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Rezensionen - Rainer Hampp Verlag

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 107<br />

Dunning, John H.: Global Capitalism at Bay?<br />

Routledge, London/New York 2001, 367 S., € 133,64<br />

Aufgrund des in den späten 1970ern entwickelten OLI-Schemas der Internationalisierung<br />

bzw. seiner von ihm als „eclectic paradigm“ bezeichneten Theorie multinationaler Unternehmen<br />

(vgl. Dunning 1980) kann John H. Dunning längst als „Klassiker“ der Internationalisierungs-<br />

bzw. Globalisierungsliteratur angesehen werden. Bei „Global Capitalism at<br />

Bay?“ handelt es sich um eine Sammlung von zehn bereits andernorts erschienenen 1 Aufsätzen<br />

und eines erstmalig publizierten Vortragsmanuskripts. Die Aufsätze sind zwischen<br />

1994 und 2000 entstanden. Der Leser kann daher anhand dieser Textsammlung einen Überblick<br />

über Dunnings jüngste Schaffenszeit gewinnen.<br />

Wie im Titel des Buches angekündigt, geht es in seinen neuesten Arbeiten um „Globalisierung“.<br />

Doch anders als bei vielen Autoren, die noch darüber debattieren, ob es so etwas<br />

wie Globalisierung oder einen weltumspannenden Kapitalismus tatsächlich gibt, ist dies für<br />

ihn längst entschieden. Der globale Kapitalismus der Jetztzeit unterscheidet sich seiner Ansicht<br />

nach fundamental von früheren Formen:<br />

Gemäß Dunning (Kapitel 1) hat das Wissen das Land (17. bis 19. Jahrhundert) und die<br />

Maschinen (19. bis spätes 20. Jahrhundert) als entscheidender Faktor der Wertschöpfung<br />

abgelöst. Der Raumbezug des wirtschaftlichen Handelns ist nun global (vs. lokal und national),<br />

auch wenn lokale Clusterbildungen einhergehen. Die dominante Organisationsform ist<br />

der Markt, heterarche (Hedlund 1986) und kooperative Beziehungen haben hierarchische<br />

Strukturen verdrängt und „Tugenden“ (moral virtues), wie Verantwortung, Kreativität und<br />

Vertrauen gewinnen laut Dunning im globalen Kapitalismus an ökonomischer Bedeutung 2 .<br />

In Frage steht für ihn allerdings, ob der in dieser Weise charakterisierte globale Kapitalismus<br />

bestandsfähig ist. Trotz der hervorgehobenen positiven Aspekte droht ein Scheitern<br />

aufgrund von Marktversagen, institutionellen Defiziten und einer unzureichend ausgebildeten<br />

globalen Werteordnung (moral framework). Während Marktunvollkommenheiten und<br />

institutionenbedingte Friktionen an sich jeweils länder- und krisenspezifisch bearbeitet werden<br />

können, erscheint das Problem der Schaffung eines allgemein geteilten Wertesystems<br />

grundsätzlicherer Natur, ist doch die aktuelle Situation, wie Dunning konstatiert, durch eine<br />

Inkongruenz zwischen den ökonomischen und moralischen „Epizentren“ der Weltgesellschaft<br />

gekennzeichnet. Vor dem 11. September 2001 mochte man Dunnings neue Betonung<br />

von normativen Aspekten (der bislang unveröffentlichte Beitrag untersucht die Wechselbezüge<br />

zwischen Christentum und globalem Kapitalismus, Kapitel 2) noch milde belächeln,<br />

heute kann man dies wohlwollend auch als logischen Schritt verstehen, der sich aus einer<br />

weitsichtigen Problemdiagnose ergibt.<br />

Neben der Frage nach der Zukunftsfähigkeit des globalen Kapitalismus bildet die<br />

Fortentwicklung des „eklektischen Paradigmas“ einen weiteren Schwerpunkt des Sammel-<br />

1<br />

2<br />

Unter anderem in folgenden Zeitschriften: Journal of International Business Studies, International<br />

Business Review, Global Economy Quarterly, Transnational Corporations, Oxford Development<br />

Studies, Journal of Common Market Studies.<br />

Im feudalen Kapitalismus waren es entsprechend Dunnings Klassifikation noch Disziplin und<br />

Unterordnungsfähigkeit, im Managerkapitalismus Arbeitseinsatz, Unternehmertum und Individualität.


108 <strong>Rezensionen</strong><br />

bandes (Kapitel 3 bis 5). Bezog sich Dunnings Konzeption ursprünglich vor allem auf die<br />

Plausibilisierung von Auslandsinvestitionen (insbesondere „greenfield investments“), so<br />

will er seinen Ansatz heute eher als Metatheorie oder Verknüpfung von verschiedenen betriebs-<br />

und volkswirtschaftlichen Theorien verstanden wissen. Der abnehmenden Bedeutung<br />

von „greenfield investments“ trugen seine Erweiterungen (der Gegenstandsbereich seines<br />

Ansatzes umfasst nun auch unter anderem „mergers & acquisitions“ und „portfolio investments“)<br />

zwar Rechnung, auf Metaebene ist der Ansatz nun allerdings weniger Theorie,<br />

denn Ordnungsschema und klassifizierende Begrifflichkeit.<br />

Auf Kritiker des eklektischen Ansatzes, die auf einen Bedeutungsverlust der O- (organisatorischen<br />

Vorteile von Unternehmen) und L-Komponente (Standortvorteile von Ländern)<br />

seines OLI-Schemas hingewiesen haben (Ethier 1986), reagiert Dunning auf überraschende<br />

Weise. Die Mehrzahl der aktuellen Arbeiten fokussiert schwerpunktmäßig auf den<br />

„Location“-Aspekt und die neue Geographie des globalen Kapitalismus (Kapitel 6 bis 10)<br />

und nicht auf die vermeintlich unkritische I-Komponente (Internationalisierung). In zwei<br />

