CeraNews 2/2013 DE
Das Magazin für Orthopäden
Das Magazin für Orthopäden
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<strong>CeraNews</strong><br />
Das Magazin für Orthopäden<br />
Ausgabe 2/<strong>2013</strong><br />
Ceramics in Orthopaedics<br />
Gastkommentar<br />
von Prof. Dr. Javad Parvizi 2<br />
Das 3-Säulen-Konzept des Vreden-Instituts<br />
Interview mit Prof. Dr. Raschid M. Tichilow 2<br />
Im Fokus<br />
Periprothetische Gewebereaktionen bei Gleitpaarungen und<br />
Korrosion/Fretting bei modularen Metallkonus-Verbindungen 6<br />
Endoprothesen-Pathologie<br />
Neue Wege in der Bewertung der Implantat-Gewebe-Interaktion<br />
von Prof. Dr. Peter Thomas, Dr. Burkhard Summer 10<br />
Endoprothesen-Pathologie<br />
Histopathologische Partikelidentifikation<br />
(Partikelalgorithmus nach Krenn)<br />
von Prof. Dr. Veit Krenn et al. 12<br />
Prof. Dr. Raschid M. Tichilow<br />
Fortbildung<br />
Fretting und Korrosion – ein Problem<br />
beim BIOLOX ® OPTION-System?<br />
von Prof. Dr. Robert Streicher et al. 18<br />
Studie<br />
Besteht bei übergewichtigen Patienten ein erhöhtes<br />
Frakturrisiko für keramische Komponenten in der HTEP?<br />
von Prof. Dr. Michael M. Morlock et al. 20<br />
News und Themen<br />
aus Wissenschaft, Forschung und Medizintechnik 24
Gastkommentar<br />
Interview<br />
Das 3-Säulen-Konzept<br />
des Vreden-Instituts<br />
Liebe Kollegen,<br />
Prof. Dr. Javad Parvizi<br />
Prof. Dr. Javad Parvizi<br />
ist Vice Chairman of<br />
Research und Director<br />
of Joint Research am<br />
Rothman Institute in<br />
Philadelphia, USA.<br />
mit steigenden Implantationszahlen beim künstlichem<br />
Gelenkersatz, dessen Erfolge unbestritten sind, wächst<br />
auch die Zahl der Komplikationen, von denen unsere<br />
Patienten betroffen sein können. Komplikationen stellen<br />
nicht nur eine enorme Belastung für unsere Patienten,<br />
sondern auch für unser Gesundheitssystem<br />
dar. Ihre Behandlung muss effektiv und lösungsorientiert<br />
sein. Unsere Verantwortung liegt in einer guten<br />
Zusammenarbeit, um strukturierte Methoden zur Vermittlung<br />
von fundiertem Fachwissen zu erarbeiten und<br />
vielversprechende Innovationen weltweit einzuführen.<br />
Die Teilnahme von Prof. Tichilow am Konsensustreffen<br />
zur Infektionsbehandlung, das kürzlich in Philadelphia<br />
stattfand, war ein hervorragendes Beispiel für eine solche<br />
Zusammenarbeit.<br />
Eine wertvolle Hilfe für uns ist auch die Zusammenarbeit<br />
mit Kollegen aus anderen Fachgebieten. Der Aller gologe<br />
Prof. Thomas regt eine erweiterte Herangehensweise<br />
zur Beurteilung der Implantat-Gewebe-Interaktion an.<br />
Vom Pathologen Prof. Krenn erhalten wir praxisorientierte<br />
Richtlinien zur Einordnung möglicher Versagensmechanismen<br />
beim Gelenkersatz mit Blick auf besondere<br />
Gewebsreaktionsmuster und die potenzielle Rolle<br />
von Partikeln. Sein Partikelalgorithmus ist ein wertvolles<br />
Hilfsmittel, um Implantat- und Gewebereaktionen besser<br />
verstehen und interpretieren zu können.<br />
Außerdem müssen wir uns klinischen Herausforderungen<br />
wie der Implantatlockerung, der Behandlung<br />
übergewichtiger Patienten, Infektionen und der<br />
Metall ionenbelastung bei modularen Implantatssystemen<br />
stellen. So liefern etwa neueste Forschungsergebnisse,<br />
wie etwa eine Studie der Drexel University in Philadelphia,<br />
überzeugende Argumente für den Einsatz<br />
keramischer Komponenten, um eine Ionenfreisetzung<br />
im Zusammenhang mit modularen Implantatsystemen<br />
zu minimieren.<br />
Eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit ist der<br />
Schlüssel zur Erlangung eines vertieften, fundierten<br />
Fachwissens und unabdingbar für ein erfolgreiches<br />
Management von Komplikationen. Unser Ziel ist, Operateure<br />
auf der ganzen Welt darin zu unterstützen,<br />
verbesserte Methoden zur Behandlung von Komplikationen<br />
beim Gelenkersatz einzusetzen und die Versorgungsqualität<br />
weiter zu verbessern.<br />
Ein Interview mit Prof. Dr. Raschid M. Tichilow<br />
Prof. Dr. Raschid M. Tichilow ist geschäftsführender<br />
Direktor der Russischen Gesellschaft für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie. <strong>CeraNews</strong> sprach mit ihm über die<br />
Situation der Endoprothetik in seinem Land, die Zusammenarbeit<br />
mit anderen nationalen orthopädischen Fachgesellschaften<br />
sowie über die „Vreden’schen Lesungen“,<br />
eine angesehene Fachtagung, die sein Institut seit 2008<br />
jährlich veranstaltet.<br />
Prof. Tichilow, was bedeutet es für Sie, in der Tradition<br />
von Roman Romanowitsch Vreden zu stehen,<br />
dessen Namen Ihr Institut trägt?<br />
In der Tat können wir uns auf eine große Tradition<br />
stützen, von der Patienten, Forschung und Lehre<br />
profitieren. R.R. Vreden wurde 1906 zum ersten<br />
Direktor des Institutes ernannt. Ich muss jedoch hinzufügen,<br />
dass die Idee für die Gründung des Institutes<br />
nicht von ihm stammte. Die Voraussetzungen<br />
für den Bau der Einrichtung wurden bereits 1901<br />
geschaffen, als der damalige Hofarzt von Zarin<br />
Alexandra Fjodorowna, Karl Christian Horn (1851–<br />
1905), von ihr den Auftrag erhielt, eine beispielhafte<br />
moderne orthopädische Einrichtung zu schaffen.<br />
Der Bau des Institutes dauerte von 1902 bis<br />
1906. Horn starb 1905, kurz vor der Fertigstellung<br />
des zukunftsweisenden Projektes. Daraufhin wurde<br />
R.R. Vreden, der einen hervorragenden Ruf als Militärarzt<br />
und Wissenschaftler genoss, die Leitung der<br />
Einrichtung übertragen. Er legte den Schwerpunkt<br />
auf die Entwicklung chirurgischer Methoden zur<br />
Behandlung orthopädischer Deformationen. Das<br />
hatte einen entscheidenden Einfluss auf die konzeptionelle<br />
Entwicklung des Institutes. Das Vreden-<br />
Institut war Anfang des 20. Jahrhunderts die erste<br />
Einrichtung in Russland, die auf breiter Basis orthopädische<br />
Operationen durchführte, und zählt heute<br />
zu einer der modernsten Kliniken ihrer Art in der<br />
Welt.<br />
Welchen Herausforderungen in der Orthopädie,<br />
speziell in der Endoprothetik, muss sich das Vreden-<br />
Institut heute stellen?<br />
Heute betrachten wir es gleichermaßen als Aufgabe<br />
und Herausforderung, die Vreden‘sche Tradition auf<br />
mehreren Gebieten der Orthopädie fortzuführen. So<br />
evaluieren wir die Ergebnisse unserer Tätigkeit, um<br />
das bereits hervorragende Niveau der Operationstechnik<br />
in der Endoprothetik weiter zu steigern und<br />
eine hohe Ergebnisqualität sicher zu stellen. Nach<br />
2 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Das Forschungsinstitut<br />
für Trauma tologie und<br />
Orthopädie „R.R. Vreden“<br />
in St. Petersburg<br />
Prof. Dr. Raschid M. Tichilow ist geschäftsführender<br />
Direktor der Russischen Gesellschaft<br />
für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Ehrenmitglied<br />
mehrerer nationaler Fachgesellschaften<br />
für Orthopädie und Traumatologie. Er wurde<br />
1988 zum Leiter der Abteilung für Orthopädie<br />
und Traumatologie der traditionsreichen Klinik<br />
der Militär-Medizinischen Akademie „S. M.<br />
Kirov“ in St. Petersburg berufen und setzte dort<br />
seine Lehrtätigkeit und Forschung fort.<br />
Seit 2003 ist Prof. Dr. Tichilow als Direktor des<br />
Forschungsinstitutes für Traumatologie und<br />
Orthopädie R.R. Vreden in St. Petersburg tätig.<br />
In dieser Funktion ist er für die medizinische,<br />
wissenschaftliche und betriebswirtschaftliche<br />
Entwicklung des Institutes verantwortlich.<br />
Prof. Dr. Tichilow hat sich auf die Hüft- und<br />
Kniegelenkchirurgie spezialisiert und führt jährlich<br />
rund 500 Operationen durch. Schwerpunkte<br />
seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind die Grundlagenforschung<br />
und epidemiologische Studien auf<br />
dem Gebiet der Gelenkpathologie, der Endoprothetik<br />
und der rekonstruktiven Gelenkchirurgie. Er<br />
ist Chefredakteur der vom Vreden-Institut herausgegebenen<br />
Fachzeitschrift „Orthopädie und Traumatologie<br />
Russlands“ und Mitglied des Editorial<br />
Boards weiterer russischer Fachzeitschriften.<br />
Seit 2008 findet unter seiner Leitung jährlich die<br />
Konferenz „Vreden’sche Lesungen“ (Vreden’s<br />
Readings) statt, die den wissenschaftlichen und<br />
praktischen Erfahrungsaustausch fördert und ein<br />
hohes Ansehen bei den Orthopäden Russlands<br />
und des Auslands genießt. Als einer der führenden<br />
Orthopäden Russlands ist Prof. Tichilow ein<br />
kompetenter Ansprechpartner für das Gesundheitsministerium.<br />
Kontakt:<br />
Russisches Wissenschaftliches Forschungs institut<br />
für Traumatologie und Orthopädie<br />
„R.R. Vreden“<br />
Akademiemitglied-Baikov-Str. 8<br />
195427 St. Petersburg, Russland<br />
Telefon: 007 (812) 6708687<br />
Telefax: 007 (812) 6708905<br />
E-Mail: info@rniito.org<br />
Website „Vreden’sche Lesungen“:<br />
www.vredenreadings.org<br />
unserer Auffassung besteht eine Hauptaufgabe<br />
unseres Institutes darin, chirurgische Methoden und<br />
orthopädische Implantate zu bewerten, die von uns,<br />
den Kollegen und der Industrie weltweit entwickelt<br />
wurden. Mit diesem Ziel initiieren wir klinische Studien<br />
zur Ermittlung von Kurz- und Langzeitergebnissen<br />
verschiedener Behandlungsmethoden bei<br />
Trauma und Erkrankungen des Bewegungs- und<br />
Stützapparates. Wir führen in unserem Institut nicht<br />
nur Gelenkersatzoperationen durch. In Fortführung<br />
der bewährten Tradition beherrschen unsere Spezialisten<br />
in gleichem Maße die Kunst der komplexen<br />
gelenkerhaltenden Operationen.<br />
Unser besonderes Augenmerk gilt der Aus- und<br />
Weiterbildung von Spezialisten, ohne die eine hohe<br />
Ergebnisqualität nicht erreicht werden kann. Denn<br />
die rasante Entwicklung der Endoprothetik in Russland,<br />
die ein jährliches Wachstum von durchschnittlich<br />
15–20 % aufweist, in einigen Regionen sogar<br />
40–50 % verzeichnet, muss mit der Sicherung des<br />
Ausbildungsstands der hierfür benötigten Experten<br />
einhergehen. Deshalb ist es unser erklärtes Ziel, die<br />
Kollegen sowohl mit den geltenden Maßstäben der<br />
Ausbildung unseres Instituts als auch mit den Erfahrungen<br />
der Kollegen aus den europäischen Ländern<br />
vertraut zu machen.<br />
Was wurde bisher erreicht?<br />
Heutzutage werden in unserem Institut die<br />
modernsten Methoden in der traumatologischen<br />
Versorgung und der Behandlung von Erkrankungen<br />
des Bewegungs- und Stützapparates angewandt.<br />
Wir verfolgen aufmerksam die Entwicklung<br />
von Methoden, mit denen die besten Ergebnisse<br />
für die Patienten zu erzielen sind, und führen sie<br />
dann bei uns ein. Wie bereits erwähnt, nimmt die<br />
konsequente Fortbildung und Schulung orthopädischer<br />
Chirurgen einen bedeutenden Platz innerhalb<br />
unserer Tätigkeit ein. Mehr als 400 Ärzte aus<br />
allen Teilen Russlands und dem Ausland erhalten<br />
hier jedes Jahr die Möglichkeit, eine Ausbildung im<br />
Rahmen von Kursen oder nach individuellem Programm<br />
zu absolvieren. Je nach Aufgabenstellung<br />
haben die Ärzte die Möglichkeit, sich in Zeiträumen<br />
von einigen Tagen bis zu 8 Wochen in unserem<br />
Institut weiterzubilden. Wir sind der Überzeugung,<br />
dass ohne theoretische und praktische Anleitung,<br />
ohne konsequentes Training und intensiven Erfah-<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
3
Interview (Fortsetzung)<br />
Endoprothetik in Russland<br />
rungsaustausch die Ergebnisqualität leidet. Das<br />
Leistungsspektrum unseres Institutes umfasst auch<br />
die Hüft-, Knie- und Revisionsendoprothetik. Unsere<br />
Chirurgen führen neben komplexen Primäroperationen<br />
auch Wechseloperationen durch. Revisionsfälle<br />
werden uns aus allen Teilen des Landes zugewiesen.<br />
Infolge des landesweiten Anstiegs der Anzahl von<br />
Primäreingriffen nimmt auch die Anzahl der Revisionen<br />
zu, die derzeit bereits mehr als 18 % aller<br />
Operationen in unserem Institut ausmachen.<br />
Wie gestalten sich der wissenschaftliche Austausch<br />
und die Zusammenarbeit mit internationalen orthopädischen<br />
Fachgesellschaften?<br />
Die Zusammenarbeit ist für uns in mehrerer Hinsicht<br />
noch nicht ganz einfach. Zum einen liegt<br />
das an der Sprachbarriere, zum anderen konnten<br />
wir uns – historisch bedingt – nicht in das System<br />
der übergreifenden Zusammenarbeit der nationalen<br />
Fachgesellschaften integrieren, welches über<br />
Jahrzehnte gewachsen ist. Dennoch gibt es bereits<br />
erste Resultate einer erfolgreichen internationalen<br />
Kooperation. Im Rahmen der Nachverfolgung eines<br />
Implantates sind wir an einer Langzeit-Multicenterstudie<br />
führender Endoprothesenhersteller beteiligt.<br />
Der Erfahrungsaustausch auf internationalen<br />
Kongressen ist ein fester Bestandteil unserer Arbeit<br />
geworden. Dabei haben wir festgestellt, dass die<br />
von uns durchgeführten operativen Eingriffe bei<br />
Experten aus dem Ausland auf eine große Resonanz<br />
stoßen. Wir forcieren die aktive Zusammenarbeit<br />
Nach Angaben der Gesundheitsbehörden in Russland leiden etwa 2,2 %<br />
der ca. 143 Millionen Einwohner an Osteoarthritis. Die Anzahl endoprothetischer<br />
Eingriffe wird auf 100.000 jährlich geschätzt, wobei im Jahr 2012<br />
etwa 60.000 Hüft- und Knieendoprothesen eingesetzt wurden. Junge und<br />
aktive Patienten werden zunehmend mit den Gleitpaarungen Keramik/<br />
XPE und Keramik/Keramik versorgt. Die Metall/Metall-Gleitpaarung wurde<br />
kaum verwendet. Die Versorgung der Patienten erfolgt größtenteils in großen<br />
orthopädischen Zentren, die immer häufiger auch die Rehabilitation<br />
übernehmen.<br />
Das Vreden-Institut<br />
Das Institut für Traumatologie und Orthopädie „R.R. Vreden“ ist ein<br />
modernes orthopädisches Zentrum, das unter direkter Verwaltung des russischen<br />
Ministeriums für Gesundheitswesen steht. Die medizinische Kompetenz<br />
des 1906 gegründeten Vreden-Instituts stützt sich auf eine reiche<br />
Tradition. Mit 22 Fachabteilungen und 830 Betten ist es heute eines der<br />
größten orthopädischen Zentren Russlands. Von 23.000 Patienten wurden<br />
2012 nahezu 20.000 operativ versorgt, wobei etwa 5.000 Hüft- und Knieendoprothesen<br />
