuerberaterin<br />

alexandra.gabriel@curacon.de<br />

Auf unserer Homepage im Bereich „Themen & Trends“ finden Sie Informationen zu unseren Mandanten seminaren<br />

sowie Beiträge zu aktuellen Themen der Branche. Ferner haben Sie unter dem Punkt „Publikationen“ die Möglichkeit,<br />

alle <strong>Curacontact</strong>-Ausgaben als pdf herunterzuladen.<br />

www.curacon.de


14 // FACHBEITRÄGE // Ausgabe 03-13 //<br />

Compliance · Überwachung · Prüfungsschwerpunkte · Fortbestehensprognose<br />

Die Beauftragung von Prüfungsschwerpunkten und<br />

-erweiterungen durch das Aufsichtsorgan<br />

Im Rahmen der Diskussion um die Neufassung des § 107 AktG (Aktiengesetz) und der Diskussion um den<br />

Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) sind die Themen Überwachung der Geschäftsführung und<br />

„Compliance“ als primäre Aufgaben des Aufsichtsrats weiter in den Fokus gerückt. Hierbei ist die Frage aufgekommen,<br />

wie der Aufsichtsrat diese Überwachungspflichten bewältigen kann.<br />

Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

In § 107 AktG sind u. a. explizit als Aufgaben des<br />

Aufsichtsrats die Überwachung des Rechnungslegungsprozesses,<br />

der Wirksamkeit des Internen Kontrollsystems<br />

(IKS), des Risikomanagementsystems und des Internen<br />

Revisionssystems genannt. Der DCGK ordnet zusätzlich<br />

das Themenfeld „Compliance“, also die Einhaltung von<br />

Gesetzen und Richtlinien in Unternehmen, dem Aufgabengebiet<br />

des Aufsichtsorgans zu. Die Regelungen des<br />

Aktienrechts haben dabei eine Ausstrahlungswirkung auf<br />

Aufsichtsgremien von Unternehmen aller Rechtsformen.<br />

Erfüllung der Überwachungspflichten<br />

Es besteht für den Aufsichtsrat grundsätzlich die Möglichkeit,<br />

eigene Untersuchungen und Befragungen<br />

durchzuführen. Er kann sich z. B. Einblick in die Dokumente<br />

und Auswertungen des Unternehmens verschaffen<br />

und diese für sich analysieren.<br />

Daneben kann auch eine intensivierte Kooperation und<br />

Kommunikation mit dem Abschlussprüfer zusätzlichen Nutzen<br />

stiften, um die vorgenannten Überwachungs tätigkeiten<br />

effektiv und effizient durchzuführen. Hierbei kann sich der<br />

Aufsichtsrat die tiefergehenden Kenntnisse des Abschlussprüfers<br />

zunutze machen. Entsprechend der Risikoeinschätzung<br />

werden vom Abschlussprüfer im Rahmen der<br />

Abschlussprüfung jährlich wechselnde Prüfungsschwerpunkte<br />

gesetzt. Diese können dergestalt aussehen, dass in<br />

einem Jahr das IKS im Bereich Personal, im nächsten Jahr<br />

im Bereich Beschaffung und im dritten Jahr im Bereich der<br />

Leistungsabrechnung besonders intensiv untersucht wird.<br />

Daneben bietet es sich an, jährlich wechselnde Schwerpunkte<br />

bei der fokussierten Untersuchung bestimmter Aufwandskonten,<br />

z. B. Rechts- und Beratungskosten, von freien<br />

Mitarbeitern abgerechnete Leistungen etc., zu setzen.<br />

Prüfungsschwerpunkte sollten idealerweise mit dem Aufsichtsrat<br />

abgestimmt werden, um auch weitergehende<br />

Kenntnisse des Aufsichtsrats für den Abschlussprüfer<br />

nutzbar zu machen und dem Aufsichtsrat den Vorteil zu<br />

verschaffen, das Wissen und die Tätigkeit des Abschlussprüfers<br />

zur Erfüllung seiner Überwachungspflichten einzusetzen.<br />

Prüfungsschwerpunkte bezogen auf die Abschlussprüfung<br />

Der Aufsichtsrat kann nun durch die Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten,<br />

