HBSpez_PC_34_35_PFLEGE_Mundpflege_A ok+.indd - Heilberufe
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<strong>PFLEGE</strong> MUND<strong>PFLEGE</strong><br />
Pflegen und erfrischen<br />
<strong>Mundpflege</strong> bei Sterbenden F Sie gehört zu den wichtigsten pflegerischen Handlungen<br />
in der palliativen Pflege. Denn bei der <strong>Mundpflege</strong> lässt sich schon mit wenigen,<br />
einfachen Maßnahmen die Lebensqualität des Patienten deutlich steigern.<br />
Der Mund ist eine der wahrnehmungsstärksten<br />
Zonen des Kör-<br />
D<br />
pers. Zudem ist er ein außerordentlich<br />
persönlicher Bereich. Entsprechend<br />
sorgfältig und bewusst sollte die <strong>Mundpflege</strong><br />
durchgeführt werden.<br />
Die Auswahl des <strong>Mundpflege</strong>präparates<br />
richtet sich nach dem individuellen<br />
Geschmack des Sterbenden und dem<br />
Zustand der Mundschleimhaut. Das Ziel<br />
der <strong>Mundpflege</strong> – Erfrischung, Entfernung<br />
von Belägen, Befeuchtung – sollten<br />
Pflegende sich klar machen, bevor sie<br />
sich für eine <strong>Mundpflege</strong>lösung entscheiden.<br />
Weigern Menschen sich, den Mund zur<br />
Pflege zu öffnen, so ist dies zunächst zu<br />
respektieren, keinesfalls sollte mit Nachdruck<br />
versucht werden, die Maßnahme<br />
durchzuführen. Manchmal ist ein Ster-<br />
bender im einen Moment nicht gewillt,<br />
den Mund zu öffnen, im nächsten aber<br />
ist er dankbar für die Linderung seiner<br />
Beschwerden und öffnet den Mund gerne.<br />
Bei Menschen, die nicht mehr klar<br />
orientiert sind, lohnt sich der Versuch,<br />
ihnen die Zahnbürste in die Hand zu<br />
geben und diese an den Mund zu führen<br />
– oft ist dies eine „Brücke“ zum freiwilligen<br />
Öffnen des Mundes.<br />
Befeuchtung der Mundschleimhaut<br />
Mundtrockenheit, die wohl häufigste<br />
Indikation zur <strong>Mundpflege</strong>, hat unterschiedlichste<br />
Ursachen wie Dehydratation,<br />
Fieber, die Gabe bestimmter Medikamente<br />
oder Mundatmung. Ziel der<br />
<strong>Mundpflege</strong> ist es, die Mundschleimhaut<br />
feucht zu halten durch Anregung<br />
des Speichelflusses und regelmäßige<br />
Mundbefeuchtung. Der Anregung des<br />
Speichelflusses dienen:<br />
z Gefrorene Fruchtstücke, die zum Lutschen<br />
gereicht oder in eine Kompresse<br />
gewickelt so in den Mund gelegt<br />
werden, dass sie mit dem Ende der<br />
Kompresse wieder aus dem Mund<br />
gezogen werden können. Geignet<br />
sind zum Beispiel Ananas, Orangen,<br />
Zitronen<br />
z Gefrorene Getränke, die ebenfalls in<br />
kleinen Stücken in den Mund gegeben<br />
werden – Fruchtsäfte, Cola, Bier,<br />
Sekt etc. nach Belieben<br />
z Rote Tees als <strong>Mundpflege</strong>lösung. Der<br />
hohe Säuregehalt kann jedoch zu<br />
Magenbeschwerden führen.<br />
z Fruchtbonbons (mit Zitrusgeschmack)<br />
oder Kaugummi (Minze)<br />
z Aromalampen mit Zitrusdüften<br />
z Soweit möglich kann der kranke<br />
Mensch mit seiner Zunge den<br />
Mundraum „massieren“ oder kauen.<br />
Eine Massage der Ohr- oder Unterzungenspeicheldrüsen<br />
verbessert<br />
ebenfalls den Speichelfluss.<br />
Zur häufigen Mundbefeuchtung eignen<br />
sich:<br />