eingesetzt wurden. Mehr als 400 Ärzte aus Russland und<br />
dem Ausland werden jährlich im Vreden-Institut weitergebildet. Die Verbindung<br />
von Forschung, Lehre und Gesundheitsversorgung auf höchstem<br />
Niveau ist das Markenzeichen des Vreden-Instituts.<br />
mit internationalen Fachverbänden wie EFORT und<br />
SICOT. Mittlerweile begrüßen wir viele ausländische<br />
Ärzte als Referenten und Instruktoren auf unseren<br />
Veranstaltungen. Auch auf nationaler Ebene findet<br />
zunehmend ein engerer kollegialer Austausch statt.<br />
Er wird auch dadurch gefördert, dass bereits mehr<br />
als die Hälfte der russischen Orthopäden Mitglied<br />
der 2010 neu gegründeten orthopädischen Fachgesellschaft<br />
sind.<br />
Wie hat sich die Endoprothetik in Russland entwickelt,<br />
und was erwarten Sie für die Zukunft?<br />
Dank eines speziellen Regierungsprogramms, das<br />
auf die Verbesserung der Patientenversorgung mit<br />
High-Tech-Medizin abzielt, entwickelte sich die<br />
Endoprothetik in Russland in den letzten 6 bis 8<br />
Jahren äußerst dynamisch. Die Fakten sprechen für<br />
sich. Beispielsweise wurden mehrere große orthopädische<br />
Zentren auf höchstem Niveau neu gebaut,<br />
bestehende Kliniken modernisiert und mit modernster<br />
Technologie ausgestattet. Das ermöglichte einen<br />
starken Anstieg der Anzahl der Operationen. Die<br />
Kosten für die operative Versorgung der Patienten<br />
werden vom Staat getragen. Mehr als 60.000 Endoprothesen<br />
wurden 2012 in Russland eingesetzt. Im<br />
Vreden-Institut wurden im selben Jahr rund 23.000<br />
Patienten behandelt, davon etwa 20.000 Patienten<br />
operativ. Bei mehr als 5.000 Patienten haben wir<br />
endoprothetische Eingriffe an Hüft- und Kniegelenken<br />
vorgenommen. Inzwischen kommen auch<br />
zunehmend Patienten mit hochkomplexen Pathologien<br />
zu uns. Die Vreden’sche dreigeteilte Aufgabenstellung<br />
– Ausbildung, Therapie, Ergebnisanalyse<br />
– bildet dabei nach wie vor die Grundlage für<br />
die Qualifizierung der Ärzte.<br />
Welche Rolle spielen die anderen großen Zentren der<br />
orthopädischen Versorgung in Russland?<br />
Die großen orthopädischen Zentren nehmen seit<br />
Jahren nicht nur eine besondere therapeutische,<br />
sondern auch eine methodische Aufgabe wahr.<br />
Auf hohem fachlichen Niveau arbeiten landesweit<br />
bekannte orthopädische Institute, wie das ZITO in<br />
Moskau, das Nationale Chirurgische Zentrum N. I.<br />
Pirogov, ebenfalls in der Hauptstadt, die Institute in<br />
Saratow und Nischni-Nowgorod, das Ural-Institut in<br />
Jekaterinburg, das Nowosibirsker Institut für Traumatologie<br />
und Orthopädie und das Ilisarov-Institut<br />
in Kurgan. Jedes Zentrum hat sich spezialisiert,<br />
ohne dabei jedoch die Versorgung der Bevölkerung<br />
mit einem breiten Spektrum der traumatologischorthopädischen<br />
Behandlung zu vernachlässigen.<br />
So ist das Zentralinstitut für Traumatologie (ZITO)<br />
traditionell stark in der Arthroskopie und bei der<br />
Behandlung von ossären Pathologien. Das Institut in<br />
Nischni-Nowgorod ist seit langem auf die Handchirurgie<br />
ausgerichtet, während das Institut in Nowosibirsk<br />
große Erfahrungen in der Wirbelsäulenchirur-<br />
4 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
gie hat. Das Ilisarov-Zentrum konzentriert sich zwar<br />
auf die Weiterentwicklung der Ilisarov-Methode,<br />
richtet seine Aufmerksamkeit in den letzten Jahren<br />
jedoch vermehrt auf die rekonstruktive Wirbelsäulen-<br />
und Gelenkchirurgie sowie die Endoprothetik.<br />
Im Vreden-Institut sind zwar auch alle bedeutenden<br />
Fachrichtungen vertreten, über besonders viel Erfahrung<br />
verfügen wir aber auf dem Gebiet der komplexen<br />
rekonstruktiven Chirurgie großer Gelenke. Die<br />
neu erbauten Zentren in Tscheboksary, Barnaul und<br />
Smolensk verfolgen gleichfalls eine ähnliche Entwicklung.<br />
In jedem dieser Zentren werden mehrere<br />
tausend Eingriffe jährlich durchgeführt.<br />
Prof. Tichilow, wie erfolgt die Patientenaufnahme in<br />
einem der großen Zentren?<br />
Nach der Erstellung der Diagnose durch einen Spezialisten<br />
und bei positiver Entscheidung der örtlichen<br />
medizinischen Auswahlkommission werden die<br />
Dokumente der regionalen Gesundheitsbehörde<br />
zugesandt. Diese leitet sie an ein zuständiges orthopädisches<br />
Zentrum weiter. Dort wird der Behandlungsplan<br />
erstellt. Das Prozedere erfolgt relativ<br />
zügig. In den meisten Regionen Russlands gibt es<br />
keine längeren Wartezeiten. Auf Grund des hohen<br />
Anteils älterer Patienten ist die Situation in der Millionen-Metropole<br />
St. Petersburg etwas anders, wobei<br />
auch nur etwa ein Drittel der Patienten unseres Institutes<br />
aus St. Petersburg kommt.<br />
Welche tribologischen Trends gibt es in Russland?<br />
Glücklicherweise sind wir in Russland nicht jedem<br />
modischen Trend gefolgt. Die Probleme, die in letzter<br />
Zeit in Zusammenhang mit der Metall/Metall-<br />
Gleitpaarung aufgetreten sind, spielen daher bei<br />
uns eine eher untergeordnete Rolle. Was Gleitpaarungen<br />
mit Keramik betrifft, so zeigt die Auswertung<br />
der Fachliteratur, dass sowohl in der Kombination<br />
mit XPE als auch mit Keramik hervorragende<br />
Ergebnisse erzielt werden können. Deshalb setzen<br />
wir Keramik insbesondere für junge, aktive Patienten<br />
ein. Ich gehe davon aus, dass der Anteil von<br />
Keramik in der Versorgung mit steigenden Fallzahlen<br />
zunehmen wird, aber nur dann, wenn die Kosten<br />
für Keramik-Implantate für die Krankenhäuser<br />
tragbar sind. Auch diese Ergebnisse werden wir<br />
langfristig verfolgen und auswerten. Denn nichts ist<br />
so wertvoll wie die eigene klinische Erfahrung.<br />
Die meisten europäischen Länder, Australien und<br />
Kanada führen ein Endoprothesenregister, in China<br />
wird es für alle qualifizierten Kliniken im Verlauf dieses<br />
Jahres zur Pflicht. Wie bewerten Sie die Situation<br />
in Russland?<br />
Wir sind ebenfalls von der Bedeutung eines Endoprothesenregisters<br />
überzeugt. Langfristig erhobene,<br />
zuverlässige Daten leisten einen bedeutenden Beitrag<br />
in Hinblick auf Ergebnisqualität und Patientensicherheit.<br />
In unserem Institut gibt es bereits<br />
seit 7 Jahren ein funktionierendes Register. Derzeit<br />
schließen sich die großen Zentren in Tscheboksary<br />
und Barnaul unserem Register an. Wirklich effektiv<br />
wird ein solches Register natürlich erst dann, wenn<br />
90–95 % aller endoprothetischen Eingriffe des Landes<br />
erfasst werden. Momentan mangelt es hier leider<br />
noch an den Voraussetzungen. Einerseits fehlt<br />
in einigen Zentren noch die digitale Dokumentation,<br />
andererseits wird es nicht ohne gesamtstaatliche<br />
administrative Vorgaben flächendeckend umgesetzt<br />
werden können. Hier spielt auch der zusätzliche<br />
Zeitaufwand eine Rolle, der finanziell nicht kompensiert<br />
wird. Für die Realisierung eines nationalen<br />
Registers ist das Zusammenwirken der Orthopädischen<br />
Fachgesellschaft und des Ministeriums für<br />
Gesundheitswesen notwendig.<br />
Was erwartet die Teilnehmer bei der diesjährigen<br />
Vreden-Konferenz in St. Petersburg?<br />
Ich freue mich auf eine interessante Konferenz mit<br />
inspirierenden Vorträgen und lebendigen Diskussionen.<br />
Erstmals legen wir den Schwerpunkt auf<br />
die systematische Wissensvermittlung. Mehr als 20<br />
Experten aus der ganzen Welt, unter anderem aus<br />
den USA, Kanada und Europa, werden mit ihren<br />
Kollegen aus Russland verschiedene Aspekte der<br />
Hüft- und Knieendoprothetik diskutieren. Am ersten<br />
Konferenztag wird den Teilnehmern im Rahmen<br />
von Workshops die Möglichkeit geboten, sich unter<br />
Anleitung erfahrener Instruktoren mit den neuesten<br />
Endoprothesensystemen verschiedener Firmen<br />
vertraut zu machen. An den darauf folgenden 2<br />
Tagen haben alle Teilnehmer die Möglichkeit, die<br />
aktuellen wissenschaftlichen Themen und ökonomischen<br />
Fragen der orthopädischen Versorgung zu<br />
diskutieren. Die Vorträge und Diskussionsbeiträge<br />
werden synchron in die englische bzw. russische<br />
Sprache übersetzt, und wir freuen uns, dass sich<br />
auch Teilnehmer aus dem Ausland angemeldet<br />
haben. Den Anteil ausländischer Teilnehmer möchten<br />
wir künftig deutlich erhöhen. Eine wichtige Voraussetzung<br />
dafür ist natürlich die schon erwähnte<br />
Integration der Konferenz „Vreden’sche Lesungen“<br />
in das bestehende europäische System der Konferenzen<br />
und Kongresse sowie die Anerkennung als<br />
Fortbildungsveranstaltung. Ich denke, dann wird es<br />
in Zukunft eine attraktive Option für europäische<br />
Ärzte sein, die Teilnahme an unseren „Vreden’schen<br />
Lesungen“ mit dem Besuch unserer schönen Stadt<br />
St. Peterburg zu verbinden.<br />
Prof. Tichilow, vielen Dank für das interessante<br />
Gespräch.<br />
Das Interview wurde geführt von Dr. Volker Atzrodt<br />
(Scientific Consultant, CeramTec GmbH).<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
5
Im Fokus<br />
Periprothetische Gewebereaktionen bei Gleitpaarungen und<br />
Korrosion/Fretting bei modularen Metallkonus-Verbindungen<br />
Die Korrosions- und Frettingproblematik bei modularen Metallkonus-Verbindungen<br />
sowie die Ätiologie und Histopathologie<br />
adverser Reaktionen auf Metallabrieb (ARMD) spielen eine zunehmend<br />
bedeutende Rolle und waren jüngst auch Gegenstand<br />
lebhafter Debatten auf internationalen Kongressen.<br />
Konsens bestand darüber, dass ein tieferes Verständnis der pathogenetischen<br />
Mechanismen notwendig ist, um adverse Reaktionen<br />
auf Implantatmaterialien besser zu klassifizieren und auch<br />
die derzeit uneinheitliche Terminologie zu verbessern. In der<br />
Literatur werden verschiedene Begriffe verwendet, um das Spektrum<br />
histopathologischer Veränderungen zu beschreiben, die in<br />
Verbindung mit Implantatmaterialien beobachtet werden.<br />
<strong>CeraNews</strong> bietet im Folgenden einen Überblick über die neuesten<br />
Ergebnisse.<br />
Studie:<br />
Pathogenese der Pseudotumorbildung<br />
Es ist nach wie vor ungeklärt, ob Pseudotumore<br />
aufgrund von partikelinduzierter Zytotoxizität,<br />
Hypersensitivität (Typ IV) oder einer Kombination<br />
aus beidem entstehen. Die Datenlage<br />
stellt sich widersprüchlich dar.<br />
Ziel einer retrospektiven Studie von Grammatopoulos<br />
et al. (Großbritannien) war es, die histopathologischen<br />
Veränderungen im periprothetischen<br />
Gewebe von 56 fehlgeschlagenen Hip-Resurfacing-<br />
Prothesen in Zusammenhang mit dem Metallabrieb<br />
zu untersuchen. Zum Zeitpunkt des Primäreingriffs<br />
lag das Durchschnittsalter der Patienten bei 56 Jahren.<br />
Die mittlere Standzeit der Endoprothese betrug<br />
4,7 Jahre.<br />
Es mussten vor allem Frauen revidiert werden. Die<br />
häufigste Ursache für die Revisionen stellten symptomatische<br />
Pseudotumore dar (n = 45). Bei 80 %<br />
der Pseudotumore mit Gewebsnekrosen und ausgeprägten<br />
Makrophagenreaktionen wurden hohe<br />
Abriebwerte festgestellt. Es wurde auf eine direkte<br />
unspezifische zytotoxische Wirkung der Metallionen<br />
geschlossen, die in ihrem Ausmaß dosisabhängig ist.<br />
Perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate (ALVAL) als individuelle,<br />
spezifische Immunantwort waren verstärkt<br />
in den Fällen mit geringem Abrieb vorhanden und<br />
scheinen die Pseudotumorbildung zu begünstigen.<br />
Die Autoren schlussfolgerten, dass durch eine Minimierung<br />
des Metallabriebs die Bildung von Pseudotumoren<br />
zwar reduziert werden kann, dass es aber<br />
selbst unter optimalen Bedingungen über eine<br />
gesteigerte individuelle Immunantwort zu unerwünschten<br />
Pseudotumoren kommen kann.<br />
Studie:<br />
Pseudotumorbildung durch zytotoxische<br />
Reaktion auf Metallabrieb<br />
Hasegawa et al. (Japan) untersuchten 108 Me/<br />
Me-HTEP mit großem Kopfdurchmesser (Ø 44 mm)<br />
bei 98 Patienten (81 Frauen, 17 Männer) mit einem<br />
Durchschnittsalter von 65 Jahren.<br />
Das MRT zeigte bei 9 Patienten (10 Hüften, 9 %)<br />
Pseudotumore. Ein Revisionseingriff erfolgte in 5<br />
symptomatischen Fällen und in 2 Fällen von Pfannenlockerung<br />
mit perivaskulären Lymphozyteninfiltraten<br />
und diffuser Lymphozytenverteilung (ALVAL).<br />
Die Metallionenkonzentration bei 12 Patienten mit<br />
Pseudotumoren oder ALVAL (12 Hüften) wurde mit<br />
jener der Patienten ohne adverse Reaktionen (96<br />
Hüften) verglichen. Es wurde nachgewiesen, dass<br />
adverse Reaktionen mit erhöhtem Metallabrieb korrelierten.<br />
Die Autoren schlussfolgerten, dass Hypersensitivität<br />
(Typ IV) vermutlich nicht die dominante biologische<br />
Reaktion bei der Pseudotumorbildung darstellt,<br />
sondern hauptsächlich die zytotoxische Antwort auf<br />
den Metallabrieb eine Rolle spielen dürfte.<br />
Studie:<br />
Unterschiedliche Versagensmechanismen<br />
bei ARMD<br />
Reito et al. (Finnland) untersuchten 90 Patienten<br />
(90 Hüften), die wegen ARMD revidiert wurden und<br />
deren klinische Daten vollständig verfügbar waren.<br />
Die Forscher führten eine semiquantitative Analyse<br />
der histologischen Proben (Synovia, Pseudotumor)<br />
durch, einschließlich des Fibringehalts der Synovialflüssigkeit<br />
sowie der Anzahl der Makrophagen und<br />
perivaskulären Lymphozyten.<br />
Die finnischen Forscher fanden heraus, dass<br />
Pseudotumore auf eine lymphozytär dominierte<br />
Immun antwort zurückzuführen sind, während<br />
intra kapsuläre Reaktionen makrophagendominierte<br />
Fremdkörperreaktionen darstellen, was sich<br />
in unterschiedlicher MRT-Bildgebung widerspiegelt.<br />
Die Entzündungsantwort scheint entweder<br />
primär makrophagen dominiert, lymphozytendominiert<br />
oder beides zu sein.<br />
6 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Studie:<br />
Verschiedene lymphozytäre Reaktionen<br />
auf Metallabrieb<br />
Matharu et al. (Großbritannien) wiesen darauf hin,<br />
dass der Begriff ALVAL in der Literatur verwendet<br />
wird, um verschiedene lymphozytäre Reaktionen bei<br />
fehlgeschlagenen Me/Me-Endoprothesen zu erfassen.<br />
Deshalb war es das Ziel ihrer histologischen Untersuchungen,<br />
eine einheitliche Klassifikation zur Charakterisierung<br />