Beiträgen wird beispielsweise der Zusammenhang zwischen der europäischen Integration<br />

und ausländischen Direktinvestitionen sowie zwischen der Globalisierung und der Entwicklung<br />

im asiatischen Raum analysiert.<br />

In einem abschließenden Aufsatz (Kapitel 11) beschäftigt sich Dunning mit den Auswirkungen<br />

des globalen Kapitalismus auf Nationalstaaten und die politische Steuerungsfähigkeit<br />

von Regierungen. Für ihn steht fest, dass die Nationalstaaten im Zuge der Globalisierung<br />

der Weltwirtschaft selbst in Wettbewerb zueinander getreten sind. Dies stellt seiner<br />

Ansicht nach den traditionellen Interventionsstaat in Frage. Dem globalen Kapitalismus entspricht<br />

eine neue Form von Staatlichkeit. Staaten müssen nun schlank, flexibel und antizipativ<br />

sein und sie müssen einen Steuerungsbeitrag bei der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen<br />

leisten. Nach Dunning beschränkt sich diese Aufgabe nicht allein auf die Schaffung<br />

von marktförderlichen Institutionen, sondern auch auf die Korrektur von Marktversagen einerseits,<br />

andererseits aber auch auf die Beförderung einer wettbewerbsfreundlichen Kultur<br />

und Werteordnung.<br />

Der globale Kapitalismus in Dunnings Lesart fordert Unternehmen und Regierungen<br />

Anpassungsleistungen ab, stellt aber im Grunde keine wirkliche Bedrohung dar. Mit der<br />

Reduzierung von Sozial- und Umweltstandards, der Flucht in Niedriglohnländer oder sonstigen<br />

„race to the bottom“-Prozessen ist nicht zu rechnen. In der wissensbasierten neuen<br />

Ökonomie ist zudem eher eine Aufwertung von „Human Resources“ erwartbar. Diese Interpretation<br />

mag nicht zuletzt auch für die Personalforschung beruhigend klingen.<br />

Dunnings Arbeiten sind allerdings durch einen Hang zur Synthese, zur Integration verschiedener<br />

Positionen und Theorieströmungen geprägt. Durchaus zutreffend bezeichnet er<br />

seinen eigenen theoretischen Ansatz als „eklektisch“. Jede Synthese birgt jedoch die Gefahr<br />

ein zu harmonisches Bild zu zeichnen, Widersprüche zu missachten und Dinge zu integrieren,<br />

die nicht zusammengehören.<br />

Hinsichtlich seiner Beschreibung des globalen Kapitalismus bleibt beispielsweise im<br />

Dunkeln, in welchem Zusammenhang die einzelnen Charakteristika zueinander stehen.<br />

Folgt die gestiegene Wissensbasierung aus der Erweiterung des Raumbezugs wirtschaftlichen<br />

Handelns? Geht Internationalisierung mit Heterarchisierung einher? Sind Vermarktlichung<br />

und Wissensgenerierung bzw. Humankapitalbildung positiv aufeinender bezogen?


Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 109<br />

Bei genauerer Tiefenanalyse wird man schnell an der Komplementarität der Eigenschaften<br />

des globalen Kapitalismus zweifeln, etwa weil festgestellt werden kann, dass die<br />

Internationalisierung von Unternehmen nicht zwangsläufig eine spezifische Organisationsform<br />

begünstigt (Beyer 2001), dass der Bereich der Bildung nicht gerade zufällig zu jenen<br />

zählt, in denen der staatliche Interventionismus relativ groß ist usw.<br />

Bei Dunnings rein additiver Auflistung von verschiedenen Tendenzen zu einem neuen<br />

„globalen“ Typ des Kapitalismus muss man sich auch fragen, warum andere beobachtbare<br />

Tendenzen nicht benannt wurden. Ja, es stimmt, am Ende des 20.Jahrhunderts wurden mehr<br />

strategische Unternehmensallianzen aufgebaut, als jemals zuvor. Aber es wurden auch nie<br />

zuvor derartig viele Unternehmen „feindlich“ übernommen und anschließend zerschlagen.<br />

Wird beides berücksichtigt, dann erscheint der neue Kapitalismus nicht nur als kooperativ<br />

(alliance capitalism), sondern eher als Vereinigung von Gegensätzen: Kooperativ bei Unternehmensallianzen,<br />

völlig unkooperativ in mancher Finanztransaktion. Vergleichbares lässt<br />

sich bezüglich der dominanten Organisationsformen sagen. Die in vielen Bereichen beobachtbare<br />

Ausweitung des Marktmechanismus wird von einem Trend zu immer größeren Unternehmenseinheiten<br />

(Hierarchien) begleitet. Das von Dunning hervorgehobene Aufkommen<br />

von heterarchen Strukturen ist bedeutsam, aber gleichzeitig kam es auch zu der Aufwertung<br />

von Unternehmenszentralen, schließlich wird dort über den Zu- und Verkauf von<br />

Unternehmensteilen und die Zugehörigkeit zum Kern- oder Randgeschäft entschieden.<br />

Auch hier bedeutet die Hervorhebung des einen Aspekts eine Vernachlässigung von nicht<br />

minder bedeutsamen Gegenströmungen.<br />

Dunnings Hang zur harmonischen Übereinstimmung gestattet keine Widersprüche in<br />

den Entwicklungen. Dort wo sich nicht eins zum anderen fügen mag und Inkongruenzen auch<br />

für ihn offensichtlich sind, vermutet er die größten Problemlagen für den globalen Kapitalismus.<br />

Die Interpretation, dass das Widersprüchliche, Disharmonische und Paradoxe auch als<br />

Chance, als Ursache für Veränderung und Fortentwicklung begriffen werden kann, gehört<br />

nicht in seine Weltsicht. In den Beschreibungen und Analysen ist denn auch keine wirkliche<br />

Dynamik. Es werden Phasen benannt, aber die Frage, wie es kommt, dass das eine aus dem<br />

anderen entsteht, bleibt unbeantwortet 3 . Zusammenhänge und Prozesse werden nur selten entschlüsselt,<br />

stattdessen werden Aspekte und Fakten in Typologien, Klassifikationen und Schemata<br />

„eingefroren“. Dunnings Arbeiten bringen Ordnung in ein komplexes Themengebiet.<br />

Dies ist keine zu unterschätzende Leistung. Im Hinblick auf seine Bewertungen und Prognosen<br />

bleibt jedoch Skepsis angebracht, denn konstruierte Ordnungen können auch trügen.<br />

Literatur:<br />

Beyer, J. (2001): „One best way“ oder Varietät? Strategien und Organisationsstrukturen von Großunternehmen<br />

im Prozess der Internationalisierung. In: Soziale Welt 52 (1), 7-28.<br />

Ethier, W.J. (1986): The multinational firm. In: Quarterly Journal of Economics 101, 806-833.<br />

Dunning, J.H. (1980): Towards an eclectic theory of international production. In: Journal of International<br />

Business Studies 11 (1), 9-31.<br />

3<br />

Ein beredtes Beispiel für Dunnings schematisches Verständnis für Veränderung stellt folgende<br />

Textstelle dar: „We need to recognize that, just as Fordism is an outdated method of<br />

organizing work, so the kind of government interventionism appropriate to a Fordist environment<br />

is outdated. And just like the emerging managerial structure of twenty-first century<br />

firms, we need governments to be lean, flexible and anticipatory of change” (S.348).


