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Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag

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<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 237<br />

1. Personalwirtschaft / Personalm<strong>an</strong>agement allgemein / Institutionelle<br />

Aspekte des Personalwesens<br />

Thomas Metz<br />

Status, Funktion und Org<strong>an</strong>isation der Personalabteilung. Ansätze<br />

einer institutionellen Theorie des Personalwesens <br />

Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Wächter, Universität Trier<br />

Das betriebliche Personalwesen befindet sich - glaubt m<strong>an</strong> der Fachdiskussion -<br />

derzeit in einer Krise, innerhalb derer die Angemessenheit der durch Personalleute geleisteten<br />

Personalarbeit zunehmend hinterfragt wird. Im Zuge der „le<strong>an</strong>“-Debatten werden<br />

einerseits in indirekten Bereiche des Unternehmens verstärkt Umstrukturierungsmaßnahmen<br />

(Outsourcing, Dezentralisierung) diskutiert, <strong>an</strong>dererseits gilt die von einem<br />

zentralen Personalwesen gesteuerte Personalpolitik oftmals als inflexibel und innovationshemmend.<br />

Ausgehend von jüngsten Befunden über eine Krise der Personalabteilung leistet<br />

die Arbeit eine kritische Analyse bisheriger personalwirtschaftlicher und org<strong>an</strong>isationstheoretischer<br />

Ansätze zur Analyse der Org<strong>an</strong>isationsproblematik des Personalwesens.<br />

Das Ergebnis zeigt, daß die Personalwirtschaftslehre bisher keinen maßgeblichen Beitrag<br />

zur Analyse und Gestaltung dieses Problembereiches liefern konnte. Als Grund dafür<br />

wird ein in der Personalwirtschaftslehre vorherrschendes funktionalistisches Denken<br />

ausgemacht, das die konkreten Träger bzw. die Institutionen der Personalfunktion ausklammert.<br />

Soweit sich personalwirtschaftliche Forscher im Rahmen einer als „besonders<br />

praxisnah“ geltenden institutionell-aufbauorg<strong>an</strong>isatorischen Perspektive dennoch<br />

zu der Org<strong>an</strong>isationsproblematik des Personalwesens äußern, folgen sie in aller Regel<br />

dem Leitbild einer gut ausgebauten zentralen Personalabteilung mit umfassenden Kompetenzen<br />

und unter Vernachlässigung <strong>an</strong>derer Träger (z.B.: Vorgesetzte, Betriebsrat,<br />

Mitarbeiter selbst). Die Krise der Personalabteilung wird auf dieser Ebene häufig als<br />

Defizit im Selbstverständnis und der Rollenauffassung der Personalleute selbst aufgefaßt.<br />

Diese einseitige Profilierungspolitik ist so l<strong>an</strong>ge <strong>an</strong>greifbar, wie sie nicht theoretisch<br />

abgesichert werden k<strong>an</strong>n. Soweit sie überdies dem funktionalistischen Fehlschluß<br />

von der Funktion auf die Institution erliegt, nimmt sie ideologische Züge <strong>an</strong>.<br />

Eine institutionelle, die Träger und Akteure der Personalarbeit ins Zentrum stellende<br />

Theorie des Personalwesens liegt im Schnittpunkt von Org<strong>an</strong>isationstheorie und<br />

Personalwirtschaftslehre. Sie muß wegen der Spezifität des „Faktors Arbeit“ einen akteursorientierten<br />

Rahmen bieten, der das Personal nicht auf das bloße Objekt von Personalarbeit<br />

reduziert, und sie muß zugleich Org<strong>an</strong>isationsstrukturen und institutionelle<br />

Arr<strong>an</strong>gements als H<strong>an</strong>dlungsergebnis erklären, ohne dabei der Fiktion der subjektiv<br />

<br />

Die Arbeit wird im Herbst 95 beim <strong>Hampp</strong>-<strong>Verlag</strong> publiziert.


238 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

freien Gestaltbarkeit der Org<strong>an</strong>isation und von Personalarbeit aufzuliegen. Kern<strong>an</strong>liegen<br />

einer institutionellen Theorie des Personalwesens ist damit die Problematik der<br />

Verbindung von „Akteurstheorie“ und „Strukturtheorie“. Konkret bedeutet dies, daß<br />

sich Org<strong>an</strong>isation und Aufgaben von Personalabteilungen sowohl aus einem mikropolitischen<br />

H<strong>an</strong>dlungsgeflecht innerhalb m<strong>an</strong>agerieller Hierarchien wie aus übergeordneten<br />

Strukturierungsmomenten der kapitalistischen Gesellschaftsformation ergeben, wobei<br />

letztere insbesondere für die Charakteristika des Personals ver<strong>an</strong>twortlich sind, aus der<br />

betriebliche Personalprobleme erst als solche entstehen.<br />

Zur weiteren Analyse dieses Zusammenh<strong>an</strong>gs wird auf die Theorie der Strukturierung<br />

des englischen Sozialtheoretikers Anthony Giddens zurückgegriffen, dessen Postulat<br />

der „Dualität von Strukturen“ das Ziel verfolgt, Strukturen als Medium und Ergebnis<br />

von H<strong>an</strong>deln darzustellen. (Org<strong>an</strong>isations-) Strukturen bestehen dieser Auffassung<br />

nach nur so l<strong>an</strong>ge, wie sie als solche von den Org<strong>an</strong>isationsmitgliedern beständig<br />

reproduziert werden. Als kompetente Akteure verfügen die Org<strong>an</strong>isationsmitglieder jederzeit<br />

über die Möglichkeit, sich <strong>an</strong>ders zu verhalten, als erwartet; der Prozeß der Reproduktion<br />

darf insofern nicht mit der simplen Replikation gleichgesetzt werden. Aus<br />

diesem Grund sind die Konstitutionsbedingungen sozialer Systeme besonders erklärungsbedürftig.<br />

Dieser Ansatz macht es bezüglich des Personalwesens möglich, Mikropolitik, Mesopolitik,<br />

Industrielle Beziehungen und Gesellschaftsformation so aufein<strong>an</strong>der zu beziehen,<br />

daß eine institutionelle Theorie des Personalwesens möglich wird.<br />

Die ersten Umrisse einer solchen Theorie weisen der betrieblichen Personalarbeit<br />

das Problem der Tr<strong>an</strong>sformation von Arbeitsvermögen in Arbeitskraft als Grundproblem<br />

zu. Innerhalb der kapitalistischen Unternehmung stellt sich dieses Problem auf<br />

zweierlei Weise: Zum einen bezüglich der Koordination konkreter Einzelarbeiten im direkten<br />

Mitein<strong>an</strong>der bzw. unter Bedingungen der „Kopräsenz“ der Beteiligten (etwa innerhalb<br />

von Abteilungen oder Arbeitsgruppen). Dieser Bereich wird mit Giddens als<br />

Problem der Sozialintegration beschrieben. Zum zweiten ergibt sich für die Org<strong>an</strong>isation<br />

das Problem der Koordination und Kontrolle räumlich und zeitlich vonein<strong>an</strong>der entfernter<br />

Aktivitäten. Von dieser Koordination, hier als Problem der Systemintegration<br />

bezeichnet, hängt letztlich die „Systemität“ der Org<strong>an</strong>isation ab.<br />

Vor diesem abstrakten Hintergrund läßt sich die Problematik der Org<strong>an</strong>isation des<br />

Personalwesens folgendermaßen umreißen: Das Problem der Sozialintegration, das<br />

auch als das Problem der „Org<strong>an</strong>isation der Produktion“ bezeichnet werden k<strong>an</strong>n, gehört<br />

zum Aufgabenbereich der (direkten) Personalführung. Das Problem der Sozialintegration,<br />

das auch als Problem der „Produktion der Org<strong>an</strong>isation“ bezeichnet werden<br />

k<strong>an</strong>n, bildet die Kernaufgabe von Personalabteilungen, deren Bewältigung in der „Regularisierung“<br />

von (Personal-)Praktiken besteht. Konflikte zwischen den Trägern des<br />

Personalwesens entstehen d<strong>an</strong>n, wenn Mech<strong>an</strong>ismen der Sozialintegration und Mech<strong>an</strong>ismen<br />

der Systemintegration zuein<strong>an</strong>der in Konflikt geraten. Dabei bemißt sich die<br />

Macht der Personalabteilung d<strong>an</strong>ach, wie es ihr gelingt, materielle und autoritative Ressourcen<br />

auf sich zu konzentrieren, was nur durch einen Steuerungsverzicht <strong>an</strong>derer<br />

Träger sowie des Personals selbst möglich ist. In diesem Kontext läßt sich eine „Krise


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 239<br />

der Personalabteilung“ als das Ausein<strong>an</strong>derklaffen von Sozialintegration und Systemintegration<br />

fassen und weiter untersuchen. Die vielfach erhobenen Forderungen nach der<br />

Stärkung von Personalabteilungen stellt dabei nur eine mögliche Lösung dar, ebenso<br />

gute Gründe lassen sich für das personalwirtschaftliche Leitbild einer vollständigen<br />

Reintegration von Personalaufgaben in den Bereich der direkten Vorgesetzten <strong>an</strong>führen.<br />

Dieser erste Entwurf einer institutionellen Theorie des Personalwesens bedarf weiterer<br />

Ausarbeitungen und Verfeinerungen. Dies gilt zum einen hinsichtlich der konstitutionstheoretischen<br />

Basis, zum <strong>an</strong>deren wären die realen Konstitutionsbedingungen für<br />

Sozialintegration und Systemintegration und die Widersprüche zwischen beiden näher<br />

zu untersuchen.<br />

Eine ernstes Problem zeichnet sich für die Personalwirtschaftslehre ab: Falls sie ihre<br />

„institutionelle Präsenz“ im Unternehmen in Form ausgebauter und hierarchisch hoch<br />

<strong>an</strong>gesiedelter Personalabteilungen verlieren sollte, muß sie sich in vielen Bereichen neu<br />

orientieren, was nicht ohne Konsequenzen für ihr Grundverständnis von Org<strong>an</strong>isationen<br />

und Personal bleiben dürfte und darüber hinaus auch Fragen nach der Ausbildung künftiger<br />

Personalm<strong>an</strong>agerInnen aufwirft.<br />

Andreas Ostm<strong>an</strong>n<br />

Personelle Implikationen des M<strong>an</strong>agement-Holding Konzepts: Strategische,<br />

org<strong>an</strong>isatorische und rechtliche Einflußgrößen auf das Personalm<strong>an</strong>agement<br />

im Rahmen der Konzernführung *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Helmut Wagner, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes.<br />

Org<strong>an</strong>isationstheorie und Personalm<strong>an</strong>agement, Westfälische Wilhelms-<br />

Universität Münster<br />

Das Ziel vieler Reorg<strong>an</strong>isationsprozesse innerhalb bestehender Konzernstrukturen<br />

ist die Umsetzung des M<strong>an</strong>agement-Holding Konzepts. Die führungsorg<strong>an</strong>isatorische<br />

Konzeption der Holdingstruktur ist durch die Spitzeneinheit des Konzerns, eben die<br />

M<strong>an</strong>agement-Holding gekennzeichnet, welche lediglich konzernstrategische Aufgaben<br />

wahrnimmt. Unterhalb dieser Spitzeneinheit agieren rechtlich selbständige Konzernunternehmen<br />

verhältnismäßig autonom, d.h., sie sind für ihr wirtschaftliches H<strong>an</strong>deln innerhalb<br />

abgegrenzter Produkt/Marktkombinationen voll ver<strong>an</strong>twortlich. Die mit dieser<br />

Konzeption verbundenen Konsequenzen lassen auch die personellen Funktionen innerhalb<br />

des Konzerns nicht unberührt.<br />

Als wesentliche Einflußfaktoren auf das Personalm<strong>an</strong>agement in Holdingstrukturen<br />

lassen sich rechtliche Bestimmungen identifizieren, die dem unternehmerischen<br />

*<br />

Bergisch Gladbach; Köln: Eul 1994


240 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

H<strong>an</strong>deln und der Verfügbarkeit des "Produktionsfaktors" Mensch Grenzen setzen. Darüber<br />

hinaus ist zu klären, ob die Holdingstrukturen besondere Personalführungs-, Motivations-<br />

und Kommunikationsbeziehungen erfordern. Damit ist nach den personellen<br />

Maßnahmen zu fragen, die dafür sorgen, daß der Faktor Personal in Holdingstrukturen<br />

hinsichtlich der Konzernzielsetzung bestmöglich erschlossen und eingesetzt werden<br />

k<strong>an</strong>n.<br />

Daraus ergeben sich die zentralen Fragestellungen der Arbeit:<br />

- Welche Auswirkungen hat die führungsorg<strong>an</strong>isatorische Konzeption der M<strong>an</strong>agement-Holding<br />

auf den Personalbereich?<br />

- Welche Unterstützungsmöglichkeiten k<strong>an</strong>n das Personalm<strong>an</strong>agement der Führungsfunktion<br />

in Holdingstrukturen bieten?<br />

- Zeichnet sich das Personalm<strong>an</strong>agement in Holdingstrukturen durch Besonderheiten<br />

aus?<br />

- Sind <strong>an</strong> das Personalm<strong>an</strong>agement in Holdingstrukturen besondere Anforderungen<br />

zu stellen?<br />

Zum einen erscheint die Be<strong>an</strong>twortung dieser Fragestellungen mit Blick auf die<br />

zunehmende Konzentration der Wirtschaft interess<strong>an</strong>t, insbesondere wegen der Reorg<strong>an</strong>isation<br />

vieler Konzerne hin zur Holdingstruktur. Zum <strong>an</strong>deren findet bei Fragestellungen<br />

zum Personalm<strong>an</strong>agement der institutionelle Rahmen häufig keine Berücksichtigung.<br />

Jedoch muß auch das Personalm<strong>an</strong>agement unter Konzerngesichtspunkten gestaltet<br />

werden. Während Rechnungslegung, Fin<strong>an</strong>zierung, Besteuerung und Org<strong>an</strong>isation<br />

konzernspezifische Besonderheiten bereits eingehend berücksichtigt haben, blieb das<br />

Personalm<strong>an</strong>agement bisher weitgehend vom Konzernsachverhalt unberührt. Deshalb<br />

ist es das Ziel der Arbeit, diese Lücke - zumindest teilweise - zu schließen.<br />

Auf der Grundlage eines sachlich-<strong>an</strong>alytischen Literaturstudiums werden Besonderheiten<br />

und Gestaltungsempfehlungen für ein konzernspezifisches Konzernpersonalm<strong>an</strong>agement<br />

erarbeitet. Relev<strong>an</strong>te empirische Befunde fließen im Zuge einer Sekundärauswertung<br />

mit ein. Insgesamt verfolgt die Arbeit weniger ein theoretisches als ein<br />

pragmatisches Wissenschaftsziel.<br />

Im Anschluß <strong>an</strong> das einleitende Kapitel werden im Kapitel 2 die strategischen und<br />

org<strong>an</strong>isatorischen Besonderheiten der Holdingkonzeption sowie deren Auswirkungen<br />

auf das Personalm<strong>an</strong>agement diskutiert. Der durch das Konzept der M<strong>an</strong>agement-<br />

Holding geschaffene Rahmen, dessen hervorstechendes Merkmal die Trennung von<br />

Strategie und Operation ist, soll durch das Personalm<strong>an</strong>agement sowohl ausgefüllt als<br />

auch weiterentwickelt werden. Dies wird insbesondere aus der Unterscheidung von<br />

strategischem Personalm<strong>an</strong>agement und Personalstrategie deutlich. Sowohl das strategische<br />

Personalm<strong>an</strong>agement als auch die Personalstrategien lassen sich auf verschiedenen<br />

Strategieebenen identifizieren. Aus diesen Strategieebenen ergeben sich wiederum bestimmte<br />

Aufgabenstellungen für die ver<strong>an</strong>twortlich zeichnenden Institutionen. Aus der<br />

org<strong>an</strong>isatorischen und strategiebezogenen Trennung von Aufgabenstellungen des Personalm<strong>an</strong>agements<br />

in der Holdingstruktur, ergibt sich d<strong>an</strong>n jedoch das Erfordernis einer<br />

Integration der Aufgabenbest<strong>an</strong>dteile. Diese Integration wird unter der Richtlinien-,<br />

Anstoß-, Methodenunterstützungs- und Strategiefunktion diskutiert.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 241<br />

Über die inhaltliche Ausgestaltung der Aufgabenintegration hinaus, sind auch die<br />

org<strong>an</strong>isatorischen Gestaltungsalternativen zu berücksichtigen. Um dabei der Trennung<br />

von Strategie und Operation folgen zu können, findet die Konzentration strategischer<br />

Aufgabenstellungen in Zentralbereichen statt, während operative Aufgabenstellungen<br />

dezentral bewältigt werden.<br />

Konzernstrategien sowie die damit in Zusammenh<strong>an</strong>g stehenden org<strong>an</strong>isatorischen<br />

Voraussetzungen und Umsetzungsalternativen wirken determinierend auf das Konzernpersonalm<strong>an</strong>agement.<br />

Als weiterer Einflußbereich läßt sich darüber hinaus die Konzernverfassung<br />

identifizieren. Da sich die Holdingstruktur durch die Harmonisierung<br />

von Rechtsstruktur und Führungsstruktur auszeichnet und das Personalm<strong>an</strong>agement als<br />

Funktionsbereich stark durch rechtliche Regelungen bestimmt wird, gilt es, diesem Bereich<br />

besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Dabei zeigen die Erörterungen zum individuellen Arbeitsrecht, daß ein Großteil<br />

der Arbeitsverhältnisse von der Konzernierung des arbeitgebenden Unternehmens unberührt<br />

bleibt. Diese Feststellung läßt sich jedoch nur bezüglich der faktischen Konzernverbindungen<br />

treffen, bei denen die abhängigen Konzerngesellschaften weitgehend<br />

autonom h<strong>an</strong>deln können. Damit bleibt die konzernpolitische H<strong>an</strong>dlungsfreiheit für solche<br />

Konzernorg<strong>an</strong>isationen gewahrt, die bewußt auf die Dezentralität ausgerichtet sind.<br />

Das Konzernpersonalm<strong>an</strong>agement wird über arbeitsrechtliche Regelungen hinaus<br />

auch von gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bestimmt, wobei diese vorr<strong>an</strong>gig bei den<br />

personellen Verflechtungen zum Tragen kommen. Die verschiedenen Formen der personellen<br />

Verflechtungen über Mitglieder der Unternehmensorg<strong>an</strong>e sind ein bedeutendes<br />

Koordinationsinstrument in der Holdingstruktur.<br />

Während individuelles Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht personelle Fragestellungen<br />

im konzernspezifischen Zusammenh<strong>an</strong>g nicht berücksichtigen, hat der Konzernsachverhalt<br />

im kollektivarbeitsrechtlichen Bestimmungen zum Teil Berücksichtigung<br />

gefunden. Unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wird dies mit der<br />

Etablierung eines Konzernbetriebsrats deutlich. Aber auch in bezug auf den allgemeinen<br />

Regelungsbereich des BetrVGs zeigen sich Einflüsse aus dem Konzernsachverhalt.<br />

Die konzernmäßige Zusammenfassung von Unternehmen hat ebenso Rückwirkungen<br />

auf die unternehmensbezogene Mitbestimmung. Unternehmerische Mitbestimmung<br />

kommt in den Unternehmensorg<strong>an</strong>en zur Geltung und weist damit Interdependenzen zu<br />

den gesellschaftsrechtlichen Regelungen auf. Zum einen werden personelle Verflechtungsalternativen<br />

auf Org<strong>an</strong>ebene eingeschränkt, zum <strong>an</strong>deren ergeben sich jedoch<br />

Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Mitbestimmungsebenen im Konzern.<br />

Rechtliche Determin<strong>an</strong>ten unter gleichzeitiger Berücksichtigung der konzernstrategischen,<br />

-org<strong>an</strong>isatorischen und -kulturspezifischen Gegebenheiten spielen auch für<br />

die von der M<strong>an</strong>agement-Holding betriebene Führungskräfteentwicklung eine wichtige<br />

Rolle. Unter Bewahrung einer unternehmenspolitischen Kontinuität und Stabilität ergibt<br />

sich mit der Führungskräfteentwicklung eine Möglichkeit zur Flexibilisierung und Dynamisierung<br />

der bestehenden Strukturen. Dabei bieten die Einsatzmöglichkeiten in den<br />

Konzerneinheiten gute Voraussetzungen zur Entwicklung von unternehmerischen Persönlichkeiten,<br />

die ein Erstarren der vorh<strong>an</strong>denen Konzernstrukturen verhindern können.


242 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Unterstützend auf die Führungskräfteentwicklung wirkt die Gestaltung des Anreizsystems.<br />

Diese setzt sich in seiner Gesamtheit sowohl aus immateriellen als auch materiellen<br />

Anreizen zusammen. Eine Kombination dieser Anreizkategorien k<strong>an</strong>n insbesondere<br />

für innovativ und initiativ h<strong>an</strong>delnde Führungskräfte im Venture M<strong>an</strong>agement<br />

verwirklicht werden.<br />

Die Arbeit endet mit einem Ausblick auf die möglicherweise zunehmende Wichtigkeit<br />

des personalgeprägten, informalen Beziehungsgefüges im Rahmen der Entwicklung<br />

von Unternehmenszusammenschlüssen. Als wichtiger Best<strong>an</strong>dteil der damit verbundenen<br />

Netzwerkstrukturen sind konzernkulturelle Gesichtspunkte zu nennen. Darauf<br />

wird in der Arbeit aber nicht eingeg<strong>an</strong>gen.<br />

Robert Schütz<br />

Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement im Kr<strong>an</strong>kenhaus<br />

Betreuer: Prof. Dr. Wolf Böhnisch, Universität Linz<br />

Problemstellung und Aufbau der Arbeit<br />

Der "Gesundheitsmarkt" hat als bisher geschützter Sektor eine eigenständige Entwicklung<br />

erlebt, erwerbswirtschaftliche Erkenntnisse schienen von geringer Relev<strong>an</strong>z,<br />

doch aktuelle Problemfelder wie Kostenexplosion im Gesundheitswesen einerseits und<br />

Personalm<strong>an</strong>gel resp. -überlastung in zentralen Gesundheitsberufen <strong>an</strong>dererseits zeigen<br />

eine Hinwendung des Kr<strong>an</strong>kenhauswesens zu betriebswirtschaftlichen Systemen und<br />

Instrumenten. Damit entsteht gerade für einen personalintensiven Sektor die Notwendigkeit,<br />

sich gezielt mit personalbezogenen Fragestellungen zu beschäftigen, die im<br />

Kr<strong>an</strong>kenhaus bis dato wenig Beachtung gefunden haben, obwohl der Personalkosten<strong>an</strong>teil<br />

bei 60 bis 70% liegt und daher eine Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit Personalfragen auch<br />

eine ökonomische Facette aufweist.<br />

Aus diesem Kontext läßt sich die Zielsetzung der Arbeit ableiten, die darin besteht,<br />

den derzeitigen IST-Zust<strong>an</strong>d der Personalarbeit in Kr<strong>an</strong>kenhäusern zu erheben und zu<br />

<strong>an</strong>alysieren, um darauf aufbauend Ansatzpunkte und Maßnahmen für ihre Weiterentwicklung<br />

zu generieren.<br />

Theoretische Basis<br />

Als theoretischer Bezugsrahmen zur Analyse des IST-Zust<strong>an</strong>des und zur Erarbeitung<br />

eines SOLL-Bildes wird zum einen das Ged<strong>an</strong>kengut des Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement<br />

(HRM) her<strong>an</strong>gezogen, das in seiner historischen Entwicklung skizziert wird<br />

und dessen zentrale Aspekte diskutiert werden.<br />

Die Wurzeln des HRM liegen in den arbeits- resp. org<strong>an</strong>isationspsychologischen<br />

Theorie<strong>an</strong>sätzen hum<strong>an</strong>istischer Prägung der 50er und frühen 60er Jahre (Maslow,


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 243<br />

Drucker, Herzberg, McGregor, Argyris, Likert), die die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung<br />

und psychologischem Wachstum in den Vordergrund rückten. Das damalige<br />

Paradigma des »self actualizing m<strong>an</strong>« und die Perspektive eines »soziotechnischen<br />

Systems« als zugrundeliegendes Org<strong>an</strong>isationsverständis bilden wesentliche Grundlagen<br />

des HRM.<br />

Der Begriff »Hum<strong>an</strong> Resources« wird auf Miles zurückgeführt, der unter dem<br />

Einfluß der gen<strong>an</strong>nten Theorie<strong>an</strong>sätze (v.a. Drucker und McGregor) drei M<strong>an</strong>agementtheorien<br />

entwickelt hat, die er mit »traditionelles Modell« (tayloristisches Ged<strong>an</strong>kengut),<br />

»Hum<strong>an</strong> Relations Modell« (Ged<strong>an</strong>kengut der Hum<strong>an</strong> Relations Bewegung) und<br />

»Hum<strong>an</strong> Resources Modell« betitelt und die sich (1) durch Annahmen über menschliche<br />

Einstellungen und Verhaltensweisen, (2) durch H<strong>an</strong>dlungsweisen des M<strong>an</strong>agement<br />

und (3) durch Erwartungen hinsichtlich der H<strong>an</strong>dlungsergebnisse unterscheiden.<br />

Empirische Untersuchungen zeigten, daß das Hum<strong>an</strong> Relations Modell in der Praxis<br />

am weitesten verbreitet ist, was Miles u.a. darauf zurückführte, daß es für Vorgesetzte<br />

komfortabler ist, die Rolle als Überwacher beizubehalten, und daß m<strong>an</strong>gels externem<br />

Druck das bisherige Vorgehen nicht überdacht wurde.<br />

Dieser letztgen<strong>an</strong>nte Aspekt führte Anf<strong>an</strong>g der 80er Jahre zur zunehmenden Verbreitung<br />

des HRM - zu den bek<strong>an</strong>ntesten Modellen zählen die amerik<strong>an</strong>ischen Ansätze<br />

der Harvard- und Michig<strong>an</strong>-Universität und die europäischen Ansätze der Stuttgarter<br />

und Züricher Universität sowie von INSEAD. Die Diskussion dieser Ansätze zielt auf<br />

die wesentlichen Grundaussagen und auf deren kritische Reflexion, um weitere Facetten<br />

eines umfassenden theoretischen Bezugsrahmens zu zeichnen.<br />

Der Versuch einer Begriffspräzisierung schließt <strong>an</strong> diese Ausführungen <strong>an</strong>, wobei<br />

in einem ersten Schritt HRM von Personalm<strong>an</strong>agement abgegrenzt wird, um in einem<br />

zweiten Schritt die Eckpfeiler des HRM <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der aktuellen Literatur festzuhalten.<br />

Dazu zählen spezifische Grund<strong>an</strong>nahmen, die insbesondere das Selbstverständnis von<br />

Personal als Potential, als wertvolle Ressource bzw. als Wettbewerbsvorteil thematisieren,<br />

und drei Orientierungslinien, die mit Strategie-, Integrations- und M<strong>an</strong>agementorientierung<br />

bezeichnet werden.<br />

Unter Strategieorientierung wird die bewußte Betonung einer Verknüpfung von<br />

Personalarbeit und Org<strong>an</strong>isationsstrategie herausgearbeitet und vom bisher empfohlenen<br />

Anpassungsverhalten (derivatives Grundverständnis) Abst<strong>an</strong>d genommen, indem<br />

die Bedeutung der Wechselwirkung von Strategie und Personalarbeit unterstrichen wird<br />

(Bedeutung der Einbindung in die Strategieformulierung; Diskussion formalsynoptischer<br />

und informal-inkrementaler Strategie<strong>an</strong>sätze). Die Integrationsorientierung<br />

des HRM steht für das Bestreben, die Einzelelemente, d.h. die verschiedenen Aufgabenfelder<br />

des HRM so aufein<strong>an</strong>der abzustimmen, daß durch die entstehende interne<br />

Konsistenz der Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und zur Stärkung<br />

der Unternehmenskultur optimiert wird. Die primäre HRM-Zuständigkeit der Linienvorgesetzten<br />

wird durch die M<strong>an</strong>agementorientierung betont, womit die Akzentverschiebung<br />

des HRM weg von den Personalspezialisten hin zu den Führungskräften <strong>an</strong>gesprochen<br />

ist.


244 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Als zweiter Bezugsrahmen wird das Kr<strong>an</strong>kenhaus als Expertenbetrieb gekennzeichnet,<br />

indem auf das org<strong>an</strong>isationstheoretische Strukturmodell von Mintzberg zurückgegriffen<br />

wird. Es werden die Besonderheiten des Org<strong>an</strong>isationstypus Profibürokratie<br />

im allgemeinen mit jenen von Kr<strong>an</strong>kenhäusern im speziellen integriert, um eine<br />

makroorg<strong>an</strong>isatorische Betrachtungsebene in die personalbezogene Diskussion einzubringen.<br />

Empirische Untersuchung<br />

Folgende Ausg<strong>an</strong>gsüberlegungen markieren den G<strong>an</strong>g der Untersuchung:<br />

(1) Erfolgreiche Kr<strong>an</strong>kenhäuser bzw. erfolgreiche Kr<strong>an</strong>kenhausabteilungen zeichnen<br />

sich nicht durch einen hohen Personalbest<strong>an</strong>d aus, sondern durch zielorientiertes<br />

Kr<strong>an</strong>kenhaus-M<strong>an</strong>agement bzw. Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement.<br />

Die derzeit verstärkt stattfindende Diskussion über die Anhebung des Personalst<strong>an</strong>des<br />

insbesondere im Pflegebereich fußt auf umstrittenen Prämissen. Ein Mehr <strong>an</strong><br />

Personal führt nicht notwendigerweise zu einem Mehr <strong>an</strong> Zufriedenheit und Leistung.<br />

Ansatzpunkte sind nicht qu<strong>an</strong>titative Aspekte wie Anzahl der Mitarbeiter pro Bett, sondern<br />

qualitative Kriterien wie effiziente Ablaufgestaltung oder Einsatz entsprechender<br />

Qualifikationen. Damit wird sich ein zielorientiertes Kr<strong>an</strong>kenhaus- und Personal-<br />

M<strong>an</strong>agement <strong>an</strong> der Ausbaustufe der Personalarbeit zeigen. Hinweise darauf bietet die<br />

Einstellung des Top-M<strong>an</strong>agement zur Personalarbeit, Maßnahmen zur Förderung der<br />

interprofessionellen Ausrichtung und vor allem die Einsatzbreite systematischer Instrumentarien.<br />

(2) Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement in einem systematischen und umfassenden Sinn<br />

existiert in den Kr<strong>an</strong>kenhäusern nicht.<br />

Bisherige Erfolge in der Personalarbeit beruhen auf Intuition und Zufall. Es dominieren<br />

Gespräche, die in vielfältigen Situationen stattfinden (Bewerbungs-, Einstellungs-,<br />

4-Augen-, Austrittsgespräche). Es fehlen aber zum einen systematische Kriterien<br />

der Gesprächsführung und -dokumentation (systematisches Mitarbeitergespräch),<br />

zum <strong>an</strong>deren werden keine <strong>an</strong>deren Instrumente eingesetzt (Funktionsdiagramm, Anforderungsprofil,<br />

Bewerbungskommissionen, Mitarbeiterbeurteilung).<br />

Ein weiterer Hinweis auf einen M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> Systematik ist die Beobachtung, daß<br />

zum einen Umweltveränderungen zu dramatischen Folgen geführt haben und zum <strong>an</strong>deren<br />

die Reaktion der Kr<strong>an</strong>kenhäuser nur sehr schwerfällig erfolgt ist (z.B. Bewältigung<br />

Pflegekräftem<strong>an</strong>gel). Ansatzpunkte wären systematische und umfassende Instrumente,<br />

die Umweltveränderungen <strong>an</strong>tizipieren lassen resp. schnelles Reagieren ermöglichen.<br />

Dazu zählen z.B. Aufgabenbereiche der Personalpl<strong>an</strong>ung (Bedarfsberechnungen, Best<strong>an</strong>dsentwicklungen)<br />

und des Personaleinsatzes (Alternativen/Ergänzungen zum Kr<strong>an</strong>kenpflegefachdienst:<br />

Stationssekretärin, Psychologe, Hol- und Bringdienst).<br />

(3) Zielorientierte Personalarbeit wird am Beitrag zur Realisierung von Org<strong>an</strong>isationsstrategien<br />

und zur Unterstützung von Strukturveränderungen gemessen.<br />

Rahmenbedingungen für org<strong>an</strong>isationalen Erfolg und Personalarbeit sind eine explizite<br />

Strategieorientierung und eine effiziente Gestaltung der Kr<strong>an</strong>kenhaus-Struktur.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 245<br />

Daher zielt die Untersuchung u.a. darauf ab, bestehende Zielorientierung und Ausgestaltung<br />

der Kr<strong>an</strong>kenhaus-Hierarchie zu eruieren.<br />

Personalarbeit im hier verst<strong>an</strong>denen Sinn erhebt keinen selbstzweckhaften Anspruch,<br />

sondern liefert einen entscheidenden Beitrag zur Zielerreichung der Kr<strong>an</strong>ken<strong>an</strong>stalt.<br />

Gerade die aktuell erlebbaren Veränderungsprozesse in Kr<strong>an</strong>kenhauseinrichtungen<br />

bedürfen einer Begleitung, die personalbezogene Systeme und Instrumente ermöglichen<br />

sollen.<br />

Die Auswahl personalbezogener Aufgabenfelder hat <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Beiträge zur Realisierung<br />

der Org<strong>an</strong>isationsstrategie und die Ausgestaltung der gewählten Aufgabenfelder<br />

strategieorientiert zu erfolgen, um dem selbstzweckhaften Charakter entgegenzuwirken.<br />

Zur Be<strong>an</strong>twortung dieser komplexen Zusammenhänge wurden zum einen Personen<br />

unterschiedlicher Professionen und Funktionen in die Daten<strong>an</strong>alyse einbezogen; das<br />

sind neben dem Top M<strong>an</strong>agement (Kollegiale Führung) auch Primarärzte, Stationsschwestern<br />

und weitere Abteilungsleiter sowie Ver<strong>an</strong>twortliche von Personalstellen.<br />

Zum <strong>an</strong>deren wurden, da die Aussagefähigkeit empirischer Forschungsarbeit von<br />

der verwendeten Methode begrenzt wird, unterschiedliche Untersuchungsmethoden<br />

eingesetzt: (1) st<strong>an</strong>dardisierter Fragebogen <strong>an</strong> 30 Kr<strong>an</strong>kenhäuser (alle konfessionellen<br />

Kr<strong>an</strong>kenhäuser Österreichs; 17% der österreichischen Bettenkapazität) und (2) Fallstudien<br />

in ausgewählten 10 Kr<strong>an</strong>kenhäusern mithilfe von teilstrukturierten Interviews, verteilten<br />

Fragebogen und Dokumenten<strong>an</strong>alyse. Zur Auswahl der Fallstudien wurden mehrere<br />

Cluster gebildet, die sich <strong>an</strong> Kontingenzfaktoren wie Art, Größe, Entwicklungsst<strong>an</strong>d<br />

und Konkurrenzsituation orientierten.<br />

Insgesamt wurden 46 Interviews geführt und 500 Fragebogen vers<strong>an</strong>dt bzw. verteilt,<br />

wobei sich die Rücklaufquote auf 79,6% beläuft.<br />

Ergebnisse der Untersuchung<br />

Die Schwierigkeit bei der Reflexion der Vorüberlegungen sind das Her<strong>an</strong>ziehen<br />

plausibler Erfolgskriterien für Kr<strong>an</strong>kenhäuser. Da das bisherige Fin<strong>an</strong>zierungssystem<br />

wirtschaftliche Betriebsführung eher behindert als gefördert hat (reine Abg<strong>an</strong>gsdeckung),<br />

sind Wirtschaftlichkeitskennzahlen problematisch. Da es sich aber um konfessionelle<br />

Kr<strong>an</strong>kenhäuser h<strong>an</strong>delt und diese einen gewissen Prozentsatz <strong>an</strong> Eigenmittel<br />

beizusteuern haben, werden derartige Kennzahlen her<strong>an</strong>gezogen: Betriebsabg<strong>an</strong>g in<br />

Prozent der Budgetsumme; aktuelle Veränderungsraten bei Einführung der<br />

leistungsorientierten Fin<strong>an</strong>zierung; Personalfaktor.<br />

Als Indikatoren für den Ausprägungsgrad der Personalarbeit wurden folgende her<strong>an</strong>gezogen:<br />

St<strong>an</strong>d der Leitbilddiskussion; Vorh<strong>an</strong>densein strategischer Überlegungen;<br />

Leitungsstrukturen; Einsatz hoher Qualifikationen (z.B. Akademiker); Ausmaß personalbezogener<br />

Aktivitäten.<br />

Es fällt auf, daß bis dato v.a. ein positiver Zusammenh<strong>an</strong>g von wirtschaftlichem<br />

Erfolg mit der Ausgestaltung der Leitungsstruktur der Kr<strong>an</strong>kenhäuser besteht (eine einzige<br />

Ausnahme, die durch den Einsatz hoher Qualifikationen besticht). Sei es die Instal-


246 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

lierung einer Geschäftsführung (monokratische Kr<strong>an</strong>kenhaus-Leitung) oder eine gezielte<br />

Integration des ärztlichen Leiters in die Kr<strong>an</strong>kenhaus-Leitung - die Wirtschaftlichkeit<br />

des Kr<strong>an</strong>kenhauses wird dadurch gefördert. Daher wird m<strong>an</strong> in Zukunft, so die Prognose,<br />

nicht umhin kommen, die Leitungsstrukturen in den Kr<strong>an</strong>kenhäusern weiter zu verändern<br />

(professionelle Geschäftsführung), Führungspositionen durch weltliche Mitarbeiter<br />

zu besetzen und hohe Qualifikationen einzusetzen.<br />

Weiters ist festzustellen, daß die einzelnen Aufgabenfelder des HRM bisher noch<br />

kaum wahrgenommen werden. Nur in einigen wenigen Kr<strong>an</strong>kenhäusern, die auch sehr<br />

gute bis gute Wirtschaftlichkeitswerte erzielt haben, sind solche erkennbar (installierte<br />

und professionell besetzte Personalleitung; Intensivierung der Bildungsarbeit; Führungskräfteentwicklung;<br />

Schaffung von Bereichsleitungen in der Verwaltung). Diese<br />

Tatsache k<strong>an</strong>n auch als Bestätigung der zweiten Ausg<strong>an</strong>gsüberlegung, daß nämlich<br />

Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement in einem systematischen und umfassenden Sinn nicht<br />

existiert, betrachtet werden (wurde auch in sämtlichen Ausführungen auf der Detailebene<br />

deutlich). Eine intensivere Diskussion erfolgt zum einen im Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem<br />

Komplex »Personalführung im engeren Sinn«, der die derzeitige Rolle der Kr<strong>an</strong>kenhaus-Führungskräfte<br />

fokusiert und u.a. Ansatzpunkte skizziert, wie Führungsarbeit verbessert<br />

(z.B. Mitarbeitergespräch) und gesichert (z.B. MbO) werden k<strong>an</strong>n. Zum <strong>an</strong>deren<br />

werden Fragen der Personalpl<strong>an</strong>ung, -bereitstellung, -einführung, -entwicklung und -<br />

controlling erörtert, indem der aktuelle wissenschaftliche Diskussionsst<strong>an</strong>d dargestellt,<br />

die Ergebnisse dar<strong>an</strong> beurteilt und Empfehlungen für das Kr<strong>an</strong>kenhaus abgeleitet werden.<br />

Gezielte Aussagen werden auch zum Zust<strong>an</strong>d des strategischen M<strong>an</strong>agement getroffen,<br />

das als eines der größten Defizite der Kr<strong>an</strong>kenhausbr<strong>an</strong>che bezeichnet werden<br />

k<strong>an</strong>n (theoretischer Bezugspunkt ist in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g das Anpassungsmodell<br />

von Miles/Snow und dessen Verknüpfung mit personalstrategischen Konzepten; z.B.<br />

Wright/Snell).<br />

Bisher hatte das Thema »Personalarbeit« (bzw. Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement) in<br />

der Kr<strong>an</strong>kenhaus-Br<strong>an</strong>che nur geringe Relev<strong>an</strong>z und vermeintlich auch nur einen geringen<br />

Einfluß auf den Erfolg des einzelnen Kr<strong>an</strong>kenhauses (vermeintlich deshalb, da <strong>an</strong>dere<br />

Kr<strong>an</strong>kenhäuser bereits unter Beweis gestellt haben, daß der Erfolg deutlich verbessert<br />

werden k<strong>an</strong>n). In Zukunft würde aber eine Intensivierung personalbezogener Aktivitäten<br />

(Hum<strong>an</strong> Resource M<strong>an</strong>agement) einerseits einen Wettbewerbsvorsprung bedeuten,<br />

da vielfältige Entwicklungen eine derartige Forcierung erfordern bzw. erzwingen<br />

werden (Wertew<strong>an</strong>del, Konkurrenzdruck, Rückg<strong>an</strong>g Ordensmitglieder etc.), und <strong>an</strong>dererseits<br />

immer notweniger werdende Strukturveränderungen unterstützen.<br />

Weiterführende Fragen<br />

Die aktuelle Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit dem Ged<strong>an</strong>kengut des HRM zeigt, daß es<br />

sich um keinen geschlossenen Theorie<strong>an</strong>satz h<strong>an</strong>delt. Dieses Defizit verwundert nicht,<br />

wenn m<strong>an</strong> <strong>an</strong> die Theorienbildung innerhalb der Personalwirtschaftslehre als Forschungsdisziplin<br />

denkt. Das Zusammenführen unterschiedlicher Konzepte (z.B. strategische<br />

Ansätze) unter der Überschrift HRM ist aber durchaus zielführend, um den der-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 247<br />

zeitigen Diskussionsst<strong>an</strong>d und die Entwicklungstendenzen bezüglich Personalarbeit und<br />

M<strong>an</strong>agement abzubilden.<br />

Gerade die Entwicklung der Kr<strong>an</strong>kenhausbr<strong>an</strong>che erfordert ein Konzept, das dem<br />

Spezifikum Expertenbetrieb gerecht wird. Die hum<strong>an</strong>istischen Grund<strong>an</strong>nahmen auf der<br />

einen und die Stärkung der Kulturdimension auf der <strong>an</strong>deren Seite sollten das HRM dazu<br />

qualifizieren.<br />

Ein besonderer H<strong>an</strong>dlungsbedarf besteht hinsichtlich der Integration der verschiedenen<br />

Berufsgruppen, um kooperativ das Erreichen expliziter Kr<strong>an</strong>kenhaus-Ziele <strong>an</strong>zustreben.<br />

Das HRM als »Querschnittsfunktion« könnte dazu einen wesentlichen Beitrag<br />

leisten, wobei gerade die Frage der aufbauorg<strong>an</strong>isatorischen Eingliederung und konkreten<br />

Ausgestaltung der institutionalisierten Personalfunktion einen wesentlichen Stellenwert<br />

einnehmen wird.<br />

Auffallend ist die m<strong>an</strong>gelhafte Präsenz dieser Thematik in der kr<strong>an</strong>kenhausspezifischen<br />

Literatur und der M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> empirischen Arbeiten, die sich auf folgende Aspekte<br />

beziehen könnten: Ansatzpunkte für ein strategisches M<strong>an</strong>agement von Kr<strong>an</strong>kenhäusern;<br />

empirischer Nachweis des Erfolgsbeitrages von systematischem und umfassendem<br />

HRM; Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit den Leitungsstrukturen von Kr<strong>an</strong>kenhäusern.