dieser lymphozytären Reaktionen zu<br />
entwickeln. Hierfür wurden 71 Me/Me-Hüftrevisionen<br />
mit Verdacht auf ARMD erfasst, die zwischen<br />
1998 und 2011 erfolgten.<br />
In allen Fällen war eine Makrophageninfiltration mit<br />
intrazellulären Metall-Abriebpartikeln nachweisbar.<br />
Lymphozyten waren in 69 % der Fälle (n = 49) vorhanden<br />
und wurden als lymphozytäre Aggregate<br />
(37 %, n = 26) sowie diffuse lymphozytäre Infiltrate<br />
mit perivaskulären Lymphozyten (15 %, n =<br />
11) und ohne perivaskuläre Lymphozyten (17 %,<br />
n = 12) charakterisiert. In den Fällen mit lymphozytären<br />
Aggregaten waren auch perivaskuläre und<br />
diffus verteilte Lymphozyten präsent. In 31 % der<br />
Fälle (n = 22) wurden eine Phagozytose, aber keine<br />
lymphozytären Infiltrate nachgewiesen. Bei 2 Patienten<br />
mit bekannter Metallallergie wurde eine diffuse<br />
lymphozytäre Immunantwort ohne Ausbildung<br />
lymphozytärer Aggregate ermittelt.<br />
In der Mehrzahl der revidierten Me/Me-Fälle wurden<br />
verschiedene lymphozytäre zelluläre Reaktionen<br />
nachgewiesen, welche die unterschiedlichen pathologischen<br />
Verläufe repräsentieren. Eine Korrelation<br />
zwischen den histopathologischen Ergebnissen und<br />
klinischen Befunden, wie beispielsweise einer Kontaktallergie,<br />
konnte nicht hergestellt werden.<br />
Die Autoren forderten weitere Untersuchungen<br />
zur Charakterisierung lymphozytärer Reaktionen in<br />
Verbindung mit Metallabrieb, um den pathogenetischen<br />
Mechanismus besser zu verstehen.<br />
Studie:<br />
Frauen zeigen erhöhtes Risiko für ARMD<br />
Erstmals wurde anhand einer größeren Serie<br />
von Me/Me-HTEP nachgewiesen, dass Frauen<br />
ein erhöhtes Risiko tragen, adverse Reaktionen<br />
auf Metall abrieb (z.B. Pseudotumore, Nekrosen,<br />
Zysten, Metallosen) zu entwickeln, unabhängig<br />
von der Pfannenpositionierung oder<br />
Kugelkopfgröße.<br />
In einer prospektiven Studie untersuchten Briant-<br />
Evans et al. (Großbritannien) 1.159 primäre Me/<br />
Me-HTEP (38 mm) bei 1.041 Patienten (703 weiblich,<br />
446 männlich) mit einem Durchschnittsalter<br />
von 67 Jahren. Das durchschnittliche Follow-up<br />
betrug 5,4 (2–8,6) Jahre. 17 Patienten waren für die<br />
Nachunter suchung nicht verfügbar. 53 Patienten<br />
wurden aufgrund von ARMD nach durchschnittlich<br />
4,3 Jahren revidiert, weitere 8 Revisionen sind<br />
geplant. Die Inzidenz für ARMD betrug insgesamt<br />
5,8 %, wobei die Rate für Frauen doppelt so hoch<br />
war wie für Männer (7,9 % vs. 3,1 %; p = 0,002).<br />
Es wurde keine statistisch signifikante Korrelation<br />
zwischen ARMD und dem Pfannenaußendurchmesser<br />
oder der Positionierung der Pfanne festgestellt.<br />
Ein erhöhtes Risiko zwischen niedrigem Patientenalter<br />
und Revision aufgrund von ARMD (p = 0,005)<br />
wurde ermittelt, was auf den möglicherweise höheren<br />
Aktivitätsgrad und vermehrten Abrieb zurückgeführt<br />
wird.<br />
Die Autoren forderten weitere Untersuchungen zur<br />
Pathogenese von ARMD, insbesondere im Hinblick<br />
auf die erhöhten Komplikationsraten bei Frauen.<br />
Studie:<br />
Periprothetische Gewebereaktionen<br />
bei Me/Me und Me/PE<br />
Hwang et al. (Südkorea) analysierten retrospektiv<br />
die Ausprägung, Charakteristika und Ursachen<br />
von Weichteilmassen bei Me/Me- und Me/PE-HTEP.<br />
Von den Patienten, die zwischen 2000 und 2007<br />
eine HTEP erhielten, wurden 5 Patienten mit Me/<br />
Me-HTEP und 5 Patienten mit Me/PE-HTEP nachuntersucht.<br />
Die enorme durchschnittliche Ausprägung der<br />
Weichteilmassen betrug 14,6 cm x 6,2 cm x 7,2 cm.<br />
Osteolysen wurden in jeweils 3 Fällen mit Me/Me<br />
und Me/PE gefunden. In allen Fällen wurden akute<br />
oder chronische Entzündungszeichen und granulomatöse<br />
Gewebeveränderungen festgestellt. Lymphozyten<br />
und eosinophile Granulozyten waren in<br />
der Me/Me-Gruppe präsent, Makrophagen in der<br />
Me/PE-Gruppe. Die durchschnittliche Konzentration<br />
der Kobalt- und Chromionen lag bei 1,43 g/l und<br />
1,57 g/l in der Me/Me-Gruppe und bei 0,73 g/l und<br />
0,84 g/l in der Me/PE-Gruppe.<br />
Die Autoren schlussfolgerten, dass Osteolysen und<br />
Weichteilmassen nach HTEP mit Fremdkörperreaktionen<br />
auf PE-Abriebpartikel und einer Hypersensitivitätsreaktion<br />
auf Metalle einhergehen.<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
7
Im Fokus (Fortsetzung)<br />
Studie:<br />
Höhere Überlebensrate für<br />
Ke/Ke vs. Me/Me<br />
Barbosa et al. (Portugal) verglichen die Ergebnisse<br />
von 22 Me/Me-Großkopfprothesen bei 20 Patienten<br />
(14 männlich, 8 weiblich), die zwischen 2007 und<br />
2009 eingesetzt wurden, mit 37 Ke/Ke-HTEP bei 32<br />
Patienten (23 männlich, 14 weiblich), die zwischen<br />
2002 und 2007 implantiert wurden.<br />
In der Me/Me-Gruppe wurden häufiger Komplikationen<br />
festgestellt als in der Ke/Ke-Gruppe, was<br />
mit der geringeren Überlebensrate von 77 % für<br />
die Me/Me-Gruppe korrespondierte. In der Me/Me-<br />
Gruppe traten Infektionen in 3 Fällen sowie Pseudotumor<br />
und azetabuläre Osteolyse in je 1 Fall auf. In<br />
der Ke/Ke-Gruppe wurden die Fraktur eines Kugelkopfes<br />
bei einem Patienten und Geräusche in 2 Fällen<br />
ermittelt. Der HHS war in der Me/Me-Gruppe<br />
niedriger (88) als in der Ke/Ke-Gruppe (91). In der<br />
Ke/Ke-Gruppe waren 95,2 % der Patienten mit dem<br />
Ergebnis zufrieden oder sehr zufrieden, während<br />
es in der Me/Me-Gruppe nur 82 % der Patienten<br />
waren. Eine Osteolyse wurde bei keinem Patienten<br />
der Ke/Ke-Gruppe nachgewiesen.<br />
Die Autoren schlussfolgerten, dass die Abwesenheit<br />
von Osteolyse ein guter Prädiktor für das Langzeitverhalten<br />
der Ke/Ke-Gleitpaarung zu sein scheint.<br />
Das ausgezeichnete biologische Verhalten von Keramik-Partikeln<br />
spiegelt sich im geringeren Osteolyserisiko<br />
wider.<br />
Studie:<br />
Keramik-Kugelköpfe scheinen<br />
Konuskorrosion zu verringern<br />
Baleani et al. (Italien) untersuchten 83 Hart/Hart-<br />
Gleitpaarungen auf Anzeichen von Korrosion.<br />
Darunter waren 46 Me/Me-Gleitpaarungen mit<br />
Kopfgrößen von 28–54 mm und 37 Ke/Ke-Gleitpaarungen<br />
mit Kopfgrößen von 28–40 mm. In<br />
19 Me/Me-Fällen und in 4 Ke/Ke-Fällen hatte der<br />
Kugelkopf eine Titanhülse. Beide Gruppen waren<br />
hinsichtlich der Implantationszeit vergleichbar (Me/<br />
Me 4,8 Jahre, Ke/Ke 4,6 Jahre). Von 83 Schaftkonen<br />
zeigten 58 % Korrosionsschäden, 25 % milde<br />
und 13 % moderate Beschädigungen, 4 % waren<br />
höhergradig beschädigt. Kein Schaftkonus zeigte<br />
extreme Korrosionsschäden.<br />
Es wurde festgestellt, dass sich der Beschädigungsgrad<br />
durch Korrosion im Laufe der Zeit erhöht.<br />
Ebenso spielen das Material und der Durchmesser<br />
des Kugelkopfes bei der Konuskorrosion eine Rolle.<br />
Die Autoren hoben hervor, dass Keramik-Kugelköpfe<br />
die Konuskorrosion zu verringern scheinen.<br />
Bei der Verwendung eines<br />
Keramik-Kugelkopfes scheint sich<br />
die Konuskorrosion zu verringern.<br />
Der Beitrag „Update zur Konuskorrosion:<br />
Welche Rolle spielen Keramik-Kugelköpfe?”<br />
von Prof. Dr. Steven M. Kurtz ist in<br />
der CN1-<strong>2013</strong> (S. 11–13) erschienen. Ein<br />
PDF des Artikels können Sie hier abrufen.<br />
William Hozack (USA) führte in einem Beitrag<br />
über Ke/Ke-Gleitpaarungen aus, dass die Konuskorrosion<br />
bei Keramik-Kugelköpfen vermutlich eine<br />
eher untergeordnete Rolle spielt, während sie bei<br />
Metall-Kugelköpfen auf Titanschäften tatsächlich<br />
ein reales Problem darstellen kann. Er wies auch<br />
darauf hin, dass Ke/Ke-Gleitpaarungen im Vergleich<br />
zu XPE-Gleitpaarungen einen signifikant geringeren<br />
Abrieb aufweisen.<br />
Studie:<br />
– Baleani et al.<br />
Proceedings, AAOS <strong>2013</strong>:484<br />
Der Abrieb wird durch XPE<br />
lediglich um den Faktor 10 reduziert,<br />
mit Ke/Ke verringert er sich um den<br />
Faktor 1.000.<br />
– William Hozack, MD<br />
Proceedings, AAOS <strong>2013</strong>:136<br />
Histologische Untersuchung bestätigt<br />
exzellentes biologisches Verhalten der<br />
Ke/Ke-Gleitpaarung<br />
Esposito et al. (Australien) berichteten über die<br />
Partikelreaktion des Kapselgewebes bei 21 Patienten<br />
mit einer Ke/Ke-Gleitpaarung (Aluminiumoxidkeramik,<br />
BIOLOX ® forte, 28 und 32 mm Kugelkopfdurchmesser)<br />
nach durchschnittlich 5,5 Jahren in<br />
vivo. Darunter waren 19 Frauen und 2 Männer mit<br />
einem Durchschnittsalter von 68 Jahren. In allen<br />
Fällen wurde die Pseudokapsel einer histologischen<br />
Untersuchung unterzogen. Kein Patient war wegen<br />
Osteolyse oder Komplikationen aufgrund von<br />
Abrieb revidiert worden.<br />
8 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Bei der Mehrzahl der Patienten (19 von 21) wurde<br />
eine milde oder moderate Synovitis festgestellt. Bei<br />
keinem Patienten wurden klinische oder intraoperative<br />
Anzeichen adverser lokaler Gewebereaktionen<br />
gefunden, wie sie typischerweise bei Me/Me-HTEP<br />
auftreten können, wo sie sich entweder als nekrotisch<br />
erscheinende Gewebemasse (inflammatorischer<br />
Pseudotumor) oder als ungewöhnlicher trüber,<br />
weißer Gelenkerguss manifestieren. Auffällig<br />
war nur ein Patient mit einem Prothesenimpingement,<br />
bei dem jedoch keine ausgedehnte Nekrose,<br />
wie sie bei Patienten mit Me/Me-Implantaten und<br />
hohem ALVAL-Score beschrieben wurde, festgestellt<br />
wurde.<br />
Die Ergebnisse dieser Studie korrespondieren mit<br />
denen früherer histologischer Untersuchungen des<br />
periprothetischen Gewebes von Ke/Ke-HTEP, die<br />
eine geringe Anzahl von Makrophagen vorwiegend<br />
im fibrösen Bindegewebe, vielkernige Fremdkörper-<br />
Riesenzellen nur in seltenen Fällen und minimale<br />
Nekrosen beschrieben.<br />
Angesichts des Potenzials unvorhergesehener,<br />
durch Abriebpartikel bedingter<br />
Komplikationen bei allen Arten von<br />
Hüftimplantaten sollten die Ergebnisse<br />
dieser Studie der orthopädischen Gemeinschaft<br />
Zuversicht dahingehend<br />
verleihen, dass adverse lokale Gewebereaktionen<br />
bei Patienten mit Ke/Ke-HTEP<br />
unwahrscheinlich sind. … Eine gesunde<br />
Synovialoberfläche dürfte für die Erhaltung<br />
und die Schmierung des Implantats<br />
ausschlaggebend sein und könnte einen<br />
der Gründe für den relativen Erfolg dieser<br />
Ke/Ke-HTEP darstellen.<br />
– Esposito et al.<br />
J Arthoplasty <strong>2013</strong>, 28(5):866<br />
Literatur<br />
Baleani M, Stea S, Erani P, Beraudi A, Bordini B, Toni A. Study<br />
of the Head-NeckTaper Surface of Large-diameter Hard Bearing Hip Prostheses.<br />
Scientific Exhibit NO.SE 10, AAOS <strong>2013</strong><br />
Barbosa TR, Viçoso S, Ramalho F, Couto R, Basto T, Lima F.<br />
Comparing lage diameter metal-on-metal and ceramic-on-ceramic total hip<br />
replacement. Abstract 13-5893, EFORT <strong>2013</strong><br />
Briant-Evans T, Pearce A, Price M, Harker R, Conn K, Stranks<br />
G, Britton J. The Effect Of Gender On Adverse Reactions To Metal Debris:<br />
Outcomes of 1159 38 mm Metal-On-Metal Hip Replacements. Abstract 13-<br />
5600, EFORT <strong>2013</strong><br />
Esposito C, Maclean F, Campbell P, Walter WL, Walter WK,<br />
Bonar SF. Periprosthetic Tissues From Third Generation Alumina-on-Alumina<br />
Total Hip Arthroplasties. J Arthroplasty <strong>2013</strong>,28(5):860–866<br />
Grammatopoulos G, Pandit H, Kamali A, Glyn-Jones S, Gill<br />
R, Murray D, Athanasou N. The relationship of wear volume with histopathological<br />
features in failed hip resurfacing arthroplasty – An insight on<br />
failures associated with pseudotumours. Abstract 13-4022, EFORT <strong>2013</strong><br />
Hasegawa M, Yoshida K, Wakabayashi H, Miyamoto N,<br />
Matsui Y, Sudo A. MRI screening of pseudotumors following large-diameter<br />
metal-on-metal total hip arthroplasty and metal ion release. Abstract<br />
13-1926, EFORT <strong>2013</strong><br />
Hozack, W. Ceramic on ceramic bearings – They are not obsolete!<br />
Proceed ings, AAOS <strong>2013</strong>:136<br />
Hwang DS, Kim PS, Jeon YS. Periprosthetic Mass after Total Hip<br />
Replacement. Abstract 13-1786, EFORT <strong>2013</strong><br />
Matharu G, Revell M, Sumathi V, Pynsent P, Revell P. Lymphocytic<br />
reactions in revised metal-on-metal hip arthroplasties. Abstract<br />
13-2766, EFORT <strong>2013</strong><br />
Reito A, Pajamäki J, Puolakka TJ, Eskelinen A. Correlation Between<br />
Histopathology and Metal Ion Levels in Failed Metal-on-Metal Hips.<br />
Poster 036, AAOS <strong>2013</strong><br />
Weitere Literatur<br />
Classen RA. Klassifikation der periprothetischen Membran gelockerter<br />
Hüft- und Knieendoprothesen. Institut für Pathologie, Campus Charité Mitte<br />
der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dissertation<br />
2010<br />
Gulraj S, Matharu S, Matthew P, Revell P, Sumathi V,<br />
Pynsent PB, Revell PA. A Clinopathological Study of Metal-on-Metal<br />
Hips Revised for Suspected Adverse Reactions to Metal Debris. In: Knahr K<br />
(ed). Total Hip Arthroplasty. Tribological Considerations and Clinical Consequences.<br />
Springer Verlag <strong>2013</strong>:53–66<br />
Cooper HJ, Della Valle CJ, Jacobs JJ. Biologic Implications of Taper<br />
Corrosion in Total Hip Arthroplasty. Semin Arthro 2012,12:273–278 ( )<br />
Preuss R, Haeussler KL, Flohr M, Streicher RM. Fretting Corrosion<br />
and Trunnion Wear – Is it Also a Problem for Sleeved Ceramic Heads?<br />
Semin Arthro 2012,12:248–250 ( )<br />
Toni, A, Baleani M, Bordini B, Stea S, Pilla F, Sudanese A.<br />
“Trunnionitis”: A Cause For Concern? Semin Arthro 2012,12:251–257 ( )<br />
Das histologische Bild der Entzündungsreaktion<br />
auf Implantatmaterialien wird durch die<br />
Partikelquantität und -qualität beeinflusst.<br />
Keramik-Partikel sind inert, nicht toxisch,<br />
bewirken keine degenerativen Zellveränderungen<br />
und scheinen insofern eine Sonderstellung<br />
einzunehmen.<br />
Literatur:<br />
Die markierten Arbeiten können<br />
hier abgerufen werden.<br />
www.ceranews.de/plus<br />
Konzept und Text: S. Usbeck<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
9
Endoprothesen-Pathologie<br />
Neue Wege in der Bewertung der<br />
Implantat-Gewebe-Interaktion<br />
