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Marc Piollet Siegbert Micheel Kiril Manolov

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<strong>Siegbert</strong> <strong>Micheel</strong><br />

14<br />

<strong>Siegbert</strong> <strong>Micheel</strong>, seit 1998 Technischer Direktor am Staatstheater<br />

Wiesbaden, geht zum Ende der Spielzeit in den Ruhestand. „Ein Artikel<br />

über mich? Da reicht eine Zeile: Siggi <strong>Micheel</strong>, viel gearbeitet, hat jetzt<br />

Pause.“ Aber dann gibt es doch noch so einiges zu berichten: <strong>Siegbert</strong><br />

<strong>Micheel</strong> im Interview mit Priska Janssens.<br />

Wie hast du deine Leidenschaft für das<br />

Theater entdeckt?<br />

Das war während meiner Zeit bei der<br />

Bundeswehr. Die neue Kasernenturnhalle<br />

sollte eingeweiht werden, da hieß<br />

es: Unteroffizier <strong>Micheel</strong>, richten Sie<br />

die Turnhalle festlich her! So landete<br />

ich beim Braunschweiger Theater, um<br />

Dekorationsteile auszuleihen. Wir<br />

fuhren Fuhre für Fuhre in die Kaserne<br />

und hatten eine tolle Ausstattung zum<br />

Fest. Bei der Rückgabe sprach mich der<br />

Beleuchtungsmeister an: Wir suchen<br />

Aushilfen in der Beleuchtung, abends<br />

habt ihr Soldaten doch Zeit! Also fing<br />

ich dort an.<br />

Was für eine Ausbildung brachtest du<br />

denn mit?<br />

Elektriker! Mit 15 Jahren ging ich in<br />

den Sommerferien nach Finnland zum<br />

Sprachaustausch – und kam erst 5<br />

Monate später zurück. Damit hatte ich<br />

also die Schule beendet und begann<br />

mit einer Lehre zum Elektroinstallateur.<br />

Nach drei Jahren Herde reparieren und<br />

Leitungen legen konnte ich das. Aber<br />

die Sehnsucht nach weiten Reisen blieb.<br />

Für meinen Traum, nach Indien zu fahren,<br />

musste ich Geld verdienen – und da<br />

kam mir das Angebot vom Theater zum<br />

Ende meiner Bundeswehrzeit gerade<br />

recht. In München fand ich dann eine<br />

Möglichkeit, schneller zu Geld zu kommen.<br />

Dort konnte ich am Tage bei der<br />

Fotofirma Agfa arbeiten. Wir entwickelten<br />

Maschinen, um aus Negativen<br />

Positive zu machen – für Fotografie und<br />

Film. Nachts ging es dann als Beleuchter<br />

ins Gärtnerplatztheater und in die Kammerspiele.<br />

Schließlich war die Reisekasse<br />

gefüllt. Die Indienreise endete allerdings<br />

schon in Persien, wo wir komplett<br />

ausgeraubt wurden. So kam ich mit dem<br />

Bus zurück und machte weiter, wo ich<br />

angefangen hatte: im Theater.<br />

Also zurück nach München?<br />

Nein, nein. Meine nächste Station war<br />

Berlin. Bei den Festwochen gab es jede<br />

Menge Arbeit. In der Schaubühne lief<br />

ich eines Abends Peter Stein in die<br />

Arme, den ich schon aus München<br />

kannte. Er begrüßte mich: „Gerade<br />

haben zwei Beleuchter gekündigt. Du<br />

kannst anfangen.“ Das war eine tolle<br />

Zeit, in den 70ern. Montags gab es für<br />

alle Mitarbeiter zwei Stunden marxistische<br />

Arbeiterschulung. Für mich war<br />

das interessant. Außerdem machte ich<br />

jetzt auch die Prüfung zum Beleuchtungsmeister.<br />