z Wasser, Tee, Kaffee, Sekt etc. Fruchtsäfte<br />
und Milch sind eher ungeeignet<br />
z Butterflocken, Sahne, Olivenöl<br />
z Therapeutische Kräuteröle (z.B.<br />
Helagoöl auf Kamille-Salbei-Basis)<br />
z <strong>Mundpflege</strong>lösungen (z.B. Panthenollösung)<br />
F Die <strong>Mundpflege</strong> bei Schwerstkranken<br />
erfordert mitunter viel Geduld. Weigert sich<br />
der Patient den Mund zu öffnen, ist dies zunächst<br />
zu respektieren.<br />
Foto: Panthermedia<br />
Palliative Care . <strong>Heilberufe</strong> Spezial 2009
MUND<strong>PFLEGE</strong> <strong>PFLEGE</strong><br />
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Zudem können wässrige Lösungen in<br />
einen Zerstäuber gefüllt und in den<br />
Mund gesprüht werden. Lemonsticks<br />
sind für die Behandlung von Mundtrockenheit<br />
kontraindiziert. Das enthaltene<br />
Glycerin wirkt wasserbindend und trocknet<br />
die Mundschleimhaut zusätzlich aus.<br />
<strong>Mundpflege</strong>spray („künstlicher Speichel“)<br />
wird aufgrund des Geschmacks<br />
meist nicht toleriert, die Wirkung hält<br />
nur kurze Zeit vor.<br />
Die Lippenpflege sollte mit Panthenolsalbe<br />
erfolgen, Lippenpflegestifte und<br />
Vaseline sind auf Dauer nicht geeignet<br />
und nicht ausreichend. Die Erhöhung der<br />
Luftfeuchtigkeit im Krankenzimmer<br />
kann die Befeuchtung der Mundschleimhaut<br />
ebenfalls fördern.<br />
Borken und Beläge<br />
Borken und Beläge bilden sich vor allem<br />
bei Mundatmung, Flüssigkeitsmangel,<br />
trockener Raumluft und bei Entzündungen<br />
der Mundschleimhaut. Zur Ablösung<br />
der Beläge können je nach Vorliebe<br />
des Patienten verwendet werden:<br />
z Butter, Sahne, Olivenöl<br />
z Helagoöl<br />
z Vitaminbrausetabletten. Ein kleines<br />
Stück auf die Zunge legen und mit<br />
Wasser benetzen – durch die<br />
Schaumbildung werden Borken und<br />
Beläge abgelöst<br />
z Rosenhonig aus der Apotheke<br />
z Eine weiche Zahnbürste, mit der<br />
Zunge und Mundraum unter Verwendung<br />
von Wasser, Zahnpasta<br />
oder <strong>Mundpflege</strong>lösung sanft gebürstet<br />
werden<br />
Weitere Möglichkeiten sind das Kauen<br />
von harter Brotrinde, fetter Wurst (z.B.<br />
Salami) oder von Ananasstücken – auch<br />
hier der Vorliebe des Patienten folgend.<br />
Entzündungen im Mundraum<br />
Entzündungen entstehen meist durch<br />
die Immunschwäche des kranken Menschen,<br />
als Folge von Chemo- oder Radiotherapie,<br />
bei Tumorerkrankungen im<br />
Mund- und Rachenraum und wenn die<br />
Nahrungsaufnahme eingestellt wird, der<br />
Mund also die natürliche Flora verliert.<br />
Hier haben sich bewährt:<br />
z Spülungen oder Auswischen des<br />
Mundes mit Salbeitee<br />
z Helagoöl, Rhatania-Tinktur, Sanddornfruchtfleischöl<br />
(1 Tr. mehrmals<br />
täglich im Mund zergehen lassen)<br />
z Bombastus-Mundwasser, ein antiseptisch<br />
und erfrischend wirkendes<br />
Mundwasser auf Kräuterbasis, das<br />
stark verdünnt angewendet wird und<br />
auch bei Rhagaden im Mund nicht<br />
schmerzt (30 Tr./100 ml Wasser)<br />
z Andere <strong>Mundpflege</strong>lösungen mit<br />
Panthenol, Salviathymol, Kamillenextrakten<br />
z Bei Soor hilft neben Salbeitee ebenfalls<br />