Prof. Dr. Peter Thomas beschäftigt sich<br />
seit rund 15 Jahren mit dem Themenbereich<br />
Metallimplantat und Allergie. Zusammen mit<br />
seinem Team betreut er eine Spezialsprechstunde,<br />
in der sich bereits über 1.000 Patienten<br />
mit Implantatallergie oder Verdacht<br />
darauf vorgestellt haben.<br />
Der wissenschaftliche Fokus liegt auf der Identifizierung<br />
der Charakteristika solcher Patienten.<br />
Insbesondere werden Mechanismen<br />
der lymphozytären Reaktivität einschließlich<br />
Mediatorproduktion und molekularer Zytokinexpression<br />
erforscht, die zu überschießender<br />
Reaktion (Delayed Type Hypersensitivity)<br />
oder Toleranz führen.<br />
Prof. Dr. Thomas leitet zusammen mit Prof.<br />
Dr. Marc Thomsen die Arbeitsgemeinschaft<br />
Implantatallergie der Deutschen Gesellschaft<br />
für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU),<br />
der er auch als Referenz-Allergologe zur Verfügung<br />
steht. Er ist federführender Autor<br />
der 2008 erschienenen interdisziplinären<br />
Stellungnahme von DGOU, Deutscher Kontaktallergiegruppe<br />
(DKG) und Deutscher<br />
Gesellschaft für Allergologie und klinische<br />
Immunologie (DGAKI) zur Implantatallergie.<br />
Über die mit den Fachgesellschaften verlinkte<br />
Informationsplattform Allergomat erhalten<br />
interessierte Ärzte, aber auch Patienten weiterführende<br />
Information zum Thema Implantatallergie.<br />
Die Ergebnisse der interdisziplinären Forschungsvorhaben<br />
sind vielfach publiziert<br />
und international anerkannt. Ein Diagnostikschema<br />
für Patienten mit Verdacht auf<br />
Implantatallergie wurde erarbeitet.<br />
Kontakt:<br />
AllergoMat – Arbeitsgruppe für allergologisch-immunologische<br />
Aspekte der Implantatmaterialunverträglichkeit<br />
E-Mail: implantatallergie.derma@<br />
med.uni-muenchen.de<br />
http://allergomat.klinikum.uni-muenchen.de<br />
P. Thomas, B. Summer<br />
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie,<br />
Ludwig-Maximilians-Universität, München<br />
Aufgrund der weltweiten demographischen Veränderungen<br />
nimmt nicht nur die Anzahl der Gelenkersatzoperationen<br />
zu, sondern auch die Anzahl der<br />
Fälle von Implantatversagen aufgrund von Komplikationen.<br />
Die Raten der primären und der Revisionsendoprothetik<br />
übertreffen bereits heute erst<br />
kürzlich getroffene, ursprüngliche Prognosen. 5 Der<br />
Begriff adverse Reaktionen wird häufig verwendet,<br />
um die Bandbreite der nicht zufriedenstellenden klinischen<br />
Ergebnisse in der Endoprothetik aufgrund<br />
von Metall ionen und Partikeln zu beschreiben.<br />
Ärzte benötigen praktische Richtlinien dafür, wie<br />
mit ihren Patienten individuell umzugehen ist. Ein<br />
Beispiel hierfür ist der von Lombardi et al. vorgeschlagene<br />
Algorithmusansatz zur Diagnostizierung<br />
und Behandlung bei Me/Me-Implantaten. 6<br />
In der verfügbaren Literatur ist jedoch keine<br />
Richt linie zur Differenzierung der verschiedenen<br />
Pathomechanismen zu finden, insbesondere zwischen<br />
der Hypersensitivität/überschießenden Entzündungsreaktion<br />
und zum Beispiel einer schwelenden,<br />
„unterschwelligen“ Infektion. Auf den Einfluss<br />
der überschießenden Immunreaktion auf die periprothetische<br />
oder systemische Metallionen- und<br />
Partikelexposition – allesamt Ursachen für Implantatversagen<br />
– wird in zahlreichen Fallberichten und<br />
Kohortenstudien hingewiesen. Aus Sicht der Allergologen<br />
ist es interessant festzustellen, dass sich,<br />
erstens, der Einsatz der Materialien beim Gelenkersatz<br />
zwischen einzelnen Ländern ein wenig zu<br />
unterscheiden scheint. Zweitens haben in Europa<br />
klinische Beobachtungen und Forschungen zur<br />
Nickel-Kontaktallergie zu einer Sensibilisierung der<br />
Politik für Risikokonstellationen in Zusammenhang<br />
mit Nickel geführt. In Folge dessen kam es zur Verabschiedung<br />
der Europäischen Nickelverordnung. 1<br />
In Nordamerika oder in anderen Ländern scheint es<br />
solche Rechtsvorschriften nicht zu geben.<br />
Die Tatsache, dass viele Aspekte in Bezug auf lokale<br />
und systemische Reaktionen auf eine durch ein<br />
Implantat verursachte Metallexposition noch nicht<br />
zufriedenstellend definiert sind, wird auch in der<br />
neuesten Konsenserklärung von Hannemann et al.<br />
betont. 3 Schon frühere Berichte deuteten an, dass<br />
eine lymphozytär dominierte Entzündung bei gelockerten<br />
Me/Me-Endoprothesen ebenfalls eine Rolle<br />
spielt. 2 Zusätzlich wurde die verzögerte Hypersensitivität,<br />
die mittels eines positiven Epikutan-Tests<br />
10 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Literatur<br />
und der verstärkten Reaktion auf einen Lymphozyten-Transformationstest<br />
(LTT) nachgewiesen wird,<br />
als potenzielle Ursache eines solchen Versagens<br />
beschrieben. 7<br />
Es ist wichtig, für die allergologische Diagnose<br />
evaluierte Epikutan-Testpräparate zu benutzen,<br />
standardisierte Metallscheiben oder Partikelpräparate<br />
sollten hingegen nicht verwendet werden. Die<br />
Bewertung des histologischen Bildes einer periprothetischen<br />
Gewebereaktion liefert eine Momentaufnahme<br />
dessen, was tatsächlich während dieses<br />
dynamischen Prozesses geschieht. Krenn et al.<br />
haben eine Konsens-Klassifizierung erstellt, die als<br />
praktische Richtlinie bei der Bewertung potenzieller<br />
Versagensmechanismen fungiert. 4 Diese histopathologische<br />
Klassifizierung von Krankheiten in<br />
Zusammenhang mit Endoprothesen listet unter<br />
anderem typische Reaktionsmuster, wie z. B. lymphozytäre<br />
Reaktionen sowie die mögliche Rolle von<br />
Partikeln auf. Um die Resultate insgesamt zu interpretieren,<br />
sollten die klinischen Ergebnisse idealerweise<br />
zusammen mit dem histologischen Bild und<br />
weiteren Techniken, welche funktionelle Analysen<br />
liefern oder einen zugrundeliegenden Pathomechanismus<br />
aufzeigen, untersucht werden.<br />
Ein Beispiel hierfür ist die integrierte Untersuchung<br />
der Metallexposition, des histologischen Bildes und<br />
der funktionellen immunologisch-allergologischen<br />
Diagnose einschließlich der molekularen Mediatorexpression.<br />
8,9 Es ist bekannt, dass im Hinblick auf<br />
den tatsächlichen Partikelalgorithmus die Partikelcharakterisierung<br />
zu einem umfassenderen Verständnis<br />
und einer besseren Interpretation der<br />
Implantat-Gewebe-Interaktion führt. Demnach<br />
ergänzt dieser Algorithmus die zunehmende klinische<br />
Erfahrung, die bereits aus der Bandbreite<br />
der adversen Reaktionen auf Metallionen und die<br />
Partikel exposition gewonnen werden konnte.<br />
Korrespondierender Autor:<br />
Prof. Dr. Peter Thomas<br />
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Frauenlobstr. 9–11<br />
80337 München<br />
Telefon: +49 89 5160 6175<br />
Telefax: +49 89 5160 6206<br />
E-Mail: peter.thomas@med.uni-muenchen.de<br />
1 European Parliament and Council Directive 94/27/EEC. Official Journal of the European Communities.1994:2<br />
2 Davies AP, Willert HG, Campbell PA, Learmonth ID, Case CP. An unusual lymphocytic perivascular<br />
infiltration in tissues around contemporary metal-on-metal joint replacements. J Bone Joint Surg<br />
Am,2005;87(1):18–27<br />
3 Hannemann F, Hartmann A, Schmitt J, Lutzner J, Seidler A, Campbell P, Delaunay CP,<br />
Drexler H, Ettema HB, Garcia-Cimbrelo E, Huberti H, Knahr K, Kunze J, Langton DJ, Lauer<br />
W, Learmonth I, Lohmann CH, Morlock M, Wimmer MA, Zagra L, Günther KP. European multidisciplinary<br />
consensus statement on the use and monitoring of metal-on-metal bearings for total hip replacement<br />
and hip resurfacing. OTSR,<strong>2013</strong>;99(3):263–71<br />
4 Krenn V, Morawietz L, Kienapfel H, Ascherl R, Matziolis G, Hassenpflug J, Thomsen M,<br />
Thomas P, Huber M, Schuh C, Kendof D, Baumhoer D, Krukemeyer MG, Perino G, Zustin<br />
J, Berger I, Rüther W, Poremba C, Gehrke T. [Revised consensus classification: Histopathological classification<br />
of diseases associated with joint endoprostheses]. Z Rheumatol. <strong>2013</strong>;72(4):383–9. Erweiterte Konsensusklassifikation:<br />
Histopathologische Klassifikation von Gelenkendoprothesen-assoziierten Erkrankungen<br />
5 Kurtz S, Ong K, Lau E, Mowat F, Halpern M. Projections of primary and revision hip and knee arthroplasty<br />
in the United States from 2005 to 2030. J Bone Joint Surg Am, 2007;89(4):780–5<br />
6 Lombardi AV Jr., Barrack RL, Berend KR, Cuckler JM, Jacobs JJ, Mont MA, Schmalzried TP. The Hip Society:<br />
algorithmic approach to diagnosis and management of metal-on-metal arthroplasty. J Bone Joint Surg<br />
Br,2012;94(11 Suppl A):14–8<br />
7 Thomas P, Braathen LR, Dörig M, Auböck J, Nestle F, Werfel T, Willert HG. Increased metal<br />
allergy in patients with failed metal-on-metal hip arthroplasty and peri-implant T-lymphocytic inflammation. Allergy,2009;64(8):1157–65<br />
8 Thomas P, Thomas M, Summer B, Dietrich K, Zauzig M, Steinhauser E, Krenn V, Arnholdt<br />
H, Flaig MJ. Impaired wound-healing, local eczema, and chronic inflammation following titanium<br />
osteosynthesis in a nickel and cobalt-allergic patient: a case report and review of the literature. J Bone Joint Surg<br />
Am,2011;93(11):e61<br />
9 Thomas PH, Schopf C, Thomsen M, Frommelt L, Schneider J, Flaig M, Krenn V, Mazoochian<br />
F, Summer B. Periimplant histology and cytokine pattern in metal-allergic knee arthroplasty patients<br />
with improvement after revision with hypoallergenic materials. Sem Arthro 2012;23(4):268–72<br />
Sind Sie an interdisziplinärer Forschung zu überschießender<br />
Immunreaktion / Implantatallergie interessiert? Sie können<br />
helfen!<br />
Für unsere laufenden Forschungsprojekte zu Mechanismen der überschießenden<br />
Entzündung sowie zur Implantatallergie wäre jeder Zugang<br />
zu Patienten sehr hilfreich, bei denen keine „klassischen Ursachen“ für<br />
Beschwerden bzw. Implantatverlust zu finden sind.<br />
Falls Sie an der Mitarbeit in Form der Bereitstellung von Blut- und Gewebeproben<br />
sowie (anonymisierter) klinischer Daten im Rahmen unseres<br />
interdisziplinären Forschungsprogramms interessiert sind, zögern Sie bitte<br />
nicht, sich an den Verfasser zu wenden (Peter.Thomas@med.uni-muenchen.de).<br />
Wir haben entsprechende Versand- und Verarbeitungsprotokolle erstellt<br />
und arbeiten bereits mit mehreren Zentren in Europa zusammen.<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
11
Endoprothesen-Pathologie<br />
Histopathologische<br />
Partikelidentifikation<br />
(Partikelalgorithmus nach Krenn)<br />
V. Krenn 1 , P. Thomas 2 , M. Thomsen 3 , M. Huber 4 ,<br />
J. P. Kretzer 5 , S. Usbeck 6 , L. Scheuber 6 , R. Streicher 6<br />
1 MVZ-Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik, Trier<br />
2 Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie,<br />
Ludwig-Maximilians-Universität, München<br />
3 DRK Klinik, Baden-Baden<br />
4 Pathologisch-bakteriologisches Institut, Otto-Wagner-Spital, Wien, Österreich<br />
5 Labor für Biomechanik und Implantatforschung, Klinik für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg<br />
6 CeramTec GmbH, Wiss. Abt., Plochingen<br />
Prof. Dr. Veit Krenn ist seit 2012 als Referenzpathologe<br />
der Arbeitsgruppe Implantatallergie<br />
der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und<br />
Unfallchirurgie (DGOU) tätig.<br />
Sein wissenschaftlicher Fokus liegt auf der Entwicklung<br />
von Scoring- und Typisierungssystemen<br />
sowie von histopathologischen Klassifizierungen<br />
für die Gelenkpathologie. Weitere<br />
Forschungsschwerpunkte sind die Implantatund<br />
Infektionspathologie.<br />
Prof. Dr. Krenn entwickelte zwischen 2002<br />
und 2005 mit Kollegen der Charité den histopathologischen<br />
Synovialitis-Score, der die verschiedenen<br />
immunologischen Vorgänge in der<br />
Synovalitis berücksichtigt und das Spektrum<br />
entzündlicher und nicht-entzündlicher Erkrankungen<br />
durch einfache, semi-quantifizierbare<br />
Kriterien abbildet. Dieses einheitliche histopathologische<br />
Graduierungssystem ermöglicht<br />
eine standardisierte reproduzierbare Diagnostik,<br />
verbunden mit einer Aussage an den klinisch<br />
tätigen Orthopäden zur Genese der Entzündung.<br />
Die verschiedenen Pathomechanismen der<br />
Implantatlockerung sind in der Konsensusklassifikation<br />
der Endoprothesenpathologie<br />
definiert. Dies ermöglicht eine Aussage zur<br />
Ätiologie der Insuffizienz und Standzeit der<br />
Endoprothese. Prof. Dr. Krenn erarbeitete mit<br />
Kooperationspartnern aus Klinik und Pathologie<br />
die Ergänzung der Konsensusklassifikation<br />
durch histopathologische Kriterien der Implantatallergie<br />
(immunologische Typ-4-Reaktion)<br />
und die histopathologische Graduierung und<br />
Typisierung der Arthrofibrose. Beide histopathologischen<br />
Klassifikationssysteme sind international<br />
anerkannt.<br />
Einleitung<br />
Implantatassoziierte Pathologien in der Hüft- und<br />
Knieendoprothetik stellen ein klinisches und sozioökonomisches<br />
Problem dar. Die partikelinduzierte<br />
(aseptische) und die infektionsbedingte (septische)<br />
Lockerung sind hierbei wesentliche Pathomechanismen.<br />
Insbesondere in der Revisionsendoprothetik<br />
wird zur ätiologischen Abklärung des Implantatversagens<br />
die histopathologische Beurteilung als Diagnoseparameter<br />
empfohlen. 50<br />
Die histologische Unterscheidung der Gewebeveränderungen<br />
ermöglicht es dem Orthopäden, wichtige<br />
Hinweise darauf zu erhalten, wo die Ursache<br />
für die Beschwerden des Patienten zu lokalisieren<br />
ist. Die vollständige Abklärung von implantatassoziierten<br />
Pathologien erfolgt in der Zusammenschau<br />
der histopathologischen Diagnose sowie biomechanischer,<br />
klinischer 3 , mikrobiologischer 35,39 , allergologischer<br />
und bildgebender Befunde 7 . Sie beinhaltet<br />
idealerweise auch die makroskopische Begutachtung<br />
des Endoprothesen-Explantates.<br />
Das Arbeitshandbuch der Arbeitsgemeinschaft<br />
Implantatallergie der DGOOC ( ) gibt dem<br />
Operateur Hilfestellung hinsichtlich der histopathologischen<br />
Differentialdiagnostik bei adversen Reaktionen<br />
auf Implantatmaterialien, Komplikationen<br />
durch biomechanische/mechanische Ursachen, bei<br />