110 <strong>Rezensionen</strong><br />

Hedlund, G. (1986): The hypermodern MNC – A Heterarchy. In: Human Resource Management 25<br />

(1), 9-35.<br />

Köln, 24.1.2002 Jürgen Beyer *<br />

Cox Jr., Taylor: Creating the Multicultural Organization.<br />

A Strategy for Capturing the Power of Diversity<br />

Jossey-Bass, San Francisco 2001. 151 S. + Anhang, U.S. $24.95<br />

Wer sich mit dem Thema Diversity Management (DiM) beschäftigt, stößt immer wieder<br />

auf den Autor Taylor Cox Jr. von der University of Michigan. Der Professor und erfolgreiche<br />

Management-Trainer hat 1993 mit dem Buch Cultural Diversity in Organizations ein<br />

Standardwerk zum Thema vorgelegt. Vier Jahre später publizierte er gemeinsam mit Ruby<br />

Beale unter dem Titel Developing Competency to Manage Diversity ein darauf aufbauendes<br />

Lehrbuch mit Fallstudien. Seine neueste Publikation Creating the Multicultural Organization<br />

(2001) ist als Ratgeber für Change Manager konzipiert. Sie stellt DiM-interessierte Leser<br />

vor die Frage, ob sich die Anschaffung aufgrund neuer Forschungsergebnisse lohnt, oder ob<br />

lediglich bekannte Aspekte in neuem Gewand präsentiert werden.<br />

Das aktuelle Buch ist als Band der University of Michigan Business School Management<br />

Series erschienen, die es sich laut Vorwort zur Aufgabe gemacht hat, Führungskräften<br />

einen handlungsorientierten, schnell zu lesenden Themenüberblick zu geben. Taylor Cox Jr.<br />

stellt sich in sieben Abschnitten auf 151 Seiten u.a. mit Hilfe von Kapitelzusammenfassungen,<br />

weiterführenden Fragestellungen und einem umfangreichen Stichwortverzeichnis dieser<br />

Herausforderung. Das erste Kapitel ist den Grundlagen des DiM (Einflussfaktoren, Definitionen,<br />

Probleme und Chancen) gewidmet. Zentrale Argumente für eine Beschäftigung<br />

mit dem Thema werden kurz vorgestellt und mögliche Gründe des Scheiterns von DiM in<br />

Organisationen skizziert.<br />

Im zweiten Kapitel wird ein Modell kulturellen Wandels eingeführt, das Taylor Cox Jr.<br />

bereits Anfang der 90er Jahre entwickelt und vorgestellt hat. Es unterscheidet fünf Phasen<br />

eines in sich geschlossenen, kontinuierlichen Veränderungsprozesses (von Leadership bis<br />

Follow-up). Jeder dieser Phasen wird anschließend ein ganzes Buchkapitel gewidmet, das<br />

sich insbesondere aus Erfahrungen speist, die der Autor bei dem weltweit operierenden A-<br />

luminiumhersteller ALCOA gesammelt hat. Dieses Beispiel eines schwierigen DiM-Falles<br />

zieht sich wie ein roter Faden durch alle weiteren Ausführungen. Taylor Cox Jr. verwendet<br />

häufig die Original-ALCOA-Daten als Basis für seine Gestaltungsempfehlungen.<br />

Der Diversity-Veränderungsprozess beginnt in Kapitel 3 mit den strategischen Entscheidungen<br />

der obersten Führungskräfte. Die Managementphilosophie des Autors sieht im<br />

Falle des DiM ein Top-Down-Vorgehen mit einer Vielzahl von Multiplikatoren vor, die ihre<br />

Verantwortung für das Projekt nicht delegieren dürfen. Er geht ausführlich auf die Entwicklung<br />

einer spezifischen Vision, auf deren strukturelle Absicherung und strategische Integration<br />

ein. Als besonders wichtig für den Erfolg der Veränderungsmaßnahme wird die Vorbildwirkung<br />

von Einzelpersonen aus dem Top-Management herausgestellt. In Kapitel 4 hebt<br />

Taylor Cox Jr. die Bedeutung von geeigneten DiM-Messverfahren zur Abbildung des IST-<br />

*<br />

Dr. Jürgen Beyer, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln.


Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 111<br />

Zustands und der Verbesserungen im Zeitverlauf hervor. Diese Daten werden unter anderem<br />

benötigt, um das Commitment der häufig kritischen Gewerkschaftsfunktionäre sicherzustellen.<br />

Der Autor definiert zudem einige von ihm verwendete Maßzahlen und geht kurz<br />

auf die damit verbundenen Messprobleme ein.<br />

Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Schaffung effektiver DiM-Lernbedingungen in Organisationen.<br />

Taylor Cox Jr. leitet aus der Vorstellung kritischer Störfaktoren des Lernprozesses<br />

diverse Empfehlungen zur Methodenwahl, Gruppengröße, Teilnehmerselektion, Zeitgestaltung<br />

etc. ab. Er hat klare Vorstellungen davon, wie die Trainingsinhalte und -formate<br />

optimal gestaltet werden müssen. Das sechste Kapitel ist der Umsetzung des Veränderungsprozesses<br />

als Eingriff in ein soziales System gewidmet. Der Autor unterscheidet die drei<br />

wesentlichen Interventionsbereiche Zeitnutzung, Gestaltung des Arbeitsortes und Personalpolitik.<br />