248 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

2. Steuerung der Personalarbeit / Strategisches Personalm<strong>an</strong>agement /<br />

Personalcontrolling<br />

Fr<strong>an</strong>k Kullak<br />

Personalstrategien in Klein- und Mittelbetrieben. Eine tr<strong>an</strong>saktionskostentheoretisch<br />

fundierte empirische Analyse<br />

Betreuer: Prof. Dr. Wolfg<strong>an</strong>g Weber, Prof. Dr. Mark Ebers, Universität-GH Paderborn<br />

Das grundlegende Problem der Arbeit besteht in der nicht bedarfsgerechten Versorgung<br />

vieler Klein- und Mittelbetriebe mit qualifizierten gewerblichen Arbeitskräften.<br />

Während in den achtziger Jahren viele Betriebe über einen M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> qualifizierten<br />

gewerblichen Arbeitskräften klagten, sind die Betriebe seit Beginn der neunziger Jahre<br />

zunehmend von einem Arbeitskräfteüberh<strong>an</strong>g betroffen. Beide Vari<strong>an</strong>ten der nicht bedarfsgerechten<br />

Arbeitskräfteversorgung gehen mit erheblichen ökonomischen Problemen<br />

einher.<br />

Die bisherigen wissenschaftlichen Ausein<strong>an</strong>dersetzungen mit diesem Problem<br />

konzentrieren sich im wesentlichen auf die Beschreibung des Ausmaßes des Arbeitskräftem<strong>an</strong>gels<br />

und den betrieblichen Reaktionen. Darüber hinaus finden sich eine Reihe<br />

von Empfehlungen für eine erfolgreichere H<strong>an</strong>dhabung des Problems. Wenig Beachtung<br />

gefunden haben die Ursachen der unterschiedlichen Betroffenheit der Betriebe und<br />

die Gründe für die Präferenz für spezifische Reaktionsmuster. Der Überh<strong>an</strong>g <strong>an</strong> qualifizierten<br />

gewerblichen Arbeitskräften in Klein- und Mittelbetrieben war bisher nicht Gegenst<strong>an</strong>d<br />

von wissenschaftlichen Forschungsbemühungen.<br />

Nachdem der Schwerpunkt älterer Forschungsbemühungen insbesondere bei der<br />

Beschreibung des Phänomens lag, konzentriert sich diese Untersuchung auf mögliche<br />

Erklärungen. Es sollte gezeigt werden, worauf die unterschiedliche Betroffenheit der<br />

Betriebe vom M<strong>an</strong>gel bzw. Überh<strong>an</strong>g <strong>an</strong> qualifizierten gewerblichen Arbeitskräften zurückzuführen<br />

ist, warum sich die Betriebe gegebenenfalls mit welchen Sicherungsmech<strong>an</strong>ismen<br />

gegen ungewollte Fluktuation schützen und warum sie mit welchen Maßnahmen<br />

auf den M<strong>an</strong>gel bzw. Überh<strong>an</strong>g <strong>an</strong> qualifizierten gewerblichen Arbeitskräften<br />

reagieren. Um zu einer umfassenden Erklärung zu gel<strong>an</strong>gen, fällt nach Auffassung des<br />

Verfassers der personalwirtschaftlichen Forschung die Aufgabe zu, sich den möglichen<br />

betrieblichen Erklärungs<strong>an</strong>sätzen zuzuwenden und mit Hilfe theoriegestützter empirischer<br />

Forschung herauszufinden, welche betrieblichen Faktoren in welchem Ausmaß<br />

zur Erklärung des Phänomens beitragen. In dieser Untersuchung wurden die Gründe in<br />

der von den Betrieben gewählten Personalstrategie vermutet.<br />

Ein weiteres Ziel der Untersuchung best<strong>an</strong>d in der Weiterentwicklung des in der<br />

Arbeit verwendeten theoretischen Instruments, der Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie. Mögliches<br />

Vertrauen zwischen den Tr<strong>an</strong>saktionspartnern sollte in die Theorie integriert wer-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 249<br />

den. Dabei st<strong>an</strong>d die Frage im Vordergrund, inwieweit Vertrauen zwischen dem Betrieb<br />

und seinen Arbeitskräften neben den in der Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie diskutierten Sicherungsmech<strong>an</strong>ismen<br />

geeignet ist, opportunistisches Verhalten, hier ungewollte Kündigungen<br />

durch die Arbeitskräfte, zu verhindern.<br />

Um die auf der Grundlage der her<strong>an</strong>gezogenen Theorie abgeleiteten Hypothesen<br />

zu überprüfen, wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt. An 1150 Klein- und<br />

Mittelbetriebe ausgewählter Br<strong>an</strong>chen und Arbeitsamtsbezirke wurde ein strukturierter<br />

Fragebogen verschickt. Die Daten von 237 Klein- und Mittelbetrieben konnten in die<br />

Auswertung einbezogen werden.<br />

Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Personalstrategien für die gesamte<br />

Analyse galt es zunächst herauszufinden, welche Personalstrategien von Klein- und<br />

Mittelbetrieben gewählt werden. Basierend auf der Theorie der Arbeitsmarktsegmentation<br />

des ISF München wurden mit der Anpassungsstrategie und der Stabilisierungsstrategie<br />

zwei idealtypische Personalstrategien ermittelt. Konstituierendes Merkmal für die<br />

Anpassungsstrategie ist die zahlenmäßige Anpassung des betrieblichen Hum<strong>an</strong>kapitals<br />

<strong>an</strong> den kurzfristigen Bedarf. Bei der Stabilisierungsstrategie sind sämtliche Maßnahmen<br />

<strong>an</strong> einer l<strong>an</strong>gfristigen und kontinuierlichen Nutzung des betrieblichen Hum<strong>an</strong>kapitals<br />

orientiert.<br />

Neben der Beschreibung der von den Klein- und Mittelbetrieben gewählten Personalstrategien<br />

galt es auch zu erklären, welche Bestimmungsgründe die Wahl einer Personalstrategie<br />

beeinflussen. Zur Verfolgung dieses explikativen Ziels wurden aus der<br />

Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie und auf der Grundlage der Kritik <strong>an</strong> derselben Bestimmungsgründe<br />

der Wahl einer Personalstrategie abgeleitet und empirisch überprüft. Die<br />

größte Erklärungskraft hat der aus der Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie gewonnene Bestimmungsgrund<br />

"Hum<strong>an</strong>kapitalspezifität". Je größer die Betriebsspezifität des Hum<strong>an</strong>kapitals,<br />

desto wahrscheinlicher wählen die Betriebe die Stabilisierungsstrategie.<br />

Das zentrale Problem der Untersuchung ist die nicht adäquate Versorgung von<br />

Klein- und Mittelbetrieben mit qualifizierten gewerblichen Arbeitskräften. Zunächst<br />

wurde erhoben, in welchem Ausmaß die untersuchten Klein- und Mittelbetriebe von einem<br />

M<strong>an</strong>gel bzw. Überh<strong>an</strong>g <strong>an</strong> qualifizierten gewerblichen Arbeitskräften betroffen<br />

waren. Anschließend galt es zu eruieren, inwieweit die von den Betrieben gewählten<br />

Personalstrategien zur Erklärung der unterschiedlichen Betroffenheit der Betriebe beitragen.<br />

Es zeigte sich, daß bei Arbeitskräfteunterdeckung auf dem externen Arbeitsmarkt<br />

die Betriebe mit der Stabilisierungsstrategie in einem geringeren Ausmaß unter<br />

Arbeitskräftem<strong>an</strong>gel litten als die Betriebe mit der Anpassungsstrategie. Bei Arbeitskräfteüberh<strong>an</strong>g<br />

auf dem externen Arbeitsmarkt ergaben sich keine Unterschiede. Unabhängig<br />

von der Situation auf dem externen Arbeitsmarkt waren die Betriebe mit der<br />

Stabilisierungsstrategie stärker von einem Überh<strong>an</strong>g <strong>an</strong> qualifizierten gewerblichen Arbeitskräften<br />

betroffen als die Betriebe mit der Anpassungsstrategie.<br />

Zur Ermittlung möglicher Sicherungsmech<strong>an</strong>ismen gegen ungewollte Kündigungen<br />

durch die Arbeitskräfte wurde wiederum auf die Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie rekurriert.<br />

Die in der gen<strong>an</strong>nten Theorie vorgesehenen institutionellen Sicherungsmech<strong>an</strong>ismen<br />

und materiellen Anreize wurden durch das Vertrauen zwischen dem Betrieb und


250 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

seinen Arbeitskräften ergänzt. Entgegen der Erwartungen ist die Wahrscheinlichkeit, in<br />

Betrieben mit der Stabilisierungsstrategie mindestens einen zum Schutz gegen ungewollte<br />

Fluktuation geeigneten Sicherungsmech<strong>an</strong>ismus <strong>an</strong>zutreffen, kaum höher als in<br />

Betrieben mit der Anpassungsstrategie. Bei der Überprüfung der Wirksamkeit der alternativen<br />

Sicherungsmech<strong>an</strong>ismen zeigte sich, daß Vertrauen besser vor ungewollten<br />

Kündigungen seitens der Arbeitskräfte schützt als die in der Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie<br />

vorgesehenen materiellen Anreize und institutionellen Sicherungsmech<strong>an</strong>ismen. Der in<br />

der Arbeit unterbreitete Vorschlag der Erweiterung der Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie um<br />

den Sicherungsmech<strong>an</strong>ismus "Vertrauen" ist offensichtlich ein vielversprechender Weg<br />

zur Fortentwicklung der Theorie.<br />

Der folgende Teil der Analyse beh<strong>an</strong>delt mögliche betriebliche Reaktionen auf einen<br />

Arbeitskräftem<strong>an</strong>gel bzw. -überh<strong>an</strong>g. Die Betriebe wurden gebeten <strong>an</strong>zugeben, ob<br />

sie die aus der einschlägigen Literatur entnommenen Maßnahmen jeweils 'bevorzugt',<br />

'eher ja', 'eher nicht' oder 'nicht/nie' ergreifen (würden). Jeder dieser Antwortkategorien<br />

wurde ein Punktwert zugeordnet. Damit war es möglich, für jede der Maßnahmen das<br />

arithmetische Mittel über alle Betriebe zu errechnen und die Maßnahmen in eine R<strong>an</strong>gfolge<br />

zu bringen. Anschließend wurden die möglichen betrieblichen Reaktionen mit den<br />

Personalstrategien in Beziehung gesetzt: Wie erwartet, werden bei Arbeitskräftem<strong>an</strong>gel<br />

Maßnahmen, die das Arbeitskräftevolumen nicht beeinflussen (z.B. Qualifizierung von<br />

eigenen Arbeitskräften), von Betrieben mit der Stabilisierungsstrategie mit größerer<br />

Wahrscheinlichkeit bevorzugt als von Betrieben mit der Anpassungsstrategie. Bei den<br />

Maßnahmen, die das Arbeitskräftevolumen beeinflussen (z.B. Einstellung von Aushilfskräften),<br />

verhält es sich umgekehrt. Ein ähnlich eindeutiger Zusammenh<strong>an</strong>g konnte<br />

bei den Reaktionen auf einen Arbeitskräfteüberh<strong>an</strong>g nicht identifiziert werden.<br />

Die Arbeit schließt mit einer Reihe von Vorschlägen für weitere Forschungsbemühungen<br />

in den Bereichen Arbeitskräfteversorgung und Theorieentwicklung. Darüber<br />

hinaus werden aus den gewonnenen Erkenntnissen praxisbezogene Gestaltungshinweise<br />

für einen effizienten Einsatz und Nutzung des betrieblichen Hum<strong>an</strong>kapitals entwickelt.<br />

Peter Schlagenhaufer<br />

Service-Orientierung als Herausforderung im Rahmen eines unternehmerischen<br />

Hum<strong>an</strong>-Ressourcen-M<strong>an</strong>agements<br />

Betreuer: Prof. Dr. Rolf Wunderer, Hochschule St. Gallen<br />

Die Arbeit der zentralen Personalabteilung in den Unternehmen besitzt seit jeher<br />

Dienstleistungs-Charakter. Anfragen von Linienführungskräften, Mitarbeitern, Fachabteilungen,<br />

Sparten und Divisionen wurden - so weit möglich - bearbeitet. Die Leistungserstellung<br />

erfolgte dabei quasi kostenlos (d.h. ohne Weiterverrechnung <strong>an</strong> die Nachfrager) und


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 251<br />

weitgehend unabhängig vom Umf<strong>an</strong>g bzw. der Zeitdauer der Auftragsbearbeitung. Anfallende<br />

Kosten wurden in einem Umlage-Verfahren auf verschiedene Kostenträger umgelegt.<br />

Dieses Vorgehen bot keine Anreize für eine optimierende Ausgestaltung der verschiedenen<br />

Tätigkeiten der zentralen Personalabteilung. Ausgehend von Ansätzen des USamerik<strong>an</strong>ischen<br />

Hum<strong>an</strong> Resource Accounting wurde etwa seit Beginn der 80er Jahre auch<br />

im deutschsprachigen Raum versucht, Tätigkeiten der Personalabteilung sowie deren Wirkungen<br />

im Rahmen von Personal-Controlling-Konzepten ökonomisch zu durchdringen. Da<br />

aber das Top-M<strong>an</strong>agement im fin<strong>an</strong>zwirtschaftlichen Bereich vorwiegend in qu<strong>an</strong>titativen<br />

Größen denkt und agiert, stieß dort das meist "weiche" Controlling des Personalbereiches<br />

auf Akzept<strong>an</strong>zprobleme. Sowohl Wissenschaft und Praxis haben als Reaktion hierauf versucht<br />

eine weitgehende Qu<strong>an</strong>tifizierung und "Be-Preisung" von Leistungen der zentralen<br />

Personalabteilung durchzuführen. Damit wurde ein wesentlicher Schritt in Richtung einer<br />

unternehmerisch orientierten Personalarbeit vollzogen. Die Philosophie eines Entre- und<br />

Intrapreneuring, die seit Beginn der 90er Jahre die wissenschaftliche Diskussion im Personalwesen<br />

mitprägt, baut nämlich unmittelbar auf den Ergebnissen der theoretischen und<br />

praktischen Personal-Controlling-Konzepte auf und thematisiert darüber hinaus Aspekte einer<br />

gesteigerten betrieblichen Wertschöpfung. Im Rahmen der Dissertation wird versucht,<br />

umfassende Service-Orientierung als Aufgabe und Ch<strong>an</strong>ce einer unternehmerischen Personalarbeit<br />

darzustellen. Dabei soll die zentrale Personalabteilung quasi wie ein<br />

"Dienstleistungs- bzw. Service-Center" agieren und als eigenständige unternehmerische<br />

Einheit mit Hilfe von Marketing-Instrumenten, -Methoden und -Konzepten interne und externe<br />

Märkte bedienen. Somit k<strong>an</strong>n Gewinnerwirtschaftung und -ausweis ermöglicht werden,<br />

was den Stellenwert der Personalarbeit im Vergleich zu <strong>an</strong>deren betrieblichen Funktionalbereichen<br />

erhöht und einen tr<strong>an</strong>sparenten Beitrag zur ökonomischen Zielerreichung des<br />

Gesamtunternehmens leistet. Das Konzept einer serviceorientierten Personalarbeit beinhaltet<br />

dabei eine ausgeprägte Dienstleistungs- und Nutzenorientierung hinsichtlich zentraler<br />

Bezugsgruppen (z.B. Kollegen in der Personalabteilung, Führungskräfte im eigenen Unternehmen,<br />

Geschäftsleitung, Behörden, Kommunen). Zur Realisierung einer solchen Stakeholder-orientierten<br />

und strategisch geprägten Service-Orientierung sind zunächst org<strong>an</strong>isationsstrukturelle<br />

Voraussetzungen für die Personalarbeit zu schaffen. Dabei k<strong>an</strong>n eine<br />

Strukturierung als Profit- bzw. Quality-Profit-Center als Ausg<strong>an</strong>gspunkt für die umfassendere<br />

Philosophie des Wertschöpfungs-Center-Konzeptes dienen. Dieses Konzept ist durch<br />

eine eher effizienzorientierte Business-Dimension und eine tendenziell effektivitätsorientierte<br />

M<strong>an</strong>agement- und Service-Dimension charakterisierbar. Im Rahmen der Dissertation<br />

wird gezeigt, daß die innerhalb der Business-Dimension ermittelten Aufw<strong>an</strong>ds- und Ertragsgrößen<br />

einerseits zur Steuerung des operativen Geschäftes dienen. Andererseits können<br />

die festgestellten qu<strong>an</strong>titativen Größen innerhalb eines strategischen Controlling-<br />

Konzeptes als Kriterium für die Evaluation gewählter Service-Strategien der M<strong>an</strong>agementund<br />

Service-Dimension dienen.<br />

Im Rahmen der Arbeit wurden empirische Erhebungen durchgeführt. In Form von<br />

Expertengesprächen wurden 14 Personalleiter und ein selbständiger Personalberater explorativ<br />

zu Aspekten serviceorientierter Personalarbeit befragt. Diese qualitativen Erhebungen<br />

wurden um eine schriftliche Befragung von 120 Personalver<strong>an</strong>twortlichen aus der Schweiz


252 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

und aus Deutschl<strong>an</strong>d ergänzt. Die Rücklaufquote der Fragebogen betrug 41%, d.h., es <strong>an</strong>tworteten<br />

49 Befragte. Nachfolgend werden die zentralen Ergebnisse des theoretischen Teiles<br />

zusammengefaßt. Dar<strong>an</strong> <strong>an</strong>schließend sollen wesentliche Resultate des empirischen<br />

Teils skizziert werden.<br />

1) Unternehmerisches Hum<strong>an</strong>-Ressourcen-M<strong>an</strong>agement ist in die personalwirtschaftliche<br />

Phase "Entre- und Intrapreneuring" einzuordnen. Es k<strong>an</strong>n zur Förderung der<br />

ökonomischen und sozialen Effizienz des Faktors "Arbeit" beitragen. Dazu müssen<br />

unternehmerische Denk- und Verhaltensmuster auf allen Hierarchiestufen ausgelöst<br />

und unterstützt werden.<br />

2) Zur Realisierung einer ökonomisch fundierten Service-Orientierung ist innovatives,<br />

risikobereites und selbstver<strong>an</strong>twortliches H<strong>an</strong>deln aller Mitarbeiter und Führungskräfte<br />

des Personalm<strong>an</strong>agements erforderlich. Die individuelle Service-<br />

Bereitschaft ist aber aufgrund des Wertew<strong>an</strong>dels in weiten Teilen der Gesellschaft<br />

schwach ausgeprägt.<br />

3) Von den diskutierten org<strong>an</strong>isationsstrukturellen Center-Konzepten scheint das Profit-Center<br />

einer kundenorientierten und ökonomisch fundierten zentralen Personalarbeit<br />

besonders zu entsprechen.<br />

4) Basierend auf Profit-Center-Strukturen k<strong>an</strong>n schrittweise das Konzept eines Wertschöpfungs-Centers<br />

"Personal" implementiert werden. Durch die ökonomische<br />

Fundierung der eher qu<strong>an</strong>titativ orientierten Business-Dimension können ressourcenintensive<br />

und gleichzeitig wenig wertschöpfende Aktionen, Programme und<br />

Projekte identifiziert sowie auf ein Mindestmaß reduziert werden. Qualitative Audit-Instrumente<br />

der M<strong>an</strong>agement- und Service-Dimension verhindern einseitige<br />

betriebswirtschaftliche Erfolgsgrößen-Analysen. Ferner ermöglicht die Anwendung<br />

des Instrumentes der Wertschöpfungs-Ketten-Analyse die Stabilisierung<br />

bzw. Etablierung wertschöpfungsoptimaler Strukturen der Personalarbeit. Die umfassende<br />

Implementierung des Wertschöpfungs-Center-Konzeptes würde aber umf<strong>an</strong>greiche<br />

Org<strong>an</strong>isationsentwicklungsprozesse erfordern. Eine Realisation, die<br />

sich auf Teilfunktionen, wie z.B. Personalentwicklung oder Personalmarketing<br />

konzentriert, wäre leichter durchzuführen.<br />

5) Die Bezugsgruppenorientierung serviceorientierter Personalarbeit differenziert<br />

zwischen internen (z.B. Geschäftsleitung, Führungskräfte, betriebliche Arbeitnehmer-<br />

bzw. Interessenvertretungen) und externen (z.B. Behörden, Kommunen, Verbände)<br />

Bezugsgruppen. Für diese Gruppen soll serviceorientierte Personalarbeit<br />

Dienstleistungen erbringen und soweit möglich bzw. sinnvoll mit Verrechnungspreisen<br />

belegen. Um eine Ressourcenbündelung auf spezifische Bezugsgruppen zu<br />

ermöglichen, k<strong>an</strong>n auf Klassifikationsinstrumente des Marketing (Marktsegmentierung,<br />

ABC-Analyse) zurückgegriffen werden.<br />

6) Zur Pl<strong>an</strong>ung, Lenkung, Steuerung und Kontrolle serviceorientierter Personalarbeit<br />

können gewählte Service-Strategien durch ein Service-Controlling fl<strong>an</strong>kiert werden.<br />

Dadurch wird es möglich die Konstrukte "Service-Qualität" und "Kundenzufriedenheit<br />

zu evaluieren.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 253<br />

Die im Rahmen der Arbeit durchgeführten empirischen Analysen zeigten, daß in<br />

fast allen befragten Unternehmen Personalarbeit im Sinne eines Dienstleistungs-<br />

M<strong>an</strong>agements interpretiert wird.<br />

7) Nach Meinung eines Großteils der Befragten sollte die Idee einer ökonomisch fundierten<br />

und serviceorientierten Personalarbeit schrittweise verwirklicht werden.<br />

Die Funktionen "Personalentwicklung" und Personalwerbung- und -gewinnung"<br />

werden als besonders geeignet zur Einrichtung von Profit- bzw. Service-Centern<br />

innerhalb der Personalarbeit gesehen.<br />

8) Rund 20% der befragten Unternehmen stehen der Konzeption einer service- und<br />

ertragsorientierten Personalarbeit mit großer Skepsis gegenüber. Die strukturellen<br />

und personellen Voraussetzungen seien für dieses Konzept in ihren Unternehmen<br />

nicht gegeben. Die deutliche Mehrheit (80%) hält das Konzept für praktikabel und<br />

führt eine ökonomisch fundierte Service-Orientierung in spezifischen Funktionen<br />

der Personalarbeit und/oder <strong>an</strong>deren betrieblichen Sparten (z.B. EDV-Leistungen,<br />

Logistik) bereits durch. Von vielen Personalleitern wird in Zeiten hohen Kostendruckes<br />

ein Absinken der Nachfrage nach "teuren" Service-Leistungen der Personalarbeit<br />

befürchtet. Ferner besteht ihrer Ansicht nach die Gefahr einer Verdrängung<br />

strategischer Denkweisen durch Kurzfristorientierung. Besonders positiv<br />

wird von den Praktikern die mögliche Entwicklung der zentralen Personalabteilung<br />

zu einer internen Beratungs- und Service-Abteilung bewertet.<br />

9) Ein weiteres zentrales Ergebnis des empirischen Teils ist die starke Bereitschaft<br />

der Befragten "Aus- und Weiterbildungsleistungen" am externen Markt <strong>an</strong>zubieten<br />

und nachzufragen. Eine potentiell hohe Nachfrage besteht auch nach "Personal-<br />

Controlling-Instrumenten" und "M<strong>an</strong>agement-Development-Leistungen".<br />

10) Wesentliche Adressaten serviceorientierter Personalarbeit sind für die meisten<br />

Praktiker die internen Kundengruppen "Geschäftsleitung" und "Führungskräfte",<br />

während bei den externen Bezugsgruppen der "Öffentlichkeit" und den "Unternehmen,<br />

mit denen bisher kein Kontakt besteht" die größte Bedeutung beigemessen<br />

wird.<br />

11) Im Rahmen eines Service-Controlling wird die kombinierte Anwendung monetärer<br />

und nichtmonetärer Kennzahlen bzw. Indikatoren als sinnvoll erachtet. Als monetäre<br />

Kennziffern werden "Aufw<strong>an</strong>d- und Ertragsgrößen", die "Rentabilität spezifischer<br />

Service-Leistungen" sowie eine "Service-Leistungs-bezogene Erfolgsrechnung"<br />

bevorzugt. Von den nicht-monetären Indikatoren wurden "Kompetenz und<br />

Glaubwürdigkeit", "Ansprechbarkeit und Erreichbarkeit" und das "Einhalten von<br />

Prozeß-St<strong>an</strong>dards" am stärksten gewichtet.<br />

Sowohl wissenschaftliche Forschung als auch betriebliche Praxis bewegen sich im<br />

Rahmen der skizzierten Themenstellung in einem Sp<strong>an</strong>nungsfeld zwischen sozialen und<br />

ökonomischen Dimensionen des unternehmerischen Hum<strong>an</strong>-Ressourcen-M<strong>an</strong>agements.<br />

Die empirischen Ergebnisse belegen, daß die <strong>an</strong> der Befragung teilnehmenden Unternehmen<br />

innovative Ansätze aus dem Bereich der personal- bzw. betriebswirtschaftlichen Forschung<br />

innner- und zwischenbetrieblich diskutieren sowie teilweise auch schon umgesetzt<br />

haben.


254 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

3. Theoretische Grundlagen<br />

Sabine Boerner<br />

Die Org<strong>an</strong>isation zwischen offener und geschlossener Gesellschaft -<br />

Athen oder Sparta? *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Diether Gebert, Technische Universität Berlin, Fachbereich<br />

Wirtschaft und M<strong>an</strong>agement, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Fachgebiet<br />

Org<strong>an</strong>isation, Personalwesen und Führungslehre<br />

Der Sozialphilosoph Karl Popper beschreibt als konträre Idealtypen menschlichen<br />

Zusammenlebens die offene Gesellschaft einerseits und die geschlossene Gesellschaft<br />

<strong>an</strong>dererseits. Inwiefern läßt sich diese Konzeption auf den betrieblichen Kontext übertragen<br />

und für die Org<strong>an</strong>isations- und Führungstheorie nutzbar machen?<br />

Die wesentlichen Unterschiede zwischen der offenen und der geschlossenen Gesellschaft<br />

lassen sich im Hinblick auf drei Dimensionen kontrastieren: die "<strong>an</strong>thropologische"<br />

Dimension stellt die Frage nach den Freiheitsgraden des Menschen: Voluntarismus<br />

oder Determinismus? Auf der "sozialen" Dimension wird d<strong>an</strong>ach unterschieden,<br />

ob im Gemeinwesen das Individuum oder das Kollektiv als primär schützenswert gelten.<br />

Ein entscheidender Unterschied ergibt sich schließlich auf der "erkenntnistheoretischen"<br />

Dimension mit der Frage, ob menschliches Wissen prinzipiell vorläufig, da irrtumsbehaftet<br />

ist oder ob sichere, endgültige Wahrheiten <strong>an</strong>genommen werden können.<br />

Die offene Position läßt sich damit schlagwortartig charakterisieren mit Voluntarismus,<br />

Individualismus und Vorläufigkeit, während die geschlossene Gesellschaft eher durch<br />

Determinismus, Kollektivismus und Endgültigkeit gekennzeichnet ist.<br />

Auf der Grundlage dieser theoretischen Konzeption werden Org<strong>an</strong>isationen betrachtet:<br />

Gibt es offene und geschlossene Betriebe? Untersucht wird jeweils für die org<strong>an</strong>isatorischen<br />

Gestaltungsvariablen Org<strong>an</strong>isationskultur, Führung und Gruppenarbeit,<br />

wie sich eine eher offene von eine eher geschlossenen Orientierung im Sinne Poppers<br />

unterscheiden läßt. Dabei werden jeweils Merkmale offener und geschlossener Org<strong>an</strong>isationen<br />

als Konstrukte formuliert.<br />

Als Kennzeichen einer eher offenen Führung wird beispielsweise <strong>an</strong>genommen,<br />

daß der Geführte sich primär als Subjekt (und nicht als Objekt) erlebt, daß der Führende<br />

die Unterschiedlichkeit bzw. Individualität der Mitarbeiter betont und fördert (statt Einheitlichkeit<br />

zu fordern) und daß Führender und Geführter mitein<strong>an</strong>der im Dialog stehen<br />

(<strong>an</strong>stelle eines Monologes des Vorgesetzten). Für die Zusammenarbeit in Arbeitsgrup-<br />

*<br />

Berlin, Duncker & Humblot, 1994.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 255<br />

pen wird beipielsweise erörtert, in welchem Sinne eine geschlossene Arbeitsgruppe<br />

eher Willensdurchsetzung als Willensbildung betreibt, tendenziell Interessenhomogenität<br />

(<strong>an</strong>statt Interessenheterogenität) der Mitglieder praktiziert und eher als Reservat von<br />

Dogmen und Ideologien zu betrachten ist denn als Perspektivenfundus und Diskussionsforum.<br />

Zusätzlich werden detaillierte Indikatoren entwickelt, die sich in der betrieblichen<br />

Realität wiederfinden lassen und die es ermöglichen, betriebliche Phänomene in<br />

dieser Hinsicht einzuordnen.<br />

Wenn entsprechende Muster von Offenheit und Geschlossenheit in Org<strong>an</strong>isationen<br />

identifiziert werden können, stellt sich die Frage, wie bek<strong>an</strong>nte betriebliche H<strong>an</strong>dlungsstrategien<br />

vor diesem Hintergrund einzuschätzen sind. Verwendet m<strong>an</strong> die entwickelten<br />

Indikatoren für eine Diagnose, so läßt sich betriebliches H<strong>an</strong>deln in bezug auf die Popperschen<br />

Kategorien neu bewerten. Es wird gezeigt, daß das Beispiel der charismatischen<br />

Führung auf dem Kontinuum "offene versus geschlossene Führung" eine Position<br />

illustriert, die der geschlossenen Gesellschaft nahesteht. Mit dem Konzept der teilautonomen<br />

Arbeitsgruppe wird dagegen beispielsweise eine offenheitsnahe Position im<br />

Spektrum "offene" versus "geschlossene" Gruppenarbeit realisiert.<br />

Darüber hinaus läßt sich die Frage konkretisieren, welche Wechselwirkungen zwischen<br />

der org<strong>an</strong>isationalen Ebene und der gesellschaftlichen Ebene bestehen. Ist es<br />

denkbar, daß gerade in Betrieben eine Nachfrage nach Mustern der geschlossenen Gesellschaft<br />

aktualisiert wird, die aus den zunehmend spürbaren Defiziten unserer offenen<br />

Gesellschaft erwächst? Können umgekehrt "offene Betriebe" die offene Gesellschaft<br />

fördern? Vor diesem Hintergrund sind innerbetriebliche H<strong>an</strong>dlungsweisen unter einem<br />

zusätzlichen Gesichtspunkt zu bewerten.<br />

Die typologisierende Gegenüberstellung offener und geschlossener Unternehmen<br />

soll nicht im Sinne eines Entweder-Oder verst<strong>an</strong>den werden; keines der skizzierten org<strong>an</strong>isationalen<br />

Gestaltungsmuster - weder "Sparta" noch "Athen" - erfüllt den Anspruch<br />

einer Optimallösung für die betriebliche Praxis. Ebenso wie auf der gesellschaftlichen<br />

Ebene beide Optionen - sowohl die offene Gesellschaft als auch die geschlossene Gesellschaft<br />

im Sinne Poppers - mit Vor- und Nachteilen verbunden sind, besteht vermutlich<br />

auch in Betrieben ein paralleler Bedarf nach Offenheit und Geschlossenheit. So<br />

sind sowohl aus der Perspektive der Org<strong>an</strong>isation als auch aus der Sicht der Mitarbeiter<br />

gleichzeitig Vor- und Nachteile vorstellbar. Während z. B. unter der Perspektive der<br />

Förderung von Innovativität und Kreativität das Muster der offenen Gesellschaft attraktiv<br />

erscheint, gelten <strong>an</strong>dererseits geschlossenheitsnahe Praktiken wie die Förderung einer<br />

Corporate Identity als unabdingbar. So scheint das Dilemma darin zu liegen, daß jede<br />

innerbetriebliche Öffnung (z. B. Dezentralisierung, Demokratisierung, Flexibilisierung)<br />

zugleich die Vorteile innerbetrieblicher Schließung (z. B. Ordnung, Sicherheit,<br />

Konsens, Harmonie) in Frage stellt. Vor dem Hintergrund dieser dilemmatischen Struktur<br />

"Athens" und "Spartas" werden unterschiedliche Bal<strong>an</strong>ce-Strategien diskutiert, sowohl<br />

im zeitlichen Längsschnitt als auch im zeitlichen Querschnitt. In Weiterführung<br />

dieser Überlegungen wäre etwa zu fragen, wie ein solches "Dilemma-M<strong>an</strong>agement" vor<br />

dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung konkret geh<strong>an</strong>dhabt<br />

werden könnte.


256 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

4. Personalbereitstellung / Arbeitsmarkt<br />

Thomas M. Schwarb<br />

Die wissenschaftliche Konstruktion der Personalauswahl *<br />

Betreuer: Prof. Dr. W. R. Müller, Prof. Dr. W. Hill, beide Institut für Betriebswirtschaft<br />

am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel<br />

Im Bereich der Personalauswahl ist eine große Zahl von Forschungen und wissenschaftlichen<br />

Publikation zu finden. Dennoch haben die Anstrengungen der Wissenschaft<br />

die praktischen Probleme der Personalauswahl nicht gelöst. In dieser Arbeit wird<br />

deshalb untersucht, wie die Personalauswahl als wissenschaftliches Programm von der<br />

„Wissenschaftsgemeinde“ konstruiert wird und wie diese Konstruktion das Problemlösungspotential<br />

beeinflußt.<br />

Für die Analyse des wissenschaftlichen Programms der Personalauswahl wurden<br />

zwei Methoden gewählt:<br />

Eine historische Analyse der Personalauswahl, welche die groben Entwicklungslinien<br />

im Zusammenh<strong>an</strong>g mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen<br />

aufzeigt. Dabei wurde vor allem Wert darauf gelegt, zu verstehen, wie es zu Entwicklungen<br />

in der Wissenschaft kam. Diese Darstellung ist nicht repräsentativ in einem statistischen<br />

Sinn, sondern berücksichtigt vor allem diejenigen wissenschaftlichen Arbeiten,<br />

welche für den weiteren Verlauf der Entwicklung maßgebend waren.<br />

Es erfolgte eine Inhalts<strong>an</strong>alyse einer repräsentativen Auswahl von 500 wissenschaftlichen<br />

Arbeiten der letzten zehn Jahre (1984-1993), welche in Zeitschriften veröffentlicht<br />

wurden. Mit dieser Untersuchung war es möglich, Themen und Grund<strong>an</strong>nahmen<br />

der Personalauswahl als wissenschaftliches Programm zu erfassen.<br />

Diese beiden Analysen erlaubten es schließlich, das gegenwärtige Wissenschaftsprogramm<br />

darzustellen und dessen Hintergrund<strong>an</strong>nahmen, Schwerpunkte und Lücken<br />

sowie auch r<strong>an</strong>dständige, alternative Theorien herauszuarbeiten. Die so gewonnenen<br />

Erkenntnisse erlaubten einerseits die kritische Reflexion dieses Wissenschaftsprogrammes.<br />

Andererseits konnte unter Berücksichtigung der aktuellen<br />

Entwicklungen in der Gesellschaft und der Unternehmungsführung ein Reformentwurf<br />

für die Personalauswahl als wissenschaftliches Programm entwickelt werden.<br />

Die Dissertation gliedert sich in drei Teile: einen ersten einführenden und theoretischen<br />

Teil, einen zweiten Teil, in dem das wissenschaftliche Programm rekonstruiert<br />

wird, und einen dritten Teil, in dem ein Reformvorschlag entwickelt wird.<br />

*<br />

Die Arbeit erscheint im <strong>Rainer</strong> <strong>Hampp</strong> <strong>Verlag</strong>.


Reform der Personalauswahl<br />

als wissenschaftliches<br />

Programm<br />

Die Personalauswahl als<br />

wissenschaftliches Programm<br />

<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 257<br />

Abb. 1<br />

Schematische Darstellung des Vorgehens<br />

Teil II: Rekonstruktion der Personalauswahl<br />

als wissenschaftliches Programm<br />

Teil III: Reform der Personalauswahl<br />

als wissenschaftliches Programm<br />

⎫ ⎬⎭<br />

⎫ ⎬⎭<br />

Historische Analyse der Entwicklung<br />

der Personalauswahl<br />

Inhalts<strong>an</strong>alyse der wissenschaftlichen<br />

Publikationen der letzten zehn Jahre<br />

Schwerpunkte, Lücken und<br />

Hintergrundtheorien<br />

R<strong>an</strong>dständige, alternative<br />

Konzepte<br />

Sozio-ökonomische Einflüsse<br />

Aktuelle Trends im M<strong>an</strong>agement<br />

Bei der Untersuchung des wissenschaftlichen Programms der Personalauswahl<br />

mußte immer darauf geachtet werden, daß einerseits alle Winkel erkundet und <strong>an</strong>dererseits<br />

nicht über die Grenzen des Programms hinausgeg<strong>an</strong>gen wurde. Dieses Problem<br />

wird klar, wenn m<strong>an</strong> sich die Doppeldeutigkeit des Begriffs Personalauswahl vergegenwärtigt:<br />

Personalauswahl wird einerseits als Auswahl einer Person aus einer Gruppe<br />

von Bewerbern verst<strong>an</strong>den, oft aber auch als Gesamtprozeß von der Feststellung einer<br />

Vak<strong>an</strong>z bis zur Stellenbesetzung.<br />

Mit der Erkundung des wissenschaftlichen Programms der Personalauswahl konnte<br />

so schließlich eine L<strong>an</strong>dschaft mit stattlichen Bergen und Tälern entdeckt werden,<br />

mit Tälern bestehend aus r<strong>an</strong>dständigen, aber vielversprechenden Konzepten, und einem<br />

domin<strong>an</strong>ten Gebirge, dem klassischen Konzept der Personalauswahl, <strong>an</strong> dem nur<br />

schwer gerüttelt werden k<strong>an</strong>n.<br />

Dieses klassische Konzept der Personalauswahl sieht grob wie folgt aus: Eine Stelle<br />

ist ein wohldefiniertes, festes Aufgabenbündel, aus dem die Anforderungen <strong>an</strong> den<br />

Stelleninhaber abgeleitet werden können. Die Bewerber zeichnen sich durch unterscheidbare,<br />

relativ stabile Merkmale aus. Aus der Feststellung dieser Merkmale k<strong>an</strong>n<br />

erschlossen werden, ob die Bewerber den Anforderungen genügen. Für die Stellenbesetzung<br />

ist die Qualität des Verfahrens zur Auswahl der am besten geeigneten Person<br />

aus einer Gruppe von Bewerbern das wichtigste Element. Für die Auswahlverfahren<br />

können geeignete Instrumente entwickelt werden. Das wichtigste Gütekriterium für diese<br />

ist die Validität. Diese wiederum ist von der Objektivität und Reliabilität der Instrumente<br />

abhängig.