periprothetischer Infektion, implantatassoziierter<br />
Arthrofibrose und ossären Pathologien sowie bei<br />
der Auswahl der notwendigen Untersuchungen und<br />
der Einordnung der Ergebnisse. 32<br />
Standardisierte histopathologische<br />
Klassifikation<br />
Die histopathologische Konsensus-Klassifikation<br />
der periprothetischen Membran in der ursprünglichen<br />
und erweiterten Version 29,30,31,43,44 umfasst die<br />
12 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Konsensus-Klassifikation der Endoprothesen-Pathologie<br />
Abb. 1: Histopathologische<br />
Konsensus-Klassifikation<br />
der 4 Typen der Neosynovialitis<br />
/ periprothetischen<br />
Membran<br />
Neosynovialitis / Periprothetische Membran Krenn 2012<br />
Typ I<br />
Abrieb-Typ<br />
partikelinduziert<br />
Typ II<br />
Infektiöser<br />
Typ<br />
infektiös<br />
Typ III<br />
Kombinierter<br />
Typ<br />
infektiös + Partikel<br />
Typ IV<br />
Indifferenter Typ<br />
mechanisch /<br />
funktionell<br />
+ Lymphozytose<br />
Implantatallergie*<br />
Nekrosen-Prädominanz<br />
a) Mikropartikulärer Abrieb<br />
b) + Granulom / girlandenartig + Lymphozytose<br />
bei Metall/Metall-Paarung<br />
+ Lymphozytose<br />
Implantatallergie*<br />
Arthrofibrose<br />
Fibrose und 20-ß-Catenin<br />
pos. Fibroblasten / HPF<br />
Periimplantäres Knochengewebe<br />
Osteomyelitis<br />
Ossifikation<br />
Osteopenie<br />
Osteonekrose<br />
* Mit positivem Allergie-Status (Standardisierter Epikutantest)<br />
Source: Prof. Veit Krenn (Germany)<br />
Gesamtheit der pathologischen Veränderungen, die<br />
nach endoprothetischer Versorgung großer Gelenke<br />
auftreten können und zu einer reduzierten Standzeit<br />
der Endoprothese führen. Das beinhaltet die<br />
aseptische und septische Lockerung, die implantatassoziierte<br />
Arthrofibrose, partikelinduzierte, immunologische,<br />
allergische und toxische Mechanismen,<br />
funktionelle Ursachen sowie ossäre Pathologien.<br />
In der erweiterten Konsensus-Klassifikation<br />
der periprothetischen Membran erfolgte die<br />
Klassifizierung des Spektrums implantatassoziierter<br />
Pathologien durch die Festlegung gut<br />
reproduzierbarer histopathologisch-diagnostischer<br />
Kriterien (Abb.1).<br />
Erstmals wurde auch die Neosynovialitis/periprothetische<br />
Membran vom Indifferenz-Typ (Typ IV)<br />
beschrieben und definiert. 29,43,44 Die Ätiologie dieses<br />
Membrantyps ist vielfältig, wobei unter anderem<br />
auch eine nicht optimale Implantatposition und<br />
funktionelle Ursachen in Betracht gezogen werden.<br />
Histopathologische Partikelidentifikation<br />
In der angloamerikanischen Literatur wird für<br />
Neosynovialgewebe und Interfacegewebe bzw.<br />
periimplantäres Gewebe häufig die Bezeichnung<br />
SLIM (Synovia Like Interface Membrane) verwendet.<br />
8,9,17,18 Die SLIM weist einen heterogenen Aufbau<br />
auf und ist an der Knochendestruktion direkt<br />
beteiligt. 25,34,37,46,47,49,65 Abriebpartikel in der SLIM<br />
sind aufgrund der unterschiedlichen Implantatmaterialien<br />
und der hohen Variabilität des immunologischen/inflammatorischen<br />
Responses heterogen<br />
ausgebildet. 11,21,26,34,35,38,41,48,49,58,61,62,63,64]<br />
Im histopathologischen Partikelalgorithmus<br />
nach Krenn sind die Partikelqualitäten, ihre<br />
Wertigkeit für die histopathologische Partikelidentifikation<br />
und die Abgrenzung zu Nicht-<br />
Abriebpartikeln zusammengefasst (Abb.2). 29<br />
Damit ist eine orientierende Partikelidentifikation<br />
möglich. Die Partikel- und Abriebpartikel-Charakterisierung<br />
erfolgt in konventionell gefärbten<br />
HE-Paraffin-Schnittpräparaten und basiert auf drei<br />
Kriterien: lichtmikroskopisch-morphologische Charakteristika<br />
mit einer orientierenden Größenbestimmung<br />
und Farbbestimmung, polarisationsoptische<br />
Eigenschaften sowie enzymhistochemische Charakteristika<br />
(Öl-Rot-Färbung und Berliner-Blau-Reaktion).<br />
Im Partikelalgorithmus nach Krenn ist neben<br />
den lichtmikroskopischen, enzymhistochemischen<br />
Eigenschaften und Größenangaben von Abriebpartikeln<br />
auch die Differentialdiagnose zu Nicht-<br />
Abriebpartikeln dargestellt.<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
13
Endoprothesen-Pathologie (Fortsetzung)<br />
Abb. 2: Histopathologischer<br />
Endo prothesen-Partikelalgorithmus<br />
nach Krenn.<br />
Die Beurteilung erfolgt<br />
im HE-Schnittpräparat,<br />
Polarisationsoptische Analyse<br />
(POL), Berliner-Blau-<br />
Reaktion (BBR), Ölrot.<br />
Herausgelöste Abriebpartikel<br />
(chemisch oder mechanisch)<br />
Polymethylmethacrylat -<br />
(PMMA), Zement ≈ 0,1–2 mm<br />
Polyethylen -<br />
(PE) makropartikulär > 1 mm<br />
Partikelalgorithmus nach Krenn (<strong>2013</strong>)<br />
Abriebpartikel BBR -<br />
Abriebpartikel<br />
Nicht-Abriebpartikel<br />
Blutungsresiduen, BBR +<br />
• Hämosiderin- / Eisengranula < 1 µm -> 0,5 mm<br />
• Gandy-Gamna-Körper ≈ 0,5–2 mm<br />
Kristall-Deposition<br />
• CPPA (Kalziumpyrophosphat) POL ++, ≈ 0,3 µm<br />
• Makropartikuläres PE > 1 bis ≈ 5 mm<br />
• Mikropartikuläres PE < 1 µm (Ölrot ++)<br />
POL ++ POL –/ ±<br />
Partikelkorrosion<br />
Solide Präzipitate: Oxide, Chloride, Phosphate u. a.<br />
gelblich bis grünlich, 0,5 µm bis 0,5 mm<br />
Korrosionsquellen basierend auf:<br />
Kobalt / Chrom<br />
Titan / Titanlegierung<br />
auf Eisen basierende Stahllegierung<br />
Metallische Nichteisenpartikel<br />
schwärzlich / intensiv schwarz ≈ 1 µm<br />
Titan<br />
Kobalt<br />
Nickel<br />
Chrom<br />
Molybdän<br />
Tantal<br />
Zirkonium<br />
Niob<br />
Bariumsulfat<br />
Zirkondioxid<br />
Reinmetall und / oder Legierungen<br />
bzw. Oberflächenbeschichtungen<br />
Röntgenkontrastmittel<br />
(Zusatz zu PMMA)<br />
Metallische Nichteisenpartikel bei<br />
Metall/Metall-Gleitpaarung grau ≈ ≤ 1 µm<br />
+ Nekrose<br />
+ Girlanden /granulomartiger Aspekt<br />
+ lymphoides Infiltrat<br />
• Keramik ≈ 0,2 µm –1 µm<br />
bräunlich / grau / hell<br />
• Aluminiumoxid<br />
• Zirkoniumoxid<br />
• Yttriumoxid<br />
• Nioboxid<br />
Source: Prof. Veit Krenn (Germany)<br />
Definition der Partikelgröße<br />
Angaben zu Partikelgrößen basieren hauptsächlich<br />
auf tierexperimentellen Daten. 34 Eine einheitliche<br />
Definition von Makro- und Mikropartikel hat sich<br />
aufgrund der Methodenvielfalt nicht durchgesetzt.<br />
Die histopathologische Partikelidentifikation der<br />
SLIM ist durch das Auflösungsvermögen des Lichtmikroskops<br />
bestimmt. Mikropartikel und Metallionen<br />
werden nicht detektiert.<br />
Aus Gründen der histopathologischen Praktikabilität<br />
wird deshalb vorgeschlagen, zwischen Makropartikel<br />
(in multinukleären Riesenzellen phagozytiert<br />
und/oder extrazellulär, ≥ 5 µm bis mehrere<br />
mm) und Mikropartikel (in Makrophagen phagozytiert,<br />
≤ 5 µm) zu unterscheiden. Die Bestimmung<br />
der Partikelgrößen erfolgt mittels einer computergestützten<br />
interaktiven morphometrischen Analyse<br />
(Leica DM 2005, microsystems framework 2007).<br />
Eine definitive Materialidentifikation von Abriebpartikeln,<br />
insbesondere von Metall- und Keramik-<br />
Partikeln, ist nur durch physikalische Verfahren, beispielsweise<br />
Energy Dispersive X-ray (EDX) und/oder<br />
Fourier Transform Infrared Microspectroscopy (FTIR)<br />
möglich. 33<br />
Histologische Charakterisierung des Abriebmaterials<br />
Polyethylen-Partikel<br />
Lichtmikroskopischer Partikelbefund<br />
Je nach Polyethylentyp sind Polyethylen-Partikel<br />
hochvernetzt oder nichthochvernetzt, je nach der<br />
mechanischen Prothesenbelastung sind sie länglich,<br />
spangenartig und lichtmikroskopisch auffällig (Abb.<br />
3). 45,65 Hochvernetzte Polyethylene sind mehrheitlich<br />
mikropartikulär, nichthochvernetzte Polyethylene<br />
mehrheitlich makropartikulär, wobei der mechanische<br />
Belastungsmodus einen Einfluss auf die Partikelgröße<br />
hat.<br />
3<br />
Abb. 3: Polyethylen-Makropartikel: Helle, weißliche, spangenförmige<br />
Polyethylen-Makropartikel in multinukleären<br />
Riesenzellen vom sogenannten Fremdkörpertyp. Originalvergrößerung<br />
350x, HE-Färbung<br />
14 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Abhängig von der Partikelgröße ist eine lichtmikroskopische<br />
Unterscheidung von Makropartikeln<br />
(> 5 µm) und Mikropartikeln (< 5 µm) möglich. Die Öl-<br />
Rot-Färbung ermöglicht die Detektion von intrazytoplasmatischem,<br />
mikropartikulärem Polyethylen. 45<br />
Metall-Partikel<br />
Lichtmikroskopischer Partikelbefund<br />
In der Endoprothetik werden überwiegend Nichteisenmetalle<br />
und deren Legierungen, seltener Eisenmetalle<br />
(Stahl) verwendet. Die eisenfreien Metalle<br />
und Metalllegierungen umfassen Titan, Aluminium,<br />
Vanadium, Kobalt, Molybdän, Chrom, Niob und<br />
Nickel in unterschiedlichen Kombinationen. Metall-<br />
Partikel sind sehr klein, wenn sie nicht in aggregierter<br />
Form vorliegen, und weisen einen durchschnittlichen<br />
Durchmesser von etwa 0,05 µm bis 3,9 µm<br />
auf. 34 Die Form variiert von rund bis polygonalscharfkantig.<br />
Die Eigenfarbe ist intensiv schwarz.<br />
Metall-Partikel zeigen keine bzw. nur eine minimale,<br />
periphere Doppelbrechung.<br />
Metall-Partikel können aufgrund des geringen<br />
Durchmessers in die oberflächlichen und<br />
tiefen Kompartimente der SLIM sowie in das<br />
periimplantäre Gewebe eindringen und somit<br />
nachweisbar sein (Abb. 4). In seltenen Fällen<br />
können Metall-Partikel auch in den regionalen<br />
Lymphknoten detektiert werden.<br />
4<br />
Keramik-Partikel<br />
Lichtmikroskopischer Partikelbefund<br />
In der Hüftendoprothetik findet Keramik im Allgemeinen<br />
in Keramik/Polyethylen- oder Keramik/<br />
Keramik-Gleitpaarungen Verwendung. Eine pathogene<br />
Reaktion auf Keramik-Partikel ist unwahrscheinlich.<br />
Keramik besteht zumeist aus Aluminiumoxidkeramik<br />
(Al 2<br />
O 3<br />
), Zirkonoxidkeramik (ZrO 2<br />
)<br />
oder Mischoxidkeramik mit weiteren Bestandteilen<br />
wie z.B. Yttriumoxid (Y 2<br />
O 3<br />
), Strontiumoxid (SrO)<br />
oder Chromoxid (CrO). 15 Die Partikelgröße ist variabel,<br />
verschleißbedingte Keramik-Partikel treten im<br />
Größenbereich von 20–100 nm auf. Der Nachweis<br />
erfolgt mittels hochauflösender Rasterelektronenmikroskopie<br />
(z.B. FEG-SEM) oder Transmissionselektronenmikroskopie<br />
(TEM). Tierexperimentelle Daten<br />
zeigen eine Partikelgröße von bis zu 3,9 µm. 34 Es<br />
besteht in der polarisationsoptischen Analyse eine<br />
sogenannte periphere, schwache Doppelbrechung.<br />
Die Partikel sind farblich variabel, zumeist gelblichbräunlich<br />
oder graubraun bis schwärzlich (Abb. 5).<br />
Die Farbe sowie der Partikeldurchmesser erschweren<br />
insbesondere bei grau-schwarzfarbenem Aspekt<br />
die histopathologische Abgrenzung von Metall-Partikeln.<br />
Hier sind physikalische Verfahren, wie beispielsweise<br />
Energy Dispersive X-ray (EDX) und/oder<br />
Fourier Transform Infrared Microspectroscopy (FTIR)<br />
zur definitiven Identifikation angezeigt. 33<br />
5<br />
Die Abbildungen sind in<br />
vergrößerter Darstellung<br />
im Arbeitshandbuch der<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
Implantat allergie der<br />
DGOOC zu finden – siehe<br />
QR-Code am Ende des<br />
Beitrags ( ).<br />
Abb. 4: Me/Me: Makrophagenansammlungen mit mikropartikulären<br />
Metalldepositionen in einer SLIM, Typ I, Nachweis<br />
einer fibrinoiden Nekrose. Originalvergrößerung 350x,<br />
HE-Färbung<br />
Abb. 5: Ke/Ke: Keramik-Mikropartikel in einer SLIM, Typ I,<br />
als bräunliche, runde bis polygonale intrazytoplasmatische<br />
Mikropartikel. Originalvergrößerung 350x, HE-Färbung<br />
Metallionen<br />
Aufgrund der geringen Größe von Metallionen entziehen<br />
sich diese einer histopathologischen Detektion<br />
und sind nur mittels physikalischer Methoden<br />
nachweisbar. 33<br />
Die schwache zytoplasmatische Berliner-Blau-<br />
Reaktivität in den Makrophagen in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft von Metall-Partikel-Depositionen<br />
stellt möglicherweise einen zellulären<br />
Reaktionsmodus auf eine große Metallionenlast<br />
dar (persönliche Beobachtung von Prof. Dr. Krenn).<br />
Korrosion von Metall-Partikeln<br />
Zurzeit erscheinen vermehrt Berichte zur Korrosion<br />
in Verbindung mit Metall-Implantaten. Dabei werden<br />
metallische Legierungsbestandteile freigesetzt,<br />
die im Gelenk, im periimplantären Gewebe und in<br />
Körperflüssigkeiten nachweisbar sind und das Risiko<br />
unerwünschter lokaler und systemischer Nebenwirkungen<br />
in sich bergen.<br />
Metall/Metall-Gleitpaarungen und modulare<br />
Kugelkopf-Prothesenkonus-Verbindungen<br />
stellen eine wesentliche Korrosionsquelle<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
15
Endoprothesen-Pathologie (Fortsetzung)<br />
dar. 24,50,63,65,66 Allergische Reaktionen auf metallische<br />
Implantatmaterialien sind beschrieben.<br />
52,57,58,59,60 Korrosionsprodukte können<br />
Dreikörperverschleiß begünstigen und zu vorzeitigem<br />
Implantatversagen führen. 24<br />
6<br />
Abb. 6: Chrom-Orthophosphat-Makropartikel: Korrosions-<br />
Makropartikel einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung<br />
als grünlich- bis orangefarbene Depositionen in überwiegend<br />
extrazellulärer Lokalisation. Originalvergrößerung<br />
350x, HE-Färbung<br />
Häufigkeit und klinische Relevanz des Korrosionsproblems<br />
sind noch nicht hinreichend untersucht.<br />
Das Auftreten von Korrosionsprodukten in periprothetischen<br />
Membranen/Neosynovialis kann<br />
Ausdruck einer reduzierten Beständigkeit des<br />
Endoprothesenmaterials oder einer mechanischen<br />
Überbelastung sein. Es besteht somit eine Abhängigkeit<br />
vom Design, von der Positionierung und der<br />
Belastung der Endoprothesen. Korrosionsprodukte<br />
sind je nach Metall als Oxide, Chloride oder Phosphate<br />
nachweisbar. Solide Korrosionsprodukte von<br />
Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen bestehen<br />
beispielsweise aus Chrom-Orthophosphat. 24 Diese<br />
sind in der lichtmikroskopischen Analyse gelblich<br />
bis grünlichfarben und größenvariabel (
Der Zusammenhang zwischen toxischen,<br />
nicht immunologischen Mechanismen (Partikelüberladung)<br />