die sich auf die Abschlussprüfung<br />

beziehen, ausgewählte Themen vertiefen, die bereits<br />

grundsätzlich in den Tätigkeitsumfang des Abschlussprüfers<br />

fallen. Hierzu zählen z. B. die Prüfung<br />

• besonderer Transaktionen (z. B. Unternehmenskäufe/<br />

-verkäufe) des Geschäftsjahres,<br />

• der Einhaltung der Vorgaben zu Geschäften mit<br />

nahestehenden Personen,<br />

• der Zahlungen an externe Berater oder<br />

• der durch die Geschäftsführung erstellten<br />

Fortbestehensprognose.<br />

Insbesondere der letztgenannte Punkt sollte bei drohenden<br />

Problemen bezüglich der Einschätzung der Fortführung<br />

der Unternehmenstätigkeit Schwerpunkt der<br />

Abschlussprüfung sein. In Zeiten wirtschaftlicher Schieflagen<br />

von Unternehmen treffen Geschäftsführung und<br />

Aufsichtsgremium besondere Sorgfaltspflichten. Die<br />

gesetzlichen Vertreter haben in diesem Zusammenhang<br />

eine sogenannte insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose<br />

zu erstellen, um zu beurteilen, ob die Gesellschaft<br />

ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen mit überwiegender<br />

Wahrscheinlichkeit bedienen kann. Dabei ist es zur Vermeidung<br />

von Haftung und Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung<br />

geboten, den Nachweis dafür erbringen<br />

zu können, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung laufend<br />

beobachten, die Unternehmensplanung aufgrund<br />

realistischer Annahmen erstellt haben und dass das


Ausgabe 03-13 // FACHBEITRÄGE // 15<br />

Unternehmen auch in der Lage war, die Planannahmen<br />

entsprechend umzusetzen.<br />

Prüfungsschwerpunkte bezogen auf die weiteren<br />

Überwachungsfelder des Aufsichtsrats<br />

Neben der Vertiefung des Tätigkeitsumfangs des<br />

Abschlussprüfers kann das Aufsichtsorgan den Prüfungsauftrag<br />

auch inhaltlich erweitern, indem er ihm sachverhaltsbezogene<br />

Prüfungshandlungen aufgibt, die sowohl<br />

inhaltlich als auch in ihrer Intensität nicht zwingend im<br />

Rahmen der Jahresabschlussprüfung durchzuführen sind.<br />

Beispiele hierfür sind u. a.<br />

• Prüfung der Einhaltung besonderer Schutzgesetze<br />

(z. B. Arbeitsschutzbestimmungen),<br />

• Aufarbeitung von aufgetretenen Compliance-Problemen,<br />

• Prüfung eines Risikofrüherkennungssystems,<br />

• Prüfung von Kontrollinstrumenten der Geschäftsführung<br />

(z. B. Planungsgenauigkeit, Einhaltung von Kennzahlen,<br />

Einhaltung von Covenants) oder<br />

• Prüfung der Angemessenheit vereinbarter Pflegesätze<br />

(Pflegesatznachkalkulation).<br />

Die Nachkalkulation vereinbarter Pflegesätze stellt die im<br />

abgelaufenen Zeitraum angefallenen Aufwendungen (Personal-<br />

und Sachaufwendungen) den vereinbarten Pflegesätzen<br />

gegenüber. Systembedingt ist bei der Betrachtung<br />

von Kostentreibern eine Trennung zwischen operativen,<br />

investiven und sonstigen Unternehmensbereichen erforderlich.<br />

Mittels Pflegesatznachkalkulation werden Über-/<br />

Unterdeckungen in den einzelnen Kostenarten sichtbar.<br />

Berichterstattung über Prüfungsschwerpunkte und<br />

-erweiterungen<br />

Da Prüfungsschwerpunkte und -erweiterungen nicht in den<br />

