CeraNews 1/2013 DE
Das Magazin für Orthopäden
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Fortbildung<br />
Grundlagen – Korrosion und Reibkorrosion (Fretting)<br />
von Prof. Dr. Robert Streicher<br />
Einleitung<br />
In der Orthopädie verwendete Metalle sind hochfeste, biokompatible<br />
Legierungen. Sie werden vorwiegend für die Strukturkomponenten<br />
der Implantate eingesetzt. Je nach ihrer Zusammensetzung<br />
können sie wie Edelstahl und CoCr-Legierungen inert sein oder<br />
wie Titan und Titanlegierungen osteogene Zellen anziehen.<br />
Für Medizinprodukte werden drei Metalle und Legierungen in verschiedenen<br />
Zusammensetzungen verwendet: auf Fe basierende Legierungen<br />
(Edelstahl), CoCr-Legierungen (Stellite) und Ti und seine<br />
Legierungen. Für die Gleitpaarungen künstlicher Gelenke werden<br />
fast ausschließlich CoCr-Legierungen verwendet.<br />
Abb. 1a: Korrosion in technischer Anwendung<br />
Seit den frühen 1970er-Jahren setzen sich Implantate zunehmend aus modularen<br />
Komponenten zusammen. Dies gilt insbesondere für Hüftimplantate mit<br />
austauschbaren Kugelköpfen und Morse-Konus, was auch die Einführung der<br />
keramischen Gleitpaarung für die Hüftendoprothetik möglich machte. Diese<br />
Implantate haben sich bewährt. Bei jedem modularen Design gibt es jedoch<br />
auch gewisse Risiken im Kontaktbereich zwischen zwei Komponenten, da dort<br />
verstärkt Reibung und Korrosion auftreten und die Entstehung von Abriebpartikeln<br />
wahrscheinlicher ist.<br />
Kürzlich wurde in 3 Vorträgen über Reibung und Korrosion berichtet. Der<br />
Schwerpunkt lag auf dem Verhalten von Keramik- und/oder CoCr-Kugelköpfen<br />
bei modularen Hüftendoprothesen (HTEP). 1,2,3 Da das Thema modulare Verbindungen<br />
in den vergangenen Jahren eine (negative) Renaissance erlebt hat, werden<br />
in diesem Artikel wissenschaftliche Grundlagen zu Reibung und Korrosion<br />
zusammengefasst.<br />
Abb. 1b: Schnittstellenkorrosion in der Orthopädie –<br />
Innenkonus eines Metall-Kugelkopfes<br />
Quelle: Collier P et al. Corrosion between the components of modular<br />
femoral hip prostheses, J Bone Joint Surg-Br 1992;74:511-7<br />
Definitionen<br />
Mechanisch verursachter Schnittstellenverschleiß<br />
(Abrieb, Reibung und Reibabrieb)<br />
Chemisch verursachter Schnittstellenverschleiß<br />
(Reib- und Spaltkorrosion)<br />
<strong>CeraNews</strong> 1 / <strong>2013</strong><br />
Abrieb ist als Oberflächenbeschädigung definiert,<br />
die durch einen schrittweisen Materialverlust aufgrund<br />
der Relativbewegung zwischen angrenzenden<br />
Oberflächen gekennzeichnet ist. 4<br />
Reibung (Fretting) ist eine spezifische relative<br />
Bewegung und ist definiert als ein Bewegungsmechanismus<br />
mit niedriger Amplitude, Schwingung<br />
und Verschiebung zwischen zwei belasteten,<br />
mechanisch verbundenen Teilen. Mehrere Autoren<br />
haben untersucht, welcher Bewegungsumfang<br />
nötig ist, um dieses Phänomen auszulösen. Er wird<br />
allgemein als sehr niedrig, zwischen 1 und 100 μm,<br />
angegeben. 5,6 Angesichts der im Körper vorhandenen<br />
Belastungen sind alle modularen Endoprothesenverbindungen<br />
potenzieller Reibung ausgesetzt.<br />
Reibabrieb ist der Materialabtrag der Kontaktflächen<br />
durch Reibwirkung.<br />
Korrosion ist gemäß ingenieurwissenschaftlicher<br />
Definition die sichtbare Zerstörung einer Struktur bis<br />
hin zum Funktionsverlust. In der Chemie dagegen<br />
ist Korrosion als irreversible Oberflächenreaktion<br />
eines Werkstoffs mit seiner Umgebung definiert,<br />
durch die das Material verbraucht wird und seine<br />
gelösten Teile mit der Umgebung reagieren. Sie<br />
wird als Oberflächenschädigung aufgrund elektrochemischer<br />
Wechselwirkungen beschrieben, durch<br />
die Metallionen und Salze 7 entstehen, und gilt nur<br />
für Metallwerkstoffe. Nur Edelmetalle wie Gold<br />
haben eine Oberfläche, die sich selbst vor Korrosion<br />
schützt. Alle anderen Metalle und Legierungen<br />
unterliegen bei Luftkontakt einer spontanen Reaktion<br />
mit Sauerstoff, die zu einer mehr oder weniger<br />
schützenden Oxidschicht (Passivierung) führt, wie in<br />
Abbildung 2 dargestellt.<br />
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