und immunologischen<br />
Hypersensitivitätsreaktionen ist unklar. Es<br />
wird angenommen, dass eine periimplantäre<br />
hypererge allergische Reaktion mit speziellen<br />
funktionellen T-Zell-Charakteristika (u.a. Zytokinmuster)<br />
verknüpft ist. 60<br />
In einer aktuellen Analyse konnte ein CD3-positives<br />
lymphatisches Infiltrat mit einem charakteristischen<br />
Zytokinmuster bei Patienten mit Metallendoprothesen<br />
beschrieben werden. 60 In dieser Arbeit<br />
und in anderen Studien konnte nach einer Revision<br />
mit nicht-sensitiven Implantatmaterialien eine signifikante<br />
Besserung der Symptomatik erzielt werden.<br />
2,4,12,22,27,54<br />
Inflammatorischer Pseudotumor<br />
Histopathologische Muster der SLIM bei Metall/Metall-Gleitpaarung<br />
Eine pathogene Reaktion auf bestimmte<br />
Bestandteile von Metall-Implantaten kann<br />
auftreten. Diese ist jedoch durch eine klinische<br />
Befunderhebung und zusätzliche mikrobiologische,<br />
allergologisch-diagnostische Methoden abzuklären.<br />
Bei bestimmten Hüftendoprothesen mit Metall/<br />
Metall-Gleitpaarungen sind reduzierte Standzeiten<br />
beschrieben. 33,37<br />
In der SLIM von Metall/Metall-Gleitpaarungen<br />
mit Prothesenversagen sind neben Lymphozyten-Infiltraten<br />
ausgeprägte, oft subtotale<br />
Nekrosen nachweisbar. 38,41 Die pathologischen<br />
Veränderungen sind nicht konstant. Offenbar<br />
besteht, wie auch bei Korrosionsphänomenen<br />
beschrieben 13,19,24,36 , ein Zusammenhang mit der<br />
Materialzusammensetzung, der unphysiologischen<br />
Krafteinleitung (z.B. große Kopfdurchmesser, Fehlpositionierung<br />
der Implantate) und dem Aktivitätsgrad<br />
des Patienten.<br />
In den typischen pathologischen Fällen mit<br />
Metall/Metall-Gleitpaarungen sind neben<br />
Nekrosen, Makrophagen-Infiltraten (mit intrazytoplasmatischen<br />
Metall-Mikropartikeln) ausgeprägte,<br />
lymphozytäre, teils auch lymphofollikuläre<br />
entzündliche Infiltrate nachweisbar. 41,66<br />
Durch gewebliche Einfaltungen des subtotal nekrotischen<br />
Gewebes entstehen granulomartige Strukturen,<br />
auffällig bei Metall/Metall-Gleitpaarungen<br />
und Korrosionsphänomenen, welche klinisch als<br />
Pseudotumor imponieren können und als inflammatorischer<br />
Pseudotumor bezeichnet werden<br />
sollten. 57<br />
Die Pathogenese des nekrotisch-lymphozytären<br />
Musters bzw. des inflammatorischen<br />
Pseudotumors ist nicht vollständig geklärt.<br />
Neben einer direkten Toxizität durch Metall-Partikel<br />
im Sinne einer Überladung des Gewebes mit Mikropartikeln<br />
wird eine möglicherweise (sekundäre)<br />
Hypersensitivitätsreaktion (Typ IV) auf Bestandteile<br />
59, 60<br />
von Metall-Implantaten diskutiert.<br />
In der Literatur wird bei endoprothetisch versorgten<br />
Patienten mit auffälligem Beschwerdebild und<br />
Vorliegen eines positiven Implantatmaterial-Allergie-Status<br />
der Wechsel auf keramische oder oberflächenbehandelte<br />
Implantate (z.B. Nitride, Oxinitride)<br />
empfohlen 60 , die hervorragende biologische<br />
Voraussetzungen bieten. Bei adversen Reaktionen<br />
auf Bestandteile von Metall-Implantaten sind eine<br />
Besserung des Beschwerdebildes und sinkende<br />
Metallionenspiegel nach Revisionen unter Verwendung<br />
von metallfreien Materialien (z.B. Keramik,<br />
hochvernetztes Polyethylen) in der Hüftendoprothetik<br />
1,2,12,13,14,19,22,27,28,40,53,55,63,64 sowie nicht-sensitiven<br />
metallischen Materialien (oberflächenbehandelte<br />
Implantate) und Keramik in der Knieendoprothetik<br />
4,5,6,16,51,56,58,60 beschrieben.<br />
Literatur:<br />
Die Literaturliste kann<br />
hier abgerufen werden.<br />
Sie ist außerdem beim<br />
Autor erhältlich.<br />
Ausblick<br />
Die differenzierte Analyse der Gewebeveränderung<br />
ist in den meisten Fällen richtungsweisend für die<br />
Behandlung des Patienten. Die weitere Verfolgung<br />
der histopathologischen Diffentialdiagnostik<br />
und des Partikelalgorithmus nach Krenn wird uns<br />
dabei helfen, die Endoprothesen-Pathologie besser<br />
Danksagung:<br />
Die Autoren bedanken sich bei Simone Giak (Projektassistentin,<br />
Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik,<br />
Trier) für die tatkräftige und umfangreiche Unterstützung im<br />
Rahmen dieses interdisziplinären Projektes.<br />
zu verstehen und diagnostische Aussagen für den<br />
Operateur zu verbessern. Das ist entscheidend für<br />
die Entwicklung kausaler Behandlungsansätze. Die<br />
Gesamtproblematik und Komplexität der Fragestellung<br />
erfordert weitere Forschung im Zusammenwirken<br />
der berührten Fachdisziplinen.<br />
Korrespondierender Autor:<br />
Prof. Dr. Veit Krenn<br />
Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik<br />
Max-Planck-Straße 5, D-54296 Trier<br />
Telefon: +49 651 99 25 83 20<br />
Telefax: +49 651 99 25 83 83<br />
E-Mail: krenn@patho-trier.de<br />
DGOOC-Handbuch:<br />
Das Arbeitshandbuch<br />
der Arbeitsgemeinschaft<br />
Implantatallergie der<br />
DGOOC kann hier, auf<br />
Deutsch und Englisch,<br />
abgerufen werden.<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
17
Fortbildung<br />
Fretting und Korrosion – ein Problem<br />
beim BIOLOX ® OPTION-System?<br />
R. M. Streicher, L. Scheuber, M. Flohr, R. Preuss<br />
CeramTec GmbH, Plochingen<br />
Einleitung<br />
Die Korrosions- und Frettingproblematik wird derzeit<br />
wieder zunehmend in Zusammenhang mit OPTION) 8 sind für Durchmesser bis 48 mm aus-<br />
Keramikkugelköpfe für Hüftrevisionen (BIOLOX ®<br />
modularen Kugelkopf-Prothesenkonus-Verbindungen<br />
diskutiert. 1,2,3 Bei Metall/Metall-Konusverbin-<br />
Konushülsenadapters aus einer Titan-Aluminiumgelegt<br />
und haben durch die Verwendung eines<br />
dungen kann Korrosion / Fretting zu einer massiven Vanadium-Legierung eine metallische Schnittstelle<br />
Freisetzung von Metallionen und Metallpartikeln zum Schaftkonus. Daraus resultieren Bedenken in<br />
mit entsprechenden biologischen Konsequenzen Bezug auf Fretting, Korrosion und Klemmkraft.<br />
führen. 4,5,6,7 Keramikkugelköpfe hingegen zeigen<br />
klinisch deutlich reduzierte Fretting- und Korrosionserscheinungen.<br />
9,10<br />
Material und Methoden<br />
Die Untersuchungen erfolgten mit großen Keramikkugelköpfen<br />
(BIOLOX ® delta, Ø ≥ 40mm, CeramTec<br />
GmbH, Plochingen) in Kombination mit Konushülsenadaptern<br />
und Konen aus einer Titan-Aluminium-<br />
Vanadium-Legierung (TiAl6V4) 8 , Kobalt-Chrom-<br />
Molybdän (CoCrMo) und Implantatstahl (SS). Drei<br />
verschiedene Tests wurden durchgeführt:<br />
• Test 1: Standard-Fretting-/Korrosionstest<br />
gemäß ASTM F1875 (Abb. 1)<br />
• Test 2: Ermüdungs-/Korrosionstest (ASTM F2345)<br />
unter in-vivo-relevanten Belastungen<br />
• Test 3: Momentenbelastungstest (Reibungstorsionstest<br />
durch Rotation und Biegung) unter<br />
in-vivo-nahen Bedingung im Hüftsimulator 8<br />
(Abb. 2)<br />
Abb. 1: Standard-Fretting-/Korrosionstest gemäß<br />
ASTM 1875 (Quelle: Endolab ® )<br />
Abb. 2: Momentenbelastungstest (Reibungstorsionstest durch Rotation<br />
und Biegung) unter in-vivo-nahen Bedingungen im Hüftsimulator<br />
8 (Quelle: CeramTec)<br />
18 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Ergebnisse<br />
Der Fretting-Korrosionstest (Test 1) zeigte abnehmende<br />
galvanische Ströme für alle Konusmaterialien<br />
(TiAl6V4, CoCrMo, SS). Die gemessenen Ströme<br />
waren allesamt niedrig und deuten auf ein geringes<br />
Korrosionspotenzial der untersuchten Konusverbindungen<br />
hin.<br />
Die Korrosiontests unter in-vivo-relevanten Lasten<br />
(Test 2) ergaben, dass keine signifikant erhöhten<br />
Abzugkräfte für das BIOLOX ® OPTION-System zu<br />
erwarten sind. Im Revisionsfall sollte es möglich<br />
sein, den Kugelkopf und die Adapterhülse vom<br />
Schaftkonus zu entfernen.<br />
Die Momentenbelastungstests (Test 3) wurden auf<br />
einem Hüftsimulator (EndoLab ® , Thansau) durchgeführt.<br />
Es wurden keine nennenswerten Konusbeschädigungen<br />
festgestellt, unabhängig vom<br />
untersuchten Konusmaterial. Es traten lediglich<br />
geringfügige Mikrobewegungen auf, ohne Anzeichen<br />
von Korrosion.<br />
Zusammenfassung<br />
Alle drei Untersuchungen (Fretting-Korrosionstest<br />
gemäß ASTM F1875, Korrosionstest unter in-vivorelevanten<br />
Lasten, Momentenbelastungstest) 8 zeigten,<br />
dass das Fretting-, Korrosions- und Abriebverhalten<br />
an den Schnittstellen Keramik-Kugelkopf<br />
(große Durchmesser)-Adapterhülse-Schaftkonus<br />
keinen signifikanten Einfluss auf die Funktionsfähigkeit<br />
des BIOLOX ® OPTION-Systems hat. Auch unter<br />
Worst-Case-Bedingungen (unvorteilhafte Materialpaarungen,<br />
hohe Kräfte, hohe Drehmomente, korrosives<br />
Medium) traten keine kritischen Effekte auf.<br />
Mit dem BIOLOX ® OPTION-System waren bei keinem<br />
untersuchten Konusmaterial – weder bei Kobalt-<br />
Chrom-Molybdän noch bei Titan-Aluminium-Vanadium-Legierung<br />
– negative Auswirkungen durch<br />
Fretting und Korrosion zu verzeichnen.<br />
Literatur<br />
1 Langton DJ, Sidaginamale R, Lord JK et al. Taper junction<br />
failure in large-diameter metal-on-metal bearings. Bone Joint Res<br />
2012;1:56–63<br />
2 Meyer H, Mueller T, Goldau G et al. Corrosion at the cone/<br />
taper interface leads to failure of large-diameter metal-on-metal total<br />
hip arthroplasties. Clin Orthop Relat Res 2012;470:3101–3108<br />
3 Langton DJ, Jameson SS, Joyce TJ et al. Accelerating<br />
failure rate of the ASR total hip replacement. J Bone Joint Surg Br<br />
2010;93:1011–1016<br />
4 Hallab NJ, Messina C, Skipor A et al. Differences in the fretting<br />
corrosion of metal-metal and ceramic-metal modular junctions of total<br />
hip replacements. J Orthop Res 2004;22:250–259<br />
5 Bobyn JD, Tanzer M, Krygier JJ et al. Concerns with modularity<br />
in total hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res1994;298:27–36<br />
6 Cook SD, Barrack RL, Baffes GC et al. Wear and corrosion<br />
of modular interfaces in total hip replacements. Clin Orthop Relat Res<br />
1994;298:80–88<br />
7 Jacobs JJ, Skipor AK, Patterson LM et al. Metal release in patients<br />
who have had a primary total hip arthroplasty. A prospective, controlled,<br />
longitudinal study. J Bone Joint Surg Am 1998;80:1447–1458<br />
8 Preuss R, Haeussler K, Flohr M, Streicher R. Fretting Corrosion<br />
and Trunnion Wear – Is it Also a Problem for Sleeved Ceramic<br />
Heads? Semin Arthro 2012;23:251–257<br />
9 Cross MB, Esposito C, Sokolova A, Jenabzadeh R, Molloy<br />
D, Munir S, Zicat B, Walter WK, Walter WL. The effect of<br />
bearing surface on corrosion at the modular junctions in total hip arthroplasty,<br />
Poster, 25th ISTA 2012<br />
10 Kurtz SM, Kocagöz SB, Hanzlik JA, Macdonald DW, Lee<br />
GC, Mont MA, Kraay MJ, Klein GR, Parvizi J, Rimnac CM.<br />
Do Ceramic Femoral Heads Reduce Taper Fretting Corrosion in Hip Arthroplasty?<br />
A Retrieval Study. Clin Orthop Relat Res <strong>2013</strong> Jun 13. [Epub<br />
ahead of print]<br />
Diesen Artikel, weitere Informationen<br />
zu BIOLOX ® OPTION und klinische<br />
Bilder zum Thema können Sie hier<br />
abrufen.<br />
www.ceranews.de/plus<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
19
Studie<br />
Besteht bei übergewichtigen Patienten<br />
ein erhöhtes Frakturrisiko für<br />
keramische Komponenten in der HTEP?<br />
M. M. Morlock, E. Hoenig, A. Hothan<br />
Institut für Biomechanik, Technische Universität Hamburg-Harburg<br />
Einleitung<br />
Prof. Dr. Michael M. Morlock ist Professor<br />
für Biomechanik und Leiter des Institutes für<br />
Biomechanik an der Technischen Universität<br />
Hamburg-Harburg (TUHH). Er ist Koordinator<br />
des Studiengangs Mediziningenieurwesen,<br />
Mitbegründer des Forschungsschwerpunktes<br />
Regeneration, Implantate und Medizintechnik<br />
und Direktor des Hamburger Forschungszentrums<br />
für Medizintechnik.<br />
Das Institut für Biomechanik forscht und lehrt<br />
auf drei Fachgebieten: Gelenkersatz, Biomaterialien<br />
und Osteosynthese. Im Forschungsgebiet<br />
Gelenkersatz stehen die Implantatverankerung<br />
im Knochen, die Optimierung der<br />
Endoprothesenimplantation und -positionierung<br />
sowie die Schulung von Operateuren im<br />
Mittelpunkt. Die Forschungsinhalte leiten sich<br />
langfristig aus den Erkenntnissen der Analyse<br />
von Revisions- und Autopsieimplantaten ab,<br />
wodurch sie einen starken Bezug zur klinischen<br />
Anwendung haben.<br />
Prof. Morlock ist in zahlreichen internationalen<br />
und nationalen Fachgesellschaften aktiv, unter<br />
anderem in der International Society of Biomechanics,<br />
der Orthopaedic Research Society und<br />
im Arbeitsausschuss Endoprothetik und Osteosynthese<br />
des Deutschen Instituts für Normung<br />
(DIN). Er ist Reviewer für die bedeutendsten<br />
biomechanischen und orthopädischen Fachzeitschriften<br />
und hat mehr als 200 Zeitschriftenartikel<br />
und Buchkapitel sowie 500 Abstracts<br />
verfasst.<br />
Während ein Zusammenhang zwischen Adipositas<br />
und der Entstehung einer Arthrose als gesichert<br />
gilt 1–10 , wird der Einfluss des Körpergewichtes auf<br />
den Erfolg beim Hüftgelenkersatz (HTEP) kontrovers<br />
diskutiert. Im Rahmen einer Metaanalyse wurde<br />
untersucht, ob und inwieweit das Patientengewicht<br />
einen Einfluss auf das Ergebnis beim Hüftgelenkersatz<br />
hat, bzw. ob die gewählte Gleitpaarung eine<br />
Rolle spielt. Hintergrund dieser Untersuchung war<br />
die Frage, ob die erhöhten Gelenkkräfte bei Übergewichtigen<br />
11 per se zu einem erhöhten Frakturrisiko<br />
der keramischen Implantate führen.<br />
Zusätzlich zur Literaturanalyse wurden für die<br />
gebräuchlichen Gleitpaarungsmaterialien experimentelle<br />
Reibungsanalysen für Normalgewichtige<br />
und Übergewichtige durchgeführt.<br />
Metaanalyse<br />
Die Literaturdatenbank Pubmed/Medline wurde<br />
nach Veröffentlichungen durchsucht, in denen der<br />
Einfluss des BMI oder des Körpergewichtes auf das<br />
Ergebnis von HTEP bzw. Keramikfrakturen dargestellt<br />
wird. Konferenzbeiträge wurden ebenfalls<br />
in die Literaturrecherche einbezogen. Insgesamt<br />
wurden 55 Paper und Konferenzbeiträge, die den<br />
Suchkriterien entsprachen, gefunden und deren<br />
Kernaussagen hinsichtlich<br />
• biologischer Komplikationen<br />
