Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag

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06.01.2014 Aufrufe

368 Personalforschung an Hochschulen (ZfP 4/99) Allerdings sind die Ergebnisse darüber, was im Rahmen der universitären Sozialisation an Wertvorstellungen, Orientierungen, Statusdenken vermittelt wird, sehr widersprüchlich und angesichts von einzelnen Lebensverläufen sehr problematisch. „Encounter“ bzw „Eintrittsphase“: Wenn ein/e BewerberIn als neues Mitglied einer Organisation akzeptiert wurde und er/sie die Arbeitsstelle angenommen hat, beginnt jene Phase, in der der/die „Neue“ die gültigen Werte, Normen und Praktiken erlernt und auf diese „eingeschworen“ werden soll. In dieser Phase können eine Vielzahl von unterschiedlichen Konflikten entstehen, die sich im wesentlichen auf das Aufeinandertreffen von individuellen Erwartungen des „Einsteigers“ und tatsächlichen organisationalen Gegebenheiten zurückführen lassen. Sie beziehen sich vor allem auf Aufgabeninhalte, Vorgesetzte, ArbeitskollegInnen, Rollenerwartungen an die eigene Person, den Umgang mit gültigen Organisationsnormen sowie auf die Verbindung von Berufstätigkeit und Privatleben. Wie diese Diskrepanzen erlebt werden, hängt vom einzelnen (z.B. frühere Erfahrungen, persönliche Interpretationsschemata) ab. Zentrale Faktoren dürften dabei das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie die Anerkennung durch die soziale Umgebung sein. Grundsätzlich lassen sich zwei Positionen unterscheiden: Die erste Position geht davon aus, dass diese Zeit, die durch ein hohes Maß an Unsicherheit, Konflikten und Überlastung gekennzeichnet ist, auch als solche erlebt wird. Damit verbunden sind Angst und Stressgefühle. Die zweite Position geht davon aus, dass dieses mit neuen Situationen verbundene Unsicherheitspotential nicht unbedingt als Bedrohung, sondern als Herausforderung gesehen und damit als lustvoll empfunden wird. Für den einzelnen kann es durchaus wünschenswert sein (vor allem nach Ende des Studiums), aktiv zu sein, Dinge auszuprobieren, Orientierungen zu finden. Es muss zu einem Ausgleich zwischen den verschiedenen Erwartungen durch vielfältige Verhandlungs- und wechselseitige Anpassungsprozesse kommen (sozialisatorische Prozesse), d.h. durch täglich stattfindende Interaktionen entstehen „individuelle“ organisationale Rollen (role-taking-role-making). Die Balance zwischen sozialem Druck nach Anpassung und Autonomiestreben soll erreicht werden: Neue MitarbeiterInnen müssen die auf sie und ihre Rolle bezogenen Erwartungen erkennen, anhand ihres Selbstkonzeptes bewerten sowie interpretieren und zu einem Bild über die „aktuelle“ Situation zusammenfügen (Bedeutung geben), die sich aus der spezifischen Arbeitssituation ergibt. Dies zeigt sich bspw. sehr deutlich im Rahmen der Erfüllung der gestellten Arbeitsaufgabe: Von allen Interviewpartnern wird übereinstimmend herausgestrichen, dass die Erfüllung einer als für die Organisation wichtigen, herausfordernd eingeschätzten und selbständig bzw. eigenverantwortlich gelösten Arbeitsaufgabe die eigene Sicherheit und die Anerkennung durch andere Unternehmensmitglieder massiv erhöht. Durch die Schaffung von Handlungsspielräumen kommt es zum Abbau von Unsicherheit bzw. zur Weiterentwicklung der eigenen Identität, d.h. auch zu mehr Rollen- und Handlungssicherheit. Ähnliche Bedeutung wird der eigenständigen Bewältigung von Konflikten mit

Personalforschung an Hochschulen (ZfP 4/99) 369 Vorgesetzten oder ArbeitskollegInnen, die bspw. durch unklare Kompetenzregelungen, Angst vor Machtverlust u.ä. entstehen, zugeschrieben. „Change and acquisiton“ beinhaltet die Erfüllung der drei Hauptaufgaben der organisationalen Sozialisation: die Bewältigung von Rollenanforderungen und damit Aneignung angemessenen Rollenverhaltens, die Aufgabenerfüllung und damit die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkei- ten am Arbeitsplatz, die Angleichung an die Normen und Werte der Arbeitsgruppe und damit die Erreichung von Ich-Identität sowie Stabilisierung der eigenen Position. Zentrale Frage für den einzelnen wird sein, wie er die Anforderungen der Rolle unter Berücksichtigung seiner eigenen Werte und Erfahrungen so ausfüllen kann, dass seine Identität erhalten bleibt bzw. sich in seinem Sinne weiterentwickelt. Eine stabile Ich- Identität ist Bedingung dafür, mit unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen (Inkonsistenzen) umgehen zu können und handlungsfähig zu bleiben. Am Schluss der Arbeit werden Konsequenzen für die Ausbildung sowie für die Organisation beschrieben.

