07.01.2014 Aufrufe

Die ungarischen Wurzeln des Nosferatu

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

nicht sie sondern ihre Schwester für ihn auserkoren wurde, die Ehe vollziehen. Durch<br />

das Schlagen der Geisterstunde wirkt die junge Dame auf einmal in keinster Weise<br />

zurückhaltend, und färbt ihre Lippen- zuerst- mit dem Wein im Silberkelch rot (erneut<br />

die Allegorie <strong>des</strong> Blutkelches!). <strong>Die</strong> Sache nimmt ihren Lauf: Plötzlich betritt ihre<br />

Mutter das Zimmer und erschrickt, da das Mädchen sich vom Bett in die Luft erhoben<br />

hat und mit dumpfer Stimme zu ihr spricht:<br />

„Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,<br />

So mißgönnt Ihr mir die schöne Nacht!<br />

Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte.<br />

Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?<br />

Ists Euch nicht genug,<br />

Daß ins Leichentuch,<br />

Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?“ 78<br />

Das Grab habe sie ausgespieen, fährt die Vampirin fort, um das Blut <strong>des</strong> Mannes aus<br />

seinem Herzen zu saugen, dem sie versprochen war. Denn ihre Mutter habe sie als Dank<br />

der Genesung von schwerer Krankheit, in eine Klosterzelle gesperrt, die alten Götter aus<br />

dem Hause verbannt und fortan nur mehr dem einen Gott und seinem gekreuzigten<br />

Sohn gehuldigt. Tieropfer seien keine mehr durchgeführt worden, statt<strong>des</strong>sen aber lieber<br />

Menschen (nämlich ihr junges Leben durch das Wegsperren in der Zelle, dem Entziehen<br />

von jeglicher Liebe) geopfert. Da der junge Mann ihr durch das gemeinsame Trinken<br />

aus dem Kelch ewige Treue versprochen hatte, würde er nicht mehr lange zu leben<br />

haben, sondern bis zum nächsten Tage vergehen. In der letzten Strophe bittet sie noch<br />

ihre Mutter einen Scheiterhaufen aufzuschütten, ihren Leichnam aus dem Grab zu<br />

entnehmen und diesen gemeinsam mit dem Leichnam <strong>des</strong> Mannes zu verbrennen, damit<br />

sie zu den alten Göttern eilen könnten.<br />

Auch bei Goethe ist der Vampir aus der alten Zeit <strong>des</strong> Mehrgottglaubens und<br />

Widersacher von Gott und Jesus Christus. Gerade durch die Bekehrung zum<br />

Christentum und den durch ihre Mutter an den neuen Gott gebrachten Opfer, als Dank<br />

ihrer Genesung- Entfernen der alten Götzen und vor allem der zwangsweisen<br />

Einlieferung ihrer ältesten Tochter (wie im Mittelalter durchaus üblich) in ein<br />

Nonnenkloster- muss die zu jung Verstorbene aus der Enge ihres jungfräulichen Grabes<br />

78 Goethe, Johann Wolfgang von: <strong>Die</strong> Braut von Korinth [Strophe 23]<br />

62

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!