• mechanischer Komplikationen (z.B. Fraktur)<br />
• Funktionsanalysen, Aktivität und Schmerzen<br />
• Lebensqualität bzw. -zufriedenheit<br />
• Patientenalter<br />
• Operationszeit, Krankenhausaufenthaltsdauer<br />
und Rehabilitation<br />
zusammengefasst. 12–66<br />
Einige Studien berichten über schlechtere Ergebnisse<br />
von HTEP hinsichtlich einer oder mehrerer der<br />
untersuchten Parameter. Andere Studien zeigten<br />
jedoch keinen Effekt des Gewichtes (Abb. 1). Ein<br />
erhöhtes Auftreten biologischer Komplikationen<br />
(insbesondere Infektionen), ein niedrigeres Durch-<br />
20 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Parameter<br />
Ergebnis bei<br />
Übergewicht<br />
schlechter [Anzahl<br />
Publikationen]<br />
Ergebnis bei<br />
Übergewicht<br />
gleich [Anzahl<br />
Publikationen]<br />
Biologische<br />
Komplikationen<br />
Infektion 13 5<br />
Thrombose 3 1<br />
Wundheilung 3 0<br />
Mechanische<br />
Komplikationen<br />
Position Pfanne 2 4<br />
Dislokation 5 2<br />
Osteolyse 2 7<br />
Überlebensrate 1 8<br />
Position Schaft 2 0<br />
Funktions analyse Funktion 4 12<br />
Schmerz 1 2<br />
Aktivität 1 0<br />
Lebensqualität & -zufriedenheit 0 6<br />
Patientenalter 3 0<br />
Krankenhausaufenthalt<br />
OP-Zeit 4 2<br />
KH-Aufenthalt 2 4<br />
Rehabilitation 1 0<br />
Abb. 1: Übersicht der Literaturrecherche zum Einfluss des Gewichtes auf das Ergebnis des Hüftgelenkersatzes<br />
(Anzahl der Publikationen)<br />
schnittsalter der Patienten und längere OP-Zeiten<br />
werden im Kontext mit adipösen Patienten deutlich<br />
vermehrt genannt. Ebenso war die Positionierung<br />
der Prothesenkomponenten in der Hälfte der Studien,<br />
die diesen Parameter untersuchten, für adipöse<br />
Patienten schlechter (4 von 8). Etwa 70 % der<br />
Studien stellten eine erhöhte Dislokationsrate fest.<br />
Osteolyse, verursacht durch abriebbedingte Fremdkörperreaktionen,<br />
wurde hingegen nur in 2 von 9<br />
Studien häufiger bei adipösen als bei normalgewichtigen<br />
Patienten beobachtet.<br />
Hinsichtlich der Ursache für Kugelkopf- oder Insertfrakturen<br />
wird häufig das Körpergewicht als mögliche<br />
Ursache genannt, jedoch in keiner klinischen<br />
Studie nachgewiesen. Numerische Untersuchungen<br />
zeigen speziell bei ungünstiger Komponentenplatzierung<br />
in Kombination mit Übergewicht erhöhte<br />
Spannungen 67–71 oder eine erhöhte Häufigkeit<br />
von Geräuschentwicklung auch im klinischen Einsatz<br />
72,73 .<br />
Experimentelle Untersuchung<br />
Erhöhte Gelenkreibung wird derzeit im Zusammenhang<br />
mit Endoprothesenlockerungen, Konusproblemen<br />
und Geräuschentwicklung diskutiert. Deswegen<br />
wurden die Reibwerte unterschiedlicher, in der<br />
Hüftendoprothetik etablierter Materialkombinationen<br />
(Keramik/Keramik, BIOLOX ® delta, CeramTec;<br />
Metall/Metall, ULTAMET ® , DePuy; Keramik/Metall,<br />
DePuy; hochvernetztes Polyethylen, Marathon ® ,<br />
DePuy, in Kombination mit Keramik- und Metall-<br />
Kugelköpfen) mit einem Kugelkopfdurchmesser<br />
von 28 mm und einer Pfanneninklination von 45°<br />
bei einer reinen Flexions-Extensions-Bewegung mit<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
21
Studie (Fortsetzung)<br />
0,8<br />
a) 0,8<br />
0,6<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,4<br />
0,2<br />
Reibwert µ<br />
Reibwert µ<br />
500 N<br />
1500 N<br />
2500 N<br />
1500 N<br />
2500 N<br />
0,2<br />
0<br />
0<br />
Ke/Ke Ke/Me Ke/PE Me/Me Me/PE<br />
Ke/Ke Ke/Me Ke/PE Me/Me Me/PE<br />
b)<br />
0,8<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,6<br />
0,4<br />
Reibwert µ<br />
Reibwert µ<br />
500 N<br />
1500 N<br />
2500 N<br />
1500 N<br />
2500 N<br />
0,4<br />
Abb. 2a, 2b: Reibwert<br />
unterschiedlicher<br />
Material paarungen im<br />
(a) geschmierten und<br />
(b) trockenen Zustand<br />
0,2<br />
0,2<br />
0<br />
0<br />
Ke/Ke Ke/Me Ke/PE Me/Me Me/PE<br />
Ke/Ke Ke/Me Ke/PE<br />
sinusförmigem Verlauf und einer Frequenz von 1 Hz<br />
im trockenen sowie im geschmierten (25-%iges<br />
Rinderserum) Zustand für Gelenkkräfte von 500 N,<br />
1500 N und 2500 N untersucht. 74<br />
Me/Me Me/PE<br />
Im geschmierten Zustand bestand<br />
• kein Einfluss der Gelenkkraft bei Hart/Hart-Gleitpaarungen<br />
(Ke/Ke: p = 0,527; Ke/Me: p = 0,066;<br />
Me/Me: p = 0,912) und<br />
• ein Einfluss der Gelenkkraft bei Hart/Weich-Gleitpaarungen:<br />
Der Reibwert nahm mit zunehmender<br />
Gelenkkraft ab (p < 0,001). (Abb. 2a)<br />
Im trockenen Reibungszustand wurde, leicht abweichend<br />
vom geschmierten Zustand,<br />
• kein Einfluss der Gelenkkraft bei Gleitpaarungen<br />
mit mindestens einer Keramikkomponente (Ke/<br />
Ke: p = 0,750; Ke/Me: p = 0,053; Ke/PE: p =<br />
0,344) und<br />
• ein Einfluss der Gelenkkraft bei Gleitpaarungen<br />
ohne Keramikkomponente (Me/Me und Me/PE:<br />
sinkender Reibwert mit zunehmender Gelenkkraft;<br />
p < 0,02) gefunden. (Abb. 2b)<br />
Im geschmierten Zustand trat bei geringen und<br />
mittleren Kräften in Keramik/Keramik-Gleitpaarungen<br />
die geringste Reibung auf. Bei hohen<br />
Kräften besaßen jedoch Hart/Weich-Gleitpaarungen<br />
die geringste Reibung. Dies ist vermutlich<br />
auf die Verformbarkeit des Polyethylens und die<br />
somit modifizierte Kontaktfläche zurückzuführen.<br />
Bei Hart/Hart-Gleitpaarungen hatte die Kraft im<br />
geschmierten Zustand keinen Einfluss auf die auftretende<br />
Reibung. Metall/Metall-Gleitpaarungen<br />
besaßen einen um ein Vielfaches größeren Reibwert<br />
und bewegten sich somit in einem Bereich, welcher<br />
in Bezug auf die auftretenden Momente bei hohen<br />
Gelenkkräften für den Sitz der Pfanne problematisch<br />
sein kann.<br />
Die Abwesenheit eines Schmierfilms erhöhte den<br />
Reibwert in allen Gleitpaarungen signifikant (p <<br />
0,035). In Keramik/Keramik-Gleitpaarungen war der<br />
Effekt am stärksten, hier wurde der Reibwert um<br />
den Faktor 7 erhöht.<br />
22 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Diskussion: Materialpaarung bei adipösen Patienten<br />
Die schlechteren Ergebnisse in Bezug auf Dislokation<br />
als Revisionsgrund würden bei adipösen Patienten<br />
für die Implantation eines größeren Kugelkopfes<br />
sprechen. Dieser ginge bei Hart/Weich-Gleitpaarungen<br />
allerdings mit einem erhöhten Verschleiß einher<br />
75 : Bezogen auf den Verschleiß wäre folglich die<br />
Verwendung einer Keramik/Keramik-Gleitpaarung<br />
zu favorisieren. Es gilt an dieser Stelle darauf hinzuweisen,<br />
dass eine korrekte Pfannen- und Schaftpositionierung<br />
eine notwendige Voraussetzung ist,<br />
um Luxation, Subluxation und Impingement zu vermeiden.<br />
Besonders bei Pfanneninserts aus dünnem<br />
hochvernetzten Polyethylen oder Keramik können<br />
derartige unerwünschte Ereignisse zu Problemen<br />
führen.<br />
Die Tatsache, dass Osteolyse bei adipösen Patienten<br />
nicht vermehrt auftritt, mag in einem verminderten<br />
Aktivitätsniveau adipöser Patienten begründet<br />
liegen, welches die größere Gelenkkraft, mit der<br />
eigentlich ein erhöhter Verschleiß zu erwarten wäre,<br />
kompensiert (Abrieb ist proportional zu der aufgebrachten<br />
Last, dem Gleitweg und dem Integral der<br />
Zeit). 76<br />
Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung<br />
bestätigen, dass Keramik/Keramik-Gleitpaarungen<br />
unter geschmierten Bedingungen den niedrigsten<br />
Reibwert besitzen, bzw. bei hohen Kräften genauso<br />
niedrige Reibwerte wie Hart/Weich-Gleitpaarungen.<br />
Allerdings zeichnen sie sich durch eine hohe Sensitivität<br />
für unzureichende Schmierung aus. Fehlstellungen<br />
der Implantatkomponenten können einen<br />
Abriss des Schmierfilms begünstigen; diese Gefahr<br />
scheint bei übergewichtigen Patienten erhöht zu<br />
sein. Der damit einhergehende dramatische Anstieg<br />
der Reibung in der Gleitpaarung kann in Problemen<br />
im Hinblick auf Fixierung und Geräuschentwicklung<br />
resultieren – beides zurückzuführen auf erhöhte Reibung<br />
– besonders bei größeren Kopfdurchmessern. 77<br />
Für adipöse Patenten gilt somit die gleiche Argumentation<br />
wie für normalgewichtige Patienten:<br />
Sofern eine korrekte Implantationssituation gewährleistet<br />
werden kann, sind Keramik/Keramik-Gleitpaarungen<br />
aus tribologischer Sicht zu favorisieren.<br />
Kann die korrekte Implantatposition nicht sichergestellt<br />
werden, sollte eine Hart/Weich-Gleitpaarung<br />
einer Hart/Hart-Gleitpaarung vorgezogen werden.<br />
Bedingt durch die verbesserten Materialeigenschaften<br />
der verfügbaren Verbundkeramiken und die<br />
Konusproblematik speziell bei größeren Metall-<br />
Kugelköpfen sollte hierbei die Verwendung eines<br />
Keramik-Kugelkopfes erfolgen. Diese Aussage sollte<br />
keinesfalls dahingehend interpretiert werden, dass<br />
mit Hart/Weich-Gleitpaarungen Implantatfehlstellungen<br />
korrigiert werden könnten. Vielmehr wird<br />
das Problem auf einen späteren Zeitpunkt verschoben:<br />
Die Verwendung eines überdachten PE-Inserts<br />
mag zwar die Dislokationsrate reduzieren, erhöht<br />
aber gleichzeitig auch den Verschleiß, was sich auf<br />
die lange Sicht negativ auswirken kann. Bei einer<br />
Fehlstellung sollte immer die Implantatposition – die<br />
eigentliche Ursache – korrigiert werden.<br />
Abschließend bleibt festzustellen, dass die korrekte<br />
Implantatverankerung und -positionierung eine größere<br />
Rolle für den Langzeiterfolg des Hüftgelenkersatzes<br />
spielt als die gewählte Gleitpaarung. 78<br />
Diese Studie wurde von der Firma CeramTec finanziell unterstützt.<br />
Eine Literaturliste ist beim Autor erhältlich.<br />
Korrespondierender Autor:<br />
Univ. Prof. Dr. habil. Michael M. Morlock<br />
Institut für Biomechanik<br />
Technische Universität Hamburg-Harburg<br />
Denickestraße 15<br />
21073 Hamburg<br />
Telefon: +49 40 42878 3253<br />
E-Mail: morlock@tuhh.de<br />
www.tu-harburg.de/bim<br />
Akronyme<br />
AAOS<br />
ALVAL<br />
ARMD<br />
BBR<br />
BVOU<br />
CoCrMo<br />
American Academy of Orthopaedic Surgeons<br />
Aseptic Lymphocytic Vasculitis<br />
Associated Lesions<br />
Adverse Reactions to Metallic Debris<br />
Berliner-Blau-Reaktion<br />
Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie<br />
Kobalt-Chrom-Molybdän<br />
DGOOC<br />
DGU<br />
FDA<br />
HE<br />
HHS<br />
HTEP<br />
Ke/Ke<br />
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie<br />
und Orthopädische Chirurgie<br />
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />
U.S. Food and Drug Administration<br />
Hematoxylin-Eosin<br />
Harris Hip Score<br />
Hüfttotalendoprothese<br />
Keramik/Keramik<br />
Ke/Me<br />
Ke/PE<br />
Me/Me<br />
Me/PE<br />
MRT<br />
PE<br />
POL<br />
SLIM<br />
Keramik/Metall<br />
Keramik/Polyethylen<br />
Metall/Metall<br />
Metall/Polyethylen<br />
Magnetresonanztomographie<br />
Polyethylene<br />
Polarisationsoptische Analyse<br />
Synovia Like Interface Membrane<br />
<strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong><br />
23
News und Themen<br />
Überlebenszeitanalyse von 2.395<br />
Hüftendoprothesen mit Hart/Hart-<br />
Gleitpaarungen bei Dysplasiecoxarthrose<br />
Bislang gibt es in der Literatur kaum Daten<br />
aus großen Fallserien mit mittel- und langfristigen<br />
Ergebnissen der zementfreien primären<br />
Hüfttotalendoprothetik bei jungen<br />
und aktiven Patienten mit Dysplasiecoxarthrose.<br />
Prof. Dr. Atsushi Kusaba (Ebina General<br />
Hospital, Kanagawa, Japan) untersuchte<br />
die Überlebenszeit von 2.395<br />
HTEP mit Hart/Hart-Gleitpaarungen (552<br />
Me/Me, 1.843 Ke/Ke – BIOLOX ® forte,<br />
BIOLOX ® delta). Der Beitrag wurde in<br />
einem anonymisierten Reviewverfahren<br />
der Fachgesellschaften DGOOC, DGU und<br />
BVOU überdurchschnittlich gut bewertet.<br />
In einer offiziellen Mitteilung der Kongresspräsidenten<br />
wurde seine Annahme<br />
als Vortrag in das Programm des kommenden<br />
Deutschen Kongresses für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie (DKOU) verkündet.<br />
Prof. Dr. Kusaba wird seine Studienergebnisse<br />
am 25. Oktober <strong>2013</strong> auf dem DKOU<br />
in Berlin präsentieren.<br />
Zulassung der Keramik/Keramik-<br />
Gleitpaarung (BIOLOX ® delta) in<br />
Japan<br />
Aesculap, Biomet und DePuy haben<br />
die Zulassung für die Keramik/Keramik-<br />
Gleitpaarung (BIOLOX ® delta) in den letzten<br />
Monaten erhalten und erfolgreich in<br />
den Markt eingeführt. Weitere namhafte<br />
Endoprothesenhersteller arbeiten derzeit<br />
ebenfalls an der Zulassung der keramischen<br />
Gleitpaarung BIOLOX ® delta.<br />
Histopathologische Differentialdiagnostik<br />
bei implantatallergischen<br />
Reaktionen<br />
Das Arbeitshandbuch der Arbeitsgemeinschaft<br />
Implantatallergie der<br />
DGOOC gibt dem Operateur umfangreiche<br />
Hilfestellung bei<br />
• der histopathologischen Differentialdiagnostik<br />
bei adversen Reaktionen auf<br />
Implantatmaterialien<br />
• Komplikationen durch biomechanische<br />
und mechanische Ursachen<br />
• periprothetischer Infektion<br />
• implantatassoziierter Arthrofibrose<br />
• ossären Pathologien<br />
• der Auswahl der notwendigen Untersuchungen<br />
und der Einordnung der<br />
Ergebnisse.<br />
Das Handbuch kann mit dem QR-<br />
Code in deutscher und englischer<br />
Sprache abgerufen werden.<br />
Was tun bei Patienten mit<br />
Geräuschphänomen nach HTEP?<br />
Prof. Dr. William Walter (Sydney, Australien)<br />
hat einen klinischen Algorithmus<br />
entwickelt, mit dem er Behandlungswege<br />
für diese Patienten aufzeigt. Der Beitrag<br />
erscheint in englischer Sprache in einer<br />
Schriftenreihe des Springer Verlages und<br />
ist auch als E-Book verfügbar.<br />
FDA-Zulassung für Implantatsystem<br />
mit 36mm-Kugelkopf<br />
aus BIOLOX ® delta<br />
DePuy Orthopaedics hat am 3. Mai <strong>2013</strong><br />
bekanntgegeben, dass das Unternehmen<br />
die ergänzende Zulassung vor der<br />
Markteinführung der FDA (Premarket<br />
Approval PMA) für das CERAMAX ® -<br />
Hüftendoprothesensystem mit einem<br />
36mm-Keramik/Keramik-Kugelkopf aus<br />
BIOLOX ® delta erhalten hat.<br />
Die ergänzende Zulassung der FDA folgt<br />
auf die erste PMA-Zulassung des 28mm-<br />
Kugelkopfs im Jahr 2010. Sicherheit und<br />
Wirksamkeit des CERAMAX-Systems<br />
wurden in einer prospektiven, multizentrischen,<br />
