Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag

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378 Personalforschung an Hochschulen (ZfP 4/99) im Großkonzern und im industriellen Mittelstand. Seit 1990 ist der Verfasser selbständiger Unternehmensberater und Managementtrainer. Erfahrungen anderer gesellschaftlicher Sektoren liegen aus der Selbstverwaltung von Sozialversicherungsträgern, einem Gemeinderat, der Tätigkeit als ehrenamtlicher Arbeitsrichter und als Landtagsabgeordneter vor. Auf dieser Basis thematisierte Erfahrungen: Ausbildung und Studium haben nicht auf die gesellschaftlichen Dimensionen der später wahrgenommenen Führungsfunktionen vorbereitet. Das betriebliche Management reagiert hilflos, sobald die eigenen disziplinären Grenzen in Richtung gesellschaftlicher Bezüge überschritten werden. Deutlich wird dies bei Ereignissen, die auch die außerbetriebliche Umwelt betreffen. Hilflosigkeit besteht auch im Umgang mit den Medien. Der eigene Versuch, die berufliche Position als offen in gesellschaftlicher Hinsicht zu begreifen, wurde häufig konterkariert bzw. behindert. Ausgangspunkt der Überlegungen sind damit die vom Praktiker wahrgenommenen Dissonanzen in den gesellschaftlichen Grenzbereichen des Unternehmens, die in die akademische Forschung und Lehre zurückgespiegelt werden. Das Ziel besteht darin, dort Lösungsansätze zu finden bzw. deren Erarbeitung einzufordern und zugleich einen eigenen weiterführenden Beitrag zu leisten: Welche Fragen hat die Betriebswirtschaftslehre zur gesellschaftlichen Standortbestimmung des Unternehmens bisher gestellt, welche Antworten gefunden? Sind (waren) die bisherigen wissenschaftlichen Antworten geeignet, die beobachteten Dissonanzen zu beheben bzw. zu mindern? Welche Gestaltungsoptionen erscheinen zum Ende des 20. Jahrhunderts zukunftsfähig? Von dem Projekt soll ein Impetus auf die akademische Lehre ausgehen, der die behauptete „gesellschaftspolitische Hilflosigkeit“ im Management bei künftigen Akteuren vermindern hilft. Theoretische Basis: Gesellschaftliche Unternehmensöffnung in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre In den 20er und frühen 30er Jahren befasste sich die junge Privatwirtschaftslehre bereits mit normativen Konzepten, allerdings fokussiert auf die Unternehmerrolle im betrieblichen Gefüge. Geöffnet wurde die Perspektive lediglich in Richtung gesamtwirtschaftlicher Güterversorgung durch Betriebe, nicht aber hinsichtlich gesellschaftlicher Aspekte. Dies gilt prinzipiell auch für die ersten zwei Jahrzehnte nach 1945: Gutenbergs Faktortheorie grenzt gesellschaftliche Fragestellungen als zum „externen Datenkranz“ gehörig aus. Die Menschen im Betrieb agieren rational als homo oeconomicus. Gruppenphänomene gelten allenfalls als Störfaktoren, Individualziele und Unternehmensziele sind identisch. Aufgabe und Legitimation des Unternehmens ist die Bereitstellung von Gütern und Diensten. Gesellschaftliche Produktionsfolgen – im Terminus der Ökonomie „externe Effekte“ – bleiben ausgeblendet. Das Unternehmen ist Teil der Wirtschaft, nicht Teil der Gesellschaft. Die Faktororientierung wirkt in Forschung und Pra-

Personalforschung an Hochschulen (ZfP 4/99) 379 xis noch heute nach, wird z.T. offensiv verteidigt und bildet die Basis für die hochmoderne Spielart der 90er Jahre, den Shareholder Value. Ab Ende der 60er Jahre bedeutet die entscheidungsorientierte BWL Heinens und Kirschs eine Abkehr vom homo oeconomicus. Es bestehen divergierende Präferenzordnungen, Koalitionen werden gebildet. Allerdings beschränkt sich die entscheidungsorientierte Analyse auf Vorgänge innerhalb des Unternehmens. Sie schließt aber sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zum menschlichen Handeln nicht mehr aus und stellt damit einen ersten Schritt gesellschaftlicher Unternehmensöffnung dar. Eine zusätzliche Perspektive eröffnet die systemorientierte BWL der 70er Jahre, die das „mikrosoziale“ Konzept der Entscheidungsorientierung um die „makrosoziale“ Komponente Umwelt ergänzt. Das System Unternehmung ist nun Teil eines umfassenderen Systems. Keine gesellschaftliche Gruppe bleibt a priori aus dem Umsystem ausgeschlossen, externe Lenkungssysteme wirken auf das Unternehmen ein. Zeitlich parallel zu Entscheidungs- und Systemorientierung stellt im Zuge der Mitbestimmungsdiskussion ab Ende der 60er Jahre die kritische Sozialwissenschaft die gesellschaftliche Legitimation des Großunternehmens auf den Prüfstand. V. Nell- Breuning, Steinmann, Peter Ulrich und andere fordern die Abkehr von der interessenmonistischen Unternehmensverfassung und die institutionelle Absicherung interessenpluralistischer Entscheidungsmitwirkung externer Anspruchsgruppen im Unternehmen. Diese Anspruchsgruppendiskussion wird in den 80er Jahren in thematischer Variation als „Stakeholder“-Diskussion fortgesetzt und fokussiert folgende konzeptionelle Entscheidung: Soll das Unternehmen bei seinen Entscheidungen gesellschaftlich verantwortungsbewusst, im übrigen aber autonom agieren, oder sollen externe Anspruchsgruppen (Stakeholder) als Mitentscheider inkorporiert werden? Erstere Variante wird von der kritischen Sozialwissenschaft als notwendig, nicht aber hinreichend abgelehnt. Das Großunternehmen als quasi-öffentliche Institution (Peter Ulrich) hat sich wegen seiner Machtfülle und gesellschaftlichen Bedeutung entsprechender gesellschaftlicher Kontrolle zu unterwerfen. Vorgehensweise Nach Aufarbeitung der gesellschaftlichen Unternehmensöffnung in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre war festzustellen, ob die aufgefundenen theoretischen Beiträge gemäß Fragestellung geeignet sind, Lösungshilfen für die praktischen Dissonanzen beizusteuern, bzw. wo Problemdimensionen im Grenzbereich des Unternehmens zu seiner Umwelt betriebswirtschaftlich unzureichend bearbeitet wurden. Zur Absicherung der Fragen an Forschung und Lehre war der eigene Blick (insideout) durch eine angemessene Anzahl externer gesellschaftlicher Blicke von außen auf das Unternehmen (outside-in) zu ergänzen. Dies geschah durch eine qualitative Erhebung. Es wurden 24 Expertengespräche mit Multiplikatoren verschiedener gesellschaftlicher Gruppen geführt. Neben Unternehmern und Management sind folgende Bereiche repräsentiert: Schule und Hochschule, wirtschaftsnahe und politische Bildungseinrichtungen, Kirche, Politik und Verwaltung, Gewerkschaft und Unternehmensverband. Aufgrund der ergebnisoffen angelegten Interviews war großer Wert auf standardisieren-