258 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Die Geschichte der Personalauswahl belegt, wie eng die Entwicklungen der Personalauswahl<br />

mit den gesellschaftlichen Entwicklungen verflochten sind. Den größten<br />

Einfluß auf die Personalauswahl hat die gesellschaftliche Akzept<strong>an</strong>z naturgegebener,<br />

individueller Unterschiede. Zu Beginn dieses Jahrhunderts glaubte m<strong>an</strong> beispielsweise<br />

den definitiven Nachweis für die unterschiedliche Durchschnittsintelligenz bei verschiedenen<br />

Rassen und Ethnien gefunden zu haben, Ende der zw<strong>an</strong>ziger Jahre wurde<br />

diese Annahme revidiert, erl<strong>an</strong>gte jedoch während der Zeit des Faschismus wiederum<br />

Gültigkeit. In den 60er-Jahren, vor allem im Gefolge der 68er-Bewegung, wurde diese<br />

These radikal abgelehnt. Die aktuellen Bestsellerpublikationen zeigen, daß derzeit die<br />

Idee der <strong>an</strong>geborenen, individuellen Unterschiede wieder akzeptiert wird. Es ist aber<br />

dennoch erstaunlich, daß die Wissenschaft diesem zyklischen W<strong>an</strong>del folgt und ihn<br />

nicht etwa dialektisch verarbeitet. Nur in einer Beziehung läßt sich in der wissenschaftlichen<br />

Entwicklung eine unabhängige Position feststellen, bei der Definition der Wissenschaftlichkeit:<br />

Ein wissenschaftlich fundiertes Personalauswahlverfahren richtet sich<br />

prioritär nach eigenen, technokratischen Kriterien. Widerstände dagegen werden entweder<br />

nicht beachtet oder - wenn es nicht zu vermeiden ist - als nachgelagertes Kriterium<br />

eingeführt. Ein typischer Ausdruck dafür ist, daß Beiträge zur Diskriminierungsproblematik<br />

in der Regel darauf aufbauen, daß mit der Berücksichtigung der Nichtdiskriminierungsnormen<br />

der einzelnen Unternehmung wie auch der gesamten Volkswirtschaft<br />

ein großer (bezifferter) Schaden zugefügt wird.<br />

Es wurde festgestellt, daß mit den klassischen Gütekriterien der Personalauswahl<br />

versucht wird, die Qualität des Ergebnisses (im Sinne der Präzision der Vorhersage) <strong>an</strong>zugeben.<br />

Es erstaunt daher nicht, daß in der klassischen Personalauswahl bei der Gestaltung<br />

des Auswahlprozesses vor allem die (mess-)technischen Aspekte berücksichtigt<br />

werden. Die Vernachlässigung der Erlebniswelt der beteiligten Personen und der sozialen<br />

Qualität des Prozesses im allgemeinen führt zu unerwünschten Folgen wie Selbstselektion<br />

und Diskriminierung, welche sich jedoch in den klassischen Gütekriterien der<br />

Personalauswahl nicht niederschlagen. Die in dieser Dissertation vorgeschlagenen neuen<br />

Kriterien für die Personalauswahl beziehen sich deshalb vor allem auf die Qualität<br />

des Prozesses. Dabei wird postuliert, daß die Qualität der Prozeßgestaltung die Qualität<br />

der Ergebnisse dieses Prozesses ebenfalls beeinflußt.<br />

Es konnte belegt werden, daß die Grund<strong>an</strong>nahmen des klassischen Konzepts nicht<br />

in das aktuelle Umfeld passen. Die Dynamik der ökonomischen Entwicklungen und die<br />

Trends in der Unternehmensführung weisen darauf hin, daß sich Stellen laufend w<strong>an</strong>deln<br />

müssen und nicht mehr als stabile Einheiten betrachtet werden dürfen. Entsprechend<br />

werden auch zunehmend Mitarbeiter gesucht, welche sich mit diesem W<strong>an</strong>del<br />

entwickeln können. In der Personalauswahl müssen folglich nicht (möglicherweise)<br />

stabile Merkmale der Bewerber, sondern deren Potential untersucht werden. Die klassische<br />

Personalauswahl mißt aber sehr statisch Mitarbeitereigenschaften, welche nicht<br />

(mehr) von Bedeutung sind, dies dafür um so genauer.<br />

Die Fokussierung der wissenschaftlichen Forschung auf die Personalauswahlinstrumente<br />

hat dazu geführt, daß die Mehrheit der Phasen der Personalauswahl, deren<br />

Zusammenhänge und Verknüpfung mit den betrieblichen Gegebenheiten praktisch un-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 259<br />

beachtet geblieben ist sowie ihre Bedeutung unterschätzt wird. Deshalb wird vorgeschlagen,<br />

die Forschungen auf alle für die Personalauswahl relev<strong>an</strong>ten Felder auszudehnen<br />

und die Definition des Begriffs Personalauswahl so zu erweitern, daß alle Aktivitäten<br />

im Hinblick auf eine Stellenbesetzung darunter verst<strong>an</strong>den werden. Damit sollte<br />

vermieden werden, daß die vielfältigen Interdependenzen vernachlässigt werden.<br />

Die Revision der Grund<strong>an</strong>nahmen verl<strong>an</strong>gt zudem einen Perspektivenwechsel in<br />

der Forschung, weg von den qu<strong>an</strong>tifizierend-objektivistischen hin zu qualitativen Verfahren.<br />

Aber auch die Personalauswahlpraxis sollte versuchen, die wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse nicht nur schematisch <strong>an</strong>zuwenden, sondern jeden Personalauswahlprozeß<br />

wie einen Forschungsprozeß gestalten.<br />

Der wesentliche Teil dieser Arbeit ist eine kritische Analyse des wissenschaftlichen<br />

Programms der Personalauswahl. Aus den Ergebnissen dieser Analyse wurde ein<br />

Reformentwurf abgeleitet. Dieser Entwurf ist zum Teil abstrakt und bedarf immer noch<br />

weiterer Konkretisierung. Dies hat verschiedene Gründe: Im wesentlichen basiert der<br />

Reformentwurf auf den Ergebnissen der kritischen Analyse und einer Einschätzung der<br />

aktuellen sozio-ökonomischen Entwicklung. Das bedeutet, daß sich diese Reform immer<br />

in Abgrenzung zum gegenwärtigen wissenschaftlichen Programm der Personalauswahl<br />

definiert und nicht wesentlich darüber hinausgehen k<strong>an</strong>n. Eine Vertiefung des<br />

Reformentwurfs wäre ausgesprochen spekulativ, denn es stehen dafür nicht genügend<br />

Grundlagen und Daten zur Verfügung. Diese Situation k<strong>an</strong>n eigentlich mit den Anfängen<br />

der wissenschaftlichen Personalauswahl, zu Beginn dieses Jahrhunderts, verglichen<br />

werden. Auch damals waren die Prinzipien nur grob gefaßt und weit von einer Operationalisierbarkeit<br />

entfernt. Der hier erarbeitete Reformentwurf darf folglich bezüglich<br />

seiner Differenziertheit und seiner Operationalisierbarkeit nicht mit dem gegenwärtigen,<br />

in etwa hundert Jahren entwickelten, wissenschaftlichen Programm verglichen werden.<br />

Der Reformentwurf gibt vielmehr einen möglichen Entwicklungspfad vor, entl<strong>an</strong>g dem<br />

sich die wissenschaftliche Personalauswahl weiterentwickeln k<strong>an</strong>n. Diese Aussagen<br />

dürfen jedoch nicht als Relativierung des hier entwickelten Reformentwurfs interpretiert<br />

werden, die darin enthaltenen Prinzipien bleiben bedeutend.<br />

Es ist zu hoffen, daß die Wissenschaft für die Neuorientierung des Programms<br />

vergleichbar viel Energie und Zeit aufwendet, wie sie in das klassische Programm investiert<br />

hat.<br />

Dorothee L. Stickel<br />

Marktsegmentierung als Personalmarketing-Strategie<br />

Betreuer: Prof. Dr. Rolf Wunderer, Hochschule St. Gallen<br />

Fragestellung der Untersuchung


260 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Den Ausg<strong>an</strong>gspunkt der Arbeit bildet die Forderung nach einem neuen, in sich geschlossenen<br />

Konzept i.R. des Personalm<strong>an</strong>agements, das die Erfüllung sowohl der ökonomischen<br />

als auch sozialen Dimension des personalwirtschaftlichen Dualziels durch<br />

strategisches Personalmarketing zu optimieren vermag. Die bisherigen, lediglich partikularen<br />

Ansätze des Personalmarketing sollen überwunden und die Gewinnung sowie<br />

Erhaltung resp. Leistungsmotivation der (potentiellen) Mitarbeiter umfassend gewährleistet<br />

werden. Im Mittelpunkt der Arbeit wird daher die Marktsegmentierung als zielgruppenorientierte<br />

Strategie des Personalmarketing vorgestellt und als g<strong>an</strong>zheitliches,<br />

integriertes Konzept kritisch geprüft. In einer holistischen Sicht des Marktpartners in<br />

seiner Rolle als Arbeitnehmer ebenso wie als Konsument erfolgt darüber hinaus die<br />

Skizzierung einer möglichen Integration der Personal- und Absatzmarkt-bezogenen<br />

Segmentierung zu einem übergeordneten Marketingkonzept.<br />

Theoretische Basis<br />

Wissenschaftstheoretisch versteht sich die vorliegende Arbeit einerseits als Beitrag<br />

zur Grundlagenforschung i.S. eines Tr<strong>an</strong>sferversuchs zwischen den betriebswirtschaftlichen<br />

Disziplinen Marketing und Personalm<strong>an</strong>agement; die Überlegungen gründen sich<br />

dabei auf Kotlers Generic Concept of Marketing. Andererseits steht auch der Anwendungsbezug<br />

dieses Themenkreises klar im Vordergrund. Ausgewählte Absatzmarkt-<br />

Segmentierungskonzepte werden aufgegriffen und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit<br />

auf den Sektor Hum<strong>an</strong> Resources geprüft. Dabei beruht die Arbeit zu großen Teilen auf<br />

diversen Ansätzen der Werte- und Wertew<strong>an</strong>del-Forschung, exemplarisch auf Wertebzw.<br />

Lifestyle-Typologien nach Raffée/Wiedm<strong>an</strong>n und Demo-SCOPE. Schließlich<br />

werden verschiedene Konzepte der Portfolio-Analyse her<strong>an</strong>gezogen. Für Ansätze zu einer<br />

Integration von Personalmarkt- und Absatzmarkt-Segmentierung wird außerdem auf<br />

rollentheoretische Überlegungen zurückgegriffen.<br />

Vorgehen / Forschungs<strong>an</strong>satz<br />

Die dargestellte Thematik wird dabei zunächst <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d einer theoretischen Untersuchung<br />

bearbeitet. Hierbei wird primär das Segmentierungsfilter als Analyseinstrument<br />

für die Evaluierung verschiedener Segmentierungs<strong>an</strong>sätze im Personalmarketing<br />

entwickelt und <strong>an</strong>gewendet. Anschließend wird die Marktsegmentierung als Personalmarketing-Strategie<br />

durch eine umf<strong>an</strong>greiche empirische Studie in der unternehmerischen<br />

Realität erforscht. Dabei werden in einem ersten Schritt 179 Antwortbögen einer<br />

schriftlichen Kurzbefragung, in einem weiteren Schritt 96 ausführliche, st<strong>an</strong>dardisierte<br />

Interviews mit Personal(marketing)-Chefs aus Unternehmen verschiedenster Br<strong>an</strong>chen<br />

und Unternehmensgrößen in Deutschl<strong>an</strong>d und der Schweiz zugrundegelegt. Die Kernpunkte<br />

der Arbeit werden abschließend in einer zusammenführenden Betrachtung von<br />

Theorie und Unternehmenspraxis diskutiert.<br />

Ergebnisse der Untersuchung<br />

Auf der Informations- resp. Markterfassungsseite impliziert die Strategie der<br />

Marktsegmentierung das zentrale strategische Entscheidungsproblem der Wahl geeig-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 261<br />

neter Segmentierungskriterien. Auf der Aktions- oder Marktbearbeitungsseite umfaßt<br />

diese Strategie die Festlegung der zu bearbeitenden Zielgruppen sowie die segmentspezifische<br />

Gestaltung des personalpolitischen Instrumentariums. Erst die Verbindung dieser<br />

beiden Aspekte der zielgruppenorientierten Markterfassung und Marktbearbeitung<br />

begründen die Personalmarkt-Segmentierung als Strategie, welche systematisch strategische<br />

Erfolgspotentiale zu suchen und durchzusetzen vermag, bzw. l<strong>an</strong>gfristiges und<br />

<strong>an</strong>tizipatives Vorgehen im Personalmarketing demonstriert.<br />

Die Ermittlung der geeigneten Segmentierungsstrategie aus den diversen Segmentierungsvari<strong>an</strong>ten<br />

für den Personalmarkt wird durch den Segmentierungsfilter ermöglicht:<br />

Dieser greift die beiden zentralen Entscheidungsprobleme der Thematik - die<br />

Wahl der geeigneten Segmentierungskriterien (Informationsaspekt) und die Wahl der<br />

zu bearbeitenden Segmente (Aktionsaspekt) - auf und integriert diese beiden Grundaspekte<br />

zu einem umfassenden Prüfraster der Marktsegmentierung als Personalmarketing-Strategie.<br />

Die einzelnen Segmentierungs<strong>an</strong>sätze - soziodemographische, geographische, qualifikationsbezogene,<br />

Benefit-, Lifestyle- sowie mehrstufige Personalmarkt-<br />

Segmentierung - werden so einer systematischen Analyse unterzogen. Erst ein Segmentierungskonzept,<br />

das die Anforderungen der gen<strong>an</strong>nten beiden Analyseaspekte zu erfüllen<br />

vermag, bildet eine je unternehmensbezogen optimale Strategie der Personalmarkt-<br />

Segmentierung.<br />

Aus der Gegenüberstellung der verschiedenen theoretischen und empirischen Einzelergebnisse<br />

resultieren folgende Schlußfolgerungen:<br />

1. Personalmarketing ist unverzichtbar zur strategischen Sicherung des Unternehmens.<br />

Zunächst müssen Vorbehalte und Hemmnisse gegenüber dem Personalmarketing<br />

selbst ausgeräumt werden, um Aufgeschlossenheit für die Marktsegmentierung<br />

als Personalmarketing-Strategie zu ermöglichen.<br />

2. Effektives Personalmarketing erfordert eine klare Regelung der Zuständigkeiten,<br />

d.h., dem erk<strong>an</strong>nten Stellenwert ist auch org<strong>an</strong>isational Rechnung zu tragen.<br />

3. Der interne und externe Aspekt des Personalmarketings müssen den gleichen Stellenwert<br />

erhalten; die Marktsegmentierung als Personalmarketing-Strategie muß<br />

damit gleichermaßen auf den internen wie externen Personalmarkt ausgerichtet<br />

sein.<br />

4. Zur systematischen Evaluierung diverser Segmentierungsvari<strong>an</strong>ten ist auf das<br />

Segmentierungsfilter zurückzugreifen. D.h., als Argumentationsbasis für die einzelnen<br />

Personalmarkt-Segmentierungskonzepte sollte nicht situativer Pragmatismus<br />

entscheiden, sondern vielmehr eine systematische, auf das Unternehmen zugeschnittene<br />

Evaluation der Segmentierungsalternativen erfolgen.<br />

5. Generell ist die Notwendigkeit einer Ausweitung bestehender, klassischer Segmentierungs<strong>an</strong>sätze<br />

hin zu progressiven, g<strong>an</strong>zheitlichen Segmentierungskonzepten<br />

ersichtlich. Im Personalsektor muß die Kurzformel „Qualifikation plus“ zumindest<br />

durch den Segmentierungs<strong>an</strong>satz „Qualifikation und Benefits plus“ ersetzt werden.<br />

6. Die Personalmarkt-Segmentierung ist nach Maßgabe allgemeiner betriebswirtschaftlicher<br />

sowie personalbezogener Determin<strong>an</strong>ten zu gestalten. D.h., nicht jede


262 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Segmentierungsstrategie ist für die verschiedenen Unternehmen gleichermaßen<br />

plausibel und praktikabel, vielmehr sind in Abhängigkeit von den jeweiligen Unternehmenscharakteristika<br />

<strong>an</strong>gepaßte Konzepte zu entwickeln.<br />

7. Die Implementierung der Marktsegmentierung als Personalmarketing-Strategie<br />

muß nach einem Stufenpl<strong>an</strong> in einzelnen Etappen erfolgen - nicht zuletzt um die<br />

Akzept<strong>an</strong>z aller Beteiligten zu sichern.<br />

8. Die Multi-Segment-Strategie ist Ausdruck einer für den Personalsektor <strong>an</strong>gemessenen,<br />

strategisch orientierten Segmentwahl. Eine Single-Segment-Strategie k<strong>an</strong>n<br />

nur für wenige Teilfunktionen des externen Personalmarketing akzeptabel sein.<br />

Außerdem muß im internen Personalmarketing der präferenzlosen Erklärung aller<br />

Segmente zu Zielgruppen auch faktisch eine zielgruppenspezifische Bearbeitung<br />

des gesamten internen Personalmarkts folgen.<br />

9. Nur dort, wo die Ausweitung auf eine Personalmarkt-Segmentierung <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von<br />

Lifestyle-Kriterien gelingt, ist eine partielle Integration von Absatz- und Personalmarkt-Segmentierung<br />

möglich. Letztere wird sich aber auch in diesem Falle v.a.<br />

auf Aspekte der integrierten Markterfassung und Kommunikationspolitik beschränken<br />

müssen.<br />

10. Es gibt Unternehmen, die sich aufgrund spezifischer Charakteristika für eine Vorreiterfunktion<br />

in der Anwendung der Personalmarkt-Segmentierung eignen.<br />

Nicht zuletzt ist die <strong>Personalforschung</strong> aufgerufen, die vorliegenden Ergebnisse<br />

aufzugreifen und zu einer weiteren Erhellung des skizzierten Sachverhaltes beizutragen.<br />

Über die vergleichende Gesamtschau dieser Arbeit hinaus wären vertiefte Untersuchungen<br />

einzelner Segmentierung<strong>an</strong>sätze in ihrer Relev<strong>an</strong>z für das<br />

Personalm<strong>an</strong>agement von Interesse, bspw. in Form von differenzierten Fallstudien,<br />

ebenso wie ergänzende systematische Untersuchungen zu Determin<strong>an</strong>ten der<br />

Personalmarkt-Segmentierung. Weiterer Forschungsbedarf besteht insbesondere im<br />

Bereich der integrierten Marktsegmentierung. Hierbei wären v.a. interdisziplinäre<br />

Forschungs<strong>an</strong>sätze für Wissenschaft und Praxis zukunftsweisend.<br />

5. Personalentwicklung / Weiterbildung<br />

M<strong>an</strong>fred Auer<br />

Personalentwicklung und betriebliche Mitbestimmung. Eine mikropolitische<br />

Analyse <br />

Betreuer: Prof. Dr. Steph<strong>an</strong> Laske, Universität Innsbruck<br />

Problemstellung und theoretische Basis<br />

<br />

dto., DeutscherUniversitäts<strong>Verlag</strong>, Wiesbaden 1994


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 263<br />

Die in empirischen Untersuchungen immer wieder bestätigte geringe Aufmerksamkeit<br />

der betrieblichen Interessenvertretung für Personalentwicklung findet ihre Entsprechung<br />

in der personalwirtschaftlichen Literatur. Dort finden sich - bis auf wenige<br />

Ausnahmen - keine ergiebigen Arbeiten zur betrieblichen Mitbestimmung im Bereich<br />

Personalentwicklung. In der Regel kommt die Personalentwicklungsliteratur, wenn sie<br />

diese Problematik überhaupt <strong>an</strong>spricht, nicht über die Erläuterung der rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

der Betriebsverfassung hinaus. Insbesondere fehlt eine tiefergehende<br />

theoretische Analyse des Verhältnisses von Personalentwicklung und Mitbestimmung.<br />

Diesem Defizit wird in dieser Arbeit durch eine mikropolitische Analyse der Zusammenhänge<br />

von Personalentwicklung und betrieblicher Mitbestimmung begegnet<br />

werden. Ausgeg<strong>an</strong>gen wird dabei von einem "Politikmodell", das Org<strong>an</strong>isationen als<br />

politische Arenen begreift, in denen - innerhalb einer relativ stabilen Herrschaftsordnung<br />

- unterschiedliche Akteure Interessen verfolgen und Macht einsetzen. Vor diesem<br />

Hintergrund geht es darum, "Einfallstore" für politische Prozesse (Ungewißheitszonen),<br />

Interessen- und Machtbeziehungen sowie Machtmittel und deren potentiellen Einsatz<br />

im Verhältnis von Personalentwicklung und betrieblicher Mitbestimmung aufzuzeigen.<br />

Ergebnisse<br />

Die Rolle des Betriebsrates im betrieblichen Politikfeld Personalentwicklung muß<br />

insgesamt als eher bescheiden eingeschätzt werden. Die wichtigsten Ursachen dafür<br />

sind:<br />

Betriebsräte haben in der Regel nur ein geringes Interesse <strong>an</strong> einem starken Engagement<br />

in Fragen der Personalentwicklung, was in erster Linie <strong>an</strong> der für sie schwachen<br />

Legitimationswirkung von Personalentwicklung liegt. Das Vertretungsinteresse der Beschäftigten<br />

im Bereich Personalentwicklung ist offenbar nur wenig ausgeprägt. Allerdings<br />

ist auch der umgekehrte Zusammenh<strong>an</strong>g denkbar: Der geringe Mitbestimmungseinsatz<br />

von Betriebsräten im Bereich Personalentwicklung läßt keine Vertretungserwartungen<br />

in der Belegschaft entstehen. Erschwerend kommen stark divergierende bzw.<br />

konkurrierende Qualifizierungsinteressen unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen hinzu.<br />

In der Regel werden Betriebsräte durch das M<strong>an</strong>agement nicht aktiv in Entscheidungsprozesse<br />

im Bereich Personalentwicklung eingebunden - im Gegenteil: Das M<strong>an</strong>agement<br />

betrachtet die Personalentwicklung als ein Gestaltungsfeld, das von der institutionalisierten<br />

Mitbestimmung wenig berührt werden sollte. Teilweise werden Personalentwicklungsinstrumente<br />

(Qualitätszirkel, partizipative Weiterbildungskonzepte,<br />

usw.) von Betriebsleitungen auch als Mitbestimmungssurrogate eingesetzt, was die Unterstützung<br />

der Belegschaft - als eine wichtige Machtgrundlage des Betriebsrates -<br />

durchaus beeinträchtigen k<strong>an</strong>n.<br />

Die Gewerkschaften haben bis vor kurzem die betriebliche Personalentwicklung<br />

(sofern sie über die Lehrlingsausbildung hinausgeht) weitgehend vernachlässigt. Hier<br />

ist aber eine Trendwende im G<strong>an</strong>ge, die sich in Deutschl<strong>an</strong>d (nicht aber in Österreich)<br />

schon in tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Tarifvertragliche Normen zur<br />

Qualifizierung sind für die betriebliche Mitbestimmung vor allem deshalb wichtig, weil


264 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Betriebsräte in der Regel nicht über eigenständige Personalentwicklungs-"Leitbilder"<br />

verfügen, die einen Bezugsrahmen für die Interessenvertretung in der Personalentwicklung<br />

bilden können. Allerdings haben die wenigen tariflichen Regelungen, vor allem<br />

aufgrund der geringen Akzept<strong>an</strong>z durch die Betriebsparteien, bisher nur geringe betriebspolitische<br />

Wirkungen gezeigt.<br />

Die rechtlichen Regelungen zeichnen sich durch einen stark reaktiven Grundzug<br />

aus. Dies wird schon dar<strong>an</strong> deutlich, daß die grundsätzliche Entscheidung über die Einführung<br />

von Berufsbildungsmaßnahmen mitbestimmungsfrei ist, d.h. in das alleinige<br />

Direktionsrecht des Arbeitgebers fällt. Außerdem stellt sich die betriebsverfassungsrechtliche<br />

Situation relativ unübersichtlich dar, da der Bereich Personalentwicklung<br />

durch die Betriebsverfassung nicht systematisch erfaßt wird. Daraus leiten sich rechtliche<br />

Unsicherheiten ab, die den politischen Einsatz dieser Rechtsnormen wesentlich erschweren.<br />

Die rechtlichen Regelungen des österreichischen Arbeitsverfassungsgesetzes<br />

sind dabei als einigermaßen schwächer als die des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes<br />

einzuschätzen.<br />

Betriebsräte nehmen sich selbst oft als zu wenig qualifiziert wahr, um im Bereich<br />

der Personalentwicklung effektiv mitbestimmen und mitwirken zu können. Dazu<br />

kommt die - in Relation zu Personal- bzw. Personalentwicklungsabteilungen - enorme<br />

Knappheit <strong>an</strong> zeitlichen und personellen Ressourcen. Im Zweifel werden diese knappen<br />

Kapazitäten meist für dringendere bzw. "lohnendere" Mitbestimmungsfelder eingesetzt.<br />

Die betriebliche Interessenvertretung in der Personalentwicklung leidet vielfach<br />

unter einem erheblichen Informationsdefizit, sowohl was den Personalentwicklungsbedarf<br />

als auch die aktuell praktizierte betriebliche Personalentwicklung <strong>an</strong>geht. Dies<br />

ist nicht nur auf eine m<strong>an</strong>gelnde Informationsweitergabe durch das (Personalentwicklungs-)M<strong>an</strong>agement<br />

zurückzuführen, sondern liegt auch <strong>an</strong> der fehlenden eigenständigen<br />

Informationsbeschaffung und -verarbeitung durch die Betriebsräte.<br />

Der starke Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen technisch-org<strong>an</strong>isatorischen Veränderungen<br />

und der - impliziten wie expliziten - Qualifizierung der Arbeitnehmer wird von Betriebsräten<br />

nur selten zum Mitbestimmungsthema gemacht. Aber gerade Technik und<br />

Org<strong>an</strong>isation schränken den Gestaltungsspielraum von Personalentwicklung erheblich<br />

ein, weshalb ihnen von seiten der Interessenvertretung besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen<br />

wäre.<br />

Die Mitbestimmungspolitik der Betriebsräte auf dem Gebiet der Personalentwicklung<br />

findet - nicht zuletzt aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung, gleichzeitig Betriebs-<br />

und Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen - im Sp<strong>an</strong>nungsfeld von ökonomischen<br />

Postulaten und sozialen Forderungen statt. Dem Druck des M<strong>an</strong>agements, den<br />

ökonomischen "Notwendigkeiten" den Vorzug zu geben, stehen die Ansprüche der<br />

Gewerkschaften nach einer auf Egalitätsvorstellungen basierenden Interessenvertretung<br />

gegenüber.<br />

Aufgrund der perm<strong>an</strong>enten Bedeutungszunahme der Personalentwicklung für die<br />

Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie der Arbeitsplatzsicherheit und Karrierech<strong>an</strong>cen<br />

von Arbeitnehmern k<strong>an</strong>n die Vernachlässigung dieses mitbestimmungspolitischen<br />

Feldes durch die Betriebsräte als einigermaßen problematisch eingeschätzt wer-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 265<br />

den. Allerdings steht die betriebliche Interessenvertretung bei dem Versuch der Intensivierung<br />

der Mitbestimmung in Fragen der Personalentwicklung vor einem mehrfachen<br />

Dilemma: Die betriebliche Regelungsebene wird schon in traditionell gewerkschaftlichen<br />

Regelungsbereichen - wie Lohn- und Arbeitszeitpolitik - immer stärker gefordert.<br />

Gleichzeitig werden Betriebsräte mit neuen Mitbestimmungsfeldern - wie etwa Personalentwicklung<br />

- konfrontiert. Diese mehr "qualitativen" Mitbestimmungsfelder erfordern<br />

- aufgrund ihrer besonders schwierigen zentralen bzw. kollektiven betrieblichen<br />

Regelung - zusätzlich ein <strong>an</strong>deres Rollenverständnis von Betriebsräten. Ein solches -<br />

weniger ergebnis- dafür mehr prozeßorientiertes - Mitbestimmungsverständnis des Betriebsrates<br />

ist aber bisher erst in Ansätzen konzeptioniert und wird nur l<strong>an</strong>gfristig sowie<br />

in teilweise schwierigen politischen Prozessen mit den <strong>an</strong>deren Mitbestimmungsakteuren<br />

- Arbeitnehmer, M<strong>an</strong>agement und Gewerkschaften - realisiert werden können.<br />

Weiterführende Fragen<br />

Die vielfältigen Barrieren einer wirkungsvollen Stellvertretermitbestimmung durch<br />

den Betriebsrat im Bereich der Personalentwicklung legt die Forderung nach einer Intensivierung<br />

der direkten Mitbestimmung der Arbeitnehmer nahe: Personalentwicklung<br />

als Paradebeispiel für die Mitbestimmung am Arbeitsplatz? Vieles spricht dafür, doch<br />

es stellt sich sowohl die Frage nach der Durchsetzbarkeit einer stärkeren, rechtlich abgesicherten,<br />

direkten Mitbestimmung der Arbeitnehmer als auch nach den sich daraus<br />

ergebenden Konsequenzen für die Institution Betriebsrat: Prinzipiell erwächst dem Betriebsrat<br />

durch die Mitbestimmung am Arbeitsplatz eine konkurrierende "Mitbestimmungsinstitution",<br />

d.h., er verliert zumindest teilweise den Alleinvertretungs<strong>an</strong>spruch.<br />

Damit muß zwar keine Schwächung der betrieblichen Interessenvertretung verbunden<br />

sein - eine gewisse Bedrohung stellt dieses "Szenario" aber allemal dar. Deshalb ist<br />

nicht nur mit erheblichem Widerst<strong>an</strong>d von Arbeitgeberseite, sondern zum Teil wohl<br />

auch von Gewerkschafts- bzw. Betriebratsseite zu rechnen. Die Durchsetzungsch<strong>an</strong>cen<br />

der Intensivierung der Mitbestimmung am Arbeitsplatz sind insofern aktuell als relativ<br />

gering einzuschätzen.<br />

Michael Fiedler<br />

Dezentrale Org<strong>an</strong>isation und marktorientierte Steuerung der Personalentwicklung<br />

- Betriebliche Personalentwicklung nach der Profit-<br />

Center-Konzeption *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Helmut Wagner, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,<br />

insb. Org<strong>an</strong>isationstheorie und Personalm<strong>an</strong>agement, Universität Münster<br />

*<br />

<strong>Verlag</strong> Josef Eul, Bergisch Gladbach und Köln, 1994 (Reihe: Personal-M<strong>an</strong>agement; Bd. 3)


266 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Im Rahmen der Dissertation wird untersucht, ob und unter welchen Bedingungen<br />

die personalwirtschaftliche Funktion der Personalentwicklung als Profit-Center geführt<br />

werden k<strong>an</strong>n. Hierzu wird <strong>an</strong>alytisch-deskriptiv auf der Basis eines Idealmodells der<br />

Profit-Center-Konzeption die Aufgabenteilung zwischen dem org<strong>an</strong>isatorischen Bereich<br />

Personalentwicklung, den unternehmensinternen Abnehmern sowie unternehmensexternen<br />

Liefer<strong>an</strong>ten und Nachfragern von Personalentwicklungsleistungen diskutiert.<br />

Das Idealmodell der Profit-Center-Konzeption basiert auf dem Ged<strong>an</strong>ken, das betriebliche<br />

System der Personalentwicklung wettbewerblich zu gestalten. In diesem Fall<br />

k<strong>an</strong>n das Profit-Center Personalentwicklung seine Leistungen auch <strong>an</strong> unternehmensexterne<br />

Nachfrager abgeben und auch unternehmensintern im Wettbewerb mit unternehmensexternen<br />

Anbietern von Personalentwicklungsleistungen. Den mit einer solchen<br />

Umsetzung verbundenen positiven Konsequenzen, wie z. B. einer effizienten Faktorallokation<br />

oder durch den Wettbewerbsdruck erzeugten Prozeß- und Produktinnovationen,<br />

stehen allerdings auch verschiedene Nachteile bzw. Gefahren gegenüber. Die wohl<br />

größte Gefahr besteht darin, daß die betriebliche Personalentwicklung eher kurzfristig<br />

orientiert ist.<br />

Da die Arbeit nicht nur zum Ziel hat, die Profit-Center-Konzeption zu beschreiben,<br />

sondern auch den Weg zu dieser, wird einer weiteren Diskussion des Themas eine Analyse<br />

verschiedener empirischer Untersuchungen vorgeschaltet. Damit soll die in größeren<br />

Unternehmen vorzufindende Ausg<strong>an</strong>gsbasis für den herauszuarbeitenden Entwicklungsprozeß,<br />

<strong>an</strong> dessen Ende ein Profit-Center Personalentwicklung steht, aufgezeigt<br />

werden.<br />

Die Analyse verschiedener empirischer Studien aus den Jahren von 1983/84 bis<br />

1992 belegt, daß Personalentwicklung in größeren Unternehmen überwiegend als Zentralbereich<br />

in der Form eines Service-Center geführt wird. Diese Steuerungskonzeption<br />

weist erhebliche Unterschiede zu einer wettbewerblichen Steuerung nach der Profit-<br />

Center-Konzeption auf.<br />

Um nun aus einem solchen Service-Center ein Profit-Center Personalentwicklung<br />

zu entwickeln, bedarf es zunächst einer Dezentralisierung von Personalentwicklungsaufgaben.<br />

Unter diesem Aspekt sind den Führungskräften der Unternehmung in vermehrtem<br />

Umf<strong>an</strong>g vertikale und horizontale Personalentwicklungsautonomie sowie eine<br />

diesbezügliche Informationsautonomie zu übertragen. Ein entsprechend gestaltetes dezentrales<br />

Modell der Personalentwicklung wird im Rahmen der Arbeit entwickelt. Dabei<br />

wird auf Gestaltungsmöglichkeiten der Personalentwicklung zum Zweck der Anpassungs-<br />

sowie der Aufstiegsqualifizierung eingeg<strong>an</strong>gen. Eine entsprechende<br />

Gestaltung der situationsspezifischen Rahmenbedingungen der Personalentwicklung<br />

k<strong>an</strong>n letztendlich ein selbstorg<strong>an</strong>isierendes System generieren.<br />

Neben einer solchen weitgehenden Dezentralisierung von Personalentwicklungsaufgaben<br />

bedarf es einer evolutionären Entwicklungsstrategie, um das Leistungs<strong>an</strong>gebot<br />

des Service-Center auf den Wettbewerb vorzubereiten, in dem es als Profit-Center<br />

stehen wird. Diese Entwicklungsstrategie wird im Rahmen der Arbeit als Diversifikationsprozeß<br />

betrachtet. Da das neu zu schaffende Produkt Personalentwicklung in der


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 267<br />

Regel in keinem sachlichen Zusammenh<strong>an</strong>g zu den bereits von der Unternehmung vertriebenen<br />

Produkten steht und nur auf dem Weg der Eigenentwicklung realisiert werden<br />

k<strong>an</strong>n, h<strong>an</strong>delt es sich um eine laterale interne Diversifikation.<br />

Das Endstadium der herausgearbeiteten evolutionären Entwicklungsstrategie ist<br />

durch ein Profit-Center Personalentwicklung in der Form eines Anbieters sowohl von<br />

Weiterbildungs- bzw. Schulungs- als auch von Beratungsleistungen gekennzeichnet.<br />

Wie bei der Diskussion von Ressourcenausstattung, Org<strong>an</strong>isation und Zielsystem eines<br />

solchermaßen gestalteten Profit-Centers allerdings deutlich wird, birgt die Realisierung<br />

dieses Leistungsspektrums verschiedene Probleme.<br />

Eine Dezentralisierung der Personalentwicklungsaufgaben und eine Veränderung<br />

der Führungskonzeption der Personalentwicklung weg von einem Service-Center hin zu<br />

einem Profit-Center haben erhebliche Auswirkungen auf die relev<strong>an</strong>ten unternehmensinternen<br />

Leistungsbeziehungen. Hier ergibt sich zunächst das Problem der Bestimmung<br />

geeigneter Tr<strong>an</strong>sferpreise. Die der Profit-Center-Konzeption adäquate Anwendung<br />

marktkonformer Preise zieht unmittelbar eine Verteuerung der unternehmensintern ausgetauschten<br />

Personalentwicklungsleistungen nach sich. Zudem können die nunmehr in<br />

dezentraler Ver<strong>an</strong>twortung stehenden Personalentwicklungsaktivitäten nur gesteuert<br />

werden, wenn die Personalentwicklungsleistungen der Führungskräfte in irgendeiner<br />

Form beurteilbar sind. Wie allerdings festgestellt werden muß, bedarf das diesbezüglich<br />

zur Verfügung stehende Instrumentarium noch einer erheblichen Verfeinerung.<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Einführung der Profit-Center-<br />

Konzeption nur für bestimmte Personalentwicklungsleistungen und nur unter bestimmten<br />

Bedingungen sinnvoll ist. Werden entsprechende Überlegungen <strong>an</strong>gestellt, so sollte<br />

sich der Entwicklungsprozeß zu einem Profit-Center Personalentwicklung <strong>an</strong> folgenden<br />

Phasen orientieren:<br />

1. Institutionalisierung einer diesen Prozeß koordinierenden Stelle,<br />

2. weitestgehende Dezentralisierung der betrieblichen Personalentwicklungsaufgaben<br />

auf die Führungskräfte,<br />

3. Durchführung einer Stärken-/Schwächen-Analyse des Leistungs<strong>an</strong>gebotes des bestehenden<br />

Service-Center Personalentwicklung,<br />

4. Pilotierung im Rahmen einer unternehmensinternen Testphase,<br />

5. Öffnung des Leistungs<strong>an</strong>gebotes des Service-Centers für unternehmensinterne<br />

Nachfrager und erst abschließend<br />

6. Öffnung des unternehmensinternen Marktes für Personalentwicklungsleistungen<br />

auch für unternehmensexterne Anbieter.<br />

Entwickelt sich das Profit-Center l<strong>an</strong>gfristig zu einem kompetenten Anbieter von<br />

Personalentwicklungsleistungen, so k<strong>an</strong>n am Ende des Entwicklungsprozesses auch ein<br />

Outsourcing des Profit-Centers im Sinne der Gründung einer eigenen Gesellschaft stehen.<br />

Grundsätzlich ist allerdings zu berücksichtigen, daß, wie im Verlauf der Arbeit zudem<br />

herausgearbeitet wird, einige Personalentwicklungsleistungen, wie z. B. die Führungskräfteentwicklung,<br />

allein schon aus unternehmensstrategischen Erwägungen heraus<br />

auch nach der Einführung der Profit-Center-Konzeption weiter von einem Service-


268 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Center <strong>an</strong>geboten werden sollten. Dies hat zur Folge, daß für bestimmte Leistungsbereiche<br />

das Profit-Center und für <strong>an</strong>dere ein zentrales Service-Center zuständig sind.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 269<br />

Burkhard Müller<br />

Vermittlung von Methodenkompetenz für kaufmännisch administrative<br />

Tätigkeiten. Kognitives Training mit heuristischen Regeln *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dieter Wagner, Universität Potsdam<br />

Zielsetzung der Arbeit<br />

Die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern steht immer häufiger im Zentrum<br />

der personalwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Diskussionen. Ein wesentlicher<br />

Grund ist die heute immer schneller vor<strong>an</strong>schreitende Obsoleszenz des Fachwissens.<br />

Damit kommen <strong>an</strong>deren Qualifikationen, wie z.B. dem Wissen über Methoden zur systematischen<br />

Wissens<strong>an</strong>eignung oder dem Wissen über Methoden zur systematischen<br />

Lösung von Problemen, eine immer stärkere Bedeutung zu. Hierzu finden sich in der<br />

Literatur und in der betrieblichen Praxis eine Vielzahl von Ansätzen, die unter Begriffen<br />

wie “Vermittlung von Schlüsselqualifikation“, “Förderung von Methodenkompetenz“<br />

oder “PETRA - Projekt- und tr<strong>an</strong>sferorientierter Ausbildung“ bek<strong>an</strong>nt geworden<br />

sind.<br />

Zwei zentrale Unzulänglichkeiten weisen die bisherigen Forschungsergebnisse jedoch<br />

auf:<br />

Fast alle Projekte wurden im Rahmen technisch-gewerblicher Tätigkeiten entwickelt,<br />

die sich durch die Besonderheit auszeichnen, daß i.d.R. am Ende des Lösungsprozesses<br />

über eine Funktionsprüfung (z.B. Funktionsfähigkeit einer Schaltung, Paßgenauigkeit<br />

eines Werkstückes, o.ä.) eine Rückkopplung hinsichtlich der Richtigkeit der entwickelten<br />

Lösung und damit auch hinsichtlich der Pl<strong>an</strong>ungsqualität des Problemlösungsprozesses<br />

möglich ist. Genau dieses ist bei kaufmännischen Tätigkeiten sehr häufig<br />

nicht möglich, da zwischen der vermeintlichen Lösung eines Problems und der<br />

Überprüfung dieser Lösung oftmals ein erheblicher Zeitraum liegt. Die Beratung hinsichtlich<br />

einer bestimmten Lebensversicherung k<strong>an</strong>n sich unter Umständen erst nach<br />

Jahren als falsch erweisen; eine erst d<strong>an</strong>n erfolgende Rückkopplung zu dem entsprechenden<br />

Sachbearbeiter ist für dessen Lernprozeß, der sich in einem wesentlich kürzerem<br />

Zeitraum abspielt, damit nicht mehr verwertbar.<br />

Eine weitere, auch von <strong>an</strong>deren Autoren diagnostizierte Schwierigkeit ist die häufig<br />

unzureichende Konkretisierung oder Operationalisierung der betrieblichen Anforderungen<br />

im Bereich der extrafunktionalen Qualifikationen bzw. der Schlüsselqualifikationen.<br />

Hier stehen fast immer sehr detailliert aufgeführten fachlichen Qualifikationen<br />

sehr global formulierte methodische Qualifikationen gegenüber. “Das strukturierte<br />

Vorgehen“ als ein Beispiel für diese Art von Qualifikations<strong>an</strong>forderungen macht deutlich,<br />

daß diese abstrakte Formulierung, so sie nicht vor dem Hintergrund einer betriebli-<br />

*<br />

Das Buch wird im Herbst 1995 in den Hochschulschriften zum Personalwesen, B<strong>an</strong>d 21 im<br />

<strong>Rainer</strong> <strong>Hampp</strong> <strong>Verlag</strong> erscheinen.


