08.01.2014 Aufrufe

3. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als föderales ...

3. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als föderales ...

3. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als föderales ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>3.</strong> <strong>Das</strong> <strong>Heilige</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Deutscher</strong> <strong>Nation</strong> <strong>als</strong> <strong>föderales</strong><br />

Staatssystem (<strong>Reich</strong>stagsmuseum)<br />

Im ersten geführten Gang soll der Schwerpunkt auf<br />

der Frage der Funktionsweise eines föderalen Staatssystems<br />

liegen, während der zweite Weg durch die<br />

Ausstellung die Frage nach der europäischen Perspektive<br />

in den Mittelpunkt stellt.<br />

Um der Besucherin bzw. dem Besucher einen „roten<br />

Faden” an die Hand zu geben, sind Rückbezüge und<br />

Verknüpfungen neuer Exponate mit bereits vorgestellten<br />

Objekten erforderlich.<br />

Didaktische Hinweise:<br />

An der ersten Station sollte zunächst die historische<br />

Einordnung des Themas geleistet werden. Hier werden<br />

die für den weiteren Rundgang zu stellenden<br />

Fragen aufgeworfen, die Schülerinnen und Schüler<br />

an die Problemstellung herangeführt. <strong>Das</strong> <strong>als</strong> Textfahne<br />

ausgestellte Rousseau-Zitat eignet sich hierzu<br />

in besonderer Weise, da es den Blick auf die europäische<br />

Perspektive eröffnet, aber auch das auswertende<br />

Unterrichtsgespräch darauf zielen wird zu hinterfragen,<br />

wie ist das heilige römische <strong>Reich</strong> <strong>als</strong><br />

Rechtsordnung strukturiert, dass es im gesamteuropäischen<br />

Bezugsrahmen eine solch stabilisierende<br />

Rolle spielen kann.<br />

Daraus entwickeln sich die Leitfragen, die im folgenden<br />

zu beantworten sind:<br />

• Welche geographischen Raum umfasste das<br />

<strong>Reich</strong>?<br />

• Wer bildete das <strong>Heilige</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Reich</strong>?<br />

1. Historische Einordnung des <strong>Reich</strong>es<br />

Leitobjekt: Zitat aus dem „Extrait du projet de la<br />

paix perpétuelle“ von Jean-Jacques Rousseau<br />

1752: „Was in Wirklichkeit das europäische Staatensystem<br />

zusammenhält …, ist in der Hauptsache<br />

das Spiel der Verhandlungen, die sich nahezu allzeit<br />

im Gleichgewicht halten: Aber dieses System<br />

hat noch eine andere wirksame Stütze, nämlich<br />

das Deutsche <strong>Reich</strong>, das vom Herzen Europas aus<br />

alle anderen Mächte im Zaume hält und vielleicht<br />

der Sicherheit der anderen noch mehr dienen<br />

kann <strong>als</strong> seiner eigenen; durch seine Größe und<br />

die Zahl und Tapferkeit seiner Völker ein achtunggebietendes<br />

<strong>Reich</strong>, dessen Verfassung allen<br />

von Nutzen ist, die, indem sie ihm die Mittel und<br />

den Willen zu Eroberungen unterbindet, es zugleich<br />

zu einer Klippe der Eroberer macht. Ungeachtet<br />

der Fehler dieser <strong>Reich</strong>sverfassung ist es<br />

doch gewiss, dass, solange sie besteht, das<br />

Gleichgewicht Europas nicht verletzt werden<br />

kann, dass kein Herrscher zu fürchten hat, von einem<br />

anderen entthront zu werden, und dass der<br />

westfälische Friedensvertrag vielleicht für immer<br />

die Grundlage des politischen Systems unter uns<br />

bleiben wird. <strong>Das</strong> öffentliche Recht, das die Deutschen<br />

so gründlich studieren, ist somit noch weit<br />

wichtger, <strong>als</strong> sie glauben, denn es ist nicht allein<br />

das germanische öffentliche Recht, sondern in gewissem<br />

Sinn das von ganz Europa.“<br />

2. <strong>Das</strong> <strong>Heilige</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Reich</strong>: geografischer<br />

und politischer Raum<br />

17.2 Karl V. <strong>als</strong> Herrscher des gesamten Erdkreises<br />

Habsburgerzyklus Linz, um 1593/94<br />

Öl/Leinwand, 91,5 x 180<br />

Linz, Stadtmuseum Nordico (11009)<br />

Didaktische Hinweise:<br />

In der Besprechung des Gemäldes ist zunächst auf<br />

den daraus hervorgehenden Machtanspruch einzugehen.<br />

Karl stellt sich <strong>als</strong> „Sieger des Erdkreises“<br />

gleichsam <strong>als</strong> Weltherrscher dar. Als Einstieg in das<br />

Unterrichtsgespräch eignet sich auch der offizielle<br />

Herrschertitel Karls (römischer Königs, Kaiser, König<br />

von Spanien, Erzherzog von Österreich, Herzog<br />

von Burgund und Herr über die indianischen Inseln,<br />

in Afrika und Asien, so lautete der Titel in Auszügen!).<br />

<strong>Das</strong> Bild leitet so über zur Frage des geografischen<br />

Raumes.<br />

<strong>Das</strong> Bild stammt aus dem so genannten Habsburgerzyklus,<br />

der vermutlich um 1593/94 im Auftrag eines<br />

Politikers und Historiographen aus dem Umkreis<br />

Kaiser Rudolfs II. entstand. <strong>Das</strong> Porträt Karls V.<br />

dürfte nach dem Vorbild eines Bildes von Tizian,<br />

das dieser 1548 auf dem Augsburger <strong>Reich</strong>stag vom<br />

Kaiser gemalt hatte, gestaltet sein. Der Kaiser steht<br />

in schwarz-goldener Rüstung, mit Lorbeerkranz und<br />

Orden vom Goldenen Vlies angetan, mit dem linken<br />

Fuß auf der Weltkugel ruhend, inmitten der von ihm<br />

besiegten Länder, Städte und Herrscher. Ganz vorne<br />

links kniet der Pfalzgraf bei Rhein, dahinter die<br />

evangelischen Städte und Fürsten. Doch der Kaiser<br />

triumphiert hier nicht nur über Protestanten, Franzosen<br />

und Türken, sondern auch über die letzten Könige<br />

der Inkas und Azteken. Die Säulen des Herkules<br />

am Horizont mit Karls Motto „plus ultra“ (darüber<br />

hinaus) weisen hinüber in die Neue Welt.<br />

Auf Grund der vielen Details ist eine genaue Beschreibung<br />

im Unterrichtsgespräch möglich. Im<br />

40


Lehrervortrag können dann Sachinformationen zu<br />

Karl V. gegeben werden, die seine Stellung relativieren.<br />

Möglich wäre hier auch die Vergabe eines Referates<br />

<strong>als</strong> historisches Stichwort zum Thema „Wer<br />

war Karl V.?“<br />

Lehrerinfo:<br />

Seine Herrschaft bezog sich nicht nur auf das <strong>Heilige</strong><br />

<strong>Römische</strong> <strong>Reich</strong>, <strong>als</strong> dessen Kaiser Karl 1530 in<br />

Bologna vom Papst (Clemens VII., 1523–1534) gekrönt<br />

wurde – übrigens zugleich <strong>als</strong> letzter Kaiser<br />

des Alten <strong>Reich</strong>s. 1506 hatte der dam<strong>als</strong> sechsjährige<br />