Bombastus-Mundwasser<br />
(50 Tr./100 ml Wasser) oder Mulgatol-Junior-Gel.<br />
Häufig ist aber neben<br />
der lokalen fungiziden Therapie mit<br />
Nystatinpräparaten auch eine systemische<br />
Therapie zum Beispiel mit<br />
Diflucan angezeigt<br />
z Bei Entzündungen des Zahnfleischs<br />
haben sich bewährt: Sanddornfruchtfleischöl<br />
(1 Tr. mehrmals täglich im<br />
Mund zergehen lassen), Zahnfleischbalsam<br />
von Weleda, Einreiben oder<br />
Spülung mit Salbeitee<br />
Entzündliche Prozesse und Soorinfektionen<br />
im Mundraum sind meist sehr<br />
schmerzhaft. Neben einer möglichen<br />
Gabe von Analgetika wirken anästhesierende<br />
Gels oder Lutschtabletten lindernd,<br />
auch das Lutschen von Eisstückcken wird<br />
als angenehm erlebt. Saure Lösungen wie<br />
Malventee oder Zitronenwasser verursachen<br />
zusätzliche Schmerzen.<br />
Mundgeruch<br />
Tumore im Mund- und Rachenbereich,<br />
entzündliche oder maligne Prozesse im<br />
Gastrointestinaltrakt oder septische Veränderungen<br />
in den Luftwegen können<br />
starken Mundgeruch verursachen, der<br />
für alle Beteiligten Begegnungen außerordentlich<br />
erschweren kann. Behandlungsmöglichkeiten<br />
sind:<br />
z Spülungen mit antiseptischen<br />
Lösungen wie Betaisodona-Mundspüllösung<br />
oder mit Bombastus-<br />
Mundwasser (50 Tr./100 ml Wasser)<br />
4 Tee als therapeutisches<br />
<strong>Mundpflege</strong>mittel<br />
z Kamillentee: Entzündungshemmend,<br />
desinfizierend, beruhigend und schmerzlindernd<br />
bei Entzündungen des Mund- und<br />
Rachenraums und des Zahnfleischs<br />
z Salbeitee: Desinfizierend und gerbend<br />
bei Entzündungen des Mund- und Rachenraums,<br />
Stomatitis, bei Tumorwachstum und<br />
-zerfall im Mund- und Rachenraum, bei<br />
Soorinfektionen, Mundgeruch<br />
z Thymiantee: Durchblutungsfördernd, desinfizierend,<br />
desodorierend bei Entzündungen<br />
des Mund- und Rachenraums,<br />
Soorinfektionen und Mundgeruch<br />
z Ringelblumentee: Desinfizierend, adstringierend,<br />
abwehrsteigernd bei Entzündungen,<br />
Soorinfektionen und Blutungsneigung<br />
im Mund- und Rachenraum<br />
Lose Tees enthalten in der Regel mehr Wirkstoffe<br />
als Beutel-Tees.<br />
z Systemische antibiotische Behandlung<br />
zum Beispiel mit Clindamycin<br />
z Gabe von Chlorophyll-Dragees, die<br />
lokal und systemisch wirken<br />
z Salbeitee<br />
Als einfache und preiswerte Maßnahme<br />
lassen sich bei bestimmten Indikationen<br />
unterschiedliche Teesorten als <strong>Mundpflege</strong>mittel<br />
verwenden (siehe Kasten).<br />
Individuelle <strong>Mundpflege</strong> setzt Fantasie,<br />
Kreativität, das Kennen der Vorlieben<br />
des Patienten und Lust am Ausprobieren<br />
voraus. Doch das Erfolgserlebnis lässt<br />
meist nicht lange auf sich warten. Gerne<br />
übernehmen auch pflegende Angehörige<br />
nach entsprechender Anleitung diese<br />
Aufgabe. Sie haben dabei das positive<br />
Gefühl, noch etwas Wichtiges für den<br />
Sterbenden tun zu können. z<br />
E Susanne Kränzle<br />
E Sitzwache Evangelische Kirche<br />
in Stuttgart<br />
Römerstr. 71, 70180 Stuttgart<br />
2009 <strong>Heilberufe</strong> Spezial . Palliative Care