270 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

chen Problemstellung konkretisiert wird, als Zielvorgabe ungeeignet und damit der Erfolg<br />

des Trainingsprozesses in dieser Hinsicht zufällig ist.<br />

Hieraus ergibt sich als Zielsetzung für diese Veröffentlichung<br />

- die Erarbeitung der besonderen Bedingungen bei einer selbstregulierenden Qualifizierung<br />

für kaufmännisch-administrative Tätigkeiten,<br />

- die Entwicklung eines Instrumentariums zur Ableitung konkreter, <strong>an</strong> einem bestimmten<br />

Arbeitsplatz relev<strong>an</strong>ter methodischer Qualifikationen und<br />

- die Entwicklung eines Trainingskonzeptes zur Förderung dieser Qualifikationen.<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Auf Grund der obigen Ausführungen ergibt sich bereits, daß die klassische berufsund<br />

wirtschaftspädagogische Literatur nur wenige Antworten auf die gestellten Fragen<br />

liefern k<strong>an</strong>n. Der Schwerpunkt der theoretischen Fundierung ist daher auch in dem Bereich<br />

der Arbeitspsychologie, speziell in der H<strong>an</strong>dlungsregulationstheorie und der Problemlösungstheorie<br />

zu sehen. Anh<strong>an</strong>d dieser beiden Forschungsrichtungen werden die<br />

Besonderheiten bei der Steuerung, d.h. der Regulation kaufmännischer Tätigkeiten abgeleitet.<br />

Dabei werden <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der H<strong>an</strong>dlungsregulationstheorie, die von einer Antizipations-,<br />

einer Realisations- und einer Rückkopplungsphase und unterschiedlichen Regulationsebenen<br />

ausgeht, die Schwierigkeiten bei der Rückkopplung, die entweder nicht objektiv,<br />

mit erheblichem Zeitverzug oder auch überhaupt nicht erfolgt, aufgezeigt.<br />

Für die Lösung von Problemen, die fast ausschließlich die intellektuelle Regulationsebene<br />

betreffen, wird zur weiteren Differenzierung auf die Arbeiten Dörners zurückgegriffen,<br />

bei denen zwischen interpolativen, synthetischen und dialektischen Problemen<br />

unterschieden wird. Hier zeigt sich, daß im Gegensatz zum gewerblichtechnischen<br />

Bereich im kaufmännisch-administrativen Bereich sehr häufig dialektische<br />

Problemstellungen vorherrschen, die sich durch eine sehr geringe Klarheit der Zielkriterien<br />

ausweisen; d.h., die Definition der Zielvorstellung ist hier ein Teil der Problemstellung.<br />

Dieser Tatbest<strong>an</strong>d, verbunden mit den Rückkopplungsschwierigkeiten, macht die<br />

Besonderheit bei der Selbstregulation von problemlösendem Denken im kaufmännischen<br />

Bereich aus.<br />

Verfahren zur Ermittlung der methodischen Elemente eines Tätigkeitsbereiches<br />

Erster wichtiger Teilschritt ist die im Rahmen der Arbeit entwickelte problembezogene<br />

Fachstruktur<strong>an</strong>alyse. Notwendig wird diese durch die unterschiedlichen Strukturierungsmöglichkeiten<br />

von Qualifizierungsinhalten. Die eine Form der Strukturierung<br />

orientiert sich <strong>an</strong> den tradierten fachlichen Strukturen der jeweiligen Disziplin. Im<br />

kaufmännischen Bereich k<strong>an</strong>n das zum Beispiel eine Unterteilung in die Bereiche<br />

Recht, BWL, Rechnungswesen, Mathematik usw. sein. Diese fachorientierte Strukturierung<br />

ermöglicht es dem Mitarbeiter, sich die jeweiligen Fachstrukturen zu erschließen,<br />

neue Inhalte einzuordnen und Lücken unter Umständen selber zu erkennen. Für das am


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 271<br />

Arbeitsplatz erforderliche Lösen von Problemen sind jedoch auch <strong>an</strong>dere Strukturen<br />

notwendig, bei denen die fachlichen Inhalte der einzelnen Teilbereiche unter einem tätigkeitsbezogenen<br />

Blickwinkel integriert und neu strukturiert werden müssen. Wichtig<br />

ist, daß beide Strukturen, die fachbezogene und die tätigkeitsbezogene, mitein<strong>an</strong>der in<br />

Beziehung gesetzt werden. Dieses erfordert<br />

- die tätigkeitsbezogene Zusammenstellung der fachlichen Inhalte,<br />

- die Differenzierung der möglichen Ausg<strong>an</strong>gssituationen und<br />

- die Zuordnung von Tr<strong>an</strong>saktionen zu diesen Ausg<strong>an</strong>gssituationen.<br />

Diese Vorgehensweise wird als problembezogene Fachstruktur<strong>an</strong>alyse bezeichnet.<br />

Tätigkeiten bei denen eindeutig einer bestimmten Ausg<strong>an</strong>gssituation eine bestimmte<br />

Tr<strong>an</strong>saktion, also ein bestimmter Lösungsalgorithmus, zugeordnet werden k<strong>an</strong>n, stellen<br />

nach der Definition Dörners keine Probleme sondern nur Aufgaben dar. Sie unterliegen<br />

auf Grund dieser klaren und eindeutigen Zuordnung latent der Gefahr der Automation<br />

und repräsentieren somit nicht die zukunftsträchtigen Arbeitsinhalte, die neue<br />

Qualifikationen erfordern. Ausg<strong>an</strong>gssituationen, bei denen verschiedene Tr<strong>an</strong>sformationsmech<strong>an</strong>ismen,<br />

unter Umständen in kombinierter Form, zum Einsatz kommen, bei<br />

denen sich durch ein strategisch sinnvolles Vorgehen <strong>an</strong> die optimale Lösung <strong>an</strong>genähert<br />

werden muß, sind die in der Zukunft relev<strong>an</strong>ten Tätigkeitsbereiche. Der zweite<br />

Schritt erfordert daher auf der Basis der Fachstruktur<strong>an</strong>alyse die Analyse des Problemlösungsablaufes.<br />

Trainingsverfahren<br />

Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde ein Trainingskonzept entwickelt, bei<br />

dem zwischen dem Erwerb der h<strong>an</strong>dlungsregulativen Grundlagen, d.h. dem methodischen<br />

Wissen und der Interiorisierung, d.h. der Verinnerlichung der Vorgehensweise,<br />

unterschieden wurde. Wichtig ist in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g, daß das Konzept auf einem<br />

der Zielgruppe <strong>an</strong>gemessenen Anteil <strong>an</strong> Selbständigkeit beim Erwerb der h<strong>an</strong>dlungsregulativen<br />

Grundlagen basiert. Damit k<strong>an</strong>n die Zielgruppe schrittweise vom Kennenlernen<br />

eines Lösungsalgorithmus <strong>an</strong> das selbständige Erarbeiten eines Algorithmus<br />

her<strong>an</strong>geführt werden.<br />

Empirische Ergebnisse<br />

Die gesamte Arbeit basiert auf einer empirischen Studie, die in einem Unternehmen<br />

der Versicherungswirtschaft durchgeführt wurde. Auch wenn eine statistisch signifik<strong>an</strong>te<br />

Absicherung auf Grund der relativ geringen Prob<strong>an</strong>denzahlen nicht durchgeführt<br />

werden konnte, wurde dennoch im Rahmen dieser Studie ein Testinstrumentarium<br />

entwickelt und vorgetestet; die Ergebnisse zeigen deutlich positive Tendenzen.<br />

Weitere, sich <strong>an</strong>schließende Forschungsaktivitäten könnten zum Beispiel diesen<br />

Aspekt aufgreifen oder die Entwicklung eines noch umfassenderen Konzeptes, das auch<br />

die Sozialkompetenz einschließt, <strong>an</strong>streben.<br />

Gi<strong>an</strong>-Carlo Sciuchetti


272 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Multikulturelle Führungskräfteentwicklung on the job *<br />

Betreuer: Prof. Dr. R. Wunderer (Referent) und Prof. Dr. M. Hilb (Korreferent),<br />

beide Hochschule St. Gallen<br />

Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, welche Methoden multikultureller<br />

Führungskräfteentwicklung besonders geeignet sind, der zunehmenden weltwirtschaftlichen<br />

Verflechtung Rechnung zu tragen. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, auf dem<br />

Weg zu wissenschaftlich fundierten Entwicklungsmaßnahmen für die Zielgruppe "multikulturell<br />

tätige Führungskräfte" einen Schritt vor<strong>an</strong>zukommen. Das Schwergewicht<br />

liegt auf Methoden on the job. Als multikulturell tätig gilt im vorliegenden Kontext eine<br />

Führungskraft, welche in verschiedenen Kulturkreisen gearbeitet hat.<br />

Es wird versucht, die Übereinstimmung, in dieser Arbeit "Fit" gen<strong>an</strong>nt, zwischen<br />

den für eine multikulturell tätige Führungskraft erforderlichen Qualifikationen und den<br />

für eine multikulturelle Tätigkeit geeigneten Führungskräfteentwicklungsmethoden aufzuzeigen.<br />

Vor der Durchführung etwelcher Maßnahmen muß dabei nach Ansicht des<br />

Autors ein je nach Unternehmen und Zielgruppe (z.B. multikulturell tätige Führungskräfte)<br />

spezifisches Anforderungsprofil erarbeitet werden. Denn die Durchführung von<br />

Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen hat sowohl für die Firma als auch für den Mitarbeiter<br />

nur d<strong>an</strong>n einen Nutzen, wenn sie zielorientiert ist. Die im Rahmen dieser Arbeit<br />

erläuterten Anforderungen <strong>an</strong> eine multikulturell tätige Führungskraft sind vor diesem<br />

Hintergrund nicht als allgemeingültig, sondern als Vari<strong>an</strong>te zu interpretieren. Dasselbe<br />

gilt für die erläuterten Methoden multikultureller Führungskräfteentwicklung on the<br />

job. Es sind dies in der vorliegenden Arbeit die multikulturelle Job Rotation, die multikulturell<br />

zusammengesetzte Projektgruppe, Coaching, Mentoring, Counseling sowie der<br />

Führungsstil.<br />

Die theoretische Grundlage bilden einerseits behavioristische und kognitive Lerntheorien,<br />

Modell- und Erfahrungslernen, Action Learning sowie Lernen durch soziale<br />

Einflüsse; <strong>an</strong>derseits wird auf der Basis von rollen- und situationstheoretischen Grundlagen<br />

argumentiert. Interess<strong>an</strong>t ist in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g z.B. die Erkenntnis, daß<br />

der Rollentheorie im Rahmen multikultureller Führungskräfteentwicklung on the job in<br />

Zukunft verstärkt Beachtung geschenkt werden sollte. Diese Forderung geht dabei über<br />

die ideale Zusammensetzung von Teams hinaus. Sie betrifft v.a. die Förderung von<br />

Führungskräften, welche die org<strong>an</strong>isatorische Ver<strong>an</strong>kerung multikultureller Führungskräfteentwicklung<br />

on the job begünstigen. Dabei kommt der Zusammensetzung des<br />

Top-M<strong>an</strong>agements eine Schlüsselrolle zu. Nebst der Rollentheorie spielt bei multikultureller<br />

Führungskräfteentwicklung on the job auch die Berücksichtigung situationstheoretischer<br />

Grundlagen eine entscheidende Rolle. Erwähnt sei in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

die multikulturell zusammengesetzte Projektgruppe, deren Erfolg oder Mißerfolg<br />

nicht nur durch die Persönlichkeitseigenschaften der einzelnen Mitglieder bestimmt<br />

*<br />

Die vorliegende Arbeit ist 1994 im IKU-<strong>Verlag</strong>, St. Gallen unter dem Titel "Learning by<br />

doing: Entwicklung von Führungskräften on the job" erschienen.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 273<br />

wird, sondern ebenso durch die Art der Gruppenstruktur, Gruppennormen, die Komplexität<br />

der Aufgabenstellung und durch externe Einflüsse auf die Gruppe.<br />

Auch Action Learning, Lernen durch soziale Einflüsse, Erfahrungs- und Modellernen<br />

stellen eine wesentliche Komponente multikultureller Führungskräfteentwicklung<br />

dar. In einem fremden Kulturkreis k<strong>an</strong>n on the job sowohl über soziale H<strong>an</strong>dlungsmuster<br />

als auch über Gewohnheiten, Bräuche etc. Wichtiges gelernt werden, was wiederum<br />

Führungskräfteentwicklung bedeutet, z.B. im Bereich der sozialen Kompetenz.<br />

Um den Aktualitätsgrad sowie den Praxisbezug des Themas zu berücksichtigen,<br />

werden die in der Literatur zahlreich vorh<strong>an</strong>denen empirischen Ergebnisse laufend mit<br />

den oben erwähnten Theorien verbunden. Aufsätze aus ausgewählten Zeitschriften liefern<br />

vielfältige Praxisbeispiele. Zusätzlich wurde eine Befragung bei fünfzehn Experten<br />

im Bereich der multikulturellen Führungskräfteentwicklung durchgeführt. Bei der<br />

Auswahl wurde schwergewichtig auf der Basis des Verzeichnisses der größten Unternehmen<br />

der Schweiz vorgeg<strong>an</strong>gen. Es wurde versucht, ein möglichst breites Spektrum<br />

von Br<strong>an</strong>chen zu erfassen. Zusätzlich wurden vier im multikulturellen M<strong>an</strong>agement<br />

führende Berater befragt. Als Datenerhebungsinstrument wurde das teilst<strong>an</strong>dardisierte<br />

Interview ausgewählt. Auf diese Weise konnte der qualitativen Ausrichtung des Themas<br />

Rechnung getragen werden. Daß die gewählte Methode mit gewissen Einschränkungen<br />

bei der Erfüllung der Gütekriterien verbunden ist, wurde bewußt in Kauf genommen.<br />

Zusätzlich wurde auch eine empirische Überprüfung verschiedenster Wirkungshypothesen<br />

vorgenommen.<br />

Diese ergab, daß die befragten Experten der Ansicht sind, daß es v.a. die Sozialkompetenz<br />

ist, welche durch multikulturelle Job Rotation und die multikulturell zusammengesetzte<br />

Projektgruppe wesentlich entwickelt werden k<strong>an</strong>n. Durch die besagten<br />

Methoden am wenigsten entwickelbar ist aus der Sicht der Praktiker der Bereich der<br />

M<strong>an</strong>agementkompetenz. Demgegenüber sind diese der Ansicht, daß die - je nach Kultur<br />

auch für Führungskräfte äußerst wichtige - Fachkompetenz durch multikulturelle Job<br />

Rotation und die multikulturell zusammengesetzte Projektgruppe stärker entwickelt<br />

werden können als in den Hypothesen <strong>an</strong>genommen.<br />

Aber nicht nur die empirische Überprüfung der Wirkungshypothesen brachte<br />

Grenzen multikultureller Führungskräfteentwicklung on the job zutage. Auf solche wird<br />

bei der Untersuchung der praktischen Relev<strong>an</strong>z bei den weiter oben definierten Führungskräfteentwicklungsmethoden<br />

hingewiesen. Im Bereich multikultureller Job Rotation<br />

liegen die Grenzen z.B. in der Belastung der betroffenen Familien, in der Persönlichkeit<br />

der Führungskraft als auch in der Verfügbarkeit freier Arbeitsplätze.<br />

Aufgrund solcher Grenzen werden in einem separaten Kapitel zum on the job-<br />

Konzept ergänzende Maßnahmen erläutert. Beispiele hiefür sind Orientierungsprogramme,<br />

Cross-Cultural-Trainings, Seminare, Pl<strong>an</strong>spiele, Workshops etc.. Aufgrund<br />

von z.B. kulturbedingten Gegebenheiten (z.B. fehlende Infrastruktur) sind allerdings<br />

auch diese Methoden wiederum mit einer Vielzahl von Restriktionen verbunden. Ebenfalls<br />

im Rahmen dieses Kapitels wurden Fragen der Selektion, Beurteilung und Entlöhnung<br />

von im Ausl<strong>an</strong>d tätigen Spitzenm<strong>an</strong>agern kurz erläutert.


274 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Angerissen, nicht aber vollständig be<strong>an</strong>twortet werden im Rahmen der vorliegenden<br />

Arbeit die Fragen nach der Reintegration sowie diejenige nach der Rolle des Lebenspartners<br />

bei einem Ausl<strong>an</strong>dengagement.<br />

Unbe<strong>an</strong>twortet bleibt die Frage nach dem Kosten-Nutzenverhältnis multikultureller<br />

Führungskräfteentwicklung on the job. Häufig wird von Praxisseite argumentiert, daß<br />

z.B. eine internationale Job Rotation sehr teuer sei. Es h<strong>an</strong>delt sich allerdings um eine<br />

ungenügende Betrachtungsweise, den Focus ausschließlich auf die unmittelbar entstehenden<br />

Kosten einer Methode zu legen. Vielmehr muß auch berücksichtigt werden, daß<br />

die Implementierung einer solchen Maßnahme Rückkoppelungen auf die Unternehmensstrategie,<br />

-struktur und -kultur zur Folge hat.<br />

Im letzten Kapitel werden die bei der Entstehung der vorliegenden Arbeit gewonnenen<br />

Erkenntnisse im Rahmen eines g<strong>an</strong>zheitlichen Konzepts multikultureller Führungskräfteentwicklung<br />

integriert.<br />

Im folgenden werden die zentralen Aussagen dieses Konzepts zusammengefaßt:<br />

1. G<strong>an</strong>zheitliche Ausrichtung des Konzepts, d.h. Integration in die Unternehmensstrategie,<br />

-struktur und -kultur.<br />

2. Ausg<strong>an</strong>gspunkt sind die in Zukunft erforderlichen Schlüsselqualifikationen für die<br />

betreffende Zielgruppe (z.B. multikulturell tätige Führungskräfte).<br />

3. Erst darauf abgestimmt erfolgt die Auswahl geeigneter Methoden und Instrumente.<br />

Nur auf diese Weise k<strong>an</strong>n bei der Führungskräfteentwicklung vom Gießk<strong>an</strong>nenprinzip<br />

Abst<strong>an</strong>d genommen werden.<br />

4. Auch Konzepte wie Coaching, Mentoring, Counseling sowie der Führungsstil sind<br />

als mögliche Entwicklungsmethoden mindestens zu prüfen. Gerade dem Führungsstil<br />

kommt - aufgrund der durch kulturbedingte Unterschiede erforderlichen Führungsstilvariation<br />

- im multikulturellen Kontext eine große Bedeutung zu.<br />

5. Das Schwergewicht soll bei der Umsetzung multikultureller Führungskräfteentwicklung<br />

auf Methoden on the job gelegt werden. Erfolgreiche ausl<strong>an</strong>derprobte<br />

Führungskräfte bestätigen, daß dozierte Einarbeitung in eine fremde Kultur nicht<br />

funktioniert. Die wahren Probleme tauchen erst vor Ort auf. Dies bedeutet nicht,<br />

daß vorgängig zum Ausl<strong>an</strong>dengagement keine Vorbereitungsmaßnahmen durchgeführt<br />

werden; diese sollten aber sehr praxisbezogen, selektiv und individualisiert<br />

sein. Auch ist es aufgrund fehlender Institutionen und qualifizierter Trainer nur<br />

sehr schwer möglich, in einer fremden Kultur den Mitarbeitern nutzenstiftende off<br />

the job-Entwicklungsmöglichkeiten <strong>an</strong>zubieten.<br />

6. Das vielleicht größte Problem überhaupt - das deswegen in einem Konzept berücksichtigt<br />

werden muß - ist der Bereich der persönlichen Kultur. Darunter fällt die zu<br />

bewältigende Entwurzelung aus dem vertrauten Beziehungsnetz, v.a. in eher wenig<br />

entwickelten Ländern, die Probleme des täglichen Lebens etc. Es ist unrealistisch,<br />

diese Probleme allein durch Methoden der Führungskräfteentwicklung lösen zu<br />

wollen. Vielmehr müssen diese Fragen bereits bei der Selektion multikulturell tätiger<br />

Führungskräfte berücksichtigt werden.<br />

7. Auch Maßnahmen zu einer erfolgreichen Reintegration multikulturell tätiger Führungskräfte<br />

sind zu berücksichtigen und deshalb ein wichtiger Teil des Konzepts.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 275<br />

Günter Selzer<br />

Vermittlung von Führungskompetenzen für Industriemeister in internationalen<br />

Konzernunternehmen -Konzeptionelle Grundlagen<br />

und Entwicklungstendenzen *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dieter Wagner, Universität Potsdam<br />

1. Problemstellung<br />

P<strong>an</strong>ta rhei - alles fließt. Dieser Leitged<strong>an</strong>ke der altgriechischen Philosophie läßt<br />

sich auch als domin<strong>an</strong>tes Charakteristikum der Gesellschaft der neunziger Jahre kennzeichnen.<br />

Die Intensivierung des weltweiten Wettbewerbs, vielfältige technologische<br />

Innovationen sowie soziale Änderungen zeitigen besonders in der wirtschaftlichen<br />

Sphäre dieses Jahrzehntes weitreichende Auswirkungen. Der Deutsche Industrie- und<br />

H<strong>an</strong>delstag vergleicht diese Situation mit den Auswirkungen der ersten industriellen<br />

Revolution.<br />

Die wirtschaftlichen Aktivitäten vieler Unternehmen haben derzeit weltweite Dimensionen<br />

erreicht. Diese Veränderung vergrößert auf den Märkten die Zahl von Anbietern<br />

und Nachfragern und führt zur Verschärfung von Wettbewerbsumf<strong>an</strong>g und -intensität<br />

und gleichzeitig zu gestiegenen Qualitäts<strong>an</strong>sprüchen.<br />

Die Freigabe des europäischen Binnenmarktes 1993 läßt diesen Wettbewerbsdruck<br />

weiterhin <strong>an</strong>steigen. Unterstellt m<strong>an</strong> in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g die wohl realistische<br />

Annahme, daß sich die materiellen Rahmenbedingungen der Unternehmen in der Europäischen<br />

Gemeinschaft auf mittlere Sicht immer mehr <strong>an</strong>gleichen, so wird der Wettbewerb<br />

zunehmend über innovative Dienstleistungen und spezielles Know-how ausgetragen.<br />

Damit fällt qualifizierten Führungskräften eine entscheidende Bedeutung für die<br />

Bewältigung zukünftiger Herausforderungen zu.<br />

Die Vergrößerung der Anwendungsbreite von Basisinnovationen hat einen strukturellen<br />

W<strong>an</strong>del in der deutschen Industrie ausgelöst. Der Einsatz neuer Technologien<br />

führt zu erhöhten Anforderungen und steigenden Qualifikationen. In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

sind besonders die fachübergreifenden sozialen Kompetenzen, die sogen<strong>an</strong>nten<br />

Schlüsselqualifikationen, hervorzuheben, die in Zukunft weiter <strong>an</strong> Bedeutung gewinnen.<br />

Neben Wettbewerb und Technologie fordern die Auswirkungen sozialer Änderungen<br />

weitere Qualifikationssteigerungen. So scheint die Verschiebung von Normen und<br />

Werten ein grenzübergreifendes Phänomen zu sein, das im Zuge verschiedener Interna-<br />

*<br />

<strong>Verlag</strong> Shaker, Aachen 1995.


276 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

tionalisierungstendenzen allmählich europäische Dimensionen <strong>an</strong>nimmt. Der gesellschaftliche<br />

Wertew<strong>an</strong>del hat bereits die Unternehmen erfaßt und beeinflußt entscheidend<br />

das Denken und Verhalten von Mitarbeitern. Dieser Zusammenh<strong>an</strong>g gilt insbesondere<br />

für Führungskräfte, als zentrale Elemente im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.<br />

Der Qualifikation dieser Mitarbeitergruppe kommt daher eine herausragende<br />

Bedeutung zu.<br />

Der skizzierte Prozeß des wirtschaftlichen, technischen und sozialen W<strong>an</strong>dels offenbart<br />

zw<strong>an</strong>gsläufig eine Diskrep<strong>an</strong>z zwischen Anforderung und Qualifikation. In diesem<br />

Sp<strong>an</strong>nungsfeld nehmen die berufliche Weiterbildung und die Mitarbeiterförderung<br />

am Arbeitsplatz in Form einer individuellen Personalentwicklung eine unverzichtbare<br />

zentrale Stellung ein und leisten zukünftig einen entscheidenden Beitrag, wirtschaftlichen,<br />

technischen und sozialen W<strong>an</strong>del erfolgreich zu bewältigen.<br />

Generell sind die Führungskräfte die Hauptadressaten der betrieblichen Weiterbildung<br />

und einer individuellen Personalentwicklung. Folglich schließt diese Aussage die<br />

Industriemeister ein, die in der betrieblichen Hierarchie seit jeher eine Schlüsselstellung<br />

einnehmen. Viele Institute und Autoren sehen diese führende Rolle der Meister auch<br />

zukünftig als gesichert <strong>an</strong>. Derzeit entwickeln sie sich zu den "M<strong>an</strong>agern vor Ort", die<br />

Zielsetzungen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen in die Praxis umsetzen.<br />

Daher hängt der Erfolg eines Unternehmens in entscheidendem Maße von diesen<br />

Führungskräften ab. Sie stehen im Sp<strong>an</strong>nungsfeld zwischen mittleren, zumeist akademisch<br />

vorgebildeten Führungskräften und ihren Mitarbeitern. Einerseits sollen sie den<br />

Anforderungen der Vorgesetzten und eines reibungslosen Produktionsablaufs Genüge<br />

leisten, <strong>an</strong>dererseits den Interessen ihrer Mitarbeiter Rechnung tragen. Gerade aus diesem<br />

Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung leitet sich das Berufsprestige und die berufliche<br />

Identität des Industriemeisters ab. Personaler Führungskompetenz dieser Mitarbeitergruppe<br />

fällt damit eine herausragende Bedeutung für die Unternehmen und<br />

mithin für Wirtschaft und Gesellschaft zu.<br />

Unternehmen mit unterschiedlicher Größe, Rechts- und Org<strong>an</strong>isationsstruktur tragen<br />

hauptsächlich das Wirtschaftsgeschehen. Näher betrachtet weisen diese - unter Beachtung<br />

vielfältiger org<strong>an</strong>isationstheoretischer Differenzierungen - ein funktionelles<br />

Grundmuster auf: Beschaffung, Produktion, Absatz und Verwaltung. Die einzelnen Bereiche<br />

haben im Laufe der Zeit in Wissenschaft und Praxis eine unterschiedliche Bedeutung<br />

erfahren. Der Einzug der Mikroelektronik, kundenorientierte Fertigung sowie logistischer<br />

Service stellen in den neunziger Jahren die Logistik in den Blickpunkt des Interesses.<br />

Die aktuelle und zukünftig noch zunehmende Diskussion der "le<strong>an</strong> production"<br />

unterstreicht diesen Sachverhalt weiterhin.<br />

Vor diesem Hintergrund bedauert die Deutsche Forschungsgemeinschaft, daß der<br />

herausragenden Bedeutung der beruflichen Qualifikation keine entsprechende wissenschaftliche<br />

Aufmerksamkeit gegenübersteht. Eine <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nte Theorie beruflicher Weiterbildung<br />

gibt es derzeit nicht. Gerade im Industriemeisterbereich ist ein solches wissenschaftliches<br />

Defizit festzustellen, mit der Folge, daß die Meister auf die bereits beschriebenen<br />

Entwicklungstendenzen häufig nicht vorbereitet waren oder oftmals von<br />

ihnen überrascht wurden.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 277<br />

2. Einige Ergebnisse<br />

Theoretische Untermauerung und konzeptionelle Gestaltung der Vermittlung<br />

von Führungskompetenzen<br />

Als primäres Ergebnis wurde die <strong>an</strong>gestrebte theoretische Untermauerung des<br />

Themengebietes durch eine Verknüpfung von H<strong>an</strong>dlungs-, System- und Lerntheorie ermöglicht.<br />

Dabei deckt die interdisziplinäre systemtheoretische Sichtweise in erster Linie<br />

den Best<strong>an</strong>dsaspekt ab. Mit ihrer Hilfe wurde das Bildungssystem Deutschl<strong>an</strong>d in fünf<br />

Subsysteme und deren Elemente differenziert und zwar die Systeme der Allgemeinbildung,<br />

der Ausbildung, der Hochschulbildung, der beruflichen Weiterbildung sowie der<br />

Mitarbeiterförderung am Arbeitsplatz. Dabei st<strong>an</strong>den die beiden letztgen<strong>an</strong>nten Subsysteme<br />

im Vordergrund der Betrachtung.<br />

Mit der h<strong>an</strong>dlungstheoretischen Sicht wurde das Geschehen in den Unternehmen<br />

als Ergebnis von H<strong>an</strong>dlungen der Industriemeister und ihren Gesprächspartnern erklärt.<br />

Dabei ist festzustellen, daß sich mit Hilfe der sogen<strong>an</strong>nten exakten H<strong>an</strong>dlungstheorie<br />

allgemeine führungstheoretische Aussagen treffen lassen, deren Aussagekraft <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />

der H<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>alytik auf die praktische Anwendbarkeit überprüft worden ist. Als Ergebnis<br />

wurden einige optimale H<strong>an</strong>dlungsweisen in konkreten Entscheidungssituationen<br />

gefunden.<br />

Mit der Verknüpfung von H<strong>an</strong>dlungstheorie und Lerntheorie wurde zunächst die<br />

kognitive Seite des Lernens erfaßt. Durch diese Möglichkeit habe ich zugleich den<br />

Tr<strong>an</strong>sfer des Gelernten auf konkrete Entscheidungssituationen erreicht. Diese Erkenntnisse<br />

konnten auf der verhaltensbezogenen Seite des Lernens durch die Gestaltung eines<br />

Trainingskonzeptes und einer Mitarbeiterförderung am Arbeitsplatz umgesetzt werden.<br />

Einbeziehung von Erkenntnissen der Lerntheorie<br />

Die moderne Lerntheorie hat gegenüber der traditionellen Auffassung einige neuere<br />

Erkenntnisse gezeigt, die einen erheblichen Einfluß auf den Bereich der Vermittlung<br />

von Führungskompetenzen für Industriemeister ausüben. So können Defizite der<br />

Schulbildung und der <strong>an</strong>schließenden Berufsausbildung durch berufliche Weiterbildung<br />

und individuelle Personalentwicklung in weiten Teilen ausgeglichen werden, wie es die<br />

"disuse Hypothese" und der "occupational tr<strong>an</strong>fer effect" wissenschaftlich untermauern.<br />

In gewissen Grenzen sind sogar Leistungs<strong>an</strong>stiege möglich. Der Altersprozeß ist in diesem<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g also nicht primär für Lerndefizite ver<strong>an</strong>twortlich, wie l<strong>an</strong>ge behauptet<br />

wurde, denn bestimmte intellektuelle Merkmale sind im Alterungsprozeß unregelmäßig<br />

Verschiebungen und Reorg<strong>an</strong>isationen innerhalb der Lebensabschnitte unterworfen.<br />

Daher erreichen bestimmte Fähigkeiten zu unterschiedlichen Zeiten ihren Höhepunkt.<br />

In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g erzielen Erwachsene gegenüber Jüngeren Leistungsverbesserungen<br />

hinsichtlich der Schlußfolgerungen aus Themen höherer Ordnung,<br />

wenn die Gestaltung der Inhalte am konkreten Erfahrungshorizont der Erwachsenen<br />

<strong>an</strong>knüpft. Im Einzelfall hat diese Erkenntnis zur Folge, daß in den Führungsseminaren


278 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

auf die Darstellung komplizierter theoretischer Modelle zugunsten von einfacheren,<br />

konkreten Darstellungen verzichtet wird.<br />

Diese generellen Erkenntnisse ergänzen eine Reihe von zielgruppenspezifischen<br />

Aussagen. So zeigen sich Lernschwierigkeiten von Industriemeistern beispielsweise bei<br />

der Einteilung der Lernzeit, in der Beibehaltung einer kontinuierlichen Arbeitshaltung,<br />

in der Wiedergabe von Informationen mit eigenen Worten, in der Informationssammlung,<br />

dem Vermögen Informationen zu behalten, zusammenzufügen, auf die Praxis zu<br />

übertragen und Zusammenhänge aufzudecken, das Interesse am Lernstoff aufrechtzuerhalten<br />

sowie in der generellen Angst vor Testsituationen.<br />

Diese Lernschwierigkeiten und deren Ursachen sind bei der Vermittlung von Führungskompetenzen<br />

weitgehend aufzulösen, indem beispielsweise die individuelle Personalentwicklung<br />

grundsätzlich ein stetes Lernen sicherstellt und eine systematisch gepl<strong>an</strong>te<br />

Reihe von Führungsseminaren ein ständiges Training ermöglicht. Darüber hinaus<br />

habe ich einige didaktisch-methodische Erkenntnisse gefunden, deren Realisierung<br />

ein hohes Maß <strong>an</strong> Lerneffizienz ermöglicht. So ist beispielsweise ein Führungsseminar<br />

zielorientiert zu gestalten sowie zeitlich und inhaltlich sinnvoll zu gliedern, denn wenn<br />

der Stoff einen geringen Komplexitätsgrad aufweist, das Ziel klar definiert und die<br />

Sinnhaftigkeit nachvollziehbar ist, lernen die Industriemeister leichter.<br />

Weiterhin sollen die Industriemeister in den Führungsseminaren die Ergebnisse<br />

von Fallstudien und Rollenspielen zusammenfassen, deren Konsequenzen aufzeigen<br />

und präsentieren. Unsicherheiten bei der Reproduktion vermindern die Lernleistung, so<br />

daß eine Vielzahl von Präsentationen die Unsicherheiten beseitigen hilft. Darüber hinaus<br />

sollen die Industriemeister die Lerninhalte wiederholen und zusammenfassen, denn<br />

Wiederholungen gar<strong>an</strong>tieren einen Übungsgewinn.<br />

Ein weiteres Ergebnis betrifft die Vorgehensweise des Trainers. Er soll stoffliche<br />

Zusammenhänge herstellen, <strong>an</strong> der Erfahrung der Industriemeister <strong>an</strong>knüpfen und teilnehmerorientiert<br />

die subjektiven und sozialbiographischen Gegebenheiten der Industriemeister<br />

berücksichtigen. Ferner soll er grundsätzlich Sinn vermitteln und didaktisch<br />

reduzieren. Dies würde neben einer stofflichen Entlastung auch mehr Raum für das<br />

selbständige Lernen lassen. Weiterhin ist die Schnelligkeit der Stoffdarbietung am<br />

Lernniveau der Teilnehmer zu orientieren, denn es besteht eine enge Beziehung zwischen<br />

der Schnelligkeit der Informationsaufnahme und der Informationsverarbeitung.<br />

Der Trainer soll darüber hinaus eine kreative und emotional <strong>an</strong>gstfreie Lernatmosphäre<br />

schaffen und aktive Lernmethoden einsetzen, um die Lernmotivation und -aktivität zu<br />

steigern und um Lernbarrieren und -hemmungen abzubauen. Auch hier zeigt sich, daß<br />

eine positive Lerneinstellung und eine erhöhte Lernbereitschaft die normale Verminderung<br />

von Gedächtnisleistungen mit zunehmendem Alter durchaus kompensieren k<strong>an</strong>n<br />

und daß die erfolgreich erlebte Teilnahme <strong>an</strong> einer Ver<strong>an</strong>staltung der beruflichen Weiterbildung<br />

das Interesse für weitere weckt. Darüber hinaus wirkt eine Methodenvielfalt<br />

beispielsweise in Form von Rollenspielen, Arbeitsgruppen, Präsentationen, Trainerinput<br />

und Videoeinsatz verknüpft mit Visualisierungstechniken wie Metapl<strong>an</strong> den Aufmerksamkeits-,<br />

Konzentrations- und Ausdauerschwierigkeiten entgegen. Dabei steht im<br />

Vordergrund der Vermittlung von Führungskompetenzen insbesondere die Praxisnähe


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 279<br />

der Lerninhalte, denn es läßt sich eine grundsätzliche Einstellung der Industriemeister<br />

erkennen, die auf die Verwertbarkeit der Lerninhalte abzielt. In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

wirkt sich auch das Konzept der positiven Verstärkung aus, denn Erfolgserlebnisse<br />

stärken die Lernmotivation. Dies erfordert den Einsatz des Instrumentes "feedback",<br />

denn ein Verhalten ändert sich um so zügiger, je weniger Zeit zwischen H<strong>an</strong>dlung und<br />

Erfolgserfahrung liegt.<br />

Zielgruppenspezifisches Instrumentarium einer individuellen Mitarbeiterförderung<br />

am Arbeitsplatz<br />

Der Einsatz von Instrumenten einer individuellen Personalentwicklung für Industriemeister<br />

bedingt zunächst eine Orientierung <strong>an</strong> verschiedenen Grundsätzen. So sind<br />

grundsätzlich alle Industriemeister zu fördern, denn der Ausschluß von bestimmten (Alters-)Gruppen<br />

würde die Demotivation und die damit verbundene Leistungsbereitschaft<br />

senken. Darüber hinaus bietet die interne Rekrutierung gegenüber einer externen mehrere<br />

Vorteile. Sie fördert zunächst gewünschte Bindungseffekte. Weiterhin k<strong>an</strong>n das<br />

Unternehmen auf bereits vorliegende Beurteilungen zurückgreifen, die verläßliche Informationen<br />

hinsichtlich der Entscheidung über zukünftige Einsatzmöglichkeiten von<br />

Industriemeistern zur Verfügung stellt. Darüber hinaus ist die externe Arbeitskräftebeschaffung<br />

meist wesentlich kostspieliger als die interne, wirkt demotivierend auf die<br />

Mitarbeiter und impliziert arbeitsrechtliche Restriktionen.<br />

In prozeßorientierter Sicht läßt sich der Aufbau einer individuellen Personalentwicklung<br />

für Industriemeister durch fünf idealtypische Phasen kennzeichnen, der Charakterisierung<br />

der Ausg<strong>an</strong>gslage, der Erarbeitung der Zielsetzungen und kritischen Erfolgsfaktoren,<br />

der Ableitung der Qualifikationen, die Durchführung der individuellen<br />

Personalentwicklungsgespräche sowie der Entwicklung von typischen Entwicklungsmustern<br />

und Karriere<strong>an</strong>kern. In diesen Phasen gel<strong>an</strong>gt das konzipierte, zielorientierte<br />

Instrumentarium der individuellen Personalentwicklung für Industriemeister zum Einsatz.<br />

Als weiteres Ergebnis habe ich erk<strong>an</strong>nt, daß die Anwendungsbedingungen die<br />

Ch<strong>an</strong>cen und Risiken definieren. So sind beispielsweise eine Steigerung von Qualifikation,<br />

Motivation, Unternehmensidentifikation und -bindung, eine Realisation von strategischen<br />

Wettbewerbsvorteilen zur l<strong>an</strong>gfristigen Unternehmenssicherung durch wettbewerbsorientierte<br />

Wertschöpfung und flexiblen Mitarbeitereinsatz, eine Gegenstrategie<br />

zu Kündigungen, eine Beschäftigungssicherung durch Mehrfachqualifikation und<br />

eine imageverbessernde Personalmarketingstrategie mit der Personalentwicklung für<br />

Industriemeister zu erreichen. Etwaige Fehlentwicklungen lassen sich durch regelmäßige<br />

Überprüfungen bereits im Ansatz korrigieren. Allerdings ist festzustellen, daß den<br />

positiven Effekten einige derzeit praktizierte negative Entwicklungen entgegenwirken.<br />

So sind konjunkturabhängige Förderungen der Industriemeister und mißbräuchlicher<br />

Einsatz des Instrumentariums aus Machtsicherungsgründen nicht auszuschließen. Folglich<br />

zeigen die Meßkriterien einer individuellen Personalentwicklung, nämlich Kontinuität<br />

und Glaubwürdigkeit unter Umständen einen starken Effizienzverlust, der sich insbesondere<br />

in einem aufkeimendem Mißtrauen und in einer ablehnenden Haltung offen-


280 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

baren. Die gleichen Wirkungen treten auf, wenn die Unternehmen die individuelle Personalentwicklung<br />

der Industriemeister eher unter kurzfristigen Kostenaspekten als unter<br />

strategisch orientierten Investitionsgesichtspunkten betrachten. Schließlich zeigt eine<br />

zeitliche Analyse, daß der Aufbau einer individuellen Personalentwicklung oft mehrere<br />

Jahre benötigt, bis der gewünschte Erfolgt eintritt. Umgekehrt führt die Vernachlässigung<br />

dieser Erkenntnis zu einem schwerlich korrigierbaren Defizit bei der Realisierung<br />

von Unternehmensstrategien.<br />

Markus Weingärtner<br />

Betriebliche Weiterbildung und Weiterbildungsberatung in mittelständischen<br />

Unternehmen<br />

Betreuer: Prof. Dr. Helmut Wagner, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,<br />

insb. Org<strong>an</strong>isationstheorie und Personalm<strong>an</strong>agement, Universität Münster<br />

1. Problemstellung und Zielsetzung<br />

In einer dynamischen Unternehmensumwelt mit steigenden Anforderungen <strong>an</strong> die<br />

Qualifikation der Mitarbeiter wird die berufsbegleitende Weiterbildung der Mitarbeiter<br />

immer mehr zu einem wichtigen betrieblichen Erfolgsfaktor. In besonderer Weise gilt<br />

dies für mittelständische Unternehmen, die ihre Marktstellung gegenüber Großunternehmen<br />

oftmals nur durch die hohe Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen sowie<br />

durch die Spezialisierung auf individuelle Kundenwünsche sichern können und daher<br />

unter perm<strong>an</strong>entem Qualifizierungsdruck stehen. Gleichzeitig verfügen mittelständische<br />

Unternehmen häufig jedoch nicht über die notwendigen Erfahrungen und Kenntnisse<br />

zur systematischen und zielorientierten Gestaltung der betrieblichen Weiterbildungsarbeit.<br />

Die fachliche Unterstützung durch eine externe Weiterbildungsberatung ist daher<br />

in Erwägung zu ziehen. Ausgehend von dieser Problemlage verfolgt die vorliegende<br />

Arbeit drei zentrale Ziele:<br />

1) Darstellung und Diskussion literaturgestützter Gestaltungs<strong>an</strong>sätze zur systematischen<br />

betrieblichen Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen und Vergleich<br />

mit dem in empirischen Untersuchungen dokumentierten Entwicklungsst<strong>an</strong>d<br />

dieser Unternehmen in der Weiterbildung.<br />

2) Diskussion relev<strong>an</strong>ter Determin<strong>an</strong>ten einer Weiterbildungsberatung als Instrument<br />

zur Lösung von Weiterbildungsproblemen in mittelständischen Unternehmen.<br />

3) Entwicklung von Gestaltungs<strong>an</strong>sätzen zur Durchführung einer Weiterbildungsberatung<br />

in mittelständischen Unternehmen.<br />

2. Kurzdarstellung der Untersuchung


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 281<br />

Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels der Arbeit steht eine detaillierte Untersuchung<br />

der Org<strong>an</strong>isation betrieblicher Weiterbildung sowie der Phasen der Bedarfs<strong>an</strong>alyse,<br />

Pl<strong>an</strong>ung, Durchführung und Erfolgskontrolle von Weiterbildungsmaßnahmen in<br />

mittelständischen Unternehmen. Theoretischen und literaturgestützten Ansatzpunkten<br />

zu einer systematisch gestalteten Weiterbildungsarbeit in kleinen und mittleren Unternehmen<br />

wird dabei der tatsächliche Entwicklungsst<strong>an</strong>d mittelständischer Unternehmen<br />

in der Weiterbildung <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen gegenübergestellt.<br />

Der Schwerpunkt der ausgewählten Untersuchungen liegt auf einer "eigenen"<br />

am Lehrstuhl für Org<strong>an</strong>isationstheorie und Personalm<strong>an</strong>agement der Universität<br />

Münster 1992 durchgeführten Befragung zu St<strong>an</strong>d und Entwicklungsperspektiven mittelständischer<br />

Unternehmen in der betrieblichen Weiterbildung. Insgesamt wird in<br />

sämtlichen Studien deutlich, daß Klein- und Mittelbetriebe im allgemeinen von einer<br />

strategisch gepl<strong>an</strong>ten und systematisch durchgeführten betrieblichen Weiterbildungsarbeit<br />

noch sehr weit entfernt sind. Nach den grundlegenden Ursachen können org<strong>an</strong>isatorische<br />

Defizite, Strategiedefizite, Steuerungsdefizite und Informationsdefizite als<br />

Hauptprobleme von mittelständischen Unternehmen in der betrieblichen Weiterbildung<br />

unterschieden werden.<br />

Gegenst<strong>an</strong>d des dritten Kapitels sind Determin<strong>an</strong>ten einer betrieblichen Weiterbildungsberatung<br />

in mittelständischen Unternehmen. Dabei werden als grundlegende Determin<strong>an</strong>ten<br />

auftragsspezifische, klientenspezifische und beraterspezifische Einflußfaktoren<br />

unterschieden. Primär auftragsspezifisch begründet sind die dem jeweiligen Beratungsauftrag<br />

zugrundeliegenden Weiterbildungsprobleme und der zeitliche Problemdruck<br />

im Unternehmen. Darüber hinaus werden die Gestaltungsmöglichkeiten einer<br />

Weiterbildungsberatung aber auch durch die Beratungskosten und die öffentlichen Förderungsmöglichkeiten<br />

für die In<strong>an</strong>spruchnahme einer Beratung beeinflußt.<br />

In Abschnitt 3.3 der Arbeit werden klientenspezifische Determin<strong>an</strong>ten einer<br />

Weiterbildungsberatung diskutiert. Wesentlich für das Zust<strong>an</strong>dekommen einer Weiterbildungsberatung<br />

sind in vielen Fällen die bisherigen Erfahrungen des Unternehmens<br />

mit externen Beratungsleistungen. Der Ablauf einer Weiterbildungsberatung wird wiederum<br />

maßgeblich davon abhängen, inwieweit Akzept<strong>an</strong>zbarrieren bei der Unternehmensleitung<br />

und den Mitarbeitern gegenüber einer Beratung abgebaut werden können.<br />

Vor allem auf Seiten des mittelständischen Unternehmers können dabei zahlreiche Akzept<strong>an</strong>zprobleme<br />

identifiziert werden, die im Selbstverständnis der eigenen Rolle, in der<br />

m<strong>an</strong>gelnden Tr<strong>an</strong>sparenz des Beratungsmarktes und in der jeweiligen Berater-Klienten-<br />

Beziehung begründet liegen. Die bisherigen Beratungserfahrungen und die Akzept<strong>an</strong>z<br />

einer Weiterbildungsberatung beeinflußen schließlich auch den Kooperationsgrad des<br />

mittelständischen Unternehmens in der Beratung, der als die Fähigkeit und die Bereitschaft<br />

des Klienten zur Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungsberater während des<br />

