Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag

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06.01.2014 Aufrufe

366 Personalforschung an Hochschulen (ZfP 4/99) Heike Welte Der Berufseinstieg von Wirtschaftsakademikern als Identitätsentwicklungsprozess * Betreuer: Prof. Dr. Stephan Laske, Universität Innsbruck Diese Dissertation versucht anhand von drei Fallstudien mit HochschulabsolventInnen, einen Beitrag zur Verknüpfung von organisationaler Sozialisation und damit verbundener Identitätsentwicklung im Rahmen des Berufsbeginns in einem spezifischen Arbeitsgebiet zu liefern. Der berufliche „Ersteinstieg“ stellt für jeden Menschen eine schwierige Lebensphase dar, die durch Unsicherheiten, Konflikte ... geprägt sein kann, und damit bedeutenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung hat. Faktoren, die dabei eine wesentliche Rolle spielen, sind bspw. die Veränderung von Zeit- und Leistungsstrukturen, die Eingliederung in ein neues soziales Umfeld, die Konfrontation mit meist vom eigenen Weltbild abweichenden Wertvorstellungen u.ä.. Dieser Übergang vom Ausbildungs- ins Beschäftigungssystem bedeutet somit oft eine schlagartige Veränderung der persönlichen Situation. In dieser Arbeit geht es darum, systematisch und theorieunterstützt die beeinflussenden Faktoren, Prozesse und Schlussfolgerungen aufzuzeigen. Eine Konkretisierung der 'allgemeinen' Sozialisationsansätze erfolgt durch die Einschränkung der Analyse auf HochschulabsolventInnen, die mit ihrer ersten Berufstätigkeit nach Studienabschluss im Personalbereich einer Organisation begonnen haben, und die als Betroffene im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Diese Gruppe kann durch zwei „Besonderheiten“ skizziert werden: Einmal zeichnen sich diese neuen MitarbeiterInnen dadurch aus, dass sie noch keine ihrer Ausbildung entsprechende Berufserfahrung haben und bisher in einem (mehr oder weniger) geschützten Raum agieren konnten. Durch den Wechsel des Referenzsystems – also vom Ausbildungssystem in die Erwerbstätigkeit – wird die Identität einer Person in Frage gestellt, bedingt durch mehr oder weniger große Unterschiede zwischen den beiden Bereichen, wie z.B. Wertvorstellungen oder Verhaltensweisen. Dadurch stellt sich der Berufseinstieg als eine besonders identitätskritische Lebensphase dar. Zum anderen wird die Einstiegsphase anhand von AkademikerInnen, die in einem spezifischen Arbeitsfeld tätig sind, konkretisiert, nämlich im Personalbereich einer Organisation. Dieser Bereich wurde ausgewählt, da „Personalarbeit“ ein besonderes Spannungsfeld beinhaltet, das sich als für die AbsolventInnen belastend herausstellen kann: Diese Aufgabe ist zwischen der optimalen Nutzung der Arbeitskraft, wie sie von der Organisation angestrebt wird, und den Eigeninteressen der einzelnen Menschen als Träger der Arbeit eingebettet. Damit hat es „der Personalist“ mit einem schwer plan- und berechenbaren „Objekt“ zu tun, da sich die Arbeitskraft und * erschienen unter dem Titel: Der Berufseinstieg von Wirtschaftsakademikern. Eine sozialisationstheoretische Studie. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. 1999

Personalforschung an Hochschulen (ZfP 4/99) 367 -leistung nicht von seinem Träger trennen lässt. Dazu kommt, dass er/sie auch „Personal“ ist und damit selbst mit diesem Dilemma konfrontiert ist. Mit Hilfe des „Symbolischen Interaktionismus“ (Krappmann 1975) wird in dieser Arbeit der begriffliche Rahmen für den Prozess des Arbeitsbeginns und der damit zusammenhängenden Sozialisations- sowie Identitätsauswirkungen entwickelt: Im Prozess der betrieblichen Integration geht es einerseits um die „Vergesellschaftung“ der Person (role-taking), d.h. die Rollenübernahme, das Sich-Einpassen des Individuums in die vorgegebenen Rollenschablonen und -erwartungen. Andererseits ist die Person jedoch nicht nur ein sich einfügendes Objekt, das fremden Ansprüchen unterworfen wird, sondern sie versucht, im Prozess der „Individuation“ eigene Vorstellungen durchzusetzen und Bedingungen in diesem Sinne neu zu gestalten (role-making). In diesem Aushandlungsprozess bringen die Akteure immer auch Teile ihrer Identität ein, die durch diesen Kommunikationsprozess mit anderen aber auch neu entstehen bzw. weiterentwickelt werden. Der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung wird damit verstanden als Einheit von Vergesellschaftung und Individuierung. Als Randbedingungen dieses „Aushandlungsprozesses“ agieren dabei die aus der organisationalen Struktur, den Arbeitsinhalten und Arbeitsbedingungen der einzelnen Stellen folgenden Verhaltensnormierungen. Grundlage der Analyse von Einstiegssituationen aus der Perspektive organisationaler Sozialisation bildet dabei ein rollenanalytisches Phasenmodell organisationaler Sozialisation, da dieses Modell den Prozesscharakter sowie das handelnde Subjekt im Rahmen der Rollenaushandlung herausstreicht. Durch die Verbindung mit dem Identitätskonzept des symbolischen Interaktionismus sowie dem interaktionistischen Rollenverständnis wird einerseits die Zielsetzung organisationaler Sozialisation (nämlich stabile Ich-Identität) aufgezeigt, andererseits wird verdeutlicht, welche Interaktionspartner und wechselseitigen (Interaktions-)Prozesse von Bedeutung sind. Der Prozess der Sozialisation wird in diesem Modell in drei Phasen gegliedert, die in der Folge kurz beschrieben und mit beispielhaften Ergebnissen der Fallstudien verdeutlicht werden: Antizipatorische Sozialisation bzw. „Vor-Eintritts-Phase“ als eine Phase der Formung von Erwartungen und Bildern über den zukünftigen Arbeitsplatz und die damit verbundene Tätigkeit. Eine besondere Bedeutung wird in dieser Phase der universitären Ausbildung als eine spezifische Sozialisationsinstanz zugeschrieben. Ein Studium vermittelt bestimmte berufsspezifische, soziale Handlungsorientierungen. Diese prägen die Wahrnehmung der späteren Arbeitssituationen und führen damit möglicherweise auch zu bestimmten, typischen Reaktionsmustern. In diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, welches Bild von „Personal“ und „Personalarbeit“ durch ein Studium vermittelt wird: verhaltensorientiert oder/und ökonomisch orientiert. In den Interviews mit den AbsolventInnen hat sich gezeigt, dass sie Personalarbeit als recht idealisiert bzw. idealistisch beschreiben. Für sie geht es im Rahmen dieser Tätigkeit vor allem um das Entwickeln und Fördern von Menschen. Kaum einer der AbsolventInnen hat im Studium die Konflikthaftigkeit dieses Bereichs so erlebt, wie es sich in der späteren Tätigkeit darstellt („man kann nicht allen helfen“; „oft ist es ein Nullsummenspiel: was man dem einen gibt, muss man dem anderen nehmen“).

