CeraNews 1/2013 DE
Das Magazin für Orthopäden
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Tribologie<br />
Update zur Konuskorrosion:<br />
Welche Rolle spielen Keramik-Kugelköpfe?<br />
von Prof. Dr. Steven M. Kurtz<br />
Prof. Dr. Steven M. Kurtz ist Forschungsprofessor<br />
und Direktor des Implant Research<br />
Center an der School of Biomedical Engineering,<br />
Science and Health Systems der Drexel University<br />
in Philadelphia, USA. Bei Exponent, Inc.,<br />
einem internationalen Consultingunternehmen<br />
im Bereich Wissenschaft und Ingenieurtechnik,<br />
ist er außerdem Corporate Vice President, Direktor<br />
der Abteilung Biomedical Engineering und<br />
Direktor der Niederlassung Philadelphia.<br />
Sein Fachgebiet ist das klinische Verhalten von<br />
Polyethylen-, Keramik- und Metall/Metall-Hüftimplantaten.<br />
Im Rahmen seiner beruflichen<br />
Laufbahn war er an der Erprobung medizintechnischer<br />
Produkte aus einer sowohl analytischen<br />
als auch experimentellen und klinischen<br />
Perspektive beteiligt. In seiner Forschungstätigkeit<br />
hat er sich insbesondere dem klinischen<br />
Verhalten von Medizinprodukten unter<br />
Realbedingungen gewidmet. Hierzu gehören<br />
unter anderem orthopädische, spinale und<br />
kardiovaskuläre Implantate, deren Leistungsfähigkeit<br />
anhand von Explantaten sowie unter<br />
Einbeziehung von Datenbanken nationaler<br />
Gesundheitssysteme überprüft werden. Weitere<br />
Forschungsthemen sind das mechanische<br />
Verhalten synthetischer Biomaterialien, die<br />
Kontaktmechanik von Endoprothesen und die<br />
strukturelle Evaluierung von Knochen-Implantat-Systemen.<br />
Prof. Dr. Kurtz ist in zahlreichen wissenschaftlichen<br />
Gesellschaften aktiv, unter anderen in der<br />
American Academy of Orthopaedic Surgeons,<br />
der American Association of Hip and Knee Surgeons,<br />
der Knee Society und der American Society<br />
for Testing and Materials. Er hat 5 Bücher<br />
herausgegeben und mehr als 150 Zeitschriftenartikel<br />
und 400 Konferenz-Abstracts verfasst.<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. Steven M. Kurtz<br />
Drexel University<br />
School of Biomedical Engineering,<br />
Science & Health Systems<br />
3141 Chestnut Street<br />
Philadelphia, PA 19104, USA<br />
Telefon: +1 215 594 8851<br />
Telefax: +1 215 594 8899<br />
E-Mail: skurtz@drexel.edu<br />
Wenn man eine Sache<br />
verstehen will, muss man ihren<br />
Anfang und ihre Entwicklung<br />
betrachten.<br />
– Aristoteles<br />
Konuskorrosion ist in der Orthopädie<br />
kein neues Problem – allerdings<br />
waren wir bis vor kurzem<br />
der Meinung, es sei gelöst.<br />
Die metallischen Biomaterialien, die<br />
wir für Hüft- und Knieimplantate<br />
einsetzen, insbesondere auf Kobalt<br />
und Titan basierende Legierungen,<br />
gehören zu den korrosionsbeständigsten<br />
Werkstoffen, die bei Implantaten<br />
zum Einsatz kommen. Für sie sind<br />
vorwiegend gute klinische Ergebnisse<br />
über viele Jahrzehnte nachgewiesen.<br />
In den 1980ern und 1990ern<br />
untersuchten Forscher die Korrosion<br />
an der Verbindung zwischen modularen<br />
Kugelköpfen und -schäften im<br />
Detail. 1-6 Diese ersten Studien trugen<br />
dazu bei, Korrosionsprodukte von<br />
modularen Verbindungen an metallischen<br />
Schäften zu identifizieren und<br />
den Korrosionsmechanismus zu erforschen,<br />
bei dem nun von einem komplexen<br />
Spaltkorrosionsprozess mit<br />
mechanischen Aspekten ausgegangen<br />
wird (für weitere Details siehe den Beitrag<br />
von Prof. Dr. Robert Streicher auf<br />
S. 14 ff). Diese mechanistische Grundlagenforschung<br />
fokussierte jedoch<br />
fast ausschließlich auf Kugelköpfe aus<br />
Kobalt-Chrom-Legierungen (CoCr)<br />
mit Schäften aus Kobalt- oder Titanlegierungen.<br />
Angesichts wachsender Bedenken<br />
hinsichtlich Konuskorrosion bei<br />
mo du laren Metall/Metall-Hüftdesigns<br />
mit großem Kugelkopf, 7,8 modularen<br />
Zwei-Komponenten-Schäften 9 sowie<br />
seit neuestem Metall/Polyethlyen-<br />
Hüftdesigns 10 wächst das Interesse<br />
am Problem der Freisetzung von<br />
Metallpartikeln aus modernen modularen<br />
Verbindungen und der Möglichkeit<br />
seltener Komplikationen, unter<br />
anderem durch adverse lokale Gewebereaktionen<br />
(ALTR). Bis vor kurzem<br />
gab es nur wenige Veröffentlichungen<br />
zum Thema Konuskorrosion in<br />
Verbindung mit Keramik-Kugelköpfen.<br />
Ziel des vorliegenden Artikels ist<br />
die kurze Zusammenfassung einiger<br />
der wichtigsten Studien, in denen auf<br />
Konuskorrosion in Verbindung mit<br />
Keramik-Kugelköpfen in modularen<br />
Hüftsystemen eingegangen wird.<br />
Zudem soll auf Grundlage der aktuellen<br />
Erkenntnisse unserer Forschungsgruppe<br />
eine neu entstehende Perspektive<br />
dieser Problematik aufgezeigt<br />
werden.<br />
Im Rahmen der Erforschung von<br />
Produkten der Konuskorrosion in<br />
den 1990ern untersuchten Forscher<br />
wie unter anderem Urban, Gilbert,<br />
Jacobs und Kollegen ein breites<br />
Spektrum von Hüftimplantatdesigns<br />
und richteten ihr Augenmerk dabei<br />
besonders auf modulare Verbindungen,<br />
bei denen sowohl der Kugelkopf<br />
als auch der Schaftkonus aus Metall<br />
bestanden. 3-6,11,12 In dieser Sammlung<br />
befand sich ein Autophor-Hüftimplantat<br />
– ein früher CoCr-Schaft mit einem<br />
Aluminiumoxidkeramik-Kugelkopf<br />
aus BIOLOX ® -Keramik der ersten Generation.<br />
Von diesem einen Keramikexplantat<br />
und ihrer größeren Sammlung<br />
von Metallkomponenten ausgehend,<br />
beobachteten Urban und Kollegen, 5<br />
dass „die Korrosionsprodukte an der<br />
Verbindung der Module aller untersuchten<br />
Endoprothesen unabhängig<br />
von Implantatdesign oder Materialpaarung<br />
ähnlich ausfielen, selbst<br />
wenn ein Keramik-Kugelkopf verwendet<br />
wurde.“ Nachdem in diesen<br />
frühen Studien die grundlegenden<br />
Mechanismen der Konuskorrosion<br />
ermittelt worden waren, wurde das<br />
Thema der modularen Konuskorrosion<br />
in der orthopädischen Diskussion<br />
weitgehend durch das Problem der<br />
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