Beratungssprozesses definiert werden k<strong>an</strong>n.<br />

Gegenst<strong>an</strong>d von Abschnitt 3.4 der Arbeit sind Determin<strong>an</strong>ten einer Weiterbildungsberatung<br />

im Einflußbereich des Beraters. Als Schlüsselqualifikationen eines Weiterbildungsberaters<br />

werden die weiterbildungsspezifische, die beratungsspezifische und<br />

die mittelst<strong>an</strong>dsspezifische Kompetenz unterschieden. D<strong>an</strong>eben muß der Weiterbil-


282 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

dungsberater im Verlauf einer Beratung häufig auch verschiedene Beraterrollen übernehmen.<br />

Als maßgebende Rollen im Rahmen einer Weiterbildungsberatung werden die<br />

Rollen des Informationsliefer<strong>an</strong>ten, des Problemlösers und des Katalysators diskutiert.<br />

Schließlich hängen die Gestaltungsmöglichkeiten einer Weiterbildungsberatung auch<br />

vom Typ der Beratungsorg<strong>an</strong>isation ab. Ausführlich werden die Beratungsmöglichkeiten<br />

in Nonprofit-Org<strong>an</strong>isationen und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen erörtert.<br />

Im vierten Kapitel der Arbeit werden schließlich verschiedene Gestaltungsaspekte<br />

einer Weiterbildungsberatung <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d eines fiktiven Beispiels diskutiert. Gegenst<strong>an</strong>d<br />

dieses Beispiels ist die Entwicklung und Einführung einer umfassenden Weiterbildungskonzeption<br />

in einem mittelständischen Unternehmen. Dazu wird ein Beratungskonzept<br />

in drei aufein<strong>an</strong>derfolgenden Beratungsstufen skizziert, in denen inhaltlich die<br />

verschiedenen Hauptdefizite mittelständischer Unternehmen in der betrieblichen Weiterbildung<br />

erneut aufgegriffen werden. Im Mittelpunkt der ersten Stufe steht der Aufbau<br />

einer dezentralen Org<strong>an</strong>isation der betrieblichen Weiterbildung zwischen der Unternehmensleitung<br />

und den direkten Vorgesetzten der Mitarbeiter. Die zweite Beratungsstufe<br />

beschäftigt sich mit Gestaltungsaspekten einer Beratung in der strategischen Weiterbildungspl<strong>an</strong>ung.<br />

In mittelständischen Unternehmen muß häufig erst das Bewußtsein<br />

für die Notwendigkeit einer strategischen Pl<strong>an</strong>ung im Unternehmen gefördert werden.<br />

Weitere Aufgaben eines Weiterbildungsberaters sind die Einführung und Erläuterung<br />

strategischer Pl<strong>an</strong>ungsinstrumente in der Weiterbildung, die Unterstützung der Unternehmensleitung<br />

bei der Erstellung eines strategischen Weiterbildungspl<strong>an</strong>s und die Beratung<br />

der Unternehmensleitung hinsichtlich der Überwachung der Strategieumsetzung.<br />

Gegenst<strong>an</strong>d der dritten Beratungsstufe ist die Beratung im operativen Weiterbildungsm<strong>an</strong>agement.<br />

Zu den Hauptaufgaben des Weiterbildungsberaters gehört hierbei die<br />

Entwicklung eines operativen Weiterbildungskonzepts mit der Empfehlung von Instrumenten<br />

und Methoden zur Steuerung betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen sowie<br />

die Schulung der Vorgesetzten in der Anwendung des vorgeschlagenen Weiterbildungsinstrumentariums.<br />

Insgesamt wird in dieser Arbeit deutlich, daß mittelständische Unternehmen erhebliche<br />

Probleme in der Gestaltung einer systematischen betrieblichen Weiterbildung besitzen.<br />

Da aber gerade in diesen Unternehmen die Mitarbeiterqualifikation häufig einen<br />

entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt, erscheint ein Abbau der aufgezeigten Weiterbildungsdefizite<br />

dringend geboten. Eine betriebliche Weiterbildungsberatung die hierbei<br />

zur fachlichen Unterstützung in Anspruch genommen wird, muß sich <strong>an</strong> den spezifischen<br />

Problemen des mittelständischen Klienten orientieren. Da der Stellenwert der<br />

Mitarbeiterqualifizierung zukünftig weiter steigen wird und mittelständische Unternehmen<br />

für Beratungsorg<strong>an</strong>isationen ein erhebliches Kundenpotential darstellen, dürfte in<br />

Zukunft mit einer zunehmenden Verbreitung einer betrieblichen Weiterbildungsberatung<br />

in mittelständischen Unternehmen zu rechnen sein. Darüber hinaus sollte sich aber<br />

auch die betriebswirtschaftliche Theorie mit dieser Thematik noch näher befassen.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 283<br />

6. Anreize / Entgeltsysteme einschließlich Mitarbeiterbeteiligung und<br />

Sozialleistungen<br />

Ruth Böck<br />

Betriebliche Kompensationspolitik im Wettbewerb nationaler sozialer<br />

Sicherungssysteme<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dieter Sadowski, Unversität Trier<br />

Ziel: Eine stetige Zunahme <strong>an</strong> grenzüberschreitenden Pendelw<strong>an</strong>derungen wirft für<br />

die betroffenen Regionen und in der europapolitischen Diskussion verstärkt die Frage<br />

nach möglichen Ansatzpunkten zur gezielten Mobilitätsbeeinflussung auf. Deshalb wird<br />

in diesem Projekt untersucht, inwieweit unterschiedliche institutionelle Regelungen und<br />

regionenspezifische Marktgegebenheiten in den Unternehmen der Grenzregionen bestimmte<br />

personalpolitische Strategien hervorrufen, die ihrerseits die Arbeitskräftemobilität<br />

beeinflussen.<br />

Vorgehen: Ausgehend von der push-pull-Hypothese (vgl. Lee 1966) wird zunächst<br />

die betriebliche Kompensationspolitik als potentieller Einflußfaktor von Arbeitnehmermobilität<br />

herausgestellt. D<strong>an</strong>n wird jedoch entgegen <strong>an</strong>derer Studien zu diesem<br />

Themenbereich (vgl. Meyer 1986, Mohr 1986, Werner 1992) ein Perspektivenwechsel<br />

vorgenommen und die betriebliche Kompensationspolitik selbst zum Gegenst<strong>an</strong>d der<br />

Untersuchung gemacht. Ausgehend von zwei prinzipiell möglichen Kompensationsstrategien<br />

– Anreiz- und Stillhaltestrategie, die sich in der Kompensationshöhe unterscheiden<br />

– wird d<strong>an</strong>n vor dem Hintergrund tr<strong>an</strong>saktionskostentheoretischer Überlegungen<br />

ein Entscheidungsmodell betrieblicher Kompensationspolitik entwickelt, und es werden<br />

<strong>an</strong>schließend die relev<strong>an</strong>ten Determin<strong>an</strong>ten herausgearbeitet: die Wahrscheinlichkeit,<br />

daß es zur Mobilität kommt, die Kosten der gezielten Beeinflussung der Mobilität und<br />

die Kosten der Auswahl eines externen Bewerbers zur (Wieder-)Besetzung eines Arbeitsplatzes<br />

(vgl. Milgrom/Roberts 1992). Dabei wird unterstellt, daß die Mobilitätswahrscheinlichkeit<br />

vom An-/Abwerbedruck am regionalen Arbeitsmarkt, die Anreizkosten<br />

von den institutionellen Regelungen zur sozialen Sicherung und die (Wieder-)<br />

Besetzungskosten vom Erfolg am Absatzmarkt abhängen. Der modelltheoretischen Argumentation<br />

folgend, vergleichen Unternehmen, gegeben die Situation am Arbeitsmarkt,<br />

die beiden Kostenkomponenten mitein<strong>an</strong>der und entscheiden sich für die Anreizstrategie,<br />

wenn die Kosten der Mobilitätsbeeinflussung unter denen der Auswahl<br />

aus dem externen Bewerberpool liegen, während sie bei umgekehrter Kostenkonstellation<br />

eine Stillhaltestrategie wählen. Mit Hilfe einer empirischen Institutionen<strong>an</strong>alyse der<br />

nationalen sozialen Sicherungssysteme werden unterschiedliche fin<strong>an</strong>zielle Belastungen<br />

herausgearbeitet und auf Basis von betrieblichen Fallstudien in 50 Unternehmen der<br />

Grenzregionen (vgl. QUIPPE) Gruppen unterschiedlich wirtschaftlich erfolgreicher sowie<br />

differierendem Arbeitsmarktdruck ausgesetzter Unternehmen gebildet. Diese Ein-


284 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

teilung verläuft nicht entl<strong>an</strong>g von Br<strong>an</strong>chen- oder Betriebsgrößenklassen, was die Bedeutung<br />

der erhobenen Unternehmens- im Unterschied zu Aggregatdaten deutlich<br />

macht.<br />

Ergebnisse: Die empirische Analyse zeigt deutlich, daß Unternehmen unter starkem<br />

An-/ Abwerbedruck auf dem Arbeitsmarkt, wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe<br />

sowie durch das soziale Sicherungssystem fin<strong>an</strong>ziell wenig belastete Firmen eine höhere<br />

Kompensation gewähren (Anreizstrategie). Darüber hinaus ist festzustellen, daß der<br />

Anteil der Grenzgänger <strong>an</strong> den Beschäftigten in Regionen mit einem hohen Anteil so<br />

charakterisierter Unternehmen deutlich höher ist als in <strong>an</strong>deren Regionen. Auf Basis<br />

dieser Ergebnisse lassen sich einige Ansatzpunkte im Bereich der nationalen sozialen<br />

Sicherungssysteme sowie der regionalen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik formulieren,<br />

die die betriebliche Kompensationspolitik beeinflussen und so zu mehr Mobilität<br />

in Europa beitragen können.<br />

Thomas Bucksteeg<br />

Vergütungspolitik in B<strong>an</strong>ken. Eine empirische Untersuchung im<br />

Kundenbetreuungsbereich von B<strong>an</strong>ken *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Oswald Neuberger, Wiso-Fakultät, Universität Augsburg<br />

B<strong>an</strong>ken machen sich bereits seit vielen Jahren Ged<strong>an</strong>ken über die Gestaltung von<br />

leistungsgerechten und motivationsfördernden Vergütungssystemen für ihre Kundenbetreuungsbereiche,<br />

ohne daß sie bisher eine in ihren Augen gute Lösung zur rationalen<br />

Bewältigung der Vergütungsrealität mit ihren Widersprüchen, Intr<strong>an</strong>sparenzen und sozialen<br />

Konflikten gefunden haben. Ideen und Vorstellungen über die Möglichkeiten einer<br />

rationalen H<strong>an</strong>dhabung der Vergütungsrealität werden u.a. von theoretischen Motivations-<br />

bzw. Leistungs<strong>an</strong>reizkonzepten genährt.<br />

Ziel der Arbeit ist es deshalb, eine wissenschaftliche Analyse und Erklärung der<br />

Vergütungsrealität zu liefern, um darauf aufbauend Überlegungen <strong>an</strong>zustellen, inwieweit<br />

eine rationale H<strong>an</strong>dhabung der Vergütungsrealität, wie sie von theoretischen Motivationsmodellen<br />

aufgezeigt wird, möglich ist, um daraus Folgerungen für die Praxis zu<br />

ziehen.<br />

Zu diesem Zweck wurden offene, d.h. erzählgenerierende und kaum strukturierte<br />

Interviews mit 23 Vertretern, insbesondere aus dem Firmenkundenbetreuungsbereich,<br />

von sechs B<strong>an</strong>ken geführt. Die entsprechenden Aussagen der Gesprächspartner wurden<br />

schriftlich protokolliert, den jeweiligen Gesprächspartnern zur Durchsicht vorgelegt<br />

und nach dem von GLaser & Strauss entwickelten Konzept der "grounded theory" aus<br />

*<br />

Bucksteeg, Thomas (1994): Vergütungspolitik in B<strong>an</strong>ken. München, Mering: <strong>Rainer</strong> <strong>Hampp</strong><br />

<strong>Verlag</strong>.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 285<br />

der qualitativen Sozialforschung interpretiert und <strong>an</strong>alysiert. Schwerpunkt der Analyse<br />

ist die innerbetriebliche Vergütungsrealität im tariflichen und nichtleitenden außertariflichen<br />

Kundenbetreuungsbereich von B<strong>an</strong>ken.<br />

Im Laufe der für diese Arbeit durchgeführten Datenerhebung (Interviews) und<br />

-<strong>an</strong>alyse hat sich die innerbetriebliche Vergütungspolitik als ein wesentlicher und prägender<br />

Best<strong>an</strong>dteil der Vergütungsrealität erwiesen. Unter innerbetrieblicher Vergütungspolitik<br />

wird die Gesamtheit der im Rahmen eines Spielregelsystems verfolgten<br />

Strategien und Spiele verst<strong>an</strong>den, über die die Org<strong>an</strong>isationsteilnehmer (Mitarbeiter,<br />

Vorgesetzte, Betriebsräte, Mitglieder der Unternehmensleitung) ihre eigenen, jeweils<br />

unterschiedlichen und teilweise auch gegensätzlichen vergütungsspezifischen Interessen<br />

zu wahren und durchzusetzen versuchen.<br />

Das Phänomen "Vergütungspolitik" wird im Rahmen der Arbeit sukzessive herausgearbeitet<br />

und <strong>an</strong>alysiert. Aus den vielfältigen, in den Interviews gesammelten Einzelaussagen<br />

werden "Themen" und "Kategorien" entwickelt, die als Bausteine einer zu<br />

entwickelnden "empirischen Theorie" der Gestaltung der Vergütungsrealität zu verstehen<br />

sind. Zur Systematisierung und Integration der Einzelaussagen wird das mikropolitische<br />

Spiele-Konzept (in Anlehnung <strong>an</strong> Crozier & Friedberg und Giddens) her<strong>an</strong>gezogen.<br />

Die erste für den empirischen Analyseteil der Arbeit entwickelte Kategorie ist das<br />

interpersonale Sp<strong>an</strong>nungsfeld der Vergütungspolitik. Es geht um die Erwartungen der<br />

Org<strong>an</strong>isationsmitglieder, die zu Rollen verdichtet und institutionalisiert sind. Es wird<br />

belegt, daß diese Rollen-Vorgaben weder konsistent noch widerspruchsfrei, trennscharf<br />

oder eindeutig sind, so daß von einem funktionalistischen "role-taking" allein nicht die<br />

Rede sein k<strong>an</strong>n. Vielmehr findet bei den vernetzten Org<strong>an</strong>isationsmitgliedern ein konfliktbeladener<br />

Prozeß des "role-making" statt, in dem die H<strong>an</strong>delnden versuchen, nach<br />

Möglichkeit ihre Interessen zu wahren, auf jeden Fall aber H<strong>an</strong>dlungsspielräume zu erhalten<br />

oder auszubauen.<br />

Das interpersonale Thema wird mit der Analyse über das "M<strong>an</strong>agement der Abhängigkeiten"<br />

weiterverfolgt. Wegen der prekären Natur des Arbeitsverhältnisses (zunächst<br />

"kauft" der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Arbeitsvermögen, aber noch nicht<br />

Arbeitsleistung), haben Unterstellte stets die Möglichkeit, durch Leistungsrestriktion<br />

oder Einschränkung ihrer nicht vertraglich geregelten, nichtsdestoweniger aber unverzichtbaren<br />

Zusatzleistung (Mitdenken, Mithilfe, Initiative, commitment, Loyalität etc.)<br />

die Zielerreichung der Vorgesetzten zu gefährden. Bei diesem "do-ut-des" müssen sich<br />

Vorgesetzte und Mitarbeiter als sehr flexibel und erfindungsreich erweisen, um nicht in<br />

die Sackgasse des "Dienstes nach Vorschrift" zu kommen. Formen der vergütungsspezifischen<br />

Konfliktlösung zur Sicherung der org<strong>an</strong>isationalen Ordnung sind unverzichtbar.<br />

Auf diesen Erkenntnissen aufbauend kommt ein strategisches Thema der Vergütungspolitik<br />

zur Sprache: das Bemühen der B<strong>an</strong>ken um eine objektive Entgeltfindungssystematik,<br />

die sich <strong>an</strong> eindeutigen (ebenfalls objektiven) Kriterien orientiert. Ziel dieser<br />

Bemühungen ist es, das Sp<strong>an</strong>nungsfeld zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern zu<br />

entpersonalisieren und die Austauschpartner von aufwendigen Verständigungsprozes-


286 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

sen im Rahmen der Entgeltfindung zu "entlasten". Das in vergütungsspezifischen Kontrollsystemen<br />

entscheidende Leistungskriterium "Erfolg" av<strong>an</strong>ciert als Macht-Code zum<br />

Leitbegriff im symbolischen M<strong>an</strong>agement. Problem dabei ist jedoch die Tatsache, daß<br />

sich "Leistung" aus sehr heterogenen, zum Teil widersprüchlichen und oft nicht meßund<br />

zurechenbaren Komponenten zusammensetzt. Das in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g häufig<br />

proklamierte Motto der "leistungsgerechten" Bezahlung besitzt insofern leerformelhaften<br />

Charakter.<br />

Mit diesen Überlegungen ist der Boden bereitet für das Thema der "Vergütungskultur".<br />

Es wird belegt, daß im Rahmen des "Symbolischen M<strong>an</strong>agements" jene unsichtbaren<br />

und nicht greifbaren Werte, die es zum Zwecke der Stabilisierung des Vergütungssystems<br />

aufrecht zu erhalten gilt (etwa "leistungsgerechte Vergütung"), über<br />

Worte, Taten und Dinge vergegenständlicht bzw. als solche erfahrbar gemacht werden.<br />

Als zweite vergütungsspezifische Komponente des "Symbolischen M<strong>an</strong>agements" wird<br />

die Substituierbarkeit von Geldeinkommen durch <strong>an</strong>dere Arbeitgeber-Leistungen hervorgehoben.<br />

Zum einen gehören hierzu Geldäquivalente, die leicht monetarisiert werden<br />

können (Beförderungen, Sozialleistungen, Dienstwagen etc.), zum <strong>an</strong>deren spielen<br />

aber auch weitere Statussymbole eine herausragende Rolle (z.B. Titel, Arbeitsräume<br />

und deren Ausstattung, bestimmte Privilegien).<br />

Ein weiteres Thema der Arbeit ist das sog. Gehaltstabu. Das "Geheimnis" um Vergütungsentscheidungen<br />

und individuelle Gehaltshöhen wird seiner mysteriösen Aura<br />

entkleidet und als funktionales Erfordernis identifiziert: Gerade weil die Vergütung<br />

nicht rational, einheitlich und objektiv erfolgen k<strong>an</strong>n, kommt der Verschleierung der<br />

Maßstäbe, Relationen und Fakten eine große konfliktschlichtende und kostensparende<br />

Bedeutung zu.<br />

Diese Ged<strong>an</strong>ken leiten zu einem weiteren Themenkreis über: der Betriebsratspolitik.<br />

Der Betriebsrat müßte eigentlich für ein durchschaubares, leicht nachvollziehbares,<br />

objektiviertes Vergütungssystem eintreten. Im Rahmen der Arbeit werden jedoch Belege<br />

<strong>an</strong>geführt, daß ein solcher St<strong>an</strong>dpunkt apolitisch wäre. Er würde die zahlreichen<br />

Sp<strong>an</strong>nungsfelder übersehen, in denen Betriebsräte stehen: sie sollen gewerkschaftliche<br />

Positionen vertreten, gleichzeitig aber die Interessen der lokalen Belegschaft zur Geltung<br />

bringen, sie sind selbst unterstellte Mitarbeiter, die von den Vorgesetzten, mit denen<br />

sie verh<strong>an</strong>deln, in ihren Karriere- und Gehaltsentwicklung abhängen.<br />

Der abschließende Teil der Arbeit zieht ein wertendes Resümee. Es wird gezeigt,<br />

daß theoretische Motivationsmodelle sowohl zu vage und unoperationale Voraussetzungen<br />

zugrunde legen als auch erhebliche Lücken haben, weil sie Prozesse, die in der<br />

Vergütungsrealität eine große Bedeutung haben, nicht zur Kenntnis nehmen. Die in<br />

B<strong>an</strong>ken bestehende Vergütungsrealität wird als lebendiger Beweis seiner "Fitness" gewertet.<br />

Die scheinbare Unordnung der Vergütungsrealität erweist sich als eine theoretisch<br />

noch nicht durchschaute Unordnung, die jedoch nicht naturgesetzlich sachrational<br />

zu entwickeln ist, sondern politischen Charakter hat, weil sie der Reflexivität der Subjekte<br />

Rechnung trägt. Die vorh<strong>an</strong>denen Strukturen und Regeln der Vergütung sind zugleich<br />

Bedingung und Konsequenz des H<strong>an</strong>delns der Org<strong>an</strong>isationsmitglieder, sie sind<br />

es, die die Vergütungsrealität produzieren und in ein Sp<strong>an</strong>nungsverhältnis zur "norma-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 287<br />

tiven Fassade" bringen. Diese ist nicht etwa überflüssig und abzuschaffen, sondern der<br />

notwendige Bezugspunkt für das politische H<strong>an</strong>deln, das ja kein ungeregelter Kampf aller<br />

gegen alle ist. Nur weil es Regeln gibt, können sie verletzt oder mißachtet werden,<br />

und gerade diese Verletzung/Mißachtung bei Fortdauer der Geltung schafft nutzbare<br />

Verpflichtungen.<br />

Als ein konstruktiver Vorschlag wird abschließend die Empfehlung formuliert, alle<br />

Beteiligten in Mikropolitik zu schulen, damit die unausweichlichen Ausein<strong>an</strong>dersetzungen<br />

bewußter und fairer geführt werden können. Vor den Versuchen einer übertriebenen,<br />

d.h. einseitig <strong>an</strong> rationalen "Ideal-"Lösungen ausgerichteten Gestaltung von Vergütungssystemen<br />

wird jedoch mit Blick auf die im Rahmen dieser Arbeit festgestellten<br />

sozialen Konsequenzen erfolgsorientierter Vergütungssysteme mit ihren eher negativen<br />

Auswirkungen auf den tatsächlichen Leistungsbeitrag des einzelnen zum l<strong>an</strong>gfristigen<br />

Unternehmenserfolg gewarnt.


288 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Leonhard Knoll<br />

Intertemporale Entlohnung und ökonomische Effizienz. Ein Beitrag<br />

zur Theorie und Empirie von Alters-Verdienst-Profilen *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Ekkehard Wenger, Universität Würzburg<br />

Gegenst<strong>an</strong>d der Untersuchung ist die Entwicklung von Arbeitseinkommen im Laufe<br />

des Berufslebens. Ausgehend von der neoklassischen Input-Regel der Lohnbestimmung,<br />

die für statische Betrachtungen auf vollkommenen Märkten eine effiziente Faktorallokation<br />

gewährleistet, wird theoretisch und empirisch die Frage aufgeworfen, ob<br />

über längere Zeiträume (Grenz-) Produktivität und Entlohnung parallel zuein<strong>an</strong>der verlaufen<br />

bzw. wie Abweichungen von dieser Basisvermutung ökonomisch zu interpretieren<br />

sind.<br />

Dabei wird zunächst geklärt, daß mit den in ökonomischen Modellen verwendeten<br />

Variablen die realen Phänomene "Produktivität" und "Entlohnung" hinreichend gut beschrieben<br />

werden können. Überaschenderweise stellt der mit zunehmender Seniorität<br />

wachsende Anteil von Fringe benefits hierbei die einzige bedenkliche Verzerrung für<br />

die Untersuchung von Alters-Verdienst-Profilen dar, was die im weiteren Verlauf der<br />

Arbeit diagnostizierte "Überentlohnung" in der zweiten Hälfte des Berufslebens allerdings<br />

nicht in Frage stellt, sondern sogar verstärkt.<br />

Unter dieser Vorgabe werden zunächst statische bzw. einperiodige Modelle der<br />

Lohntheorie (St<strong>an</strong>dard-Mikroökonomie, Informationsökonomie, Segmentations<strong>an</strong>sätze<br />

und Insider/outsider-Theorie) vorgestellt, weil sie für eine Reihe intertemporaler Erklärungsmuster<br />

grundlegende Ideen und Strukturen aufweisen. Im mathematischen Anh<strong>an</strong>g<br />

werden mehrere Ergebnisse (z.B. hinsichtlich linearer Entlohnung bei impliziten<br />

Kontrakten) eigenständig abgeleitet und die Zusammenhänge zwischen den verwendeten<br />

Modellen verdeutlicht.<br />

Nach diesen Vorüberlegungen werden Alters-Verdienst-Profile direkt untersucht.<br />

Zunächst wird dabei ihr empirisches Erscheinungsbild und seine Abhängigkeit von der<br />

gewählten statistischen Perspektive dargestellt. Einen Schwerpunkt setzt der Autor hinsichtlich<br />

der Trennung verschiedener Zeiteffekte auf den Verlauf der Profile, wobei er<br />

teilweise die Ergebnisse zweier von ihm mitverfaßter Diskussionsbeiträge referiert.<br />

Hier werden einerseits Verdienstfunktionen auf der Basis von Daten des Sozioökonomischen<br />

P<strong>an</strong>els (Wellen A-H) geschätzt. Durch einen Vergleich bereinigter und unbereinigter<br />

Verdienst-Profile wird deutlich, daß technischer Fortschritt hinsichtlich der<br />

Arbeitseinkommen nicht altersneutral wirkt, sondern tendenziell Älteren stärker zugute<br />

kommt. Andererseits wird der sogen<strong>an</strong>nte Kohorteneffekt von Verdienst-Profilen untersucht,<br />

also die Frage, inwieweit das Geburtsjahr ökonometrisch einen Einfluß auf Höhe<br />

und Verlauf der Entlohnung hat. Die Datengrundlage für die Bearbeitung dieser zwei-<br />

*<br />

Veröffentlicht in der Reihe "LAW AND ECONOMICS" (Hrsg.: J. Finsinger/M. Lehm<strong>an</strong>n/A.<br />

Picot), Bd. 25, des VVF-<strong>Verlag</strong>s München im Dezember 1994.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 289<br />

ten Fragestellung bietet eine Kontenstichprobe des Verb<strong>an</strong>des Deutscher Rentenversicherungsträger<br />

zum 31.12.1990. Aus ihr werden Alters-Kalenderjahr-Matrizen abgeleitet,<br />

deren Feldwerte wiederum die Basis von Verdienstfunktionen bilden. Dabei zeigt<br />

sich, daß ab den sechziger Jahren Geborene unter Bereinigung von Produktivitätswachstum<br />

und Inflation wahrscheinlich mit einem Rückg<strong>an</strong>g des Lebenseinkommens<br />

zu rechnen haben.<br />

Von grundlegender Bedeutung für die Frage nach der Produktivitätsorientierung<br />

der Entlohnung ist im empirischen Teil schließlich ein Vergleich von Alters-Verdienstmit<br />

Alters-Produktivitäts-Profilen. Sowohl außerökonomische Studien hinsichtlich allgemeiner<br />

Leistungsfähigkeitsmaße im körperlichen und geistigen Bereich als auch die<br />

Mehrzahl ökonomischer Untersuchungen, die als Näherungsmaß für die Produktivität<br />

verschiedene Näherungsgrößen verwenden, lassen hier den Schluß zu, daß zu Beginn<br />

des Berufslebens in der Regel eine "Unterentlohnung" und <strong>an</strong> seinem Ende eine "Überentlohnung"<br />

vorherrscht.<br />

Die theoretische Untersuchung intertemporaler Entlohnung greift sowohl diese Ergebnisse<br />

als auch die Erkenntnisse einperiodiger Modelle auf. Die einzigen mehrperiodigen<br />

Ansätze, die grundsätzlich mit einer grenzproduktdeterminierten Entlohnung in<br />

Einkl<strong>an</strong>g stehen, sind die in der Literatur dominierende Hum<strong>an</strong>kapitaltheorie und Suchbzw.<br />

Zuordnungsmodelle. Die entscheidende Schwäche liegt hier wie auch bei den<br />

meisten folgenden Erklärungsideen in der für längerfristige Beschäftigungsverhältnisse<br />

bzw. das g<strong>an</strong>ze Berufsleben zu kurzen Wirkungsdauer, die der unterstellten Kausalstruktur<br />

für die Realität im Normalfall zugest<strong>an</strong>den werden k<strong>an</strong>n.<br />

Systematische Abweichungen der Entlohnung von der (Grenz-)Produktivität, insbesondere<br />

im Sinne eines zu steilen Verdienst-Profils, können durch eine Reihe theoretischer<br />

Modelle erklärt werden. Informationsökonomische Ansätze, die Risikoteilungsaspekte<br />

und die Agency-Probleme von "adverse selection" sowie "moral hazard" zum<br />

Gegenst<strong>an</strong>d haben, lassen sich hier ähnlich wie mehrperiodige Monopsonlösungen als<br />

Erweiterungen ihrer einperiodigen St<strong>an</strong>dardmodelle darstellen. Neben der wiederum zu<br />

kurzen Wirkungskonsistenz wird vor allen bei der Untersuchung optimaler Risikoteilung<br />

eine elementare Fehlprogrammierung deutlich. Die Zurückhaltung von Lohnbest<strong>an</strong>dteilen<br />

im Unternehmen führt, verstärkt durch die Gefahr eines Arbeitsplatzverlusts,<br />

l<strong>an</strong>gfristig zu einer Akkumulation von unsystematischem Risiko beim Arbeitnehmer,<br />

der in diesem Bereich gerade entlastet werden sollte, und erhöht gleichzeitig<br />

die Anreize zu vertragswidrigem Verhalten in Form von vorzeitigen Entlassungen<br />

durch den Arbeitgeber.<br />

Diese Probleme werden vom einzigen Erklärungs<strong>an</strong>satz, dem keine grundsätzlichen<br />

Mängel nachzuweisen sind, als Konsequenzen der Reaktion auf Eingriffe in die<br />

Verfügungsrechte am Arbeitsmarkt interpretiert. Die in der mehrperiodigen Agency-<br />

Theorie abgeleiteten steilen Lohnprofile können nur deshalb als akzeptable Instrumente<br />

<strong>an</strong>gesehen werden, weil die bestehende Rechtsordnung in praktisch allen Industrienationen<br />

effizientere Arr<strong>an</strong>gements nicht zuläßt. Kollektive Interessenvertretungen von Arbeitnehmern<br />

stehen dabei im Mittelpunkt eines Circulus vitiosus: Einerseits verschärfen<br />

sie das bei einzelnen Arbeitnehmern relativ geringe Drohpotential hinsichtlich Leis-


290 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

tungsverweigerung und Abw<strong>an</strong>derung nach einer arbeitgeberfin<strong>an</strong>zierten Ausbildung<br />

und <strong>an</strong>dererseits können sie als Agenten ihrer Mitglieder mögliche Gefährdungen der<br />

l<strong>an</strong>gfristigen fin<strong>an</strong>ziellen Ansprüche, die zudem normalerweise impliziter Natur sind,<br />

teilweise einschränken. Insgesamt bleibt ein negatives Zwischenergebnis, bei dem Effizienzverluste<br />

nicht durch Anpassungen <strong>an</strong> "naturgegebene" Restriktionen und Unvollkommenheiten,<br />

sondern <strong>an</strong> fehlgeleitete und prinzipiell durchaus veränderbare rechtliche<br />

Rahmenbedingungen verursacht sind.<br />

Verstärkt wird diese negative Einschätzung durch den Fin<strong>an</strong>zierungsmodus, der in<br />

der Realität aufgeschobenen Lohnbest<strong>an</strong>dteilen zugrundezulegen ist. Da von den Unternehmen<br />

wegen des impliziten Charakters des Arr<strong>an</strong>gements keine Kapitaldeckungen<br />

wie z. B. bei expliziten Pensionszusagen zu bilden sind, muß ähnlich wie in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung eine Umlagefin<strong>an</strong>zierung unterstellt werden. Damit wird<br />

dieses System aber in gleicher Weise von der demographischen Entwicklung negativ<br />

beeinflußt und es kommt zu einer Poolung der dadurch bedingten Gefahren während<br />

und nach dem Arbeitsleben bei denselben Personen. Daß ältere Arbeitnehmer nicht in<br />

vollem Umf<strong>an</strong>g den Ausgleich für Ihre zu geringe Entlohnung in den ersten zehn bis<br />

zw<strong>an</strong>zig Berufsjahren realisieren, läßt sich empirisch nicht nur <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der oben zitierten<br />

Ergebnisse für die ökonometrische Auswertung der Versicherungskontenstichprobe<br />

vermuten. Die überdurchschnittlich hohe und persistente Arbeitslosigkeit in den im Beschäftigungsfall<br />

"überbezahlten" Jahren vor dem Rentenbeginn, die zum Teil durch die<br />

Senioritätsentlohnung selbst bedingt ist, ergibt bereits heute eine unzumutbare Streuung<br />

der Lebensarbeitseinkommen, ohne daß genau gesagt werden könnte, ob der Erwartungswert<br />

über alle Mitglieder der letzten Vorkriegsjahrgänge bereits unter die akkumulierte<br />

Produktivität während ihres Berufslebens gefallen ist.<br />

Die Konsequenzen, die aus den Diagnosen der Arbeit gezogen werden sollten, sind<br />

zweierlei: Zum einen muß der Gesetzgeber auch aus einem in der "Eurosklerose"-<br />

Debatte bisher vernachlässigten Gesichtspunkt über eine Liberalisierung des Arbeitsrechts<br />

nachdenken. Zum <strong>an</strong>deren ist personalwirtschaftlich l<strong>an</strong>gfristig wieder eine engere<br />

Kopplung der Entlohnung <strong>an</strong> die Produktivität zu fordern, auch wenn über wenige<br />

Jahre aufgeschobene Entlohnungsbest<strong>an</strong>dteile zumindest unter den aktuellen institutionellen<br />

Rahmenbedingungen sinnvolle Arr<strong>an</strong>gements darstellen können. Je früher beides<br />

geschieht, umso eher wird es realisierbar sein, die mittlerweile unvermeidbaren Einbußen<br />

mindestens einer Arbeitnehmergeneration auf möglichst viele Kohorten zu verteilen.<br />

Daß <strong>an</strong>dernorts zumindest das zweite Desideratum bereits klar erk<strong>an</strong>nt wird, zeigt<br />

die Dissertation abschließend <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Entwicklung des jap<strong>an</strong>ischen "nenko". Wenn<br />

das berühmteste Senioritätssystem der Welt immer stärker abgebaut wird, werden auch<br />

hierzul<strong>an</strong>de die bisherigen Alters-Verdienst-Profile zur Disposition gestellt müssen,<br />

wenn m<strong>an</strong> nicht schon bald einen neuen St<strong>an</strong>dortnachteil beklagen will.<br />

Karl Niehues


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 291<br />

Mitarbeiter als Unternehmer. Erfolgsfaktoren am Beispiel eines mittelständischen<br />

Unternehmens *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Hinterhuber, Prof. Dr. Laske, beide Universität Innsbruck<br />

1. Fragestellung der Untersuchung<br />

Im Rahmen seiner Dissertation <strong>an</strong>alysiert der Verfasser unter Berücksichtigung<br />

seiner l<strong>an</strong>gjährigen praktischen Erfahrung als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit<br />

Klein- und Mittelbetrieben Ch<strong>an</strong>cen und Möglichkeiten der Beteiligung von Mitarbeitern<br />

am Unternehmen. Die Untersuchung erfolgt <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Gerätewerk Matrei Genossenschaft<br />

m.b.H. (GWM), einem Mitarbeiterunternehmen, das dadurch gekennzeichnet<br />

ist, daß das Kapital des Unternehmens in den Händen qualifizierter Mitarbeiter liegt<br />

und die Mitarbeiter als Mitunternehmer die Geschäftspolitik bestimmen.<br />

Das GWM ist als Untersuchungsobjekt deshalb interess<strong>an</strong>t, weil es seit 40 Jahren<br />

erfolgreich am Markt tätig ist und damit im Gegensatz zu <strong>an</strong>deren Mitarbeiterunternehmen<br />

nicht wirtschaftlich gescheitert ist.<br />

Da jedoch am GWM nicht sämtliche Mitarbeiter beteiligt sind, setzt sich der Verfasser<br />

eing<strong>an</strong>gs der Arbeit damit ausein<strong>an</strong>der, welche Merkmale Mitarbeiterunternehmen<br />

ausmachen. Seine Abgrenzung ergibt, daß folgende Kriterien, die sämtlich beim<br />

GWM vorliegen, für ein Mitarbeiterunternehmen entscheidend sind:<br />

- das Kapital befindet sich maßgeblich in der H<strong>an</strong>d der Mitarbeiter;<br />

- alle Mitarbeiter müssen die Möglichkeit besitzen, Beteiligter zu werden;<br />

- die Mitarbeiter müssen aufgrund ihrer Stimmrechte die Geschäftsleitung bestimmen.<br />

2. Theoretisches Konzept<br />

Mitarbeiterunternehmen erfüllen aufgrund ihrer charakteristischen Merkmale den<br />

ökonomischen Tatbest<strong>an</strong>d der Kooperative. Die Betriebswirtschaftslehre der Kooperative<br />

konzentriert sich auf die klassischen Probleme von Mitarbeiterunternehmen und<br />

zeigt deren Ursachen auf. Dagegen wurden bisl<strong>an</strong>g nur wenige praxiserprobte Konzepte<br />

zur Lösung der Probleme von Mitarbeiterunternehmen vorgestellt.<br />

Hierauf legt der Verfasser den Schwerpunkt der Arbeit, und zwar einerseits aufbauend<br />

auf die negativen wirtschaftlichen Erfahrungen vieler Mitarbeiterunternehmen.<br />

Andererseits untersucht der Verfasser detailliert die Org<strong>an</strong>isationsstrukturen des GWM,<br />

die sich in vielfältiger Weise von <strong>an</strong>deren Mitarbeiterunternehmen unterscheiden. Der<br />

Verfasser trennt die Probleme der Kooperative in das Entscheidungsproblem als zentrales<br />

Org<strong>an</strong>isationsproblem und die ökonomischen Probleme, wie Verteilungs-, Kapitalund<br />

marktwirtschaftliche Probleme.<br />

*<br />

Niehues, Karl: Mitarbeiter als Unternehmer: Erfolgsfaktoren am Beispiel eines mittelständischen<br />

Unternehmens. Fr<strong>an</strong>kfurt/M.: Campus <strong>Verlag</strong>, 1994.


