Die ungarischen Wurzeln des Nosferatu
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entfliehen und den Mann, dem sie versprochen wurde, sehen. Zuerst will sie wieder<br />
gehen, wird von ihm zurückgehalten und vermag dennoch nicht durch die Hitze seiner<br />
Liebe und Wolllust durchdrungen werden- ihr Körper und ihr Herz bleiben, dem<br />
Zustand einer Leiche entsprechend, kalt. Als die Mutter in das Zimmer dringt, ist die<br />
Verwandlung komplett: die Tochter schwebt über den Lebenden und redet – quasi aus<br />
dem Jenseits- auf sie herab. Sie spricht aus, was sie bereits vollendet hat: das Töten<br />
ihres Geliebten; nicht aus Liebe, sondern da er sich törichter Weise auf ewig an sie<br />
gebunden hatte. Nach der Zerstörung ihres Verlobten richtet sich ihre Wut auf alle<br />
Generationen von jungen Menschen; das gemeinsame Verbrennen ihrer Leichname<br />
schließlich (wie bei Ketzern, Ungläubigen, Hexen durchgeführt), soll den alten Göttern<br />
dienen.<br />
Beachtlich ist- und dies erfolgte bei Goethe zum ersten Mal- dass sich ewige Liebe mit<br />
dem Tod, Andeutungen der Nekrophilie, mit Erotik paart. Gleichzeitig stirbt mit dem<br />
Mädchen aber auch gleichzeitig die Liebe (als das menschliche Empfinden), statt dieser<br />
nimmt Rache in ihrem Herzen Platz, sodass sie nicht einmal vor dem Mord an ihrem<br />
Geliebten zurückschreckt.<br />
Weitere berühmte Dichter entdeckten den Vampir als perfektes Objekt, um den<br />
Wiederspruch zwischen Liebe und Ewigkeit, Jugend und Tod auszudrücken. George<br />
Byron schrieb Vampirgedichte und feierte mit seinem Roman „Giaur“ Erfolge.<br />
<strong>Die</strong>ses Werk ist übrigens- so will es die Legende- in derselben düsteren Gewitternacht<br />
in einem Schweizer Landhaus als Ergebnis eines schriftstellerischen Wettstreites<br />
entstanden, in der auch durch die ebenfalls anwesende Mary Shelley, das Ungeheuer<br />
Frankenstein das Licht der Welt erblickt hatte. 79<br />
Im deutschen Sprachraum verarbeitete nach Goethe, erst im Jahre 1821, E.T.A.<br />
Hoffmann, mit der Geschichte „Cyprians Erzählung“, den Vampirstoff.<br />
79 Ebenfalls anwesend in jener stürmischen Gewitternacht: John Polidori (1795-1821, englischer Schriftsteller,<br />
Reisebegleiter und Leibarzt Byrons). <strong>Die</strong> Fragen um Polidoris „The vampyre“ sind nicht geklärt. Da angeblich<br />
Erzählungen von Byron- ebenfalls in derselben angeführten Gewitternacht erzählt- durch Polidori<br />
mitverarbeitet wurden, wurde das Werk Byron zugeschrieben. Laut Janion habe Byron sich jedoch beim<br />
Herausgeber mit den Worten: „Aligha kell magyaráznom Önnek, hogy ez nem az én müvem“ beschwert bzw.<br />
eine Erklärung bzgl. der Herkunft <strong>des</strong> Werkes abgegeben. [vgl. Janion, Maria: A vámpír. [S. 160].<br />
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