Die ungarischen Wurzeln des Nosferatu
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Übergang zwischen den beiden Grundformen wird Lucy erwähnt, die in ihrem Leben<br />
auf Grund ihrer Frivolität dann auch mit der Verwandlung zum Vampir bestraft wird),<br />
sind die Kinder der Nacht bei Szécsi keinesfalls verrucht: <strong>Die</strong> Großmutter erscheint als<br />
absolut sympathisches Wesen (dafür scheint der mit dem gewaltigen Phallus<br />
ausgestattete Engel einen sehr schlechten Charakter zu haben (er schlägt Jerne nach<br />
einer Auseinandersetzung das Gesicht blutig)), über die wahre Identität von Jernes<br />
Chef, wird der Leser lange Zeit im Dunklen gelassen, und Jerne selbst ist nach ihrer<br />
Verwandlung zum Vampir ebenso liebenswert, pflegt beispielsweise dieselben<br />
Freundschaften, wie in ihrem früheren Leben.<br />
Alle Vampire können sich hingegen auch hier in eine Fledermaus verwandeln, trinken<br />
Blut und sehen –zumin<strong>des</strong>t die Großmutter macht es- zu Vlad Tepes als ihren<br />
Ahnherren auf. Sie sind nicht adelig, auch ein Bruch zu Stoker, sondern bürgerliche<br />
Wesen, die in der Welt der Lebenden unter uns leben, immer darauf bedacht, nicht als<br />
Vampir entdeckt zu werden (dies wäre so, als wenn der Fleischer sich vor der<br />
Schweineherde versteckt halten würde). Um ihre Tarnung aufrecht zu erhalten,<br />
investieren sie (höchst erfolgreich) an der Börse, werden Verleger oder -in Jernes Fallversuchen<br />
sich als Autoren von erotischen Märchen.<br />
Sie haben letztlich auch mit den aus ihren Gräbern zurückgekehrten armen Bauern der<br />
österreichischen und <strong>ungarischen</strong> Berichte -bis auf die Leichenblässe- keine<br />
Gemeinsamkeit.<br />
Zu der „Blässe“ muss angeführt werden, dass es sich bei der Blässe der Vampire der<br />
Zeitungsartikel und Berichte <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts, um eine logisch folgende Blässe<br />
handelte (schließlich handelte es sich ja um Leichen). Bei Stokers Dracula ist dieser<br />
auch aus einem gänzlich anderem Grund bleich: In jener Zeit galt noch das Prinzip der<br />
„noblen Blässe“. Als Adeliger konnte Dracula gar keinen anderen Teint aufweisen.<br />
Auch gibt Dracula den bürgerlichen Damen- durch seinen Biss- die Möglichkeit,<br />
ebenfalls geadelt zu werden (angleichen der Blässe), wenn auch auf Kosten <strong>des</strong><br />
Lebens. 111<br />
111 vgl. Paulowitz, Brigitte: Nippen darf ich nur an dir. [S. 18 ff.]<br />
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