Oswald Neuberger - Rainer Hampp Verlag

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06.01.2014 Aufrufe

I. Zum Paradigma der Objektivität (Systemtheoretische Perspektive). Die Bezeichung "Objektivität" habe ich gewählt, um die fundamentale Leistung dieses Ansatzes zu charakterisieren: Es geht darum, Organisationen zu entmenschlichen. Menschen werden unter dem Regime instrumenteller Vernunft zu Objekten (Produktionsfaktoren) versachlicht, bei denen nur ganz bestimmte leistungsrelevante Aspekte interessieren. Als spezielle Funktion ist Personalwesen eingebaut in den Gesamtprozeß der betrieblichen Leistungserstellung, der sich aus systemtheoretischer sozialwissenschaftlicher Perspektive darstellen läßt als die (zum Teil unüberschaubare) Gleichzeitigkeit aneinander angeschlossener Handlungen (bzw. Entscheidungen, Kommunikationen, Erwartungen usw.). Weil dieser Prozeß nicht streng deterministisch abläuft, sondern wegen seiner Komplexität, Kontingenz und Lernfähigkeit störbar ist, wird er ununterbrochen vom System selbst überwacht oder allgemeiner gesagt: beobachtet. Die fortwährende Selbstbeobachtung von Unternehmen wird besonders eindrucksvoll belegt durch die ebenfalls ausdifferenzierte Funktion des Controlling, das die Abbildung betrieblicher Geschehnisse in Kennziffern etc. betreibt und laufend überprüft, ob Ist-, Soll- und Plandaten den erwarteten Bezug zueinander haben. Der betriebliche Leistungsprozeß ist so komplex, daß er in seiner Gesamtheit nicht lückenlos und verzögerungsfrei überschaut und abgebildet werden kann. Die Aufmerksamkeit ist vielmehr spezifisch gerichtet; bestimmte Organe beschäftigen sich mit bestimmten Problemen und entwickeln dafür auch bestimmte Beschreibungen. Dies ist ein allgemeiner Name für alle Semantiken, Sprachen, Medien usw., die eingesetzt werden, um (Selbst-)Beobachtungen zu kommunizieren. Die verfügbaren oder gewählten Beschreibungen beinhalten und spiegeln wider die Interessen, Werte und Ideologien spezifischer Interessenten ("stakeholders"). Es gibt keine umfassende, wertfreie, richtige oder wahre Beschreibung, weil es das Anliegen der beteiligten Interessengruppen ist, ihre jeweilige Sicht der Dinge (Beobachtung) durchzusetzen und allgemeinverbindlich zu machen. Zu diesem Zweck muß die Beobachtung kommuniziert werden, d.h. sie muß in Sprache oder ein anderes Medium übersetzt und es muß dafür gesorgt werden, daß alle Beteiligten diese Mitteilung verstehen und zur Grundlage ihres Erwartens, Entscheidens und Handelns machen. Beobachtungen richten sich auf vorhandene Wirklichkeiten, die spezifische Realisierungen aus einem Reich denkbarer Möglichkeiten sind. Beobachtbar ist nur, was so und nicht anders ist bzw. diese Fest-Stellung oder Ab- Grenzung konstitutiert sowohl Beobachtung wie Beobachtetes. Prinzipiell gibt es für jede Wirklichkeit die Möglichkeit des Andersseins - alles ist kontingent. Das heißt auch, daß das Bestehende, Positive konfrontiert werden kann mit Alternativen - und zwar aus zwei Motivationen: Das Bestehende kann als ein Schlechtes oder Störendes ("Problem") bezeichnet werden, für das Verbesserungen gesucht werden. Das Vorhandene kann aber auch als gut akzeptiert werden, ohne daß diese Bewertung zu Zufriedenheit und Untätigkeit führte, sondern als Ausgangspunkt für die Suche nach neuen Möglichkeiten ("Chancen") dient. In beiden Fällen (Problemen und Chancen) werden beobachterspezifische Suchrichtungen gewählt; es werden Zuschreibungen (Attributionen, Zuständigkeitserklärungen) vorgenommen, die für die weitere Bearbeitung Verantwortung zuteilen. Damit werden Beobachtungen herausgenommen aus der blinden Faktizität des Seins und zur Kenntnis gebracht ("thematisiert"), so daß sie mit systemeigenen Operationen behandelbar werden.