gesetzlich vorgeschriebenen Umfang der Abschlussprüfung<br />

fallen, erfolgt keine Erwähnung im Bestätigungsvermerk.<br />

Die schriftliche Berichterstattung über die Prüfungserweiterung<br />

erfolgt innerhalb des Prüfungsberichts, sofern<br />

die Erweiterung zusammen mit dem Auftrag über die<br />

Abschlussprüfung vereinbart wird. Bei rechnungslegungsbezogenen<br />

Erweiterungen wird die Berichterstattung in<br />

die regelmäßigen Berichtsbestandteile integriert, bei<br />

Erweiterungen um nicht rechnungslegungsrelevante Sachverhalte<br />

wird der Prüfungsbericht um einen gesonderten<br />

Abschnitt ergänzt. Neben dieser schriftlichen Berichterstattung<br />

erfolgt in der Regel zusätzlich eine mündliche<br />

Berichterstattung in einer Sitzung des Aufsichtsorgans.<br />

Abrechnung des möglicherweise zusätzlich anfallenden<br />

Aufwands<br />

Abschließend bleibt anzumerken, dass die Festlegung<br />

von Prüfungsschwerpunkten durch das Aufsichtsorgan<br />

einen sehr unterschiedlichen Prüfungsaufwand mit sich<br />

bringen kann. Prüfungsschwerpunkte, die im Rahmen<br />

der Jahresabschlussprüfung ohnehin bearbeitet werden,<br />

lösen eventuell nur einen geringen Mehraufwand aus.<br />

Sofern aber im Rahmen der Abschlussprüfung durch<br />

das Aufsichtsorgan zusätzliche Schwerpunkte vereinbart<br />

werden, die ansonsten nicht oder nicht in dieser Tiefe<br />

im Rahmen der Abschlussprüfung bearbeitet worden<br />

wären, ist mit dem Aufsichtsorgan auch über die entstehenden<br />

zusätzlichen Aufwendungen eine gesonderte<br />

Vereinbarung zu erzielen. //<br />

FAZIT Durch die Beauftragung von Prüfungsschwerpunkten<br />

und -erweiterungen bietet sich dem Aufsichtsorgan<br />

die Gelegenheit, aus der Abschluss prüfung<br />

einen zusätzlichen Nutzen für die eigene Überwachungstätigkeit<br />

zu ziehen. Der Vorteil, dass der Abschlussprüfer<br />

sowohl über tiefergehende Kenntnisse<br />

bezüglich der Unternehmensabläufe aus der Prüfungstätigkeit<br />

als auch über spezielle Fachkompetenzen<br />

in prüfungsnahen Bereichen, wie z. B. Risikomanagement,<br />

verfügt, wird so nutzbar gemacht.<br />

Alexandra Gabriel<br />

Wirtschaftsprüferin/<br />

Steuerberaterin<br />

alexandra.gabriel@curacon.de<br />

Thomas Schlickum<br />

Wirtschaftsprüfer/<br />

Steuerberater<br />

thomas.schlickum@curacon.de


16 // Aktuelles Steuerrecht // Ausgabe 03-13 //<br />

aktuelles steuerrecht<br />

Umfang der Umsatzsteuerbefreiung · begünstigte Leistungserbringer · Beköstigung von Mitarbeitern<br />

Umsatzsteuerbefreiung bei Leistungen der Kinderund<br />

Jugendhilfe<br />

Auf das stark weiterentwickelte Leistungs- und Angebotsspektrum der Kinder- und Jugendhilfe hat der Gesetzgeber<br />

zuletzt durch das Jahressteuergesetz 2008 reagiert und den § 4 Nr. 25 UStG zum 1. Januar 2008 grundlegend<br />

überarbeitet. In der Praxis sind seitdem einige weitere Fragen aufgetaucht, zu denen die Finanzverwaltung<br />

und Beratungspraxis die nachfolgenden Verlautbarungen bzw. Lösungen hervorgebracht haben.<br />

Her vorzuheben ist insbesondere die Klärung der umsatzsteuerlichen Behandlung der entgeltlichen Beköstigung<br />