378 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 4/99)<br />

im Großkonzern und im industriellen Mittelst<strong>an</strong>d. Seit 1990 ist der Verfasser selbständiger<br />

Unternehmensberater und M<strong>an</strong>agementtrainer. Erfahrungen <strong>an</strong>derer gesellschaftlicher<br />

Sektoren liegen aus der Selbstverwaltung von Sozialversicherungsträgern, einem<br />

Gemeinderat, der Tätigkeit als ehrenamtlicher Arbeitsrichter und als L<strong>an</strong>dtagsabgeordneter<br />

vor. Auf dieser Basis thematisierte Erfahrungen:<br />

Ausbildung und Studium haben nicht auf die gesellschaftlichen Dimensionen der<br />

später wahrgenommenen Führungsfunktionen vorbereitet.<br />

Das betriebliche M<strong>an</strong>agement reagiert hilflos, sobald die eigenen disziplinären<br />

Grenzen in Richtung gesellschaftlicher Bezüge überschritten werden. Deutlich wird<br />

dies bei Ereignissen, die auch die außerbetriebliche Umwelt betreffen. Hilflosigkeit<br />

besteht auch im Umg<strong>an</strong>g mit den Medien.<br />

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Der eigene Versuch, die berufliche Position als offen in gesellschaftlicher Hinsicht<br />

zu begreifen, wurde häufig konterkariert bzw. behindert.<br />

Ausg<strong>an</strong>gspunkt der Überlegungen sind damit die vom Praktiker wahrgenommenen<br />

Disson<strong>an</strong>zen in den gesellschaftlichen Grenzbereichen des Unternehmens, die in die<br />

akademische Forschung und Lehre zurückgespiegelt werden. Das Ziel besteht darin,<br />

dort Lösungs<strong>an</strong>sätze zu finden bzw. deren Erarbeitung einzufordern und zugleich einen<br />

eigenen weiterführenden Beitrag zu leisten:<br />

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Welche Fragen hat die Betriebswirtschaftslehre zur gesellschaftlichen St<strong>an</strong>dortbestimmung<br />

des Unternehmens bisher gestellt, welche Antworten gefunden?<br />

Sind (waren) die bisherigen wissenschaftlichen Antworten geeignet, die beobachteten<br />

Disson<strong>an</strong>zen zu beheben bzw. zu mindern?<br />

Welche Gestaltungsoptionen erscheinen zum Ende des 20. Jahrhunderts zukunftsfähig?<br />

Von dem Projekt soll ein Impetus auf die akademische Lehre ausgehen, der die behauptete<br />

„gesellschaftspolitische Hilflosigkeit“ im M<strong>an</strong>agement bei künftigen Akteuren<br />

vermindern hilft.<br />

Theoretische Basis: Gesellschaftliche Unternehmensöffnung in der betriebswirtschaftlichen<br />

Forschung und Lehre<br />

In den 20er und frühen 30er Jahren befasste sich die junge Privatwirtschaftslehre<br />

bereits mit normativen Konzepten, allerdings fokussiert auf die Unternehmerrolle im<br />

betrieblichen Gefüge. Geöffnet wurde die Perspektive lediglich in Richtung gesamtwirtschaftlicher<br />

Güterversorgung durch Betriebe, nicht aber hinsichtlich gesellschaftlicher<br />

Aspekte.<br />

Dies gilt prinzipiell auch für die ersten zwei Jahrzehnte nach 1945: Gutenbergs<br />

Faktortheorie grenzt gesellschaftliche Fragestellungen als zum „externen Datenkr<strong>an</strong>z“<br />

gehörig aus. Die Menschen im Betrieb agieren rational als homo oeconomicus. Gruppenphänomene<br />

gelten allenfalls als Störfaktoren, Individualziele und Unternehmensziele<br />

sind identisch. Aufgabe und Legitimation des Unternehmens ist die Bereitstellung<br />

von Gütern und Diensten. Gesellschaftliche Produktionsfolgen – im Terminus der Ökonomie<br />

„externe Effekte“ – bleiben ausgeblendet. Das Unternehmen ist Teil der Wirtschaft,<br />

nicht Teil der Gesellschaft. Die Faktororientierung wirkt in Forschung und Pra-

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