Ein Problem kann z.B. etikettiert oder thematisiert werden als eines der Finanzierung, der Logistik, der Produktion oder eben: als ein Personalproblem. Personalprobleme sind Diskrepanzen in der Ausstattung mit und dem Funktionieren von Personal. Von besonderer Bedeutung sind Transformationsprobleme: Das beschaffte "Arbeitsvermögen" der vorhandenen "Arbeitskräfte" muß in Arbeitsleistungen umgesetzt und in den betrieblichen Leistungsprozeß integriert werden. Nicht der einzelne Mensch interessiert, sondern sein Einbau in den betrieblichen Leistungsprozeß und -zusammenhang. Das bedeutet: Es geht um technisch-organsatorisch-soziale Koordination. Vor allem die Schnittstellen sind wichtig, an denen die Verbindungen von Einzelbeiträgen erfolgen. Ein hochkompetenter und -motivierter Spezialist ist gesamtbetrieblich gesehen unökonomisch plaziert, wenn nicht die anderen Handelnden und Einrichtungen (Maschinen, Strukturen) seine Potenzen erschließen und verwerten können, indem sie angemessene Voraussetzungen bereitstellen und Anschlußhandlungen gewährleisten können. Es geht also prinzipiell nicht um den Einzel-, sondern nur um den "Gesamtarbeiter". Wenn schon etwas - aus betrieblicher Sicht - im Mittelpunkt steht, dann nicht der einzelne Mensch, sondern das Personal. Personal wird hier nicht amorph als die "Gesamtheit der Menschen im Unternehmen" ("die Personen"), sondern als Kollektivsingular ("das Personal") betrachtet, das die Besonderheit dieser Zusammenfassung von Personen ausdrückt. Menschen werden zu Personal, wenn und soweit sie durch die Mitgliedschaft in einer Organisation in bestimmten relevanten Aspekten ihres Denkens und Handelns auf betriebliche Ziele und Aufgaben beschränkt sind bzw. werden (s. Neuberger 1990). Die allgemeinen Personal-Probleme, die eine kompetente Bearbeitung erfahren müssen, sind bekannt und werden in den personalwirtschaftlichen Lehrbüchern differenziert behandelt (P-Politik, P-Planung, P- Marketing, P-Beschaffung, P-Auswahl, P-Einsatz, P-Entwicklung, P-Abbau bzw. P- Anpassung, P-Kontrolle, P-Controlling, P-Führung, Bezahlung, Arbeitsbewertung ...). In der Abbildung 1 sind diese Problembereiche aufgeführt und mit den Lehrveranstaltungen (und Basistexten), die wir an der Universität Augsburg im Vertiefungsfach "Personalwesen" anbieten, in Beziehung gesetzt. Für die Überwachung und Steuerung dieser allgemeinen typisier- und vorhersagbaren Personalprobleme sind Abbildungsvorschriften und Routineprogramme etc. entwickelt worden. Sie sind die "harten S" (systems, structures, strategies) die den Kern des Spezialistentums des Personalwesens ausmachen. Im wesentlichen sind es zwei Hauptaufgaben, konstitutive und exekutive. Konstitutiv sind die Aufgaben, die den "Personalkörper" herstellen (Planung, Beschaffung, grundsätzliche Ausrichtung etc.). Zur Wahrnehmung der exekutiven Aufgaben ("Personalbewegungen") werden Kennziffern und Frühwarnsignale festgelegt, kontinuierlich erhoben und rückgemeldet (Anwesenheit, Produktivität, Lohnkosten, Qualifikationsniveau, Fluktuation usw.). Werden Abweichungen (Probleme) festgestellt, greifen Routinen ein, also vorbereitete standardisierte Problemlösungen. Meist werden die einlaufenden Informationen in einer bestimmten betrieblichen Stelle ("Personalabteilung") gesammelt, ausgewertet und bearbeitet. Es ist aber auch möglich, daß in dieser Stelle nur die Problemlösungs-Verfahren erarbeitet werden; an dezentraler Stelle sind die "Pakete" dann anzuwenden, wenn bestimmte definierte Problemsituationen auftreten ("Wenn ein Mitarbeiter mehr als 10 min zu spät kommt, dann ist dies festzuhalten und dem Lohnbüro zu melden"). Die Zuordnung konstitutiver und exekutiver Aufgaben wurde im historischen Verlauf der Unternehmensentwicklung unterschiedlich vorgenommen: Zuerst lagen alle Aufgaben beim Unternehmer oder den von ihm eingesetzten Führungskräften, dann haben sich einzelne Funktionen

