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Die ungarischen Wurzeln des Nosferatu

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7. Der Vampir als Muse der schönen Künste<br />

Wie an den bisher erbrachten Beispielen zu erkennen war, faszinierte der Mythos<br />

Vampir, quer durch alle Bevölkerungsschichten. Er trug dazu bei, dass die Kirche durch<br />

das Entdecken eines neuen Feindbil<strong>des</strong>, vollständig von der Hexenverfolgung- damit<br />

vom Ermorden der verdächtigten Frauen- abließ und brachte honorige Wissenschafter<br />

dazu, eine fiktive Figur durch reale Symptome und Krankheiten erklären zu wollen; er<br />

gesellte sich zu den festlichen Veranstaltungen und Literaturabenden der<br />

gutbürgerlichen Häuser, nahm in ihrer Mitte auf den Barock- und Biedermeiersesseln,<br />

den samtüberzogenen Chaiselongues Platz und jagte den eleganten Damen angenehm<br />

kalte Schauer den Rücken hinunter.<br />

Im deutschen Sprachraum begann alles mit Goethe. Er interpretierte eine griechische<br />

Sage und erschuf die Ballade „<strong>Die</strong> Braut von Korinth“ (1798), mit der gleichzeitig –<br />

analog zu der Erschaffung <strong>des</strong> Golems aus dem Lehm <strong>des</strong> Prager Ghettos- der moderne<br />

Vampir (bei Goethe die liebende, dennoch mordende Vampirin), aus den Worten der<br />

Deutschen Sprache, erschaffen wurde. Da diese Ballade auf Grund ihrer Einzigartigkeit<br />

im deutschen und dem von ihr beeinflussten Mitteleuropa richtungsweisend war, und<br />

die literarische Basis für die darauf folgenden Vampirdichtungen und Novellen<br />

darstellte, wird kurz der Inhalt angeführt.<br />

<strong>Die</strong> Ballade beginnt klassisch: ein junger Mann reist nach Korinth, um seine ihm bis<br />

dato unbekannte Braut kennen zu lernen, denn die beiden wurden durch die Eltern<br />

einander im Kin<strong>des</strong>alter versprochen. Auf der Reise sorgt sich der junge Mann, ob denn<br />

das Eheversprechen eingehalten werden kann, da er und seine Familie Heiden geblieben<br />

waren, während sich die Familie seiner Verlobten nach christlicher Sitte getauft hatten.<br />

Er wird von seiner Schwiegermutter empfangen und in ein Zimmer geleitet, wo die<br />

gedeckte Tafel und ein fertiges Bett auf ihn warten. Allein das Mahl will dem Mann<br />

nicht schmecken, bis auf einmal eine geisterhaft schöne Gestalt- mit auffällig bleichem<br />

Gesicht, blutleeren Lippen, weiß gekleidet und mit einem Gold- und einem Trauerband<br />

um die Stirn gebunden- in das Zimmer hereinschwebt. Der junge Mann verliebt sich<br />

sofort in das Mädchen und will auf der Stelle, obwohl die Angebetete ihm mitteilt, dass<br />

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