von Mit arbeitern in der Jugendhilfe.<br />

Zum Umfang steuerfreier Leistungen der<br />

Kinder- und Jugendhilfe nach § 4 Nr. 25 UStG<br />

Durch die Erweiterung des § 4 Nr. 25 UStG sind seit<br />

dem Jahr 2008 auch Leistungen der Jugendhilfe nach<br />

§ 2 Abs. 2 SGB VIII sowie die Inobhutnahme von<br />

Kindern und Jugendlichen nach § 42 SGB VIII (als andere<br />

Aufgabe der Jugendhilfe) von der Umsatzsteuer<br />

befreit. Darüber hinaus sind folgende weitere Leistungen<br />

von der Umsatzsteuer befreit:<br />

• Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit<br />

und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes<br />

(§§ 11 – 14 SGB VIII)<br />

• Angebote zur Förderung der Erziehung in der<br />

Familie (§§ 16 – 21 SGB VIII)<br />

• Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen<br />

und in Tagespflege (§§ 22 – 25 SGB VIII)<br />

• Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen<br />

(§§ 27 – 35, 36, 37, 39, 40 SGB VIII)<br />

• Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche<br />

und ergänzende Leistungen<br />

(§§ 35a – 37, 39, 40 SGB VIII)<br />

• Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung<br />

(§ 41 SGB VIII)<br />

Nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr.<br />

25 UStG fällt die Erledigung von Aufgaben im Bereich<br />

der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 bis 13 SGB VIII,<br />

die vielfach auch von freien Trägern der Jugendhilfe<br />

erbracht werden, wie z. B. Organisationsfragen zur<br />

Pflegeerlaubnis, Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung,<br />

Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz,<br />

Beratung und Unterstützung von Müttern bei<br />

Vaterschaftsfeststellungen und Geltendmachung von<br />

Unterhaltsansprüchen.<br />

Begünstigte Leistungserbringer<br />

Die begünstigten Leistungen sind nur dann steuerfrei,<br />

wenn sie durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder<br />

anderer Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht<br />

werden. Der Begriff der „anderen Einrichtung mit sozialem<br />

Charakter“ entspricht dem gültigen EU-Recht. Dementsprechend<br />

können begünstigte Leistungsgeber sein:<br />

• Die von der zuständigen Jugendbehörde anerkannten<br />

Träger der freien Jugendhilfe, die Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