292 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Das Entscheidungsproblem als wesentliches org<strong>an</strong>isatorisches Problem ergibt sich<br />

in einem Mitarbeiterunternehmen, weil die Mitarbeiter als Inhaber des Unternehmens<br />

und als Beschäftigte in derselben Unternehmung gleichzeitig die Entscheidungen treffen<br />

und die getroffenen Entscheidungen ausführen müssen. Die wichtigste Frage in einem<br />

Mitarbeiterunternehmen lautet daher, wie org<strong>an</strong>isieren die Mitglieder die betrieblichen<br />

Entscheidungsprozesse?<br />

Das Verteilungsproblem resultiert daraus, daß von den Mitgliedern unterschiedliche<br />

Leistungsbeiträge erbracht werden und bei der Ergebnisverteilung zudem die Kapitalbeiträge<br />

der Mitglieder berücksichtigt werden müssen.<br />

Kapitalprobleme entstehen dadurch, daß die Mitarbeiter als Unternehmenseigentümer<br />

in der Regel nicht über genügend Kapital verfügen, um das für das Unternehmen<br />

erforderliche Eigenkapital aufzubringen. Gleichzeitig ist aufgrund der Sonderstruktur<br />

der Unternehmung Fremdkapital von Dritten nur schwer zu erhalten.<br />

Bei den marktwirtschaftlichen Problemen geht es vor allem um die Gewinnorientierung<br />

unter Berücksichtigung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips, die Marktorientierung<br />

sowie die Unternehmensentwicklung durch Investitionen und Innovationen.<br />

Neben der detaillierten Darstellung der vorgen<strong>an</strong>nten Probleme zeigt der Verfasser<br />

theoretische wie auch in der Praxis <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dte Lösungsversuche mit ihren jeweiligen<br />

wirtschaftlichen Konsequenzen in bezug auf den Erfolg des Unternehmens auf und beschreibt<br />

den vom GWM gewählten Lösungs<strong>an</strong>satz.<br />

3. Empirische Untersuchungen<br />

Im Rahmen der empirischen Datenerhebung hat sich der Verfasser intensiv mit<br />

dem inneren Aufbau des Gerätewerkes Matrei seit der Unternehmensgründung im Jahre<br />

1948 befaßt. Die ökonomische Entwicklung wird <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d einer ausführlichen Analyse<br />

sämtlicher Bil<strong>an</strong>zen aufgezeigt. Die Untersuchung des Charakters eines Mitarbeiterunternehmens<br />

erfolgt im Rahmen der Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit den Protokollen der Hauptversammlungen,<br />

der Vorst<strong>an</strong>ds- und Aufsichtsratssitzungen, von Tagungen etc. sowie<br />

mit Org<strong>an</strong>isationsunterlagen.<br />

Anh<strong>an</strong>d der Analyse der Mitgliederstruktur der Genossenschaft und der Entwicklung<br />

der Zahlenverhältnisse von Mitarbeitern und am Unternehmen beteiligten Genossen<br />

untersucht der Verfasser, ob das GWM trotz wirtschaftlicher Erfolge den Charakter<br />

eines Mitarbeiterunternehmens nicht eingebüßt hat.<br />

4. Ergebnisse der Untersuchung<br />

Wesentlicher Lösungs<strong>an</strong>satz für das Entscheidungsproblem als zentrales Org<strong>an</strong>isationsproblem<br />

in einem Mitarbeiterunternehmen ist die indirekte Beteiligung der Mitarbeiter<br />

<strong>an</strong> der Geschäftsführung. Diese wird beim Gerätewerk Matrei praktiziert, indem<br />

die beteiligten Mitarbeiter den Vorsitzenden der Genossenschaft, der zugleich Geschäftsführungsbefugnis<br />

besitzt, wählen. Die Unternehmensführung wiederum muß<br />

aufgrund der Möglichkeit der Abwahl die Mitunternehmer durch wirtschaftlichen Erfolg<br />

überzeugen. Die Genossen hingegen sind im Betriebsalltag in die Unternehmens-


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 293<br />

hierarchie eingebunden und können aus der Mit-Unternehmerstellung keine Mitsprache-Rechte<br />

ableiten.<br />

Zur Lösung der ökonomischen Probleme, sind folgende Maßnahmen notwendig:<br />

1. Verteilungsprobleme werden vermieden, indem die Wertschöpfung nicht nach<br />

Köpfen oder nach Bedarf, sondern entsprechend allgemeinen tarifvertraglichen<br />

Regelungen erfolgt, um so Differenzen unter den Genossen zu vermeiden. Darüber<br />

hinaus können in erfolgreichen Geschäftsjahren ggf. Sondervergütungen gewährt<br />

werden.<br />

2. Kapitalengpässen k<strong>an</strong>n durch Stehenlassen von Gewinnen zum Aufbau notwendigen<br />

Eigenkapitals entgegengewirkt werden. Damit es nicht zu großzügigen Entnahmen<br />

kommt, ist den Mitgliedern durch Information Verständnis für die betriebswirtschaftlichen<br />

Zusammenhänge zu vermitteln.<br />

3. Die marktwirtschaftlichen Probleme können nur gelöst werden, wenn Mitarbeiterunternehmen<br />

- ebenso wie <strong>an</strong>dere kapitalistische Unternehmen - den Gewinn als<br />

Maßstab ihres Erfolges betrachten.<br />

4. Der Verfasser macht darüber hinaus deutlich, daß aufgrund der Erfahrungen beim<br />

GWM für eine erfolgreiche Lösung der Probleme ergänzende Maßnahmen notwendig<br />

sind:<br />

- Mitgliederstruktur, d.h., entscheidend ist die Zusammensetzung und Qualifikation<br />

der Unternehmensmitglieder;<br />

- Unternehmenskultur, d.h. gemeinsame Wertorientierungen (Genossenschaftsgeist)<br />

der Mitglieder;<br />

- kooperativer Führungsstil, d.h. Einbeziehung der Mitglieder in die Unternehmensführung;<br />

- Unternehmens-Controlling, d.h. Kontrolle und Information der Entscheidenden<br />

sowie der Ausführenden durch Budgetvereinbarungen und ein entsprechendes<br />

Berichtswesen.<br />

5. Weiterführende Fragen<br />

Unter Berücksichtigung dieser Lösungs<strong>an</strong>sätze k<strong>an</strong>n nach den Untersuchungen des<br />

Verfassers das Mitarbeiterunternehmen in Anbetracht des gesellschaftlichen Wertew<strong>an</strong>dels,<br />

des technischen Fortschrittes und <strong>an</strong>derer aktueller Faktoren eine<br />

ernstzunehmende Vari<strong>an</strong>te zum klassischen pluralistischen Unternehmen, mit<br />

Gesellschaftern auf der einen und Mitarbeitern auf der <strong>an</strong>deren Seite, sein. Der<br />

Verfasser stellt Möglichkeiten der Gründung von Mitarbeiterunternehmen vor, wobei<br />

die Übertragbarkeit des Modells GWM gesondert untersucht wird.<br />

7. Führung / Verhalten in Org<strong>an</strong>isationen<br />

Erich Limpens


294 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Leistungsorientierte Differenzierung von Führungskräften. Probleme<br />

- Bedingungen - Wirkungen *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Winfried Hamel, Lehrstuhl für Unternehmensführung der<br />

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

Problemstellung<br />

Das Geschick eines Unternehmens hängt maßgeblich von einem leistungsstarken<br />

M<strong>an</strong>agement bzw. von leistungsfähigen Führungskräften ab, die in der Lage sind, ausgerichtet<br />

am ökonomischen Prinzip unter Beachtung der marktspezifischen Rahmenbedingungen<br />

sinnvolle Faktorkombinationen herbeizuführen. Insbesondere vor dem Hintergrund<br />

der derzeitigen wirtschaftlichen Situation finden "Schönwetterm<strong>an</strong>ager" keinerlei<br />

Berechtigung, so daß sich nahezu flächendeckend der Ruf nach innovativen Krisenm<strong>an</strong>agern<br />

erhärtet, bei denen die Vokabel Leistung zum zentralen Begriff av<strong>an</strong>ciert<br />

ist.<br />

Trotz des sowohl in der Literatur als auch in der Praxis als unzweifelhaft diagnostizierten<br />

Kausalzusammenh<strong>an</strong>gs zwischen Führungskräfteleistung und Unternehmenserfolg<br />

wurde bisl<strong>an</strong>g der Arbeitsleistung dispositiv tätiger Personen wenig Aufmerksamkeit<br />

geschenkt, da bis dato weder eine hinreichende Anzahl theoretisch fundierter<br />

Konzepte noch praxisrelev<strong>an</strong>ter Erfahrungen in Hinblick auf die Leistungsbeeinflussung<br />

von M<strong>an</strong>agern vorliegen. Speziell das Konstrukt einer durchgängigen leistungsbezogenen<br />

Entlohnung, das durch eine konsequente leistungsorientierte Differenzierung<br />

der Arbeitsleistung erbringenden Führungskräfte zum Ausdruck kommt, f<strong>an</strong>d bisher nur<br />

rudimentär Ankl<strong>an</strong>g. Diese Tatsache mag sicherlich seine Ursache in den erheblichen<br />

Problemen der im Rahmen einer leistungsorientierten Differenzierung notwendigen<br />

Leistungserfassung der Führungskräftetätigkeit begründen. Diese Schwierigkeiten dürfen<br />

aber nicht zum Anlaß genommen werden, der leistungsorientierten Führungskräftedifferenzierung<br />

den Rücken zuzuwenden und weiterhin der vielerorts praktizierten hierarchischen-,<br />

alters-, betriebszugehörigkeits- oder arbeitsmarktspezifischen Führungskräftedifferenzierung<br />

zu frönen, da derartige leistungsdesorientierte Differenzierungsstrukturen<br />

eine leistungsfördernde Signalwirkung in Frage stellen.<br />

Somit wird mit der vorgenommenen Untersuchung das Ziel verfolgt, über die leistungsm<strong>an</strong>ipulierende<br />

Wirkung und ggf. weiteren Wirkungen einer unternehmensseitig<br />

implementierten generalisierten leistungsorientierten Differenzierung bzw. Klassifizierung<br />

von Führungskräften zu reflektieren. Diesbezüglich bleibt auf theoretischer Ebene<br />

zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen diese Wirkungen mit welchem Erfolg realisiert<br />

werden können. Dazu bedarf es sowohl einer Registratur des Leistungserfassungssowie<br />

Differenzierungsinstrumentariums, der relev<strong>an</strong>ten Leistungsindikatoren und der<br />

sich in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g ergebenden Prämissen als auch einer unter Beachtung<br />

*<br />

Erich Limpens, Leistungsorientierte Differenzierung von Führungs-kräften, Probleme - Bedingungen<br />

- Wirkungen, Diss., Wirtschaftsverlag Bachem, Köln, 1994.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 295<br />

der betriebswirtschaftlichen Effizienzerfordernisse stattfindenden Praktikabilitätskontrolle.<br />

Mit Hilfe dieser Untersuchung sollen gemäß den Erfordernissen der wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Forschung sowohl theoretische als auch pragmatische Zielsetzungen<br />

verfolgt werden. Die in dieser Abh<strong>an</strong>dlung aus der Registratur, Charakterisierung, Illustration<br />

sowie Rezension von Problemstellungen gewonnenen Erkenntnisse wären in<br />

einem weiteren, dieser Arbeit folgenden Schritt hinsichtlich ihrer Validität auf empirischem<br />

Wege zu prüfen.<br />

Die terminologische Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit dem Begriff "Führungskraft" zeitigt<br />

aufgrund vielfältiger Synonyma ein wenig eindeutiges Bild. Somit ist primär eine funktional/hierarische<br />

Spezifikation unabdingbar, die zu einer konkreten Führungskräftebeschreibung<br />

führt. Demgemäß sind Führungskräfte mit Regulierungs-, Kontroll-, Motivations-,<br />

Direktions, Repräsentations-, Koordinations-, Innovations- und Pl<strong>an</strong>ungsaufgaben<br />

betraut, zu deren Erfüllung sie sich der Kommunikation und Entscheidung bedienen.<br />

Diese Funktionen werden sowohl von leitenden Angestellten (Middle-<br />

M<strong>an</strong>agement) als auch von Geschäftsführern oder Vorst<strong>an</strong>dsmitgliedern (Top-M<strong>an</strong>agement)<br />

wahrgenommen, die innerhalb der Abh<strong>an</strong>dlung eine Fokussierung erfahren<br />

und sich einer weiteren rechtlichen als auch soziologischen Spezifikation unterziehen.<br />

Untersuchungsergebnisse<br />

Zur Erfüllung der mit Hilfe der leistungsorientierten Führungskräftedifferenzierung<br />

<strong>an</strong>gestrebten Sachziele, die in einem Zieltri<strong>an</strong>gulum abgebildet werden können<br />

und sich aus Individualzielen (Leistungskonservierung, Gerechtigkeitswahrung, Leistungskontrolle,<br />

Potentialänderung), Kollektivzielen (Konfliktreduktion, Kollegialität)<br />

und Ökonomiezielen (Leistungsm<strong>an</strong>ipulation, Flexibilisierung, Synergiewirkung, Imagebeeinflussung,<br />

Pl<strong>an</strong>ungserleichterung) zusammensetzen, bedarf es eines methodisch<br />

praktikablen Instrumentariums, das von Seiten der Betroffenen <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt und wirtschaftlich<br />

vertretbar ist.<br />

Das notwendige Instrumentarium fußt einerseits auf einer verfahrenstechnischen<br />

Struktur hinsichtlich der Leistungserfassung und der Differenzierung; <strong>an</strong>dererseits sind<br />

spezielle Leistungsindikatoren von Nöten, die sich auf das Aufgabenspektrum von Führungskräften<br />

beziehen.<br />

Bezüglich der Leistungserfassung hat sich die bereits seit l<strong>an</strong>gem bek<strong>an</strong>nte <strong>an</strong>alytische<br />

Skalierung gekoppelt mit einem Stufensystem als sinnvoll herausgestellt. Als<br />

kompetente Beurteilungssubjekte zur zweckmäßigerweise jährlichen Beurteilung eignen<br />

sich in Hinblick auf das Middle- und Top-M<strong>an</strong>agement insbesondere Vorgesetzte<br />

in Verbindung mit Untergebenen.<br />

Als Leistungsindikatoren kommen sowohl inputorientierte Leistungsmerkmale -<br />

Anforderungsmerkmale und Individualmerkmale - als auch outputorienterte Leistungsmerkmale<br />

- Funktionalmerkmale und Globalmerkmale - in Frage. Anforderungsmerkmale<br />

resultieren aus der Arbeitsschwierigkeit der Führungskräftestelle und implizieren<br />

die zur herkömmlichen Bewältigung der Anforderungen notwendige Normalleistung;<br />

Individualmerkmale hingegen determinieren eine personenorientierte führungsspezifische<br />

Input-Leistung, die über die Normalleistung hinausragt und auf die Persönlichkeit


296 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

und das Arbeitsverhalten abzielt. Funktionalmerkmale fokussieren das aus den jeweils<br />

einzelnen Generalfunktionen resultierende führungsorientierte Arbeitsergebnis bzw.<br />

Funktionsergebnis; im Gegensatz dazu konkretisieren Globalmerkmale das aus dem<br />

Funktionenkonglomerat sich ergebende globale Arbeitsergebnis von dispositiv Tätigen.<br />

Im Rahmen der Fundierung der unternehmensspezifischen Leistungsindikatorenkomposition<br />

ist jedoch darauf zu achten, daß hinsichtlich der Beurteilungsobjekte sowohl inhaltliche,<br />

qu<strong>an</strong>titative, temporale sowie informatorische Erfordernisse erfüllt sind und<br />

eine wirklichkeitsgetreue Ponderabilisierungsstruktur als Bewertungsgrundlage dient.<br />

Bezüglich der Differenzierung, die als Generierung heterogener Formen aus ursprünglich<br />

homogenen Strukturen zu definieren ist, k<strong>an</strong>n aus verfahrenstechnischer<br />

Sicht zwischen einer fundamentalen (absolut/relativ), formalen (monetär/nicht monetär)<br />

und frequentiären (einmalig/mehrmalig bzw. stochastisch/regelmäßig) Dimensionierung<br />

unterschieden werden. Diesbezüglich scheint gemäß der theoretischen Diskussion eine<br />

regelmäßige relative Differenzierung sowohl auf monetärer als auch nicht monetärer<br />

Basis sinnvoll; in diesem Zusammenh<strong>an</strong>g ist jedoch festzustellen, daß die Differenzierung<br />

einiger nicht-monetärer Entgeltformen insbesondere aufgrund der eingeschränkten<br />

Revidierbarkeit im Falle der Leistungsreduktion als inpraktikabel zu kennzeichnen sind.<br />

Vielfach werden leistungsorientierte Differenzierungsstrukturen von den Führungskräften,<br />

die sich in der Rolle des aktiven Beurteilers befinden, als lästige Pflicht<br />

empfunden. Die passiv betroffenen Beurteilungsobjekte scheinen im Wege der regelmäßig<br />

vorgenommenen Beurteilungen in ihren persönlichen Freiräumen beschnitten<br />

und haben auf liebgewonnene Besitzstände zu verzichten. Die aus den Beurteilungsergebnissen<br />

resultierenden Entgelte sorgen nur sol<strong>an</strong>ge für Zufriedenheit, sol<strong>an</strong>ge sie<br />

tr<strong>an</strong>sparent sind und dem Wertsystem jedes einzelnen entsprechen; diese Bedingung ist<br />

l<strong>an</strong>gfristig nur schwer erfüllbar - das Cafeteria-System scheint ein praktikabler Ausweg.<br />

Aus ökonomischer Warte sind im Rahmen der Differenzierungsimplementierung<br />

neben einer generellen Anhebung der absoluten Entgeltdimensionen zusätzliche Integrationskosten<br />

sowie regelmäßig <strong>an</strong>fallende Aktions- und Kultivationskosten zu kalkulieren,<br />

die im Einzelfall variieren.<br />

Weiterführende Fragen<br />

Metaperspektivisch wird die Effizienz der leistungsorientierten Führungskräftedifferenzierung<br />

von internen und externen Determin<strong>an</strong>ten beeinflußt. Zu den internen Determin<strong>an</strong>ten<br />

sind sowohl org<strong>an</strong>isationsimm<strong>an</strong>ente Spezifika (Org<strong>an</strong>isationsstruktur, Org<strong>an</strong>isationskultur<br />

etc.) als auch Betroffenen-Spezifika (Einflußpotential der Initiatoren,<br />

Professionalität der Beurteilungssubjekte etc.) zu subsumieren; externe Determin<strong>an</strong>ten<br />

werden durch das kulturelle, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld repräsentiert. Trotz<br />

der Kenntnis dieser Determin<strong>an</strong>ten und ihrer jeweiligen Einzelwirkungen konnte eine<br />

Untersuchung des sich aufsp<strong>an</strong>nenden Wirkungsnetzes bisl<strong>an</strong>g nicht vorgenommen<br />

werden.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 297<br />

Klaus Niedl<br />

Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz. Eine empirische Analyse zum<br />

Phänomen sowie zu personalwirtschaftlich relev<strong>an</strong>ten Effekten von<br />

systematischen Feindseligkeiten *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dudo von Eckardstein, Prof. Dr. Helmut Kasper, beide Wirtschaftsuniversität<br />

Wien<br />

In den letzten drei Jahren k<strong>an</strong>n im deutschen Sprachraum die verstärkte Ausein<strong>an</strong>dersetzung<br />

mit einer Thematik festgestellt werden, die unter dem Begriff "Mobbing"<br />

(engl. bullying) geführt wird. Mobbing steht für ein Phänomen, das wiederkehrende<br />

Feindseligkeiten (z.B. Schlechtbeh<strong>an</strong>dlung, Schik<strong>an</strong>e, Entwertung) am Arbeitsplatz gegen<br />

Bechäftigte auf allen Hierarchieebenen zum Ausdruck bringen soll. Diese betrieblichen<br />

Störfaktoren sind PraktikerInnen und WissenschafterInnen seit l<strong>an</strong>gem bek<strong>an</strong>nt,<br />

wurden jedoch in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen bisl<strong>an</strong>g nur am<br />

R<strong>an</strong>de beh<strong>an</strong>delt. In der vorliegenden Dissertation werden unter Mobbing H<strong>an</strong>dlungen<br />

einer Gruppe oder eines Individuums verst<strong>an</strong>den, denen von einer Person, die diese<br />

H<strong>an</strong>dlungen als gegen sie gerichtet wahrnimmt, ein feindseliger, demütigender oder<br />

einschüchternder Charakter zugeschrieben wird. Die H<strong>an</strong>dlungen müssen häufig auftreten<br />

und über einen längeren Zeitraum <strong>an</strong>dauern. Die betroffene Person muß sich zudem<br />

aufgrund wahrgenommener sozialer, ökonomischer, physischer oder psychischer Charakteristika<br />

außerst<strong>an</strong>de sehen, sich zu wehren oder dieser Situation zu entkommen.<br />

Brodsky markiert bereits 1976 in den USA mit seiner Arbeit "The Harassed Worker"<br />

den Beginn der Mobbingdiskussion, ohne dabei den Begriff "Mobbing" zu verwenden.<br />

In weiterer Folge tragen im Laufe der achtziger Jahre norwegische, schwedische<br />

und finnische WissenschafterInnen mit ihren Forschungsarbeiten zu einer breiten<br />

medialen Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit dem Thema bei. Durch das geweckte öffentliche Interesse<br />

wird Forschungsförderung möglich, die sich in einer Vielzahl empirischer Arbeiten<br />

in diesem Raum m<strong>an</strong>ifestiert. Im Gegensatz dazu können erste wissenschaftliche<br />

Abh<strong>an</strong>dlungen im deutschen Sprachraum erst seit 1992 festgestellt werden; diese beschränken<br />

sich vorwiegend auf die Rezeption sk<strong>an</strong>dinavischer Ergebnisse.<br />

Aufgrund des diagnostizierten Forschungsdefizites für den deutschen Sprachraum<br />

werden in der Dissertation die folgenden drei Bereiche beh<strong>an</strong>delt:<br />

Zum einen wird der Frage nachgeg<strong>an</strong>gen, welche personalwirtschaftlich relev<strong>an</strong>ten<br />

Aussagen auf Basis der bisl<strong>an</strong>g durchgeführten empirischen Arbeiten zu Mobbing getätigt<br />

werden können. In diesem Abschnitt wird in Form einer Literatur<strong>an</strong>alyse eine<br />

Übersicht über den St<strong>an</strong>d der empirischen Forschung gegeben. Die Ergebnisse ver<strong>an</strong>schaulichen,<br />

daß die Thematik Mobbing seit mehr als 10 Jahren vor allem von der<br />

*<br />

Klaus Niedl (1995): Mobbing/Bullying am Arbeitsplatz, Personalwirtschaftliche Schriften<br />

(Hrsg.: Eckardstein, D. v./Neuberger, O.), B<strong>an</strong>d 4, München und Mering: <strong>Hampp</strong>, 304 S.,<br />

DM 49.80.


298 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

sk<strong>an</strong>dinavischen Wissenschaft - vorwiegend aus dem Fachgebiet der Arbeits- und Org<strong>an</strong>sationspsychologie<br />

- beh<strong>an</strong>delt wird. Während die theoretische Ausein<strong>an</strong>dersetzung<br />

nur in Ansätzen erfolgt, ist die empirische Forschung ausgeprägt. Diese stellt das Individuum<br />

in den Mittelpunkt der Betrachtung und konzentriert sich auf Ursachen und pathogene<br />

Konsequenzen von Mobbing; eine personalwirtschaftliche Perspektive wird<br />

nur in Ausnahmefällen gewählt. Die dabei verwendeten Methoden sind zumeist qu<strong>an</strong>titative<br />

Verfahren, welche das Phänomen nur mit Unschärfen erfassen können.<br />

Die Ergebnisse in bezug auf die Verbreitung von Mobbing weisen trotz deutlicher<br />

Methodenprobleme darauf hin, daß Mobbing nicht als org<strong>an</strong>isationales R<strong>an</strong>dphänomen<br />

qualifiziert werden k<strong>an</strong>n. Die dabei zu einem bestimmten Prozeßzeitpunkt auftretenden<br />

gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Betroffenen können tiefgreifend sein. Zusammenh<strong>an</strong>gs<strong>an</strong>alysen<br />

in bezug auf soziodemographische Merkmale sowie Ergebnisse<br />

in bezug auf die wenigen erfaßten personalwirtschaftlichen Effekte zeigen Inkonsistenzen.<br />

Im zweiten Abschnitt der Arbeit werden aufgrund der bisl<strong>an</strong>g fehlenden empirischen<br />

Forschung im deutschen Sprachraum und des damit verbundenen Fehlens von<br />

Aussagen über grundlegende Strukturen des Phänomens zwei empirische Untersuchungen<br />

in einem österreichischen Privatunternehmen (n=63) und in einer österreichischen<br />

Kr<strong>an</strong>ken<strong>an</strong>stalt (n=368) präsentiert. Beide Erhebungen wurden als Anonymbefragung<br />

mit einer adaptierten deutschen Version des in den meisten schwedischen Untersuchungen<br />

verwendeten LIPT-Fragebogens durchgeführt. Ergänzt wird diese Version um die<br />

fünf Skalen psychischer Befindensbeeinträchtigung nach Mohr, die eine Bewertung der<br />

Befindensbeeinträchtigung erlauben.<br />

Die Ergebnisse zeigen für die beiden untersuchten Org<strong>an</strong>isationen ein im Vergleich<br />

zu Schweden höheres Ausmaß der Mobbingbetroffenheit. Unabhängig von der<br />

Klassifikation "gemobbt/nicht gemobbt" erlebt in beiden Org<strong>an</strong>isationen ein nicht unwesentlicher<br />

Anteil der Beschäftigten Feindseligkeiten, die sich als l<strong>an</strong>g<strong>an</strong>dauerndes<br />

und häufiges Auftreten mehrerer H<strong>an</strong>dlungen darstellen. Eine Analyse des Zusammenh<strong>an</strong>ges<br />

zwischen der erlebten Häufigkeit von Mobbingh<strong>an</strong>dlungen - differenziert nach<br />

H<strong>an</strong>dlungsdimensionen - und der Stärke psychischer Befindensbeeinträchtigungen ergibt<br />

in der Mehrzahl der Fälle eine signifik<strong>an</strong>t positive Beziehung. Je häufiger Mobbingh<strong>an</strong>dlungen<br />

in den einzelnen Dimensionen auftreten, desto stärker gestaltet sich der<br />

Grad der Befindensbeeinträchtigung.<br />

Aufgrund der bisl<strong>an</strong>g weitgehend fehlenden personalwirtschaftlichen Betrachtung<br />

des Mobbinggeschehens wird im dritten Abschnitt der Arbeit die Frage gestellt, welche<br />

personalwirtschaftlich relev<strong>an</strong>ten Effekte mit Mobbing verbunden sein können. Zu diesem<br />

Zweck wird eine Explorativstudie mit 10 gemobbten Personen durchgeführt, deren<br />

psychische/psychosomatische Folgen des Mobbingprozesses in einer deutschen Spezialklinik<br />

beh<strong>an</strong>delt wurden. Zur Exploration der individuellen Belastungssituation im<br />

betrieblichen und privaten Bereich wird das Computerdiagnostikum CEPAR verwendet.<br />

Die individuellen Fallstudien werden mittels problemzentrierter Interviews erhoben.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 299<br />

Die theoretische Basis dieser Untersuchung bilden streßtheoretische Ansätze (tr<strong>an</strong>saktionales<br />

Streßkonzept). Im speziellen findet der Person-Environment-Fit Ansatz<br />

nach French/Cobb/Rodgers Anwendung, der als passungstheoretischer Ansatz Streß auf<br />

die m<strong>an</strong>gelnde Kongruenz zwischen den Eigenschaften/Bedürfnissen einer Person und<br />

den Eigenschaften/Anforderungen ihrer Umwelt zurückführt. Um die von den Prob<strong>an</strong>dInnen<br />

in der Exploration gen<strong>an</strong>nten Verhaltensänderungen zu strukturieren, wird auf<br />

das EVLN-Modell nach Withey/Cooper zurückgegriffen. Dieses Modell schlägt eine<br />

Klassifikation von Reaktionen auf unbefriedigende Arbeitsplatzsituationen vor.<br />

Die explorierte Population zeichnet sich zum Zeitpunkt der Untersuchung durch<br />

deutliche Beeinträchtigungen des psychischen Befindens (z.B. Depressivität) und hinsichtlich<br />

physischer/psychosomatischer Beschwerden (z.B. beeinträchtigtes Allgemeinbefinden)<br />

aus. Damit direkt verbunden sind personalwirtschaftliche Effekte verschiedener<br />

Art (z.B. Absentismus). Weiters wird deutlich, daß bei jedem Mobbingfall von z.T.<br />

sehr unterschiedlichen individuellen Voraussetzungen ausgeg<strong>an</strong>gen werden muß, die<br />

zur bewußten oder unbewußten Reaktionswahl auf die unbefriedigende Situation führen.<br />

Eine Prozeßbetrachtung ergibt, daß alle Prob<strong>an</strong>dInnen mit einer als im Sinne der<br />

Personalwirtschaft konstruktiv zu bezeichnenden Reaktion (z.B. Verbesserung der Situation,<br />

loyales Verhalten gegenüber dem Unternehmen) ihre Situation verändern wollen<br />

und zu Prozeßende mit destruktiven Formen (z.B. innere Kündigung, Kündigung) reagieren.<br />

Dies widerspricht den derzeit vorherrschenden Thesen, die von unmittelbar destruktiven<br />

Reaktionsformen im Mobbingfall ausgehen. Die Explorativstudie belegt die<br />

Bedeutung einer Prozeßbetrachtung bei künftigen Forschungen.<br />

In weiteren Forschungsarbeiten sollte vor allem eine Konzentration auf die Abgrenzungsproblematik<br />

erfolgen. Eine Weiterführung der Mobbingforschung hinsichtlich<br />

der individuellen/org<strong>an</strong>isationalen Effekte und Ursachen für Mobbing scheint erst<br />

vor dem Hintergrund einer präzisen Definition sinnvoll zu sein. Im Vordergrund sollte<br />

dabei die Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit der asymmetrischen Situation stehen, in der sich die<br />

Betroffenen befinden. Damit verbunden ist eine Weiterentwicklung der Methodik zur<br />

Erfassung von Mobbing. Aufgrund der z.T. sehr individuellen und situativen Elemente<br />

eines jeden Mobbingsprozesses gestaltet sich die Abstraktion als schwierig. Prozeßorientierte<br />

Verfahren, welche auch die individuelle Wahrnehmung von H<strong>an</strong>dlungen als<br />

feindselig prüfen, sollten dabei betont werden. Weiters fehlt eine fundierte theoretische<br />

Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit Mobbing. Vor allem systemische Ansätze, welche die Interaktivität<br />

der beteiligten Personen sowie Systemfunktionen betonen, scheinen gegenüber<br />

linearen Ansätzen (z.B. Aggressionstheorien) zielführender zu sein.<br />

Peter Walgenbach


300 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Mittleres M<strong>an</strong>agement: Aufgaben - Funktionen - Arbeitsverhalten *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Alfred Kieser, Universität M<strong>an</strong>nheim<br />

1. Hintergrund und Fragestellungen der Arbeit<br />

Wer einen Blick in die gängige deutschsprachige M<strong>an</strong>agementliteratur wirft, um<br />

Informationen zum mittleren M<strong>an</strong>agement einzuholen, findet sich schnell ernüchtert:<br />

nur äußerst sparsame, oft eher spekulative Ausführungen. Aber auch in der <strong>an</strong>gloamerik<strong>an</strong>ischen<br />

M<strong>an</strong>agementliteratur findet sich nicht viel, was dem am mittleren M<strong>an</strong>agement<br />

interessierten Leser weiterhilft. So beklagen Torrington et al. nicht zu Unrecht:<br />

"... the job of the m<strong>an</strong>ager is typically described in terms of the job of the chief<br />

executive delegated in different-sized parcels to others <strong>an</strong>d therefore similar to his" und<br />

sie vermuten, daß "... the job of the chief executive is quite different from all other m<strong>an</strong>agement<br />

jobs ..." 1<br />

Vor dem Hintergrund der noch immer aktuellen Diskussion zum Konzept des Le<strong>an</strong><br />

M<strong>an</strong>agements, bei dem Positionen im mittleren M<strong>an</strong>agement abgebaut und den verbleibenden<br />

mittleren M<strong>an</strong>agern eine völlig neue Rolle - die des internen Unternehmers -<br />

zugewiesen werden soll, bedeutet ein solches Leerfeld nicht nur für die M<strong>an</strong>agementforschung,<br />

sondern auch für die betriebswirtschaftliche Praxis eine nicht g<strong>an</strong>z unproblematische<br />

Situation. Wenn nämlich nicht klar ist, was die bisherige Rolle des mittleren<br />

M<strong>an</strong>agements ist, und es ungewiß ist, ob nicht wichtige Funktionen von den mittleren<br />

M<strong>an</strong>agern übernommen werden, auf deren Erhaltung bei der Verschl<strong>an</strong>kung der Org<strong>an</strong>isation<br />

in jedem Fall geachtet werden muß, ist nicht auszuschließen, daß die mit der<br />

Verschl<strong>an</strong>kung <strong>an</strong>visierten Ziele nicht erreicht werden.<br />

Aus der skizzierten Situation leiten sich die Fragestellungen der Arbeit ab:<br />

- Wer sind die mittleren M<strong>an</strong>ager?<br />

- Wie sind die Stellen mittlerer M<strong>an</strong>ager beschaffen? Welchen Anforderungen sehen<br />

sich die mittleren M<strong>an</strong>ager gegenüber? Welche Wahlmöglichkeiten bestehen für<br />

sie in der Gestaltung ihrer Arbeit, und wodurch wird ihr H<strong>an</strong>dlungsspielraum begrenzt?<br />

- Wie gestaltet sich der Arbeitstag mittlerer M<strong>an</strong>ager, und wie versuchen mittlere<br />

M<strong>an</strong>ager, die mit ihren Stellen verbundenen Anforderungen zu bewältigen?<br />

- Welche spezifischen Funktionen kommen mittleren M<strong>an</strong>agern in Org<strong>an</strong>isationen<br />

zu?<br />

2. Theoretischer Bezugsrahmen und methodisches Vorgehen<br />

*<br />

1<br />

Wiesbaden: Gabler, 1994<br />

Torrington, D./Weightm<strong>an</strong>, J./Johns, K. 1989: Effective M<strong>an</strong>agement. People <strong>an</strong>d Org<strong>an</strong>isation.<br />

New York, S. 5.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 301<br />

Basis des theoretischen Bezugsrahmens der Arbeit sind der "Dem<strong>an</strong>ds-Constraints-<br />

Choices-Approach" von Stewart 2 und der Ansatz von Kotter 3 , der mit den Konstrukten<br />

"Agendas", "Network-Building" und "Execution: getting networks to implement agendas"<br />

das Arbeitsverhalten von M<strong>an</strong>agern zu erklären versucht. Ausgehend von der in<br />

der Literatur vorzufindenden Kritik <strong>an</strong> den gen<strong>an</strong>nten Ansätzen werden diese einerseits<br />

mitein<strong>an</strong>der verknüpft und <strong>an</strong>dererseits in umfassendere theoretische Ansätze, wie<br />

bspw. soziologische Rollenkonzepte, eingebunden sowie durch das Skriptkonzept, das<br />

Konzept der subjektiven Theorien und die Theorie der Strukturierung erweitert.<br />

In drei Unternehmen, einer Brauerei, einer Versicherung und einer Bauunternehmung,<br />

wurden jeweils zehn, insgesamt also 30 Positionen im mittleren M<strong>an</strong>agement untersucht.<br />

Mit Hilfe einer Vielzahl unterschiedlicher Erhebungsinstrumente wurden die<br />

für die Be<strong>an</strong>twortung der Forschungsfragen erforderlichen Daten gewonnen: Dokumenten<strong>an</strong>alysen,<br />

st<strong>an</strong>dardisierte Fragebogen, halbstrukturierte Interviews mit den mittleren<br />

M<strong>an</strong>agern und deren direkten Vorgesetzten. Zudem wurden 13 mittlere M<strong>an</strong>ager für<br />

zwei oder drei Tage bei der Arbeit beobachtet.<br />

3. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung<br />

Die mittleren M<strong>an</strong>ager: Es zeigt sich durchgängig eine enge Verbindung zwischen<br />

den von den mittleren M<strong>an</strong>agern erworbenen formalen Qualifikationen und den mit ihren<br />

Stellen verbundenen Aufgaben und Ver<strong>an</strong>twortlichkeiten. Auffällig ist zudem, daß<br />

die Karrieren der mittleren M<strong>an</strong>ager regelmäßig innerhalb eines Unternehmens und dort<br />

innerhalb eines Funktionsbereichs verlaufen. Deutsche Unternehmen scheinen <strong>an</strong>ders<br />

als bspw. britische Unternehmen Spezialisten in einem eng umrissenen Fachbereich her<strong>an</strong>ziehen<br />

zu wollen.<br />

Dieses generelle Muster spiegelt sich in den subjektiven Führungstheorien der<br />

mittleren M<strong>an</strong>ager wider. So betonen die mittleren M<strong>an</strong>ager im besonderen Maße die<br />

erforderliche fachliche Qualifikation und die Notwendigkeit, "das H<strong>an</strong>dwerk von der<br />

Pike auf gelernt zu haben", um Führungsaufgaben wahrnehmen zu können.<br />

Aus ihrem umfassenden Fachwissen und nicht aus der hierarchisch übergeordneten<br />

Position beziehen die mittleren M<strong>an</strong>ager auch ihre Autorität. Sie verstehen sich gegenüber<br />

ihren Mitarbeitern mehr als Kollegen, die eine Vorbildfunktion übernehmen, und<br />

weniger als Vorgesetzte.<br />

Die Stellen der mittleren M<strong>an</strong>ager: Die zentrale und sehr allgemein gehaltene Anforderung,<br />

mit der sich die mittleren M<strong>an</strong>ager konfrontiert sehen, ist, daß sie für einen<br />

"reibungslosen Ablauf" in ihren Abteilungen sorgen müssen. "Reibungsloser Ablauf"<br />

meint dabei, nicht nur sicherstellen, daß die Aufgaben in ihren Abteilungen entsprechend<br />

den Vorgaben erfüllt werden oder daß Störungen in den Arbeitsprozessen abgef<strong>an</strong>gen<br />

werden, sondern heißt auch, daß ein gutes Arbeitsklima in der Abteilung aufge-<br />

2<br />

3<br />

Stewart, R. 1976: Contrasts in M<strong>an</strong>agement. A Study of Different Types of M<strong>an</strong>agers' Jobs.<br />

Maidenhead.<br />

Kotter, J.P. 1982: The General M<strong>an</strong>agers. New York.


302 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

baut werden muß und Konflikte zwischen Abteilungen, die sich aus divergierenden<br />

Zielsetzungen ergeben, vermieden oder selbständig, d.h. ohne Einbeziehung höherer<br />

Hierarchieebenen, gelöst werden müssen.<br />

Die Anforderungen <strong>an</strong> die mittleren M<strong>an</strong>ager werden noch dadurch erhöht, daß ihnen<br />

aus ihrer Sicht nicht genügend und/oder nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter<br />

unterstellt sind. Die mittleren M<strong>an</strong>ager sehen sich deshalb häufig mit Problemen und<br />

Arbeiten konfrontiert, die eigentlich in den Aufgabenbereich ihrer Mitarbeiter fallen.<br />

Zugleich ist der H<strong>an</strong>dlungsspielraum der mittleren M<strong>an</strong>ager durch technokratische<br />

Steuerungsinstrumente sehr begrenzt. Wahlmöglichkeiten in der Gestaltung der eigenen<br />

Arbeit bestehen lediglich in der Art und Weise, in der innerhalb von org<strong>an</strong>isatorischen<br />

Regeln die Anforderungen bewältigt werden können. Die Schlußfolgerung, die sich<br />

hieraus ziehen läßt, ist: Um internes Unternehmertum zu ermöglichen, müßten die Entscheidungskompetenzen<br />

auf den mittleren Hierarchieebenen beträchtlich ausgeweitet<br />

werden.<br />

Die mittleren M<strong>an</strong>ager und ihre Stellen: Bei der Bewältigung der Arbeits<strong>an</strong>forderungen<br />

zeigt sich das typische Aktivitätsmuster, das in früheren Studien zum Arbeitsverhalten<br />

von M<strong>an</strong>agern beschrieben wurde. Auch der Arbeitsalltag der mittleren M<strong>an</strong>ager<br />

ist durch eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten gekennzeichnet, die regelmäßig<br />

von kurzer Dauer sind. Allerdings lassen sich eindeutige Verknüpfungen zwischen<br />

den einzelnen Arbeitsaktivitäten erkennen. Den Arbeitsalltag von M<strong>an</strong>agern als<br />

fragmentiert zu bezeichnen, wie bspw. Mintzberg es tut, 4 erscheint deshalb nicht gerechtfertigt.<br />

Vielmehr zeigen sich bei einer prozessualen und inhaltlichen Analyse der<br />

Arbeitsaktivitäten zusammenhängende H<strong>an</strong>dlungsströme. Unter Einsatz unterschiedlicher<br />

sozialer Taktiken versuchen die mittleren M<strong>an</strong>ager, die <strong>an</strong> sie gestellten Anforderungen<br />

zu bewältigen.<br />

Funktionen, die von mittleren M<strong>an</strong>agern in Unternehmen übernommen werden:<br />

Einige wichtige Funktionen, die von mittleren M<strong>an</strong>agern in Unternehmen übernommen<br />

werden, konnten identifiziert werden. Dazu gehören die Funktionen des Wissensträgers<br />

und des Wissensvermittlers. Die mittleren M<strong>an</strong>ager haben ein umf<strong>an</strong>greiches org<strong>an</strong>isationsspezifisches<br />

Erfahrungswissen aufgebaut. Sie kennen die Wege zur Lösung von<br />

Problemen bei der Arbeitsbewältigung noch im Detail. Sie sind Träger jenes org<strong>an</strong>isationalen<br />

Wissens, das nicht in formalisierter Form vorliegt. Die Weitergabe dieses Wissens<br />

ist eine wichtige Aufgabe, die den mittleren M<strong>an</strong>agern zukommt.<br />

Neben den Funktionen des Wissensträgers und Wissensvermittlers werden von den<br />

mittleren M<strong>an</strong>agern auch wichtige Pufferfunktionen übernommen. Zentral ist neben der<br />

sozialen Pufferfunktion, die der Abfederung von Konflikten aufgrund divergierender<br />

Abteilungsinteressen oder der Schlichtung von Konflikten zwischen Mitarbeitern in der<br />

Abteilung dient, die fachliche Pufferfunktion. Die mittleren M<strong>an</strong>ager müssen Störungen<br />

in den Arbeitsprozessen, die bspw. durch individuelle Fehler der Mitarbeiter entstehen,<br />

beheben, um einen reibungslosen Arbeitsablauf sicherzustellen.<br />

4<br />

Mintzberg, H. 1973: The Nature of M<strong>an</strong>agerial Work. New York.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 303<br />

Zudem sind die mittleren M<strong>an</strong>ager ein Ressourcenpolster für org<strong>an</strong>isatorischen<br />

W<strong>an</strong>del. Sie sind es, die neben den eigentlichen abteilungsbezogenen Aufgaben solche<br />

Arbeiten wie die Integration des Rechnungswesen einer akquirierten Unternehmung in<br />

das bestehende System des eigenen Unternehmens oder die Entwicklung und Umsetzung<br />

umf<strong>an</strong>greicher EDV-Projekte übernehmen.<br />

8. Besondere Beschäftigtengruppen<br />

Wolfg<strong>an</strong>g Hoefle<br />

Betriebliche Beurteilung der Produktivität älterer Arbeitnehmer<br />

und personalwirtschaftliche Maßnahmen<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dudo von Eckardstein, Prof. Dr. Anton Am<strong>an</strong>n, Wirtschaftsuniversität<br />

Wien<br />

Die vorliegende Arbeit beschreibt die Situation älterer Arbeitnehmer und die Einschätzung<br />

ihrer Produktivität, mit der in Betrieben zentrale Personalentscheidungen zusammenhängen<br />

und mit der im politischen Diskurs Maßnahmen begründet werden.<br />

Die Arbeit beginnt mit einigen "Einleitenden Bemerkungen" und Hinweisen zu deren<br />

Aufbau (erstes Kapitel). Dieser Teil der Arbeit soll ein klärender Beitrag zu einer<br />

Diskussion sein, in der die "Scheinheiligkeit" der Argumente zugunsten der älteren Arbeitnehmer<br />

Best<strong>an</strong>dteil der Argumentation ist.<br />

Im zweiten Kapitel "Definition der Grundbegriffe" werden die Begriffe "Arbeitnehmer",<br />

"älterer" und insbesondere "Arbeitsproduktivität" erörtert. In bezug auf die<br />

Arbeitsproduktivität wird auf die Schwierigkeit eingeg<strong>an</strong>gen, geeignete Indikatoren für<br />

diese zu bestimmen.<br />

Die Darstellung von "Theoretischen Ansätzen" im dritten Kapitel beschränkt sich<br />

darauf, den "psychogerontologischen Ansatz", das "gesellschaftlich-ökonomische Modell<br />

des Alters" und das "politisch-ökonomische Modell des Alters" kurz zu erläutern<br />

und unterein<strong>an</strong>der zu vergleichen.<br />

Das vierte Kapitel ("Exkurs: Arbeitsmarkt") stellt zunächst allgemeine Zusammenhänge<br />

zwischen der Arbeitsmarktsituation und der Situation von älteren<br />

Arbeitskräften her. D<strong>an</strong>ach wird auf die spezifische Situation in Österreich<br />

eingeg<strong>an</strong>gen. Das fünfte Kapitel bildet den Hauptteil der Arbeit. Die Arbeitsproduktivität älterer<br />

Arbeitnehmer wird aus betriebswirtschaftlicher Sicht auf vier Ebenen beurteilt:<br />

Auf der ersten Ebene erfolgt eine Globalbeurteilung der Leistungsfähigkeit und<br />

Leistungsbereitschaft älterer Arbeitnehmer. Es h<strong>an</strong>delt sich dabei um eine Literatur<strong>an</strong>alyse<br />

zu den Themen körperliche, geistige und berufliche Leistungsfähigkeit sowie Leistungsbereitschaft<br />

und Arbeitszufriedenheit älterer Arbeitnehmer.


