2010 - Haus der Volksarbeit eV
2010 - Haus der Volksarbeit eV
2010 - Haus der Volksarbeit eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
schwerpunkt<br />
SEXUELLER MISSBRAUCH AN<br />
KINDERN UND JUGENDLICHEN<br />
EIN SKANDAL UND DIE FOLGEN<br />
SEELENMORD. „Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt rütteln an den Grundfesten<br />
von Kirche und Gesellschaft. Sie gefährden die Fähigkeit zu vertrauen. Ohne<br />
Vertrauen kann keine Gesellschaft leben. Das wird beson<strong>der</strong>s deutlich gerade an den<br />
Beziehungen, in denen Vertrauen prinzipiell niemals von Kontrolle ersetzt werden kann<br />
– in den asymmetrischen Beziehungen zwischen Eltern und Kin<strong>der</strong>n, Lehrern und Schülern,<br />
Ärzten und Patienten, SEELEN UND SEELSORGERN. Die Schutzbefohlenen geben<br />
in diesen Beziehungen – mehr unbewusst als bewusst – einen einseitigen Vertrauensvorschuss.<br />
Gerade deswegen sind sie auch beson<strong>der</strong>s wehrlos und ausgeliefert. Durch<br />
das, was sie sind, sind sie unvermeidlich auf Schutz und Fürsorge angewiesen.“ (Mertes,<br />
<strong>2010</strong>a, aus: BZgA FORUM 3-<strong>2010</strong>, S. 20)<br />
Seit Beginn des Jahres <strong>2010</strong> ist das Thema <strong>der</strong> sexuellen Gewalt gegen Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche wie<strong>der</strong> verstärkt in den Blick <strong>der</strong> öffentlichen Aufmerksamkeit gekommen.<br />
Es begann mit <strong>der</strong> Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit durch Pater Mertes, Leiter des Canisiuskollegs<br />
in Berlin, über den sexuellen Missbrauch an ehemaligen Schülern in den<br />
1970er und -80er Jahren. Diese Offenlegung ermutigte bundesweit zahlreiche Opfer von<br />
sexueller Gewalt, sich in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu Wort zu melden. Daraus entwickelte sich<br />
ein Missbrauchsskandal, <strong>der</strong> ausgehend von einer katholischen Schule viele weitere<br />
kirchliche und nichtkirchliche Einrichtungen in den öffentlichen Blick nahm und unsere<br />
Gesellschaft tief erschüttert hat.<br />
Diese Aufklärung von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt hat deutlich gemacht,<br />
dass Mädchen und Jungen davon nicht nur in <strong>der</strong> Familie und im familialen Umfeld<br />
betroffen sein können, son<strong>der</strong>n auch in Einrichtungen, die sie zur Betreuung und Bildung<br />
besuchen. Kin<strong>der</strong> suchen oft in Lehrern und Priestern schützende Vaterfiguren,<br />
denen sie sich anvertrauen und von denen sie – aufgrund <strong>der</strong> asymmetrischen Beziehung<br />
– auch abhängig sind. Der Missbrauch dieses Vertrauens hat bei den Opfern oft lebenslang<br />
verheerende Folgen. Die Reaktionen sind vielfältig, sie reichen von Schock, Wut, Hass,<br />
körperlicher und seelischer Verletzung, über Schuld- und Schamgefühle, Depression,<br />
selbstzerstörerische Handlungen am eigenen Körper, Störungen in <strong>der</strong> sexuellen Identität,<br />
in Paarbeziehungen als Erwachsene und in <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> eigenen Elternrolle,<br />
bis hin zum Selbstmord – dem Mord des Selbst, dem Mord <strong>der</strong> eigenen Seele.<br />
SCHADEN AN DER GOTTESBEZIEHUNG. Beson<strong>der</strong>s schlimm sei es, so Prof.<br />
Kießling in seinem Vortrag auf dem Studientag zum sexuellen Missbrauch an <strong>der</strong> Hochschule<br />
Sankt Georgen in Frankfurt im Januar 2011, dass bei einem Missbrauch durch<br />
einen Priester damit auch die Gottesbeziehung mit dem Täter verwoben sei. Diese werde<br />
bei Opfern häufig geschädigt. Prof. Kießling: „Da <strong>der</strong> Gekreuzigte solidarisch mit allen<br />
Opfern ist, müssen sich die Täter vorhalten lassen, dass sie sich mit dem Seelenmord<br />
an ihren Opfern zu Henkern ihres Herrn gemacht haben.“ (Zitat aus: Der Sonntag,<br />
06.02.2011)<br />
haus <strong>der</strong> volksarbeit e.v. | jahresbericht <strong>2010</strong>