Mit Michael Ballhaus<br />

drehten wir in dieser Zeit den Film Sommergäste.<br />

Die Inszenierung von Stein<br />

wurde komplett in die Realität versetzt.<br />

Theater im Wald! Ich war begeistert von<br />

der engen Zusammenarbeit am Set und<br />

bemühte mich, die perfekte Beleuchtung<br />

zu schaffen.<br />

Aber heute bist du ja nicht mehr<br />

Beleuchter?<br />

Stimmt. Nach zwei Jahren als Beleuchtungsmeister<br />

in Stuttgart wurde ich<br />

dann zum Technischen Direktor – in<br />

Esslingen, Krefeld, Münster, Stuttgart<br />

und jetzt seit 1998 in Wiesbaden.<br />

Das hört sich nach einer Menge<br />

Arbeit an.<br />

Wenn man das mal überschlägt: Etwa<br />

1000 Bühnenbilder habe ich in dieser<br />

Zeit realisiert.<br />

Gibt es da besondere Highlights, an<br />

die du dich besonders gern erinnerst?<br />

Eigentlich nicht, jede Produktion ist<br />

eine einzigartige Herausforderung. Und<br />

manchmal sind es die ganz bescheiden<br />

wirkenden Bühnenbildentwürfe, die<br />

später zu wahren Aufgaben werden.<br />

Das fordert dann die Mitarbeiter in<br />

den Werkstätten und auf den Bühnen<br />

sicher auch zu Höchstleistungen?<br />

Das ist wahr. Wir haben einen extrem<br />

knappen Personalhaushalt hier in Wiesbaden.<br />

Da kommt man schon manchmal<br />

an die Grenzen des Machbaren. Zum<br />

Glück konnte ich mich immer auf die<br />

große Kompetenz und Leistungsbereitschaft<br />

der Mitarbeiter verlassen. Aber<br />

auch der Sachhaushalt ist angespannt.<br />

Das hat die Arbeit zeitweise behindert.<br />

Denn wir bewegen im Theater ja noch<br />

reale Masse, um Kunst zu erzeugen. Das<br />

ist in Zeiten der elektronischen Illusionswelten<br />

schon eine Besonderheit.<br />

Welche Erinnerung nimmst du als<br />

besonderen Moment mit?<br />

Es war der 24. August 2006. Der Umbau<br />

der Bühnen in Wiesbaden lief seit 2002.<br />

In den Sommerferien 2006 war die<br />

Obermaschinerie im Großen Haus dran.<br />

Wir haben in sechs Wochen Theaterferien<br />

70 Tonnen Stahl aus dem Haus<br />

geschafft und 140 Tonnen Maschinen,<br />

Kabel und ähnliches eingebaut. Als<br />

dann sechs Wochen später die erste<br />

Technische Einrichtung anstand, kam<br />

ich mit Lampenfieber ins Haus. Ich war<br />

mir nicht sicher, ob die Techniker sich<br />

so schnell mit dem neuen Material<br />

vertraut machen konnten. Und all die<br />

neuen exklusiven Geräte waren ja noch<br />

nie im Zusammenspiel gelaufen. Aber<br />

es funktionierte perfekt. Ich war sehr<br />

glücklich!<br />

Und jetzt? Was machst du, wenn du<br />

bald viel Freizeit hast?<br />

Nichts! Und darauf freue ich mich am<br />

meisten. Nach 47 Jahren Arbeit kann<br />

man sich wohl ein Päuschen leisten.<br />

Irgendwann kommt dann sicher das<br />

große Loch, und dann sehen wir mal<br />

weiter. Es gibt schon Anfragen von<br />

Festivals und Fachfirmen, aber erst mal<br />

nutze ich die Zeit zum Wandern, Radfahren,<br />

Fotografieren, Bogen schießen<br />

und für all die Sachen, die immer zu kurz<br />

kamen!<br />

Hessisches Staatsthea ter Wiesbaden / Theaterblatt • Juni 2012

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