Karl von seinem Vater Philipp dem Schönen den<br />

burgundischen Besitz geerbt und 1516 folgte er seinem<br />

Großvater Ferdinand dem Katholischen in Spanien<br />

und Neapel-Sizilien. Mit dieser Regierung in<br />

Spanien (<strong>als</strong> König Karl I.) ist auch die Herrschaft in<br />

der Neuen Welt verbunden; Mexiko wurde 1521,<br />

Peru 1533 erobert. Während der Habsburger Karl<br />

diese Herrschaftstitel durch dynastische Erbfälle erhielt,<br />

musste er sich um die Herrschaft in der Erbmonarchie<br />

des <strong>Reich</strong> bei den Königswählern sichern.<br />

Mitbewerber war der französische König<br />

Franz I. (1515–1547), den Karl nicht zuletzt durch<br />

den Einsatz großer finanzieller Mittel überwand. Für<br />

die Verfassungsentwicklung entscheidend war, dass<br />

Karl bei seiner Wahl <strong>als</strong> erster künftiger König und<br />

Kaiser seine Rechte durch eine Wahlkapitulation<br />

einschränken musste. So gibt die riesige Ausdehnung<br />

des Herrschaftsbereichs ein f<strong>als</strong>ches Bild:<br />

Gänzlich unterschiedliche Herrschaftstraditionen,<br />

unterschiedliche Sprachen und Kulturen und weite<br />

Wege beschränkten auf natürliche Weise die Durchsetzungsfähigkeit<br />

des Monarchen. Die Reformation<br />

in Deutschland, deren Auswirkungen die gesamte<br />

Herrschaftsperiode Karls bestimmten, führte deutlich<br />

die Grenzen der kaiserlichen Macht vor Augen.<br />

Angesichts der schwierigen Ausgangslage erstaunen<br />

die Erfolge Karls, so etwa sein fast vollständiger<br />

Sieg im Schmalkaldischen Krieg gegen die protestantischen<br />

<strong>Reich</strong>sfürsten (1547). Doch dieser Erfolg und<br />

die damit verbundene Demütigung der protestantischen<br />

Stände war nicht von Dauer; mit dem Abschluss<br />

des Augsburger Religionsfriedens 1555 sah<br />

Karl sein Lebenswerk im Wesentlichen <strong>als</strong> gescheitert<br />

an. Die Konsequenz war seine Abdankung, ein<br />

bis dahin in der deutschen Geschichte einmaliger<br />

Vorgang.<br />

17.1 Erdglobus<br />

Gerhard Mercator (1512–1594)<br />

Löwen, 1541<br />

Bez.: „Edebat Gerardus Mercator Rupelmundanus<br />

cum privilegio Caes. Maiestatis ad annos sex<br />

Lovanii an: 1541"<br />

Kugel: Pappe mit Gipskreide grundiert, Kupferstich<br />

(z. T. koloriert) in 12 Segmenten und 2 Polkappen;<br />

Meridianring: Messing; Gestell: Holz;<br />

55 x 52 x 52; Ø (Globus) 41,5<br />

Museen der Stadt Regensburg (KN 2000/96)<br />

Lehrerinfo:<br />

Zur Zeit der großen Entdeckungen stellten Kartografen<br />

die neuen Erkenntnisse auf Globen, Atlanten und<br />

Karten dar. Dieser Erdglobus kostete Gerhard Mercator<br />

zwei Jahre Arbeit. Er wurde 1541 in Löwen<br />

fertiggestellt. Die Schaffung des Erdglobus erfolgte<br />

in einer Zeit, in der die ökonomischen und machtpolitischen<br />

Interessen der europäischen Länder immer<br />

mehr über die Grenzen des alten Kontinents hinausgingen.<br />

Abgesehen von der Konfrontation mit immer<br />

neuen Erdteilen durch die Erkenntnisse der<br />

Entdeckungs- und Eroberungsreisen des ausgehenden<br />

15. und frühen 16. Jahrhunderts trugen diese<br />

Reisen auch dazu bei, den geographischen Wissensstand<br />

ständig zu aktualisieren. So auch Gerhard Mercator,<br />

der 1541 den „neuesten Stand“ wiedergab.<br />

Eine wichtige Neuerung waren hier die loxodromischen<br />

Linien (Längenkreise) zur Festlegung von<br />

Seerouten.<br />

17.5 Die politische Entwicklung Europas und seiner<br />

Grenzen: Kartenüberblendungen: <strong>Römische</strong><br />

Provinzen, Frankenreich, <strong>Heilige</strong>s <strong>Römische</strong>s<br />

<strong>Reich</strong> (um 1500, um 1800), <strong>Deutscher</strong> Bund,<br />

Deutsches <strong>Reich</strong>, EG 1960, EU 2000.<br />

Kartenüberblendung (EDV-Station)<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Zur Herleitung des „Flickenteppichs“, den das <strong>Heilige</strong><br />

<strong>Römische</strong> <strong>Reich</strong> darstellte, erhalten die Schülerinnen<br />

und Schüler die Aufgabe ein weißes Blatt Papier<br />

mit einer Farbe ihrer Wahl zu bemalen. Werden<br />

die Blätter hoch gehalten, erhält man eine Annäherung<br />

an die zu betrachtende Landkarte. Gleichzeitig<br />

sollten hier Grundbegriffe wie Zentralismus, Föderalismus,<br />

Staatenbund, Bundesstaat geklärt werden.<br />

Die Kartenüberblendung kann auch im arbeitsteiligen<br />

Verfahren betrachtet werden, indem an einzelne<br />

Gruppen konkrete Beobachtungsaufträge zu einem<br />

Zeitschnitt vergeben werden.<br />

<strong>3.</strong> Die Organisation des „alten <strong>Reich</strong>es”:<br />

<strong>Reich</strong>sstände, <strong>Reich</strong>skreise<br />

Im weiteren Rundgang richtet sich der Blick auf das<br />

Innenleben des <strong>Reich</strong>es, auf seine innere Organisation.<br />

Hierbei gilt es zunächst Begriffsklärung zu betreiben<br />

und vor allem den Terminus „<strong>Reich</strong>ststand“<br />

zu erarbeiten. Dazu kann zunächst die alphabetische<br />

41


Liste der <strong>Reich</strong>sstände von 1792 herangezogen werden:<br />

17.9 Die <strong>Reich</strong>sstände im Jahr 1792<br />

Liste nach Kollegien<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Die ausgestellten Objekte geben einen Einblick in<br />

die diesbezügliche Vielgestaltigkeit des <strong>Reich</strong>s –<br />

von geistlichen <strong>Reich</strong>sständen bis hin zu den <strong>Reich</strong>sdörfern.<br />

Hier ist eine Auswahl der näher zu betrachtenden<br />

<strong>Reich</strong>sstände angezeigt.<br />

17.17 Die <strong>Reich</strong>sstände in der Schedelschen<br />

Weltchronik<br />

a) Hartmann Schedel: <strong>Das</strong> Buch der Chroniken<br />

Nürnberg, Anton Koberger, 1493<br />

Inkunabeldruck/Papier, 47,5 x 32,5<br />

Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek (2° Ink.<br />

935)<br />

b) Hartmann Schedel: <strong>Das</strong> Buch der Chroniken<br />

Nürnberg, Anton Koberger, 1493<br />

Inkunabeldruck/Papier, Holzeinband mit weißem<br />

Lederüberzug, 44,5 x 32<br />

Provenzienz: Matthäus Schmolig, ecclesiae orthodoxae<br />

minister 1655<br />

Regensburg, Staatliche Bibliothek (2° Inc. 125)<br />

Lehrerinfo:<br />

Die komplexe innere Gliederung des <strong>Reich</strong>s mit seinen<br />

Ständen, mit den diversen Ämtern und teilweise<br />

konkurrierenden Institutionen, mit Ehrentiteln und<br />

Rangstreitigkeiten ließ und lässt sich nicht in einem<br />

einfachen hierarchischen Schema darstellen. Zugleich<br />

empfand man offenbar stets auch die Herausforderung,<br />

den Aufbau des <strong>Reich</strong>s zumindest allegorisch<br />

oder metaphorisch zu umschreiben. <strong>Das</strong> <strong>Reich</strong><br />

<strong>als</strong> Schiff, <strong>als</strong> Uhr, <strong>als</strong> Organismus, <strong>als</strong> Schachspiel -<br />

alle diese Näherungen bewiesen schließlich nur, dass<br />

das komplizierte Ganze sich einer einheitlichen Interpretation<br />

entzog. <strong>Das</strong> gilt auch für die im 14. Jahrhundert<br />

entwickelte Quaternionenlehre, die das Verhältnis<br />

der <strong>Reich</strong>sstände untereinander abbilden<br />

wollte. Hierbei wurden jeweils Vierergruppen von<br />

<strong>Reich</strong>sständen gebildet und selbst wiederum mit<br />

Standesbezeichnungen versehen, die nur in den<br />

obersten Rängen den tatsächlichen Verhältnissen<br />

entsprachen.<br />

Auch in Anton Kobergers deutschen Ausgabe der<br />

Schedelschen Weltchronik vom Dezember 1493<br />

wird die Organisation des <strong>Heilige</strong>n <strong>Römische</strong>n<br />