nicht randomisierten, kontrollierten<br />
klinischen Studie mit 264 Patienten<br />
untersucht, bei welchen das Hüftgelenk<br />
aufgrund einer nicht-entzündlichen, degenerativen<br />
Gelenkserkrankung ersetzt werden<br />
musste. Das CERAMAX-System wurde<br />
dabei mit einer Hüftendoprothese aus<br />
Keramik/Polyethylen verglichen.<br />
Die Studie, die im Rahmen des PMA-<br />
Antrags des Unternehmens durchgeführt<br />
wurde, ergab keine signifikanten Unterschiede<br />
bei den adversen Reaktionen oder<br />
der Überlebensrate zwischen den beiden<br />
Gruppen. Die Patienten berichteten über<br />
eine ähnliche Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung<br />
und erreichten einen<br />
ähnlichen Bewegungsumfang.*<br />
Die FDA schlussfolgerte daraus, dass das<br />
CERAMAX-System sicher und wirksam sei.<br />
* Data on file, DePuy Orthopaedics, Inc.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
CeramTec GmbH<br />
Geschäftsbereich Medizintechnik<br />
CeramTec Platz 1–9<br />
D-73207 Plochingen, Deutschland<br />
Telefon: +49 7153 611 828<br />
Telefax: +49 7153 611 950<br />
medical_products@ceramtec.de<br />
www.biolox.de<br />
www.ceranews.de<br />
(<strong>CeraNews</strong> Online)<br />
Ihre Ansprechpartner:<br />
Dieter Burkhardt<br />
Vice President Sales and Marketing<br />
Telefon: +49 7153 611 485<br />
d.burkhardt@ceramtec.de<br />
Paul Silberer<br />
Vice President Sales<br />
Telefon: +49 7153 611 522<br />
p.silberer@ceramtec.de<br />
Chefredaktion:<br />
Sylvia Usbeck<br />
Konzept und Redaktion:<br />
Sylvia Usbeck<br />
Florence Petkow<br />
Leslie Scheuber<br />
Gestaltung und Produktion:<br />
LoopKomm Infomarketing GmbH<br />
Zum Engelberg 6a<br />
D-79249 Merzhausen<br />
Telefon: +49 7634 55 19 46<br />
www.loopkomm.de<br />
mail@loopkomm.de<br />
24 <strong>CeraNews</strong> 2 / <strong>2013</strong>
Safety Reminder<br />
1. Use taper protective<br />
cap and do not remove<br />
until immediately prior<br />
to placement of the trial<br />
femoral ball head.<br />
2. Trial reduction with<br />
trial femoral ball head<br />
only<br />
3. Careful cleaning<br />
and drying of the<br />
stem taper<br />
4. Correct handling of<br />
the BIOLOX ® femoral<br />
ball head<br />
5. Fixation of the<br />
BIOLOX ® femoral<br />
ball head<br />
6. Avoid intraoperative<br />
damage as well.<br />
BIOLOX ® Ball Heads<br />
The stem taper could<br />
become damaged intraoperatively<br />
by surgical<br />
BIOLOX ® instruments. Inserts<br />
1. Position the cup in<br />
the Lewinnek‘s The Safe use of a trial head is<br />
Zone illustrated. required Avoid because the use<br />
using ceramic inserts of an actual ceramic head<br />
for trailing can modify<br />
when the cup is retroverted.<br />
stem taper.<br />
the surface finish of the<br />
3. Ensure that the cup<br />
and insert are compatible.<br />
particles (soft tissue, fat,<br />
Make sure that third body<br />
cement or bone fragments,<br />
etc.) are not trapped in<br />
between the connection of<br />
the stem and ceramic ball<br />
head tapers.<br />
5. To protect the cup,<br />
place a swab into Place it femoral ball<br />
head with clean,<br />
and remove shortly dry inner taper by<br />
before placing the gently turning it.<br />
insert.<br />
7. In order to check<br />
Fixation of the femoral ball<br />
that it is correctly<br />
head by gently impacting<br />
seated, run the on finger the plastic femoral ball<br />
around the rim head of the impactor (multiple<br />
insert.<br />
times are permitted) in<br />
an axial direction. Never<br />
strike the femoral ball head<br />
directly with the metal<br />
hammer.<br />
9. Never strike the<br />
Do not use any BIOLOX<br />
ceramic insert directly<br />
®<br />
femoral ball heads that<br />
with a metal hammer. have been autoclaved and<br />
rapidly cooled, dropped<br />
to the floor, damaged or<br />
previously used.<br />
2. Remove osteophytes<br />
in order to<br />
avoid impingement.<br />
4. The cup has to be<br />
clean and dry before<br />
placing the insert.<br />
Liquids and fat are not<br />
compressible and have<br />
to be removed from<br />
the cup.<br />
6. When using an<br />
insertion instrument,<br />
please follow its<br />
instructions for use<br />
carefully.<br />
8. Fixation of the insert<br />
is achieved by<br />
impacting with the<br />
appropriate impactor<br />
in axial direction.<br />
10. Check the right<br />
position of the insert<br />
in the cup after<br />
fixation. (e.g. X-ray)<br />
1, 2, 3, 6 Figure Source:<br />
Prof. D. Höntzsch (Tübingen, Germany)<br />
4, 5 Figure Source: CeramTec<br />
1, 3, 6, 7, 8, 9, 10 Figure Source: CeramTec<br />
2 Figure Source: Prof. A. Kusaba (2009)<br />
CeramTec GmbH<br />
4, 5 Figure Source: Prof. H. Kiefer (2011)<br />
Always remember<br />
Medical Products Division<br />
CeramTec-Platz 1–9<br />
CeraFacts<br />
• Make sure that the ceramic ball head taper and the stem taper are compatible.<br />
D-73207 Plochingen, Germany<br />
Phone: +49 7153 611 828<br />
Comprehensive library, • Make sure that the taper surfaces are clean and not damaged.<br />
Fax: +49 7153 611 950<br />
all about BIOLOX ®<br />
CeramTec GmbH<br />
• Carefully assemble the components.<br />
medical_products@ceramtec.de<br />
ceramics, with helpful<br />
Always remember<br />
Medical Products Division<br />
www.biolox.com<br />
animations and videos<br />
CeramTec-Platz 1–9<br />
• Confirm proper assembly and then impact.<br />
• Make sure that the ceramic insert and the cup are compatible.<br />
for your clinical practice<br />
D-73207 Plochingen, Germany<br />
• Don’t combine products from different manufacturers.<br />
on USB stick<br />
• Make sure the position of the acetabular cup and its function<br />
Phone: +49 7153 611 828<br />
is thoroughly checked by using a trial insert.<br />
Fax: +49 7153 611 950<br />
CeraFacts<br />
• Make sure that the metal shell is clean and not damaged.<br />
medical_products@ceramtec.de<br />
This information does not replace the instructions for use. The Information given in the instruction for use is binding and must always be observed. (October 2012)<br />
Comprehensive library,<br />
www.biolox.com<br />
• Do not use an insertion instrument for impaction.<br />
all about BIOLOX ®<br />
• Carefully assemble the components.<br />
ceramics, with helpful<br />
animations and videos • Don’t combine products from different manufacturers.<br />
for your clinical practice • Do not use any BIOLOX ® femoral insert that have been autoclaved<br />
on USB stick<br />
and rapidly cooled, dropped to the floor, damaged or previously used.<br />
This information does not replace the instructions for use. The Information given in the instruction for use is binding and must always be observed. (October 2012)<br />
Die hart/weich Gleitpaarungen Keramik/Polyethylen (PE), Keramik/Crosslinked Polyethylen (XPE), Metall (CoCrMo)/XPE wurden<br />
hinsichtlich möglicher Auswirkungen von Keramikpartikeln auf das Abriebverhalten (Dreikörperverschleiß) untersucht.<br />
Abb. 1: Zwischen den Gleitflächen eingebrachte<br />
Keramikpartikel während des Tests Al 2 O 3 -Partikel vor Testbeginn eingebracht<br />
nach 5 Mio. Zyklen<br />
nach 5 Mio. Zyklen<br />
Abb. 2: Punkte 1–5, an diesen Stellen wurden Abb. 3: Oberfläche BIOLOX ® delta Abb. 4: Oberfläche XPE Insert<br />
Schlussfolgerung<br />
1. Von den bislang untersuchten Gleitpaarungen weisen Keramik/Keramik-Gleitpaarungen ein sehr<br />
geringes Abriebvolumen auf (Abb. 5) 9 . Aus tribologischer Sicht stellt die Keramik/Keramik-Gleitpaarung<br />
die beste Versorgung nach Keramikfraktur dar. 8<br />
2. Die zweitbeste Versorgungsmöglichkeit ist aus tribologischer Sicht die Keramik/PE-Gleitpaarung<br />
(UHMWPE oder XPE).<br />
3. Die Verwendung der Metall/PE-Gleitpaarung nach Keramikfraktur ist kontraindiziert. 1–5 Keramikpartikel<br />
können in das PE-Insert eingepresst werden und zur hochgradigen Zerstörung des Metallkugel<br />
kopfes führen (Abb. 7–8).<br />
Klinische Erfahrungen bestätigen die Testergebnisse. 7 Für die Versorgung nach Keramikfraktur<br />
stehen BIOLOX ® OPTION-Kugelköpfe aus dem Material BIOLOX ® delta zur Verfügung.<br />
Abb. 7–8: Metallose, 1,5 Jahre nach Metall/PE-Versorgung bei Keramikfraktur<br />
(Quelle: Prof. C. Lohmann, Orthopädische Universitätsklinik Magdeburg)<br />
Literatur:<br />
1 Allain J et al. Revision Total Hip Arthroplasty Performed After Fracture of a Ceramic Femoral Head: A Multicenter Survivorship Study. J Bone Joint Surg Am 2003;85:825–830<br />
2 Gozzini PA et al. Massive wear in a CoCrMo head following the fracture of an alumina head. Hip Int 2002;12(1):37–42<br />
3 Hasegawa M et al. Cobalt-chromium head wear following revision hip arthroplasty performed after ceramic fracture – a case report. Acta Orthopaedica 2006;77(5):833–835<br />
4 Kempf I et al. Massive Wear of a steel ball head by ceramic fragtments in the polyethylene acetabular cup after revision of a total hip prosthesis with fractured ceramic ball head.<br />
Acta Orthop Trauma Surg 1990;109:284–287<br />
5 Matziolis G et al. Massive metallosis after revision of a fractured ceramic head onto a metal head. Archives of orthopaedic and trauma surgery. 2003;123(1):48–50<br />
6 Traina F et al. Revision of a Ceramic Hip for Fractured Ceramic Components. Scientific Exhibit at the 78 th AAOS Annual Meeting, San Diego, 2011<br />
7 Thorey F et al. Early results of revision hip arthroplasty using a ceramic revision ball head. Seminars in Arthroplasty, 2011 (in press)<br />
8 Oberbach T. et al. Resistenz von Dispersionskeramiken gegenüber Drei körperverschleiß. Abstract, Deutscher Kongress für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie 2007<br />
9 Pandorf T. et al. Abrieb von großen keramischen Gleitpaarungen, 55. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden, Baden-Baden, 26.–29. April 2007<br />
Printed in Germany·Stand: Oktober 2011<br />
Abb. 7<br />
Abb. 8<br />
Primärversorgung<br />
Abriebvolumen (mg/Mio. Zyklen)<br />
Material und Methode<br />
Resultate<br />
Kugelköpfe: Aluminiumoxid-Matrix-Verbundwerkstoff<br />
Keramik/PE und Keramik/XPE<br />
(BIOLOX ® delta), CoCrMo<br />
Die Testergebnisse mit Keramik-Fremdpartikeln zeigen, dass die<br />
Inserts: Crosslinked UHMWPE 32 mm, UHMWPE 32 mm Gleitpaarungen Keramik/PE und Keramik/XPE Versorgungsmöglichkeiten<br />
nach Fraktur einer Keramikkomponente darstellen, um abriebbedingte<br />
Probleme durch Dreikörperverschleiß und damit verbun-<br />
Fremdpartikel: Aluminiumoxidkeramik (Al 2 O 3 )-Partikel<br />
(BIOLOX ® forte)<br />
0–1,0 Mio. Zyklen<br />
dene Komplikationen gering zu halten. Bei der Ke/XPE-Gleitpaarung<br />
1,0–5,0 Mio. Zyklen<br />
war das Abriebvolumen des Kugelkopfes um den Faktor 1000 geringer<br />
als im Vergleich zur Me/XPE-Gleitpaarung (Abb. 6). Eine Quan-<br />
Zwischen den Gleitflächen wurden Keramik-Fremdpartikel bis 5 mm<br />
eingebracht, um das Abriebverhalten bei simuliertem Dreikörperverschleiß<br />
zu testen (Abb.1–2).<br />
Abrieb Me/XPE<br />
3<br />
Abrieb Ke/Ke<br />
tifizierung des Abriebs der PE- und XPE-Inserts war aufgrund Abrieb Ke/PE der (XPE)<br />
eingebrachten Keramik-Fremdpartikel nicht möglich. Nach 5 Mio.<br />
Das Abriebverhalten von BIOLOX ® 0–1,0<br />
delta- und CoCrMo-Kugelköpfen<br />
Mio. Zyklen 0–1,0 Mio. ist Zyklen die Integrität beider Oberflächen weiterhin gegeben und<br />
2<br />
1,0–5,0 Mio. Zyklen 1,0–5,0 Mio. Zyklen<br />
in Verbindung mit PE- u. XPE-Inserts wurde im Hüftgelenksimulator<br />
somit die Funktionalität der Gleitpaarung gewährleistet (Abb. 3–4).<br />
Primärversorgung Primärversorgung<br />
Versorgung Versorgung nach Keramikfraktur nach Keramikfraktur<br />
(Endolab ® 1,5<br />
Rosenheim) getestet. Vor Testbeginn wurden Abrieb Al Ke/Ke<br />
2 O Abrieb<br />
3 -Partikel<br />
in die korrespondierenden Inserts eingebracht (Abb. 2). Während<br />
Metall/XPE-Gleitpaarung Metall/XPE-Gleitpaarung<br />
1<br />
Ke/Ke<br />
Abriebvolumen Abriebvolumen<br />
(mg/Mio. Zyklen) (mg/Mio. Zyklen)<br />
Abriebvolumen Abriebvolumen<br />
(mg/Mio. Zyklen) (mg/Mio. Zyklen)<br />
Abrieb Ke/PE (XPE)<br />
Ke/PE (XPE)<br />
Abrieb Me/XPEAbrieb Me/XPE 3<br />
3<br />
316 316<br />
Abrieb Ke/Ke<br />
316 ± 47 316 ± 47<br />
im Simulator mit im Simulator mit<br />
des Tests wurden weitere Keramikpartikel mittels der Testflüssigkeit 2<br />
2<br />
315,5 315,5 Keramikpartikeln Keramikpartikeln bis 5 mm bis 5 mm<br />
Abrieb Ke/PE<br />
(XPE)<br />
0,5<br />
(Kälberserum) den Gleitpaarungen zugeführt (Abb. 1). Die Gleitpaarungen<br />
durchliefen jeweils 5 Millionen Testzyklen. Die Tests wurden<br />
Abrieb Me/XPE<br />
1,5 1,5<br />
315 315<br />
Abrieb Ke/Ke Abrieb Ke/Ke<br />
Keramik/PE- Keramik/PE-<br />
< 0,1<br />
1<br />
1<br />
1 Gleitpaarung 1 Gleitpaarung<br />
0<br />
entsprechend den Normen ISO 14242 Part 1 und 2 durchgeführt. Die<br />
im Simulator mit im Simulator<br />
Keramik/XPEmit<br />
Keramik/XPE-<br />
Abrieb Ke/PE<br />
Keramik/Keramik- Keramik/Keramik-<br />
Keramikpartikeln<br />
Gleitpaarung<br />
Abrieb Ke/PE<br />
Keramikpartikeln<br />
Gleitpaarung<br />
(XPE)<br />
Gleitpaarung im Gleitpaarung im<br />
bis 5 mm<br />
im Simulator mit<br />
(XPE)<br />
bis 5 mm<br />
im Simulator mit<br />
Schädigung der Gleitpaarungsoberflächen wurde visuell beurteilt. Die 0,5 Standard-Simulator<br />
0,5 Standard-Simulator<br />
0,5 0,5 Keramikpartikeln Keramikpartikeln<br />
nach ISO 14242-1 nach<br />
bis 5 mm<br />
Abriebmessung erfolgte gravimetrisch.<br />
9 ISO 14242-1<br />
bis 5 mm<br />
9<br />
0,56 ± 0,210,56 ± 0,21<br />
Abrieb Me/XPEAbrieb Me/XPE<br />
< 0,1 < 0,1<br />
0,31 ± 0,170,31 ± 0,17<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
Abb. 5: Primärversorgung Abb. 6: Versorgung nach Keramikfraktur<br />
Keramik/Keramik-<br />
Gleitpaarung im<br />
Standard-Simulator<br />
nach ISO 14242-1 9<br />
Versorgung nach Keramikfraktur<br />
Abriebvolumen (mg/Mio. Zyklen)<br />
316<br />
Metall/XPE-Gleitpaarung<br />
316 ± 47<br />
im Simulator mit<br />
315,5<br />
Keramikpartikeln bis 5 mm<br />
315<br />
Keramik/PE-<br />
1 Gleitpaarung<br />
im Simulator mit<br />
Keramik/XPE-<br />
Keramikpartikeln<br />
Gleitpaarung<br />
bis 5 mm<br />
im Simulator mit<br />
0,5<br />
Keramikpartikeln<br />
bis 5 mm<br />
0,56 ± 0,21<br />
0,31 ± 0,17<br />
0<br />
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