Während die ersten beiden Bereiche etwas kurz abgehandelt werden, zeigt er im<br />

letzten Fall vielfältige Möglichkeiten auf, wie sich DiM durch Veränderungen der Personalbeschaffung,<br />

-beurteilung und -entwicklung umsetzen lässt. Im Kapitel 7 konzentriert sich<br />

Taylor Cox Jr. auf die flankierende Gestaltung von Anreizsystemen, die das erwünschte<br />

Verhalten honorieren. Am Ende der Ausführungen liefert der Autor Anregungen, wie durch<br />

ein geeignetes Diversity-Wissensmanagement und durch zukünftige Evaluationsschritte der<br />

langfristige Erfolg der Maßnahmen sichergestellt werden kann.<br />

Die vorliegende Publikation wird dem Anspruch einer Management Series gerecht.<br />

Der Leser erhält einen praxisorientierten Überblick, der die grundlegenden DiM-Probleme<br />

kurz beschreibt und eine Vielfalt konkreter Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Daher ist das<br />

Buch als Einstiegslektüre für Führungskräfte, Unternehmensberater und Studierende durchaus<br />

geeignet. Leider bleibt Taylor Cox Jr. bei seinen Ausführungen allzu häufig an der thematischen<br />

Oberfläche. Er beschreibt Phänomene, ohne sie im Detail zu analysieren und hat<br />

sofort Lösungsvorschläge für die daraus resultierenden Probleme parat. Grundlegende Fragen,<br />

wie z.B. Was bedeutet eigentlich personelle Vielfalt? oder Ist diese Vielfalt immer von<br />

Vorteil? oder Welche unerwünschten Nebenfolgen des DiM können auftreten?, behandelt er<br />

hingegen kaum. Diese Defizite lassen sich nicht allein durch die Textsorte oder die Seitenbegrenzung<br />

rechtfertigen. Statt einer vertieften Analyse wird in typischer Change-<br />

Management-Manier die Machbarkeit des Wandels beschworen, wenn die Akteure nur wollen.<br />

Einige Empfehlungen des Autors hinterlassen beim Leser zudem den Beigeschmack‚<br />

einfache Antworten auf komplexe Fragen zu liefern, die aufgrund vielfältiger Zusammenhänge<br />

und Wechselwirkungen in Organisationen nur schwer umzusetzen sind.<br />

Diversity Management ist ein voraussetzungsvolles Konzept, das vor allem auf Kompetenzen<br />

in den Bereichen Kommunikation und Konfliktmanagement aufbaut. Um dies zu<br />

erkennen, ist Einsteigern die Lektüre weiterführender DiM-Publikationen dringend anzuraten.<br />

Fortgeschrittenen DiM-Interessenten kann Creating the Multicultural Organization nur<br />

eingeschränkt zum Kauf empfohlen werden. Es beinhaltet wenige neue Erkenntnisse, die<br />

nicht auch schon in den vorangegangenen Büchern von Taylor Cox Jr. dargelegt wurden.<br />

Trier, Januar 2002 Günther Vedder *<br />

*<br />

Dr. Günther Vedder, Jg. 1965, wissenschaftlicher Assistent an der Universität Trier, Fachbereich<br />

IV/BWL, Schwerpunkt Arbeit-Personal-Organisation, 54286 Trier,<br />

www.uni-trier.de/uni/fb4/apo.


112 <strong>Rezensionen</strong><br />

Friedrich Fürstenberg: Arbeitsbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel<br />

<strong>Hampp</strong> <strong>Verlag</strong>, München, Mering 2000, 292 S., € 29.65<br />

Die rechtliche Ausgestaltung sowie die von den beteiligten Akteuren ausgehandelten<br />

prozeduralen und inhaltlichen Normen oder, kurz gesagt, die Arenen der Arbeitsbeziehungen,<br />

lassen sich in statischer Bestandsaufnahme nur unzureichend verstehen. Insofern sie<br />

Ergebnisse von Verhandlungen sind, die von zuvor erreichten Positionen ausgehen, ist für<br />

das Verständnis der Arbeitsbeziehungen sowohl die zeitpunktbezogene wie die historische<br />

Analyse bedeutsam. Schon aus diesem Grund ist die Aufsatzsammlung Friedrich Fürstenbergs<br />

zu begrüßen, die Texte aus (nahezu) einem halben Jahrhundert wissenschaftlicher<br />

Auseinandersetzung mit (deutschen) System der Arbeitsbeziehungen vereinigt.<br />

Von den 50er Jahren („Der Betriebsrat – Sozialstrukturanalyse einer Grenzinstitution“,<br />

erschienen 1958) bis in die aktuelle Gegenwart („Wandlungsprozesse der Interessenvertretung“,<br />

erschienen 2000) reicht die Zeitspanne der zusammengestellten, verstreut erschienenen<br />

Aufsätze. Ferner enthält der Sammelband einen aktuellen Originalbeitrag zu den japanischen<br />

Arbeitsbeziehungen aus deutscher Perspektive. Dass die vorliegende Aufsatzsammlung<br />

nicht nur Gelegenheit bietet, wichtige Texte eines zentralen Autors dieses Forschungsfeldes<br />

kennen zu lernen oder neu zu entdecken und zu prüfen, was nur noch historisches Interesse<br />

weckt, sondern besonders auch die älteren Beiträge bei der Auseinandersetzung mit<br />

Gegenwartsfragen hilfreich sein können, hat nicht allein mit der eingangs angesprochenen<br />

historischen Gebundenheit der Arbeitsbeziehungen zu tun, sondern darüber hinaus mit der<br />

Qualität der Analysen Friedrich Fürstenbergs.<br />

Fürstenberg organisiert das Material in sechs Teilen. Die handlungstheoretischen Beiträge<br />

diskutieren Träger, Ebenen, Rahmen und Orientierungen im System der Arbeitsbeziehungen.<br />

Zwei weitere Kapitel sind Beiträgen vorbehalten, die sich mit Problemfeldern der<br />

Mitbestimmung – wie der Flexibilisierung in verschiedenen Feldern, Möglichkeiten der Partizipation<br />

in diesen Prozessen oder der Unternehmenskultur – sowie der Rechtstatsachenforschung<br />