304 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Auf der zweiten Ebene werden Einzelkriterien zur Beurteilung der Stärken/Vorteile<br />

beziehungsweise Schwächen/Nachteile der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer<br />

beh<strong>an</strong>delt. Hier werden einschlägige Forschungsergebnisse zusammengefaßt<br />

und eigene Überlegungen <strong>an</strong>gestellt. Es wurde der Versuch einer "qualitativen Zusammenstellung"<br />

von Argumenten zu Einzelaspekten der Arbeitsproduktivität (zum Beispiel:<br />

Erfahrung, M<strong>an</strong>agementfertigkeiten, Fluktuation, Personalkosten, Mobilität, Senioritätsprinzip,<br />

und so weiter) <strong>an</strong>gestellt.<br />

Auf der dritten Ebene erfolgt eine Zusammenfassung von wichtigen Aspekten der<br />

Meta-Analysen zur Produktivität älterer Arbeitnehmer in den USA. In den zwei dargestellten<br />

Meta-Analysen wurden die Ergebnisse von insgesamt 78 Studien mit 133 Stichproben<br />

beh<strong>an</strong>delt.<br />

Auf der vierten Ebene werden die Ergebnisse der selbst durchgeführten Betriebsfallstudien<br />

dargelegt. Es wurden fünf österreichische Unternehmen untersucht; vier davon<br />

können der Textil- beziehungsweise Bekleidungsindustrie und ein Unternehmen<br />

der metallverarbeitenden Industrie zugeordnet werden.<br />

In den Unternehmen wurden jeweils nicht die gesamte, sondern nur jener Teil der<br />

Belegschaft untersucht, für den in bezug auf die Arbeitsproduktivität geeignete Indikatoren<br />

bestimmt werden konnten. Insgesamt umfassen die fünf Fallstudien 621 Mitarbeiter.<br />

Untersucht wurden unter <strong>an</strong>derem die Altersstruktur, altersspezifische Unterschiede<br />

in bezug auf Fehl- beziehungsweise Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>dstage, Mitarbeiterbeurteilungen und<br />

Brutto-Löhne. Es sollte weiters festgestellt werden, ob <strong>an</strong>dere Variablen (als das Lebensalter)<br />

die Arbeitsproduktivität besser prognostizieren können. Als Untersuchungsmethoden<br />

wurden folgende statistische Verfahren her<strong>an</strong>gezogen: Mittelwertberechnungen,<br />

Korrelationsberechnungen, einfache Regressions- und Vari<strong>an</strong>z<strong>an</strong>alysen.<br />

Die Ergebnisse lassen sich zu einem großen Teil in bereits vorliegende Forschungsbefunde<br />

einfügen, wie zum Beispiel: Die Anzahl der Fehl- beziehungsweise<br />

Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>dstage, "objektive" Leistungskriterien und die Brutto-Personalkosten korrelieren<br />

bis auf wenige Ausnahmen überhaupt nicht mit dem chronologischen Alter. Arbeitsplatzspezifische<br />

Erfahrung sagt hier oft mehr aus. Teilweise kommen aber auch<br />

Ergebnisse zutage, die sich mit <strong>an</strong>deren Forschungsbefunden nicht decken, wie zum<br />

Beispiel die Tatsache, daß in der untersuchten Population die älteren Arbeitnehmer -<br />

<strong>an</strong>ders als in m<strong>an</strong>chen Literaturquellen - im subjektiven Urteil der Vorgesetzten nicht<br />

schlechter abschneiden als die jüngeren.<br />

Als eine Einschränkung der Untersuchung muß die Tatsache gelten, daß die Altersklassen<br />

ab 45 Jahren nur gering besetzt waren. Das deutet auf eine frühe Ausgliederung<br />

der Älteren aus den Unternehmen hin.<br />

Es wird nicht die Auffassung vertreten, daß die ausgewiesenen Befunde verallgemeinerbar<br />

sind. Generalisierende Aussagen sind nicht möglich, da unter <strong>an</strong>derem das<br />

Geschlecht, die Art der Tätigkeit, die Größe des Betriebs, die Br<strong>an</strong>che und so weiter die<br />

Aussagen über ältere Arbeitnehmer sehr stark beeinflussen.<br />

Im sechsten Kapitel werden personalwirtschaftliche Maßnahmen zur besseren Nutzung<br />

des Potentials von älteren Arbeitskräften dargelegt. Die Gliederung erfolgt nach


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 305<br />

personalwissenschaftlichen Untersuchungsfeldern (Maßnahmen zur internen Bewußtseinsbildung,<br />

Informationssystem über Stellen und Personen, Arbeitsstrukturierung,<br />

Personalbeschaffung und Personalauswahl, Personaleinsatzpl<strong>an</strong>ung und Karrierepl<strong>an</strong>ung,<br />

Personalentwicklung, Förderung der Gesundheit, Personalführung und Personalbeurteilung,<br />

arbeitsrechtliche Maßnahmen, Vorruhest<strong>an</strong>dsseminare / flexiblere Pension,<br />

Personalabbau).<br />

Im siebten Kapitel wird darauf hingewiesen, daß es gewinnbringend wäre, vermehrt<br />

die Berufstätigkeit von älteren Frauen zu berücksichtigen. Bei empirischen Forschungen<br />

(zum Beispiel: Betriebsfallstudien) wäre es wünschenswert, umf<strong>an</strong>greichere<br />

Überlegungen über die Sinnhaftigkeit und Ergiebigkeit von (insbesondere qu<strong>an</strong>titativ<br />

orientierten) Forschungsmethoden <strong>an</strong>zustellen.<br />

9. Internationales Personalm<strong>an</strong>agement<br />

Marion Festing<br />

Strategisches Internationales Personalm<strong>an</strong>agement - eine tr<strong>an</strong>saktionskostentheoretisch<br />

fundierte empirische Analyse<br />

Betreuer: Prof. Dr. Wolfg<strong>an</strong>g Weber, Universität-Gesamthochschule Paderborn<br />

Das Thema der Arbeit ist im Bereich des Internationalen Personalm<strong>an</strong>agements<br />

<strong>an</strong>gesiedelt. Seine aktuelle Relev<strong>an</strong>z ergibt sich vor allem aus der zunehmenden internationalen<br />

Verflechtung der Weltwirtschaft, die sich auch auf deutsche international tätige<br />

Unternehmen auswirkt und Problemlösungen im Bereich der internationalen personalwirtschaftlichen<br />

Aktivitäten erfordert. Die Fragestellung der Untersuchung setzt <strong>an</strong><br />

drei Charakteristika der internationalen Personalm<strong>an</strong>agementforschung <strong>an</strong>: einer fehlenden<br />

Bearbeitung von strategischen Fragestellungen, einem Theorie<strong>an</strong>wendungsdefizit<br />

sowie einem M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> theoretisch gestützten empirischen Untersuchungen. Das<br />

Ziel der Arbeit besteht folglich in der Entwicklung und empirischen Überprüfung eines<br />

theoretisch gestützten Modells für strategisches internationales Personalm<strong>an</strong>agement.<br />

Die primäre theoretische Grundlage für die Modellentwicklung bildet die Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie.<br />

Dementsprechend stellen Arbeitsmarkttr<strong>an</strong>saktionen die relev<strong>an</strong>te<br />

Analyseeinheit dar. Hierunter werden die Austauschbeziehungen zwischen Arbeitnehmer<br />

und Arbeitgeber im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen verst<strong>an</strong>den, wobei<br />

die Untersuchung auf die Zielgruppe der international tätigen Führungskräfte eingegrenzt<br />

wird. Das Tauschgut der Arbeitnehmer besteht aus ihrer jeweiligen Arbeitsleistung,<br />

das des Arbeitgebers aus allen durch die personalwirtschaftlichen Subfunktionen<br />

realisierten Leistungen, die sowohl monetärer (z.B. Gehalt) als auch nicht monetärer<br />

Art (z.B. Karrieremöglichkeiten) sein können.


306 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Bei der Entwicklung des Modells wurde in zwei Schritten vorgeg<strong>an</strong>gen, die sich in<br />

unterschiedlichen Modellsegmenten widerspiegeln. Der Ausg<strong>an</strong>gspunkt der Überlegungen<br />

best<strong>an</strong>d darin, daß unterschiedliche Konstellationen in international tätigen Unternehmen<br />

jeweils unterschiedliche Anforderungen <strong>an</strong> die Aufgaben international tätiger<br />

Führungskräfte stellen (Modellsegment 1). Die unterschiedlichen Konstellationen international<br />

tätiger Unternehmen wurden primär durch die jeweilige internationale Unternehmensstrategie<br />

beschrieben. Diese wiederum wurde in Anlehnung <strong>an</strong> die auf das Unternehmensstrategie-Konzept<br />

von Porter zurückgehende Koordinations-/Konfigurations-Matrix<br />

konzeptionalisiert. Die Konkretisierung der relev<strong>an</strong>ten Anforderungen<br />

<strong>an</strong> die international tätigen Führungskräfte erfolgte <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der tr<strong>an</strong>saktionskostentheoretisch<br />

definierten Charakteristika von Arbeitsmarkttr<strong>an</strong>saktionen (Hum<strong>an</strong>kapitalspezifität,<br />

Unsicherheit). Auf dieser Basis wurden im Rahmen des Modellsegments 1<br />

die beiden im folgenden gen<strong>an</strong>nten zentralen Thesen abgeleitet: Es wurde <strong>an</strong>genommen,<br />

daß bei steigender Koordinationsintensität auch die Spezifität der international tätigen<br />

Führungskräfte des Unternehmens zunimmt. Ferner wurde bei steigender geographischer<br />

Streuung eine zunehmende Verhaltensunsicherheit in bezug auf die betrachtete<br />

Mitarbeitergruppe vermutet.<br />

Auf der Basis der Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie wurde <strong>an</strong>schließend argumentiert,<br />

daß verschiedene Arten von Arbeitsmarkttr<strong>an</strong>saktionen in verschiedenen institutionellen<br />

Arr<strong>an</strong>gements unterschiedlich effizient abgewickelt werden können (Modellsegment<br />

2). Die institutionellen Arr<strong>an</strong>gements wurden durch konsistente personalwirtschaftliche<br />

H<strong>an</strong>dlungsmuster interpretiert, aus denen internationale Personalstrategien abgeleitet<br />

werden konnten. Insgesamt werden drei internationale Personalstrategien unterschieden:<br />

die lokal orientierte Personalstrategie, die keine spezifischen personalwirtschaftlichen<br />

Maßnahmen für international tätige Führungskräfte beinhaltet, die internationale<br />

Anreizstrategie, deren Maßnahmen vorwiegend darauf ausgerichtet sind, international<br />

tätige Führungskräfte über leistungsgerechte Entlohnung <strong>an</strong> das Unternehmen zu binden,<br />

und die internationale Identifikationsstrategie, die vorwiegend über Maßnahmen<br />

der internationalen Personalentwicklung die Angleichung von individuellen und Unternehmensinteressen<br />

zum Ziel hat. Die zentrale These, die Modellsegment 2 zugrunde<br />

liegt, postuliert, daß von bestimmten Charakteristika gekennzeichnete Tr<strong>an</strong>saktionen in<br />

bestimmten institutionellen Arr<strong>an</strong>gements relativ effizienter abgewickelt werden können<br />

als in <strong>an</strong>deren.<br />

Anh<strong>an</strong>d des Modells k<strong>an</strong>n indirekt, d.h. über die Einbeziehung der Charakteristika<br />

von Arbeitsmarkttr<strong>an</strong>saktionen, überprüft werden, ob das gewählte personalwirtschaftliche<br />

H<strong>an</strong>dlungsmuster für die Zielgruppe der international tätigen Führungskräfte als<br />

effizientes institutionelles Arr<strong>an</strong>gement bei Vorliegen einer bestimmten Internationalisierungsstrategie<br />

erachtet werden k<strong>an</strong>n. Es wird in denjenigen Fällen auf eine Effizienz<br />

der Lösung geschlossen, in denen Arbeitsmarkttr<strong>an</strong>saktionen, die von bestimmten Charakteristika<br />

gekennzeichnet sind, in der durch die Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie postulierten<br />

Weise mit institutionellen Arr<strong>an</strong>gements variieren, die ebenfalls durch bestimmte<br />

Charakteristika gekennzeichnet werden können.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 307<br />

Aufgrund der Vielzahl der in einem Unternehmen zu erhebenden Variablen sowie<br />

der Komplexität der Fragestellung st<strong>an</strong>d kein geeignetes Sekundärdatenmaterial für die<br />

Konfrontation mit den theoretisch postulierten Modellbeziehungen zur Verfügung. Aus<br />

den gleichen Gründen konnte keine großzahlig <strong>an</strong>gelegte, in hohem Maße st<strong>an</strong>dardisierte<br />

empirische Untersuchung durchgeführt werden, sondern es wurde die Fallstudienmethodik<br />

verwendet. Als Forschungsstrategie für die vorliegende Untersuchung wurde die<br />

Verwendung von nomothetischen Fallstudien als geeignet erachtet, da diese eine Einordnung<br />

der Fälle in ein Klassifikationsschema auf der Basis theoretischer Überlegungen<br />

ermöglicht. Auf diese Weise konnte der Zielsetzung der empirischen Untersuchung,<br />

der Konfrontation von empirisch ermittelten Variablenbeziehungen mit den postulierten<br />

Modellbeziehungen, entsprochen werden. Methodisch erfolgt der Vergleich<br />

der theoretischen Ebene mit der Meßebene durch ein "Pattern-Matching". Als Datenerhebungstechnik<br />

wurden vorwiegend Intensivinterviews verwendet. Ergänzende Informationen<br />

resultierten aus einer zusätzlichen schriftlichen Befragung der Interviewpartner<br />

sowie aus einer Dokumenten<strong>an</strong>alyse. Die Zielgruppe der Untersuchung best<strong>an</strong>d in<br />

zehn deutschen international tätigen Unternehmen, in denen jeweils eine spiegelbildliche<br />

Datenerhebung im Stammhaus und in der jeweiligen australischen Tochtergesellschaft<br />

erfolgte.<br />

Durch die ermittelten Untersuchungsergebnisse konnten die postulierten Modellbeziehungen<br />

in hohem Maße gestützt werden. Eine vergleichende Analyse der einzelnen<br />

Fallstudien trug ferner zur Identifikation von Ansatzpunkten für Verbesserungen in<br />

den internationalen Personalm<strong>an</strong>agementpraktiken der untersuchten Unternehmen bei.<br />

Zusammenfassend k<strong>an</strong>n festgestellt werden, daß auf der Basis des vorliegenden Datenmaterials<br />

eine theoretische Verallgemeinerung der im Modell postulierten Beziehungen<br />

möglich ist.<br />

Aufgrund der Anlage des theoretischen Modells werden keine detaillierten Gestaltungshinweise<br />

für personalwirtschaftliche Einzelmaßnahmen in international tätigen<br />

Unternehmen abgeleitet, sondern es steht eine g<strong>an</strong>zheitliche Betrachtungsweise im Vordergrund,<br />

die sich in der Betrachtung der internationalen Personalstrategien äußert. Nur<br />

auf dieser Ebene werden Implikationen erörtert. Durch das Modell wird also die Aufmerksamkeit<br />

von der Optimierung einzelner Aufgabenbereiche auf die Ausrichtung aller<br />

personalwirtschaftlichen Subfunktionen auf ein übergeordnetes Ziel gelenkt. Es trägt<br />

somit zur Verfolgung einer g<strong>an</strong>zheitlichen Perspektive bei.<br />

Um die Relev<strong>an</strong>z der in der vorliegenden Arbeit verwendeten tr<strong>an</strong>saktionskostentheoretischen<br />

Argumentation im Vergleich zu <strong>an</strong>deren theoretischen Argumenten einschätzen<br />

zu können, wäre die Entwicklung und empirische Überprüfung weiterer, auf<br />

<strong>an</strong>deren Theorien basierender Modelle wünschenswert.<br />

Dirk Holtbrügge


308 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Personalm<strong>an</strong>agement Multinationaler Unternehmungen in Osteuropa.<br />

Ergebnisse einer explorativen empirischen Untersuchung *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Martin K. Welge, Universität Dortmund<br />

Ausländische Investoren in den mittel- und osteuropäischen Staaten werden zunehmend<br />

mit M<strong>an</strong>agementproblemen konfrontiert, die auf unterschiedliche Werthaltungen<br />

und Verhaltensweisen sowie unzureichende Qualifikationen der inländischen Mitarbeiter<br />

und Führungskräfte zurückzuführen sind. Die effiziente Gestaltung des Personalm<strong>an</strong>agement<br />

wird dadurch zu einem zentralen Erfolgsfaktor.<br />

Der großen Bedeutung des Personalm<strong>an</strong>agement stehen bisl<strong>an</strong>g jedoch nur sehr<br />

vereinzelte empirische Untersuchungen gegenüber, die sich zudem nur auf wenige eng<br />

begrenzte Teilaspekte des Personalm<strong>an</strong>agement beschränken. Im Rahmen der Untersuchung<br />

wird deshalb die Zielsetzung verfolgt, die Gestaltung des Personalm<strong>an</strong>agement<br />

Multinationaler Unternehmungen in den mittel- und osteuropäischen Staaten empirisch<br />

zu erfassen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu <strong>an</strong>deren Ländern (insbesondere zur<br />

Bundesrepublik Deutschl<strong>an</strong>d) zu identifizieren und Hypothesen über den Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

zwischen den spezifischen Umweltbedingungen und der effizienten Gestaltung<br />

des Personalm<strong>an</strong>agement zu formulieren.<br />

Zur Verwirklichung dieser Untersuchungsziele wurde ein bewußt pluralistischer<br />

und eklektischer theoretischer Bezugsrahmen entwickelt, der mit den Bedingungen,<br />

Akteuren, Instrumenten und der Effizienz des Personalm<strong>an</strong>agement sowie der personalpolitischen<br />

Steuerung durch die Muttergesellschaft insgesamt fünf in unterschiedlicher<br />

Weise aufein<strong>an</strong>der wirkende Analyseeinheiten umfaßt.<br />

Im Rahmen einer vergleichenden Intensivfallstudie wurden <strong>an</strong>schließend 18 Joint<br />

Ventures unter Beteiligung deutscher Unternehmungen in der Rußländischen Föderation,<br />

der Ukraine, Belarus, Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn untersucht. Die<br />

Datenerhebung erfolgte in Form qualitativer Interviews unter Zuhilfenahme eines in einem<br />

mehrstufigen Prozeß erstellten Interviewleitfadens. Die Interviews wurden vor Ort<br />

mit dem höchstr<strong>an</strong>gigen deutschen Direktoriumsmitglied oder der vorr<strong>an</strong>gig mit Fragen<br />

des Personalm<strong>an</strong>agement betrauten deutschen Führungskraft geführt. Die Auswahl der<br />

Untersuchungseinheiten erfolgte dabei nach dem Prinzip der maximalen Kontrastierung.<br />

Neben der Gestaltung des Personalm<strong>an</strong>agement wurde einem primären Untersuchungsziel<br />

folgend die Effizienz des Personalm<strong>an</strong>agements als zentrale Kategorie der<br />

Datenauswertung her<strong>an</strong>gezogen. Auf der Basis zuvor festgelegter Kriterien und<br />

Schwellenwerte der Personalm<strong>an</strong>agement-Effizienz wurden neun erfolgreiche und neun<br />

weniger erfolgreiche Joint Ventures identifiziert.<br />

*<br />

Die Arbeit wurde im Frühjahr 1995 unter dem Titel "Personalm<strong>an</strong>agement Multinationaler<br />

Unternehmungen in Osteuropa. Bedingungen-Gestaltung-Effizienz" im Gabler-<strong>Verlag</strong>,<br />

Wiesbaden (mir-Edition) veröffentlicht.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 309<br />

Als ein zentrales Ergebnis der Untersuchung k<strong>an</strong>n die große Bedeutung einer systematischen<br />

Personalbedarfspl<strong>an</strong>ung festgehalten werden. Diese resultiert insbesondere<br />

daraus, daß die Entscheidung über den zur Realisierung der Unternehmungsziele erforderlichen<br />

Personalbedarf eine zentrale Konfliktursache zwischen den Partnern darstellt<br />

und ausländische Investoren häufig dazu gedrängt werden, mehr Mitarbeiter einzustellen<br />

bzw. weiterzubeschäftigen, als nach ihrer Personalbedarfspl<strong>an</strong>ung notwendig gewesen<br />

wäre.<br />

Ein weiterer Erfolgsfaktor stellt die Personalbeschaffung dar. Es zeigt sich, daß die<br />

erfolgreichen Joint Ventures neben der Übernahme von Mitarbeitern des inländischen<br />

Partnerunternehmens parallel weitere interne und externe Wege der Bewerber<strong>an</strong>werbung<br />

nutzen. Die weniger erfolgreichen Joint Ventures beschränken sich dagegen<br />

überwiegend auf die Übernahme von Mitarbeitern des inländischen Partnerunternehmens.<br />

Die Folge davon ist häufig die direkte Übernahme starrer und wenig effizienter<br />

Mitarbeiterstrukturen, die die Durchsetzung dringend notwendiger personalpolitischer<br />

Innovationen erschwert.<br />

Deutliche Unterschiede sind auch hinsichtlich der Bewerberauswahl erkennbar.<br />

Angesichts der niedrigen Prognosevalidität formaler Kriterien zeichnen sich die erfolgreichen<br />

Joint Ventures durch die gleichzeitige Anwendung mehrerer Auswahlkriterien<br />

aus. Die weniger erfolgreichen Joint Ventures überlassen dagegen die Bewerberauswahl<br />

überwiegend dem inländischen Partner und können häufig nicht einmal über die in<br />

ihrem Joint Venture <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dten Kriterien und Verfahren Auskunft geben.<br />

Hinsichtlich der Personalentwicklung zeigten sich neben der generell größeren<br />

Bedeutung, die dieser von erfolgreichen Joint Ventures zugemessen wird, vor allem<br />

Unterschiede bei der Auswahl der Adressaten und der inhaltlichen Gestaltung. Während<br />

die erfolgreichen Joint Ventures überwiegend eine l<strong>an</strong>gfristig orientierte Führungskräfte-Entwicklung<br />

verfolgen, wenden sich die weniger erfolgreichen Joint Ventures<br />

im Rahmen der Personalentwicklung insbesondere <strong>an</strong> gewerblich-technische Mitarbeiter.<br />

Auch der Gestaltung des Arbeitsinhalts kommt in erfolgreichen Joint Ventures<br />

nicht nur eine kurzfristig orientierte Personaleinsatzfunktion, sondern auch eine l<strong>an</strong>gfristig<br />

orientierte Personalentwicklungsfunktion zu.<br />

Im Rahmen der Entgeltpolitik erweist es sich als vorteilhaft, neben den Arbeits<strong>an</strong>forderungen<br />

solche Kriterien der Entgeltdifferenzierung <strong>an</strong>zuwenden, die von den Mitarbeitern<br />

beeinflußbar sind und damit eine hohe Instrumentalität aufweisen. Dazu zählen<br />

insbesondere die individuelle Arbeitsleistung sowie die Anwesenheit. Entgegen den<br />

Ergebnissen empirischer Untersuchungen in <strong>an</strong>deren Ländern konnte dagegen zwischen<br />

der Entgelthöhe und der Arbeitsproduktivität bzw. -zufriedenheit nur ein relativ schwacher<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g festgestellt werden. Dieses Ergebnis k<strong>an</strong>n darauf zurückgeführt<br />

werden, daß die Mehrzahl der Mitarbeiter aus sozialen und kulturbedingten Gründen<br />

weniger eine Maximierung ihres Arbeitseinkommens <strong>an</strong>strebt, sondern sich bei dessen<br />

subjektiver Bewertung im Sinne der Gerechtigkeitstheorie vor allem am nationalen<br />

Durchschnittseinkommen orientiert. Darüber hinaus wurden die Einführung einer rationalen<br />

Arbeitsorg<strong>an</strong>isation, die ergonomische und <strong>an</strong>thropometrische Gestaltung der Arbeitsplätze<br />

und das im Vergleich zu inländischen Unternehmen deutlich bessere Arbeit-


310 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

geberimage als wichtige Faktoren der Arbeitszufriedenheit und -produktivität hervorgehoben.<br />

Im Bereich der Personalführung zeigte sich, daß sich erfolgreiche Joint Ventures<br />

mehrheitlich durch einen kooperativen, fördernden Führungsstil auszeichnen, während<br />

in weniger erfolgreichen Joint Ventures überwiegend ein autoritärer, <strong>an</strong>weisungsorientierter<br />

Führungsstil vorherrscht. Der Hauptgrund dafür dürfte darin liegen, daß deren<br />

Führungskräfte ihre inländischen Mitarbeiter überwiegend als wenig qualifiziert, autoritätsorientiert<br />

und primär durch materielle Anreize motivierbar einschätzen. Zwar macht<br />

das relativ niedrige Qualifikationsniveau der Mitarbeiter generell eine ausgeprägte Kontrolle<br />

erforderlich, diese erfolgt in den erfolgreichen Joint Ventures jedoch weitgehend<br />

dezentral und dient zudem weniger als Instrument der Herrschaftsausübung, als vielmehr<br />

als Ansatzpunkt für h<strong>an</strong>dlungsleitende und motivierende Maßnahmen der Führungskräfte.<br />

Die Effizienz des Personalm<strong>an</strong>agements wird schließlich in hohem Maße durch die<br />

Auswahl und Vorbereitung der ents<strong>an</strong>dten deutschen Führungskräfte bestimmt. Die Untersuchung<br />

zeigt jedoch, daß für die Auswahl der Stammhausdelegierten weniger die<br />

als besonders wichtig eingestuften verhaltensbezogenen und interkulturell-umweltbezogenen<br />

Kriterien als vielmehr persönliche und tätigkeitsbezogen-fachliche Kriterien<br />

ausschlaggebend waren, denen eine deutlich geringere Bedeutung zugemessen wird. Da<br />

gerade besonders qualifizierte Mitarbeiter eine Entsendung in die mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten als »Strafversetzung« oder »Härtetest« empfinden, werden deshalb vielfach<br />

Mitarbeiter in diese Staaten ents<strong>an</strong>dt, denen vergleichbare Stellen in <strong>an</strong>deren Staaten<br />

oder in der deutschen Muttergesellschaft nicht <strong>an</strong>geboten worden wären.<br />

Auffallend ist auch, daß der Umf<strong>an</strong>g der Vorbereitung der Stammhausdelegierten<br />

in allen untersuchten Joint Ventures außerordentlich gering ist. Die Überwindung der in<br />

den betrachteten Staaten besonders gravierenden interkulturellen M<strong>an</strong>agementprobleme<br />

wird damit allein den ents<strong>an</strong>dten Führungskräften überlassen. Deren unzulängliche<br />

Auswahl und Vorbereitung wirkt sich zudem besonders negativ auf die Personalm<strong>an</strong>agement-Effizienz<br />

aus, da die Zahl der Stammhausdelegierten gering, deren hierarchische<br />

Position und damit deren faktischer Einfluß auf Personalm<strong>an</strong>agement-<br />

Entscheidungen dagegen relativ hoch ist.<br />

Als Implikation für zukünftige Untersuchungen erscheint die Intensivierung und<br />

Institutionalisierung der Zusammenarbeit mit Forschern in den mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten besonders wichtig. Dadurch k<strong>an</strong>n nicht nur die Gewinnung von Daten erheblich<br />

erleichtert und die Gefahr des Ethnozentrismus bei der Konzeption und Durchführung<br />

empirischer Untersuchungen eingeschränkt werden. Diese ermöglicht vor allem,<br />

den gerade im Bereich des Personalm<strong>an</strong>agements bedeutsamen Verwendungszusammenh<strong>an</strong>g<br />

der Forschung stärker zu thematisieren und neben den funktionalen auch<br />

die in dieser Untersuchung nur am R<strong>an</strong>de <strong>an</strong>gesprochenen ethischen Aspekte des Themas<br />

<strong>an</strong>gemessen zu berücksichtigen. Schließlich k<strong>an</strong>n dadurch ein weitaus größeres<br />

Hintergrundwissen zur Interpretation der gewonnenen Befunde erschlossen und die Gefahr<br />

von Fehlinterpretationen begrenzt werden.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 311<br />

Monika Weber-Fahr<br />

Multinationale Unternehmen und die Internationalisierung von Arbeitsmärkten<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dieter Sadowski, Unversität Trier<br />

Ziel: Wie reagieren nationale Arbeitsmärkte, während sich Produkt- und Kapitalmärkte<br />

hochentwickelter Volkswirtschaften zunehmend – unter Ausnutzung von Skaleneffekten<br />

und St<strong>an</strong>dortspezifika – international org<strong>an</strong>isieren? Das Verhalten von Unternehmen<br />

als verbindendes Element zwischen den einzelnen Märkten wird für die Be<strong>an</strong>twortung<br />

dieser gerade im Hinblick auf die europäische Integration sehr bris<strong>an</strong>ten<br />

Frage in den Mittelpunkt gerückt: Das Zusammenspiel zwischen der vom Produktmarkt<br />

diktierten Arbeitsnachfrage und dem darauf reagierenden Arbeits<strong>an</strong>gebot findet im einzelnen<br />

Unternehmen seine institutionelle M<strong>an</strong>ifestation. Ziel der Arbeit ist es daher,<br />

von personalpolitischen Unternehmensentscheidungen vor dem Hintergrund der fortschreitenden<br />

Internationalisierung der Märkte auf die Entwicklung von Lohnniveau und<br />

-struktur zu schließen.<br />

Vorgehen: Die Beh<strong>an</strong>dlung von Arbeitsmarktfragen im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der Internationalisierung<br />

der Volkswirtschaften geschieht typischerweise losgelöst von einer<br />

differenzierteren Sicht der personalpolitischen Unternehmensentscheidungen.<br />

Diese Arbeit geht daher einen <strong>an</strong>deren und neuen Weg. Das Unternehmen als wesentliche<br />

Entscheidungseinheit über die mit dem Internationalisierungsprozeß einhergehenden<br />

Personalveränderungen wird in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt. Die<br />

Beschäftigungs- und Entlohnungspolitik von Multinationalen Unternehmen als den wesentlichen<br />

Initiatoren und Trägern des Internationalisierungsprozesses wird <strong>an</strong>alytisch<br />

und empirisch mit jener rein nationaler Unternehmen verglichen. Der Unterschied zwischen<br />

diesen beiden Typen von Unternehmen wird – bezüglich der Auswirkungen auf<br />

die Personalentscheidungen – in einer sich durch die grenzüberschreitenden Aktivitäten<br />

<strong>an</strong>dersartigen Org<strong>an</strong>isationsform vermutet. Die Arbeitsmarktdynamik, die in der Koexistenz<br />

von auf diese Weise heterogenen Nachfragern liegen muß, wird schließlich in<br />

Beziehung gesetzt zu beobachtbaren Entwicklungen von Lohnniveau und -struktur. Die<br />

einzelnen Schritte in der Argumentation sind empirisch überprüfbar, wobei unterschiedliche<br />

Datenquellen und unterschiedliche Auswertungsmethoden her<strong>an</strong>gezogen werden.<br />

Da Großbrit<strong>an</strong>nien und die Bundesrepublik die im europäischen Kontext bedeutendsten<br />

Quellen und Empfänger ausländischer Direktinvestitionen darstellen, werden ihre Arbeitsmärkte<br />

für diese Überprüfung her<strong>an</strong>gezogen.<br />

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Arbeit lassen vermuten, daß die zunehmende Internationalisierung<br />

entwickelter Volkswirtschaften zu einer steigenden Ungleichheit in<br />

der Vergütung des Inputfaktors Arbeit führt. Als wesentlich für die Überprüfung der<br />

zugrundeliegenden Annahme über die Verschiedenartigkeit der Personalpolitik bei multinational<br />

org<strong>an</strong>isierten und rein national org<strong>an</strong>isierten Unternehmen stellte sich die<br />

Nutzung der Daten des 1990er „Workplace Industrial Relations Survey“ heraus. Um die


312 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Vermutung über die mit der Koexistenz dementsprechend unterschiedlicher Arbeitsmarktnachfrager<br />

zusammenhängenden Entwicklung von Lohnniveaus zu überprüfen,<br />

sind im Rahmen der Quinter Studie zur Praxis der Personalpolitik in Europa (QUIPPE)<br />

Unternehmensdaten in Großbrit<strong>an</strong>nien und der Bundesrepublik zusammengetragen<br />

worden. Dies wurde unter <strong>an</strong>derem durch einen zehnmonatigen Forschungsaufenthalt<br />

im Rahmen des „Hum<strong>an</strong> Capital <strong>an</strong>d Mobility“-Programms <strong>an</strong> der Industrial Relations<br />

Research Unit der University of Warwick ermöglicht.<br />

Joachim Wolf<br />

Koordinationsprozesse im Personalm<strong>an</strong>agement global tätiger Industrieunternehmen<br />

- Empirische Analyse des<br />

Instrumenteneinsatzes *<br />

Betreuer: Prof. Dr. Klaus Macharzina, Universität Hohenheim, Stuttgart<br />

1. Problemrelev<strong>an</strong>z und Zielsetzung der Untersuchung<br />

Ausgehend von Expertenbefragungen, die auf eine erhöhte und auch in Zukunft<br />

weiter steigende Bedeutung des internationalen Personalm<strong>an</strong>agements hinweisen, ist die<br />

vorliegende Studie auf die bei grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit auftretenden<br />

personalbezogenen Sonderprobleme ausgerichtet worden.<br />

Um einen größtmöglichen Erkenntnisbeitrag zu leisten, sollte versucht werden,<br />

übergeordnete Konzeptvorschläge zu erarbeiten, die vom Fall des einzelnen Entscheidungsadressaten<br />

abstrahieren und die Personalver<strong>an</strong>twortlichen bei ihren Grundsatzentscheidungen<br />

über die Abstimmung der Teilsysteme des internationalen Personalm<strong>an</strong>agements<br />

unterstützen. Insbesondere sollte geklärt werden, inwiefern eine Abstimmung<br />

bzw. Koordination der interdependenten H<strong>an</strong>dlungen der Personalbereiche von Zentralen<br />

(Headquarters) und Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften erfolgt und welche Instrumente zum<br />

Zweck der Koordination eingesetzt werden. Auch war zu fragen, inwieweit die Koordinationsinstrumente<br />

gegenseitig substituierbar sind bzw. tatsächlich substituiert werden<br />

und unter welchen H<strong>an</strong>dlungsbedingungen zu den einzelnen Instrumenten gegriffen<br />

wird. Schließlich sollte herausgearbeitet werden, welcher ökonomische und soziale Erfolg<br />

mit einem unterschiedlichen Einsatz der Koordinationsinstrumente einhergeht.<br />

2. Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen<br />

Hierzu mußte in einem ersten Arbeitsschritt die Auswahl eines geeigneten theoretischen<br />

Ansatzes. In diesem Zusammenh<strong>an</strong>g wurden die Selbstorg<strong>an</strong>isationstheorie, die<br />

Tr<strong>an</strong>saktionskostentheorie sowie der kontingenztheoretische Ansatz geprüft, wobei die<br />

*<br />

Der Beitrag wurde von Seiten der Redaktion gekürzt. Vgl. auch die Ausführungen des Autors<br />

in ZfP 2/95: Internationale Personalm<strong>an</strong>agementkooperation - Befunde und Interpretationen<br />

aus einem empirischen Forschungsprojekt, S. 163-192.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 313<br />

problemfeldbezogene Gegenüberstellung der spezifischen Vor- und Nachteile dem<br />

letztgen<strong>an</strong>nten Ansatz den Vorzug einbrachte. In Erm<strong>an</strong>gelung hinreichender Vorarbeiten<br />

sollte die kontingenztheoretische Analyse auf eine empirische Untersuchung gestützt<br />

werden, deren Gesamtstruktur in einem weiteren Arbeitsschritt festgelegt werden<br />

mußte. Als untersuchungsleitendes Ordnungsgerüst diente ein 18 gesamtunternehmens-,<br />

ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts- und ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftsumweltbezogene Kontextfaktoren,<br />

sechs Koordinationsinstrumente sowie zehn Erfolgsindikatoren berücksichtigender<br />

konzeptioneller Bezugsrahmen, der auf der Basis einer Durchsicht relev<strong>an</strong>ter Fremduntersuchungen<br />

erstellt wurde. Die empirische Untersuchung wurde auf europäische und<br />

US-amerik<strong>an</strong>ische Industrieunternehmen ausgerichtet, die im Jahre 1991 mindestens<br />

10.000 Arbeitnehmer beschäftigt und einen Weltumsatz von über zwei Milliarden DM<br />

erzielt hatten. Da sämtliche der befragten Unternehmen in mindestens drei Kontinenten<br />

Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften unterhalten, können sie als "global" bezeichnet werden. Um<br />

Perzeptionsunterschiede im Hinblick auf den Koordinationsinstrumenteneinsatz herausarbeiten<br />

zu können, wurden sowohl die Zentralen als auch jeweils mehrere in unterschiedlichen<br />

Regionen (Europa, Nord- und Südamerika, Afrika, Asien, Australien) tätige<br />

Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften, ohne daß die jeweils <strong>an</strong>deren Unternehmenssubsysteme<br />

über die Befragung informiert wurden. An der Untersuchung hatten sich schließlich 18<br />

Zentralen und 39 Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften internationaler Unternehmen beteiligt.<br />

3. Anwendungsintensität der Koordinationsinstrumente<br />

Der Auswertungsprozeß wurde in mehreren Arbeitsschritten durchgeführt. Zunächst<br />

ging es darum, auf der Basis der Headquarters- und Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftsdaten<br />

die Anwendungsintensität der sechs Koordinationsinstrumente "Zentralisation", "St<strong>an</strong>dardisierung",<br />

"Berichtswesen", "Führungskräftetr<strong>an</strong>sfer", "Besuchsverkehr" und "einheitliche<br />

Führungskräftewerte (Unternehmenskultur)" zu bestimmen, zu interpretieren<br />

und mit relev<strong>an</strong>ten Fremdbefunden zu vergleichen. Nach den Befragungsergebnissen<br />

scheinen jene Personalentscheidungen überdurchschnittlich zentralisiert bzw. im Kompetenzbereich<br />

der Zentrale getroffen zu werden, die das Führungskräftem<strong>an</strong>agement<br />

sowie <strong>an</strong>dere übergeordnete personalbezogene Entscheidungs<strong>an</strong>gelegenheiten betreffen,<br />

während nicht-führungskräftebezogene einzelfallorientierte Entscheidungen mehrheitlich<br />

am Ausl<strong>an</strong>dsst<strong>an</strong>dort geh<strong>an</strong>dhabt werden. Der Zentralisationsunterschied k<strong>an</strong>n<br />

dabei hauptsächlich mit der strategischen Relev<strong>an</strong>z der erstgen<strong>an</strong>nten Entscheidungsbereiche<br />

erklärt werden. Im Vergleich zu <strong>an</strong>deren Funktionsbereichen hat sich das Personalm<strong>an</strong>agement<br />

als der am stärksten dezentralisierte herausgestellt, was insb. auf dessen<br />

starke Umweltbezogenheit zurückzuführen sein dürfte. Beim Koordinationsinstrument<br />

"St<strong>an</strong>dardisierung" scheint ein sehr ähnliches H<strong>an</strong>dhabungsmuster zu bestehen. Personalbest<strong>an</strong>dsdaten<br />

und mit Abstrichen Informationen über gepl<strong>an</strong>te<br />

Personalmaßnahmen scheinen im Mittelpunkt der ungefähr sechs bis neun Mal jährlich<br />

erfolgenden Berichterstattung der Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftspersonalbereiche <strong>an</strong> die<br />

Zentralen zu stehen. In der Position der Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftspersonalleiter finden sich<br />

fast ausschließlich Gastl<strong>an</strong>ds<strong>an</strong>gehörige, während die Position der<br />

Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftsleiter in der Hälfte der Fälle mit Stamml<strong>an</strong>ds<strong>an</strong>gehörigen besetzt<br />

ist. Koordinationsorientierte Entsendungen weisen eine geringere zeitliche Erstreckung


314 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

weisen eine geringere zeitliche Erstreckung auf als jene, die der Besetzung vak<strong>an</strong>ter Positionen<br />

dienen. Beim Besuchsverkehr hat sich gezeigt, daß die Ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts-<br />

Personalbereiche vorwiegend von fachfremden Führungskräften der Zentralen bereist<br />

werden, was zur der Vermutung Anlaß gibt, daß im Personalbereich eine geringere personenorientierte<br />

Koordinationsintensität gegeben ist als in <strong>an</strong>deren Funktionsbereichen<br />

internationaler Unternehmen. Personalkoordinationsbezogene Reisen in die Zentrale<br />

scheinen hingegen hauptsächlich von den Spitzenführungskräften der Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften<br />

(Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftsleiter sowie Ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts-Personalleiter)<br />

durchgeführt zu werden.<br />

Im Anschluß <strong>an</strong> die "monovariate" Analyse des Koordinationsinstrumenteneinsatzes<br />

wurde geprüft, inwieweit die Koordinationsinstrumente im Verbund oder isoliert<br />

vonein<strong>an</strong>der eingesetzt werden. Diesbezüglich geben die Daten zu der Vermutung Anlaß,<br />

daß die technokratischen Koordinationsinstrumente Zentralisation, St<strong>an</strong>dardisierung,<br />

Berichtswesen tendenziell dergestalt im Verbund eingesetzt werden, daß ein verstärkter<br />

Einsatz eines dieser Instrumente mit einer Anhebung der Koordinationsintensität<br />

der beiden <strong>an</strong>deren gepaart wird. Demgegenüber konnte bei den personenorientierten<br />

Koordinationsinstrumenten Führungskräftetr<strong>an</strong>sfer, Besuchsverkehr und Unternehmenskultur<br />

kein ebensolches Muster aufgedeckt werden.<br />

4. Kontextbezogene Analyse des Koordinationsinstrumenteneinsatzes<br />

Die Ausprägung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes im Personalm<strong>an</strong>agement<br />

scheint von einem breiten Spektrum unternehmens- und ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftsbezogener,<br />

weniger ausl<strong>an</strong>dsgesellschaftsumweltbezogener Kontextfaktoren bestimmt zu sein.<br />

Zu dieser Vermutung gibt multivariate Beh<strong>an</strong>dlung des Datenmaterials mittels multiplen<br />

linearen Regressionsmodellen Anlaß, die mehrstufig von der Erklärung einzelner<br />

Koordinationsinstrumente über jene technokratischer und personenorientierter Koordinationsinstrumente<br />

bis hin zur Erklärung der Gesamtintensität der Koordination im internationalen<br />

Personalm<strong>an</strong>agement durchgeführt wurde. Bei einer Verdichtung auf die<br />

beiden Basisdimensionen "technokratische Koordination" und "personenorientierte Koordination"<br />

können diejenigen Ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts-Personalbereiche als durch "harte"<br />

(technokratische) Instrumente gesteuert <strong>an</strong>gesprochen werden, die Teile großer, eine<br />

St<strong>an</strong>dardisierungsstrategie verfolgender US-amerik<strong>an</strong>ischer Unternehmen sind, dabei<br />

selbst jedoch relativ klein sind, geringe Leistungsverflechtungen mit <strong>an</strong>deren Unternehmensteileinheiten<br />

und eine relativ große Personalabteilung aufweisen sowie über einen<br />

Betriebsrat mitbestimmt sind. Die unterdurchschnittliche Größe und das geringe Interdependenzniveau<br />

technokratisch gesteuerter Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften dürfte ein Indiz<br />

dafür sein, daß diese zu klein bzw. für das Gesamtunternehmen zu unbedeutend sind,<br />

um individuell, d.h. personenorientiert betreut zu werden.<br />

"Weiche" (personenorientierte) Instrumente finden sich hingegen vor allem in großen,<br />

gering diversifizierten internationalen Unternehmen mit einer vereinheitlichenden<br />

strategischen Orientierung, zahlreichen Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften und insb. dort, wo die<br />

betreffenden Ausl<strong>an</strong>dsgesellschaften jung und vergleichsweise erfolglos sind. Dabei<br />

dürfte der überdurchschnittliche Einsatz personenorientierter Koordinationsinstrumente