des öffentlichen Rechts und die amtlich<br />

anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege<br />

• Andere Einrichtungen, soweit sie für ihre Leistungen<br />

eine Erlaubnis nach dem Sozialgesetzbuch VIII<br />

besitzen. Insoweit handelt es sich um eine Erlaubnis<br />

– zur Kindertagespflege,<br />

– zur Vollzeitpflege,<br />

– für den Betrieb einer Einrichtung, in der Kinder<br />

oder Jugendliche ganztägig oder für einen<br />

Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft<br />

erhalten,<br />

– zur Übernahme von Pflegschaften oder Vormundschaften<br />

durch rechtsfähige Vereine<br />

• Einrichtungen, die für ihre Leistungen einer Erlaubnis<br />

gemäß SGB VIII nicht bedürfen (Fälle im Sinne des<br />

§ 44 Abs. 1 S. 2 SGB VIII sowie Einrichtungen gemäß<br />

§ 45 SGB VIII), allerdings nur, wenn es sich um eine<br />

Jugendfreizeiteinrichtung, -ausbildungseinrichtung,<br />

-herberge oder ein Schullandheim/Schülerheim nach<br />

den sozialgesetzlichen Vorschriften handelt. Nach<br />

dem BMF-Schreiben vom 29. März 2012 gilt die<br />

Betriebserlaubnis, die einer Jugendhilfeeinrichtung<br />

nach § 45 SGB VIII erteilt wurde, auch für Unternehmer,<br />

die in deren Auftrag eine sonstige Wohnform betreiben,<br />

in der Kinder oder Jugendliche betreut werden<br />

oder Unterkunft erhalten. Voraussetzung hierfür ist


Ausgabe 03-13 // Aktuelles Steuerrecht // 17<br />

zum einen, dass die sonstige Wohnform organisatorisch<br />

mit dieser Jugendhilfeeinrichtung verbunden<br />

ist und als Teil dieser Einrichtung gilt. Zum anderen<br />

muss der Unternehmer, der die sonstige Wohnform<br />

betreibt, in der Betriebserlaubnis der Jugendhilfeeinrichtung<br />

ausdrücklich aufgeführt sein. Dies gilt nach<br />

dem BMF-Schreiben vom 8. Juli 2013 auch für Unternehmer,<br />

die von diesem Träger mit der pädagogischen<br />

Leitung dieser Einrichtung beauftragt werden.<br />

Mangelt es an einer organisatorischen Verbundenheit<br />

der Einrichtungen, benötigt der Unternehmer, der eine<br />

sonstige Wohnform i. S. d. § 48a SGB VIII betreibt, für<br />

die Steuerbefreiung eine eigene Erlaubnis.<br />

• Einrichtungen, die Leistungen erbringen, welche im<br />

vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum<br />

überwiegenden Teil entweder von Trägern der öffentlichen<br />

Jugendhilfe, anerkannten Trägern der freien<br />

Jugendhilfe, von Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

des öffentlichen Rechts oder Verbänden der freien<br />

Wohlfahrtspflege gemäß § 23 UStDV (Umsatzsteuer-<br />

Durchführungsverordnung) bezahlt werden. Dabei ist<br />

zu beachten, dass eine Vergütung der zuvor genannten<br />

Träger und Einrichtungen nur dann vorliegt, wenn<br />

der Leistungsgeber von diesen unmittelbar bezahlt wird.<br />

• Einrichtungen, die Leistungen der Kindertagespflege<br />

erbringen, für die sie nach § 24 Abs. 5 SGB VIII vermittelt<br />

werden können. Hier greift die Steuerbefreiung<br />

auch in den Fällen, in denen die Leistung „privat“<br />

nachgefragt wird.<br />

Eng mit der Jugendhilfe verbundene Leistungen<br />

Von der Umsatzsteuer befreit sind bestimmte eng mit<br />

der Jugendhilfe verbundene Leistungen, die in § 4 Nr. 25<br />

Satz 3 näher erläutert werden. Das sind zum einen die<br />

Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen,<br />

wenn die Darbietungen von den von der Jugendhilfe<br />

begünstigten Personen selbst erbracht oder die<br />

Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet<br />

werden, vgl. § 4 Nr. 25 S. 3 a UStG. Zum<br />

anderen sind auch die Beherbergung, die Beköstigung<br />

und die üblichen Naturalleistungen an die Empfänger<br />

der Jugendhilfeleistungen und Mitarbeiter in der Jugendhilfe<br />

sowie sonstige bei den zuvor genannten Leistungen<br />

tätige Personen, wenn diese als Vergütung für geleistete<br />

Dienste gewährt werden, umsatzsteuerfrei nach<br />

§ 4 Nr. 25 S. 3 b UStG.<br />

Hinzuweisen ist auf die Beköstigung von sonstigen<br />

Mitarbeitern (Haus- und Hilfspersonal) in der Jugendhilfe<br />

nach § 4 Nr. 25 UStG, die nur umsatzsteuerfrei<br />

ist, soweit es sich um eine Vergütung für geleistete Dienste<br />

handelt. Wenn sonstige Mitarbeiter ein zusätzliches<br />

Entgelt für die Verpflegungsleistung entrichten, unterliegt<br />

die Leistung der Umsatzsteuer. Im Rahmen eines finanzgerichtlichen<br />

Klageverfahrens konnten die Berater von<br />

Curacon im Juni 2013 klären, dass die Beköstigung von<br />

Mitarbeitern in der Jugendhilfe, soweit es sich nicht um<br />

Haus- und Hilfspersonal handelt (also z. B. die Betreuer),<br />

gegen zusätzliches Entgelt von der Umsatzsteuer<br />

befreit bleibt. Steuerfrei sind darüber hinaus seit dem<br />

1. Juli 2013 nach § 4 Nr. 25 Satz 3 c UStG Leistungen,<br />

die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder<br />

nach § 1773 BGB oder als Ergänzungspfleger<br />

nach § 1909 BGB bestellt worden sind. //<br />

FAZIT Der Gesetzgeber hat zuletzt im Jahr 2008 die<br />

umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschriften für Leistungen<br />

der Kinder- und Jugendhilfe nach § 4 Nr. 25<br />

UStG grundlegend überarbeitet. Zwischenzeitlich<br />

haben Finanzverwaltung und Beratungspraxis einige<br />

Präzisierungen hervorgebracht. Hervorzuheben ist,<br />

dass die Beköstigung von Mitarbeitern in der Jugendhilfe<br />

gegen zusätzliches Entgelt von der Umsatzsteuerbefreiung<br />

umfasst wird, wohingegen die Beköstigung<br />

von sonstigen Mitarbeitern (Haus- und Hilfspersonal)<br />

gegen zusätzliches Entgelt der Umsatzsteuer unterliegt.<br />

Andreas Seeger<br />

Steuerberater<br />

andreas.seeger@curacon.de


18 // aktuelle rechtsprechung // Ausgabe 03-13 //<br />

aktuelle rechtsprechung<br />

Pflegesatzverhandlungen · GEWINNZUSCHLAG<br />

BSG bestätigt zweistufiges Pflegesatzverfahren und<br />

spricht Pflegeheimbetreibern Gewinne zu<br />

Mit Spannung wurde die Entscheidung im Mai dieses Jahres erwartet. Zwar hatte das Bundessozialgericht<br />

