Die ungarischen Wurzeln des Nosferatu
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<strong>Die</strong> Tatsache, dass sich ähnliche Vorfälle teilweise bereits früher, auch im polnischen<br />
Grenzgebiet, sowie Böhmen und Mähren, sowie in Siebenbürgen ereignet hatten, würde<br />
jedenfalls die zweite These unterstreichen.<br />
Dass es aber dennoch einen Zusammenhang zwischen den Opfern aus der slawischen<br />
und rumänischen Bevölkerung einerseits, und den Gesundgebliebenen der anderen<br />
Bevölkerungsteile (also Österreicher, Deutsche, Ungarn) andererseits, geben dürfte,<br />
glaubt auch Jutta Nowosadtko, da sie unter anderem die untersuchten Vampirismus-<br />
Vorfälle <strong>des</strong> kolonialen Afrika der 1910-er und 1920-er Jahre anführt und Parallelen<br />
zieht. Auch teile der Vampir (zumin<strong>des</strong>t in den durch das Habsburgerreich eroberten<br />
Gebieten), so die Forscherin, die Gesellschaft von anderen für den Menschen<br />
bedrohlichen Ungeheuern, die an der Grenze zwischen „Zivilisation und Barbarei, dem<br />
Bekannten und Bedrohlichen“ existierten. 76<br />
„Im Zuge der westlichen Expansion hatten Europa schon zahlreiche Abenteuerberichte erreicht,<br />
deren Akteure anschließend wie Amazonen und Kannibalen die Phantasie der<br />
Daheimgebliebenen und die Alpträume der Entdecker und Eroberer beflügelten.“ 77<br />
Einen interessanten Ansatz liefert Magyar zum Abschluss seiner Studie: Er führt an,<br />
dass in der damaligen Zeit wohl alle nicht erklärbaren To<strong>des</strong>fälle, die bestimmte<br />
Symptome aufwiesen, von der unwissenden- und oft auch abergläubischen-<br />
Bevölkerung als Vampire abgestempelt wurden, genauso wie heute viele Krankheiten,<br />
deren Sammelbegriff „Krebs“ ist, von der Durchschnittsbevölkerung als dieselbe<br />
Krankheit bezeichnet wird.<br />
Warum manche der untersuchten Leichname auch nach Jahrzehnten nicht oder nur<br />
gering verwest waren, warum manche der Verstorbenen bei gleich langer Liegezeit und<br />
gleichem Liegeort bedeutend stärker zerfallen waren, warum Frauen angaben, dass sie<br />
mit ihren toten Männern den Beischlaf ausgeübt hätten (laut einigen Forschern, um<br />
vielleicht den sexuellen Verkehr mit anderen Männern noch während der Trauerzeit zu<br />
verheimlichen) und warum gesunde Familienmitglieder einhellig aussagten, dass es sich<br />
76 vgl. Nowosadtko, Jutta: Der „Vampyrus Serviensis“ und sein Habitat: Impressionen von der österreichischen<br />
Militärgrenze [S. 164]. (Zitat ebendort).<br />
77 aus: ebendiese, ebendort [S. 164]<br />
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