Thromboembolie Pflege Dossier - Heilberufe
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<strong>Pflege</strong><strong>Dossier</strong><br />
<strong>Thromboembolie</strong><br />
Venöse <strong>Thromboembolie</strong>n<br />
Epidemiologie, Ursachen und Folgen<br />
Thromboembolische Komplikationen gefährden viele Patienten.<br />
Eine tiefe Beinvenenthrombose kann nicht nur ein postthrombotisches<br />
Syndrom zur Folge haben, sondern auch zu einer –<br />
möglicherweise letal verlaufenden – Lungenembolie führen.<br />
Alle Körpergefäße können von<br />
einer intravasalen Thrombusbildung<br />
betroffen sein, besonders<br />
häufig kommen jedoch venöse<br />
<strong>Thromboembolie</strong>n (VTE) vor. VTE treten<br />
meist als tiefe Venenthrombosen<br />
(TVT) der Bein- und Beckenvenen in<br />
Erscheinung. Kommt es zu einer Embolisation<br />
in die Lunge und wird dadurch<br />
der Blutfluss in dem Organ blockiert,<br />
entsteht eine Lungenembolie, die potenziell<br />
lebensbedrohlich ist. Global betrachtet<br />
liegt die jährliche Inzidenz klinisch<br />
manifester TVT in der Allgemeinbevölkerung<br />
bei 90 bis 130/100.000<br />
Einwohner [1]. Damit erreicht die TVT-<br />
TAB. 1 HÄUFIGKEITEN<br />
DER T V T<br />
Patientengruppe<br />
Prävalenz<br />
von TVT<br />
Innere Medizin 10–20%<br />
Allgemeinchirurgie 15–40%<br />
Große gynäkologische Eingriffe 15–40%<br />
Große urologische Eingriffe 15–40%<br />
Neurochirurgie 15–40%<br />
Schlaganfall 20–50%<br />
Hüft- oder Kniegelenkersatz 40–60%<br />
Hüftfrakturen 40–60%<br />
Multiples Trauma 40–80%<br />
Rückenmarkverletzung 60–80%<br />
Intensivmedizin 10–80%<br />
(Gesamtraten symptomatischer und asymptomatischer<br />
TVT) in der operativen und konservativen<br />
Medizin, ohne Prophylaxe (modifiziert nach: [1])<br />
DEFINITION<br />
Unter dem Oberbegriff der venösen<br />
<strong>Thromboembolie</strong> (VTE) werden<br />
zwei Krankheitsbilder zusammengefasst:<br />
die tiefe Venenthrombose<br />
(TVT) und die Lungen- oder<br />
Pulmonalembolie<br />
Inzidenz im Mittel etwa 0,1%, variiert<br />
aber in Abhängigkeit von Lebensalter,<br />
Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit<br />
und dem Vorliegen möglicher Risikofaktoren.<br />
Dieser Basisinzidenz in der<br />
Normalbevölkerung stehen deutlich<br />
höhere TVT-Raten bei Krankenhauspatienten<br />
gegenüber [2, 3]. Für Deutschland<br />
fehlen exakte Angaben zur Gesamtinzidenz<br />
der VTE, da es kein epidemiologisches<br />
Register gibt.<br />
Thromboseursachen<br />
Die grundlegenden Erkenntnisse zur<br />
Pathophysiologie der VTE und der Lungenembolie<br />
hat Rudolf Virchow in seinem<br />
1859 veröffentlichten Buch „Die<br />
Cellularpathologie“ beschrieben. Er benannte<br />
drei Faktoren, die auch heute<br />
noch für die Entstehung einer Thrombose<br />
verantwortlich gemacht werden<br />
können (Virchowsche Trias):<br />
▶▶Schädigung des Gefäßendothels (z.B.<br />
durch Operationen, Entzündungen<br />
oder Traumata, degenerative Veränderungen,<br />
Diabetes)<br />
▶▶Verlangsamung des Blutflusses (z.B.<br />
nach Entbindungen, durch venöse<br />
Stase nach einer Operation, bei Bettlägerigkeit<br />
oder bei langem Sitzen)<br />
▶▶Hyperkoagulabilität durch Veränderungen<br />
der Blutzusammensetzung<br />
(z.B. bei Thrombophilie, durch hormonelle<br />
Einflüsse oder Tumorerkrankungen,<br />
Schwangerschaft, Dehydratation).<br />
Akute und dispositionelle Risiken<br />
Eine VTE-Prophylaxe ist somit in vielen<br />
klinischen Situationen erforderlich. Die<br />
internationale ENDORSE (Epidemiologic<br />
International Day for the Evaluation<br />
of Patients at Risk for Venous Thromboembolism<br />
in the Acute Hospital Care<br />
Setting)-Registerstudie konnte zeigen,<br />
dass bei mehr als der Hälfte aller stationär<br />
behandelten Patienten (51,8%) ein<br />
Risiko für thromboembolische Komplikationen<br />
und somit Bedarf für eine angemessene<br />
Prophylaxe besteht (Abb. 1)<br />
[5]. Ohne geeignete Präventionsmaßnahmen<br />
erreichen die Prävalenzraten<br />
symptomatischer und asymptomatischer<br />
TVT je nach Patientengruppe<br />
von 10-80% (Tab. 1) [1]. Die Wahrscheinlichkeit<br />
für die Entstehung von<br />
Thrombosen wird sowohl durch das<br />
expositionelle (akute) Risiko – z.B.<br />
durch Operationen und Immobilisation<br />
– als auch durch individuelle (dispositionelle)<br />
Basisrisiken des Patienten wie<br />
fortgeschrittenes Alter, Adipositas, erhebliche<br />
Varikosen oder <strong>Thromboembolie</strong>n<br />
in der Anamnese beeinflusst.<br />
Folgen einer Thrombose<br />
In der Akutphase können Thrombosen<br />
und Embolien für Patienten vital bedrohlich<br />
werden. Es entstehen aber auch<br />
häufig Spätfolgen, die für den Patienten<br />
mit langwierigen Leiden und Einschränkungen<br />
der Lebensqualität verbunden<br />
sind. Zu diesen Langzeitkomplikationen<br />
zählen das postthrombotische Syndrom,<br />
die Entstehung einer Varikosis und das<br />
Ulcus cruris venosum [6]. Sie treten oft<br />
erst Jahre nach einer Thrombose auf und<br />
werden daher gar nicht mit dem ursächlichen<br />
Ereignis in Verbindung gebracht,<br />
zumal ohnehin bis zu 60% der Patienten<br />
mit einer TVT symptomfrei sind und<br />
somit unbehandelt bleiben [7].<br />
2<br />
<strong>Heilberufe</strong> / Das <strong>Pflege</strong>magazin<br />
2012; <strong>Dossier</strong>