368 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 4/99)<br />

Allerdings sind die Ergebnisse darüber, was im Rahmen der universitären Sozialisation<br />

<strong>an</strong> Wertvorstellungen, Orientierungen, Statusdenken vermittelt wird, sehr widersprüchlich<br />

und <strong>an</strong>gesichts von einzelnen Lebensverläufen sehr problematisch.<br />

„Encounter“ bzw „Eintrittsphase“: Wenn ein/e BewerberIn als neues Mitglied einer<br />

Org<strong>an</strong>isation akzeptiert wurde und er/sie die Arbeitsstelle <strong>an</strong>genommen hat, beginnt<br />

jene Phase, in der der/die „Neue“ die gültigen Werte, Normen und Praktiken erlernt und<br />

auf diese „eingeschworen“ werden soll. In dieser Phase können eine Vielzahl von unterschiedlichen<br />

Konflikten entstehen, die sich im wesentlichen auf das Aufein<strong>an</strong>dertreffen<br />

von individuellen Erwartungen des „Einsteigers“ und tatsächlichen org<strong>an</strong>isationalen<br />

Gegebenheiten zurückführen lassen. Sie beziehen sich vor allem auf Aufgabeninhalte,<br />

Vorgesetzte, ArbeitskollegInnen, Rollenerwartungen <strong>an</strong> die eigene Person, den Umg<strong>an</strong>g<br />

mit gültigen Org<strong>an</strong>isationsnormen sowie auf die Verbindung von Berufstätigkeit und<br />

Privatleben.<br />

Wie diese Diskrep<strong>an</strong>zen erlebt werden, hängt vom einzelnen (z.B. frühere Erfahrungen,<br />

persönliche Interpretationsschemata) ab. Zentrale Faktoren dürften dabei das<br />

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie die Anerkennung durch die soziale Umgebung<br />

sein. Grundsätzlich lassen sich zwei Positionen unterscheiden:<br />

Die erste Position geht davon aus, dass diese Zeit, die durch ein hohes Maß <strong>an</strong> Unsicherheit,<br />

Konflikten und Überlastung gekennzeichnet ist, auch als solche erlebt wird.<br />

Damit verbunden sind Angst und Stressgefühle. Die zweite Position geht davon aus,<br />

dass dieses mit neuen Situationen verbundene Unsicherheitspotential nicht unbedingt<br />

als Bedrohung, sondern als Herausforderung gesehen und damit als lustvoll empfunden<br />

wird. Für den einzelnen k<strong>an</strong>n es durchaus wünschenswert sein (vor allem nach Ende des<br />

Studiums), aktiv zu sein, Dinge auszuprobieren, Orientierungen zu finden.<br />

Es muss zu einem Ausgleich zwischen den verschiedenen Erwartungen durch vielfältige<br />

Verh<strong>an</strong>dlungs- und wechselseitige Anpassungsprozesse kommen (sozialisatorische<br />

Prozesse), d.h. durch täglich stattfindende Interaktionen entstehen „individuelle“<br />

org<strong>an</strong>isationale Rollen (role-taking-role-making). Die Bal<strong>an</strong>ce zwischen sozialem<br />

Druck nach Anpassung und Autonomiestreben soll erreicht werden: Neue MitarbeiterInnen<br />

müssen die auf sie und ihre Rolle bezogenen Erwartungen erkennen, <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d ihres<br />

Selbstkonzeptes bewerten sowie interpretieren und zu einem Bild über die „aktuelle“<br />

Situation zusammenfügen (Bedeutung geben), die sich aus der spezifischen Arbeitssituation<br />

ergibt.<br />

Dies zeigt sich bspw. sehr deutlich im Rahmen der Erfüllung der gestellten Arbeitsaufgabe:<br />

Von allen Interviewpartnern wird übereinstimmend herausgestrichen, dass die Erfüllung<br />

einer als für die Org<strong>an</strong>isation wichtigen, herausfordernd eingeschätzten und<br />

selbständig bzw. eigenver<strong>an</strong>twortlich gelösten Arbeitsaufgabe die eigene Sicherheit und<br />

die Anerkennung durch <strong>an</strong>dere Unternehmensmitglieder massiv erhöht. Durch die<br />

Schaffung von H<strong>an</strong>dlungsspielräumen kommt es zum Abbau von Unsicherheit bzw. zur<br />

Weiterentwicklung der eigenen Identität, d.h. auch zu mehr Rollen- und H<strong>an</strong>dlungssicherheit.<br />

Ähnliche Bedeutung wird der eigenständigen Bewältigung von Konflikten mit

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