<strong>Reich</strong>s mit Hilfe der Quaternionentheorie abgebildet.<br />

In zwei aufeinanderfolgenden doppelseitigen<br />

Holzschnitten erscheinen die oberen hierarchischen<br />

Ränge des <strong>Reich</strong>s <strong>als</strong> Personen (Kaiser und Kurfürsten<br />

mit den Zeichen der Erzämter) beziehungsweise<br />

<strong>als</strong> Herolde mit den Schilden der vertretenen <strong>Reich</strong>sstände;<br />

die niederen Ränge werden durch typisierte<br />

Stadtansichten wiedergegeben. Auf Blatt CLXXXIII<br />

in der Abteilung des sechsten Weltalters, zu dem die<br />

Geschichte des <strong>Reich</strong>s gerechnet wird, ist diese Anordnung<br />

erläutert: „Do das römisch kaiserthumb an<br />

die teutschen gewendet wardt do ist es zu sterckrer<br />

bestenndigkeit gestift und gefestigt worden auff wier<br />

sewln. <strong>als</strong> auff vier hertzogen. vier marggrafen. vier<br />

lantgrafen. vier burggrafen. vier grafen. vier panyerherren.<br />

vier freyen. vier ritter. vier stett. vier dörffer<br />

und auf vier pawrn nach anzaigung der nachfolgenden<br />

figur.“<br />

Die Bemühung, jeweils die Vierzahl zu erreichen,<br />

führen bei der Quaternionendarstellung zu relativ<br />

unsinnigen Zusammenstellungen. Nur vier <strong>Reich</strong>sstädte<br />

etwa gehören tatsächlich zu den „Städten“<br />

(Augsburg, Metz, Aachen und Lübeck), während<br />

Bamberg, Schlettstadt, Hagenau und Ulm gemeinsam<br />

zu den „Dörfern“ gerechnet werden. Die zum<br />

damaligen Zeitpunkt gewiß ökonomisch und politisch<br />

bedeutenderen Städte (nur zum Teil <strong>Reich</strong>sstädte)<br />

Köln, Regensburg, Konstanz und Salzburg<br />

erscheinen <strong>als</strong> „Bauern“. Freilich konnte sich das geschichtliche<br />

Selbstverständnis in einer durch Kaiser<br />

und <strong>Reich</strong>stage geprägten Stadt wie Regensburg mit<br />

einer Einordnung <strong>als</strong> „<strong>Reich</strong>sbauer” nicht zufrieden<br />

geben, weshalb die Quaternionenlehre in der städtischen<br />

Geschichtsschreibung auch nur eine geringe<br />

Rolle spielt. So berichtet der Stadtchronist Franziscus<br />

Hieremias Grienewaldt 1615/16, dass die<br />

Quaternionenlehre zu seiner Zeit nicht mehr sehr geschätzt<br />

werde. Viele wüßten gar nichts damit anzufangen<br />

und erklärten angeblich Regensburgs Stellung<br />

<strong>als</strong> „<strong>Reich</strong>sbauer“ mit den großen Bauernhöfen<br />

am Rande des Stadtgebiets. <strong>Das</strong> weist darauf hin<br />

zeigt, dass manche komplexen Allegorien auch für<br />

die Zeitgenossen relativ unverständlich blieben und<br />

vorwiegend literarische, aber kaum politische Wirkung<br />

entfalteten.<br />

17.16 Die Wappen der <strong>Reich</strong>sstände (Carte Heraldique<br />

representant les armes de L´Empereur<br />

des electeurs des princes tant ecclesiastiques que<br />

seculiers et de tous les etats du Saint Empire Romain),<br />

aus: Henri Abraham Châtelain: Atlas Historique,<br />

Bd.7, Tf.7<br />

Amsterdam, um 1720/21<br />

Kupferstich, koloriert 54,2 x 106, Platte 49,8 x<br />

99,6<br />

Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst<br />

und Kulturgeschichte (C-9028 LM)<br />

Lehrerinfo:<br />

Einer der bedeutendsten Staatsrechtler des Alten<br />

<strong>Reich</strong>s, Johann Jakob Moser (1701–1785), definierte<br />

den Begriff „<strong>Reich</strong>sstand“ folgendermaßen: „Ein<br />

Stand des Teutschen <strong>Reich</strong>s ist eine Person oder<br />

Commun, welche 1. ein unmittelbares Land oder<br />

42


Gebiet besizet, und 2. in Ansehung desselbigen Sitz<br />

und Stimme auf allgemeinen Veranstaltungen hat.“<br />

Welches Territorium, welche Herrschaft den Rang<br />

der <strong>Reich</strong>sunmittelbarkeit beanspruchen durfte, dies<br />

entschied sich in einem langwierigen Prozess, der zu<br />

Beginn der frühen Neuzeit zu einem gewissen Abschluss<br />

gekommen war.<br />

<strong>Reich</strong>sunmittelbar sollte sein, wer direkt an Kaiser<br />

und <strong>Reich</strong> Truppen und Abgaben stellen konnte.<br />

Diese Stände wurden in den so genannten „<strong>Reich</strong>smatrikeln“<br />

zusammengefasst, in denen die Zahl der<br />

zu stellenden Truppen festgelegt wurde. Maßgeblich<br />

für die frühe Neuzeit wurde insbesondere die<br />

<strong>Reich</strong>smatrikel von 1521. Dort wurden die Gruppen<br />

der Kurfürsten, <strong>Reich</strong>sfürsten, <strong>Reich</strong>sprälaten,<br />

<strong>Reich</strong>sgrafen und <strong>Reich</strong>sstädte festgelegt. Die<br />

<strong>Reich</strong>sritterschaft war zwar reichsunmittelbar, konnte<br />

aber keine Teilnahme am <strong>Reich</strong>stag durchsetzen.<br />

Die Wormser <strong>Reich</strong>smatrikel zählte 383 leistungspflichtige<br />

<strong>Reich</strong>sstände. Freilich gab es vielfältige<br />

Veränderungen durch Standeserhöhungen oder Aussterben<br />

von herrschenden Familien. Ein Verzeichnis,<br />

das Johann Stephan Pütter 1792 zusammenstellte,<br />

führte 294 <strong>Reich</strong>sstände auf. Während sich die Zahl<br />

der geistlichen <strong>Reich</strong>sfürsten zwischen 1521 und<br />

1792 um ein Drittel verringerte, verdoppelte sich die<br />

Zahl der weltlichen <strong>Reich</strong>sfürsten, die eine <strong>Reich</strong>sstandschaft<br />

erwarben. Trotzdem hielten sich die Veränderungen<br />

in Grenzen. Auf dem Augsburger<br />

<strong>Reich</strong>stag von 1582 wurde beschlossen, die Zahl der<br />

<strong>Reich</strong>sfürsten nicht durch Erbteilungen zu erhöhen.<br />

Die <strong>Reich</strong>sstandschaft wurde nun an das fürstliche<br />

Territorium gebunden. Wenn ein Fürst etwa durch<br />

Erbfälle mehrere reichsunmittelbare Territorien erwarb,<br />

so führte er auch deren Stimmen am <strong>Reich</strong>stag.<br />

Die Wappentafel versammelt Wappenschilder und<br />

Helmzieren der <strong>Reich</strong>sstände. Im Zentrum befindet<br />

sich der Doppeladler mit der Kaiserkrone, umgeben<br />

von den Wappen der Erblande. Den äußeren Kreis<br />

bilden die Wappen der Kurfüsten, bekrönt von den<br />

Wappen der Erzbischöfe von Salzburg und Mainz<br />

sowie dem Großmeister des Deutschen Ordens.<br />

Rechts und links davon befinden sich zunächst die<br />

Wappen der Bischöfe und Prälaten, dann der weltlichen<br />

<strong>Reich</strong>sfürsten. Den unteren Teil der Tafel nehmen<br />

die Grafen und Grafenkollegen ein während<br />

rechts und links außen die <strong>Reich</strong>sstädte aufgeführt<br />

sind.<br />

Vertiefend können auch die bayerischen <strong>Reich</strong>sstände<br />

und die <strong>Reich</strong>skreise einbezogen werden:<br />

17.19 b) Die „Eiserne Hand“ des Götz von Berlichingen,<br />

19. Jh.<br />

Gerät, Metall<br />

Jagsthausen, Frhr. von Berlichingen<br />

17.11 Moderne Karte mit Einzeichnung der Grenzen<br />

der ehemaligen <strong>Reich</strong>skreise<br />

Reproduktion<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Lehrerinfo:<br />