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 315<br />

in großen, nach St<strong>an</strong>dardisierung strebenden Unternehmen durch Überlegungen erklärbar<br />

sein. Wenn ein ungleicher Diversifikationsgrad zu einem unegalen Einsatz personenorientierter<br />

Koordinationsinstrumente führt, d<strong>an</strong>n wird dies wohl damit etwas zu tun<br />

haben, daß am ehesten noch in Unternehmen mit relativ unabhängigen Geschäftsbereichen<br />

die Informationsbroking-Funktion der Zentrale auf ein geringes Niveau zurückgefahren<br />

werden k<strong>an</strong>n. In leistungsprogrammäßig breit aufgefächerten Unternehmen k<strong>an</strong>n<br />

die Unabhängigkeit der Systemteile sogar so weit gehen, daß diese vom Top-<br />

M<strong>an</strong>agement wie Investitionen eines Fin<strong>an</strong>zportfolios beh<strong>an</strong>delt werden und die führungsbezogene<br />

Koordination ausschließlich innerhalb der Geschäftsbereiche erfolgt.<br />

Für die negative Wirkungsbeziehung zwischen Ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts<strong>an</strong>zahl und personenorientierter<br />

Koordination werden wohl die Kapazitätsgrenzen der Zentrale ver<strong>an</strong>twortlich<br />

sein. Sämtliche der referierten Variablenverschränkungen können als verläßlich<br />

<strong>an</strong>genommen werden, da die sie beschreibenden Regressionsmodelle durch hohe<br />

Bestimmtheitsmaße und die einzelnen Regressionskoeffizienten durch über der 5%-<br />

Schwelle liegende Signifik<strong>an</strong>zniveaus gekennzeichnet sind.<br />

5. Erfolgs<strong>an</strong>alyse des Koordinationsinstrumenteneinsatzes<br />

Die in zwei Untersuchungsschritten durchgeführte und wiederum auf Regressionsmodelle<br />

gestützte Erfolgs<strong>an</strong>alyse hat deutlich werden lassen, daß der über personalbereichs-,<br />

ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts- und gesamtunternehmensbezogene Kriterien operationalisierte<br />

Erfolg nur bedingt mit der Variation des personalwirtschaftlichen Koordinationsinstrumenteneinsatzes<br />

erklärt werden k<strong>an</strong>n. Hieraus darf jedoch keineswegs auf eine<br />

geringe Bedeutung personalwirtschaftlicher Koordinationsprozesse oder sogar des Personalm<strong>an</strong>agements<br />

<strong>an</strong> sich geschlossen werden, weil <strong>an</strong>zunehmen ist, daß die Interaktion<br />

zwischen Koordinationsinstrumenteneinsatz und Erfolg durch intervenierende Variablen<br />

geregelt wird. Nichtsdestotrotz hat sich eines der sechs Koordinationsinstrumente,<br />

nämlich die Wertehomogenität der Personalführungskräfte, als durchgängiger Erfolgsstifter<br />

des internationalen Personalm<strong>an</strong>agements bzw. der internationalen Unternehmenstätigkeit<br />

erwiesen. Besonders erfolgreich sind demnach jene Institutionen, bei denen<br />

die Headquarters- und Ausl<strong>an</strong>dsgesellschafts-Personalführungskräfte relativ homogene<br />

Werthaltungen bezüglich Entscheidungsstil, Risikobereitschaft, prinzipieller<br />

H<strong>an</strong>dlungseinstellung, Offenheit gegenüber fremden Kulturen sowie im Unternehmen<br />

vorherrschenden Interessengruppen aufweisen. Bestätigt werden konnten damit die Ergebnisse<br />

der nationalen und internationalen M<strong>an</strong>agementforschung, welche auf die erfolgsstiftende<br />

Bedeutung der Unternehmenskultur hinweisen. Daß aber auch der Einsatz<br />

der übrigen Koordinationsinstrumente erfolgswirksam ist und daß die im Schrifttum<br />

artikulierte These einer mittelbaren Beziehung zwischen Koordinationsinstrumenteneinsatz<br />

und Erfolg Beachtung verdient, konnte im zweiten Erfolgs<strong>an</strong>alyseschritt belegt<br />

werden, wo die strategische Orientierung der Unternehmen als wichtige intervenierende<br />

Variable herausgearbeitet werden konnte. Im einzelnen hat es sich gezeigt, daß<br />

jene internationalen Personalbereiche bzw. Unternehmen überdurchschnittlich erfolgreich<br />

sind, die den Koordinationsinstrumenteneinsatz des Personalm<strong>an</strong>agements in Anlehnung<br />

<strong>an</strong> ein auf Macharzina sowie Roth/Schweiger/Morrison zurückgehendes und in


316 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Koordinationsmuster gestalten. Den mit personalstrategischen Aufgabenfeldern betrauten<br />

Führungskräften ist somit zu empfehlen, erst einmal die strategische Grundorientierung<br />

ihres Unternehmens ("Selektionsstrategie", "Einzelmarktstrategie", "Integrationsstrategie"<br />

oder "Interaktionsstrategie") zu ermitteln und hierauf aufbauend die Intensität<br />

der im Personalbereich einzusetzenden Koordinationsinstrumente zu bestimmen.<br />

10. Pl<strong>an</strong>ung / Methoden / EDV-Unterstützung der Personalarbeit<br />

Ramona Alt<br />

Implementierung von Informationssystemen in Umbruchsituationen.<br />

Prozeßstudie zur Einführung von Personalinformationssystemen in<br />

ostdeutschen Industrieunternehmen<br />

Betreuer: Prof. Dr. Rainhart L<strong>an</strong>g, Technische Universität Chemnitz-Zwickau<br />

In der Arbeit werden Implementierungsprozesse von Personalinformationssystemen<br />

in ostdeutschen Industrieunternehmen unter den besonderen Bedingungen der gesellschaftlichen<br />

Tr<strong>an</strong>sformation untersucht. Besonderes Anliegen ist es dabei, empirische<br />

Muster der Prozeßverläufe herauszuarbeiten und optionsreduzierenden Mech<strong>an</strong>ismen<br />

nachzugehen. Da mit der gegenwärtigen Implementierung die umbruchsbedingt<br />

weitreichende Offenheit von H<strong>an</strong>dlungsspielräumen in den Unternehmen verringert und<br />

H<strong>an</strong>dlungspfade für weitere Implementierungsprozesse vorstrukturiert werden, kommt<br />

den derzeit ablaufenden Prozessen eine große Bedeutung zu. Über unmittelbare Einblicke<br />

in die H<strong>an</strong>dlungsabläufe und die sich abzeichnenden Tendenzen hinaus steht die<br />

Tragfähigkeit theoretischer Bezugsrahmen zur Diskussion, die eine Verbindung der<br />

Makroebene des "Systemumbruchs" und der Mikroebene von Implementierungsprozessen<br />

<strong>an</strong>streben.<br />

Als Ausg<strong>an</strong>gspunkt für den eigenen Untersuchungsrahmen werden implementierungsrelev<strong>an</strong>te<br />

theoretische Ansätze auf ihre Eignung für das Thema untersucht. In diesem<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g erfolgt eine Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit konträren theoretischen Her<strong>an</strong>gehensweisen<br />

(kontingenztheoretisch geprägte, ökonomie-technikdeterminierte und<br />

kontrolltheoretische Ansätze, <strong>an</strong>wendungs- und bedürfnisorientierte Ansätze, Netzwerk<strong>an</strong>sätze,<br />

systemtheoretische sowie politikorienierte Ansätze). Als Zwischenresümee<br />

läßt sich dabei festhalten: Mittels traditioneller Theorie<strong>an</strong>gebote sind die aktuellen<br />

Prozesse vielfach nicht zufriedenstellend erklärbar, da die etablierten Ansätze i.d.R. ein<br />

stabiles gesellschaftliches Umfeld der Implementierungsprozesse unterstellen. Werden<br />

die Ansätze <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von Anforderungen beurteilt, die für Situationen grundlegenden<br />

W<strong>an</strong>dels zu erfüllen sind, ergeben sich jedoch unterschiedliche Anknüpfungspunkte für<br />

einen Bezugs- und Interpretationsrahmen.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 317<br />

Entsprechend dem Erkenntnisinteresse der Arbeit erscheint eine mikropolitisch deskriptive<br />

Prozeß<strong>an</strong>alyse als am ehesten geeignet. Um den Besonderheiten eines gesellschaftlichen<br />

Umbruchs Rechnung zu tragen, wird die mikropolitische Her<strong>an</strong>gehensweise<br />

mit org<strong>an</strong>isationskulturellen Bezügen ergänzt. Es wird versucht, eine mikropolitische<br />

Perspektive, die Kultur nur als Modalität der Machtausübung thematisiert, mit einer<br />

kulturellen Perspektive, bei der i.d.R. Machtverhältnisse weitgehend ausgeblendet bleiben,<br />

zu verschränken.<br />

Die Materialgrundlage der h<strong>an</strong>dlungsbezogenen interpretativen Analyse bilden 11<br />

Fallstudien in mittleren und großen ostdeutschen Industrieunternehmen verschiedener<br />

Br<strong>an</strong>chen in unterschiedlicher wirtschaftlicher Lage und differenzierter Anbindung <strong>an</strong><br />

westliche Partner. Die ausgewählten Unternehmen decken hinsichtlich der eingeführten<br />

Personalinformationssysteme eine breite Palette ab. Die Erhebungen erfolgten im Zeitraum<br />

von J<strong>an</strong>uar 1991 bis Dezember 1992. Als Methodeninstrumentarium wurde die<br />

Kombination von halbst<strong>an</strong>dardisierten Interviews, Beobachtung und Dokumenten<strong>an</strong>alyse<br />

gewählt. Im Sinne einer prozeßbegleitenden Untersuchung wurden auf Basis eines<br />

Mehrperspektiven<strong>an</strong>satzes Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitern der Anwenderabteilungen,<br />

Beschäftigten der EDV-Abteilungen sowie Vertretern des Betriebsrats<br />

geführt.<br />

Unter Anwendung des entwickelten Bezugs- und Interpretationsrahmens werden<br />

zunächst relev<strong>an</strong>te Akteure und ihre Beziehungsmuster im Rahmen von Implementierungsprozessen<br />

herausgearbeitet und dabei der Einfluß von Macht- und Interessenstrukturen<br />

sowie von kulturellen Schemata sichtbar gemacht. Fallübergreifend lassen sich<br />

zumindest drei typische Muster von Prozeßverläufen unterscheiden, denen sich die<br />

Fallstudien mehr oder weniger zuordnen lassen:<br />

- Implementierung in oktroyierender Vorgehensweise,<br />

- zweckbezogene und kooperative Zusammenarbeit bei der Implementierung sowie<br />

- beziehungsgesteuerte Implementierung bei passiv <strong>an</strong>passendem Verhalten unternehmensinterner<br />

Akteure.<br />

Die Prozeßtypen werden unter den Aspekten der Reduktion von Kontingenz sowie<br />

der Koordination und Durchsetzung von Interessen <strong>an</strong>alysiert. Hervorhebenswert ist<br />

dabei, daß es aufgrund der Notwendigkeit, den Unternehmensbest<strong>an</strong>d zu sichern und<br />

die Konkurrenzfähigkeit zu erreichen, häufig eine weitgehende Zielkomplementarität<br />

zu geben scheint, die ihrerseits eine beschleunigte Implementierung unterstützte. Trotz<br />

der Verpflichtung auf das gemeinsame Interesse am Unternehmenserhalt und der Koordination<br />

über einen gemeinsamen kulturellen Kontext waren Konfliktlinien zu beobachten,<br />

v.a. zwischen M<strong>an</strong>agement und EDV-Abteilung sowie M<strong>an</strong>agement und Betriebsrat.<br />

Musterübergreifend war festzustellen, daß möglichst umf<strong>an</strong>greiche Investitionen in<br />

die technische Ausstattung als außerordentlich notwendig erachtet wurden. Von einer<br />

technischen Modernisierung erwarteten die ostdeutschen Akteure nicht nur einen<br />

schnellen Anschluß <strong>an</strong> das technische, sondern auch <strong>an</strong> das ökonomische Niveau westlicher<br />

Unternehmen. Die konkreten Auswahlverfahren wurden stark abhängig von den<br />

vorh<strong>an</strong>denen Kontakten zu westlichen Unternehmen getroffen. Insgesamt zeigen die


318 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Fälle, daß nach wie vor technokratische Einführungsprozesse überwiegen, in denen<br />

Muster aus der Verg<strong>an</strong>genheit unter den gravierenden Bedingungen der Ungewißheit<br />

reproduziert werden. Das betrifft vor allem ein:<br />

- hierarchisches Vorgehen mit einem großen Anteil <strong>an</strong> Außensteuerung,<br />

- in Verbindung mit der Arbeitsteilung ein Denken in Zuständigkeiten,<br />

- die Sichtweise, wonach Implementierung häufig als technisch-technologisches<br />

Problem und Aufgabe von EDV-Spezialisten betrachtet wird.<br />

Dadurch, daß die Implementierung nur in wenigen Händen liegt, wird schnell Eindeutigkeit<br />

und Orientierungssicherheit erl<strong>an</strong>gt. Damit wird aber nicht nur Passivität bei<br />

breiten Beschäftigtenkreisen reproduziert. Durch die Ausgrenzung aus einem Lernprozeß<br />

verschlechtern sich auch ihre zukünftigen Einflußch<strong>an</strong>cen.<br />

Ansätze für ein stärker partizipatives und kooperatives Her<strong>an</strong>gehen zeigten sich in<br />

Fällen der Einführung eines neuen Führungskonzept durch den Käufer, bei Kontakten<br />

mit Vertretern westlicher Unternehmen und der kritischen Reflexion ostdeutscher Führungskräfte<br />

über ihr eigenes Verhalten oder dem Einsatz westlicher M<strong>an</strong>ager. Relev<strong>an</strong>t<br />

sind auch die Aktivitäten von Betriebsräten. Träger aktiver Einflußnahme auf die Implementierungsprozesse<br />

waren vor allem hochqualifizierte Betriebsratsmitglieder mit<br />

technischer Ausbildung, die jedoch weitgehend in den typischen Mustern der Technikgläubigkeit<br />

und Machbarkeit durch Technik verhaftet blieben. Anzeichen für deutliche<br />

Brüche mit traditionellen Vorgehensweisen zeigten sich auch, wenn mit dem z.T. starken<br />

Abbau von betrieblichen EDV-Abteilungen oder ihrer Ausgliederung aus dem Unternehmen<br />

die Fachabteilungen <strong>an</strong> Einfluß gew<strong>an</strong>nen und eine stärker nutzerorientierte<br />

Sicht einbrachten.<br />

Da die eingeschlagenen Strategien prinzipiell Suchcharakter tragen dürften, ist<br />

nach der Stabilität von Situationsdeutungen und den dar<strong>an</strong> ausgerichteten Verhaltensweisen<br />

zu fragen. Wie die Fallstudien zeigen, ist insbesondere die Zuschreibung von<br />

Expertenwissen zu westlichen Partnern, aber auch der Glaube <strong>an</strong> perfekte technische<br />

Lösungen brüchig geworden.<br />

Insgesamt läßt der St<strong>an</strong>d der Untersuchungen vermuten, daß eine Stabilisierung aller<br />

drei vorgefundenen Prozeßtypen im Bereich des Möglichen liegt. Mit welchem Erfolg<br />

die unterschiedlichen Her<strong>an</strong>gehensweisen verbunden sind, die Klärung dieser Frage<br />

muß weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Dabei lassen jedoch nicht nur<br />

der explorative Charakter und die zeitliche Befristung der Untersuchung eine Weiterarbeit<br />

sinnvoll erscheinen. Durch eine Ausdehnung auf eine größere Anzahl von Unternehmen<br />

könnte eine stärkere Verallgemeinerung der Ergebnisse erreicht werden. In<br />

theoretischer Hinsicht leistet die Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur konzeptionellen<br />

Fundierung von Prozeß<strong>an</strong>alysen in Umbruchsituationen. Ungelöste Probleme bestehen<br />

jedoch nach wie bezüglich der Konzeptualisierung von Strukturdimensionen und hierauf<br />

bezogener H<strong>an</strong>dlungsbezugsrahmen, die der Praxis gerecht werden.<br />

11. Arbeitsbeziehungen


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 319<br />

Musewa M‘Bayo<br />

Unternehmerische Selbstregulierung und internationale Regulierung: Zwei<br />

Ansätze zur Angleichung arbeits- und sozialrechtlicher Defizite in Entwicklungsländern<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dieter Sadowski, Unversität Trier<br />

Ziel: Die wirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmen in Entwicklungsländern wird<br />

durch ausgeprägte arbeits- und sozialrechtliche Lücken gekennzeichnet. Während die<br />

Internationale Arbeitsorg<strong>an</strong>isation (ILO) diese Defizite durch Normensetzung im Rahmen<br />

der Arbeitsbeziehungen und die Weltb<strong>an</strong>k sowie der Internationale Währungsfonds<br />

(IWF) durch Konditionen bei der Kreditvergabe auszugleichen versuchen, beheben<br />

einige Betriebe die staatlichen Defizite, indem sie ihrer Belegschaft Sozialleistungen<br />

gewähren. Es ist zu vermuten, daß betriebliche Sozialleistungen einen wesentlichen<br />

Beitrag zur sozialen Sicherung in diesen Länder leisten können. Motive zur Gewährung<br />

betrieblicher Sozialleistungen stehen deshalb im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung.<br />

Vorgehen: Um die Frage nach den betrieblichen Motiven, die zur Gewährung betrieblicher<br />

Sozialleistungen in den industriell wenig entwickelten und institutionell wenig<br />

regulierten Ländern führten, zu be<strong>an</strong>tworten, wurden zwei Thesen aufgestellt. Es<br />

wurde zum einem vermutet, daß die Unternehmen aus dem internen Druck heraus, ihren<br />

Personalbedarf zu decken und Fluktuationskosten zu vermeiden, ihrer Belegschaft freiwillig<br />

betriebliche Sozialleistungen gewähren. Zum <strong>an</strong>deren wurde vermutet, daß das<br />

betriebliche Sozialengagement von den Konditionen internationaler Fin<strong>an</strong>zinstitutionen,<br />

insbesondere vom IWF und der Weltb<strong>an</strong>k bei der Kreditgewährung <strong>an</strong> das Entwicklungsl<strong>an</strong>d,<br />

und von den internationalen Arbeitsst<strong>an</strong>dards der ILO abhängt. Als Untersuchungsobjekt<br />

wurde das zairische Bergbauunternehmen Gécamines gewählt, weil sich<br />

das Bergbauunternehmen in Zaire stark bei der Gewährung betrieblicher Sozialleistungen<br />

engagiert hat. Außerdem ist das Unternehmen das wirtschaftlich bedeutendste Unternehmen<br />

Zaires. Zur empirischen Überprüfung der Vermutungen war die Einbeziehung<br />

eines Kontrollbetriebs notwendig, von dem m<strong>an</strong> weiß, daß er freiwillig betriebliche<br />

Sozialleistungen gewährt, aber <strong>an</strong>dererseits nicht unter dem Einfluß der internationalen<br />

Org<strong>an</strong>isationen (ILO, IWF und Weltb<strong>an</strong>k) steht. Es bot sich <strong>an</strong>, einen Betrieb aus<br />

Deutschl<strong>an</strong>d im 19. Jahrhundert auszuwählen, der sich vor der gesetzlichen Regulierung<br />

(Bismarcksche Sozialgesetze) sozial engagiert hat, wie z.B. die Firma Krupp, die<br />

im Deutschl<strong>an</strong>d des 19. Jahrhunderts im Bereich der Sozialpolitik Pionierarbeit geleistet<br />

hat.<br />

Ergebnisse: Das zairische Bergbauunternehmen hat hauptsächlich aus dem internen<br />

betrieblichen Druck, den Personalbedarf zu decken, freiwillig betriebliche Sozialleistungen<br />

gewährt und nicht etwa aufgrund des Einflusses internationaler Org<strong>an</strong>isationen.<br />

Die Fallstudie zeigt demnach, daß internationale Org<strong>an</strong>isationen bisher wenig Einfluß<br />

auf die arbeits- und sozialrechtliche Regulierung der industriell wenig entwickelten


320 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Wirtschaften gehabt haben und daß Pionierleistungen hauptsächlich von Unternehmen<br />

ausgehen.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 321<br />

12. Methoden der <strong>Personalforschung</strong><br />

<strong>Rainer</strong> Krütten<br />

Synthetische Unternehmensstichproben und betriebliche Personalpolitik<br />

Betreuer: Prof. Dr. Dieter Sadowski, Unversität Trier<br />

Ziel: In diesem Projekt soll, ausgehend von statistischen Aggregatdaten über Wirtschaftszweige<br />

und Br<strong>an</strong>chen, denen Erhebungen bei den Unternehmen zugrunde liegen,<br />

eine Stichprobe „synthetisch“ erzeugt werden, die zum Testen von Hypothesen auf einzelwirtschaftlicher<br />

Ebene genutzt werden k<strong>an</strong>n.<br />

Vorgehen: Eine im Forschungsprogramm des IAAEG formulierte einzelwirtschaftliche<br />

Fundierung der Org<strong>an</strong>isationsforschung setzt qu<strong>an</strong>titative Informationen über eine<br />

große Zahl dieser Org<strong>an</strong>isationen voraus. So sind weitere Fortschritte in der Arbeitsnachfragetheorie<br />

nur zu erwarten, wenn entsprechende Massedaten verfügbar sind<br />

(Hamermesh 1991). In den verg<strong>an</strong>genen Jahren ist nun ein Verfahren entwickelt worden,<br />

aus aggregierten Statistiken (R<strong>an</strong>dverteilungen) verschiedener Merkmale einer unbek<strong>an</strong>nten<br />

Grundgesamtheit fiktive, aber mit den R<strong>an</strong>dverteilungen verträgliche Stichprobenelemente<br />

zu rekonstruieren.<br />

Zu diesem Zweck kommt ein Algorithmus, das „Simulated Annealing“, zur Anwendung,<br />

bei dem, ausgehend von einer beliebigen Ausg<strong>an</strong>gsverteilung für die zu generierenden<br />

Variablen, die Merkmalsausprägungen der Variablen so verändert werden,<br />

daß eine möglichst gute Reproduktion der zugrundegelegten R<strong>an</strong>dverteilungen erfolgt.<br />

Dieser iterative Prozeß wird zum einen durch eine Kostenfunktion, die die Abweichungen<br />

von den R<strong>an</strong>dverteilungen mißt, und zum <strong>an</strong>deren durch einen „Kühlpl<strong>an</strong>“, der die<br />

Zahl der Verschlechterungen sukzessive absenkt, gesteuert. Die theoretische Analyse<br />

des Verfahrens weist nach, daß die vom Algorithmus erzeugten Verteilungen gegen eine<br />

„entropiemaximale“ Verteilung konvergieren, also nur soweit von der Ausg<strong>an</strong>gsverteilung<br />

abweichen, wie es die vorgegebenen R<strong>an</strong>dbedingungen erfordern. Das Konstruktionsprinzip<br />

der „maximalen Entropie“ liegt vielen theoretischen Verteilungen zugrunde.<br />

Im zweiten Teil des Projekts sollen das verwendete Verfahren und die konstruierte<br />

Stichprobe auf Validität überprüft werden. Die Rekonstruktion real existierender Stichproben<br />

durch das verwendete Verfahren würde auf eine Eignung zur Konstruktion synthetischer<br />

Stichproben hindeuten. In einem subst<strong>an</strong>zwissenschaftlichen Teil soll am<br />

Beispiel der Determin<strong>an</strong>ten der betrieblichen Schwerbehindertenbeschäftigung <strong>an</strong>alysiert<br />

werden, inwieweit der Einsatz einzelwirtschaftlicher Daten zu <strong>an</strong>deren Ergebnissen<br />

führt als Analysen, die mit Aggregat- und/oder Individualdaten durchgeführt wurden.


322 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95)<br />

Ergebnisse: In Testläufen, für die die entsprechende entropiemaximale Verteilung<br />

bek<strong>an</strong>nt ist, konnten gute Anpassungen <strong>an</strong> diese Verteilung und die entsprechenden<br />

R<strong>an</strong>dbedingungen nachgewiesen werden. Die theoretisch postulierten Eigenschaften<br />

werden somit von dem implementierten Algorithmus erfüllt. Die Rekonstruktion von<br />

ausgewählten Variablen aus der „Bonner Stichprobe“ als „reale Stichprobe“ k<strong>an</strong>n als<br />

gelungen bezeichnet werden, da die Mittelwerte und St<strong>an</strong>dardabweichungen, obwohl<br />

nicht explizit in den R<strong>an</strong>dbedingungen vorgegeben, gut abgebildet wurden. Bei der Erzeugung<br />

einer synthetischen Unternehmensstichprobe auf der Basis der Arbeitsstättenzählung<br />

von 1987 zeigen sich überwiegend gute Anpassungen, wenn auch in den R<strong>an</strong>dbereichen<br />

(z.B. sehr große Unternehmen) die Qualität der Approximation abnimmt und<br />

die Zahl der erzeugbaren Variablen begrenzt zu sein scheint.<br />

Bernd Schw<strong>an</strong>dt<br />

„Erzähl mir nix“ - Gesprächsverlauf und Regelaush<strong>an</strong>dlung in den<br />

Besprechungen von Industriemeistern 5<br />

Betreuer: Prof. Dr. Oswald Neuberger, Wiso-Fakultät, Universität Augsburg<br />

Die Arbeit untersucht wöchentliche Arbeitsbesprechungen in einem Produktionsbetrieb.<br />

Mit einem qualitativen Zug<strong>an</strong>g werden Gesprächsverlauf und Regelaush<strong>an</strong>dlungsprozesse<br />

untersucht.<br />

Theoretische Verortung<br />

Die Arbeit beginnt mit einer theoretischen St<strong>an</strong>dortbestimmung, in der eine Prozeßperspektive<br />

auf den Org<strong>an</strong>isationsprozeß gewählt wird. Org<strong>an</strong>isationen werden als<br />

Ort politischer Entscheidungen verst<strong>an</strong>den, die vorzugsweise in Gesprächen zust<strong>an</strong>de<br />

kommen. Diese Gespräche werden als rhetorische Ereignisse betrachtet, in denen Menschen<br />

versuchen, sich über eine Sache und über ein<strong>an</strong>der zu verständigen - dabei wird<br />

insbesondere auf die Theorie mündlicher Kommunikation von Hellmut Geißner (1981)<br />

Bezug genommen. Diese sprechwissenschaftliche Perspektive wird kombiniert mit einer<br />

org<strong>an</strong>isationspsychologischen. In Anlehnung <strong>an</strong> die Regelaush<strong>an</strong>dlungsperspektive<br />

von Schienstock, Hofbauer & Flecker (1991) und die Theorie sozialer Regelsysteme<br />

von Burns & Flam (1987) wird untersucht, wie die Beteiligten <strong>an</strong>gesichts der vielfältigen<br />

H<strong>an</strong>dlungserfordernisse mit den vorh<strong>an</strong>denen org<strong>an</strong>isatorischen Regeln umgehen.<br />

5<br />

Veröffentlicht im Mai 1995 im <strong>Rainer</strong> <strong>Hampp</strong> <strong>Verlag</strong>, München und Mering. B<strong>an</strong>d 8 der<br />

Reihe Org<strong>an</strong>isation & Personal, hrsg. von Oswald Neuberger. Die Dissertationsfassung trägt<br />

den Titel „Da könnten wer jetzt stundenl<strong>an</strong>g drüber diskutiern, das bringt nix“. Wenn das<br />

Sprechen zur Arbeit wird: Gesprächsverlauf und Regelaush<strong>an</strong>dlung in den Besprechungen<br />

von Industriemeistern.


<strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong> (ZfP 3/95) 323<br />

Zugrunde liegt die Annahme, daß org<strong>an</strong>isatorische Regeln kein klares, stabiles Gefüge<br />

zentral gepl<strong>an</strong>ter und logisch konstistenter Regeln und Vorschriften sind, sondern im<br />

sozialen Prozeß teils zufällig entst<strong>an</strong>den sind und ständigen Aush<strong>an</strong>dlungen und Veränderungen<br />

unterliegen; unter dieser Perspektive werden demgemäß Aush<strong>an</strong>dlungs- und<br />

Sinnherstellungsprozesse besonders betont.<br />

In einer ausführlichen Literaturübersicht werden die z.T. sehr verstreuten, vorwiegend<br />

aus dem <strong>an</strong>gloamerik<strong>an</strong>ischen Sprachraum stammenden Beiträge zu Gesprächen<br />

in Org<strong>an</strong>isationen aus Linguistik, Ethnologie, Soziologie und Org<strong>an</strong>isationskulturforschung<br />

zusammengetragen.<br />

Methoden<br />

Die Arbeit versteht sich in ihrem Grundzug<strong>an</strong>g als ethnographisch und interpretativ.<br />

Ausg<strong>an</strong>gsinteresse war, die „Gesprächskultur“ eines Unternehmens möglichst facettenreich<br />

zu erfassen und in ihrer Bedeutung für Org<strong>an</strong>isationskultur insgesamt zu verstehen.<br />

Daher wurde eine sehr offene Zug<strong>an</strong>gsweise gewählt, die in der teilnehmenden<br />

Beobachtung über 4 Monate, Aufzeichnung der stattfindenden Besprechungen, Interviews<br />

und „Feldnotizen“ best<strong>an</strong>d. Erst in der Auswertungsphase wurde <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d des vorh<strong>an</strong>denen<br />

Materials spezifischere Fragestellungen entwickelt. Die drei schließlich verfolgten<br />

Fragestellungen sind:<br />

Der Gesprächsverlauf wird hinsichtlich Beteiligung, Gesprächsleitung, Themen<br />

und Themenwechseln, Tempo und Pausen, Dialekt- und St<strong>an</strong>dardvariationen, Wiederholungen<br />

und Unterbrechungen und ähnlicher Parameter untersucht. Ziel ist, eine - in<br />

der gesprächs<strong>an</strong>alytischen Forschung kaum vorh<strong>an</strong>dene - Analyse von Besprechungen<br />

im Arbeitskontext vorzunehmen.<br />

Im Hinblick auf die vorkommende Metaphorik werden von den am Gespräch Beteiligten<br />

benutzte Bezeichnungen für Arbeit, Personen, Gespräche und Sprechen untersucht.<br />

Dieser Ansatz bezieht sich sowohl auf die Metaphern<strong>an</strong>alyse nach Lakoff und<br />

Johnson (1980) und Deetz (1986), aber auch auf die Untersuchung von „native terminology“,<br />

wie sie in der Ethnographie der Kommunikation“ (Hymes, Gumperz, Philipsen)<br />

verw<strong>an</strong>dt wird.<br />

Der dritte Fokus sind org<strong>an</strong>isatorische Regeln und Regelaush<strong>an</strong>dlungsprozesse.<br />

Konkret ist damit gemeint, wie mit dem Konflikt zwischen ein<strong>an</strong>der widersprechenden<br />

Regeln umgeg<strong>an</strong>gen wird (z.B. ungestörter Produktionsablauf bei möglichst geringem<br />

Personalst<strong>an</strong>d), wie bisl<strong>an</strong>g gültige Regeln modifiziert, in ihrer Dringlichkeit neu bewertet<br />

oder auch klar umg<strong>an</strong>gen werden oder wie in der Besprechung neue Regeln gefunden<br />

werden. Die große Verschiedenheit von ungeschriebenen Gewohnheitsregeln,<br />

technischen Produktions<strong>an</strong>weisungen, Dienstwegen, Geschäftsleitungsbeschlüssen,<br />

formalen Zuständigkeiten macht eine klare Abgrenzung dieser Regeltypen schwer.<br />

Gleichzeitig wird durch die ethnographisch-offene Her<strong>an</strong>gehensweise der Arbeit die<br />

g<strong>an</strong>ze Breite und Vieldeutigkeit von org<strong>an</strong>isatorischen Regeln <strong>an</strong>schaulich.<br />

Deutlich wird in der Analyse auch die wechselseitige Bedingtheit von Org<strong>an</strong>isation<br />

und Org<strong>an</strong>isieren: der „gegebene Rahmen“ Org<strong>an</strong>isation gibt Regeln vor - die Orga-


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nisationsmitglieder bestätigen und verändern beständig diese Regeln und konstituieren<br />

in ihren Gesprächen Org<strong>an</strong>isation. Die Besprechung wird damit zu dem zentralen Ereignis,<br />

um sich darüber zu verständigen, was Sinn und Zweck der Org<strong>an</strong>isation ist. Wie<br />

und was hier geredet wird, schafft Org<strong>an</strong>isation.<br />

Material<br />

Grundlage der Arbeit sind etwa 20 Stunden Tonaufnahmen von 16, im Zeitraum<br />

von 4 Monaten wöchentlich stattfindenden Arbeitsbesprechungen in einem mittelständischen<br />

Produktionsbetrieb. Es h<strong>an</strong>delt sich um eine feste Gruppe von 10 Teilnehmern,<br />

durchweg Männer, mit einer Betriebszugehörigkeit von 15 bis 40 Jahren. Die Analysen<br />

konzentrieren sich auf 5 exemplarisch ausgewählte Szenen von insgesamt 70 Minuten,<br />

die nach unterschiedlichen methodischen Schwerpunkten ausgewertet werden. Hinzu<br />

kommen begleitende Einzelinterviews mit den Teilnehmern der Besprechung und Beobachtungsdaten.<br />

In den untersuchten Gesprächssequenzen geht es u.a. um die Absprache von Produktionsabläufen,<br />

die Überschreitung von Kostenvor<strong>an</strong>schlägen, unklare Zuständigkeiten,<br />

die Aufklärung eines bis dahin unerklärlichen Fehlers während der Endkontrolle<br />

und Unzufriedenheit mit der Arbeit der Betriebsh<strong>an</strong>dwerker.<br />

Ergebnisse<br />

Unter dem gesprächs<strong>an</strong>alytischen Aspekt zeichnen sich die untersuchten Sequenzen<br />

durch hohe Themenzahl, großes Sprechtempo, kaum vorh<strong>an</strong>dene Pausen aus. Es<br />

scheint einen - wenn auch im Rahmen der Arbeit nicht beweisbaren - Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

zwischen dem Sprechtempo und der Akkordproduktion im Betrieb zu geben, was sich<br />

auch in der Metaphorik widerspiegelt. (s.u.) Die Verteilung der Gesprächs<strong>an</strong>teile ist<br />

deutlich ungleich. Während der die Besprechung leitende Betriebsleiter immer zwischen<br />

30 und 50% der Gesprächsbeiträge und Gesamtredezeit hat, liegen die <strong>an</strong>deren<br />

Teilnehmer meist zwischen 5 und 20%. Darin kommt seine Mehrfachfunktion als Gesprächsleiter,<br />

Vorgesetzter, inhaltlich Beteiligter deutlich zum Audruck. Die praktischen<br />

Schwierigkeiten, in einem traditionell hierarchisch ausgerichteten Produktionsbetrieb<br />

eine partizipativ ausgestaltete Besprechung einzuführen (erklärtes Ziel des Betriebsleiters),<br />

während „alte“ Rollenerwartungen unverändert gelten, werden dar<strong>an</strong><br />

ebenfalls deutlich.<br />

Weiter werden temporale Indikatoren wie Unterbrechungen oder l<strong>an</strong>ge Pausen und<br />

sprecherische Indikatoren wie große Lautstärke, ungewöhnliches Sprechtempo oder<br />

Wechsel zwischen St<strong>an</strong>dard und Dialekt in ihrer Bedeutung für Gesprächsverlauf und<br />

Sinnkonstitution untersucht. In diesen Mikro<strong>an</strong>alysen wird verdeutlicht, wie „der Ton<br />

die Musik macht“, welche ein wesentliches Moment von Gesprächskultur ist.<br />

Im metaphorischen Bereich werden sogen<strong>an</strong>nte „tote Metaphern“ (Lakoff & Johnson<br />

1980) identifiziert - damit sind vereinfacht gesagt in den Alltagsgebrauch „abgesunkene“<br />

(!) metaphorische Wortbedeutungen gemeint - z.B. etwas be-greifen (als ob<br />

m<strong>an</strong> es <strong>an</strong>fassen könnte) . Diese finden sich häufig in der „native terminology“, also


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den Bezeichnungen, die die Angehörigen einer Sprechergemeinschaft für kommunikative<br />

Ereignisse, Arbeit oder Personen benutzen. Dabei deuten wiederkehrende Äußerungen<br />

wie „alles muß rund laufen“ und „Hauptsache, es gibt keinen Abriß“ auf die<br />

Durchdringung des Arbeitsalltags von einer Fließb<strong>an</strong>dmetaphorik hin, die sich bis in<br />

das oft sehr hohe Sprechtempo und das gegenseitige Ergänzen dabei nicht schnell genug<br />

zu Ende geführter Sätze fortsetzt. Äußerungen wie „jeder schreit gleich“ und „do<br />

werd sich <strong>an</strong>gekrische“ verweisen sowohl auf den hohen Lärmpegel in der Produktion,<br />

der ein „laut spreche“ erforderlich macht und sich auch im leisen Besprechungsraum<br />

fortsetzt, wie auch auf häufig lautstark ausgetragene Konflikte.<br />

Bezeichnungen wie „die Ärmel hochkremple“ und „sich mal die Händ dreckig mache“<br />

eines gelernten Schlossers werden vom Betriebsleiter - dem einzigen Akademiker<br />

der Runde - mit „der hat schon genug am Hals“ und „der hat sein Kopfzerbrechen“ be<strong>an</strong>twortet:<br />

die verwendeten Begriffe verweisen nicht nur auf unterschiedliche Konzeptionen<br />

von „Arbeit“, sondern auch auf damit einhergehende Berufsrollenkonflikte.<br />

Hinsichtlich der Regeln und Regelaush<strong>an</strong>dlung gibt es eine Fülle von Beobachtungen.<br />

Gemeint sind hier weniger die Regeln im Sinne von Mustern der sozialen Interaktion<br />

- darüber wird unter dem Aspekt der Gesprächs<strong>an</strong>alyse einiges ausgesagt -, sondern<br />

betriebliche Regeln wie Zuständigkeiten, allgemeine Vorschriften, Produktionsvorschriften,<br />

Akkordvorgaben oder Geschäftsleitungsbeschlüsse. Ein auftretendes Grundproblem<br />

ist, daß die Meister zur Aufrechterhaltung einer „reibungslosen“ Produktion<br />

ständig gegen einzelne Regeln verstoßen - z.B. indem sie sich über großzügig kalkulierte<br />

Akkordzeiten eine Personalreserve von 1 bis 2 M<strong>an</strong>n sichern, die bei Maschinenausfällen<br />

oder hohem Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>d ihre H<strong>an</strong>dlungsfähigkeit erhält. Oder indem ein Kostenvorschlag<br />

„nichtsahnend“ überschritten wird, weil die Einhaltung des „Dienstweges“<br />

zur Bewilligung weiterer Gelder die Fertigstellung einer benötigten Vorrichtung um 3 -<br />

4 Wochen verzögern würde.<br />

D<strong>an</strong>eben werden bestehende Regelungen in der Besprechung teils <strong>an</strong>gesprochen,<br />

um ihre Funktionalität zu überdenken, teils wegen ihrer „Unlogik“ attackiert - wenn<br />

zum Beispiel die Schlosser relativ teure Ventile nicht mehr durch Auswechseln einer<br />

Dichtung reparieren dürfen, während gleichzeitig wichtige Anschaffungen mit dem<br />

Verweis auf Kosteneinsparungen nicht bewilligt werden. Hier wird von den Meistern<br />

eine Konsistenz betrieblicher Regelungen eingefordert - was den Betriebsleiter in die<br />

Verlegenheit bringt, als Repräsent<strong>an</strong>t der Geschäftsleitung Regeln zu verteidigen, die er<br />

persönlich auch kritisiert. Aber „wo käme m<strong>an</strong> da hin“, wenn m<strong>an</strong> alle Regeln außer<br />

Kraft setzen dürfte: denn letztlich „baut“ Org<strong>an</strong>isation auf das außer-Frage-stellen bestimmter<br />

Regeln und Vorschriften. Die Bal<strong>an</strong>ce zwischen „sturer“ Regeleinhaltung und<br />

deren „pragmatischer“ Umgehung wird so ständig neu ausgeh<strong>an</strong>delt.<br />

Die unterschiedlichen Formen, Regeln zu thematisieren und teils direkt, teils indirekt<br />

deren Veränderung zu betreiben bzw. diese zu verhindern, sind insbesondere auch<br />

unter einer mikropolitischen Perspektive aufschlußreich. Hierzu beinhalten die 5 Analysen<br />

viel Anschauungsmaterial.<br />

Die Arbeit ist aufgrund ihrer ethnographisch-interpretativen Zug<strong>an</strong>gs in ihren Ergebnissen<br />

(zw<strong>an</strong>gsweise) „diffuser“ als qu<strong>an</strong>titative Forschungsprojekte. Der Fokus auf


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Gesprächsprozesse und die darin stattfindende Sinndeutung darüber, was die Org<strong>an</strong>isation<br />

ist und wie der Prozeß des Org<strong>an</strong>isierens verlaufen sollte, läßt diese Vorgehensweise<br />

dem Gegenst<strong>an</strong>d <strong>an</strong>gemessen, weil heuristisch wertvoll erscheinen. Die Arbeit vermittelt<br />

damit nicht zuletzt einen differenzierten Einblick in die - in der <strong>an</strong>gloamerik<strong>an</strong>ischen<br />

Forschung weit verbreiteren - Formen ethnographischer Org<strong>an</strong>isationsforschung.<br />

Literatur<br />

Burns, T.; Flam, H.; 1987: The shaping of social org<strong>an</strong>ization. Social rule system theory with<br />

appliccations. Beverly Hills: Sage.<br />

Deetz, S. 1986. Metaphors <strong>an</strong>d the discursive production <strong>an</strong>d reproduction of org<strong>an</strong>ization. In: L.<br />

Thayer (ed) Org<strong>an</strong>ization - Communication. Emerging Perspectives. B<strong>an</strong>d 1, S. 168-182.<br />

Norwood, NJ: Ablex.<br />

Geißner, H. 1981. Sprechwissenschaft. Theorie der mündlichen Kommunikation. Königstein:<br />

Scriptor. (2. Aufl. Fr<strong>an</strong>kfurt 1988)<br />

Lakoff, G; Johnson, M. 1980. Metaphors we live by. Chicago: Univ. of Chicago Press.<br />

Schienstock, G.; Hofbauer, J.; Flecker, J. . 1991. Interessenskonflikte und Konsensmech<strong>an</strong>ismen<br />

in der neueren Org<strong>an</strong>isationssoziologie. In E. Hildebr<strong>an</strong>dt, (Hrsg.) Betriebliche Sozialverfassung<br />

unter Veränderungsdruck, S. 55-84. Berlin: rainer bohn.

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