– auf den Ebenen der betrieblichen Mitbestimmung und der Tarifpolitik – auseinandersetzen.<br />

Gerahmt wird der Band von einem einleitendem Papier zu den Arbeitsbeziehungen<br />

im Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen und ausblickend zum Entwicklungspotential<br />

der industriellen Beziehungen.<br />

In diesen Kapiteln ist „altes“ neu zu entdecken und sind aktuelle Beiträge in der Auseinandersetzung<br />

mit den älteren Analysen neu zu lesen. Man lese vor dem Hintergrund gegenwärtigen<br />

Diskussion um die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes Fürstenbergs<br />

Beiträge zur Institution des Betriebsrates (erstmals 1958), zur betrieblichen Mitbestimmung<br />

am Arbeitsplatz (erschienen 1973) oder zum Betriebsverfassungsgesetz aus arbeitssoziologischer<br />

Perspektive (von 1974). Diese Beiträge tragen dazu bei, Interessen und Intentionen<br />

der Akteure in der Auseinandersetzung um die „neue“ Mitbestimmung und den gewonnenen<br />

Kompromiss besser zu verstehen. Die Analyse der Machtstruktur der industriellen Arbeitsbeziehungen<br />

(von 1970), der Beitrag zur kooperativen Tarifpolitik (von 1988) oder<br />

Fürstenbergs Diskussion der Tarifpolitik als gesellschaftspolitisches Instrument (von 1989)<br />

Arbeitsschwerpunkte: Neue Organisationskonzepte, Personalbeschaffung, Managementforschung,<br />

Familienorientierte Personalpolitik. Aktuelle Publikation: Zeitnutzung und Zeitknappheit<br />

im mittleren Management, München und Mering 2001, ISBN 3-87988-597-4


Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 113<br />

helfen bei der Einschätzung der Chancen und Grenzen eines „runden Tisches“ im Feld der<br />

Arbeitsbeziehungen – wie im „Bündnis für Arbeit“ exerziert. Von historischem Interesse<br />

sind insoweit allein die wenigen, dezidiert empirischen Studien, die für den Sammelband<br />

ausgewählt worden sind: wie eine Analyse der betrieblichen Mitarbeiter- und Gruppenbeziehungen<br />

(von 1970) oder die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes im Hause Siemens<br />

(ebenfalls von 1970). Die aktuellen Analysen, welche die einzelnen Teile des Bandes<br />

beschließen, loten dagegen das Entwicklungspotential des Systems der Arbeitsbeziehungen<br />

aus und zeigen Entwicklungsperspektiven auf. Dabei geht es Fürstenberg um die Ausgestaltung<br />

und Neuformulierung der Leitidee des „mündigen Wirtschaftsbürgers“.<br />

Ein Sammelband also, der Interessenten im Feld der Arbeitsbeziehungen nachdrücklich<br />

zu empfehlen ist. Dies nicht nur wissenschaftlich, sondern auch praxisorientierten Lesern –,<br />

denn verständlich geschrieben sind sämtliche Beiträge. Ein schönes Geburtstagsgeschenk, das<br />

Friedrich Fürstenberg zum 70sten Geburtstag sich und uns, den Lesern, geleistet hat.<br />

Flensburg, den 29.1.02 Wenzel Matiaske *<br />

Martin, Albert: Personal – Theorie, Politik, Gestaltung<br />

Kohlhammer <strong>Verlag</strong>, Stuttgart 2001, 373 S., DM 44,-<br />

Der Autor Albert Martin, der als Professor an der Universität Lüneburg das Fach „Personal<br />

und Führung“ vertritt, will in seinem Buch „Personal – Theorie, Politik, Gestaltung“<br />

theoretische Grundlagen des Personalwesens aufzeigen und personalpolitische Strategien<br />

sowie praxisrelevante Instrumente vorstellen.<br />

Übergeordnetes Ziel ist eine Verknüpfung der Betrachtungsebenen Theorie und Praxis.<br />

In Verfolgung dieses Vorhabens entwickelt Martin in seinem Buch eine Reihe von Besonderheiten.<br />

Zentraler Punkt der Arbeit ist eine Funktionsanalyse. Diese liefert einen strukturierten<br />

Denkrahmen für die Untersuchung personalwirtschaftlicher Probleme in sozialen<br />

Systemen sowie Ansatzpunkte zu deren Lösung. Martin beschreibt personalwirtschaftliches<br />

Handeln durch eine Matrix aus Funktionsbereichen, Gestaltungsansätzen sowie Funktionsanforderungen.<br />

Das Herausgreifen der Funktionsbereiche Selektion, Aufgabengestaltung<br />

und Anreize begründet der Autor überzeugend durch deren Bedeutung für den Fortbestand<br />

von Unternehmen. Auf der Ebene der Gestaltungsansätze beschäftigt sich Martin eingehend<br />

mit Theorien, Politik sowie Instrumenten und Maßnahmen der vorgestellten Funktionsbereiche<br />

(siehe Buchtitel). Die Wahl effizienter Gestaltungsmaßnahmen richtet er final auf die<br />

Erfüllung der Funktionsanforderungen Leistung, Lernen und Kooperation in der Unternehmung.<br />

Interessante Einblicke in sein systemtheoretisches Verständnis der Unternehmung<br />

bietet Martin durch die Betrachtung vielschichtiger Folge- und Wechselwirkungen personalwirtschaftlichen<br />

Handelns. Neben einer Überblicksdarstellung zu theoretischen und praktischen<br />

Fragestellungen verwendet er Analysen und Bewertungen ausgewählter Teilaspekte.<br />

Den breiten wissenschaftlichen Zugang zu dieser Thematik begründet er aus einer ressour-<br />

*<br />

Prof. Dr. Wenzel Matiaske, Lehrstuhl für ABWL, insb. Personal und Organisation am Internationalen<br />

Institut für Management der Universität Flensburg, Kanzleistr. 91-93, 24943<br />

Flensburg und „Werkstatt für Organisations- und Personalforschung“ e. V., Berlin. E-mail:<br />

matiaske@uni-flensburg.de.