(BSG) schon mit seinen Grundsatzentscheidungen aus dem Jahr 2009 den Ablauf bei Pflegesatzverhandlungen<br />

neu geordnet und auch erstmals einen Unternehmerlohn anerkannt, jedoch tauchten in der Folgezeit<br />

viele Fragen auf und die Verhandlungspraxis sah teilweise anders aus.<br />

Die Kasseler Richter bekräftigten nun mit ihrer aktuellen<br />

Entscheidung vom 16. Mai 2013 (B 3 P 2/12), dass<br />

leistungsgerechte Pflegesätze in einem zweistufigen Verfahren,<br />

bestehend aus Plausibilität und wirtschaftlicher<br />

Angemessenheit, festzustellen sind. Hinsichtlich der<br />

Personalkosten gilt, dass auch die AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien)<br />

bei kirchlichen Trägern als Tarifwerk im<br />

sozialrechtlichen Sinn zu verstehen und damit als stets<br />

wirtschaftlich anzusehen sind und ungekürzt anerkannt<br />

werden müssen.<br />

wird und bei ordnungsgemäßer Betriebsführung auch zu<br />

einem Unternehmensgewinn führen kann. Nach dieser<br />

Entscheidung sind nun die Schiedsstellen am Zug, über<br />

die Höhe des Gewinnzuschlags zu entscheiden. //<br />

FAZIT Die Entscheidung stärkt die Position der<br />

Träger; sie sollten offensiv und gut vorbereitet<br />

gegenüber den Kostenträgern einen Gewinnzuschlag<br />

einfordern.<br />

Ausgesprochen positiv für die Branche ist zu bewerten,<br />

dass die Richter betonen, Pflegeheimbetreibern stehe die<br />

Erzielung von Gewinnen zu. Dies gelte auch für gemeinnützige<br />

Träger und sei in den Kalkulationen zu berücksichtigen.<br />

Ein solcher Zuschlag für eine angemessene<br />

Vergütung kann als umsatzbezogener Prozentsatz berücksichtigt<br />

oder über die Auslastungsquote gesteuert<br />

werden. Letzteres setzt aber voraus, dass die Auslastungsquote<br />

im externen Vergleich realistisch angesetzt<br />

Kai Tybussek<br />

Rechtsanwalt<br />

kai.tybussek@curacon-recht.de<br />

Dr. Manuel Foppe<br />

Rechtsanwalt<br />

manuel.foppe@curacon-recht.de<br />

KiTa kann als e.V. betrieben werden<br />

Das Oberlandesgericht Schleswig hat entschieden, dass Träger von KiTas grundsätzlich keine wirtschaftliche<br />

Tätigkeit ausüben und somit als Verein organisiert werden können (Beschl. v. 18.9.12 - 2 W 152/11). Es tritt<br />

damit der Ansicht des Kammergerichts entgegen (Beschl. v. 18.1.11 - 25 W 14/10; <strong>Curacontact</strong> 03-11, S. 18).<br />

Für eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit spreche das gesetzliche Leitbild, wonach KiTas vorrangig ideellen Bildungsund<br />

Erziehungszwecken dienten. Werde eine KiTa fast vollständig staatlich finanziert, hätten Gläubiger keinen<br />

Forde rungsausfall zu befürchten. Die Erhebung von Elternbeiträgen führe nicht zu einem planmäßigen Anbieten<br />

von Wirtschaftsgütern am Markt, insbesondere wenn die KiTa nur Kinder von Vereinsmitgliedern betreue. Selbst<br />

wenn teilweise ein wirtschaftliches Handeln vorläge, könne dies den ideellen Zielen dienen und dahinter zurücktreten<br />