Die <strong>Reich</strong>skreise <strong>als</strong> regionale Organisationsform<br />

können in dieser Phase zur Vertiefung mitherangezogen<br />

werden Diese waren neben dem <strong>Reich</strong>stag bis<br />

zum Ende des 18. Jahrhunderts die Institution, durch<br />

die <strong>Reich</strong>sverfassung besonders wirksam blieb. Sie<br />

standen in der Tradition der spätmittelalterlichen<br />

Landfriedenspolitik. So gehörte auch die Wahrung<br />

des Landfriedens im <strong>Reich</strong> zu den wichtigsten Aufgaben<br />

der <strong>Reich</strong>skreise, die in den Jahren zwischen<br />

1500 und 1512 gegründet worden waren. Doch den<br />

Beginn markiert im Zusammenhang mit der Schaffung<br />

des ersten <strong>Reich</strong>sregiments auf dem Augsburger<br />

<strong>Reich</strong>stag 1500 die Bildung von sechs <strong>Reich</strong>skreisen<br />

<strong>als</strong> Wahlbezirke. Diese Kreise setzten sich<br />

aus <strong>Reich</strong>sständen aller Gruppen (ohne Kurfürsten)<br />

zusammen.<br />

Auf dem Kölner <strong>Reich</strong>stag von 1512 traten neben<br />

die alten rein geografisch bestimmten Wahlbezirke<br />

vier weitere <strong>Reich</strong>skreise. Somit gab es nun den<br />

Fränkischen, Bayerischen, Schwäbischen, Oberrheinischen,<br />

Niederrheinisch-westfälischen, Niedersächsischen,<br />

Österreichischen, Burgundischen, Kurrheinischen<br />

und den Obersächsischen Kreis. Außerhalb<br />

blieben Böhmen, die Schweizer Eidgenossenschaft,<br />

der Deutsche Orden, die Diese zweite Einteilung des<br />

<strong>Reich</strong>s in Kreise sollte der Aufrechterhaltung des<br />

Landfriedens dienen. Doch dies wurde nur allmählich<br />

erreicht. In der Folge der ersten Belagerung<br />

Wiens durch die Türken 1529 nahmen die <strong>Reich</strong>skreise<br />

Konturen einer Organisation an, in deren Mittelpunkt<br />

der Kreistag <strong>als</strong> Beratungs- und Beschlußgremium<br />

stand. Unabhängig von der Zugehörigkeit<br />

zu den verschiedenen <strong>Reich</strong>sständischen Gruppen<br />

verfügten alle Kreismitglieder über je eine Stimme<br />

und bestimmten die Funktionsträger: Kreishauptmann<br />

(Kreisoberst), Zugeordnete (Räte), Nachgeordnete<br />

(Vertreter des Kreishauptmanns), Personal<br />

für Kanzlei, Kasse, Archiv, ggf. Führung des<br />

<strong>Reich</strong>smilitärs. Einladung für Kreistage erging in jedem<br />

<strong>Reich</strong>skreis durch den vornehmsten <strong>Reich</strong>sfürsten<br />

(kreisausschreibende Fürsten). In der Mehrzahl<br />

der <strong>Reich</strong>skreise gab es deren zwei: je einen geistlichen<br />

und einen weltlichen <strong>Reich</strong>sfürsten. Ab den<br />

1530er Jahren entwickelten die <strong>Reich</strong>skreise ihr charakteristisches<br />

Eigenleben. Einige Kreise setzten<br />

sich aus nur etwas mehr <strong>als</strong> zehn <strong>Reich</strong>sständen zusammen<br />

(Burgundischer, Österreichischer, Kurrheinischer)<br />

gehörten zu den anderen mehr <strong>als</strong> 20 (Fränkischer,<br />

Bayerischer, Niedersächsischer), mehr <strong>als</strong><br />

40 (Obersächsischer), <strong>als</strong> 50 (Niederrheinisch-<br />

Westfälischer), <strong>als</strong> 70 (Oberrheinischer) oder gar<br />

43


100 (Schwäbischer). Besonders zersplitterte Körper<br />

entwickelten sich mehr zur Selbstverwaltung. Außerdem<br />

wirkte es sich aus, wenn ein <strong>Reich</strong>sfürst mit<br />

seinen Territorien Mitglied mehrerer <strong>Reich</strong>skreise<br />

war und die landesherrlichen Interessen über die<br />

Kreisinteressen stellte.<br />

Die Entwicklung der <strong>Reich</strong>skreise fand ihren Abschluss<br />

in der Verabschiedung der <strong>Reich</strong>sexekutionsordnung<br />

1555. Nach deren Bestimmungen fiel den<br />

Kreisen die zentrale Rolle bei der Wiederherstellung<br />

des Landfriedens zu. In der zweiten Hälfte des 16.<br />

Jahrhunderts erhielten die <strong>Reich</strong>skreise dann auch<br />

verstärkt die Aufgabe, die Verteidigung des <strong>Reich</strong>s<br />

nach außen wahrzunehmen. Nach der 1681/82 beschlossenen<br />

<strong>Reich</strong>skriegsverfassung hatten sie unterschiedlich<br />

große Kreiskontingente für ein <strong>Reich</strong>sheer<br />

zu stellen. Der Österreichische Kreis mußte ca.<br />

20 Prozent und damit den größten Teil einbringen,<br />

die anderen Kreise ca. je 10 Prozent, der fränkische<br />

Kreis 7,2 Prozent und der bayerische mit 5,7 Prozent<br />

den geringsten Anteil. In den <strong>Reich</strong>skriegen des 18.<br />

Jahrhunderts wurden die <strong>Reich</strong>skreise die entscheidende<br />

Ebene für das <strong>Reich</strong>smilitärwesen.<br />

Ferner waren die <strong>Reich</strong>skreise aktiv auf den Gebieten<br />

<strong>Reich</strong>smünze, Moderation der <strong>Reich</strong>smatrikel,<br />

Handel und Gewerbe, Polizeiordnungen. Seit Mitte<br />

16. Jahrhundert kam es zur Zusammenarbeit zwischen<br />

mehreren oder auch allen <strong>Reich</strong>skreisen.<br />

<strong>Reich</strong>skreistag konnte sich allerdings nicht in Konkurrenz<br />

zum <strong>Reich</strong>stag durchsetzen, da die mächtigeren<br />

<strong>Reich</strong>ssände nicht bereit waren, sich durch die<br />

Repräsentanten der Kreistage vertreten zu lassen.<br />

Bedeutung allerdings bei Spezialfragen, so bei den<br />

<strong>Reich</strong>smünztagen.<br />

Am Abschluss dieses Abschnitts sollte die erste Annäherung<br />

an die konkrete Funktionsweise des politischen<br />

Systems „<strong>Heilige</strong>s <strong>Römische</strong>s <strong>Reich</strong> <strong>Deutscher</strong><br />

<strong>Nation</strong>“ stehen.<br />

17.15 Schematisches Organisationsmodell des<br />

<strong>Heilige</strong>n <strong>Römische</strong>n <strong>Reich</strong>s<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Spätestens seit dem 16. Jahrhundert wird der politische<br />