366 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 4/99)<br />

Heike Welte<br />

Der Berufseinstieg von Wirtschaftsakademikern als Identitätsentwicklungsprozess<br />

*<br />

Betreuer: Prof. Dr. Steph<strong>an</strong> Laske, Universität Innsbruck<br />

Diese Dissertation versucht <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von drei Fallstudien mit HochschulabsolventInnen,<br />

einen Beitrag zur Verknüpfung von org<strong>an</strong>isationaler Sozialisation und damit<br />

verbundener Identitätsentwicklung im Rahmen des Berufsbeginns in einem spezifischen<br />

Arbeitsgebiet zu liefern. Der berufliche „Ersteinstieg“ stellt für jeden Menschen eine<br />

schwierige Lebensphase dar, die durch Unsicherheiten, Konflikte ... geprägt sein k<strong>an</strong>n,<br />

und damit bedeutenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung hat. Faktoren, die<br />

dabei eine wesentliche Rolle spielen, sind bspw. die Veränderung von Zeit- und<br />

Leistungsstrukturen, die Eingliederung in ein neues soziales Umfeld, die Konfrontation<br />

mit meist vom eigenen Weltbild abweichenden Wertvorstellungen u.ä.. Dieser Überg<strong>an</strong>g<br />

vom Ausbildungs- ins Beschäftigungssystem bedeutet somit oft eine schlagartige<br />

Veränderung der persönlichen Situation. In dieser Arbeit geht es darum, systematisch<br />

und theorieunterstützt die beeinflussenden Faktoren, Prozesse und Schlussfolgerungen<br />

aufzuzeigen. Eine Konkretisierung der 'allgemeinen' Sozialisations<strong>an</strong>sätze erfolgt durch<br />

die Einschränkung der Analyse auf HochschulabsolventInnen, die mit ihrer ersten Berufstätigkeit<br />

nach Studienabschluss im Personalbereich einer Org<strong>an</strong>isation begonnen<br />

haben, und die als Betroffene im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.<br />

Diese Gruppe k<strong>an</strong>n durch zwei „Besonderheiten“ skizziert werden:<br />

Einmal zeichnen sich diese neuen MitarbeiterInnen dadurch aus, dass sie noch keine<br />

ihrer Ausbildung entsprechende Berufserfahrung haben und bisher in einem<br />

(mehr oder weniger) geschützten Raum agieren konnten. Durch den Wechsel des<br />

Referenzsystems – also vom Ausbildungssystem in die Erwerbstätigkeit – wird die<br />

Identität einer Person in Frage gestellt, bedingt durch mehr oder weniger große Unterschiede<br />

zwischen den beiden Bereichen, wie z.B. Wertvorstellungen oder Verhaltensweisen.<br />

Dadurch stellt sich der Berufseinstieg als eine besonders identitätskritische<br />

Lebensphase dar.<br />

Zum <strong>an</strong>deren wird die Einstiegsphase <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von AkademikerInnen, die in einem<br />

spezifischen Arbeitsfeld tätig sind, konkretisiert, nämlich im Personalbereich einer<br />

Org<strong>an</strong>isation. Dieser Bereich wurde ausgewählt, da „Personalarbeit“ ein besonderes<br />

Sp<strong>an</strong>nungsfeld beinhaltet, das sich als für die AbsolventInnen belastend herausstellen<br />

k<strong>an</strong>n: Diese Aufgabe ist zwischen der optimalen Nutzung der Arbeitskraft, wie<br />

sie von der Org<strong>an</strong>isation <strong>an</strong>gestrebt wird, und den Eigeninteressen der einzelnen<br />

Menschen als Träger der Arbeit eingebettet. Damit hat es „der Personalist“ mit einem<br />

schwer pl<strong>an</strong>- und berechenbaren „Objekt“ zu tun, da sich die Arbeitskraft und<br />

*<br />

erschienen unter dem Titel: Der Berufseinstieg von Wirtschaftsakademikern. Eine<br />

sozialisationstheoretische Studie. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. 1999

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