114 <strong>Rezensionen</strong><br />

cenbasierten Sicht, die den Faktor Personal zugleich als Individuum und Teil eines sozialen<br />

Beziehungsgeflechts sieht.<br />

Der Aufbau des Lehrbuchs erfolgt in zwei Teilen. Eine kurze Einführung beschreibt<br />

die Sichtweise des Autors zu Notwendigkeit und Nutzen wissenschaftlicher Forschung. In<br />

den Grundlagenkapiteln 2 und 3 wird die Funktionsanalyse als Bezugsrahmen für die Ausführungen<br />

in Kapitel 4 bis 6 hergeleitet und ein Bewertungsansatz für personalwirtschaftliche<br />

Instrumente vorgestellt. Im Vergleich zu anderen Lehrbüchern nehmen die theoretischen<br />

Grundlagen und Begriffserläuterungen in dieser Arbeit einen relativ breiten Raum ein<br />

und unterstützen somit im anschließenden Untersuchungsteil ein tieferes Verständnis personalwirtschaftlichen<br />

Handelns. Der Auswertungsteil (Kapitel 4 bis 6) füllt das vorgestellte<br />

Untersuchungsraster mit ausgewählten Inhalten. Je Funktionsbereich werden zunächst überblicksartig<br />

verschiedene Gestaltungsansätze (Theorie, Politik, Instrumente und Maßnahmen)<br />

vorgestellt. Anschließend wird je eine Theorie und eine personalpolitische Strategie<br />

genauer analysiert und jeweils ein Instrument vertieft dargestellt und bewertet. Im Folgenden<br />

soll die Umsetzung der inhaltlichen sowie strukturellen Zielsetzungen des Autors kritisch<br />

beurteilt werden.<br />

Kapitel 4 (Selektion) beschäftigt sich mit dem Thema Personalauswahl. Gemäß dem<br />

Analyseraster des Buches, widmet sich der Autor zunächst einem Überblick über Theorie,<br />

Politik sowie Instrumenten und Maßnahmen. Anschließend stellt er auf theoretischer Ebene<br />

die Personalauswahl als Entscheidungsprozess dar. Kritisch beurteilt werden dabei die Person<br />

des Beobachters, Interaktionsbeziehungen zwischen Bewerber und Beobachter, sowie<br />

organisatorische Rahmenbedingungen. Aus politischer Sicht lassen sich bei der Personalauswahl<br />

verschiedene Strategiemuster beobachten, die auf unterschiedliche Ausprägungen<br />

von ‘Unternehmensmacht’ und ‘Organisationsintelligenz’ zurückzuführen sind. Im Abschnitt<br />

Instrumente und Maßnahmen der Selektion konzentriert sich Martin im Wesentlichen<br />

auf Instrumente der Informationsbeschaffung. Der Beschreibung von Anforderungsund<br />

Gütekriterien für Instrumente folgt schließlich eine kritische Darstellung dreier Personalauswahlverfahren.<br />

Kapitel 4 schließt mit einer vertieften Analyse des Einstellungsinterviews,<br />

gemäß dem zu Beginn vorgestellten Bewertungsansatz. Allgemein bietet das Kapitel<br />

dem Leser einen breiten Überblick über verschiedene Gestaltungsansätze der Personalauswahl,<br />

der durch Beispiele anschaulich illustriert wird. Die Argumentation ist klar und wird<br />

sporadisch durch den Verweis auf themennahe Studien und Untersuchungen betont. Durch<br />

die Angabe begleitender Literaturhinweise könnte die Transparenz der Arbeit noch zusätzlich<br />

verbessert werden (s. S. 179, 180, etc.). Deutlich erkennbar ist ferner das Bestreben des<br />

Autors, die Überblicksdarstellungen durch möglichst differenzierte Inhalte zu bereichern<br />

(z.B. ältere und neuere Theorien) und relevante Schwerpunktthemen herauszugreifen. Die<br />

Begründung für seine Auswahlentscheidung ist jedoch teilweise unscharf und dem Verständnis<br />

des Lesers selbst überlassen (z.B. Einstellungsinterview).<br />

Kapitel 5 (Aufgabengestaltung) beschäftigt sich analog zu Kapitel 4 zunächst mit der<br />

Darstellung allgemeiner Aspekte und einem Überblick über verschiedene Ansätze der Arbeitsgestaltung<br />

in den Bereichen Theorie, Politik sowie Instrumente und Maßnahmen. Insbesondere<br />

im Bereich Politik und Gestaltung gelingt es dem Autor, eine Verbindung herzustellen<br />

zwischen traditionellen und modernen Ansätzen der Arbeitsgestaltung. Dadurch ist<br />

es möglich, die Gestaltungsdimensionen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten<br />

(Taylorismus, Human-Ressource- Gedanke, etc.). Auf theoretischer Ebene widmet sich<br />

Martin dem Problem der Motivation. Dabei stellt er die besondere Bedeutung intrinsischer


Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 115<br />

Motivation bei der Aufgabengestaltung sowie ihre Wirkung auf das Mitarbeiterverhalten heraus<br />

und grenzt sie von extrinsischer Motivation ab. Die Analyse politischer Detailaspekte liefert<br />

als Ergebnis verschiedene Bereitstellungsalternativen von Arbeit. Das Spektrum reicht<br />

dabei von der Auslagerung über klassische und flexibilisierte Ansätze bis zu virtuellen Konzepten.<br />

Insbesondere die Virtualisierung betont eine hochaktuelle Tendenz in der Organisationslehre.<br />

Besonders reizvoll durch ihren aktuellen Diskussionsbezug ist auch die Bewertung<br />

der teilautonomen Gruppe als spezielles Instrument der Aufgabengestaltung. Bedauerlicherweise<br />

wird dabei die reizvolle Problematik der Gruppenführung nur am Rande diskutiert.<br />

In Kapitel 6 (Anreize) untersucht Martin die Anreizgestaltung in Unternehmen. Zentral<br />

greift er hierbei die Vergütung heraus. Auf theoretischer Ebene veranschaulicht er an<br />

einem ausgewählten Modell die Motivationsproblematik und erläutert die Vielseitigkeit auftretender<br />