Aufbau des <strong>Heilige</strong>n <strong>Römische</strong>n <strong>Reich</strong>s durch<br />

den Dualismus zwischen Kaiser und <strong>Reich</strong>sständen<br />

geprägt. Mehrere Gewalten mit unterschiedlichen<br />

Zielen standen einander gegenüber und verhinderten,<br />

dass eine Partei allein das Übergewicht erhielt. Eine<br />

wichtige Wegmarke in dieser Entwicklung bildete<br />

der Wormser <strong>Reich</strong>stag von 1495, auf dem durch<br />

Schaffung von <strong>Reich</strong>sinstitutionen Frieden und<br />

Recht auf Dauer gesichert werden sollten.<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Ziel der Besprechung ist die Klärung der Begriffe<br />

„<strong>Reich</strong>sstand“ und „Ständegesellschaft“. Mit Hillfe<br />

der Objekte sollte klar werden, wer in welcher Weise<br />

an der Ausübung der politischen Macht beteiligt<br />

war bzw. von der Teilhabe ausgeschlossen war.<br />

Als ein gravierender Faktor des politischen Systems<br />

des <strong>Reich</strong>es ergibt sich die Person bzw. das Amt des<br />

Kaisers, das deshalb <strong>als</strong> nächster Programmpunkt zu<br />

betrachten ist.<br />

4. <strong>Das</strong> <strong>Heilige</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Reich</strong> <strong>als</strong> Wahlkönigtum<br />

– Kaiser und Kurfürsten<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Hier ist ein lehrerzentriertes Verfahren mit Unterbrechung<br />

durch historische Stichworte ( kurze Schülerreferate)<br />

möglich. Alternativ böte sich auch ein arbeitsteiliges<br />

Verfahren <strong>als</strong> Expertenarbeit (vgl.<br />

Rundgang „Wenn ich König von Deutschland<br />

wär…“) an.<br />

19.1 a) Deutsche Könige und Kaiser <strong>als</strong> Zinnfiguren<br />

in Fassadenarchitektur<br />

Zinnfiguren, bemalt, 20. Jahrhundert<br />

Präsentationsarchitektur, 90 x 90<br />

Kulmbach, Deutsches Zinnfigurenmuseum<br />

19.1 b) „Die deutschen Kaiser” in Holzschnitten<br />

nach Bildern deutscher Künstler<br />

Leipzig: Georg Wiegand, 1852 (R)<br />

Dresden, Sächsische Landesbibliothek<br />

Die Figuren verdeutlichen die Traditionslinien des<br />

Kaisertums. Der Reisethron führt auf die Thematik<br />

des Reisekönigtums.<br />

19.5 Kaiserlicher Reisethron von Kaiser Franz I.<br />

Stephan oder Joseph II.<br />

Möbel<br />

Wien (?), 2. Hälfte 18. Jahrhundert<br />

Faltkonstruktion (Metall) und Goldschabracke,<br />

114 x 64 x 62<br />

Wien, MMD – Museen des Mobiliendepots<br />

Lehrerinfo:<br />

Die deutschen Könige und Kaiser des Mittelalters<br />

übten ihr Amt nicht von festen Residenzen aus. Mit<br />

ihrem Hofstaat reisten sie innerhalb des <strong>Reich</strong>sgebiets,<br />

um sich jeweils an festen Plätzen für einige<br />

Wochen oder Monate aufzuhalten. An diesen Orten<br />

entstanden die sogenannten „Königspfalzen“. Der<br />

letzte der „reisenden“ Kaiser war Karl V. gewesen.<br />

Seine zumeist aus dem Haus Habsburg stammende<br />

Nachfolger herrschten im wesentlichen von ihren<br />

Hauptstädten Prag und Wien aus. Dennoch waren<br />

immer noch viele für die Herrschaft im <strong>Reich</strong> konstitutive<br />

Akte auf unterschiedliche Orte verteilt:<br />

44


<strong>Reich</strong>stage fanden beispielsweise in Augsburg,<br />

Worms, Speyer oder Regensburg statt, die Kaiserwahl<br />

und schließlich auch Kaiserkrönung in Frankfurt<br />

a. M. (vorher Aachen). Huldigungen und Hochzeiten<br />

führten die Kaiser und Herren der habsburgischen<br />

Lande nach Pressburg, Ofen, Innsbruck oder<br />

Florenz.<br />

Es war unmöglich, an allen „Zielorten“ eine Infrastruktur<br />

aufzurichten, die den Bedürfnissen eines<br />

barocken Hofstaats genügen konnte. Deshalb reisten<br />

viele „Mobilien“ dem eigentlichen Hof auf Frachtwägen<br />

oder Schiffen voraus: Baldachine, Teppiche,<br />

Lüster, Möbel – und Thronsessel. <strong>Das</strong> gezeigte Exemplar<br />

ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für<br />

„ambulante“ Herrschaftsausübung. Unter der goldenen<br />

Schabracke verbirgt sich eine gepolsterte Faltkonstruktion,<br />

die einen raschen Auf- und Abbau gewährleistet.<br />

Wichtig waren die Armlehnen <strong>als</strong> Zeichen<br />

der Hoheit: In Gegenwart des Kaisers war es<br />

selbst für Kurfürsten eine hohe Auszeichnung, ebenfalls<br />

auf Armlehnsesseln sitzen zu dürfen. Der Thron<br />

befindet sich heute in der Schausammlung des kaiserlichen<br />

Hofmobiliendepots in Wien.<br />

19.7 Johann Joseph Scheubel d.Ä.Belehnung des<br />

Würzburger Bischofs mit dem Herzogtum Franken<br />

durch Karl VI. in Nürnberg 1354, 1735<br />

Johann Joseph Scheubel d.Ä. (1686-1769)<br />

1735Ö<br />

l/Lw, 100 x 77<br />

Würzburg, Mainfränkisches Museum (60662)<br />

Lehrerinfo:<br />

Der gewählte römisch König und Kaiser war in der<br />

Frühen Neuzeit in der Ausübung seines Amtes auf<br />

vielfältige Weise eingeschränkt. Er stellte sich in<br />

seiner Wahlkapitulation zwar in die Tradition seiner<br />

mittelalterlichen Vorgänger und verstand sich <strong>als</strong><br />

„Advokat“ der römischen Kirche, <strong>als</strong> „defensor ecclesiae“,<br />

aber er war keineswegs ein mit voller Herrschaftsgewalt<br />

ausgestatteter Weltherrscher und nach<br />

der Reformation nicht mehr Schirmherr der Christenheit.<br />

Gleichwohl behielt der Kaiser in der vor allem<br />

zeremoniell bedeutsamen Ranghierarchie der<br />

europäischen Monarchie seine Vorrangstellung <strong>als</strong><br />

„primus inter pares“. Auch blieb er während der gesamten<br />

frühen Neuzeit <strong>Reich</strong>slehnherr. Belehnungsakte<br />

waren demzufolge deutliche Manifestationen<br />

der reichslehnrechtlichen Gewalt des Kaisers. Allerdings<br />

war er bei der Wiederverleihung heimgefallener<br />

<strong>Reich</strong>slehen an die Zustimmung der Kurfürsten<br />

gebunden. Die „iura caesarea reservata“ standen daneben<br />

dem Kaiser im Rahmen des <strong>Reich</strong>rechts exklusiv<br />

zu. Dazu gehörten u.a. das Propositionsrecht<br />

auf dem <strong>Reich</strong>tstag, das Recht das <strong>Reich</strong> nach außen<br />