(Nebenzweckprivileg). Die Entscheidung kommt Trägern entgegen, die eine KiTa als e.V. betreiben oder<br />

dies planen. Eine Prüfung im Einzelfall und eine bedachte Satzungsgestaltung bleiben jedoch unentbehrlich.<br />

Unser Newsticker informiert Sie regelmäßig über aktuelle Themen aus der Rechtsprechung<br />

www.curacon-recht.de/newsticker


Ausgabe 03-13 // veranstaltungen & Interna // 19<br />

veranstaltungen & interna<br />

Fachtag Gemeinnützigkeit/<br />

Steuerrecht<br />

24.09. Dortmund<br />

25.09. Stuttgart<br />

08.10. Darmstadt<br />

15.10. Berlin<br />

16.10. Ratingen<br />

17.10. Leipzig<br />

29.10. Hannover<br />

30.10. Hannover<br />

Praxisseminar „Jahresabschluss<br />

der Werkstatt und<br />

Arbeitsergebnis rechnung“<br />

26.09. Frankfurt a. M.<br />

22.10. Berlin<br />

Fachtag Altenhilfe<br />

09.10. Mannheim<br />

10.10. Düsseldorf<br />

23.10. Berlin<br />

24.10. Hamburg<br />

12.11. Nürnberg<br />

13.11. Münster<br />

Curacon Gesundheitsforum<br />

26.11. Frankfurt a. M.<br />

Fachtag<br />

Integrations unternehmen<br />

10.12. München<br />

12.12. Lübeck<br />

Messe ConSozial<br />

06.–07.11. Nürnberg<br />

Melden Sie sich online an unter<br />

www.curacon.de/fachtagungen<br />

Ihre Ansprechpartnerin:<br />

Simone Krattenmacher<br />

Tel. 0 61 51/2 78 91-17<br />

simone.krattenmacher@curacon.de<br />

Sozialer Marktplatz – Engagement Curacon<br />

Niederlassung Stuttgart<br />

Unter dem Motto „Gutes tun und gemeinsam gewinnen“<br />

fand am 25. Juni 2013 der Soziale Marktplatz im<br />

Stuttgarter Rathaus statt. Zum fünften Mal kamen Unternehmen<br />

und gemeinnützige Organi sationen hier zusammen,<br />

um soziale Kooperationen auszuhandeln. Curacon<br />

engagiert sich mit weiteren Wirtschaftsunternehmen<br />

als Kooperationspartner der Stadt Stuttgart u. a. mit<br />

„Helfenden Händen“ und Bewerbertrainings. Der Soziale<br />

Marktplatz kann Rekordzahlen<br />

verzeichnen: Nach<br />

knapp anderthalb Stunden<br />

regen Handels waren<br />

von den anwesenden<br />

23 Unternehmen und 33<br />

gemeinnützigen Organisationen<br />

87 Verträge über<br />

Kooperationsprojekte<br />

unterzeichnet worden.<br />

WP/StB Marco Sander, Niederlassungsleiter und Partner<br />

Curacon <strong>GmbH</strong>, im Gespräch mit Reinhold Halder, Leiter Stabsstelle<br />

„Förderung Bürgerschaftliches Engagement” Stadt Stuttgart<br />

Neuauflage „Die Krankenhausbehandlung –<br />

Kooperationsverträge“<br />

Die Autoren WP/StB Jan Grabow,<br />

RA Peter Pfeiffer, StB Andreas<br />

Seeger (alle Curacon) und der<br />

Kartellrechtler Dr. Carsten Grave<br />

(Linklaters) berücksichtigen in der<br />

zweiten Auflage des Praxiskommentars<br />

Neuerungen der Gesetze,<br />

der Gerichte, des Kartellamts sowie<br />

der Finanzverwaltung. Die Publikation enthält u. a.<br />

rechtlich und steuerlich kommentierte Vertragsmuster und<br />

wichtige Hinweise zur Vorbereitung und Umsetzung von<br />

Kooperationen sowie zum Thema Compliance. Nähere<br />

Informationen finden Sie auf der Web site der Deutschen<br />

Krankenhaus Verlagsgesellschaft unter www.dkvg.de<br />

Berufsexamina<br />

Wir gratulieren herzlich Frau Christina Danne, Frau Annika<br />

Ort, Frau Vanessa Schmidt (alle Niederlassung Münster),<br />

Frau Samantha Wolf (Niederlassung Hannover) und<br />

Frau Agathe Ziegler-Rascher (Niederlassung Nürnberg)<br />

zum erfolgreich abgelegten Steuerberater-Examen.<br />

Impressum<br />

Stand: September 2013<br />

Herausgeber: <strong>CURACON</strong> <strong>GmbH</strong> <strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong><br />

