CeraNews 1/2013 DE
Das Magazin für Orthopäden
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Fortbildung (Fortsetzung)<br />
7. Flächenkorrosion ist eine Form der Korrosion, die auf chemische<br />
Unterschiede nicht über die Korngrenzen hinaus, sondern<br />
innerhalb der Körner selbst zurückzuführen ist. 11 Dies ist als der<br />
Abtrag spezifischer Komponenten einer Legierung von der Oberfläche<br />
des Produkts definiert und wird durch schwach gebundene<br />
oder leicht lösliche Elemente und/oder aggressive Medien verursacht.<br />
Flächenkorrosion ist bei mehrphasigen Legierungen mit<br />
Körnern unterschiedlicher Zusammensetzung und Struktur wahrscheinlicher<br />
als bei einphasigen Materialien. Flächenkorrosion als<br />
Prozess kann die Passivierung einer Oberfläche begleiten. Lösliche<br />
Elemente wie Fe oder V werden aus der Oberfläche ausgewaschen,<br />
was zu einer höheren Konzentration korrosionsbeständiger<br />
Elemente wie Cr oder Ti führt. So entsteht ein Schutz vor<br />
weiteren Korrosionsattacken.<br />
8. Spannungsrisskorrosion umfasst Phänomene, bei denen<br />
ein Metall in einer bestimmten Umgebung (insbesondere in chloridreichen<br />
Umgebungen) Belastungen ausgesetzt ist und aufgrund<br />
der Korrosion deutlich schneller versagt als zu erwarten. 14<br />
Allgemeine Korrosion lässt sich nicht vermeiden. Bei modernen<br />
Implantatwerkstoffen handelt es sich dabei jedoch um einen extrem<br />
langsamen Prozess (einige ng/cm 2 /Tag). Wird nur die allgemeine<br />
Korrosion in Betracht gezogen, übersteigt die Lebensdauer<br />
eines Implantats die Lebenserwartung des Patienten bei weitem.<br />
Alle anderen Formen der Korrosion können durch die Auswahl<br />
geeigneter Werkstoffe und Designs sowie den korrekten Umgang<br />
mit den Implantaten vermieden oder reduziert werden. Lässt sich<br />
Korrosion nicht vermeiden, ist darauf zu achten, dass sie möglichst<br />
weitgehend reduziert wird.<br />
Korrosion ist – wie Abrieb – systembedingt und auf mehrere Faktoren<br />
zurückzuführen. Sie ist abhängig vom Werkstoff (Zusammensetzung,<br />
Struktur, Homogenität, Unreinheiten, Defekte,<br />
Elektropotenzial, Repassivierungskapazität etc.), vom Fertigungsprozess,<br />
vom Oberflächenzustand (insbesondere der Rauigkeit),<br />
vom Design (Maße und Toleranzen, insbesondere bei modularen<br />
Verbindungen wie einem Morse-Konus), von der Umgebung (vorwiegend<br />
Belastung, Bewegung und pH-Wert) 5 und dem komplexen<br />
Wechselspiel der metallurgischen, chemischen, elektrischen<br />
und tribologischen Faktoren. 12,15,16<br />
Korrosion und Reibung bei Biomaterialien<br />
Ti und Ti-Legierungen sind für Reibabrieb anfällig, aber ihr elektro<br />
dynamisches Potenzial, und somit ihre Korrosionsbeständigkeit,<br />
ist mit rund 6 V hoch. CoCr-Legierungen sind härter und<br />
weniger anfällig für Reibung und Abrieb, aber ihr Korrosionspotenzial<br />
ist mit rund 400 mV weit niedriger. Edelstahllegierungen<br />
haben allgemein eine ähnliche Härte, aber eine niedrigere Korrosionsbeständigkeit,<br />
mit rund 350 mV für ISO 5832-1- und 800 mV<br />
für ISO 5832-9-Stahl. Zudem ist ihre Reibbeständigkeit geringer<br />
als die von CoCr-Legierungen.<br />
Aufgrund der hohen Korrosionsbeständigkeit der in der Orthopädie<br />