zu vertreten, das Recht Universitätspriviligien zu<br />

verleihen, das Postrecht etc. <strong>Das</strong> wohl wichtigste<br />

kaiserliche Reservatrecht war das Recht zur Standeserhöhung.<br />

Reservatrechte des Kaisers bestanden<br />

auch im Bereich der <strong>Reich</strong>skirche, vor allem das<br />

Recht der ersten Bitten („ius primariarum precarum“),<br />

das darin bestand, die erste nach der Krönung<br />

freiwerdende Pfründe eines Dom- oder Kollegi<strong>als</strong>tiftes,<br />

eventuell auch einer Pfarrkirche mit einem<br />

Inhaber seiner Wahl zu besetzen. Weit größer<br />

war aber die zweigeteilte Gruppe von Rechten, die<br />

nur im Zusammenwirken mit anderen ausgeübt werden<br />

durfte: die „iura comitilia“, die den Kaiser an die<br />

Zustimmung des <strong>Reich</strong>stags banden (z. B. Gesetzgebung,<br />

Rechtsprechung des <strong>Reich</strong>skammergerichts,<br />

Steuererhebung, Entscheidung über Krieg und Frieden,<br />

Bündnis- und Außenpolitik) und die „iura<br />

caesarea reservata limitata, für deren Ausübung die<br />

Zustimmung der Kurfürsten vonnöten war (z. B.<br />

Verfügung über heimgefallene Lehen, Einberufung<br />

eines <strong>Reich</strong>stags, Achterklärung gegen einen<br />

<strong>Reich</strong>sstand).<br />

Dieser Entwurf zum Deckengemälde im Audienzzimmer<br />

der Würzburger Residenz zeigt in historisierender<br />

Weise die Funktion des Kaisers <strong>als</strong> oberster<br />

Lehnsherrn des <strong>Reich</strong>s. Zum Zeichen seiner nominellen<br />

Würde <strong>als</strong> Herzog von Franken erhält der<br />

Würzburger Bischof hier aus der Hand des Kaisers<br />

das so genannte fränkische Herzogsschwert.<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Die Auswertung des Gemäldes kann dazu genutzt<br />

werden, die Rolle des Lehnsrechts für die staatliche<br />

Ordnung hervorzuheben. Hier bietet sich ein entsprechendes<br />

Kurzreferat an. Davon ausgehend können<br />

entweder im Lehrervortrag oder durch Schülerreferat,<br />

die Rechte des Kaisers dargelegt werden.<br />

Davon ausgehend sollte sich der Blick auf die Kurfürsten<br />

und ihre Rolle im Verfassungsgefüge des<br />

<strong>Reich</strong>es richten. Hieran wird nochm<strong>als</strong> der föderale<br />

Charakter des <strong>Reich</strong>es deutlich.<br />

19.16 Der Mainzer Kurfürstenzyklus<br />

Abgüsse der Sandsteinreliefs vom vom Mainzer<br />

„Kaufhaus”<br />

Abgüsse je 200 x 100 cm<br />

Originale: Mainz, Mittelrheinisches Landesmuseum<br />

Abgüsse: Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Lehrerinfo:<br />

Die Kurfürsten des <strong>Heilige</strong>n <strong>Römische</strong>n <strong>Reich</strong>es<br />

(„sacri Romani imperii principes electores“) waren<br />

diejenigen Fürsten, die das Recht hatten, den römisch-deutschen<br />

König und künftigen Kaiser zu<br />

wählen. Ihr Kreis zeichnete sich vor allem durch seine<br />

Abgeschlossenheit aus; erstm<strong>als</strong> 1298 wurde er<br />

<strong>als</strong> „Kollegium“ bezeichnet. Es bestand aus drei<br />

45


geistlichen und vier weltlichen Fürsten, nämlich den<br />

Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln sowie dem<br />

König von Böhmen, dem Pfalzgrafen bei Rhein,<br />

dem Herzog von Sachsen und dem Markgrafen von<br />

Brandenburg. Diese Zusammensetzung sollte sich<br />

erst in der Folge des Dreißigjährigen Kriegs ändern.<br />

Noch vor der endgültigen Festlegung der Zahl der<br />

Kurfürsten durch die Goldene Bulle wurde eine Reihe<br />

von Flachreliefs mit Bildnissen des Kaisers und<br />

der Kurfürsten an der Schaufront des wohl 1311 errichteten<br />

Mainzer „Kaufhaus“ angebracht. Die genaue<br />

Entstehungszeit ist umstritten, doch dürfte sie<br />

um das Jahr 1330 liegen, <strong>als</strong>o in der Zeit der Herrschaft<br />

von Kaiser Ludwig dem Bayern. Die Figuren<br />

sind nicht individuell gezeichnet, sondern vor allem<br />

durch ihre Wappen zu identifizieren.<br />

Die für die Ausstellung gewählte Anordnung der<br />

Kurfürstenreliefs im <strong>Reich</strong>ssaal des Regensburger<br />

Rathauses entspricht der traditionellen Sitzordnung<br />

der Kurfürsten rechts und links des für den Kaiser<br />

oder seinen Stellvertreter erhöhten Mittelpodests.<br />

Auf der vom Kaiser aus gesehen rechten Seite befanden<br />

sich die Plätze für die geistlichen, auf der linken<br />

Seite die Plätze für die weltlichen Kurfürsten.<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Auch hier kann natürlich ein entsprechendes Kurzreferat<br />

zum Thema „Kurfürsten“ im Vorfeld vergeben<br />

werden. Möglich ist es auch den konkreten Krönungsvorgang<br />

<strong>als</strong> Dia-Show einzubeziehen. Eventuell<br />

kann in der Folge eine Vertiefung der erarbeiteten<br />

Machtverhältnisse erfolgen, indem die Hoheitszeichen<br />

der Macht eingehender betrachtet werden.<br />

20.14 a) „Keyser Sigismundi Bildnus welcher die<br />

<strong>Reich</strong>s Cleinodien der Statt Nürnberg in Verwahrung<br />

gegeben.”<br />

Kupferstich/Papier, 33 x 40 (Blatt)<br />

Augsburg, Stadt- und Staatsbibliothek (29/240)<br />

20.14 b) Kaiserkrone Karls VII.<br />

Philipp Jacob Drentwett d. J. (1694–1751)<br />

Augsburg, um 1742<br />

Silber, vergoldet, getrieben, ziseliert, graviert, H.<br />

25,3, Ø 23<br />

München, Bayerische Verwaltung der staatlichen<br />

Schlösser, Gärten und Seen, Schatzkammer der<br />

Residenz (Schk. 239)<br />

20.14 c) Nachbildung des Zepters der <strong>Reich</strong>sinsignien<br />

Frankfurt am Main oder Augsburg, wohl 1742<br />

Silber, vergoldet, Stab gedreht, Blätter getrieben<br />

und graviert, L. 61,5, Ø 6<br />

München, Bayerische Verwaltung der staatlichen<br />

Schlösser, Gärten und Seen,<br />

Schatzkammer der Residenz (Schk. 241)<br />

20.14 d) <strong>Reich</strong>sapfel Kaiser Karls VII.<br />

Frankfurt oder Augsburg, um 1742<br />

Silber, vergoldet, H. 21, Ø 10<br />

München, Bayerische Verwaltung der staatlichen<br />

Schlösser, Gärten und Seen, Schatzkammer der<br />

Residenz (Schk. 242)<br />

Lehrerinfo:<br />

Die Bestimmung eines neuen Herrschers war zunächst<br />

das Ergebnis einer Mehrheitsentscheidung<br />

der Kurfürsten, die ihre Rechtskraft durch die Wahlzeremonie<br />

im sakralen Raum des Kaiserdomes erhielt.<br />

Der designierte Herrscher war danach zwar mit<br />

göttlichem Beistand gewählt, jedoch noch nicht <strong>als</strong><br />

Stellvertreter Gottes auf Erden gekennzeichnet.<br />

Während der Krönungszeremoniewurden ihm deshalb<br />

– den Vorschriften der Krönungsordines folgend<br />

– wertvolle Gegenstände und Kleidungsstücke<br />

verliehen, die seine Erwählung <strong>als</strong> von Gott gewollt<br />

sichtbar machten. Die Hauptstücke der Insignien<br />

(von lat. signum = Kennzeichen) waren Krone,<br />

<strong>Reich</strong>sapfel, Schwert und Zepter. Daneben gab es jedoch<br />

weitere Kleidungsstücke, Reliquien und sakrale<br />

Schriften, die ebenfalls zu den <strong>Reich</strong>skleinodien<br />

gezählt wurden. Kaiser Siegismund übergab die<br />

Herrschaftszeichen 1424 zur dauerhaften Aufbewahrung<br />

der Stadt Nürnberg. Weitere <strong>Reich</strong>sinsinsignien<br />

befanden sich in Aachen<br />

<strong>Das</strong> Hauptstück des Nürnberger Insignienschatzes<br />

war die <strong>Reich</strong>skrone. Anlässlich der Krönung Kaiser<br />

Karls VII. 1742 wurden jedoch zusätzlich zwei<br />

Hauskronen angefertigt, die 1745 erstm<strong>als</strong> <strong>als</strong><br />