Ein Problem kann z.B. etikettiert oder thematisiert werden als eines der<br />

Finanzierung, der Logistik, der Produktion oder eben: als ein<br />

Personalproblem. Personalprobleme sind Diskrepanzen in der Ausstattung<br />

mit und dem Funktionieren von Personal. Von besonderer Bedeutung sind<br />

Transformationsprobleme: Das beschaffte "Arbeitsvermögen" der vorhandenen<br />

"Arbeitskräfte" muß in Arbeitsleistungen umgesetzt und in den<br />

betrieblichen Leistungsprozeß integriert werden.<br />

Nicht der einzelne Mensch interessiert, sondern sein Einbau in den<br />

betrieblichen Leistungsprozeß und -zusammenhang. Das bedeutet: Es geht um<br />

technisch-organsatorisch-soziale Koordination. Vor allem die<br />

Schnittstellen sind wichtig, an denen die Verbindungen von Einzelbeiträgen<br />

erfolgen. Ein hochkompetenter und -motivierter Spezialist ist<br />

gesamtbetrieblich gesehen unökonomisch plaziert, wenn nicht die anderen<br />

Handelnden und Einrichtungen (Maschinen, Strukturen) seine Potenzen<br />

erschließen und verwerten können, indem sie angemessene Voraussetzungen<br />

bereitstellen und Anschlußhandlungen gewährleisten können. Es geht also<br />

prinzipiell nicht um den Einzel-, sondern nur um den "Gesamtarbeiter".<br />

Wenn schon etwas - aus betrieblicher Sicht - im Mittelpunkt steht, dann<br />

nicht der einzelne Mensch, sondern das Personal.<br />

Personal wird hier nicht amorph als die "Gesamtheit der Menschen im<br />

Unternehmen" ("die Personen"), sondern als Kollektivsingular ("das<br />

Personal") betrachtet, das die Besonderheit dieser Zusammenfassung von<br />

Personen ausdrückt. Menschen werden zu Personal, wenn und soweit sie<br />

durch die Mitgliedschaft in einer Organisation in bestimmten relevanten<br />

Aspekten ihres Denkens und Handelns auf betriebliche Ziele und Aufgaben<br />

beschränkt sind bzw. werden (s. <strong>Neuberger</strong> 1990).<br />

Die allgemeinen Personal-Probleme, die eine kompetente Bearbeitung<br />

erfahren müssen, sind bekannt und werden in den personalwirtschaftlichen<br />

Lehrbüchern differenziert behandelt (P-Politik, P-Planung, P- Marketing,<br />

P-Beschaffung, P-Auswahl, P-Einsatz, P-Entwicklung, P-Abbau bzw. P-<br />

Anpassung, P-Kontrolle, P-Controlling, P-Führung, Bezahlung,<br />

Arbeitsbewertung ...). In der Abbildung 1 sind diese Problembereiche<br />

aufgeführt und mit den Lehrveranstaltungen (und Basistexten), die wir an<br />

der Universität Augsburg im Vertiefungsfach "Personalwesen" anbieten, in<br />

Beziehung gesetzt. Für die Überwachung und Steuerung dieser allgemeinen<br />

typisier- und vorhersagbaren Personalprobleme sind Abbildungsvorschriften<br />

und Routineprogramme etc. entwickelt worden. Sie sind die "harten S"<br />

(systems, structures, strategies) die den Kern des Spezialistentums des<br />

Personalwesens ausmachen. Im wesentlichen sind es zwei Hauptaufgaben,<br />

konstitutive und exekutive. Konstitutiv sind die Aufgaben, die den<br />

"Personalkörper" herstellen (Planung, Beschaffung, grundsätzliche<br />

Ausrichtung etc.). Zur Wahrnehmung der exekutiven Aufgaben<br />

("Personalbewegungen") werden Kennziffern und Frühwarnsignale festgelegt,<br />

kontinuierlich erhoben und rückgemeldet (Anwesenheit, Produktivität,<br />

Lohnkosten, Qualifikationsniveau, Fluktuation usw.). Werden Abweichungen<br />

(Probleme) festgestellt, greifen Routinen ein, also vorbereitete<br />

standardisierte Problemlösungen. Meist werden die einlaufenden<br />

Informationen in einer bestimmten betrieblichen Stelle ("Personalabteilung")<br />

gesammelt, ausgewertet und bearbeitet. Es ist aber auch<br />

möglich, daß in dieser Stelle nur die Problemlösungs-Verfahren erarbeitet<br />

werden; an dezentraler Stelle sind die "Pakete" dann anzuwenden, wenn<br />

bestimmte definierte Problemsituationen auftreten ("Wenn ein Mitarbeiter<br />

mehr als 10 min zu spät kommt, dann ist dies festzuhalten und dem<br />

Lohnbüro zu melden"). Die Zuordnung konstitutiver und exekutiver Aufgaben<br />

wurde im historischen Verlauf der Unternehmensentwicklung unterschiedlich<br />

vorgenommen: Zuerst lagen alle Aufgaben beim Unternehmer oder den von ihm<br />

eingesetzten Führungskräften, dann haben sich einzelne Funktionen

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