Wirkungszusammenhänge innerhalb des Modells. Deutlich hebt er die Relevanz<br />

von Modellbetrachtungen als Ansatzpunkt für praktische Gestaltungen hervor. Dabei vertritt<br />

er durchaus eine kritische Sicht der Ergebnisse. In der knapp gehaltenen politischen Betrachtung<br />

stellt Martin verschiedene Interpretationen des Human-Ressource-Gedankens für<br />

die Anreizgestaltung vor. Die Diskussion von Instrumenten der Lohngestaltung grenzt Martin<br />

auf Lohnformen, variable Entgeltgestaltung sowie Gruppenvergütung und deren beabsichtigte<br />

Anreizwirkungen ein. Die beiden letztgenannten Aspekte orientieren sich dabei an<br />

der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion. Zu Gunsten der Darstellung alternativer Lohnformen,<br />

verzichtet Martin im Weiteren auf die Bewertung eines ausgewählten Entlohnungsinstruments<br />

und weicht damit etwas vom vorgegebenen Untersuchungsraster seiner Ausführungen<br />

ab. Der letzte Kapitelabschnitt beinhaltet eine Zusammenfassung der Anreizproblematik<br />

und gibt Hinweise zur personalwirtschaftlichen Anreizgestaltung.<br />

Martin ist es auf hohem theoretischen Niveau sehr ansprechend gelungen, ein einheitliches<br />

Analyseschema sowie eine integrierte Betrachtungsweise für die Funktionsbereiche<br />

Selektion, Aufgabengestaltung und Anreize zu entwickeln; damit hat er die Zielsetzung seines<br />

Buches erreicht. Die Darstellung seiner Ergebnisse folgt einem logischen und strukturierten<br />

Aufbau. Besonders herauszustellen an Martins Arbeit ist die simultane Betrachtung<br />

von Theorie, Politik sowie Instrumenten und Maßnahmen in den einzelnen Funktionsbereichen.<br />

In Veröffentlichungen anderer Autoren wurde diese Simultanbetrachtung, welche interessante<br />

Anregungen zu einer vertieften Diskussion auftretender Wechselwirkungen zwischen<br />

den vorgestellten Gestaltungsbereichen bietet, bisher kaum berücksichtigt. Das breite<br />

theoretische Fundament der Arbeit ermöglicht zudem ein tieferes Verständnis personalwirtschaftlicher<br />

Probleme und trägt zu einer effizienteren Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse<br />

für praktische Gestaltungsmaßnahmen bei. An einigen Stellen des Lehrbuchs könnte der<br />

Einbau von Theorien und politischen Strategien in praktische Gestaltungsmaßnahmen durch<br />

geeignete Beispiele jedoch noch transparenter dargestellt werden.<br />

Durch den Wechsel zwischen Überblicksdarstellungen und die Eingrenzung auf Themenschwerpunkte,<br />

wie auch durch die Verwendung von komplexen Modellen und Theorien,<br />

kann der Anspruch des Buches als hoch bewertet werden. Dies erklärt möglicherweise<br />

den weitgehenden Verzicht des Autors auf einführende bzw. weiterführende personalwirtschaftliche<br />

Literatur und legt die Vermutung nahe, dass sich die Arbeit vorrangig an Wissenschaftler<br />

bzw. Praktiker mit wissenschaftlichen Vorkenntnissen richtet. Vorteilhaft für<br />

studentische Leser wären Kurzzusammenfassungen am jeweiligen Kapitelende, wie sie der<br />

Autor für relevante Einzelsachverhalte an verschiedenen Stellen verwendet. Inhaltlich bietet<br />

die Arbeit ein ausgewogenes Verhältnis an bekanntem neueren und standardisierten Lehr-


116 <strong>Rezensionen</strong><br />

buchwissen, das aus einer interessanten neuen Perspektive heraus diskutiert wird. Insgesamt<br />

stellt die vorgelegte Publikation damit eine wertvolle und empfehlenswerte Ergänzung der<br />

personalwirtschaftlichen Lehrbuchliteratur dar.<br />

Regensburg, 15.1.2002 Stefanie Griesbeck *<br />

Kraus, Rafaela: Transformationsprozesse im Krankenhaus.<br />

Eine qualitative Untersuchung<br />

<strong>Hampp</strong>, München und Mering, 1998. XI + 244 S., € 25.46<br />

Mit großer Verspätung – die allein dem Rezensenten anzulasten ist – ist ein Buch anzuzeigen,<br />

das eines der in nicht nur in diesem Lande dauerhaft aktuell bleibenden Themen<br />

behandelt, nämlich das deutsche Krankenhauswesen. Dieses ist seit langen Jahren Wechselbädern<br />

ausgesetzt, und entsprechend sind die einzelnen Krankenhäuser als Organismen anoder<br />

aufgeregt. Eine „Gesundheitsreform“ jagt die andere, ihre Laufzeit wird immer kürzer.<br />

1993 wurde das „Gesundheitsstrukturgesetz“ (GSG) als großer Wurf und einschneidende<br />

Änderung der ökonomischen Lebensbedingungen von Krankenhäusern in Kraft gesetzt. Ihm<br />

sind einige Regelungen gefolgt; in wenigen Jahren sollen z.B. nahezu alle Krankenhausleistungen<br />

einzeln auf der Basis von „Diagnosis Related Groups (DRGs)“, also durch eine Art<br />

festen Preis für ein definiertes Leistungsbündel, von den Kassen honoriert werden – eine<br />

Fortentwicklung der schon früher teilweise eingeführten „Fallpauschalen“.<br />

Bei derartigen gesetzgeberischen Versuchen geht es im Kern darum, dass die Menschen,<br />

die in Krankenhäusern arbeiten, sich wirtschaftlicher verhalten, oder genauer gesagt:<br />

Sie sollen dafür sorgen, dass die Kosten des Krankenhauswesens nicht steigen. Meist beruhen<br />

derartige Regelungen auf mehr oder minder impliziten Annahmen von Motiven und<br />

Motivationen der Krankenhausträger, -leitungen und -mitarbeiter. Selten macht sich jemand<br />

die Mühe, genauer hinzusehen und zu prüfen, wie denn das Gesetz in einem Betrieb von<br />

den realen Menschen aufgenommen und verwirklicht wird.<br />

Rafaela Kraus hat sich dieser Mühe unterzogen und damit Neuland betreten. Mit ihrer<br />

empirischen Studie hat sie beim Betriebswirt Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Eberhard Witte an der<br />