„Zwey Haus cronen von Silber, vnd vergoldt ...“ in<br />

den Beständen der Schatzkammer erschienen. Ihre<br />

genaue Bestimmung im Zusammenhang des Krönungszeremoniells<br />

ist unklar. Möglicherweise wurde<br />

eine der Kronen bei der Bestattung Karls VII. 1745<br />

benutzt. Mit ihren sechs Platten, Bügel, Kreuz und<br />

ursprünglich reichem Edelsteinschmuck orientieren<br />

sich beide Kronen formal an der <strong>Reich</strong>skrone, erheben<br />

jedoch keineswegs den Anspruch einer Kopie.<br />

Vielmehr verweisen sie lediglich auf die <strong>Reich</strong>skrone.<br />

Während die eine der beiden Hauskronen am Ort<br />

der Krönung entstand, wurde die andere von dem<br />

bedeutenden Augsburger Goldschmied Jacob Philipp<br />

VI. Drentwett angefertigt. Die Schläfenplatten<br />

der Krone zeigen die Apostel Petrus und Paulus,<br />

während die übrigen mit vegetabilem Ornament verziert<br />

sind. Unklar ist, wann und aus welchem Grund<br />

die Edelsteine der Krone entfernt wurden, so dass sie<br />

sich heute <strong>als</strong> Karkasse (fr. carcasse = Gestell, Gerippe)<br />

darbietet.<br />

Der <strong>Reich</strong>sapfel vereint das heidnische Symbol der<br />

Sphaira, Symbol des Kosmos, und das christliche<br />

Kreuz zur Insignie des göttlich legitimierten Herrschaftsanspruches.<br />

Auch die vereinfachte Nachbildung<br />

des <strong>Reich</strong>sapfels für Karl VII. wurde seines<br />

Edelsteinschmuckes beraubt.<br />

Auch das Zepter zählte bereits zu den kaiserlichen<br />

Insignien der Antike und verweist vor allem auf die<br />

46


Rechtsprechung des Herrschers. Stärker <strong>als</strong> Hauskrone<br />

und <strong>Reich</strong>sapfel orientiert sich das Zepter<br />

Karls VII. an seinem mittelalterlichen Vorbild des<br />

14. Jahrhunderts, das auf Kaiser Ludwig den Bayern<br />

zurückgeht. Der sich nach oben verjüngende Stab<br />

schließt in einem vierseitigen Knauf aus Blättern ab,<br />

die an Eichenlaub erinnern.<br />

Unter den <strong>Reich</strong>skleinodien befand sich auch eine<br />

Lanze, die angeblich einen Nagel vom Kreuz Christi<br />

enthielt und deshalb <strong>als</strong> „<strong>Heilige</strong> Lanze“ hohe religiöse<br />

Verehrung empfing. Die militärischen Siege<br />

ihrer Besitzer, wie der Ottos I. in der Schlacht bei<br />

Birten (939), wurden auf die Macht der Reliquie zurückgeführt.<br />

Otto III. ließ die Lanze bei seiner Krönung<br />

996 in Rom voraustragen. Auf Grund ihrer Bedeutung<br />

wurden mehrfach Imitationen angefertigt,<br />

von denen sich eine aus der Zeit um 1000 im Krakauer<br />

Domschatz befindet. Die hier gezeigte Nachbildung<br />

stammt aus dem 18. Jahrhundert und wird in<br />

der Stadtpfarrkirche St. Andreas in Ochsenfurt aufbewahrt.<br />

Die Insiginien wurden bis ins 14. Jahrhundert<br />

auch <strong>als</strong> Verkörperung des <strong>Reich</strong>e an sich betrachtet<br />

Hoheitszeichen sind in der Ausstellung bis hin zu<br />

Exponaten aus der Gegenwart (z. B. BRD-Fahne,<br />

Orden) zu sehen.<br />

5. Der <strong>Reich</strong>stag <strong>als</strong> Spiegel der föderalen Ordnung<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Als Einstieg in die Frage, wie im alten <strong>Reich</strong> diese<br />

föderale Ordnung in institutionalisierten Gremien<br />

funktionierte kann der hinreichend bekannte verhüllte<br />

<strong>Reich</strong>stag dienen. Dieser dient zur Aktivierung<br />

möglicherweise vorhandenen Schülerwissen, aber<br />

auch zur Unterscheidung vom Immerwährenden<br />

<strong>Reich</strong>stag.<br />

21.1 a) Ansicht des verhüllten <strong>Reich</strong>stags<br />

Christo und Jeanne Claude<br />

Berlin, 1995<br />

Fotografie<br />

Privatbesitz<br />

Lehrerinfo:<br />

Bereits lange bevor jemand zu wagen hoffte, dass im<br />

Berliner <strong>Reich</strong>stag, der <strong>als</strong> Zeichen der deutschen<br />

Einheit im Kaiserreich 1894 eingeweiht wurde, der<br />

Bundestag eines vereinten demokratischen Deutschlands<br />

seine Sitzungen halten würde, war das alte<br />

Parlamentsgebäude bereits in das Blickfeld einiger<br />

Künstler gerückt. Der aus Bulgarien stammende<br />

Künstler Christo begann 1971 mit der Konzeption<br />

seines Projektes „verhüllter <strong>Reich</strong>stag“. Es vergingen<br />

noch 25 Jahre mit langen Vorgesprächen und zähen<br />

Verhandlungen im Bundestag, bis im Juni 1995<br />

die Verhüllung tatsächlich realisiert werden konnte.<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Auch hier sind wieder Referate möglich zu den Themen:·Christo·oder<br />

zum <strong>Reich</strong>stag in Berlin<br />

In der Folge sollte sich der Blick auf die Entwicklung<br />

vom Hoftag zum Immerwährenden <strong>Reich</strong>stag<br />

richten.<br />

21.6 Die Wormser Münze, das Tagungsgebäude<br />

des <strong>Reich</strong>stags von 1495<br />

Sepiazeichnung<br />

Worms, Stadtarchiv<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Die einzelnen Glieder des <strong>Reich</strong>es sind behandelt,<br />

nun sollte gefragt werden, wie es nun konkret zu<br />

Entscheidungen im <strong>Reich</strong> kommt. Hier kann man die<br />

Schülerinnen und Schüler zunächst Vermutungen<br />

sammeln lassen. Wichtig wäre es hier auch von den<br />

Schülerinnen und Schülern Ideen entwickeln zu lassen,<br />

worüber so ein <strong>Reich</strong>stag zu entscheiden hatte,<br />

Diese können in schriftlicher Form festgehalten. Als<br />

Lehrerinformation an die Schülerinnen sollte die<br />

Entwicklung vom Hoftag zum <strong>Reich</strong>stag aufbereitet<br />

werden. Zunächst erhalten die Schülerinnen und<br />

Schüler den Arbeitsauftrag (gegebenenfalls in Partnerarbeit<br />

oder Gruppenarbeit) einen Ansage/Einladungszettel<br />

für einen <strong>Reich</strong>stag zu erstellen. Dieser<br />

kann dann verglichen werden mit dem ausgestellten.<br />

21.7 Ladschreiben an den Markgrafen von Ansbach<br />

1541/43<br />

Druck/Papier, 33 x 22<br />

Nürnberg, Staatsarchiv (Fstm. Ansbach, Religionssachen<br />

23)<br />

21.10 Die Aufgaben des <strong>Reich</strong>stags (mit Themenstellungen<br />

wie Bedrohung des <strong>Reich</strong>s durch äußere<br />

Feinde (Frankreich, Türken), Steuern etc)<br />

Entwurf: U. Piereth<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Lehrerinfo:<br />

Die Aufgaben des <strong>Reich</strong>stages waren seit dem Westfälischen<br />

Frieden klar umrissen. Zu den Themen gehörten<br />

auf <strong>Reich</strong>sebene etwa die Entscheidung über<br />

Krieg und Frieden, Justiz und Militär, über neue Gesetze<br />

und die Erhebung von Steuern. Die Arbeit des<br />

immerwährenden <strong>Reich</strong>stages war dabei weit effizienter<br />

<strong>als</strong> vielfach auch von Zeitgenossen angenommen.<br />

Der Regensburger <strong>Reich</strong>stag war 1662 angetreten,<br />

die im jüngsten <strong>Reich</strong>sabschied von 1654 noch nicht<br />

47


ealisierten verfassungsrechtlichen Forderungen des<br />

Westfälischen Friedens in geltendes <strong>Reich</strong>srecht umzusetzen.<br />