Redakt. verantw.: Michael Stahl (Geschäftsführender Partner <strong>CURACON</strong> <strong>GmbH</strong>)<br />

Druck: h.reuffurth gmbh, Philipp-Reis-Straße 6, 63165 Mühlheim a. Main<br />

Satz: Hübner & Sturk Werbeagentur <strong>GmbH</strong>, Rudolf-Diesel-Str. 24, 64625 Bensheim<br />

klimaneutral<br />

natureOffice.com | DE-335-614217<br />

gedruckt<br />

Für eine nachhaltige<br />

und verantwortungsbewusste<br />

Waldbewirtschaftung


Curacon ist eine bundesweit tätige Wirtschaftsprüfungs-<br />

und Beratungsgruppe<br />

mit rund 250 qualifizierten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern an 10 Standorten<br />

und gehört zu den 25 größten<br />

<strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong>en in<br />

Deutschland. Unsere Unternehmensgruppe<br />

umfasst neben der Curacon<br />

Wirt schaftsprüfungsgesellschaft die<br />

Curacon Weidlich Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

mbH.<br />

Unser Leistungsportfolio bietet ein<br />

breites Spektrum an maßgeschneiderten<br />

Lösungen und umfasst die Bereiche<br />

Wirtschaftsprüfung, Prüfungsnahe<br />

Beratung, Steuerberatung und Rechtsberatung.<br />

Wir sind Spezialist für die Branchen<br />

Gesundheits-, Sozialwesen und öffentlicher<br />

Sektor und betreuen dort bereits<br />

über 2.000 Mandanten. Zu unseren<br />

Mandanten aus dem Gesundheits- und<br />

Sozial wesen zählen unter anderem<br />

Alten- und Pflegeheime, Bildungseinrichtungen,<br />

Einrichtungen für Menschen<br />

mit Behinderungen, Jugendhilfeeinrichtungen,<br />

Krankenhäuser und Rehakliniken.<br />

Des Weiteren betreuen wir Versorgungskassen,<br />

öffentliche und kirchliche Ver -<br />

waltungen, Städte, Kommunen sowie<br />

kommunale Ver- und Entsorgungsbetriebe.<br />

<strong>CURACON</strong> <strong>GmbH</strong><br />

<strong>Wirtschaftsprüfungsgesellschaft</strong><br />

Münster (Zentrale)<br />

Scharnhorststraße 2<br />

48151 Münster<br />

Tel.: 02 51/9 22 08-0<br />

Fax: 02 51/9 22 08-250<br />

E-Mail: zentraleMS@curacon.de<br />

www.curacon.de<br />

<strong>CURACON</strong> Weidlich<br />

Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />

Münster (Zentrale)<br />

Scharnhorststraße 2<br />

48151 Münster<br />

Tel.: 02 51/53 03 50-0<br />

Fax: 02 51/53 03 50-550<br />

E-Mail: buero-ms@curacon-recht.de<br />

www.curacon-recht.de<br />

Berlin<br />

Platz vor dem Neuen Tor 2<br />

10115 Berlin<br />

Hannover<br />

Otto-Brenner-Straße 9<br />

30159 Hannover<br />

Nürnberg<br />

Südwestpark 60<br />

90449 Nürnberg<br />

Darmstadt<br />

Pfungstädter Straße 100 A<br />

64297 Darmstadt<br />

Leipzig<br />

Torgauer Straße 231–233<br />

04347 Leipzig<br />

Rendsburg<br />

Holstenstraße 5<br />

24768 Rendsburg<br />

Düsseldorf<br />

Niederrheinstraße 16/16a<br />

40474 Düsseldorf<br />

München<br />

Leopoldstraße 244<br />

80807 München<br />

Stuttgart<br />

Hospitalstraße 27<br />

70174 Stuttgart

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!