Ludwig-Maximilians-Universität München 1998 promoviert; der Untertitel der Dissertation<br />

lautet: „Eine qualitative Untersuchung zu den Konsequenzen des GSG für das Krankenhausmanagement“.<br />

Eine ausführliche Einleitung bietet einen guten Einstieg für jeden, der<br />

sich schnell, aber doch präzis und umfassend über Gesundheitsreformen und Krankenhausmanagement<br />

informieren will. Grundlage der Erhebung waren drei beispielhaft ausgewählte<br />

Krankenhäuser in Bayern, nämlich ein öffentliches, ein freigemeinnütziges und ein privates.<br />

In ihnen hat Frau Kraus insgesamt 42 problemzentrierte Interviews mit Ärzten, Pflegekräften<br />

und Verwaltungsmitarbeitern, vorwiegend Führungskräften, geführt. In sehr gut nachvollziehbarer<br />

und sauberer Weise wurden die Interviews ausgewertet und wurden aus ihnen<br />

– angelehnt an das Vorgehen bei der „Grounded Theory“ – die wesentlichen Problemfelder<br />

erarbeitet. Ein solches unvoreingenommenes, offenes Vorgehen erscheint angesichts der<br />

Prämissenlastigkeit weiter Teile der Gesundheitsökonomik und der darauf basierenden Ge-<br />

*<br />

Dipl.-Kffr. Stefanie Griesbeck, Jg. 1977, Universität Regensburg, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,<br />

Personalwirtschaft, Organisation und Unternehmungsplanung, D- 93040 Regensburg.


Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 117<br />

setze und Verordnungen sehr angemessen. Wie in Dissertationen üblich, ist die Darstellung<br />

und Begründung der Forschungsmethode ausführlich; sie nimmt etwa 30 Seiten (von 222<br />

Textseiten) ein. Für die Leser dieser Zeitschrift dürfte das eher ein Qualitätsmerkmal sein.<br />

Was ist nun herausgekommen? Frau Kraus spricht von „Hypothesen“, die aus den Interviews<br />

gewonnen werden konnten. Diese müssen aber – mangels Vorliegen quantitativer<br />

Erhebungen – wohl auch als Hinweise auf die Einstellungen und Meinungen von Krankenhausmitarbeitern<br />

überhaupt genommen werden. Etliche davon wurden in Interviews, die der<br />

Rezensent mit Krankenhausmitarbeitern später zu einem ähnlichen Zweck führte, bestätigt.<br />

Allgemein hat erwartungsgemäß das Konfliktpotential in Krankenhäusern zugenommen<br />

(und vielleicht nicht nur das Potential). Wesentlich ist, dass die Krankenhausmitarbeiter<br />

„einer überproportionalen Zunahme ‚berufsfremder’ Tätigkeiten“ (S. 213) ausgesetzt<br />

sind. Immer mehr Zeit muss darauf verwandt werden, für Dokumentations- und Abrechnungszwecke<br />

Daten zu erfassen, in Rechner einzugeben und zu pflegen. Bei der Mehrzahl<br />

stößt diese zusätzliche Aufgabe auf Ablehnung. Zudem ist Vielen nicht klar, wozu die Daten<br />

verwandt werden, und die daraus erarbeiteten Informationen werden recht restriktiv und<br />

ungleich verteilt (Frau Kraus spricht mikroökonomisch von „Informationsasymmetrien“, die<br />

verschärft würden). Dabei scheint es jedoch, dass die Pflegemitarbeiter gegenüber den anderen<br />

„Säulen“ der Krankenhausorganisation an Einfluss und Selbstbestimmungsmöglichkeiten<br />

gewonnen haben. Ärzte und Pflegekräfte werden in die ökonomische Verantwortung<br />

genommen. Vielen fehlt jedoch die Qualifikation dazu. Ein Teil der Befragten war aber zu<br />

entsprechender Weiterbildung nicht bereit. Dagegen fühlen sich viele Krankenhausangestellte<br />

mit den ethischen Problemen, die sich aus der zunehmenden Ökonomisierung oder<br />

sogar Kommerzialisierung bei ihrer täglichen medizinischen und pflegenden Arbeit ergeben,<br />

allein gelassen. Wie nicht anders zu erwarten, haben die offenen Gespräche eine Vielzahl<br />

unterschiedlichster Erkenntnisse von Problemen und Entwicklungen erbracht. Damit ist<br />

nach Kenntnis des Verfassers erstmals ein unbefangenes, lebensnahes und umfangreiches<br />

Bild vieler Aspekte des Krankenhauspersonals aufgezeichnet worden. Relativ kurz angerissen<br />

werden auch etliche Möglichkeiten der personalwirtschaftlichen Bewältigung der entdeckten<br />

Probleme.<br />

Das Buch zeichnet durch klaren Aufbau und klare Sprache aus. Viele Abbildungen<br />

machen Zusammenhänge und Strukturen schnell klar; wesentliche Ergebnisse sind in Kästen<br />

wiederholt. Die Arbeit ist für am Krankenhaus Interessierte sehr zu empfehlen, bietet<br />

aber auch darüber hinaus ein schönes Beispiel für die qualitative empirische Methode des<br />

problemzentrierten Interviews und Einsichten in die realen Gedanken und Gefühle von arbeitenden<br />

Menschen. Auch wenn diese Reaktionen auf eine teilweise bereits überholte „Gesundheitsreform“<br />

sind, bleiben sie noch längere Zeit interessant und relevant. Die Grundrichtung<br />

der Reformen bleibt dieselbe.<br />

München, Dezember 2001 Hilmar Sturm *<br />

*<br />

Hilmar Sturm, geb. 1965, Dr. oec., Dipl.-Hdl., gelernter Bankkaufmann, Wissenschaftlicher<br />

Angestellter an der Technischen Universität München, Wissenschaftszentrum Weihenstephan,<br />

Fachgebiet Dienstleistungsökonomik. Mitglied des europäischen Forschungsverbundes<br />

AREHCAS: Accounting and Management in the Reform of European Health Care Systems<br />

(EU-gefördert). Arbeitsschwerpunkte: Krankenhaus- und Personalwesen, insbesondere Personalentwicklung,<br />

Non-Profit-Organisationen.

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