Doch die Verhandlungen zogen sich hin,<br />

der erwünschte <strong>Reich</strong>sabschied kam nicht zustande,<br />

der <strong>Reich</strong>stag wurde – ohne dass man dies je formal<br />

beschlossen hätte – zur Dauereinrichtung. Damit<br />

hatte die Ständeversammlung des <strong>Reich</strong>es grundlegend<br />

ihr Gesicht gewandelt: vom unregelmäßig tagenden<br />

Fürstenkongress zum institutionalisierten<br />

Gesandtenplenum. Und dieser Wandel hatte – den<br />

Unkenrufen mancher Kritiker und Urteilen späterer<br />

Historiker zum Trotz – durchaus sein Gutes.<br />

Zwar erreichte die Lösung der beiden verfassungsrechtlichen<br />

Kernprobleme <strong>Reich</strong>skriegsverfassung<br />

und ständige Wahlkapitulation nie rechtliche Gültigkeit;<br />

dennoch leistete das Gremium gute Arbeit.<br />

Zum einen <strong>als</strong> kommunikatives Scharnier zwischen<br />

deutschen <strong>Reich</strong>sständen und Wiener Kaiserhof,<br />

zum anderen <strong>als</strong> Organ der Normenkontrolle und der<br />

Gesetzgebung in der Außen-, Kriegs-, Steuer- und<br />

Wirtschaftspolitik. Die Bestimmungen der <strong>Reich</strong>shandwerksordnung<br />

von 1731 wurden Vorbild für die<br />

Gesetzgebung zahlreicher Territorien; man widmete<br />

sich der Förderung von Wirtschaft und Handel, der<br />

Verbesserung des Steueraufkommens und der Vereinheitlichung<br />

des Münzwesens. Dabei muss der Geschäftsgang<br />

des <strong>Reich</strong>stags nach 1663 den Vergleich<br />

mit modernen parlamentarischen Gremien nicht<br />

scheuen: 1907 sogenannte „<strong>Reich</strong>sschlüsse” (genauer:<br />

<strong>Reich</strong>sgutachten und kaiserliche Kommissionsdekrete)<br />

aus der Zeit zwischen 1663 und 1740 sammelte<br />

Pachner. D.h. im Schnitt wurden pro Jahr rund<br />

25 solcher Dokumente erarbeitet. <strong>Das</strong> Gesetzgebungsverfahren<br />

dauerte dabei oft weniger lang <strong>als</strong><br />

das des deutschen Bundestags.<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Hier ist es sicher notwendig einen kurzen Blick auf<br />

das Gesetzgebungsverfahren in der BRD zu werfen.<br />

Wichtig sind dabei formale Kriterien, aber auch das<br />

Tempo des Gesetzgebungsverfahrens. Die Tafel zur<br />

Aufgabenstellung orientiert sich an Artikel 8 des<br />

westfälischen Friedens (hier bietet sich eine entsprechende<br />

Quellenarbeit an!) und ist so gestaltet, dass<br />

man interaktiv ein den Aufgaben zugewiesenes<br />

Symbol an der Tafel hochheben kann.<br />

6. Föderale Traditionen in der BRD und Europa<br />

Hier soll zunächst die Bedeutung des Föderalismus<br />

für die BRD im Mittelpunkt stehen. Als Auswirkungen<br />

des Föderalismus ausgehend vom Artikel 20 GG<br />

kann das Bundesstaatsprinzip etwa mit folgenden<br />

Objekten erarbeitet werden.<br />

22.5 Bundesratssitzung<br />

Fotografie<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Mit weiteren Objekten sollte die Rolle der Länder<br />

betont werden:<br />

22.1 Polizei-Stern und -abzeichen (f. Bayern)<br />

Textilie<br />

9,5 x 8,4; Stern-Dm 5,2<br />

Privatbesitz<br />

22.1 Abiturzeugnis<br />

Druck/Papier<br />

Privatbesitz<br />

22.1 Schema der ARD-Rundfunkanstalten<br />

Druck<br />

Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte<br />

Didaktische Hinweise:<br />

Als Einstieg in die Abschlussdiskussion kann die gedankliche<br />

Rückkehr zum immerwährenden <strong>Reich</strong>stag<br />

dienen. Hier bieten sich eine Vielzahl von Vergleichsmöglichkeiten.<br />

Ausgangsfrage kann hierbei<br />

sein, inwieweit der immerwährende <strong>Reich</strong>stag ein<br />

Vorläufer für unser Föderalismusprinzip sein kann.<br />

Mit Hilfe der Informationsmöglichkeiten über die<br />

Aufgaben, Rechte der Abgeordneten des Immerwährenden<br />

<strong>Reich</strong>stages, des Bundesrates und des Bundestages<br />

ist eine Vergleichsmöglichkeit vorhanden<br />

unter der Leitfrage „Kann das <strong>Reich</strong> <strong>als</strong> (föderaler)<br />

Vorläufer der BRD betrachtet werden?“.<br />

Hier kann arbeitsteilig verfahren werden und die Informationen<br />

zu den einzelnen Abgeordneten können<br />

im Plenum ausgetauscht werden. Ebenso kann hier<br />

das jeweilige Gesetzgebungsverfahren mit Hilfe der<br />

Frage „Wie sind die Länder bzw. Regionen beteiligt?“.<br />

verglichen werden. Ein entsprechendes Schema<br />

für den IRT (17.15 Schematisches Organisationsmodell<br />

des <strong>Heilige</strong>n <strong>Römische</strong>n <strong>Reich</strong>s) wird gezeigt<br />

und kann selbststänig erschlossen (möglich<br />

wäre hier eine Partnerarbeit mit den zwei Schemata<br />

IRT und BR/BT) werden. Wichtig ist es den Schülerinnen<br />

und Schülern ein Vergleichsschema für die<br />

BRD an die Hand zu geben.<br />

22.1 Armlehnsessel aus dem Immerwährenden<br />

<strong>Reich</strong>stag in Regensburg, Sessel von der Regierungs-<br />

und Bundesratsbank im Deutschen Bundestag,<br />

Klappstuhl (Nr. 120) aus dem Deutschen<br />

Bundestag (mit Informationsmöglichkeiten zu<br />

Aufgaben, Rechten und Pflichten)<br />

Möbel<br />

48


Museen der Stadt Regensburg; Bonn, Haus der<br />

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland;<br />

Privatbesitz<br />

7. Abschluss: Föderalismus – Vor- und<br />

Nachteile<br />

In der den Rundgang abschließenden Schlussdiskussion<br />

kann die Frage der Vor- und Nachteile des Föderalismus<br />

aufgegriffen werden. Als Raum steht dafür<br />

das „ausstellungspädagische Zimmer“ im Historischen<br />

Museum zur Verfügung. Über eine Thesenrallye<br />

(1. Föderalismus blockiert schnelle Entscheidungen;<br />

2. Föderalismus bringt zusätzliche Kontrollmechanismen<br />

der politischen Macht; <strong>3.</strong> Föderalismus<br />

schützt Eigenständigkeiten; 4. Föderalismus<br />

verhindert Flexibilität über Grenzen hinweg) kann<br />

der Einstieg erfolgen. Im Anschluss daran sollte auf<br />

aktuelle Debattenbeiträge (z. B. aus den politischen<br />

Parteien) zurückgegriffen werden. Stellungnahmen<br />

sind hier ohne Probleme in der Vorbereitung des<br />

Ausstellungsbesuches zu beziehen.<br />

Im Anschluss daran können die beigefügten Texte in<br />

Gruppenarbeit analysiert werden und eine zusammenfassende<br />

Föderalismusbilanz gezogen werden.<br />

Ein Blick kann dabei auch auf die Rolle des Föderalismus<br />

im geeinten Europa geworfen werden.<br />

49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!