verwendeten Metalle und Legierungen kommen einige Korrosionstypen<br />
kaum vor. Die beiden Hauptformen von Korrosion, die bei<br />
orthopädischen Implantaten beobachtet werden, sind durch Reibung<br />
verursachte Spaltkorrosion und Reibkorrosion. Lochfraßkorrosion<br />
ist nur bei Edelstählen beobachtet worden und war<br />
der Grund für das Polieren von Schäften, da die Oberflächenrauigkeit<br />
auch Einfluss auf das Ausmaß der Korrosion hat.<br />
Gilbert et al. 17 formulierten die Hypothese einer mechanisch verstärkten<br />
Spaltkorrosion als Erklärung dafür, wie mechanische<br />
Belastung zu Reibung an der modularen Konus-Schnittstelle,<br />
sowie zur Unterbrechung des passiven Oxidfilms, zur Repassivierung<br />
und zur Spaltkorrosion führen kann. Dies scheint bis heute<br />
Konsens zu sein. Sie vermuteten, dass die mechanische Belastung<br />
der Endoprothese die Reib- und Spaltkorrosionsprozesse<br />
beschleunigt und zu der Freisetzung von Metallionen sowie zur<br />
Entstehung von Abrieb führt. Obwohl es sich im Prinzip um ein<br />
Spaltkorrosionsproblem handelt, tragen mechanische Reibung<br />
und Abrieb zusätzlich zum Aufreißen der atomdünnen schützenden<br />
Oxidschicht bei, die sich am Rand der Spaltumgebung befindet.<br />
12,15,18 Wenn das zugrundeliegende metallische Substrat durch<br />
mechanische Beschädigung der Flüssigkeit in der In-vivo-Umgebung<br />
ausgesetzt wird, verändern die schnelle Oxidation oder die<br />
Repassivierung der Metalloberflächen ihre Spannung und führen<br />
zur Säurebildung in der im Konusspalt enthaltenen Lösung.<br />
Einige Autoren von Fachartikeln über Reibung und Korrosion<br />
modularer Implantate gehen jedoch davon aus, dass Korrosionsprobleme<br />
von Design und Hersteller abhängen. 19 Natürlich ist das<br />
intraoperative Zusammenfügen der modularen Komponenten –<br />
sauber, trocken, Impaktieren 20,21,22 – für jede Werkstoffkombination<br />
ebenso wichtig, obwohl sich die Folgen, etwa für Metall oder<br />
Keramik, naturgemäß unterscheiden.<br />
Ein potenzielles zusätzliches Risiko besteht darin, dass über die<br />
Jahre Operateure damit begonnen haben, Komponenten unterschiedlicher<br />
Hersteller zu kombinieren 23 und dass nicht alle<br />
Konusse gleich sind.<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>CeraNews</strong> 1 / <strong>2013</strong><br />
Korrosion und Abrieb sind systembedingt, komplex und multifaktoriell.<br />
Metallische Biomaterialien korrodieren im menschlichen<br />
Körper allgemein, wenn auch sehr langsam. Verschiedene andere<br />
Formen der Korrosion sind in der Technik identifiziert worden,<br />
einige von ihnen lassen sich auch in der Orthopädie beobachten.<br />
Ihre Ursachen und Folgen wurden im Detail analysiert. Für Langzeitimplantate<br />
wie HTEP wurden die modularen Verbindungen<br />
als vorrangige Problemquelle identifiziert. Der Mechanismus der<br />
durch Reibung hervorgerufenen Spaltkorrosion hat hier besondere<br />
Aufmerksamkeit erhalten. Abgesehen von mehreren anderen<br />
Faktoren sind die Verwendung geeigneter Werkstoffe und<br />
angemessener Designs sowie das sorgfältige Zusammenfügen der<br />
gewählten Komponenten die beste Methode, um umfangreiche<br />
Korrosion mit ihren möglichen Konsequenzen zu vermeiden.<br />
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